Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundeneTagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufge-führten Punkte zu erweitern:1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahrena) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrach-ten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer„Bundesstiftung Baukultur“– Drucksachen 16/1945, 16/1990 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
InnenausschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehr-cke, Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Diether Dehm, weitererAbgeordneter und der Fraktion der LINKENDauergenehmigungen für Militärflüge aufheben– Drucksache 16/857 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussVerteidigungsausschussRedetc) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck
, Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bre-
men), weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENMeinungs- und Versammlungsfreiheit für Lesben undSchwule in ganz Europa durchsetzen– Drucksache 16/1667 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
InnenausschussAuswärtiger AusschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für die Angelegenheiten der EuropäischenUniond) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, Se-vim Dagdelen, Monika Knoche, weitererund der Fraktion der LINKENFlüchtlingen aus Nahost Schutz bieten– Drucksache 16/2341 –
Jochimsen, Katja Kipping, Dr. Petra Sitte, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der LINKENBundespolitik soll im Streit um die Waldschlösschen-brücke vermitteln– Drucksache 16/2499 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
Auswärtiger AusschussAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungf) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. GesineLötzsch, Petra Pau, Dr. Hakki Keskin, Dr. Gregor Gysiund der Fraktion der LINKENFertigstellung des Mauerparks im Bereich der ehema-ligen innerstädtischen Grenze in Berlin– Drucksache 16/2508 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungg) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Höfken,Rainder Steenblock, Matthias Berninger, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNENForderung der EU nach Transparenz bei Subventio-extnen im Agrarbereich vollständig umsetzen und dieNeuausrichtung der Förderung vorbereiten– Drucksache 16/2518 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der EuropäischenUnion
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung2 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Erneu-erbare-Energien-Gesetzes– Drucksache 16/2455 –ngsvorschlag: für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
schuss für Wirtschaft und TechnologieAbgeordneterÜberweisuAusschussFinanzausAusschuss
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Bleser, UrsulaHeinen, Klaus Brähmig, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Mechthild Ra-wert, Waltraud Wolff , Ulrich Kelber, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDDie weltweit letzten 100 westpazifischen Grauwale schüt-zen– Drucksache 16/2510 –Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweiterforderlich, abgewichen werden.Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Aus-schussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste auf-merksam:Der in der 43. Sitzung des Deutschen Bundestagesüberwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlichdem Finanzausschuss zur Mitberatungüberwiesen werden.Zweites Gesetz der Bundesregierung zurÄnderung des Gesetzes zur Verbesserung derpersonellen Struktur beim Bundeseisenbahn-vermögen und in den Unternehmen der Deut-schen Bundespost– Drucksache 16/1938 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
InnenausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesSind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.Dann ist das so beschlossen.Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-nungspunkt 1 – fort:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2007
– Drucksache 16/2300 –b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierungFinanzplan des Bundes 2006 bis 2010– Drucksache 16/2301 –Ich erinnere daran, dass wir am Dienstag für die heu-tige Aussprache insgesamt elf Stunden beschlossen ha-ben.
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mitdem Geschäftsbereich des Bundesministeriums fürArbeit und Soziales, Einzelplan 11. Zur Eröffnung er-teile ich das Wort dem Herrn Bundesminister Müntefe-ring.gmSbanDdtdbwudesdmRdiBvaAeennLgdwdfkMCddgbsmd
In den letzten Tagen haben die Bundeskanzlerin under Finanzminister die großen Linien der Politik erläu-ert. Es bleibt dabei: Wir wollen den Haushalt konsoli-ieren. Dazu muss auch dieser Einzelplan seinen Teileitragen. Wir wollen, dass Arbeitslosigkeit reduziertird; da sind wir auf einem guten Weg. Wir wollen, dassnsere Sozialsysteme stabilisiert werden. Wir sind 2006abei, ein gutes Stück voranzukommen. Der Haushalts-ntwurf für das Jahr 2007 eröffnet die Möglichkeit, die-en Weg im Jahr 2007 weiterzugehen.Im Jahr 2006 – das wurde schon gesagt – ist die Zahler Arbeitslosen zurückgegangen. Die Beitragseinnah-en der Arbeitslosenversicherung und übrigens auch derentenversicherung sind gestiegen. Das ist ein Zeichenafür, dass sich am Arbeitsmarkt einiges tut. Nicht nurm Bereich des Arbeitslosengeldes I, sondern auch imereich des Arbeitslosengeldes II sind die ersten positi-en Signale vorhanden. Die Tatarenmeldungen von vorcht bis zwölf Wochen über die Kosten im Bereich desrbeitslosengeldes II werden sich nicht so erfüllen, wies damals von manchen befürchtet worden ist. Dies istine gute Tendenz. Diesen Weg wollen wir auch imächsten Jahr weitergehen.Es gibt eine Sorge, die wir alle miteinander haben,ämlich die, ob es für die jungen Menschen in unseremand im Herbst hinreichend viele Ausbildungsplätzeibt. Wir haben in den letzten Wochen gemeinsam miter Wirtschaft, mit großen und kleinen Unternehmen so-ie mit dem Handwerk, versucht, zusätzliche Ausbil-ungsplätze zu schaffen. Die Situation ist noch nicht be-riedigend. Deshalb müssen wir Druck machen und allenlar machen – das ist ganz wichtig –, dass die jungenenschen, wenn sie aus der Schule kommen, einehance haben müssen, einen Ausbildungsplatz zu fin-en.Die Bundesagentur für Arbeit sorgt im Moment dafür,ass es für 5 000 junge Menschen aus Familien mit Mi-rationshintergrund zusätzliche außerbetriebliche Aus-ildungsplätze gibt. Denn diese haben es besonderschwer am Arbeitsmarkt. Möglicherweise werden esehr als 5 000 sein, die hier in besonderer Weise geför-ert werden. 14 000 Ausbildungsplätze für Ostdeutsch-
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Bundesminister Franz Münteferingland werden vom Ministerium der Kollegin Schavan fi-nanziert.Die Bundesagentur hat eine Förderquote von42 000 bis 43 000 außerbetrieblichen Ausbildungsplät-zen und die Argen haben eine solche von 3 000 bis4 000. Das Unterteilen des Arbeitsmarktes in die Berei-che Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II hat auchdazu geführt, dass in dem Bereich der Argen die Zahlder Ausbildungsplätze und die Zahl der Vermittlungengegenüber dem früheren Engagement der BA abgenom-men haben. Deshalb müssen wir an dieser Stelle nocheinmal Druck machen.
Ich möchte Sie heute darüber informieren, dass ichveranlasse, dass die Zahl der Plätze im Bereich EQJ– das ist die Einstiegsqualifizierung für Jugendliche –zum 1. Oktober von 25 000 auf 40 000 angehoben wird.Das sind noch einmal 15 000 Jugendliche mehr, die eineChance bekommen, in diesem Jahr in diese Qualifizie-rung hineinzukommen. Das, finde ich, ist eine richtigeund wichtige Entscheidung.
Das gibt unser Haushalt her. Das hat auch etwas mit derEntwicklung des Jahres zu tun. Die Kosten kommen ab1. Oktober auf uns zu. Wir werden das Angebot der40 000 EQJ-Plätze bis zum Jahre 2007 weiterführen,möglichst auch darüber hinaus, damit die Jugendlichensich auch darauf einstellen können.Diese Plätze richten sich besonders an solche Jugend-liche, die es schwer haben, aufgenommen zu werden. Siemachen eine Art Praktikum und bekommen dafür knapp200 Euro Bundesmittel, gewissermaßen als Ausbil-dungsvergütung, und wir zahlen Sozialversicherungsbei-träge für diese jungen Menschen.60 Prozent von ihnen sind im letzten Jahr nach einemhalben Jahr in eine ordentliche Ausbildung übernommenworden. Das ist eine gute Quote. Den Weg wollen wirweitergehen.
Diese 40 000 sind meiner Meinung nach eine gute Zahlfür den Ausbildungsmarkt insgesamt.Ich möchte hier ankündigen, dass wir uns neben derNotwendigkeit, dass wir uns Gedanken über die jungenMenschen machen, die aus der Hauptschule kommen,auch Gedanken darüber machen müssen, was mit denje-nigen passiert, die beispielsweise von der Hochschulekommen. Ich sehe mit großer Sorge – das wird zurzeitrecherchiert –, dass eine Art Praktikamethode um sichgreift, die nicht toleriert werden kann. Darum müssenwir uns kümmern.
Praktika im klassischen Sinne des Wortes sind sinn-voll, wenn junge Menschen für kurze Zeit die Chancehaben, sich in einen Beruf hineinzulernen und hineinzu-denken. Wenn aber manche Unternehmen – längst nichtaVdPinsE3uwsbwLSeh–mWwghukrhGdhdntvGgGgdsumwbwDudh
In den vergangenen Tagen haben wir es schon gehört:ir wollen dadurch noch einmal Druck machen, dassir einen Teil der Mittel aus dem 25-Milliarden-Pro-ramm für die energetische Gebäudesanierung vorzie-en. Die Anträge für das Jahr 2006 sind längst gestelltnd genehmigt. Nun wollen wir dafür sorgen, dass es daeinen Abbruch gibt. Die energetische Gebäudesanie-ung bleibt auch angesichts der Energiekosten, die wiraben, hoch interessant.Ich würde es sehr begrüßen, wenn Bund, Länder undemeinden sich noch einmal zusammensetzen und auchie öffentlichen Gebäude in eine solche Aktion einbezie-en würden. Das wäre eine wirklich gute Sache für Endeieses Jahres, Anfang nächsten Jahres.Öffentliche Investitionen können natürlich längsticht alles, was man für die Konjunktur tun muss, leis-en. Aber wir haben in Deutschland Arbeit. Wir leben anerschiedenen Stellen von der Substanz, auch was dieebäude angeht. Wenn Bund, Länder und Gemeindenemeinsam darangehen, sehr schnell die energetischeebäudesanierung und die Modernisierung von Kinder-ärten, Schulen, Hochschulen und öffentlichen Gebäu-en zu forcieren, dann ist das auch noch einmal ein zu-ätzliches Angebot für das Handwerk in Deutschlandnd für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Den Wegüssen wir weitergehen. Es ist doppelt sinnvoll, dassir das vorantreiben.
Im Januar werden die Arbeitslosenversicherungs-eiträge von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent sinken. Dasurde in den letzten Tagen intensiv diskutiert, vor alleningen vor dem Hintergrund, dass die Bundesagenturns einen erfreulichen Überschuss für dieses Jahr mel-et. Ich bin dafür, dass wir damit ganz nüchtern umge-en. Wenn dauerhaft ein weiterer Überschuss bei der
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Bundesminister Franz MünteferingAgentur gesichert ist, dann bin ich dafür, dass man dieBeiträge weiter senkt.
Ich bitte aber, das Wort „wenn“ mitzuhören. Ich möchteeine mittelfristige Finanzplanung der BA bis zum Jahre2010 haben. Ich möchte nicht, dass wir im Verlauf derLegislaturperiode, im Jahre 2008 oder im Jahre 2009, ei-nen neuen Zuschuss des Bundes geben müssen, weildann kein Überschuss mehr da ist. Das will ich bitte ge-klärt haben, ehe wir mal schnell daran gehen, Geld aus-zugeben. Es ist auch, glaube ich, solide, dass wir das indieser Weise machen.
Ich habe erste Berechnungen dazu gesehen; da wardas keineswegs selbstverständlich. Man muss berück-sichtigen, dass 3,1 Milliarden Euro des Überschusses derAgentur aus dem Einmalvorgang der 13. Zahlung resul-tieren. Wir haben die Zahlung der Sozialversicherungs-beiträge vom 1. auf den 30. oder 31. eines Monats umge-stellt. Deshalb gibt es in diesem Jahr 13 Zahlungen.Dieser Überschuss wird im nächsten Jahr fehlen. Des-halb muss man im Umgang mit diesen Mitteln vorsichtigsein.Aber: Da soll nichts weggenommen werden. Wenn-gleich diese etwas überhöhte Debatte der letzten Tagedarüber, wem das Geld eigentlich gehört, vielleicht dochnoch einmal vor folgendem Hintergrund gesehen werdenmuss: Seit 1988 – die Kanzlerin hat es gestern auch ge-sagt – hat die Agentur jedes Jahr einen Zuschuss ge-braucht.
– Herr Niebel, seit Sie weg sind, ist es etwas besser ge-worden.
Das bestätigen alle. Vielleicht hat es ja etwas mit Ihnenzu tun, dass der Überschuss jetzt aufgetreten ist.In den letzten zehn Jahren hat die Agentur Zuschüssein Höhe von 38,8 Milliarden Euro gebraucht, im Schnittalso etwa 4 Milliarden Euro pro Jahr. In diesem Jahr hatsie keinen gebraucht. Jetzt macht man sich groß und for-dert: Dieses Geld muss sofort zurückgegeben werden.Dazu sage ich: Vorsicht, wir sollten an dieser Stelle ehr-lich miteinander umgehen.Die Initiative „50 plus“ führen wir fort. In diesemHerbst werden wir auch im Parlament und in den Frak-tionen intensiv darüber sprechen. Ich glaube, dass wirauf diesem Gebiet eine gute Entwicklung haben. Ziel derKoalition ist es, dass im Jahre 2010 50 Prozent derer, die55 Jahre und älter sind, in Deutschland noch in Beschäf-tigung sind.
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Sie können ihm mitteilen: Bei der Altersvorsorgeäuft es gut. Die betriebliche Altersvorsorge und dieiesterrente gewinnen. Hunderttausende kommen hinzu im letzten Jahr 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen –, dieetzt auch nach Riester sparen.In Deutschland muss ein Bewusstsein dafür entste-en, dass neben die gesetzliche Rente ein privates Ren-ensparen treten muss. Das muss selbstverständlich wer-en. Wir müssen das staatlicherseits unterstützen. Dieiesterrente unterstützen wir beispielsweise dadurch,ass wir einen erhöhten Kinderzuschlag in Höhe von00 Euro zahlen und das Bauen oder Kaufen vonohneigentum in die Riesterrente einschließen; dennin Eigenheim bzw. eine Wohnung ist ein Gut, das manm Rahmen der Altersvorsorge gut gebrauchen kann. Al-ersvorsorge muss im Laufe dieser Legislaturperiode zuiner festen Größe in den Köpfen der Menschen werden.er in Deutschland in den Beruf geht, muss eigentlichleichzeitig mit privater Altersvorsorge beginnen.In diesem Zusammenhang appelliere ich an die Tarif-arteien, dafür zu sorgen, dass dieses Thema in die Tarif-erhandlungen einbezogen wird.
er letzte Metall-Tarifvertrag ist da sehr gut. Da habenie Unternehmen und die Arbeitnehmer Regelungen ge-unden, die alle Arbeitnehmer einschließen. Wenn unsas flächendeckend gelingt, muss man nicht mehr da-über sprechen, ob die Riesterrente obligatorisch seinollte. Wenn man das im Rahmen der Tarifverträge re-elt, sind auch die niedrigen Einkommensgruppen ein-ezogen sowie diejenigen, die aus eigenem Impuls he-aus keinen Vertrag über eine Riesterrente abschließenürden. Dieses Moment der privaten Altersvorsorgeird uns im nächsten Jahr noch intensiv beschäftigen.In den nächsten Wochen werden wir im Rahmen derebatte über die Rentenreform über die Anhebung desenteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre sprechen.as ist zu präzisieren. Wir müssen das Gesetz erarbei-en. Anfang nächsten Jahres werden wir die entsprechen-en Beschlüsse zu fassen haben. Darüber wird es sicheroch hinlängliche Diskussionen geben. Ich bin aber si-her, dass wir auf einem vernünftigen Weg sind. Bisheronnte man in Deutschland zwischen 60 und 65 Jahrenn Rente gehen. Wenn man früher ging, musste man na-ürlich einen Abschlag hinnehmen. Dieses Fenster wer-en wir auf das Alter zwischen 62 und 67 Jahren vergrö-ern. Wer früher geht, muss weiterhin einen Abschlag
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Bundesminister Franz Münteferinghinnehmen. Angesichts der Tatsache, dass die Menschenlänger leben, und das relativ gesund, dass die jungenLeute später in die Jobs gehen als meine Generation, istes, so glaube ich, gerechtfertigt zu sagen, dass wir dieseVeränderung bei der gesetzlichen Altersrente Schritt fürSchritt bis zum Jahr 2029 durchsetzen wollen.
In den vergangenen Wochen ist darüber spekuliertworden, ob die Renten erhöht werden können. Auch beidiesem Thema empfehle ich Vorsicht. Die Höhe derRentenversicherungsbeiträge, die eingehen, sagt nichtsüber mögliche Rentenerhöhungen aus. Rentenerhöhun-gen sind an die Entwicklung der Löhne und Gehälter ge-bunden. Im Moment sind die Zahlen, die ich dazu be-komme, hochambivalent; anders kann man das nichtnennen. Denn ob es aufgrund der Arbeitsplätze, die es indiesem Jahr zusätzlich gibt, zu einer höheren Lohn-summe kommt und um wie viel die Löhne eigentlichsteigen, wird man erst sehen, wenn man ein Stück weiterist. Deshalb empfehle ich an dieser Stelle Vorsicht.Ich sage aber den Rentnerinnen und Rentnern inDeutschland: Wenn es nach den geltenden Gesetzen,also ausgerichtet an der Entwicklung der Löhne und Ge-hälter, Möglichkeiten zur Rentenerhöhung gibt, werdenwir sie natürlich nutzen. Wir werden die Karte des Nach-holfaktors nicht vor dem Jahre 2010 ziehen. Wenn es dieChance zur Rentenerhöhung gibt, werden wir die Rentenerhöhen; ob es möglich ist, wird man sehen. Auch wennZeitungen mit ganz großen Buchstaben schön lange Ta-bellen dazu drucken und anschließend schreiben, ichwürde mich weigern, den Menschen die Rente zu geben,dann sage ich hier – die offene Debatte muss ich beste-hen; das weiß ich –: Es gibt ein Gesetz, und wenn lautGesetz die Renten erhöht werden müssen, dann werdensie erhöht, und wenn nicht, dann in diesem Jahr nochnicht. Die Karte des Nachholfaktors werden wir jeden-falls nicht ziehen. Das sollten die Menschen bei uns imLand wissen.
Es gab in den letzten Tagen den Rat – es soll angeb-lich ein sachverständiger Rat sein –, dass man die345 Euro Hartz IV bzw. das Arbeitslosengeld II kürzensoll. Ich weise darauf hin, dass das Kabinett am 23. Au-gust dieses Jahres beschlossen hat, dass wir auf derGrundlage der EVS, der Einkommens- und Verbrauchs-stichprobe, bei der Sozialhilfe in Höhe von 345 Eurobleiben. Das werden Bundestag und Bundesrat noch zubeschließen haben.Diese Entscheidung zur Sozialhilfe ist keine Dau-menpeilung, keine Willkür, sondern gründet auf der Er-fahrung der vergangenen Jahre. Es wird nichts gekürzt– es kann gar nichts gekürzt werden –, und da die Sozial-hilfe die Referenzgröße für das Arbeitslosengeld II ist,sehe ich auch nicht, wie man beim Arbeitslosengeld IIunter das Existenzminimum gehen könnte. Der Irrtumdessen, was da als sachverständig kommt, ist: Wenn maneine Kürzung um 30 Prozent vornehmen würde und denMw3snzddsü–gzzdDmWgLhasFuzEF3smesnddsshkdbwfsvEaes
Wir werden in diesem Herbst eine intensive Debatteber den Niedriglohnbereich führen. Dazu wird esdas ist im Kabinett so vereinbart worden – Anhörun-en unter der Leitung meines Hauses geben, und zwarum Kombilohn, zum Mindestlohn, zum Zuverdienst,um dritten Arbeitsmarkt und zur Effizienzverbesserunger Umsetzung im Bereich des Arbeitslosengeldes II.as sind die fünf großen Themen, die behandelt werdenüssen. Die Fraktionen wurden dazu angeschrieben.ir werden Ende September mit diesen Beratungen be-innen.Etwa 15 bis 20 Prozent der Menschen bei uns imand arbeiten im Niedriglohnbereich. Das heißt, sie er-alten einen Lohn, der unterhalb der Grenze liegt, dieus unserer Sicht akzeptabel ist. Wir müssen uns mit die-em Thema beschäftigen. Ich weiß, dass es dazu vieleragezeichen gibt. Ich meine aber, dass wir eine offenend klare Debatte darüber führen sollten. Denn es istweifellos so, dass viele Menschen bei uns im Land dierfahrung machen: Oben ist der Deckel drauf, der freieall nach unten ist eröffnet. Löhne in Höhe von 4 Euro,,50 Euro und 3 Euro pro Stunde – auch die habe ich ge-ehen – sind aus meiner Sicht sittenwidrig. Deshalbuss man als Politiker etwas dazu sagen und versuchen,s zu ändern.
Ich will abschließend ein Wort zu unserer europäi-chen Aufgabe sagen. Ich war Anfang der Woche bei ei-er ASEM-Konferenz. Dort tagten Arbeitsminister ausem asiatischen und dem europäischen Raum. Wir wer-en natürlich während unserer europäischen Präsident-chaft im nächsten Jahr von Deutschland aus ganz be-onders auf die soziale Dimension Europas zu achtenaben. Wer die Zustimmung zu Europa haben will – dasann man aus den Abstimmungen in Frankreich und inen Niederlanden lernen; Abstimmungen, die wir nichtestehen mussten –, muss erreichen, dass die Menschenieder das feste Gefühl haben können, dass Europa sichür sie lohnt, dass Europa so, wie es sich aufstellt, eineoziale Dimension hat. Diese Aufgabe müssen wir unsornehmen. Wer Europa gut will, muss wollen, dassuropa den Menschen vermitteln kann, dass es mehr istls eine Idee von Wettbewerb und Markt, dass es auchine Idee des Zusammenlebens und der sozialen Dimen-ion der Gesellschaften ist.
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4596 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Bundesminister Franz Müntefering
Wenn uns das im nächsten Jahr gelingt – damit werdenwir uns auch im Rahmen der G 8 beschäftigen müssen –,dann haben wir, glaube ich, unseren Teil dazu beigetra-gen, dass Deutschland und Europa insgesamt einen gu-ten Weg nehmen.Ich bin für das Jahr 2007 ganz zuversichtlich, dasswir auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfs einenguten Weg gehen können. Alle Spötter sind schon einbisschen leiser geworden. Als ich in den vergangenenTagen die Oppositionsreihen beobachtet habe, habe ichzunehmend das Gefühl bekommen, dass Ihnen das Pul-ver ausgeht
– das war heute Morgen Ihre erste Reaktion –, weil Siegenau merken, dass wir Recht haben. Wir haben in die-sem Jahr, im Jahr 2006, mit unserer Politik des Ansto-ßens bzw. der Impulsgebung am Arbeitsmarkt und dendaraus folgenden Konsequenzen einen Weg begonnen,der die Chance eröffnet, aus der Sparkurve herauszu-kommen und das zu erreichen, was wir wollen; einen so-liden Haushalt, Arbeitslosigkeit runter und stabile Sozi-alsysteme. Wir sind auf dem richtigen Weg.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die folgenden Redner gilt natürlich, dass sie wie-
der vom Rednerpult aus sprechen.
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Claudia
Winterstein von der FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr verehrter Herr Minister, über die Haushaltsrisikenhaben Sie verständlicherweise nicht gesprochen. Deswe-gen will ich das an dieser Stelle tun. Ihre Haushaltspla-nung für das Jahr 2007 erweist sich nämlich erneut alsunsolide. Ihr Haushaltsentwurf ist eine Quelle massiverHaushaltsrisiken. Das galt für den Haushalt des Jahres2006 und das gilt auch für Ihren Haushaltsentwurf 2007.Wohin man schaut, drohen Haushaltslöcher.Ich beginne mit dem schlimmsten Fehler, den Sie ma-chen. Die Kosten für das Arbeitslosengeld II sind imHaushaltentwurf für das Jahr 2007 wieder zu gering an-gesetzt. Das hat nun schon Methode. 2005 haben 10 Mil-liarden Euro gefehlt und 2006 werden statt 24,4 Milliar-den Euro wahrscheinlich 27 Milliarden Euro gebraucht.Dennoch setzen Sie für 2007 lediglich 21,4 MilliardenEuro an. Sie lügen sich in die Tasche. Denn die Zahl derLeistungsempfänger ist 2006 ebenso wie 2005 ständiggestiegen. Bisher gibt es keine Anzeichen für eineTEEiDusmbvrmnDalSmgFPdwdEdFszbAjAt5hddknl
Von dem angekündigten Gesamtkonzept zu den The-en Kombilohn, Mindestlohn und Hartz IV ist bishericht einmal ein grober Rahmen zu erkennen.
ie Koalition ist uneinig und hilflos.
Nächster kritischer Punkt: die Beteiligung des Bundesn den Unterkunftskosten der Empfänger des Arbeits-osengeldes II. 2006 hat der Bund hierfür nach großemtreit 3,9 Milliarden Euro gezahlt. Das war erheblichehr als das, was nach den Berechnungen der Bundesre-ierung notwendig und berechtigt gewesen wäre. Diesenrieden haben Sie sich teuer erkauft. Jetzt holt Sie diesesroblem in voller Schärfe ein: Auf der einen Seite stehenie Länder, die 2007 ganze 5,5 Milliarden Euro habenollen, auf der anderen Seite steht die Bundesregierung,ie im Haushaltsentwurf 2007 lediglich 2 Milliardenuro eingeplant hat. Hier droht wiederum ein milliar-enschweres Haushaltsloch.
ür die FDP will ich klar sagen: Es darf nicht sein, dassich der Bund noch einmal in der Weise über den Tischiehen lässt, wie es 2006 der Fall war.
Ein weiterer kritischer Punkt: der Aussteuerungs-etrag. Der Bund verlangt von der Bundesagentur fürrbeit eine Strafzahlung in Höhe von 10 000 Euro füreden Arbeitslosen, der vom Arbeitslosengeld I in dasrbeitslosengeld II wechselt. Dieser Aussteuerungsbe-rag wird im Haushaltsentwurf für das Jahr 2007 mit,1 Milliarden Euro und damit um 1,1 Milliarden Euroöher als im Haushalt 2006 angesetzt. Das schafft wie-erum ein Haushaltsrisiko; denn in diesem Jahr mussteer erwartete Wert bereits von 5 auf 4 Milliarden Euroorrigiert werden. Damit liegt er wahrscheinlich immeroch zu hoch: Man geht mittlerweile eher von 3,7 Mil-iarden Euro aus. Sie lügen sich also wieder in die Ta-
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Dr. Claudia Wintersteinsche. Wo bleiben denn hier Haushaltsklarheit und Haus-haltswahrheit, Herr Müntefering?
Es geht hier aber auch um ein grundsätzliches Pro-blem: Mit dem Aussteuerungsbetrag bereichert sich derBund unzulässig aus Beitragsgeldern.
Forderungen, den Aussteuerungsbeitrag auch noch zuerhöhen, lehnt die FDP deshalb eindeutig ab, ebenso wieandere Ideen, Beitragsgelder einfach in den Bundeshaus-halt umzuleiten.Damit meine ich zum Beispiel die Debatte über dieVerwendung der Überschüsse der Bundesagentur.
Diese Gelder dürfen nicht zur Haushaltskonsolidierunggenutzt werden. Die Bundesagentur hat völlig Recht,wenn sie hier mit Klage droht. Die Mittel der Bundes-agentur stammen aus den Beiträgen der Versicherten undder Arbeitgeber. Von diesem Geld hat der Bund die Fin-ger zu lassen!
Wenn die Bundesagentur Überschüsse erwirtschaftet,müssen diese Mittel den Beitragszahlern zurückgegebenwerden, also muss der Beitragssatz gesenkt werden, umso Arbeitgeber und Arbeitnehmer direkt zu entlasten.Nun hat die Bundesagentur für 2006 einen Über-schuss von etwa 9 Milliarden Euro zu erwarten. Mit die-sem Polster kann sie für 2007 die Senkung des Beitragszur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozentabsichern. Ein Großteil dieses Überschusses fließt alsorichtigerweise in die Senkung des Beitragssatzes. Ausder Sicht der FDP muss das aber für den gesamten Über-schuss gelten. Er muss für die Senkung des Beitragssat-zes genutzt werden, für nichts anderes.
Leider wird das in der Koalition nicht mit der notwendi-gen Klarheit gesehen. Der Kollege Schneider von derSPD zum Beispiel hat bei der Veröffentlichung derneuen Zahlen gleich erklärt, es käme jetzt darauf an, die-sen Überschuss der Bundesagentur in den Bundeshaus-halt zu überführen. Herr Schneider, auch als Haushälterdürfen Sie sich nicht so weit vergessen, Beitragsmitteleinfach in die Taschen des Staates umzuleiten.
Nächster Punkt: Arbeitsmarkt. Die Zahlen sind einwenig besser geworden – das freut uns alle –, allerdingsfürchten die Sachverständigen, dass diese erfreulicheEntwicklung gleich im nächsten Jahr durch Mehrwert-steuererhöhung und Konjunktureinbruch wieder ge-stoppt wird. Jedenfalls sind die leichten Verbesserungenkein Grund, sich auszuruhen. Wo sind also die notwendi-gen Reformen des Arbeitsmarktes? Fehlanzeige, in je-der Hinsicht! Die große Koalition glänzt hier durchNichtstun.ttdKbasdEDwMtEllehhhzLClADglNZsBbrvdBnpn
ach langer, langer Zeit sind die Fakten wieder positiv.um ersten Mal seit fünf Jahren, also seit 60 Monaten,teigt die Zahl der sozialversicherungspflichtigeneschäftigungsverhältnisse wieder an. 60-mal hat Nürn-erg mitgeteilt, dass es immer weniger sozialversiche-ungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gibt. Nunerzeichnen wir bereits drei Monate hintereinander wie-er einen Anstieg. 128 000 sozialversicherungspflichtigeeschäftigungsverhältnisse mehr als vor einem Jahr sindach meiner festen Überzeugung ein außerordentlichositives Signal, das wir auch entsprechend zur Kenntnisehmen sollten.
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4598 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Ronald Pofalla
Daneben gibt es eine weitere Entwicklung, nämlichbei der Anzahl der Erwerbstätigen. In diesem Bereichhaben wir den dritthöchsten Stand im Nachkriegs-deutschland erreicht. Durch diese Entwicklung wirdebenfalls deutlich, dass sich in den letzten Wochen undMonaten auf dem Arbeitsmarkt Beachtliches veränderthat. Verglichen mit dem August des Vorjahres haben wirin Deutschland 430 000 Arbeitslose weniger. Das ist einecht positives Signal für den Arbeitsmarkt.
Diese Verbesserungen sind aber nicht vom Himmelgefallen. Die Abschaffung der Ich-AG ist in Kraft; hiergibt es endlich ein solides und Erfolg versprechendesFörderkonzept. Die Personal-Service-Agenturen sindvon der Bildfläche verschwunden, weil sie ineffizientwaren und staatliche Gelder verschleudert haben.
Bei Hartz IV haben wir als große Koalition, wie ichfinde, eine grundlegende Kurskorrektur vorgenommen.Dass wir die Einstandspflicht der Eltern für ihre Kinderwieder eingeführt haben, war ein erster richtiger Schritt.Damit sind nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestags-fraktion alte Fehler korrigiert worden.
Daneben haben wir gemeinsam verabredet, die Unter-nehmen am Standort Deutschland zu stärken und umüber 5 Milliarden Euro zu entlasten. Das zeigt: Es wurdeviel getan.Es bleibt aber auch noch viel zu tun. Zur Zwischenbi-lanz gehört deshalb auch die Aussage, dass wir den Kursweiter halten müssen. Nach meiner Überzeugung müs-sen wir das Tempo an verschiedenen Stellen sogar erhö-hen; denn die Herausforderungen sind nach wie vor groß– hier dürfen wir uns nicht täuschen –, weil uns die Zah-len am Arbeitsmarkt noch nicht zufrieden stellen kön-nen.Wir haben nach wie vor über 4 Millionen Arbeitslose.Diesen 4 Millionen Arbeitslosen stehen gerade einmal600 000 offene Stellen gegenüber. Über 1 Million Bür-ger sind ein Jahr oder länger arbeitslos. Fast doppelt soviele sind ohne jede berufliche Bildung. Rund80 000 Jugendliche – diese Zahl finde ich besonders be-drückend – verlassen Jahr für Jahr unsere Schulen ohneAbschluss. Diese Zahlen zeigen, dass es heute für Mil-lionen Menschen heißt: passive Stütze statt beruflicherPerspektive. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist derAuffassung, dass sich das in Deutschland in den nächs-ten Monaten ändern muss.
Durch die zitierten Fakten werden aber nicht nur dieHerausforderungen beschrieben, vor denen wir stehen.Sie sind auch der Weckruf für all diejenigen, die sichnach wie vor für einen Mindestlohn aussprechen. IchdDdEsdddtßcWlvDNCsduDGvuzDGwmtmswgACsüzbd
r hat sich nicht nur auf dem DGB-Bundeskongress ent-prechend aufgestellt, Frau Nahles, sondern er hat auchie Kraft besessen, die unfreundlichen Reaktionen aufem DGB-Bundeskongress hinzunehmen und dennochie, wie ich finde, glasklare und richtige Position zu ver-reten, dass ein gesetzlicher Mindestlohn mit dieser gro-en Koalition in dieser Legislaturperiode nicht zu ma-hen ist. Herzlichen Dank an Franz Müntefering!
Die Wirklichkeit sieht doch folgendermaßen aus:enn wir in Deutschland einen gesetzlichen Mindest-ohn einführen würden, würden wir Hunderttausendeon Arbeitsplätzen vernichten, weil hier – Gott seiank – immerhin mehr als 1 Million Menschen imiedriglohnbereich arbeiten. Von daher ist für uns alsDU/CSU-Bundestagsfraktion klar: Für uns ist ein ge-etzlicher Mindestlohn völlig inakzeptabel. Diejenigen,ie diese Forderung weiterhin aufstellen, werden sich anns die Zähne ausbeißen.
iese klare Position der Union wird auch im aktuellenutachten des Sachverständigenrates bestätigt.Die Kernbotschaften des neuen Gutachtens des Sach-erständigenrates lauten:Erstens. Der Weg in den Mindestlohn ist falsch. – Fürnsere Fraktion kann ich nur sagen: Dem stimmen wiru.
Zweitens. Der Weg über den Kombilohn ist richtig. –em stimmen wir ebenfalls zu.Drittens spricht sich der Sachverständigenrat in demutachten, das morgen der Öffentlichkeit vorgestellterden wird, für echte Strukturreformen am Arbeits-arkt aus; darauf lege ich für die CDU/CSU-Bundes-agsfraktion großen Wert. Der Sachverständigenratacht, wie ich finde, zu Recht deutlich, dass wir dietrukturelle Arbeitslosigkeit in Deutschland nur dannirksam werden bekämpfen können, wenn wir grundle-ende Strukturreformen am Arbeitsmarkt vornehmen.uch an dieser Stelle gibt es Zustimmung vonseiten derDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Ich empfehle allen, die das Gutachten des Sachver-tändigenrates vorschnell mit einer Fundamentalkritikberzogen haben, sich die Details dieses Gutachtens an-usehen. Es ist vernünftig, allen Arbeitslosen ein Ar-eitsangebot zu unterbreiten. Genau das haben wir fürie Jugendlichen bereits gemeinsam beschlossen. Es ist
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Ronald Pofallarichtig, dass denjenigen, die ein Arbeitsangebot ableh-nen, die Sozialleistungen deutlich gekürzt werden. DiesePosition haben wir vonseiten der CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion schon immer vertreten.Es entspricht genau unserer Philosophie, dezentral zuentscheiden. Der Sachverständigenrat hat in seinem Gut-achten vorgeschlagen – diese Position haben wir alsUnionsfraktion schon seit mehreren Jahren vertreten –,dass der eigentliche Kernbereich des Arbeitsmarktes vorallem für die Langzeitarbeitslosen und für die Gering-qualifizierten von den Kommunen organisiert werdensoll. So gesehen ist dies ein bemerkenswertes Gutachten,das wir uns vonseiten der CDU/CSU-Bundestagsfrak-tion noch einmal ansehen werden, um daraus in den Ge-sprächen in der Koalition die richtigen Konsequenzen zuziehen.
Dieses Gutachten ist an einer Stelle falsch wiederge-geben worden. Sie alle haben in den Zeitungen gelesen,dass der Sachverständigenrat beim Arbeitslosengeld IIeine generelle Kürzung von 30 Prozent vorschlägt. Indem Gutachten steht, dass allen Arbeitsfähigen inDeutschland ein Arbeitsangebot unterbreitet werden sollund dass denen, die dann dieses Arbeitsangebot nicht an-nehmen, 30 Prozent der Leistungen gekürzt werden sol-len. Genau das halten wir vonseiten der Unionsfraktionfür richtig.
Unser gemeinsames Ziel ist: Wir wollen die Trend-wende auf dem Arbeitsmarkt verstetigen. – Dass Sie,Herr Kuhn, als jemand, der in der vergangenen Regie-rungskoalition auch für das Thema Arbeitsmarkt zustän-dig war, dazwischenreden, wundert mich.
Wenn zu Ihrer Regierungszeit die Daten, die ich geradegenannt habe – 430 000 weniger Arbeitslose und130 000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäfti-gungsverhältnisse –, so gewesen wären,
dann hätten Sie doch vonseiten der Grünen in Deutsch-land Freudenfeste organisiert. Deshalb sollten Sie andieser Stelle besser schweigen.
Die große Koalition wird im Herbst verschiedeneProjekte angehen müssen. Wir werden ein Kombilohn-modell entwickeln müssen. Für die über 50-Jährigenund für die unter 25-Jährigen haben wir eine gute Grund-lage geschaffen. Auf dieser Grundlage werden wir Ge-ringqualifizierten über 50 Jahren und Geringqualifizier-ten unter 25 Jahren ganz gezielt die Möglichkeit bieten,wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Unser Zielsollte sein, über ein solches Kombilohnmodell in dennAmDmzvAmbmdmtdngmwpswddDtd–WidTEDCsWFgK
in zentraler Grund für diesen Platz der Bundesrepublikeutschland – das ist zumindest die Auffassung derDU/CSU-Bundestagsfraktion – ist der Kündigungs-chutz.
ir brauchen beim Kündigungsschutz weitere deutlichelexibilisierungen, wenn wir den Arbeitsmarkt in Bewe-ung bringen wollen.
Ich will noch zwei Bereiche nennen, die über denoalitionsvertrag hinausgehen, aber über die wir unserer
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Ronald PofallaAnsicht nach in der großen Koalition reden sollten. DieBertelsmann-Stiftung veröffentlicht in diesen Tagen ei-nen ersten Entwurf für ein Arbeitsgesetzbuch. ImGrunde wird in allen Analysen, die sich mit dem Ar-beitsmarkt befassen, deutlich, dass die unübersichtlicheAnzahl der Gesetze und Verordnungen sowie die Recht-sprechung im Arbeitsrecht das Ziel richtig erscheinenlassen, in der Bundesrepublik Deutschland ein Arbeits-gesetzbuch zu schaffen.Wir haben im Einigungsvertrag festgelegt, dass wir inDeutschland ein Arbeitsgesetzbuch schaffen wollen. Wirsind der Auffassung, dass die große Koalition das Ziel inAngriff nehmen sollte, in dieser Legislaturperiode überein Arbeitsgesetzbuch zu beraten und es nach Möglich-keit auch zu verabschieden.
Der zweite Bereich ist die Arbeitnehmerbeteiligung.Der Bundespräsident hat zu Beginn des Jahres angeregt,dass wir uns mit der Frage der Arbeitnehmerbeteiligungbefassen sollten. Die Bundes-CDU hat Anfang des Jah-res eine Kommission unter Leitung von Karl-JosefLaumann eingesetzt, die jetzt ihre Ergebnisse veröffent-licht hat. Aus diesen Ergebnissen wird deutlich, dass wirsehr wohl die Chance haben, Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer stärker an den Erträgen und am Kapitalder Unternehmen zu beteiligen.Wir sind der Auffassung, dass die große Koalition imVerlauf dieser Legislaturperiode auch das Ziel in Angriffnehmen sollte, sich mit der Frage der Verbesserung derArbeitnehmerbeteiligung zu befassen; denn wir sind derfesten Überzeugung, dass ein zusätzliches Standbein fürdie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffenwerden kann, indem sie am Produktivvermögen der Un-ternehmen in Deutschland beteiligt werden. Wir jeden-falls wollen dieses Ziel in Angriff nehmen.
Erlauben Sie mir eine abschließende Anmerkung zuden Überschüssen der Bundesagentur. Ich bin demBundesarbeitsminister außerordentlich dankbar, dass ergerade so deutlich Stellung bezogen hat. Um es klar zusagen: Auf der Basis eines Überschusses in Höhe von8,8 Milliarden Euro fehlten uns in den Jahren 2007,2008 und 2009 lediglich 1,2 Milliarden Euro pro Jahr,um eine zusätzliche Senkung des Arbeitslosenversiche-rungsbeitrags um 0,5 Prozentpunkte sicherzustellen. Ichfinde, dass wir uns im kommenden Herbst die Zahlengenau ansehen sollten; denn möglicherweise fällt derÜberschuss der Bundesagentur für Arbeit höher aus als8,8 Milliarden Euro. Aber selbst wenn es dabei bleibt:Wir geben in Deutschland 15 Milliarden Euro für Ar-beitsmarktinstrumente aus. Diese große Koalition solltedaher, wenn der Überschuss der Bundesagentur für Ar-beit nicht ausreicht, den Arbeitslosenversicherungsbei-trag zusätzlich um 0,5 Prozentpunkte zu senken, –
Herr Pofalla, denken Sie an die Zeit.
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ir, die Unionsfraktion, sprechen uns jedenfalls für eine
enkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags auf
Prozent aus.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Minister für Arbeit, Bau undandesentwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpom-ern, Helmut Holter.
Stimmt, Herr Niebel, es ist auch Wahlkampf. – Sehreehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehreehrter Herr Pofalla, Ihre Botschaft, dass eine Trend-ende am Arbeitsmarkt eingetreten sei, nehmen dieenschen im Lande so nicht wahr.
ie nehmen vielmehr zwei Dinge wahr, die in den letztenagen von Berlin aus verbreitet wurden:Erstens. Die Bundesagentur für Arbeit hat einen gro-en Überschuss. Aber sie bzw. die Arbeitsgemeinschaf-en sind nicht in der Lage, weitere arbeitsmarktpolitischeaßnahmen zu genehmigen, weil das Geld fehlt. Daserstehen die Bürgerinnen und Bürger nicht, genausoenig wie ich.
Zweitens. Der Sachverständigenrat hat – ich bin Ih-en dankbar, Herr Müntefering, dass Sie das klargestelltaben – eine Senkung des Arbeitslosengeldes II um0 Prozent empfohlen. Das hat nichts mit dem Wahl-ampf in Mecklenburg-Vorpommern zu tun, sondern da-it, dass dies den Unmut breiter Schichten der Bevölke-ung hervorruft, und zwar nicht nur derjenigen, die vomrbeitslosengeld II leben müssen.
Dass dem so ist, will ich Ihnen an einem Beispiel zei-en. Sie kennen sicherlich nicht Dirk Susemihl. Er ist je-enfalls ein Mecklenburger, der als Koch in großen Ho-els und auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet hat und nunrbeitslosengeld II empfängt und vergeblich Arbeitucht. Er schreibt Bewerbungen, erhält aber nur Absa-en. Er gibt nicht auf und wendet sich an einen privatenermittler. Dieser sagt ihm: Bring mir einen Vermitt-ungsgutschein; dann habe ich einen Job für dich. Die
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Minister Helmut Holter
Arbeitsagentur erklärt hingegen: Du kannst keinen Ver-mittlungsgutschein bekommen, weil kein Geld da ist. –Solche Widersprüche müssen aufgelöst werden. MeineHeimatzeitung, die „Schweriner Volkszeitung“, hat dasEnde August unter der Überschrift „Arbeitsamt blockiertJobs“ dokumentiert. Das ist dort nachzulesen. Das ist ei-gentlich ein riesengroßer Skandal.
Ich rede nicht über diejenigen, die nach Arbeit lech-zen, sondern über diejenigen, die ein Arbeitsangebot ha-ben, dieses aber nicht annehmen können, weil einigeEuro fehlen, um einen Vermittlungsgutschein oder einenBildungsgutschein auszustellen. Dirk Susemihl ist keinEinzelfall. Ich könnte Ihnen über viele ähnlich gelagerteFälle in Mecklenburg-Vorpommern berichten. So ent-steht der Eindruck: Die in Berlin veralbern uns im Land.Damit muss meines Erachtens Schluss gemacht werden.Über Alternativen darf nicht nur diskutiert werden. Viel-mehr müssen auch welche angepackt werden.
Ich rede im Moment noch nicht einmal über die Lang-zeitarbeitslosen, sondern über die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter der Arbeitsgemeinschaften, die ebenfallsaufgebracht sind, weil sie mit den politischen Entschei-dungen nicht umgehen können. Was bedeutet es denn,230 Millionen Euro von 1,1 Milliarden Euro, die zuvorgesperrt wurden und den Arbeitslosen nicht zugute kom-men, freizugeben? Das ist nur ein Tropfen auf den hei-ßen Stein, um nun all die Maßnahmen, die schon langevorbereitet wurden, in Gang zu setzen. Ich fordere Sieauf: Geben Sie den Rest der 1,1 Milliarden Euro eben-falls frei, damit die Langzeitarbeitslosen endlich in denGenuss von arbeitspolitischen Maßnahmen kommen!
Ich habe den Eindruck – schließlich geht es um eineHaushaltsdebatte –, dass Sie Arbeitsmarktpolitik unterhaushälterischen Gesichtspunkten betreiben und nichtaus Sicht der Betroffenen, die das Geld bitter nötig ha-ben.
Das ist irgendwie wie beim Autofahren: Einmal wird ge-bremst, ein anderes Mal Gas gegeben. Einmal sperrenSie, ein anderes Mal geben Sie frei.Jeder, der schon einmal mit einem solchen Fahrer ge-fahren ist, weiß: Das schlägt mächtig auf den Magen.Mit einem solchen Stil sollte Schluss gemacht werden.2006 sollte das Desaster sein Ende finden, damit Pla-nungssicherheit für die Arbeitsgemeinschaften, die Pro-jektträger, die Beschäftigungsgesellschaften und für alldiejenigen Langzeitarbeitslosen, die in solchen Projek-ten arbeiten wollen, gewährleistet ist; denn das Ar-beitsangebot, von dem Herr Pofalla gerade gesprochenhat, ist in strukturschwachen Regionen gar nicht so vor-handen. Auch das gehört zur Wahrheit.
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m Übrigen kenne ich keine Versicherung in Deutsch-and, die die Gelder, die die Versicherten aufgebracht ha-en, für andere Zwecke als die der Versicherten verwen-en will.
ch verstehe absolut nicht, warum von der Arbeitslosen-ersicherung ein Aussteuerungsbetrag an den Bund ge-ahlt werden soll. Dieses Geld, nicht nur der Über-chuss, muss den Versicherten zugute kommen. Sieaben es bitter nötig. Ich bitte Sie daher, dieses Prinzipoch einmal grundlegend zu überdenken.
Sie wollen aber auch die Mittel für dasrbeitslosengeld II um 3 Milliarden Euro und die Betei-igung des Bundes an den Kosten der Unterkunft um,6 Milliarden Euro kürzen. Sie planen also, die Kom-unen stärker zur Kasse zu bitten, obwohl bei diesenirklich nichts mehr zu holen ist. Ich weiß nicht, in wel-he Taschen Sie da greifen wollen. Auf der andereneite wollen Sie die Leistungen für die Langzeitarbeits-osen kürzen.Es ist richtig, dass Sie mit 6,5 Milliarden Euro0 Millionen Euro mehr für Leistungen zur Eingliede-ung in Arbeit bereitstellen. Gleichzeitig planen Sie aberon vornherein 1 Milliarde Euro für Mehrausgaben beimrbeitslosengeld II ein. Sie wollen also Mittel für dieassiven Leistungen vom Mittelansatz für die aktiveneistungen abzweigen. Wir brauchen das Geld aber fürie aktiven Leistungen. Sie betreiben ein reines Hin- undergeschiebe. Ich fordere Sie auf: Machen Sie damitchluss! Sorgen Sie dafür, dass eine klare Haushaltspla-ung zur Verfügung steht und ausreichend Geld für ar-eitsmarktpolitische Maßnahmen vorhanden ist! Fassenie neuen Mut und leiten Sie eine Wende in der Arbeits-arkt- und Beschäftigungspolitik in Deutschland ein!
Einige von Ihnen, vielleicht alle, wissen, dass ichiese Wende schon seit Jahren gefordert habe, speziellür den Osten. Inzwischen ist Langzeitarbeitslosigkeitber nicht nur ein Thema in den neuen Ländern; es stehtn der gesamten Bundesrepublik auf der Tagesordnung.eswegen stellt sich eine große Frage: Was machen wirit all denen, die keine Chance auf Vermittlung in regu-äre Arbeitsverhältnisse haben? Ich bin bereit, über alleodelle zu diskutieren; das ist sicherlich bekannt. Aberollen diejenigen, die die Chance auf Vermittlung nicht
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Minister Helmut Holter
haben, dauerhaft von Hartz IV, von 345 Euro, leben?Können Sie sich das vorstellen? Schließen Sie Ihre Kon-ten, geben Sie mir alle Ihre Scheckkarten; Sie erhaltenIhre Miete und die Kosten für Telefon, Wasser undLicht. Nehmen Sie 345 Euro und versuchen Sie, ohneEmpfänge und irgendwelche Einladungen einen Monatdurchzukommen. Ich garantiere Ihnen: Am 10. des Mo-nats werden Sie um einen Notgroschen bitten. Sie wer-den mit 345 Euro nicht klarkommen.
Deswegen müssen wir über andere Wege reden.Wir müssen über sozialversicherungspflichtige Be-schäftigungsverhältnisse reden, auch über die, die durchöffentliche Kassen unterstützt werden. Ich rede ganz be-wusst vom öffentlich geförderten Beschäftigungs-sektor. Damit stehe ich nicht alleine. Der DGB fordertdies, in der Bundesagentur für Arbeit wird darüber ge-sprochen, auch beim Bündnis 90/Die Grünen. Es istauch ein Thema im Ombudsrat. Kurt Biedenkopf istnicht linksparteiverdächtig, er gehört der CDU an. Will-kommen an Bord!Es gibt inzwischen viele, die über öffentlich geför-derte Beschäftigung in Deutschland reden. Ich stelle ei-nen Stimmungswandel bei all denen fest, die sich ehrlichund ernsthaft mit Arbeitslosigkeit in Deutschland aus-einander setzen. Es gibt keinen anderen Weg, als eine so-zialversicherungspflichtige Beschäftigung anzubieten,die mit Steuermitteln finanziert wird. Die Langzeitar-beitslosen – das ist hinreichend bekannt – nehmen zwargern einen 1-Euro-Job an. Das ist aber so etwas Ähnli-ches wie ein Freigang aus dem Gefängnis Arbeitslosig-keit, in dem sich die Langzeitarbeitslosen unverschuldetbefinden. – Es ist wie mit dem Wetter, Herr Pofalla: Esgibt die gefühlte und die gemessene Temperatur. DieStatistik ist das eine, das wirkliche Leben ist das andere.Wir müssen dazu beitragen, dass sich die Gefühlsweltder Menschen verändert.
Es ist bereits angesprochen worden, dass wir uns imWahlkampf befinden. Es gibt nicht nur Umfragen zumWahlverhalten in Mecklenburg-Vorpommern und in Ber-lin, sondern es wird auch gefragt, was das größte Pro-blem für die Menschen ist. Ich bin nun der dienstältesteArbeitsminister in Deutschland und bin in dem Land mitder höchsten Arbeitslosigkeit.
– Warten Sie einmal ab! Ich komme noch dazu, keineSorge. – Deswegen, meine Damen und Herren von derFDP und der CDU/CSU, rede ich über alternative Wegeaus der Arbeitslosigkeit; denn all das, was bisher gelau-fen ist, zeigt keine Wege aus der Arbeitslosigkeit. Mei-ner Auffassung nach – das bestätigen die Umfragen – istdie Arbeitslosigkeit das größte Problem. Dann kommterst einmal eine ganze Zeit gar nichts, dann folgen Ab-wanderung, Unsicherheit, Umweltschäden und andereDinge, die eher als marginal erachtet werden können.DkWWm–inSanzagAtzAIsgBtmcAsSShMoFWndhngDEdEIk
Ich habe auch zu meinen Kollegen von der CDU/CSUn manchen Fragen eine inhaltliche Nähe. Das ist garicht mein Problem. Ihr Problem, Herr Niebel, ist, dassie Alternativen durch die parteipolitische Brille begut-chten. Das bringt den Arbeitslosen doch überhauptichts.
Es stellt sich die Frage, ob es ausreichend gemeinnüt-ige Tätigkeiten im Lande gibt, um all diejenigen, dierbeiten können und arbeiten wollen, in Arbeit zu brin-en. Es mangelt doch nicht an der Marktfähigkeit derrbeitslosen, sondern es fehlt an fähigen Arbeitsmärk-en. Es ist die Aufgabe der Politik, solche Arbeitsmärkteu organisieren, damit die Menschen eine Chance aufrbeit haben.
ch stelle ein Umdenken fest, nicht nur im linken Lager,ondern auch in anderen Bereichen. Ich hoffe, dass wiremeinsam an einem Strang ziehen können.Axel Troost, jetzt Abgeordneter hier im Deutschenundestag, ist einer der Väter der gemeinwohlorientier-en Arbeitsförderprojekte in Mecklenburg-Vorpom-ern. Kornelia Möller, die arbeitsmarktpolitische Spre-herin der Linksfraktion, hat mit ihm gemeinsam einenntrag zur öffentlich finanzierten Beschäftigung ge-chrieben. Ich unterstütze diesen Antrag und ich bitteie: Legen Sie die parteipolitische Brille ab und prüfenie den Antrag – Herr Andres, wir beide hatten Gelegen-eit, viel über diese Fragen zu diskutieren – auf dieachbarkeit hin! Überwinden Sie die ideologischen undrdnungspolitischen Schranken! Es ist nicht zuerst einerage des Geldes, sondern eine Frage des politischenillens, ob ein solcher Weg gegangen werden kann odericht. Ich fordere Sie auf, diesen Weg zu gehen.
Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern die Rechteer Betroffenen gestärkt. Wir haben regionalisiert, wiraben Regionalbeiräte gebildet und haben den Betroffe-en Sitz und Stimme bei der Vergabe von Fördermittelnegeben. Das ist kein Plädoyer für Kommunalisierung.a unterscheiden wir uns deutlich von der CDU/CSU.s geht vielmehr um die Demokratisierung der Entschei-ung.
s geht darum, dass die Betroffenen mitmachen können.ch meine, unsere Republik braucht eine stärkere Demo-ratisierung der Arbeitsmarktpolitik.
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Minister Helmut Holter
Nun, meine Damen und Herren von der FDP und derCDU/CSU, gehört es nach meiner Auffassung zu denLebenslügen in Deutschland, dass die Massenarbeitslo-sigkeit konjunkturell bedingt ist und mit den herkömmli-chen Instrumenten wirkungsvoll zu bekämpfen ist.Selbst wenn ihre Zahl von 80 auf zehn reduziert wird, esbleibt bei den herkömmlichen Instrumenten. Einige da-von sind gut; die lehne ich nicht ab. Die Experten sagenfür Mecklenburg-Vorpommern voraus, dass nur einebzw. einer von zwei Arbeitslosen wieder eine Stelle aufdem regulären Arbeitsmarkt finden wird. Für Zehntau-sende oder gar Hunderttausende in der Bundesrepublikist der Zug längst abgefahren. Die Arbeitsmarktforschersagen, dass in den nächsten 15 Jahren in Ostdeutschlandeine weitere Million Arbeitsplätze wegfallen wird. Des-wegen bin ich der Überzeugung, dass an der öffentlichfinanzierten Beschäftigung kein Weg vorbeiführt. Las-sen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen. Es gibt genugArbeit, die ein Unternehmen, das nach privatwirtschaft-lichen Prinzipien arbeitet, überhaupt nicht machen kannund auch nicht machen soll; wir müssen da differenzie-ren. Es ist wichtig, dass über gemeinnützige Tätigkeitenein Beitrag zur Strukturentwicklung geleistet wird. Las-sen Sie uns dazu die Mittel aus Brüssel, Berlin, Nürn-berg, den Ländern und den Kommunen bündeln, damitdieser Weg eröffnet werden kann. Dann stellt sich dieFrage nach den Finanzen nicht mehr, dann ist die Finan-zierung gesichert.
Ich bin der Überzeugung – schauen wir nach Schwe-den –, dass wir in Skandinavien sehen können, wie derWeg zur öffentlich finanzierten Beschäftigung aussieht.Lassen Sie die Bremse los! Ich bitte Sie: Ziehen Sie Leh-ren aus Hartz IV, aber nicht in der Richtung, die ich ein-gangs kurz geschildert habe, die zurzeit in Deutschland,konkret auch in Mecklenburg-Vorpommern, diskutiertwird. Sie gehen einen Irrweg. Wir brauchen uns überRechtsextremismus und über gute Wahlergebnisse derNPD nicht zu wundern, wenn Sie diesen Weg weiter be-schreiten.
Deswegen fordere ich Sie zur Umkehr auf. Machen Sieeine Arbeitslosen- und Beschäftigungspolitik für dieMenschen, mit den Menschen und nicht gegen sie. Dassdas bisher nicht geschieht, genau das spüren die Men-schen in Mecklenburg-Vorpommern und in ganzDeutschland.Ich bitte Sie, sich ein Herz zu fassen, Mut zu haben,ordnungspolitisch-ideologische Schranken zu überwin-den und den Weg hin zu mehr öffentlich geförderter Be-schäftigung zu gehen. Das ist ein Gebot der Vernunft.Die Menschen im Lande sind auf diese Vernunft ange-wiesen, damit sie ein Leben in Würde führen können, einLeben, in dem sie durch ihrer Hände Arbeit ihren Le-bensunterhalt verdienen können. Nur eine Politik, diedarauf abzielt, ist eine wirkliche Arbeitsmarktpolitik.Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und inganz Deutschland haben sie bitter nötig.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.BHjürvdnhetaZdderSeüspcdsasdRDgswg
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es istichtig: Der Arbeitsmarkt profitiert derzeit tatsächlichon dem konjunkturellen Aufschwung. Ich will hiereutlich sagen: Das freut uns alle sehr. Aber 4,3 Millio-en Arbeitslose und mehr sind wirklich kein Grund, sichier gegenseitig auf die Schultern zu klopfen und zu fei-rn, wie es sich vonseiten der großen Koalition angedeu-et hat.
Die Belebung auf dem Arbeitsmarkt kommt dochusschließlich denjenigen zugute, die erst seit kurzereit arbeitslos sind. Die wirklichen Problemgruppen aufem Arbeitsmarkt, die Langzeitarbeitslosen, profitierenavon in keiner Weise.Zusätzlich ist der Anteil an Ausbildungsplätzen nochinmal um 2 Prozent zurückgegangen. Herr Müntefe-ing, Sie reagieren auf den öffentlichen Druck, indemie die Anzahl der Plätze des EQJ-Programms ein wenigrhöhen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Gut, dass Sieberhaupt etwas tun; aber das ist zu wenig. Die Dimen-ion dieses Problems und die Dimension Ihrer Lösungassen in keiner Weise zusammen.
Betrachten wir doch einmal ganz nüchtern die Ursa-hen für diesen Aufschwung. Es fängt bei den Jobs an,ie wegen der Fußballweltmeisterschaft zusätzlich ent-tanden sind. Weitere Jobs sind durch die Vorzieheffekteufgrund der anstehenden Mehrwertsteuererhöhung ent-tanden. Das Wichtigste ist aber: Dieser Aufschwung istie erste Dividende der Reformpolitik der rot-grünenegierung.
ieser Aufschwung ist vor allen Dingen nicht das Er-ebnis der aktiven Arbeitsmarktpolitik dieser Regierung.Herr Pofalla, Sie kommen jetzt daher und tun so, alsei es vor allen Dingen Angela Merkel, die diese Trend-ende herbeigeführt hat. Dazu kann ich wirklich nur sa-en: Da lacht doch die Koralle.
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4604 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Brigitte PothmerHerr Müntefering, Sie sagen: Die Richtung stimmt.Ich frage Sie, welche Richtung eigentlich? Ich glaube,die staunende Öffentlichkeit wäre Ihnen wirklich außer-ordentlich dankbar, wenn Sie das einmal erläutern könn-ten. Hier ist doch in keiner Weise irgendeine klare Rich-tung zu erkennen: in Sachen Mindestlohn, in SachenKombilohn, in Sachen Kündigungsschutz. Sie haben unsdoch gerade vorgeführt, dass Sie in dieser Koalitionnoch nicht einmal in der Lage sind, ein Sachverständi-gengutachten einheitlich zu interpretieren. Herr Pofallasagt: In diesem Sachverständigengutachten steht, dass esgar nicht darum gehe, die Regelsätze flächendeckend zusenken. Herr Müntefering sagt hier: Die Regelsätze wer-den überhaupt nicht gesenkt. Dennoch sagen Sie unshier: Die Richtung stimmt.Wenn es in dieser Koalition Einigkeit gäbe, dann kä-men wir tatsächlich auch einmal voran. Wenn Sie sich inSachen Mindestlohn verständigen könnten, dann gäbees nicht nur diese Minibewegungen, dann hätten wirdiese Regelung nicht nur auf die Gebäudereiniger, son-dern auch auf die Zeitarbeitsfirmen – sie hatten diesenWunsch – ausgedehnt. Dann wären wir einen Schritt vo-rangekommen.Herr Müntefering, Sie sagen, jetzt sei es an der Zeit,Druck im Kessel zu machen. Ich habe das Gefühl: IhrDruck im Kessel ist nichts anderes als heiße Luft.Betrachten wir einmal das Programm für mehr Be-schäftigung Älterer! Ihre Initiative „50 plus“ siehtLohnkostenzuschüsse von 30 bis 50 Prozent vor. HerrMüntefering, das ist geltende Gesetzeslage, und zwarseit 2001. Das Problem besteht aber darin, dass die Re-gelung bisher leider wenig Anwendung gefunden hat,nämlich nur in 8 200 Fällen. Sie behaupten jetzt, dassSie damit 50 000 bis 70 000 Menschen in Arbeit bringenwollen. – So weit zur Seriosität Ihrer Politik.
Weiter geht es. In kleinen und mittleren Unternehmensoll die Bundesagentur für Arbeit Weiterbildungskostenübernehmen. Das finden wir richtig. Diese Regelungwollten wir ausdehnen. Das Problem besteht nur darin:Die große Koalition hat beschlossen, diese Regelung auf2006 zu begrenzen.Nächster Punkt: Entgeltsicherung. Das ist ebenfallsgeltende Gesetzeslage. Herr Müntefering, wenn Sie aufdiese Art Druck im Kessel machen, reicht das nicht ein-mal aus, um das Teewasser heiß zu bekommen.Betrachten wir noch einmal die Neuregelung zumKündigungsschutz! Dazu hat Herr Pofalla heute nochetwas gesagt. Keiner will sie, nicht die Gewerkschaften,nicht die Wirtschaft. Auch Sie, Herr Müntefering, sagenin öffentlichen Interviews immer wieder, dass die gel-tende Regelung besser ist. Warum, verdammt noch mal,nehmen Sie die Neuregelung dann nicht vom Tisch?Das Problem besteht eigentlich in der Bunkermentali-tät dieser Regierung. Sie zeichnet sich dadurch aus, dassKoalitionsrunden die Beratung mit der Fachwelt erset-zen. Kritik wird niedergebügelt. Gefundene Kompro-misse werden selbst dann durchgesetzt, wenn alle längstwssmgueDrtQtfqlvFpEaseFrssgmSgvSdgASsssdr
ie Formel „Fördern und Fordern“ ist unter Ihrer Regie-ung zu einer hohlen Phrase geworden, die bei den Be-roffenen wirklich nur noch Bitterkeit auslöst.
Ich frage Sie: Was bleibt denn vom Fördern, wennualifizierungsprogramme für Erwerbslose immer wei-er zusammengestrichen werden? Von einer durchgrei-enden Senkung der Lohnnebenkosten, von der Gering-ualifizierte wirklich profitieren würden, haben Sie sichängst verabschiedet.Die Kanzlerin hat uns von der Opposition gesternorgeworfen, wir hätten keine Alternativen.
ür uns trifft das in keiner Weise zu. Unser Modell einerrogressiven Staffelung der Sozialabgaben würde dieinstellungshürden für Langzeitarbeitslose und Berufs-nfänger tatsächlich senken. Nehmen Sie diese Vor-chläge doch einmal ernst und setzen Sie sich damit aus-inander!„Mehr Druck im Kessel“, an dieser Stelle stimmt dieormel – leider, kann ich da nur sagen. Dieser Druckichtet sich nämlich nicht gegen die Arbeitslosigkeit,ondern gegen die Arbeitslosen. Sie piesacken die Job-uchenden, wo Sie nur können. Aber neue Jobs und Zu-angschancen für Langzeitarbeitslose im ersten Arbeits-arkt entstehen nicht. Wo ist denn Ihr Vorschlag zurchaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäfti-ungsverhältnisse im dritten Sektor? Auch dazu gibt eson unserer Seite einen Vorschlag. Ich bin gespannt, wieie darauf reagieren.Stattdessen konfrontiert uns Ihr Spitzenpersonal iner Sommerpause mit dem gesammelten Mumpitz derroßen Koalition. Steinbrück fordert Urlaubsverzicht fürrbeitslose. Riester empfiehlt, keine Autos zu kaufen.öder will den Arbeitslosen Hausarrest erteilen. Tiefen-ee will sie als unbewaffnete Busbegleiter auf Streifechicken. Meinen Sie das, wenn Sie sagen, die Richtungtimme? Nichts für ungut, Herr Müntefering, aber das istoch einfach unwürdig. Davon sollten Sie sich distanzie-en, und zwar nachdrücklich.
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Brigitte PothmerDas Drama der großen Koalition sind nicht wirklichdie widerstreitenden Auffassungen; das gehört zur de-mokratischen Normalität. Aber nicht zu ertragen ist diegeschwätzige Sprachlosigkeit, die diese Regierung unszumutet. Sie sind orientierungslos und versuchen auchnoch, uns diese Orientierungslosigkeit als konzeptionel-len Pragmatismus zu verkaufen.Herr Müntefering, Sie haben gesagt, Sie wollen nichtan den Wahlversprechen gemessen werden, sondern ander Koalitionsvereinbarung. Soll ich Ihnen mal etwas sa-gen? Die Koalitionsvereinbarung interessiert letztlichkeinen Menschen. Sie werden an der Frage gemessen, obSie einen Beitrag zur Lösung der Probleme in diesemLande bzw. in Ihrem Fall einen Beitrag zur Bekämpfungder Arbeitslosigkeit leisten. Im Moment deutet nichtsdarauf hin, dass Sie in der Lage sind, dem Notstand ab-zuhelfen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Waltraud Lehn von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wendemich zunächst an Minister Holter. Herr Minister, dassSie hier eine parteipolitische und wahlkampforientierteRede halten, ist völlig in Ordnung. Das würde ich Ihnenwirklich nie vorwerfen. Wenn Sie aber in diesem Zusam-menhang alle anderen in diesem Haus aufrufen, ideolo-giefrei zu denken, dann ist das, mit Verlaub, lächerlich.
Ich will Ihnen sagen, was ich besonders problema-tisch finde. Sie haben hier ausschließlich Forderungenan den Staat und an den Steuerzahler und die Steuerzah-lerin formuliert. Aber Sie haben nicht ein einziges Maldie Verantwortung der Wirtschaft oder der Unterneh-men, die ebenso für die Schaffung und Erhaltung vonArbeitsplätzen verantwortlich sind, thematisiert. Werhier so fahrlässig eine Rede hält, der disqualifiziert sichan dieser Stelle in ideologischer Hinsicht selbst.
Meine Damen und Herren, eine der erfreulichstenBotschaften dieses Sommers ist ohne Frage die positiveEntwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben es ge-schafft, rund 450 000 Menschen zusätzlich in Arbeit zubringen. Erstmalig ist es auch gelungen, bei der Zahl derLangzeitarbeitslosen einen Abbau zu erreichen. Dasreicht nicht aus; das ist sicherlich zu wenig. Diese Ent-wicklung muss fortgesetzt werden. Dazu ist eine Viel-zahl von Anstrengungen notwendig. Aber es hat sich ge-zeigt, dass es Perspektiven für die Menschen in diesemLand gibt. Wenn wir vor sechs Monaten, einem Jahroder zwei Jahren gesagt hätten, dass wir es schaffenwürden, im Laufe eines Jahres fast 500 000 MenschenzpkAtDdusWaapdfIWdssbAdhigmIdSvksbmwmwVuweWms
llerdings ist das nichts, was nur mit der neuen Koali-ion zu tun hätte.
aran hat auch die alte Koalition durchaus ihren Anteil;as will ich der Vollständigkeit halber hinzufügen.
Wir wollen diese erfolgreiche Entwicklung fortsetzennd wir tun das sehr konsequent. Wir fahren die Ver-chuldung weiter zurück; das ist ein wichtiges Signal.ir investieren zusätzliche Mittel vor allem in Bildung;uch das ist ein wichtiges Signal. Wir konzentrieren unsuf das Wesentliche. Das bedeutet für die Arbeitsmarkt-olitik, dass wir uns weiterhin gezielt für die einsetzen,ie unserer besonderen Unterstützung und Hilfe bedür-en. Das sind die Menschen, die lebensälter sind. Dienitiative „50 plus“, die aufgelegt wurde, wird auf ihreirkung hin untersucht und ausgebaut werden. Außer-em richten wir uns mit Angeboten an die jungen Men-chen, die nicht nur eine Perspektive brauchen, sondernich überhaupt erst einmal an die Anforderungen des Ar-eitsmarktes gewöhnen müssen. All dies setzen wir fort.ll dies bauen wir aus. Ich glaube, es ist gut so, dass wiras tun.An dieser Stelle möchte ich allerdings auch daraufinweisen, dass die Unternehmen in einer Zeit, in der eshnen nun wirklich nachweislich und merklich bessereht, in der Pflicht sind, gerade für die jungen Menschenehr zu tun.
ch finde es schon schlimm, dass die Zahl der Ausbil-ungsplätze zurückgeht. Ich selber habe in diesemommer erlebt, wie Unternehmer bei der Bundesagenturor Ort oder den Argen auflaufen und fragen: Was be-omme ich denn, wenn ich einen Auszubildenden ein-telle? – Die Entwicklung, dass der Staat noch etwas ge-en muss, damit jemand ausbildet, ist nicht positiv unduss sehr kritisch hinterfragt werden. Ausbildung mussieder eine Selbstverständlichkeit für jedes Unterneh-en in diesem Land werden.Auch bei den Arbeitsmarktinstrumenten müssen wirieder für mehr Klarheit sorgen. Es existiert zurzeit eineielzahl sehr unterschiedlicher Instrumente. Diese sindnterschiedlich sinnvoll, unterschiedlich wirksam underden unterschiedlich genutzt. Wir brauchen dringendine Konzentration auf geeignete Instrumente und dieeiterentwicklung sinnvoller Instrumente. Letztlichuss es darum gehen, bei Fehlentwicklungen gegenzu-teuern und unsinnige Maßnahmen abzuschaffen.)
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Waltraud LehnAlles in allem ist der Trend jedoch gut; wir sollten ihnfortsetzen. Ich sage aber auch: Die positiven Nachrich-ten der letzten Monate sollten uns nicht dazu verleiten,uns schon am Ende unseres Weges zu wähnen. EinigeNachrichten der letzten Wochen bereiten mir da durch-aus Sorge:Mir geht es zunächst um den vom Minister angespro-chenen Überschuss bei der Bundesagentur. An unse-ren Koalitionspartner gerichtet sage ich: Man muss wis-sen, dass rund 4 Milliarden Euro dieses Überschusses– unabhängig davon, ob er nun insgesamt 8 Milliardenoder 9 Milliarden Euro beträgt – nur damit zusammen-hängen, dass es ausnahmsweise 13 Beitragszahlungengegeben hat. Darüber hinaus muss man wissen, dass un-gefähr 6 Milliarden bis 6,5 Milliarden Euro benötigtwerden, um die bereits beschlossene Senkung des Bei-trags zur Arbeitslosenversicherung umzusetzen. Wennnun die Arbeitsagentur jedes Jahr Mittel in einer Grö-ßenordnung von erheblich mehr als 6,5 Milliarden Euroerwirtschaften würde – diese Summe muss die Arbeits-agentur selber erwirtschaften; sonst kann das, was wirbeschlossen haben, gar nicht funktionieren –, dann kannman in der Tat darüber nachdenken, ob und wie man die-sen Überschuss an die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer bzw. die Versicherten weitergibt.Ein weiteres Problem will ich ansprechen: die Kostender Unterkunft für Arbeitslosengeld-II-Empfänger.Frau Winterstein hat es richtig dargestellt; dieses Pro-blem ist noch nicht vom Tisch. In diesem Zusammen-hang sind 2 Milliarden Euro etatisiert worden. Sie wis-sen: Es wurde ausgehandelt, dass sich der Bund mit29,1 Prozent an diesen Kosten beteiligt. Das Ziel dieserBeteiligung war es, die Kommunen im Zuge der Refor-men um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Mit weiteren2,5 Milliarden Euro aus Verbesserungen bei der Gewer-besteuer wollte man den Kommunen helfen, mehr Geldvor Ort zu investieren, übrigens gerade in den Ausbauvon Kinderbetreuungseinrichtungen.Voraussetzung war und ist, dass die Länder zu einervollen Weitergabe der Entlastungsbeträge an die Kom-munen bereit sind. Das ist inzwischen überwiegend derFall. Aber ich finde es schon bemerkenswert, dass bei-spielsweise Nordrhein-Westfalen den Kommunen bis-lang circa 25 Prozent der Entlastung vorenthält. Dassdieses Geld natürlich in den Kommunen fehlt, ist durch-aus ein Problem.Im Haushalt 2007 stellen wir, wie gesagt, den Kom-munen 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir wissen:Die Länder, die Städte und Gemeinden fordern deutlichmehr. Ich sage an dieser Stelle aber ganz klar: Alles inallem ist die Entlastung der Kommunen viel höher, alsursprünglich gemeinsam vereinbart und erwartet wordenist. Denn allein bei der Gewerbesteuer werden die Städteund Gemeinden in diesem Jahr voraussichtlich 12 Mil-liarden Euro mehr einnehmen als noch 2003. 5 Milliar-den Euro standen als Entlastung im Raum; 12 MilliardenEuro plus die Entlastungsbeiträge für die Kosten der Un-terkunft sind es tatsächlich geworden.Nun ist das nicht in jedem Land oder in jeder Kom-mune gleich. Deshalb scheint es mir geboten, die Vertei-lnLsdd2Ak5rdehvTaseüEgRksIAUuIddwshgAsAnds
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esar zu erwarten, dass die Vertreter der Koalition hierelbstzufrieden verkünden, der Aufschwung sei da, erabe den Arbeitsmarkt erreicht und wir seien auf einemuten Weg.
Ich will für meine Fraktion klar sagen, Herr Brandner:uch wir freuen uns über die Chance auf einen Auf-chwung.
uch wir freuen uns über jeden Arbeitslosen, der eineeue Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt gefun-en hat und der damit die Chance bekommt, auf Dauerein eigenes Auskommen zu sichern. Allein, es sind zu
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Dr. Heinrich L. Kolbwenig Menschen, die davon profitieren. HerrMüntefering, obwohl der Aufschwung in Deutschlandnach den neuen Zahlen der OECD sogar 2,2 ProzentWachstum in diesem Jahr bringen könnte, bleibt sein Ef-fekt auf den Arbeitsmarkt und auf die Finanzierung dersozialen Sicherungssysteme ausgesprochen schwach.Man könnte auch sagen, dass es ein Aufschwung ohneWirkung ist.
Ich will das an Zahlen belegen. Es ist alarmierend,wenn im Jahresvergleich die Arbeitslosenzahl zwar um426 000 gesunken ist, die Zahl der sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigten im gleichen Zeitraum aber nurum 129 000 zugenommen hat. Das sollten doch eigent-lich kommunizierende Röhren sein: Wer nicht mehr ar-beitslos ist, sollte eine Beschäftigung gefunden haben.Offensichtlich treten aber viele Menschen aus dem Ar-beitsmarkt aus. Herr Müntefering, unser Bestreben musses sein, neue Beitragszahler zu generieren, weil nur sodie Zukunft der sozialen Sicherungssysteme gewährleis-tet werden kann.
Fast noch alarmierender ist es, wenn trotz des leichtenAnstiegs der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Be-schäftigungsverhältnisse das Beitragsaufkommen sta-gniert. Das kann man bislang am Beispiel der Renten-versicherung im laufenden Jahr feststellen.Herr Müntefering, die allgemeinen Beitragseinnah-men beliefen sich von Januar bis Juli des Jahres 2005 auf95,546 Milliarden Euro, im Vergleichszeitraum diesesJahres auf 105,772 Milliarden Euro. Mithin ergab sichein Plus von 10,2 Milliarden, was fast ausschließlich aufden Einmaleffekt des 13. Monatsbeitrags zurückzufüh-ren sein dürfte. Sie hatten zwar nur 9,6 Milliarden Euroveranschlagt, aber der Durchschnitt der Pflichtbeiträgeim letzten Jahr lag deutlich über 11 Milliarden Euro, so-dass man sagen kann: Bei den eigentlichen Pflichtbeiträ-gen aus der regulären Beschäftigung treten Sie auf derStelle.Die Erklärung für dieses Phänomen dürfte darin lie-gen, dass sich ein Trend fortsetzt, der nach einem statis-tischen Taschenbuch des Bundesministeriums für Ge-sundheit und Soziale Sicherung – damals hieß es nochso – schon seit Jahren anhält: Die Zahl der sozialversi-cherungspflichtigen Vollzeitstellen bewegt sich deutlichnach unten, während gleichzeitig die Zahl der sozialver-sicherungspflichtigen Teilzeitstellen zunimmt. Im Klar-text: Mehr Menschen sind sozialversicherungspflichtigbeschäftigt, aber das Beitragsaufkommen insgesamtbleibt konstant.Wenn diese Analyse zutrifft, liebe Kolleginnen undKollegen, dann haben wir ein Problem;
dann wird es nämlich wahrscheinlich, dass zutrifft, wasder Schätzerkreis schon im Mai errechnet hat: Das Defi-zit aus laufenden Einnahmen und Ausgaben der Renten-versicherung wird 4,6 Milliarden Euro betragen. DashbsEg–hsndrnsRArsdkaeEdEzbTnbdhmm2fks2EhDgaKrvest
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Jeder weiß, dass Arbeitsmarktpolitik nicht nur durchen Bundeshaushalt bestimmt wird. Die Beitragsmitteler Bundesagentur für Arbeit kommen hinzu. Seienir doch einmal ehrlich: Jeder, der in der Vergangenheiterantwortung getragen hat, hätte sich doch solche Lu-usdiskussionen gewünscht, wie wir sie jetzt über dierage führen, was wir mit den Überschüssen machen.ber Jahrzehnte hinweg haben wir uns mit der Frage be-chäftigt, wo wir das Geld hernehmen, um Defizite zuecken. Aufgrund der Rahmenbedingungen, die wirurch unsere Politik gesetzt haben, haben wir in diesemereich jetzt Überschüsse.
as ist eine gute Entwicklung. Die Überschüsse werdenir im Sinne der Beitrags- und Steuerzahler nutzen.In diesem Zusammenhang muss man Gegensätzeicht künstlich aufbauen; denn niemand hat gesagt, esönne auf gar keinen Fall eine Senkung von Beiträgeneben; es hat aber auch niemand gesagt, es müsse eineeitragssatzsenkung um jeden Preis geben. In der gro-en Koalition arbeiten wir gemeinsam daran, eine wei-ere Absenkung der Lohnnebenkosten finanzierbar zuachen. Im Detail gibt es sicherlich Unterschiede: dieenkung der Lohnnebenkosten ist ein besonderes Her-ensanliegen der Union. Auf diesem Weg wollen wireitergehen. Das ist die richtige Botschaft.
Hinsichtlich der Mittel für den Arbeitsmarkt sieht esm Haushalt in der Tat schwieriger aus. Für die rein pas-ive Leistung Arbeitslosengeld II werden wir in diesemahr voraussichtlich 27 Milliarden Euro ausgeben. Imächsten Jahr sind im Vergleich dazu rund 6 Milliarden
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Dr. Ralf BrauksiepeEuro einzusparen. Einsparungen in Höhe von 4 Milliar-den Euro erwarten wir infolge der Reformgesetze im Be-reich des Sozialgesetzbuches II. Sie werden im nächstenJahr ihre volle Wirkung entfalten. Da bleibt in der Tatein Risiko. Es wird umso einfacher, dieses Risiko zu be-grenzen, je besser es uns gelingt, diese Finanzlückedurch wachsende Beschäftigung und abnehmende Ar-beitslosigkeit zu schließen. Auf diesem Weg befindenwir uns. Die Signale vom Arbeitsmarkt sind sehr positivund stimmen hoffnungsvoll.Ich muss sagen, der Kollege Kolb und die Kollegin-nen und Kollegen von der FDP tun mir manchmal einbisschen Leid.
Wir machen es Ihnen ja nicht leicht. Ich erinnere mich:Wie waren die Zahlen im Mai? Da gab es den höchstenRückgang der Arbeitslosigkeit in einem Mai seit derWiedervereinigung. Da haben Sie, Herr Kolb, gesagt,dass aber die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be-schäftigten zurückgehe. Im Juli hatten wir den erstenRückgang der Arbeitslosigkeit in einem Juli seit derWiedervereinigung. Da sagten Sie: Aber es gibt nur50 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs-verhältnisse mehr. Das war Ihnen zu wenig. Jetzt habenwir im August fast 130 000 sozialversicherungspflich-tige Beschäftigungsverhältnisse mehr und einen Rück-gang der Arbeitslosigkeit um mehr als 400 000. Das sinddoch positive Zahlen und Fakten. Sie müssen immerakrobatischer werden, um unsere Politik schlecht redenzu können. Wir sind auf dem richtigen Weg. Das zeigendiese Zahlen.
Natürlich ist dieser Trend nicht überall in der gleichenArt und Weise feststellbar. Ich vermute, Sie, Herr Kolb,werden weiter Anstrengungen unternehmen, um nochein Haar in der Suppe zu finden. Aber ich sage Ihnenganz deutlich: Wir sind auf dem richtigen Weg, auchwenn der sich nicht überall gleich auswirkt. Wir habeneben von Herrn Holter ein beeindruckendes Geständnisgehört: längste Amtszeit als Arbeitsminister und höchsteArbeitslosigkeit. Das ist in der Tat sehr beeindruckend.
Ich sage Ihnen, Herr Holter: Mit Ihrem Vorschlag, dievolkseigenen Betriebe wieder aufleben zu lassen, wer-den wir die Probleme nicht lösen. Deswegen werden wirdas, was Sie uns mit Ihren ideologischen Scheuklappenvorgemacht haben, nicht machen.
Sie können genauso Beispiele aus Berlin nennen: Rot-Rot erhöht die Arbeitslosigkeit; Rot-Rot erhöht die Ar-mut. Das ist Ihre Botschaft, die Sie uns heute wieder ein-drucksvoll verkündet haben.
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Es muss unser gemeinsames Ziel sein, sowohl ältereArbeitslose, die Arbeitslosengeld I beziehen, vorher al-lerdings gut verdient haben, möglichst schnell wieder inBeschäftigung zu bringen – das ist ein wichtiges Ele-ment dieser Initiative –, als auch aus der Gruppe derLangzeitarbeitslosen bestimmte Teilgruppen anzuspre-chen, Ältere wie Jüngere, die zwar keine guten Einkom-mensperspektiven haben, die aber bereit sind, durch ei-gener Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt zu sichern. Esmuss möglich sein, ihnen durch einen Kombilohn vonstaatlicher Seite eine Unterstützung zu geben. Daran ar-beiten wir.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich indiesem Zusammenhang etwas zum Gutachten des Sach-verständigenrates sagen. Uns geht es nicht um eineKürzung der Regelsätze. Aber wir bekennen uns dazu,dass wir durch die Reformmaßnahmen, die wir ergriffenhaben, deutlich gemacht haben: Diejenigen, die sichnicht an die Spielregeln halten, müssen mit Leistungs-kürzungen rechnen. Diese Entscheidung war richtig.Dazu stehen wir.
Ich bin der Meinung, dass man sich sehr genau anse-hen muss, wie sich der Sachverständigenrat zu den Hin-zuverdienstregelungen geäußert hat. Mir scheint das,was ich hierzu gehört habe, sehr beachtenswert zu sein.Auf eines müssen wir achten: Es darf in der Tat nicht da-rum gehen, dass sich jemand, der Transferleistungen be-zieht, fragt: Was kann ich hinzuverdienen, ohne dass mirdie Transferleistung gekürzt wird? Es muss wirklich da-rum gehen, dass diejenigen, die bereit sind, viele Stun-den lang für einen geringen Lohn zu arbeiten, um vonden Transferleistungen unabhängig zu werden, unter-stützt werden. An diesem Leitmaßstab müssen wir unsbei den Reformen, die wir anpacken, orientieren.fsdheuibiuAmwulthdLReswslIBHdssaeluimdMdhg
Das Wort hat jetzt der Kollege Markus Kurth vom
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Brauksiepe, Sie haben wieder ein Bild gezeichnet,as den Eindruck vermittelt, dass fast alles eitel Sonnen-chein ist. Was mich betrübt und besorgt, ist, dass ange-ichts dieser positiven Darstellung von teilweise durch-us begrüßenswerten Entwicklungen am Arbeitsmarktin Bereich im Schatten bleibt: die Langzeitarbeits-osigkeit insbesondere junger Menschen bzw. derjenigennter 25 Jahren.Vor dem Hintergrund der Situation dieser Gruppe, diemmer größer wird und sich immer weiter vom Arbeits-arkt entfernt, sehen die Bewertungen des Überschusseser Bundesagentur für Arbeit und der nicht verausgabtenittel im Rahmen des Sozialgesetzbuches II ganz an-ers aus.
Einer der wenigen, der dieses Problem angesprochenat, ist Herr Pofalla. Er hat gesagt: 80 000 junge Leuteehen Jahr für Jahr ohne Abschluss von der Schule. Die
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Markus Kurth40 000 Schulabgänger, die die Schule mit einem relativschlechten Hauptschulabschluss verlassen, muss man ei-gentlich noch hinzuzählen.Ich will Ihnen auch die neuesten Zahlen des Institutsder deutschen Wirtschaft Köln, das erst jüngst eine Un-tersuchung zum Qualifikationsniveau durchgeführt hat,nicht vorenthalten. Daraus geht hervor: Zum ersten Malin der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland istdie Aufwärtsmobilität bei der Bildung unterbrochen.Zum ersten Mal ist eine jüngere, nachkommende Gene-ration – formal – nicht besser qualifiziert als eine ältereGeneration. Im Jahr 2004 haben 22 Prozent der Berufs-schüler die Berufsschule ohne Abschluss verlassen.Zehn Jahre zuvor waren es 15 Prozent. Das heißt, untenwird eine immer größere Gruppe abgehängt. Damit seies der Zahlen an dieser Stelle genug. Diese Situation istbildungspolitisch, sozialpolitisch und letzten Endes auchökonomisch eine Bedrohung. Ich komme zu demSchluss, dass wir da konzentriert investieren müssen.Selbstverständlich ist an dieser Stelle staatliches Han-deln und Fördern gefragt.Vor diesem Hintergrund werde ich natürlich schon stut-zig – sollten wir alle stutzig werden! –, wenn 1,2 Milliar-den Euro des Überschusses der Bundesagentur fürArbeit aus nicht verausgabten Fördermitteln, aus Ein-sparungen im Bereich des Sozialgesetzbuches III stam-men. Man sollte stutzig werden, wenn, wie WaltraudLehn sagt, nur 2,6 Milliarden Euro abgerufen wordensind. Das muss einen schon merkwürdig stimmen! Die1,1 Milliarden Euro, die Sie gesperrt haben, haben dochnur dazu geführt, dass der Griffel in vielen Job-Centernschnellstens hingeworfen wurde – leider! – und erst jetztwieder aufgenommen wird, anstatt an dieser Stelle zufördern!Die Frage ist nicht nur, wie viel Geld ausgegebenwird. Ich glaube, man muss sich angesichts der Dramatikder Situation auch genau anschauen, wofür das Geldausgegeben wird; nicht nur die Menge, sondern auch dieArt und Weise der Ausgaben sind wichtig. Dass den Ju-gendlichen unter 25 Jahren, denen eine Ausbildung, eineNachqualifizierung fehlt, dann 1-Euro-Jobs, so genannteMehraufwandsentschädigungsjobs, angeboten werden,erfüllt mich mit tiefer Sorge. Ich halte das für skandalös.Andere Mittel sind wichtig! Sie sprechen an dieser Stellevom öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Auchdas Land Berlin – um einmal ein Land mit einer Regie-rungsbeteiligung der PDS/Linkspartei zu nennen – stellt36 000 solche Mehraufwandsentschädigungsjobs. Wobleiben denn die vernünftigen, sozialversicherungs-pflichtigen Arbeitsgelegenheiten, wo bleiben ordentlicheQualifizierungsmöglichkeiten in den Bereichen, in de-nen Sie die Möglichkeit haben, solche anzubieten?
Bei den Ausschreibungsverfahren – ich muss es nocheinmal ansprechen – zielen wir vorbei, wir sparen aufKosten dieser jungen Menschen. Ich will ein Beispiel– mehr erlaubt mir meine Redezeit nicht – nennen: Ichhabe vor einigen Wochen das Jugendausbildungs-zentrum in Münster besucht. Es wird vom SozialdienstKatholischer Männer betrieben. Dort hat man eine Werk-smSfHgtdtEdJgepkAwv2usgHdpwdnhzAngrVqlathpbddfikz
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Brandner von
er SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Die Einbringung des Bundeshaus-alts nach der Sommerpause dient immer dazu, voraus-uschauen, welche Aufgaben vor uns liegen und welchenstrengungen im kommenden Halbjahr, aber auch imächsten Haushaltsjahr von uns zu bewältigen sind. Dieroße Koalition – um es ganz deutlich sagen – hat be-eits vieles auf den Weg gebracht. Sie setzt den unter derorgängerregierung begonnenen Reformkurs konse-uent fort, sie setzt auf Kontinuität. Wir können feststel-en, dass die Reformen greifen: Die Konjunktur ziehtn, die Wachstumsprognosen sind sehr positiv, der posi-ive Trend auf dem Arbeitsmarkt setzt sich fort, wiraben mehr Erwerbstätige, mehr sozialversicherungs-flichtig Beschäftigte, weniger Konkurse und die Ar-eitslosigkeit geht zurück.Die Bundeskanzlerin hat diese Daten gestern gewür-igt und der Bundesarbeitsminister, der Vizekanzler, hatiese Daten heute ebenfalls gewürdigt. Lieber Herr Po-alla, eigentlich passen diese guten Daten nicht so ganzn Ihren Beitrag hinein. Der Erfolg der großen Koalitionann sich sehen lassen, was die harten Daten und Fakteneigen. Ich glaube, das ist das Ergebnis harter Arbeit. Es
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Klaus Brandnerwurde gut zusammengearbeitet und es gab Profilierun-gen in der Sache und nicht so sehr im Hinblick auf par-teitaktische Überlegungen.
Ich will ganz deutlich sagen: Diesen Weg müssen wirkonsequent fortsetzen, wenn wir für die Menschen indiesem Land das leisten wollen, was sie von uns, dergroßen Koalition, in der die große Zusammenarbeit an-gesagt ist, erwarten.
Ich weiß, dass die schlechte Presse, die man manchmalerhält, den einen oder anderen nervös macht. Ich sage Ih-nen aber: Ich glaube bestimmt und bin davon überzeugt,dass wir auf einem guten Weg sind. Mit der Koalitions-vereinbarung haben wir eine gute Grundlage dafür ge-schaffen.Zu dem, was hier bezüglich der Ich-AG angespro-chen wurde, sage ich ganz deutlich, dass wir ein erfolg-reiches arbeitsmarktpolitisches Instrument noch erfolg-reicher gemacht haben, indem wir durch gesetzlicheVeränderungen eine Existenzförderung in bestimmtenBereichen möglich gemacht haben. Wir als große Koali-tion messen der Existenzförderung von Arbeitsloseneine große Bedeutung bei, weil damit die Menschen eineBeschäftigungschance erhalten, die sie ohne eine solcheAktivität nicht gehabt hätten.
Wir setzen dabei ganz deutlich auf die Wirkung dergesetzlichen Maßnahmen und auf Evaluation. Wir sindbereit, Konsequenzen aus unseren Schritten und auchaus den Fehlern zu ziehen, die in einem mutigen Gesetz-gebungsverfahren durchaus gemacht werden dürfen;denn wer nichts anpackt, der macht auch nichts falschund der sitzt die Probleme aus. Das ist in diesem Landlange genug geschehen. Deshalb bauen wir darauf, dasswir in einer großen Gemeinschaft die Kraft haben, Fehl-entwicklungen schnellstens zu korrigieren, weil nur dasden Menschen in diesem Land hilft.
Sie sprachen davon, dass es im Bereich der Arbeits-marktpolitik mehr dezentrale Entscheidungen gebenmüsse. Die Sozialdemokraten sind für dezentrale Ent-scheidungen nach klaren Strukturvorgaben. Das ist im-mer unsere Position gewesen. Wir dürfen in diesem Zu-sammenhang nicht vergessen, dass der Einfluss derCDU und der CSU im Bundesrat auch schon währendder Zeit, in der Rot-Grün die Bundesregierung gestellthat, derart stark war, dass sie Strukturen mit geschaffenhaben, die nachkorrigiert werden müssen und innerhalbderen die Dezentralität und die Entscheidungskompetenzan Bedeutung gewinnen müssen. Es muss aber auch klarsein: Wer die Musik bezahlt und die Strukturen veran-lasst, der muss auch die Verantwortung dafür bekom-men, diese Entscheidungen systematisch umsetzen zukönnen. Das sollten wir aufgreifen. Ich halte das fürwhvSidukDügtArKlKRBDh–mggwwtbgJbsWscsDzwpDKwld
Deshalb sage ich klar: Die Menschen haben einennspruch auf Sicherheit und sind nicht nur Kostenfakto-en. Die SPD hat keine Notwendigkeit gesehen, an demündigungsschutz etwas zu verändern, weil wir in denetzten Jahren gerade für kleine und mittlere Betriebeorrekturen vorgenommen haben. Wir haben somit einecht geschaffen, durch das es aufgrund der verankertenefristungsmöglichkeiten die größte Flexibilität gibt.as, was wir in der Koalitionsvereinbarung festgelegtaben, ist die Grundlage. Alles, was darüber hinausgeht um es deutlich zu sagen –, wird mit der SPD nicht zuachen sein.
Ich will an dieser Stelle ganz unmissverständlich sa-en: Wenn die Wirtschaft nach großmundigen Forderun-en erklärt, dass sie das, was im Koalitionsvertrag aneiteren Regelungen vorgesehen ist, nicht braucht undir alles so lassen sollen, wie es ist, weil sie mit der ak-uellen Rechtslage zufrieden ist und den Grad der Flexi-ilität als ausreichend hoch ansieht, dann sollten wir alleemeinsam sagen: Die Situation ist so, wie sie ist, gut.etzt müssen wir die Debatte um den Kündigungsschutzeenden und uns anderen wesentlichen Themen in die-em Land zuwenden.
Hier ist auch das Stichwort Mindestlohn gefallen.ir sind sehr dafür, dass die Tarifvertragsparteien starkind und tarifliche Regelungen organisieren, weil tarifli-he Regelungen einen Mindestlohn bedeuten. Das ent-pricht unserer Verfassung und dem Grundsatz, dass ineutschland vorrangig die Tarifvertragsparteien dafüruständig sind, die Höhe von Löhnen und Gehältern so-ie die Arbeitsbedingungen zu bestimmen.
Wir müssen aber auch feststellen, dass es in der tarif-olitischen Landschaft zu einer Erosion gekommen ist.eshalb ist die große Koalition – das ist genau das, wasollege Brauksiepe mit seinem Zwischenruf sagenollte – auf dem Weg, durch mehr Allgemeinverbind-ichkeit und eine umfassendere Entsendegesetzgebunga, wo es zu Erosionen kommt und aufgrund der Öff-
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Klaus Brandnernung des europäischen Marktes Probleme entstehen kön-nen, gesetzlich einzugreifen. Diesen Weg werden wirvorrangig gehen.
– Herr Kolb, hören Sie gut zu. Wenn es am Ende Berei-che gibt, in denen die Tarife und Löhne auf ein unsozia-les und sittenwidriges Niveau sinken, dann darf der Staatnicht den Nachtwächter spielen und nur zuschauen, wiedort etwas vor sich geht, was er sich nicht wünscht, son-dern dann muss sich der Staat seiner Verantwortung stel-len. Diesen Weg werden wir gemeinsam gehen müssen.Das wollte ich heute Morgen einmal deutlich anspre-chen.
Herr Kollege Brandner, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Heinrich Kolb?
Bitte.
Bitte, Herr Kolb.
Herr Kollege Brandner, können diese Eingriffe auch
bedeuten, dass diese Arbeitsplätze am Ende und in der
Konsequenz entfallen? Die niedrigen Löhne, über die
Sie sprechen, beispielsweise im Friseurhandwerk in
Sachsen, sind tariflich vereinbart. Wenn Sie jetzt per Ge-
setz einen deutlich höheren Mindestlohn vorgeben, wird
es offenkundig dazu kommen, dass diese Arbeitsplätze
künftig so nicht mehr bestehen. Nehmen Sie diese Kon-
sequenz in Kauf?
Erster Punkt. Herr Kolb, diese Vermutung muss nichteintreten. Sie beabsichtigen, mit dieser Unterstellungvon vornherein vorzugeben, dass Mindestlöhne Arbeits-plätze gefährden würden. Im europäischen Ausland wur-den dazu ganz andere Erfahrungen gemacht.
Der zweite Punkt. Für diese Bundesregierung und ins-besondere für meine Fraktion möchte ich deutlich sagen:Wenn wir einen Mindestlohn vereinbaren, werden wirdas nicht ohne die gesellschaftlich relevanten Kräfte tun.So wurde auch in Großbritannien vorgegangen, wo eseine „Low Pay Commission“ gibt, in der Wissenschaft-ler, Gewerkschafter und Vertreter von Unternehmerver-bänden gemeinsam Normen festsetzen. Sie dürfen nichtdavon ausgehen, dass wir ein solches Projekt blind vonoben verordnen,
sesäcudzsWsWdk–mDfgHahndnibFccHtbrWxbgFLsfuakdeLd
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4614 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Nächster Redner ist der Kollege Stefan Müller für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirberaten heute in erster Lesung des Bundeshaus-halts 2007 den Einzelplan 11 mit einem Volumen – dasist schon angesprochen worden – von 122 MilliardenEuro. Das ist der größte Einzeletat im Bundeshaushalt.Er deckt knapp 50 Prozent des gesamten Ausgabevolu-mens ab. Allein dadurch wird deutlich, welchen Stellen-wert die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in diesem Landhat. Daran möchte auch niemand etwas ändern.Die große Koalition hat sich vorgenommen, denHaushalt des Bundes zu konsolidieren und vor allem dieNeuverschuldung zu reduzieren. Wir tun das nicht zumSelbstzweck; wir schlagen diesen Weg vielmehr deswe-gen ein, weil wir es uns nicht mehr leisten können, unse-ren Kindern immer mehr Belastungen aufzuwälzen, diesie später irgendwann einmal tragen müssen. Dieser Wegist richtig. Ich wünsche mir deshalb, dass die Oppositiondiesen Weg unterstützt.
Dieser Weg geht aber nicht völlig spurlos an der Ar-beitsmarkt- und Sozialpolitik vorbei. Es wird umsoschwieriger, als wir erkennen müssen, dass die Ausga-ben im Sozialbereich durch gesetzlich bedingte Fehlent-wicklungen immer weiter angestiegen sind. Nur wenigein diesem Hause werden bestreiten, dass es im Sozial-recht, insbesondere bei den Hartz-IV-Gesetzen, Fehlan-reize gegeben hat und die Ausgaben im SGB -II-BereichiLtDgsIsdbdawkttuunddsvwghmotGdsaÜgHzsKldnlHnKssgwf
er Missbrauch wird vielleicht gar nicht in einem soroßen Umfang betrieben, wie es immer wieder darge-tellt wird.Letzten Endes geht es aber um eine ungerechtfertigtenanspruchnahme von Leistungen, die an sich vom Ge-etzgeber seinerzeit nicht beabsichtigt war. Wir haben iniesem Jahr durch zwei Änderungsgesetze zum SGB IIereits gesetzgeberisch darauf reagiert, natürlich mitem Ziel, die Ausgaben weiter einzuschränken. Es istber kein Selbstzweck, die Ausgaben in diesem Bereicheiter einzuschränken. Wir wollen vielmehr die immernapper werdenden finanziellen Mittel auf die konzen-rieren, die wirklich Hilfe brauchen. Es ist mir sehr wich-ig, an dieser Stelle noch einmal klar zu machen, dass esm die Menschen geht, die wirklich hilfsbedürftig sind,nd nicht um andere, die vielleicht Hilfe in Anspruchehmen, obwohl sie sie gar nicht brauchen.
Wir haben auf die Situation der weiterhin ansteigen-en Ausgaben auch im Bundeshaushalt 2006 reagiert;as wurde bereits angesprochen. Der Haushaltsaus-chuss hat eine qualifizierte Haushaltssperre in Höheon 1,1 Milliarden Euro im Einzelplan 11 verhängt. Ichill nicht verhehlen, dass dies bei den Kommunen fürewisse Probleme gesorgt hat; das ist keine Frage. Jederat das in seinem Wahlkreis erlebt. Die Optionskom-une in meinem Wahlkreis, die gute Arbeit leistet, standft genug vor dem Problem, Geld für Integrationsleis-ungen ausgeben zu müssen, ohne zu wissen, wie vieleld unter dem Strich tatsächlich fließt. Das hat aberazu geführt – so ehrlich sollten wir uns gegenüberchon sein –, dass sich die Kommunen einmal kritischngesehen haben, wofür die Gelder ausgegeben werden.berall dort, wo das Geld nicht dringend für die Inte-rationsarbeit gebraucht wird, hat es offensichtlichandlungsspielräume gegeben, das Geld wieder zurück-ugeben. Ich bin allen Beteiligten dankbar, dass An-trengungen unternommen wurden, die Mittel, die einigeommunen nicht abrufen, an die Kommunen weiterzu-eiten, die zusätzlich Geld brauchen. Mein Dank geht iniesem Fall an das Ministerium sowie an die Kollegin-en und Kollegen des Haushaltsausschusses, die dasetztendlich unterstützt haben.
Der Haushaltsausschuss hat in dieser Woche dieaushaltssperre teilweise aufgehoben. Die freigegebe-en Gelder stehen nun wieder zur Verfügung, um anommunen mit Mehrbedarf verteilt zu werden. Ent-cheidend sind aber zwei Dinge: Wir haben dafür ge-orgt, dass es Einsparungen im Bereich des SGB IIeben kann. Trotzdem können die Kommunen, die nach-eislich gute Arbeit leisten, ihre Tätigkeit fortsetzen. Ichinde, das ist für diese Kommunen ein sehr gutes Signal.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4615
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Stefan Müller
Wir haben bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumen-ten erste Maßnahmen für einen effizienteren Einsatz derMittel ergriffen. Kollege Brandner hat bereits auf denneuen Gründungszuschuss hingewiesen. Dabei geht esdarum, mit weniger Geld Existenzgründungen von Ar-beitslosen noch besser zu fördern. Ich finde, wir sinddort auf einem guten Weg. Wir werden weitere Schrittemachen, die dazu dienen, die arbeitsmarktpolitischen In-strumente noch besser auszurichten, das heißt, beste-hende Instrumente zu verbessern, sie dort, wo es sinnvollist, zusammenzufassen und insgesamt effizienter zu ge-stalten. Sollte es die Möglichkeit geben, in diesem Be-reich etwas einzusparen, dann sollten wir das tun. Aberes geht nicht um Einsparungen um ihrer selbst willen,sondern darum, knapper werdende Mittel an diejenigeneffizienter zu verteilen, die Unterstützung brauchen.Es ist unbestritten – das wurde schon angesprochen –,dass es bestimmte Personengruppen in diesem Landgibt, die besondere Unterstützung brauchen, zum Bei-spiel ältere Menschen bzw. ältere Arbeitnehmer. Wir allewissen um die Probleme dieser Gruppe in Deutschland.Wir erleben in persönlichen Gesprächen das Leid der äl-teren Menschen – ich finde allerdings, es ist schwierig, beiüber 50-Jährigen von älteren Menschen zu sprechen – underfahren, dass es Menschen gibt, die arbeiten wollen,aber nicht arbeiten können, weil ihre Beschäftigungs-perspektiven so schlecht sind. Es ist das erklärte Zieldieser Koalition, die Beschäftigungsperspektiven fürdie Älteren in unserem Land deutlich zu verbessern.Der Bundesarbeitsminister hat bereits die Initiative„50 plus“ vorgestellt. Das ist die richtige Richtung. Wirwerden das im kommenden Herbst politisch auf denWeg bringen.Eines ist aber auch klar: Alleine etwas politisch aufden Weg zu bringen, ist eine Sache. Die andere Sacheist, dass wir in diesem Land einen Bewusstseinswechselbrauchen. Jemand, der älter als 50 Jahre ist, darf nichtzum alten Eisen gehören. Auch in der Wirtschaft musssich die Erkenntnis durchsetzen, dass eine gesunde Mi-schung aus älteren und jüngeren Mitarbeitern für die Be-triebe von Vorteil ist.
Wir haben arbeitsreiche Monate hinter uns und ar-beitsreiche Monate vor uns. Ich glaube, dass wir aufeinem guten Weg sind. Alle sind eingeladen, an diesemWeg mitzuwirken.
Zum Schluss der Beratung über diesen Geschäftsbe-
reich erhält das Wort der Kollege Hans-Joachim Fuchtel
für die CDU/CSU-Fraktion.
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nd dass es erhebliche Risiken in diesem Haushalt gibt.ch möchte die Opposition jedoch beruhigen: Wir wer-en im Herbst in der Koalition eine Reihe von Maßnah-en ergreifen, mit denen diese Risiken eingeschränkterden.Am wenigsten brauchen wir dabei die Belehrung vonen Grünen. Sie sind jetzt seit neun Monaten nicht mehrn der Regierung. Ist Ihnen aufgefallen, dass jetzt dasaastrichtkriterium eingehalten wird, und ist Ihnen auf-efallen, dass der Arbeitsmarkt sich zu beleben beginnt?
s gibt über 400 000 Arbeitslose weniger. Über30 000 zusätzliche versicherungspflichtige Beschäfti-ungsverhältnisse sind entstanden.
ch an Ihrer Stelle wäre ganz ruhig; denn kaum sind Sieeg, geht es aufwärts mit Deutschland.
Der Minister Holter aus Mecklenburg-Vorpommernst nicht mehr hier.
as ist eine Unverschämtheit, nachdem er hier eine poli-isch deplacierte Rede als Bundesratsmitglied gehaltenat. Wir haben daran erkannt, dass sich die PDS aus-chließlich im ALG II einigelt. Das ist reine sozialisti-che Politik. Ihren Wählern kann man nur zurufen: Stei-en Sie aus dem sinkenden Schiff aus, steigen Sie ininen Dampfer, der Fahrt aufnimmt! Unterstützen Sieine Politik, die auf Arbeitsplatzschaffung im ersten Ar-eitsmarkt ausgerichtet ist
nd nicht den zweiten Arbeitsmarkt kultiviert.
Dem Kollegen Kolb von der FDP möchte ich sagen:ie sind lange genug im Geschäft und wissen, dass sichine konjunkturelle Verbesserung auf dem Arbeitsmarkterzögert niederschlägt. Deshalb sollten Sie noch einisschen warten, bevor Sie alles geißeln. Wir haben die
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Hans-Joachim Fuchtelrichtigen Weichenstellungen vorgenommen und nur we-gen Ihrer Oppositionsbrille können Sie das nicht sehen.Ansonsten müssten Sie uns in diesem Bereich zustim-men.
Erfreulicherweise ist heute anders als noch bei derletzten Haushaltsberatung, als ich das hier schon einmalfür die Unionsfraktion gesagt habe, ganz klar geworden:Wenn sich Spielräume eröffnen, den Beitrag weiter zusenken, dann müssen diejenigen, die den Beitrag einge-zahlt haben, von Beitragssenkungen profitieren.
Wir dürfen die Leistungsträger nicht frustrieren, wirmüssen sie unterstützen. Spätestens seit Kurt Beck dasso deutlich erkannt hat, glaube ich wirklich daran, dasswir gemeinsam als Koalition eine weitere Beitragssen-kung erreichen.Schwieriger ist es mit dem Bereich des Arbeitslosen-gelds II. Hier ist ganz klar, dass es eine Reihe von Fehl-entwicklungen gibt, denen wir entgegenwirken müssen.Ich fürchte, mit den bisherigen Reformen haben wir nurdie Milchzähne der Fehlentwicklungen gezogen.
Jetzt müssen wir noch weitere Zähne ziehen, um auf dieEbene zu kommen, die mein Kollege soeben dargestellthat: dass diejenigen Unterstützung bekommen, die siebrauchen, und diejenigen, die sich selbst helfen können,verpflichtet werden, sich in entsprechendem Maß tat-sächlich selber zu helfen.
Ich bin überzeugt, dass es notwendig ist, darüber zureden, wer bei den Arbeitsgemeinschaften eigentlichden Hut aufhat. In diesem Herbst muss geklärt werden,wer den Hut aufsetzt und damit die Verantwortung fürdiesen großen Sektor trägt. Wir wollen schließlich wis-sen, wer die Verantwortung trägt.
Es kann nicht sein, dass der eine bestellt und der anderezahlt. In solchen Fällen wird es zu teuer. Das muss ge-klärt werden. Wenn wir das schaffen, werden wir vielGeld sparen. Wir sind in unseren Haushaltsansätzen aufReduzierungen eingestellt.Ein weiterer Aspekt umfasst die Eingliederungshil-fen. Dazu kann ich nur sagen: All das, was hier erzähltwurde, geht an der Sache vorbei. Tatsache ist, dass6,5 Milliarden Euro im Haushalt standen. Tatsache ist,dass wir 1,1 Milliarden Euro gesperrt haben. Tatsachewird sein – damit sage ich etwas, was heute noch nichtgesagt worden ist –, dass wir auch in diesem Bereich ei-nen Überschuss von mindestens 1,5 Milliarden Euro amEnde des Jahres haben werden. Das ist die Realität.
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s kann doch nicht sein, dass man Jobfinderprämien ein-ührt, wie das jetzt in einigen Arbeitsgemeinschaften ge-acht wird. Es kann nicht sein, dass selbst diejenigen,ie einen Job gefunden haben, ohne den Kundenserviceu nutzen, im Nachhinein 1 000 Euro erhalten, nur weilie jetzt einen Job haben. Es geht doch nur darum, genugtatistische Fälle zu haben, um die Existenzberechtigungu belegen. So geht es nicht. Wir werden die Hilfen aufie Fälle begrenzen, die wirklich Unterstützung brau-hen.Ein Letztes: Wir müssen mit all unseren Maßnahmenarauf hinwirken, dass es nicht zu Mitnahmeeffektenm Arbeitgeberlager kommt, und verhindern, dass dierbeitgeber nur dann ausbilden und nur dann einstellen,enn sie Zuschüsse erhalten. Wir brauchen die Solidari-ät aller. Wir appellieren an alle, gemeinsam in eineichtung zu gehen, damit es nicht zu solchen Mitnahme-ffekten kommen kann. Wenn wir es schaffen, Solidari-ät herzustellen, dann werden wir auch im Sozialetat miteniger Geld auskommen. Das ist die Aufgabe. Herrinister, wir haben einen arbeitsintensiven Herbst vorns. Sie können sicher sein, dass wir von der Unions-raktion unseren Beitrag leisten werden, eine solideinanzierung Ihres Etats sicherzustellen.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereichiegen nicht vor.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-esministeriums für Familie, Senioren, Frauen undugend, Einzelplan 17.
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Präsident Dr. Norbert Lammert– Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre schön, wenndiejenigen, die sich nun anderen Verpflichtungen wid-men müssen, dazu beitragen könnten, dass die nötigeKonzentration im Plenum für den neuen Geschäftsbe-reich hergestellt wird.Das Wort erhält zunächst die Bundesministerin Ur-sula von der Leyen. Frau von der Leyen, bitte schön.Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend:Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen undHerren! Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich.Aber wir debattieren im Augenblick den Bundeshaushaltund da geht es vorrangig um Geld. Es macht mich ehr-lich gesagt stolz und glücklich, dass unser Politikbereichderjenige ist, der den zweithöchsten prozentualen Auf-wuchs in diesem Jahr gehabt hat. Dies ist ein klares Zei-chen: Wir investieren in Familie; Investition in Familieist eine Zukunftsinvestition.
Wir haben allen Grund dazu: wenig Kinder, ein sichabzeichnender Fachkräftemangel, ungenutzte Poten-ziale älterer Menschen. Das sind ernst zu nehmende Vor-boten dafür, welche Umstellungen vor uns liegen. DieseUmstellungen müssen wir bewältigen. Deshalb kanneine nachhaltige Familienpolitik keine Politik sein, diean dem festhalten will, was schon immer so war. Einenachhaltige Familienpolitik ist vielmehr eine Politik, dienicht nur den Istzustand betrachtet, sondern auch aus denstattfindenden Veränderungen lernt und Schlüsse zieht.Es geht um die Gestaltung dessen, was auf uns zu-kommt.Ziel muss dabei sein, dass der für uns hohe Wert vonFamilie – die inneren Bindungen – auch in einer moder-nen Welt lebbar ist. Wir brauchen vorwiegend vierSchwerpunkte: eine Politik, die das Zusammenlebenvon Männern und Frauen mit Kindern in einer globali-sierten Welt möglich macht; eine Politik, die lebhafteBeziehungen zwischen Älteren und Jüngeren fördert;eine Politik für die Integration von in unsere Gesell-schaft neu Hinzugezogenen; vor allem eine Politik, dieKindern vom Lebensanfang an Chancen auf Bildung undChancen auf Erziehung gibt.
Bereits in diesem Jahr haben wir die Weichen dafürganz konkret gestellt. Es ist klar: Das war mit vielen Dis-kussionen verbunden. Dabei haben wir Vertrautes aufden Prüfstand gestellt. Wir haben eingefahrene Denk-muster infrage gestellt. Aber wenn wir Familie und ihreWerte auch am Anfang des 21. Jahrhunderts lebbar ma-chen wollen, dann müssen wir jetzt handeln. Ich nennehier nur vier der wichtigsten Weichenstellungen, die sichauch im Haushalt 2007 niederschlagen: das Elterngeld,die Mehrgenerationenhäuser, das Aktionsprogramm„Frühe Hilfen für Eltern und Kinder“ und das Programm„Jugend für Vielfalt und Demokratie“.Das höhere Volumen des Einzelplans 17 für das kom-mende Jahr geht eindeutig auf das Elterngeld zurück.IbgAnIigieadaKEEBdncbttAbbgnumsBAhfddevtMUnwgDeAlttk
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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gestern in derHaushaltsdebatte gesagt: Es geht um die Menschen unddarum, ihnen das zu geben, was sie brauchen. – Einschöner Satz; aber, verehrte Damen und Herren von derBundesregierung, mit Ihrer Politik nehmen Sie den Men-schen das, was sie brauchen.
Die Mehrwertsteuererhöhung wird insbesondereFamilien treffen. Sie bedeutet für viele Familien inDeutschland schlichtweg eines: Verzicht, Verzicht aufden neuen Schulranzen, Verzicht auf Spielzeug, Verzichtauf eine Feier zum Kindergeburtstag. Denn all dies ma-chen Sie um 3 Prozentpunkte teurer.
Mehr als 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche inDeutschland leben nach Angaben des Kinderschutzbun-des schon jetzt auf Sozialhilfeniveau. Damit hat sich dieZahl der armen Kinder seit 2004 verdoppelt. Die Situa-tion dieser jungen Menschen wird sich durch die Steuer-erhöhung weiter verschlechtern.Um Familien und Kinder in Deutschland zu fördern,kommt es darauf an, die richtigen Prioritäten zu setzen.Diese kann ich im Einzelplan 17 nicht erkennen. DieMehrausgaben für das Elterngeld sind nur ein Beispieldafür. Es nützt den Familien nämlich nichts, wenn sienach dem ersten Geburtstag des Kindes keineAnschlussbetreuung haben.
Wir müssen früher ansetzen, bevor wir später viel für daszahlen, was wir heute versäumt haben.Ganz elementar dafür ist meiner Ansicht nach eineVerankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. In dervdgtdsFdawddDJhsDsZrddwEUukesDaldwdbDerpdk
Das Wort erhält nun die Kollegin Christel Humme für
ie SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!ie Frau Ministerin hat gerade darauf hingewiesen: Dasahr 2007 wird das Europäische Jahr der Chancengleich-eit. Auf den entsprechenden Internetseiten ist nachzule-en:Ziel der Europäischen Kommission ist es, Diskri-minierungen wirksam zu bekämpfen, Vielfalt alspositiven Wert zu vermitteln und Chancengleich-heit für alle zu fördern.as passt gut: Chancengleichheit ist ein zentraler Maß-tab sozialdemokratischer Politik und wird es auch inukunft bleiben. Mit dem Haushalt 2007 – Frau Ministe-in, auch Sie haben das gesagt – sind wir im Hinblick aufen Aspekt der Chancengleichheit sehr gut aufgestellt.Trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierung sindie Mittel im Einzelplan 17 um 16 Prozent aufgestocktorden. Mit diesen zusätzlichen Mitteln werden wir daslterngeld – das haben wir gerade gehört – finanzieren.nser Elterngeld wird die Chancengleichheit für Frauennd Männer am Arbeitsplatz fördern. Väter können zu-ünftig in den Betrieben leichter sagen, dass sie Famili-narbeit übernehmen wollen. Frauen werden bei der Ein-tellung und bei Beförderungen bessere Chancen haben.enn nun wird es auch für die männlichen Mitbewerberttraktiver, Elternzeit zu nehmen. Diskriminierende Rol-enzuweisungen am Arbeitsplatz und in der Familie wer-en mit dem Elterngeld endlich aufgebrochen.Ich meine, dass der Vorschlag des Bundesrates – wirerden über das Elterngeld in den nächsten 14 Tagen zuiskutieren haben –, den Anspruch auf den Geschwister-onus auf drei Jahre zu verlängern, völlig falsch ist.enn das würde bedeuten, dass die betroffenen Frauenine wesentliche Benachteiligung am Arbeitsplatz erfah-en würden. Wir alle wissen doch: Je länger die Baby-ause dauert, desto schwieriger ist für Frauen der Wie-ereinstieg in den Job. Dann helfen anschließend aucheine so genannten Wiedereinsteigerprogramme, ganz
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Christel Hummezu schweigen von den Folgen für die späteren eigenstän-digen Rentenansprüche der Frauen.Ich begrüße es daher sehr, dass Sie, Frau Ministerin,in dieser Richtung eine klare Position bezogen habenund den Vorschlag des Bundesrates ablehnen.
Junge Frauen um die 30 sind zu über 95 Prozent – daswissen wir – berufstätig. In diesem Alter entscheiden siesich für oder gegen Kinder. Diese Frauen brauchen un-sere Unterstützung mit besseren Rahmenbedingungenfür die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dafür set-zen wir uns ein und das meinen wir, wenn wir von echterWahlfreiheit für Frauen und Männer sprechen.Das alleine – Frau Golze, auch das wissen wir – reichtnatürlich nicht.
– Entschuldigung. Frau Gruß, ich kann verstehen, dassSie nicht verwechselt werden wollen. – Zu mehr Chan-cengleichheit von Frauen und Männern – das ist eineBinsenwahrheit – gehört ein gutes und verlässliches Be-treuungsangebot auch für Kinder unter drei Jahren, wiees uns die europäischen Nachbarstaaten vormachen.Der aktuelle Bericht der Bundesregierung zur Umset-zung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes zeigt, dass esFortschritte gibt. Danach ist das Betreuungsangebot inWestdeutschland für unter Dreijährige tatsächlich gestie-gen, aber eben nur von 4,2 Prozent auf 9,6 Prozent invier Jahren. Wir stellen leider immer noch fest: Der Fort-schritt ist vielerorts noch eine Schnecke. Die Länder undKommunen sind an dieser Stelle gefordert, in den nächs-ten zwei Jahren noch größere Anstrengungen zu unter-nehmen.
– Ich sage gleich noch etwas dazu, Frau Lenke, weil ichweiß, dass Sie dazu immer wieder etwas hören wollen.
Sollte der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreu-ung nicht erfolgen, werden wir einen Rechtsanspruchauf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige im Ge-setz formulieren.
Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, und daswerden wir auch umsetzen.Frau Lenke und Frau Gruß, Kommunen brauchen na-türlich auch Geld. Sie haben in der Haushaltsdebatte ge-betsmühlenartig darauf abgestellt, dass wir die Mehr-wertsteuer zurücknehmen sollten. Beantworten Sie miraber einmal die Frage, wie die Betreuung finanziert wer-den soll. Denn ein Drittel des Mehrwertsteueraufkom-mens geht an die Länder und es sind die Länder und dieKommunen, die die Betreuung organisieren und umset-zen müssen.hrmgnwSLBmmuvdkndmtgHbKbTmpkwkeudbdd
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Ich merke, dieses Thema muss im Ausschuss noch
vertieft werden. Darf denn nun auch die Kollegin Deli-
göz eine Zwischenfrage stellen?
Bitte schön.
Frau Humme, Sie haben die 9 Prozent zitiert. Stim-
men Sie mir zu, dass dieser Anteil regional sehr unter-
schiedlich ausfällt, dass gerade im Süden unseres Lan-
des, wo die Defizite am größten sind, dieser Anteil nach
wie vor nur bei 2 bis 3 Prozent liegt und dass dort etwas
getan werden muss?
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch fragen,
wie Sie zu der Idee der Grünen stehen, über Absenkung
– nicht Abschaffung – des Ehegattensplittings einen
Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für unter Dreijäh-
rige teilzufinanzieren? Wie stehen Sie zu dieser Idee, zu-
mal auch Ihr Finanzminister sich bereits sehr positiv ge-
genüber dieser Idee geäußert hat?
Vielen Dank, Frau Deligöz. Ich nehme an, dass Siemit den 9 Prozent die Quote von 9,6 Prozent bei Betreu-ungsplätzen für unter Dreijährige meinen.Richtig ist, dass an dieser Stelle schon eine Menge ge-schehen ist und wir regional sehr große Unterschiede ha-ben. In Städten in Ostdeutschland haben wir 37 Prozent,in Westdeutschland aber ein hohes Defizit. Viele Kom-munen haben gute Ansätze. Ich denke etwa an die Kom-mune Leer, in der das Kinderangebot auch von unserenInitiativen nach vorne gebracht wurde.Sie haben vollkommen Recht: Wir brauchen zusätzli-che Mittel. Sie wissen, dass alle Parteien darüber nach-denken, wie man zusätzliche Mittel akquirieren kann –Mittel, die vielleicht auch nicht zielgenau zu den Fami-lien kommen, die Kinder haben. Da werden wir sicher-lich – das Ministerium tut das auch – eine Menge zu un-tersuchen und zu überlegen haben. Dazu gehört meinerAnsicht nach auch, das Ehegattensplitting auf den Prüf-stand zu stellen und zu überlegen, ob das nicht zielge-nauer für die Betreuung eingesetzt werden kann. ReichtIhnen das?
– Gut.
Diese Zwischenfragen machen gleichzeitig deutlich:Wenn wir Familienpolitik betreiben wollen, dann brau-chen wir Partner, wir brauchen die öffentliche Hand –das ist klar. Bund, Land und Kommune müssen da zu-sammenwirken, aber wir brauchen auch die Unterneh-men. Diesen Appell dürfen wir nicht vergessen, denn wirbrauchen auch die privaten Initiativen. Das ist garkeine Frage. Denn Chancengleichheit ohne familien-fnAld1AMFkbmsgdilsteAiddhd1–mx1smgtFlhhbBegüc
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich bin froh, dassas Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz seit dem8. August nach langem Ringen endlich in Kraft ist.uch das wird die Chancengleichheit von Frauen undännern stärker in den Mittelpunkt rücken. Dennrauen sind es, die immer noch weniger verdienen. Wironnten das heute in der Presse nachlesen und bestätigtekommen. Frauen sind in den Führungsetagen noch im-er nur mit der Lupe zu finden. Ich denke, das mussich dringend ändern.Neben dem guten Allgemeinen Gleichbehandlungs-esetz brauchen wir einen tatsächlichen Mentalitätswan-el und Verhaltensänderungen. Darum bin ich froh, dassn unserem Haushalt, im Einzelplan 17, die Gleichstel-ungsstelle mit 2,8 Millionen Euro etatisiert ist. Damitetzen wir im Jahr der Chancengleichheit 2007 ein wich-iges Signal, vor allem für die Frauen.Chancengleichheit für alle schließt auch ein – das istin wichtiger Punkt –, unsere Anstrengungen zurrmutsprävention fortzusetzen. Oft erleben wir – dasst leider so, es ist nicht von der Hand zu weisen –, dassas Familieneinkommen so gering ist, dass es nicht füren Unterhalt der Kinder reicht. Dann zahlen wir – dasaben wir durchgesetzt, das ist auch gut so – einen Kin-erzuschlag. Je nach Einkommen sind das bis zu40 Euro zusätzlich zum Wohn- und Kindergeld.
Ich weiß, das Instrument ist sehr kompliziert. Darumöchten wir schnell erreichen, dass es einfacher und fle-ibler gestaltet wird. Wir haben das Ziel, nicht nur50 000 Kinder mit diesem Instrument zu erreichen,ondern in Zukunft 420 000. Ich hoffe, dass wir im Rah-en der Haushaltsdebatte und darüber hinaus zu einemuten Weg finden, genau das zu erreichen.
Ich bleibe dabei: Der Ausbau der Betreuung, das El-erngeld und damit eine höhere Erwerbsquote vonrauen sind immer noch die besten Instrumente, Fami-ienarmut zu bekämpfen.Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, Chancengleich-eit – das haben wir auch vorhin von der Ministerin ge-ört – ist nicht ohne bessere Bildungschancen realisier-ar. Unser Ziel sind die qualitativ gute Betreuung undildung von Anfang an. Das ist die Voraussetzung fürinen besseren Spracherwerb und einen besseren Inte-rationsprozess. Wir wollen nicht, dass die Herkunftber den Bildungsabschluss und damit über die Zukunfts-hancen unserer Kinder entscheidet.
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Christel HummeUnser Ziel ist die Chancengleichheit für Frauen undMänner, für alle Kinder, aber auch – was in einer älterwerdenden Gesellschaft immer wichtiger wird – für äl-tere Menschen. Dass nur noch jeder zweite Betrieb – wirhaben das heute morgen in mehreren Reden gehört –Mitarbeiter beschäftigt, die älter als 50 Jahre alt sind, istpersonalpolitisch unklug und gesellschaftspolitisch einSkandal. Deshalb unterstütze ich BundesarbeitsministerFranz Müntefering, der die Beschäftigungschancen derÄlteren verbessern will.Ich unterstütze auch die Bundeskanzlerin AngelaMerkel. Sie hat eine interessante Bemerkung gemacht.Im Rahmen einer Veranstaltung hat sie vorgeschlagen– Sie haben schon darauf hingewiesen –, Kinderrechtein die Verfassung aufzunehmen.
Ich denke, das ist ein Projekt, das wir gemeinsam in An-griff nehmen können. Dieses Projekt wäre ein gutes Si-gnal für das kommende Europäische Jahr der Chancen-gleichheit.Schönen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Diana Golze, Frak-
tion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen! Kinder, Jugendliche und Fa-milien haben es in der Bundesrepublik nur so lange gut,wie nett lächelnde Politikerinnen und Politiker ihnenversichern, dass gerade ihr Wohl im Mittelpunkt des In-teresses stehe.Wenn der Bundeshaushalt aufgestellt wird, ist es da-mit aber schnell vorbei. Die schwarz-roten Sozialpoliti-ker ziehen jeden Tag mit neuen Zumutungen durchsLand. Für Kinder und Jugendliche halten sie bestenfallsdie Perspektive auf eine Rente mit 67 bereit. Dazu bietensie ihnen einen desolaten Ausbildungsmarkt, Jugendar-beitslosigkeit und 1-Euro-Jobs. Die Familien müssenüber die Mehrwertsteuererhöhung die Steuergeschenkefür Unternehmen und Vermögende finanzieren.Davon unbeeindruckt lächelt die Jugend- und Fami-lienministerin von der Leyen in die Kameras. Ihr An-spruch lautet: Die Politik kann und muss geeignete Rah-menbedingungen für Familien schaffen. Nach derLektüre des zweiten Haushalts aus dem Hause von derLeyen kann ich nur sagen: Diese Politik ist ein Zukunfts-risiko für viele Kinder und Jugendliche in diesem Land.
Der Einzelplan 17 erhält einen Aufwuchs in Höhevon knapp 726 Millionen Euro. Wir alle kennen denGrund: das Elterngeld. Aus der Sicht der Koalition istdtnEdnszsudiJdT„müMdAJbohgddBdkaagdKss1gRsia
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Ich will Ihnen gerne ein Beispiel aus den alten Bun-desländern nennen. Einem Papier der Arbeitsgemein-schaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege Aachenist folgendes Zitat entnommen:Es ist ein erheblich anwachsender Zulauf bei derAachener Tafel und bei Möbel- und Kleiderkam-mern zu verzeichnen, d. h. Menschen können mitden Finanzmitteln nicht mehr im gebotenen Um-fang ihren Lebensunterhalt sicherstellen … DieAachener Zeitung hat inzwischen eine breit ange-legte Spendenaktion ins Leben gerufen, um fürKinder ausreichende Mahlzeiten zur Verfügungstellen zu können. Besonders in sozial belastetenStadtvierteln scheitert die Bereitstellung eines Mit-tagessens für Kinder in Kindertagesstätten immerhäufiger an den fehlenden Finanzmitteln der El-tern … In den Kindertagesstätten wird zunehmendfestgestellt, dass keine wetterfeste Kleidung, keineWinterjacken, Schals und Mützen vorhanden sind.Doch Kinderarmut hat mehr Gesichter als nur diemangelnde materielle Versorgung des Kindes. Wie eineLangzeitstudie des Frankfurter ISS belegt, hat Armut fürKinder weitere Dimensionen: fehlende soziale Kontakteund daher unzureichend entwickelte soziale Kompeten-zen, Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und diekörperliche Entwicklung und auch mangelnde Versor-gung im kulturellen Bereich. Alle fünf Dimensionenwirken sich negativ auf die Zukunftsperspektiven der be-troffenen Kinder aus.Der Kinderzuschlag, den weiterzuentwickeln Siesich vorgenommen hatten, hat das Ziel, zu verhindern,dass Eltern wegen ihrer Kinder auf den Bezug vonALG II oder Sozialgeld angewiesen sind. Das ist einegute Idee, leider schlecht umgesetzt. Die Geschichte desKinderzuschlags im Bundeshaushalt liest sich wie folgt:Im Jahr 2005 wurde er mit 217 Millionen Euro veran-schlagt. Weil aber die Regeln so schwierig und undurch-schaubar waren, wurden neun von zehn Anträgen abge-lehnt und der Etat im Jahr 2006 um 67 Millionen Eurogekürzt. Denn das Geld wurde nicht abgerufen. DieseKürzung wird nun im Jahr 2007 fortgeschrieben. Allengroßmütigen Ankündigungen zum Trotz: Die Kinder-armut steigt und der Kinderzuschlag sinkt. Das istschwarz-rote Haushaltslogik.
Die Linke hat im Juni ein Konzept vorgelegt, das ei-nen Ausbau des Kinderzuschlags mit dem Einstieg ineine bedarfsorientierte Kindergrundsicherung verbin-det. Wir wollen alle Kinder aus der Sozialhilfe herausho-len. Alle Kinder unter 18 Jahren sollen in Zukunft einKindergeld erhalten, das ihnen in voller Höhe zugutekommt. Gleichzeitig wollen wir den Kinderzuschlag zueinem einkommensabhängigen Instrument ausbauen,das jedem Kind den Zugang zu einem soziokulturellenExistenzminimum in Höhe von 420 Euro garantiert.Nach unseren Berechnungen würden von diesem Kon-zdzneImAdagdkuAKisngcmBKSiiwkfmhHvtwsuMR
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4624 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Britta HaßelmannFamilie, ältere Menschen, Frauen und Jugend, all dieseAspekte zusammen bilden doch die Kernelemente IhresMinisteriums und sind der Auftrag für unser politischesHandeln. Oder etwa nicht?
– Ich habe der Ministerin sehr gut zugehört.Einen Ihrer vier Schwerpunkte wollen Sie nun bei derJugend setzen.
Ich frage mich allerdings: Wie passt das damit zusam-men, dass Sie die Mittel für die Jugendsozialarbeitkürzen? Sie sollten sich einmal genauer mit der Jugend-politik beschäftigen! Sie kürzen die Mittel für die Ju-gendsozialarbeit.
Dabei dachte ich, wir alle wissen, dass die Jugendsozial-arbeit von zentraler Bedeutung ist: zur Herstellung vonChancengerechtigkeit und zur Ermöglichung der erfolg-reichen Teilhabe junger Menschen am gesellschaftlichenLeben.
An dieser Stelle, meine Damen und Herren von dergroßen Koalition, nehme ich Sie in die Pflicht. Sie könn-ten zeigen, wie wichtig Ihnen dieses Thema wirklich ist.Aber hier passt etwas nicht zusammen. Erinnern Sie sichnur daran, wie wir hier im Parlament über die Ereignisseim Zusammenhang mit der Rütli-Schule diskutiert ha-ben. Betroffenheits- und Sonntagsreden, wie sie damalsgehalten wurden, passen nicht dazu, dass Sie nun dieMittel für die Jugendsozialarbeit kürzen.
Meine Damen und Herren von SPD und Union, an-ders als noch im letzten Haushalt, in dem die Ansätze fürdie Gleichstellungs- und Seniorenpolitik zugunsten desAnsatzes für die Familienpolitik gekürzt wurden, schla-gen Sie jetzt von vornherein vor, alles in einem Topf zu-sammenzuführen. Sie wollen zwar ein paar Unterpunktebilden, damit das, was Sie tun, nicht so sehr auffällt.Dennoch beabsichtigen Sie, diese Ansätze zusammenzu-führen, damit alles wunderbar deckungsgleich ist.
Dann nennen Sie das Ganze „Förderung von gesell-schaftspolitischen Maßnahmen der Familien- undGleichstellungspolitik sowie für die ältere Generation“.Diesen Schritt begründen Sie damit, dass Sie dem ver-stärkten generationen- und politikübergreifenden An-sIMedKGTidlpfsFAlpfgsddRMwgRdImebuLdNmadmau
Das Familienministerium hält sich sehr bedeckt,enn es um neue Initiativen zur Gleichstellungspolitikeht. Vermutlich hängt Ihnen, Frau Ministerin, noch dasingen um die zwei Vätermonate – bereits das höchsteer emanzipatorischen Gefühle für die Konservativen inhrer Fraktion – nach.Lassen Sie mich jetzt zum Elterngeld kommen. Sieachen mit dem Elterngeld den zweiten Schritt vor demrsten. Wir Grünen werden nicht müde, zu betonen: Wirrauchen eine flächendeckende Kindertagesbetreuungnd einen Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem erstenebensjahr. Wir haben keinen Anlass, Frau Humme, beier Kinderbetreuung Entwarnung zu geben.
atürlich ist dank der Initiativen von Grünen und SPDit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz der Betreuungs-usbau in Gang gekommen. Das ist auch gut so. Aberas kann uns doch nicht zufrieden stellen. Wir brauchenehr Betreuungsplätze und die Ausweitung des Rechts-nspruches,
ns zwar jetzt und nicht erst in ein paar Jahren.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4625
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Britta Haßelmann
Wir können nicht sagen, wir führen erst einmal das El-terngeld ein, warten einmal ab und sehen irgendwann,wie wir bei diesem Thema weiterkommen.
Wir Grüne schlagen Ihnen vor, das Ehegattensplit-ting abzuschmelzen, es in ein Individualsplitting umzu-wandeln und die frei werdenden 2 Milliarden Euro füreine Kinderbetreuungskarte vorzusehen, durch welcheEltern vom Bund eine Geldleistung zur Inanspruch-nahme von Kinderbetreuung erhalten. Es ist also ganzeinfach, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich werbe bei Ihnen für diese Idee um Zustimmung.
Wenn es wirklich so ist – wie die Kanzlerin gesternbetonte –, dass Sie den Menschen nicht vorschreibenwollen, wie sie zu leben haben, dann frage ich mich, wa-rum Sie von der Union so stur sind und so viel Behar-rungsvermögen zeigen, wenn es um das Ehegattensplit-ting geht.
Das Gleiche gilt für das Elterngeld. Hier privilegie-ren Sie ganz offensichtlich das Alleinverdienermodell.Dazu, Frau Ministerin, haben Sie nichts ausgeführt. Da-bei hat die Anhörung zum Elterngeld sehr deutlich ge-macht, dass beispielsweise Eltern, die sich dafür ent-scheiden, gemeinsam und gleichzeitig Kindererziehungund Berufstätigkeit zu verbinden, durch die Elterngeld-regelung ganz klar benachteiligt werden.
Wenn Sie den Menschen wirklich nicht vorschreibenwollen, wie sie zu leben haben, müssen Sie bereit sein,die Elterngeldregelung für den Fall, dass beide Elternauf Teilzeit gehen, nachzubessern. Sonst werden Sie Ih-rem Anspruch nicht gerecht, über den gesetzlichen Rah-men nicht nur, wie bisher, das Einernährermodell zu för-dern.Ein weiteres Beispiel von wegen „Sie schreiben nie-mandem vor, wie er zu leben hat“ und „Es herrschtWahlfreiheit“ ist der Geschwisterbonus von 36 Mona-ten, der immer noch nicht vom Tisch ist.
Frau Humme hat darüber gesprochen und gesagt, imMoment will nur der Bundesrat das. Wer hat denn imBdDsmidmdgIkhgdnSshwWtufsDanasSraSgspC
as ist kein Niemand, der das fordert. Ihre Ministerprä-identen wollen die 36 Monate Geschwisterbonus; dasuss man ganz deutlich sagen.Jede und jeder von uns weiß, dass die Möglichkeiten,n den Beruf zurückzukehren, die Karrierechancen undie Altersvorsorge mit der Auszeit vom Beruf, die je-and nimmt, schlechter werden; Sie haben vorhin aucharüber gesprochen. Mit dem erklärten Ziel des Eltern-eldes ist das nicht zu vereinbaren.
m Übrigen kostet diese Forderung – das ist jetzt schonlar, das ist errechnet – über 100 Millionen Euro. Des-alb, Frau Ministerin, können Sie sicher sein, dass dierüne Fraktion an dieser Stelle alles dafür tun wird, dassie Regelung, die von der CDU/CSU verlangt wird,icht in Kraft tritt. Ich fordere die große Koalition auf:etzen Sie ein eindeutiges Zeichen, verabschieden Sieich von dieser Regelung!
Zum Schluss möchte ich auf den Zivildienst einge-en. Mit Wehr- und Einberufungsgerechtigkeit hat das,as sich in diesem Bereich abspielt, nichts zu tun.
ir haben das in diesem Haus schon einige Male thema-isiert. In diesem Haushalt stellt sich aber, was Wehr-nd Zivildienst angeht, nicht nur die Gerechtigkeits-rage. Schauen Sie sich den Etat einmal an: Die Ansätzetimmen nicht annährend überein mit dem, was wir anienstpflichtigen zur Verfügung haben. Sie haben dalso eine kleine Sparbüchse angelegt. Ich rate Ihnen,och einmal darüber nachzudenken, die Jugendsozial-rbeit, die die jungen Menschen leisten können, aufzu-tocken. Das wäre eine Maßnahme. Legen Sie keineparschatulle an für Dinge, die wir nicht brauchen!
Sehr geehrte Frau Ministerin, meine Damen und Her-en, wir erwarten, dass Sie eine ausgewogene Politik fürlle Generationen machen und dass sich dies nicht nur inonntagsreden widerspiegelt; denn dann würde sich auf-rund Ihrer Behandlung der Programme Elterngeld, Ge-chwisterbonus und Ehegattensplitting an der Familien-olitik langfristig leider nichts ändern.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ilse Falk für dieDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Eine Haushaltsdebatte bedeutet das Ringen darum, wiedas Geld, das der Staat durch direkte und indirekte Steu-ern einnimmt, in kluger und umsichtiger Weise denMenschen wieder zugute kommen kann. Wir erleben dasnun schon seit drei Tagen und finden immer wieder Bei-spiele dafür. Wir streiten um Geldsummen, deren Höhewir uns oft gar nicht mehr selber vorstellen können, undbegründen, warum welche Ausgabe im jeweiligen Haus-haltsplan gerechtfertigt ist.Unser Problem ist, dass der Haushalt in sich zwar einlogisches Zahlenwerk ist, dass sich die Begründung dereinzelnen Ausgaben aber hartnäckig jeder mathemati-schen Beweisbarkeit entzieht. Das ist natürlich auchbeim Einzelplan 17 nicht anders. Ich will aber trotzdemden Versuch unternehmen, deutlich zu machen, warumes gerade bei diesem Haushalt ein hohes ökonomischesInteresse an der Bereitstellung von Mitteln geben muss.Gerade dieses Ministerium der Generationen spiegeltVeränderungen in der Gesellschaft wie ein Seismografwider, auf die es zu reagieren gilt, wenn nicht alles nochviel teurer werden soll.Eine Vorbemerkung zu den wichtigsten Veränderun-gen der letzten Jahrzehnte: Männer und natürlich beson-ders auch Frauen leben neue Lebensentwürfe, weil ihnenBildung, Wissenschaft und Forschung völlig neue Per-spektiven eröffnet haben. Neue Lebensentwürfe bedeu-tet, dass die Familien neue Formen des Miteinandersfinden müssen. Niedrige Geburtenraten und hohe Le-benserwartung – gemeinhin als demografischer Wandelbekannt – fordern uns mächtig heraus. Traditionelle For-men der Arbeit und lebenslanges Verweilen in demsel-ben Beruf werden seltener. Weil wir von diesen Verände-rungen wissen, müssen wir uns damit befassen, was wirdurch diese Veränderungen gewinnen, was wir mögli-cherweise verlieren und was wir von dem Vertrauten aufjeden Fall bewahren sollten.Fangen wir mit dem Beginn des Lebens an. Wir wis-sen, dass Kinder zuallererst die Beziehung zu ihrenEltern suchen und dass sie gerade in ihrer ersten Lebens-phase feste Bezugspersonen und eine liebevolle Zuwen-dung brauchen, damit sie ihre Talente entfalten können.Zuwendung bedeutet Anwesenheit, also Zeit. Deshalbmüssen die Eltern ihr Leben so gestalten können, dasssie Zeit für ihre Kinder haben und dass Familie tatsäch-lich auch gelebt werden kann.
Deshalb sollten wir uns freuen, wenn sich Mütter oderVäter auf ihre Rolle einlassen und zum Beispiel von demneuen Elterngeld und den damit einhergehenden Väter-monaten in möglichst großer Zahl Gebrauch machen.
Ich gehe jetzt nicht auf die Einzelheiten ein. Die Mi-nisterin hat schon einiges dazu gesagt und das steht beider Verabschiedung demnächst auch noch einmal ganzgroß auf der Tagesordnung. Ich will nur so viel sagen:Das Elterngeld und die Vätermonate sind für uns speziellmGHdEbfwEVdddkaussDdvcjunrgedwtVnmuwAtfglzDkAds
nd durch Förderung von Dienstleistungszentren, in de-en bezahlbare Teilzeitangebote für den Haushalt abge-ufen werden können, entlasten wir Eltern von den Auf-aben, die andere ebenso gut oder vielleicht sogar besserrledigen können, und verschaffen wir ihnen Freiräume,ie für das entspannte Miteinander in der Familie not-endig sind.Die Konsequenz ist: Die Nachfrage von Dienstleis-ungen schafft Arbeitsplätze und damit natürlich auchorteile für diejenigen, die sich zwar selber diese Hilfeicht leisten können, aber Arbeit suchen. Wir haben hierit der verbesserten Absetzbarkeit von Kinderbetreu-ngskosten und haushaltsnahen Dienstleistungen rück-irkend zum 1. Januar dieses Jahres erste Schritte getan.ber von der Verwirklichung der Idee „Haushalt als Be-rieb“ sind wir leider doch noch ein ganzes Stück ent-ernt.Wir haben es im privaten Haushalt mit einem riesi-en Schwarzarbeitsmarkt zu tun. Deshalb sollten wir al-es daransetzen, attraktive Angebote für reguläre Arbeitu machen.
as wäre nicht nur gut investiertes Geld, sondern esönnte auch dazu ermutigen, den so lange diskreditierenrbeitsplatz Haushalt aufzuwerten, sowohl als Ausbil-ungsberuf, als anspruchsvolle Fortentwicklung zuelbstständiger Haushaltsführung als auch für einfachere
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Ilse FalkArbeiten für Menschen mit eher praktischen Fähigkei-ten. Das Ziel sind der Abbau von Schwarzarbeit und dieSchaffung neuer sozialversicherungspflichtiger Arbeits-plätze.An dieser Stelle ein Wort zu der immer wieder ange-sprochenen Kinderarmut. Kinderarmut ist immer ab-hängig von der Lebenssituation der Eltern. Es spiegeltsich in den Zahlen wider, dass wir es mit einer hohen Ar-beitslosigkeit zu tun haben. Deshalb ist das Wichtigste,was wir für die Kinder tun können, um sie aus der Armutherauszuholen, all unsere Kraft darauf zu verwenden,Arbeitsplätze zu schaffen, und zwar auch im BereichHaushalt.
Bleiben wir einen Moment bei der Wirtschaft. Auchsie kann dazu beitragen, Fehlentwicklungen und hoheFolgekosten zu vermeiden. Familiengerechte Arbeits-plätze und Betriebsstrukturen, die auch die Wahrneh-mung von Familienaufgaben zulassen, müssten imureigenen Interesse der Unternehmen liegen. Gerade Ar-beitgeber sollten nicht unterschätzen, wie wichtig guteRahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindernsind, damit sie später einmal – da sollten die Unterneh-men ganz egoistisch sein – tüchtige Arbeitnehmer undArbeitnehmerinnen oder aber verantwortungsvolleChefs werden, die wir uns in stärkerem Maße wünschen.
Sowohl Tugenden wie Pflichterfüllung, Pünktlichkeitund gegenseitiger Respekt als auch das Verständnis vonethischer Unternehmensführung werden im Elternhausgrundgelegt. Darüber hinaus erwarten wir von Unterneh-mern, dass sie sich, wenn nicht bereits geschehen, nochstärker der Ausbildung Jugendlicher annehmen. Ichweiß, es wird vielfach beklagt, dass Jugendliche nichtdie nötigen Voraussetzungen mitbrächten, die für eineErfolg versprechende Ausbildung nötig seien. Aber weileben alles mit allem zusammenhängt, müssen wir dieDefizite aufzeigen und Hilfestellung geben. Deshalb binich dem Arbeitsminister dankbar, dass er gerade Jugend-lichen, die besondere Schwierigkeiten haben, einen Aus-bildungsplatz zu finden, mehr Chancen auf dem Arbeits-markt eröffnen will.Weil wir wissen, dass die Unsicherheit der Eltern inder Erziehung häufig groß ist und ihnen eine Vielzahlvon Miterziehern das Leben noch zusätzlich schwermacht, müssen wir sie in ihrer Erziehungskompetenzstärken und sie ermutigen, die ihnen – ganz altmodisch –zuvörderst obliegende Pflicht der Erziehung verantwor-tungsvoll wahrzunehmen. Politik muss aber auch mit derVerbesserung frühkindlicher und schulischer Bildung,der Qualifizierung der Erziehenden, der Stärkung derLehrkräfte und der Verbesserung des schulischen Um-felds Ernst machen. Diese Bereiche finden sich zwarnicht alle im Bundeshaushalt wieder, aber es spielt ebenalles zusammen.Wo Fehlentwicklungen zu befürchten sind oder be-reits sichtbar werden, brauchen wir mehr präventive An-gebote, damit nicht aus kleinen Anfängen große Schädi-gEtDhFldbbftbAssdMssmaMEZeDEwkmWiDudnkluBmwFMr
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Es ist nach meinem Dafürhalten eine sehr bedenklicheEntwicklung, wenn eine Anwältin, die als Mitglied derAnwaltschaft Organ der deutschen Rechtspflege ist, ih-ren Beruf wegen integrationspolitisch fragwürdigen Zu-ständen in Deutschland aufgibt. Wir müssen in dieserFrage ganz intensiv arbeiten. Egal welches Ministeriumoder welcher Ausschuss, wir sind hier als Abgeordnetegefordert.
Ich bin der Meinung, dass junge Migrantinnen undMigranten vom Europäischen Jahr der Chancengleich-heit für alle 2007 profitieren sollten. Sie haben ausge-führt, dass Sie ein Programm „Jugend für Vielfalt undDemokratie“ auflegen wollen. Wir hoffen auf ein schlüs-siges Konzept. Das von uns sehr kritisierte so genannteGbmdhinrsDszsntrddFdKiighsgFlhdtdvgruGuw
ie Formen der Altersdiskriminierung beispielsweiseind subtil. Das ist insbesondere auf dem Arbeitsmarktu spüren. Wir wissen, dass der Altenbericht einige Lö-ungsvorschläge beinhaltet. Dazu haben Sie bislangoch nichts gesagt. Das Verzögern der Vorlage des Al-enberichts kritisieren wir ausdrücklich.Frau von der Leyen, Familienpolitik muss alle Gene-ationen und beide Geschlechter umfassen. Nur dann hatas bewährte Netz Familie eine Chance, seinen Mitglie-ern und Angehörigen Halt und Perspektive zu geben.rau Ministerin, es bleibt viel zu tun.
Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Spanier für
ie SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Gerade in Haushaltsdebattenst es sehr schwer, Wiederholungen zu vermeiden. Auchch werde es nicht schaffen; aber ich erlaube mir deswe-en, auf die grundsätzlichen Fragen nicht näher einzuge-en.Frau Ministerin von der Leyen ist auf die demografi-che Entwicklung und deren Auswirkungen eingegan-en. Das erspare ich mir.Ich will mich auf einige wenige Punkte konzentrieren.rau Ministerin, ich möchte – Sie ahnen es wahrschein-ich – eine Anmerkung zur Seniorenpolitik machen. Sieaben vorhin mit Vehemenz, ja geradezu mit Verve vonen Potenzialen, der Leistungsfähigkeit und den Kompe-enzen der Älteren gesprochen. Das hat mir gut getan.
Vom finanziellen Volumen her geht es – wenn manen Betrag beispielsweise mit dem Zuschuss zur Renten-ersicherung in Höhe von 78,4 Milliarden Euro ver-leicht – um eine ganz bescheidene Summe. Es sind ge-ade einmal 10 Millionen Euro. Übrigens bewegen wirns damit auf dem finanziellen Niveau zuzeiten von Rot-rün. Nichtsdestotrotz ist es Aufgabe des Ministeriumsnd des zuständigen Ausschusses, dafür zu sorgen, dassichtige gesellschaftliche Impulse gegeben werden und
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Wolfgang Spanierdass neue Initiativen, die in der Gesellschaft entstehen,aufgegriffen und unterstützt werden.
Es handelt sich zwar nur um 10 Millionen Euro. Aberdie damit finanzierten Maßnahmen sind in gesellschafts-politischer Hinsicht durchaus wichtig.Ich will kurz auf drei Bereiche eingehen. Zur Fortset-zung der Baumodelle der Alten- und Behinderten-hilfe: Insgesamt sind es nun bundesweit 39 Projekte.Hinzu gekommen sind elf Projekte, die unter der Über-schrift „Das intelligente Heim“ laufen. Das finde ichsehr gut; denn die Technikunterstützung des Lebens älte-rer, aber auch behinderter Menschen wird dabei in denBlickpunkt gerückt. Auch dabei geht es nur um beschei-dene 2,5 Millionen Euro. Darin stecken aber viele Anre-gungen. Das erinnert mich an Klostergründungen, alsMönche ins Land geschickt wurden, die dann eine breiteÖffentlichkeit erreichten.Neu ist das Modellprogramm „Neues Wohnen – Bera-tung und Kooperation für mehr Lebensqualität im Al-ter“. Dessen Budget ist noch kleiner, dennoch ist das einwichtiger Ansatz. Es sollen zehn Projekte bundesweitgefördert werden. Dabei geht es um ganz wichtige The-men, neue Kooperationsmodelle, damit auch andere Be-teiligte in den Stadtquartieren zusammengebracht wer-den können. Mit dem Projekt „Wohnen im Stadtteil“erreichen wir eine Nähe zum Programm „Soziale Stadt“.Wir müssen dabei darauf achten, was bezüglich der In-novationen von überregionaler Bedeutung ist. Auch die-ses Programm zielt in die richtige Richtung und wirdhoffentlich – ich bin mir sogar sicher – wichtige Impulsegeben.Ich kann nicht umhin, auf das Aktionsprogramm„Mehrgenerationenhaus“ zu sprechen zu kommen. Esist mit 88 Millionen Euro in unserem kleinen Etat ein di-cker finanzieller Brocken. Man darf die Mehrgeneratio-nenhäuser jedoch nicht mit Erwartungen überfrachten.Mit ihnen werden wir nicht die Probleme und Verwer-fungen unserer Gesellschaft lösen können, das erwartetauch niemand. Der Ansatz ist jedoch richtig und da erheute schon mehrfach beschrieben worden ist, werde ichnicht weiter darauf eingehen. Stattdessen will ich einpaar konkrete Anmerkungen machen.Die ersten 50 Mehrgenerationenhäuser sollen dem-nächst bewilligt werden. Die Bewerbungen laufen. Ichhabe mir sagen lassen, dass eine große Anzahl vonOnlinebewerbungen eingegangen ist. Das ist sehr erfreu-lich. Bis zum 20. September läuft die erste Tranche. Ichbin darauf gespannt, wie die Beurteilung ausfallen wird.Ich hoffe, wir stimmen darin überein, dass es sich hierum ein lernendes Programm handelt und man auch prü-fen sollte, ob es wirklich 27 Kriterien sein müssen, dieman bei der konkreten Vergabe einhalten muss. Ichmöchte darum bitten, die Erfahrungen aus der erstenTranche zu nutzen, um hier möglicherweise wichtigeVeränderungen vornehmen zu können.
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ie Bewerber werden darauf achten, ob sie wirklichleich behandelt werden. Ich mahne die Gleichbehand-ung nicht an, sondern setze einfach voraus, dass dasntscheidungsverfahren die notwendige Transparenzat.
elbstverständlich gehört dazu, dass wir regelmäßigber den weiteren Fortgang informiert werden.Bei der Entscheidung ist es sicherlich hilfreich, dassine Kooperationsgruppe eingerichtet wird, die eine Arteiratsfunktion übernehmen soll. Vielleicht sollte manber darüber nachdenken, Frau Ministerin, ob wir wirk-ich noch zwei zusätzliche Gremien brauchen. Brauchenir noch einmal einen Nachhaltigkeitsrat? Es gibt imeutschen Bundestag einen Beirat für nachhaltige Ent-icklung. Warum soll er sich nicht auch mit unserenhemen befassen? Wir haben einen Nachhaltigkeitsratei der Bundesregierung verankert. Man sollte noch ein-al darüber nachdenken, ob ein zusätzlicher Nachhaltig-eitsrat nicht überflüssig ist. Wenn das Kompetenznetz-erk wirklich ein neues Gremium wird, sozusagennstitutionalisiert wird, dann hätte ich meine Bedenken.ingegen Fachleute zusammenbringen, das kann manachen. Das wollte ich mit auf den Weg geben. Zu ei-em „lernenden Programm“ gehört auch, dass man kriti-che Nachfragen stellen kann und das eine oder andereberprüft.Wir werden uns mit der Lage der älteren Generationicherlich noch ausführlicher befassen, wenn wir denünften Bericht zur Lage der älteren Generation hier imaus diskutieren.
Da gebe ich Ihnen Recht. – Deswegen möchte ich zweinregungen geben. Die Situation der älteren Migrantenst ein Schwerpunkt in dem fünften Altenbericht. Manollte auch einmal auf die Lage der älteren Menschen
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Wolfgang Spaniermit geistiger Behinderung eingehen. Es hat historischeGründe, auf die ich nicht näher eingehen muss, dass jetztzum ersten Mal Menschen mit geistiger Behinderung indas Seniorenalter hineinwachsen. Wir sollten überlegen,ob wir Impulse setzen können, um die besonderen Be-dürfnisse dieser älteren Menschen zu berücksichtigen.
Ganz zum Schluss noch eine Bemerkung, die ich mirnicht verkneifen kann. Als ich zur Einbringung desHaushalts 2006 eine kleine Rede halten durfte, bin ichauf das Heimgesetz eingegangen. Wir waren uns alle ei-nig, wie das geregelt werden sollte.
Mittlerweile ist die Föderalismusreform in Kraft. Leiderhat es sich ergeben, dass die Länder mit 14 : 2 Stimmennicht bereit waren, auf unsere übereinstimmende Vor-stellung einzugehen.
Das ist bedauerlich. Wir hätten die Chance gehabt, nichtnur die stationäre Altenhilfe, sondern auch die ambu-lante Altenhilfe durch eine Modifizierung des Heimge-setzes zu fördern und zu unterstützen. Ich hoffe, dass die16 Länderparlamente diese Aufgabe sobald wie möglichin Angriff nehmen. Da wir alle den Ländern und denLänderparlamenten zumindest parteipolitisch verbun-den sind, würde ich Sie bitten, das zu unterstützen.Herzlichen Dank.
Das Wort erhält nun die Kollegin Elke Reinke, Frak-
tion Die Linke.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Frau von der Leyen, Sie haben sich für Ihre Regie-rungszeit große Ziele gesteckt. Sie wollen junge Fami-lien in der Phase der Familiengründung unterstützen– sprich: Elterngeld eingeführt –, den Zusammenhaltzwischen den Generationen mit den Mehrgenerationen-häusern stärken und Sie wollen sich mehr um die Kinderkümmern, die auf der Schattenseite des Lebens geborenwurden.
Über das erschreckende Ausmaß der bestehenden Kin-derarmut hat meine Kollegin Diana Golze bereits ge-sprochen. An Ihrer Stelle, Frau Ministerin, hätte ichmich zuerst dieser Herausforderung gestellt. Ich bin sehrgespannt, welche Antworten Ihr Ministerium auf diesesdringende Problem entwickelt.Frau Ministerin, Sie haben erreicht, dass wieder mehrüber Familien gesprochen wird. Ich habe aber den Ein-dddIrhsiNDnDAriFhlFlrNFlbFVZfsvskgvdWGEBmssWhf
ch finde einige Ihrer Grundgedanken richtig. Sie erklä-en, dass Sie bei der Drehscheibe Mehrgenerationen-aus sozialpolitische Maßnahmen mit arbeitsmarktpoliti-chen Instrumenten verbinden wollen. Herausgekommenst allerdings eine Mischung aus einem ausgeweiteteniedriglohnsektor und ehrenamtlicher Arbeit. Ihrienstleistungsunternehmen Mehrgenerationenhaus istichts anderes als eine moderne Fassung der altenienstmädchengesellschaft.
uch die Leute, die zu Armutslöhnen diese Arbeit ver-ichten müssen, haben oftmals Kinder, die dann wiederm Schatten der Armut groß werden müssen.
ür Sie, Frau von der Leyen, ist das Mehrgenerationen-aus eine Antwort auf das Verschwinden der traditionel-en Großfamilie. Sie wollen auf der einen Seite künstlichamilien erzeugen, auf der anderen Seite werden Fami-ien durch eine völlig verfehlte Arbeitsmarktpolitik zer-issen. In Sachsen-Anhalt ist das völlig normal. Für dieiedrigverdienenden ist es zumutbar, dass sie von ihrenamilien getrennt werden.In meinem Bekanntenkreis ist ein fünffacher Fami-ienvater mehrere Jahre lang quer durch die Bundesrepu-lik zu verschiedenen Arbeitsorten gefahren, um seineamilie zu versorgen.
or einem Jahr hat er seine Arbeit verloren. Jetzt hat ereit und er hat neue Zukunftsängste. Die Bundesagenturür Arbeit fordert ihn jetzt auf, seine Wohnung zu verlas-en, weil sie nicht mehr angemessen ist. Jahrelang hat erersucht, diesen Wohnsitz zu erhalten. Er hat alles ver-ucht, damit seine Familie in diesem Umfeld bleibenann. Nun wird sie aus diesem sozialen Umfeld heraus-erissen. Die Agentur wird ihm auch keine neue Stelleermitteln, weil es genug jüngere Arbeitssuchende gibt,ie nun ebenfalls wochenlang durch die Republik reisen.ie erklärt er seinem ältesten Sohn, dass er jetzt eineenehmigung braucht, wenn er aus dem Haushalt derltern ausziehen will?Nur zur Erinnerung: Durch den Arbeitslosengeld-II-ezug des Vaters ist die Familie jetzt eine Bedarfsge-einschaft. Nun kommen Sie mir nicht damit, dass Sieagen: Das ist ein Einzelfall. Ich kann Ihnen etliche die-er Fälle schildern; daran sind Familien zerbrochen.enn Sie mit offenen Augen durch Ihren Wahlkreis ge-en, dann werden Sie Fälle dieser Art sicherlich eben-alls sehen.
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Elke ReinkeMachen wir es uns nicht zu einfach. Als gewählteVolksvertreter sollten wir Probleme offen benennen. Un-bequeme Wahrheiten auszusprechen, ist kein Populis-mus, im Gegenteil: Unsere Wähler und Wählerinnenerwarten klare Worte. Ihre Ankündigung zu den Mehr-generationenhäusern hat ein reges Interesse bei vielenfreien Trägern und sozialen Institutionen hervorgerufen.Sie hofften auf qualifizierte Arbeitsplätze und auf finan-zielle Unterstützung, um neue Projekte zu entwickelnbzw. um bestehende auszubauen. Das war in meinemWahlkreis nicht anders.Doch nach genauem Studium der Ausschreibungsun-terlagen blieb von der geweckten Erwartung nicht allzuviel übrig. Eine Förderhöhe von jährlich 40 000 Euro fürein Projekt hört sich nach sehr viel an. Von diesem Be-trag sind 50 Prozent für Personalkosten vorgesehen. Da-von kann man gerade einmal eine halbe Stelle finanzie-ren, wenn man nach Tarif zahlt. Die Förderung istteilweise an fragwürdige Bedingungen gebunden. Pro-jektteilnehmer werden unter anderem aufgefordert, Wer-befahrten zu anderen Mehrgenerationenhäusern zu ver-anstalten. Das Ganze ist also nichts anderes als eine gutdurchdachte Propagandaveranstaltung für Ihr Ministe-rium.
Ihr Mehrgenerationenhaus könnte – aber nur, wenn esfinanziell solide ausgestattet wäre – als ein soziales Zen-trum funktionieren. Hier könnten Jüngere und Ältere,Menschen mit und ohne Behinderung lernen, respektvollund gleichberechtigt zusammenzuleben.Es gibt viele Tätigkeitsfelder, durch die Familien un-terstützt werden können und durch die gleichzeitig neueErwerbsarbeit entsteht, die so dringend benötigt wird.Sie argumentieren, dass sich viele ältere Bürger mehr so-ziale Nähe wünschen und gerne gebraucht werden wol-len. Senioren bieten nicht nur Hilfe an. Immer mehrältere Menschen brauchen Unterstützung, weil das Pro-blem der Altersarmut immer prekärer wird. Diese Ent-wicklung hat Ihre Regierung mit der Fortentwicklungvon Hartz IV und der Halbierung der Rentenbeiträge fürALG-II-Empfänger verstärkt.Wenn die Regierung keine armutsfesten Min-destrenten einführt, dann werden Ihre Mehrgeneratio-nenhäuser noch einen ganz anderen Schwerpunkt be-kommen: Ältere Menschen müssen untereinander dieSolidarität ersetzen, die die Gesellschaft ihnen gegen-über nicht mehr aufbringt.
Ein Dialog zwischen den Generationen ist notwendig.Dazu muss der Staat keinen künstlichen Familienersatzschaffen. Sie können sich ein Programm in dieser Formsparen. Sie könnten mit diesem Geld dem Ziel einer be-darfsdeckenden und beitragsfreien Kinderbetreuung eingroßes Stück näher kommen.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Selbstverständlich. Darüber sind wir uns einig.
as ist doch überhaupt kein Problem. Ich bin ja erst amnfang; darauf komme ich noch.Bundesfinanzmittel zur Stärkung der Zivilgesellschaftind im Entwurf 2007 wieder eingeplant. Die entschei-ende Frage ist: Für welche Projekte und auf welchemeg soll dieses Geld ausgegeben werden? Dazu sind dieorstellungen der Bundesregierung leider noch unkon-ret. Was wird etwa aus den mobilen Beratungsteams,en Netzwerkstellen und der Opferberatung
nd was aus Aussteigerprojekten wie „Exit“? Für sieeht die Zitterpartei weiter, auch wenn im Haushalt dieleiche Summe zur Verfügung stehen wird. Viele Trägerind stark verunsichert, müssen Büros schließen und sichrbeitslos melden; Kollegin Golze hat dankenswerter-eise auch darauf schon hingewiesen. Sollen sich etwaie Rechtsextremen ab dem nächsten Jahr freuen, wennie engagierten Aufklärer nicht mehr vorhanden sind?ch kann und will mir das nicht vorstellen.
Natürlich müssen sich auch die Länder an der Finan-ierung angemessen beteiligen.
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Monika LazarWir wissen, dass nicht alle das tun. Thüringen gibt daleider ein sehr schlechtes Beispiel.
Ich hoffe, ab nächstem Jahr tut sich da etwas. Aber essieht nicht allzu gut aus.In Sachsen zum Beispiel haben etliche Projekte Geldaus dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ erhalten,aber oft erst, nachdem dieses durch das Bundespro-gramm „Civitas“ gefördert wurde. Durch das neue Bun-desprogramm, das Anfang 2007 beginnt, entsteht aberein Übergangszeitraum. Dann wird es für die Projekteschwierig, da es Anfang des Jahres Zusagen weder vomBund noch vom Land gibt. Diese Lücke muss noch ge-schlossen werden.
Auch beim Antragsverfahren sind Veränderungenangedacht. Künftig sollen nur noch die Kommunen An-träge auf Fördergelder stellen dürfen. Ich halte es fürrichtig, dass die Verantwortung der Kommunen gestärktwird. Leider aber sind viele Kommunen und Landkreiseoft noch Teil des Problems. Ihnen fehlt die Sensibilitätfür das Thema oder, schlimmer noch, sie teilen die An-sichten. Gerade dort aber ist die Arbeit gegen Rechts-extremismus nach wie vor notwendig. Wenn jedoch freieTräger selbst keine Förderanträge mehr stellen können,besteht die Gefahr, dass sie zu Bittstellern werden.Deshalb brauchen wir ein gemeinsames Recht fürKommunen und Träger vor Ort, Fördermittel zu beantra-gen.
Nur so können sich beide auf Augenhöhe gleichberech-tigt gegenüberstehen. Nur so wird es auch eine inhaltli-che Auseinandersetzung geben, die gleichberechtigt ab-laufen kann.Es gibt in den Ländern und Kommunen viele Aktio-nen, um die Zukunft der Strukturprojekte abzusichern.Aktiv sind dabei Menschen aus allen demokratischenParteien. Zum Beispiel hat die CDU-Landtagsfraktionvon Mecklenburg-Vorpommern in einem Brief vom15. August an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben– ich zitiere –:Leider zeigt sich, dass die demokratische Grund-ordnung in unserem Land noch nicht tief genug ver-ankert ist, als dass sie nicht doch noch ins Wankengeraten kann.Diese Warnung sollte auch die Bundesregierung ernstnehmen und den gefährlichsten Feinden unserer Demo-kratie, den Rechtsextremen, keinen Raum lassen. Zu die-sem Kampf gehört, die Initiativen zu stärken, inhaltlichund finanziell.
In dem Brief heißt es weiter:In den letzten Monaten hat die CDU-Landtagsfrak-tion mit unterschiedlichen Partnern eine ReiheDkaVzzgumssAcuhrdlhd2loiEMlmDtnbbwteb
Ich erteile das Wort dem Kollegen Johannes Sing-
ammer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Die Familie steht vor einer Renaissance. Wir wolleniejenigen unterstützen, die in einer Familie zusammen-eben. Die erste finanzwirksame Entscheidung des Haus-alts 2006 war die bessere steuerliche Anrechenbarkeiter Kinderbetreuung. In diesem Haushalt, dem Haushalt007, spielt das Elterngeld eine zentrale Rolle.Wir wollen – und tun das auch – eine moderne Fami-ienpolitik betreiben, allerdings keine Familienpolitikhne Grundsätze. Wir wissen, Familie ist nicht das Idyllm Winkel. Harte Realität ist auch, dass immer mehrhen geschieden und weniger geschlossen werden, vieleenschen zeitlebens kinderlos bleiben und die Öffent-ichkeit immer öfter über spektakuläre Fälle von Kindes-isshandlung diskutiert.Für die ganz große Mehrheit der Menschen ineutschland ist das Zusammenleben in der Familierotzdem erwünscht, erhofft und auch alternativlos. In ei-er vor kurzem veröffentlichten Umfrage des Allens-ach-Instituts wurde untersucht, welche Gruppe sich alsesonders glücklich empfinde. Ich glaube, es erstauntenig, dass sich vor allem Eltern mit kleinen Kindernrotz aller Probleme als besonders glückliche Gruppempfinden. Deshalb macht es Sinn, Familienpolitik zuetreiben und diese als roten Faden zu betrachten. Denn
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Johannes Singhammerwenn es den Familien in unserem Land gut geht, danngeht es auch unserem Land gut.
Wir wissen, dass sich die Lebensmodelle von Fami-lien in den vergangen Jahrzehnten mehr verändert habenals in den vergangenen Jahrhunderten.
Dem tragen wir Rechnung: mit der Einführung des El-terngelds, mit der Förderung der besseren Vereinbarkeitvon Familie und Beruf, mit dem besseren Schutz vonKindern vor Vernachlässigung und mit der besseren Ein-bindung der älteren Generation durch die Nutzbarma-chung der Potenziale des Alters vor dem Hintergrund ei-ner veränderten demografischen Alterspyramide.Wichtig ist aber auch – lassen Sie mich das an dieserStelle sagen –, dass es beim Haushalt, bei der Einbrin-gung des Haushalts, der Diskussion darüber und der Ent-scheidung über die Ausgaben, nicht ausschließlich da-rum geht, Realitäten zur Kenntnis zu nehmen und zuverwalten, sondern auch darum, zu gestalten. Zum Ge-stalten gehört, dass nicht auf Leitbilder verzichtet wird.Familienpolitik und Leitbilder gehören zusammen. Eslohnt sich, die Leitbilder wieder in den Fokus zu rücken,die unser Grundgesetz aus gutem Grund gewählt hat. InArt. 6 des Grundgesetzes steht:Ehe und Familie stehen unter dem besonderenSchutze der staatlichen Ordnung.Das ist auch gut so.
– Wenn Sie die Verfassung ändern wollen, sollten Siedas hier sagen. Wir wollen das nicht.
Wir folgen dem Grundsatz der Wahlfreiheit.
– Gleich komme ich noch zu Ihnen.
Der Grundsatz der Wahlfreiheit bedeutet für uns vorallem, dass es in der Verantwortung der Eltern liegt, wiesie ihre Kinder betreuen und erziehen.Für uns ist es wichtig, dass sich die Väter und Mütterentscheiden können, ob sie sich ganz der Familie wid-men oder wie sie Familie und Erwerbsarbeit miteinanderverbinden. Wir haben in der Vergangenheit überwiegendauf die Betreuung der Kinder innerhalb der Familie ge-setzt. Wegen der veränderten gesellschaftlichen Bedin-gungen fördern wir heute zugleich die Betreuung außer-halb der Familie.GhhFgsuHvau–kswEfknsFFzrvawngdg
erade diese Frage wird sich vermehrt im Zusammen-ang mit der Einführung des Elterngeldes stellen.Eines sage ich Ihnen aber auch – um einmal Wahlfrei-eit an einem praktischen Beispiel zu dokumentieren –:rau Haßelmann, Sie haben das Ehegattensplitting an-esprochen. Sie wollen das Ehegattensplitting zum Teilchleifen
nd begründen das mit einem besonderen Zugewinn anumanität. Ich bitte Sie, auch einmal an die Millionenon Frauen zu denken, die in der Vergangenheit einennderen Lebensentwurf gewählt haben
nd die jetzt, nachdem die Kinder aus dem Haus sindSie wollen ja das Ehegattensplitting erkennbar darannüpfen, ob Kinder im Haus sind oder nicht – und weilie sich ganz der Kindererziehung gewidmet haben, einesentlich geringeres Alterseinkommen haben als ihrhemann. Wenn Sie das Ehegattensplitting jetzt schlei-en, dann treffen Sie Millionen dieser Frauen. Das istein Zugewinn an Humanität, sondern – das sage ich Ih-en an dieser Stelle – eine ganz grobe Ungerechtigkeit.
Herr Kollege Singhammer, gestatten Sie eine Zwi-
chenfrage der Kollegin Deligöz?
Ich gestatte eine Zwischenfrage, wenn Sie die richtige
rage stellen, Frau Deligöz.
Herr Singhammer, ich stelle Ihnen immer die richtigerage; das wissen Sie doch.Geben Sie mir Recht, wenn ich sage: Eine Familie mitwei Einkommen – die Frau ist womöglich als Verkäufe-in im Supermarkt tätig, der Mann als Fernfahrer; beideerdienen also nicht viel – hat, obwohl beide Ehepartnerrbeiten, um ihrer Familie einen Mindestunterhalt zu ge-ährleisten – denn beide sind keine Großverdiener –,ichts vom Ehegattensplitting. Denn bei einem etwaleich hohen Einkommen ist der Betrag, der sich ausem Ehegattensplitting ergibt, für diese Familie null. Imleichen Zug hat ein sehr gut verdienender Ehemann
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4634 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Ekin Deligöz– ein Bundestagsabgeordneter, sagt meine KolleginSchewe-Gerigk – mit einer Frau, die nicht erwerbstätigund zu Hause ist, bei diesem Einkommen Vorteile vonbis zu 8 000 Euro, und dies auch ohne Kinder.
Dies ist ungerecht gegenüber Kinder erziehenden Eltern,die trotz ihres niedrigen Einkommens die Kosten für ihreKinder tragen müssen.Stimmen Sie mir darin zu, dass es ein Aspekt der Ge-rechtigkeit ist, Familien, die die Verantwortung überneh-men, Kinder zu erziehen, staatlich mehr zu unterstützenals diejenigen, die keine Kinder haben! Das müsste docheigentlich auch in Ihrem Programm stehen. Denn auchSie definieren „Familie“ als den Ort, wo Menschen mit-einander und füreinander Verantwortung übernehmen.
Frau Kollegin, Sie hatten sich zu einer Zwischenfrage
gemeldet.
Das ist eine Zwischenfrage. Ich würde gern wissen,
ob mir Herr Singhammer da zustimmt.
Wenn ich mir nicht notiert hätte, dass ich Ihnen zu ei-
ner Zwischenfrage das Wort erteilt habe, könnte ich das
gar nicht mehr als solche erkennen.
Deswegen wäre es gut, wenn nach der bestellten guten
Frage nun auch eine gute Antwort erfolgte.
Ich habe ja von Ihnen gelernt, dass gut Ding Weile
braucht, Herr Lammert. Von daher stelle ich jetzt meine
Frage.
– Das war liebenswürdig von mir gemeint.
Das hat auch jeder so verstanden. Es muss jetzt auch
wirklich damit sein Bewenden haben. Der Kollege Sing-
hammer sollte den Teil der Ausführungen, die er als
Frage verstanden hat, beantworten.
Dann stelle ich meine Frage: Wie vereinbaren Sie das
mit Ihren CSU-Grundsätzen? Diese Gerechtigkeitsfrage
würde mich sehr interessieren.
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as ist ganz klar zu beantworten – das ist nichts
eues –: In diesem Fall nicht.
Dann haben Sie danach gefragt, ob es gerecht sei,
enn ein Partner mehr und der andere weniger verdient
nd diese Unterschiede im Rahmen des Ehegattensplit-
ings als Vorteil zu Buche schlagen. Dazu möchte ich Ih-
en sagen, dass dieses Zerrbild, das hier gelegentlich
emalt wird – oft werden der Zahnarzt und die Zahnarzt-
attin bemüht, die aus dem Vorteil, den das Ehegatten-
plitting bietet, Tennisstunden bezahlen kann –, so nicht
utrifft. In einer Untersuchung wurde vor kurzem ganz
lar festgestellt, dass das Ehegattensplitting zielgenau
en Familien mit Kindern Vorteile bringt. Damit dient es
enau der Gruppe, der es dienen soll. Dabei bleibt es.
Ob Ihnen das passt oder nicht: Es ist so.
Es kommt noch ein entscheidender Grund hinzu. Ehe-
artner übernehmen in der Ehe eine ganz besondere
erantwortung füreinander, auch unterhaltsrechtlich.
eshalb ist es richtig – das Bundesverfassungsgericht
at dies wiederholt festgestellt –, dass diese besondere
erpflichtung einen besonderen Schutz braucht. Des-
alb ist das Ehegattensplitting zu Recht eingeführt wor-
en. – Ich denke, ich habe Ihre Fragen damit gut beant-
ortet.
Wahlfreiheit – ich möchte auf diesen Punkt zurück-
ommen – erfordert natürlich auch finanzielle Gerech-
igkeit für Familien. Das ist heute schon angesprochen
orden.
Herr Kollege Singhammer, es gibt noch eine Zwi-
chenfrage der Kollegin Lenke.
Aber sehr gerne.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4635
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Bitte schön.
Herr Singhammer, ich möchte noch einmal auf das
Ehegattensplitting zurückkommen. Sie sagen, die Ehe
solle geschützt werden und Kinder sollten vom Staat ge-
fördert werden. In meiner Frage geht es um die finan-
zielle Förderung der Kinder durch den Staat.
Bitte beantworten Sie mir die Fragen: Finden Sie es
richtig, dass Alleinerziehende mit Kindern vom Ehegat-
tensplitting nicht profitieren? Finden Sie es weiterhin
richtig, dass auch eine Frau, die genauso viel verdient
wie ihr Mann und die gleichzeitig die Kinder erzieht,
keinen Vorteil durch das Ehegattensplitting hat?
Das Ehegattensplitting wurde vor 30 oder 40 Jahren
eingeführt, als die Ehefrau zu Hause blieb, Kinder be-
kam und Kinder erzog, während der Ehemann erwerbs-
tätig war. Sind Sie mit mir darin einig, dass wir jetzt eine
Vielfalt von Lebensgemeinschaften haben, auf die die-
ses von Ihnen vielleicht präferierte Modell nicht passt?
Frau Kollegin Lenke, ich denke, ich habe vorweg ei-
nen Teil Ihrer Frage schon beantwortet. Bei der ganzen
Diskussion gefällt mir nicht – gestatten Sie mir noch
diese Bemerkung –, dass wir uns mit der Frage beschäf-
tigen, wo wir bei der Familie und bei der Ehe noch ein
paar Millionen Euro einsparen können.
Ich finde diese ganze Richtung falsch. Ich bin der Mei-
nung, dass wir uns überlegen sollten, wie wir noch mehr
für die Familien und gerade für die Kinder tun können.
Die Menschen draußen im Lande erwarten, dass wir ge-
nau darauf und nicht darauf, wo man in diesem Bereich
noch Geld einsparen kann, den Fokus setzen. Das sage
ich im Hinblick auf die Frauen, die eine andere Lebens-
entscheidung getroffen haben und die unter einer Ände-
rung besonders leiden würden.
Wahlfreiheit erfordert aber auch finanzielle Gerech-
tigkeit für Familien. Das Deutsche Jugendinstitut hat
vor kurzem eine Studie vorgelegt, in der nachgewiesen
wird, dass es allein aufgrund des Geburtenrückgangs
im Jahr 2010 weniger Kinder geben wird und deshalb für
die Beibehaltung des Status quo hinsichtlich der Kinder-
tagesbetreuung weniger Ausgaben nötig sind. Das be-
trifft alle politischen Ebenen, auch die Kommunen. Das
Deutsche Jugendinstitut beziffert die Minderausgaben
auf 3,6 Milliarden Euro.
Unsere Botschaft ist klar: Niemand, der mit Finanz-
planung zu tun hat und für geordnete Haushaltsführung
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Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Fricke von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Bundeshaushalt und Familie, Senioren und Kinder:rau Ministerin, ich glaube, Sie müssen in der nächsteneit neben der Frage der Programme, die Sie vorstellen mittlerweile sind es fast unüberschaubar viele gewor-en, sie werden haushälterisch inzwischen ja auch zu-ammengezogen –, mehr und mehr Ihre Aufgabe darinehen, die Umstellung unserer Sozialsysteme den Fa-ilien, den Kindern und insbesondere den Seniorenden kommenden Senioren – klarzumachen.Ich weiß, dass das haushaltärisch nicht in Ihren Haus-alt fällt. Aber es wird Ihre wesentliche Aufgabe sein,icht nur darüber zu reden, wie man das alles verbessernill, und mit Ihrer hellen und klaren Stimme zu sagen,ie wichtig Familie und Kinder sind, sondern auch klar-umachen, was alles auf die betroffenen Personenkreisen Zukunft zukommen wird.
Ich vermisse Ihre Stimme bei der Unterstützung desparkurses. Es muss Kindern, Familien und Seniorenlar sein: Sparen heißt in eurem Interesse dauerhafte Si-herheit. Ich gehe davon aus, dass Sie diese Position ver-reten. Ich glaube aber, dass es dringend notwendig ist,as unseren Bürgerinnen und Bürgern zu erklären.
Zur Antidiskriminierungsstelle, die Frau Hummengesprochen hat: Frau Humme, sie ist schon im aktuel-en Haushalt enthalten. Sie ist zwar gesperrt, aber sie istrin.
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4636 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Otto FrickeInsofern ist das nichts Neues und nichts Besonderes.Sie haben die Hoffnung geäußert, dass das Geld nun tat-sächlich auch richtig eingesetzt wird. Ich kann nur davonabraten, die Antidiskriminierungsstelle im nächsten Jahrschon in Kraft zu setzen. Ich sehe, dass wir in den Minis-terien schon am ersten Korrekturgesetz – wahrscheinlichauch am zweiten Korrekturgesetz – arbeiten, weil so vielMurks gemacht worden ist. Die Justizministerin hat inder Debatte sogar indirekt zugegeben, dass diese Stelleerst dann kommen sollte, wenn das Gesetz auch in derForm vorliegt, wie es im Übrigen von den Koalitions-fraktionen tatsächlich gewollt ist, und nicht, wie esfälschlicherweise beschlossen worden ist.
Ich komme zum Elterngeld: Ja, es ist richtig, es istgut, dass dieses Elterngeld kommt. Aber was ist denndas Elterngeld? Da habe ich ein Problem. Dient es derVereinbarkeit von Familie und Beruf oder ist es, wie ichoft höre, eine Sozialleistung? Das macht sich deutlichfest an der Frage des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfän-ger.Sie können mich jetzt in die böse Ecke stellen und be-haupten, ich würde es den Hartz-IV-Empfängern nichtgönnen, dass sie Elterngeld bekommen. Wenn das El-terngeld die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zumZiel hat, dann dürfen wir es bei Hartz IV nicht machen.Wenn Sie aber zu dem Ergebnis kommen, dass dieHartz-IV-Empfänger mit Kindern zu wenig Geld be-kommen und es deswegen für diesen Personenkreis not-wendig ist, Elterngeld zu geben, dann sollten Sie sagen:Die Leistungen aus Hartz IV sind für Eltern zu wenig.
Das können Sie auch an der Antwort auf die Frage fest-machen: Was ist denn nach dem ersten Jahr? Ist es nachdem ersten Jahr, in dem die Leistung gegeben wurde, aufeinmal so, dass die Eltern, die Hartz-IV-Empfänger sind,genügend Geld haben? Ich glaube kaum, dass Kindernach einem Jahr auf einmal weniger Geld kosten. Jedervon uns weiß doch: Je älter Kinder werden, umso mehrGeld kosten sie und umso mehr sollten sie uns auch wertsein.
– Sie sagen, das verstünden die Familien nicht. Sie mei-nen, wenn Sie das Geld rausgeben, verstünde das jeder.Als Haushälter weiß ich: Wenn ich heute gebe und mor-gen nichts habe, dann ist das schlecht. Wenn ich heuteweniger gebe, aber morgen noch etwas habe, dann istdas gut. Das ist wahrscheinlich der Unterschied zwi-schen der Haushaltspolitik Ihrer Art und der Haushalts-politik einer liberalen Fraktion.
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Welche Reaktionen! Keine Angst! Ich halte von derosition von Frau Herman nichts. Aber ein Bundestag,er sich mit der Frage, warum dieses Buch so gut läuft,icht beschäftigt, der macht einen Fehler.
er Jurist sagt: Hör immer der anderen Seite zu! Das giltuch hier, auch wenn das nicht mein Familienbild undicht mein Frauenbild ist! Emanzipation ist meiner Mei-ung nach dringend notwendig gewesen. Sie zurückzu-rehen wäre ein Fehler für unsere Gesellschaft. Aber Sieachen die Rollladen runter und sagen: Das ist schlecht.uch das ist ein Fehler. Schauen Sie lieber nach, wo diealschen Denkansätze in diesem Bereich liegen! Woäuft es falsch? Dann müssten Sie eines sehen: Wederon konservativer noch von sozialdemokratischer Seiteann ein bestimmtes Familienbild vorgegeben werden.n diesem Land muss jeder Bürger im Bereich Familieie für ihn richtige Lösung finden. Tut er das nicht, wirdr auf Dauer nicht glücklich sein. Und das ist es doch,as wir erreichen wollen: Wir wollen glückliche und zu-riedene Familien. Jeder soll auf seinem Weg glücklicherden.
Zum Schluss will ich noch etwas zur Seniorenpolitikagen. Frau Ministerin, es ist richtig – auch Herr Spanierat Recht –, auf diesem Gebiet passiert etwas. Es gibtber ein Problem: Im Bundestag sitzen zu wenig „Äl-ere“. Herr Spanier hat gesagt, er wäre mit seinen drei-ndsechzigeinhalb Jahren schon ein Senior. Das stimmtoch nicht. Sie stehen doch voll im Leben. Mit „Senior“aben Sie mit dreiundsechzigeinhalb Jahren doch nochichts zu tun.
Herr Kollege Fricke, erlauben Sie eine Zwischenfrage
er Kollegin Sager?
Aber selbstverständlich.
Frau Sager, bitte.
Danke schön. – Ich möchte auf Ihre Ausführungenon eben zurückkommen. Herr Kollege, viele Frauen be-lagen zu Recht, dass es verdammt schwer ist, Familiend Beruf unter einen Hut zu bringen. Könnte es sein,ass der Grund dafür nicht nur im Mangel an Kinderbe-euungseinrichtungen und Ganztagsschulen liegt? Müss-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4637
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Krista Sagerten nicht die Unternehmen angesichts des demografi-schen Wandels deutlich familienfreundlicher werden?Sollten nicht gerade die Vertreter des Turbokapitalismusdafür werben, dass die Unternehmen familienfreundli-cher werden?
Liebe Frau Kollegin, bis auf die Aussage zum Turbo-
kapitalismus, die ich nicht ganz einordnen konnte, weil
ich nicht weiß, wen Sie damit gemeint haben,
stimme ich Ihnen ausdrücklich zu.
Ich komme auf meinen Redebeitrag zurück.
Frau Ministerin, gehen Sie auf das ein, was von den
Senioren in Zukunft erwartet wird. Wenn Sie die Pla-
nungen von Herrn Müntefering zur Rente mit 67 und zur
Hinterbliebenenrente unterstützen, dann sollten Sie den
Bürgern sagen, warum das unterstützenswert ist. Halten
Sie sich nicht zurück; warten Sie nicht, bis die Wolken
vorübergezogen sind. Es ist Ihre Aufgabe, klarzuma-
chen, was der Staat zukünftig noch leisten kann.
Es ist fast nicht nötig, Ältere zu fördern. Sie können
das nämlich selber. Als Beispiel nenne ich Ihnen unseren
Kollegen Schily. Er wird nächstes Jahr 70 Jahre alt und
hat im letzten Jahr seine erste Legislaturperiode angetre-
ten. Wir mussten ihn nicht fördern. Er ist angetreten,
weil er die entsprechenden Fähigkeiten hatte und sagte:
Es geht um meinen Einsatz für die Politik. Ihre Aufgabe
ist es, den Bürgern in unserer Gesellschaft das klar zu
machen. Wenn Sie das vorhaben, haben Sie unsere Un-
terstützung.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Sönke Rix von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichweiß nicht, ob ich mich jetzt dafür entschuldigen muss,dass ich erst 30 Jahre alt bin.
Herr Fricke, Frau Herman wird sich sicher dafür bedan-ken, dass Sie Werbung für ihr Buch gemacht haben. Ichbin aber froh, dass Sie in Ihrer Antwort auf die Zwi-schenfrage Frau Sager Recht gegeben haben und nichtletztendlich doch Frau Herman.ssrdhodELgimkFgnwGddhukdClBWdWkwrtdtdlBdwLeZiisvka
Bei der notwendigen Modernisierung des schulischenernens spielt die Einrichtung von Ganztagsschulenine entscheidende Rolle. Ganztagsschulen bieten mehreit und Raum, jedes Kind individuell zu fördern. Dabeist die Kinder- und Jugendhilfe ein zentraler Partner. Vonhren Erfahrungen in der Bildungsarbeit, in Kindertages-tätten, in kulturellen Einrichtungen, Sport- und Freizeit-erbänden sowie in der Schul- und Jugendsozialarbeitann die Entwicklung eines durchgängigen Bildungs-ngebotes nur profitieren.
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4638 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Sönke RixEine kurze Anmerkung: Frau Haßelmann, Sie habenvorhin von einer Kürzung der Mittel für die Jugend-sozialarbeit gesprochen. Dort ist nur eine Neustrukturie-rung vorgenommen worden. Die Summe ist immer nochdie gleiche.
Nicht alle Kinder haben die gleichen Zugänge zu Bil-dung. Dies gilt vor allem für Kinder und Jugendlicheaus sozialen Brennpunkten und mit Migrationshin-tergrund. Rund 12 Prozent der Jugendlichen mit Migra-tionshintergrund haben keinen Schulabschluss. Zudemfinden sie auch mit Schulabschluss seltener einen Aus-bildungsplatz. Die Konsequenz daraus ist der Aufenthaltin schulischen und berufsvorbereitenden Warteschleifen.Damit es nicht so weit kommt und die Jugendlichenkeine wertvolle Zeit verlieren, muss früher angesetztwerden.
Ein Ausbau der Frühprogramme für Kinder und Ju-gendliche mit Migrationshintergrund ab dem Kindergar-ten, so, wie wir ihn vereinbart haben, ist der erste undwichtigste Schritt. Denn wir alle wissen: Bildung ist derGrundstein jeglicher Integration. Dies gilt auch für dieberufliche Integration, die besonders Hauptschülerinnenund Hauptschülern schwer fällt. Von ihnen bleiben circa9 Prozent eines Jahrgangs ohne Schulabschluss. IhreChancen auf eine berufliche Integration sind deshalb er-heblich schlechter.Für Kinder und Jugendliche aus sozialen Brennpunk-ten und mit Migrationshintergrund gilt gleichermaßen:Die Spirale von Armut und mangelnden Bildungschan-cen muss durchbrochen werden. Die grundlegende Be-reitschaft, sich für die eigene berufliche Zukunft zu en-gagieren, muss bei den Jugendlichen geweckt, gefördertund – das füge ich bewusst hinzu – gefordert werden.Das Prinzip der ausgestreckten Hand muss dabei Grund-lage allen politischen Handelns sein.Werte, die in der Arbeitswelt geschätzt werden, wieetwa Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Durchhaltever-mögen, müssen bereits früh in der Erziehung und Bil-dung vermittelt werden. Es ist unabdingbar, die Situationbenachteiligter junger Menschen zu verbessern. Geradediese jungen Menschen brauchen ausgezeichnete Ent-wicklungs- und Bildungsangebote. Sonst verbauen wirihnen jeden Weg in eine selbstbestimmte Zukunft.
Zukunftsweisende Politik für Kinder und Jugendlichewird durch eine ganzheitliche Familienpolitik ergänzt,die den Zusammenhalt der Generationen fördert undstärkt und damit den Zusammenhalt der gesamten Ge-sellschaft sichert. Geteilte Werte und gelebte Gemein-samkeit schlagen Brücken, auch zwischen den Genera-tionen.Erziehung bedeutet, Kinder stark für das Leben zumachen, ihnen zu helfen, ihren Platz in unserer Gesell-schaft zu finden und eigenverantwortlich zu handeln.AumdrdmgkdGfEhdmldHdEflbgeSdcIKbUsgfbgrgP
erade weil das so ist, sind alle handelnden Akteure ge-ordert, aus den vorhandenen Mitteln mit Kreativität,infallsreichtum und engagierter Arbeit das Maximumerauszuholen.Ich danke an dieser Stelle allen, die sich jeden Tag umie Kinder- und Jugendarbeit in unserem Land verdientachen, und bitte sie, dies gemeinsam mit allen Betei-igten auch weiterhin zu tun.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Ole Schröder von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Mit dem Haushaltsentwurf 2007 setzen wir eineutliches Signal für Familien und Kinder. Mit demlterngeld erreichen wir eine deutliche Verbesserungür Familien und Kinder. Hierfür sind erstmalig 1,6 Mil-iarden Euro eingestellt worden.Trotz der Erhöhung des Volumens des Einzelplans 17,edingt durch das Elterngeld, aber auch durch die Mehr-enerationenhäuser, steht natürlich auch dieser Haushalts-ntwurf unter dem allgemeinen Konsolidierungsdruck.o haben wir beispielsweise die Verwaltungsausgabener institutionell geförderten Zuwendungsempfänger umirca 2,2 Prozent gekürzt.Frau Haßelmann, bei der sozialen und beruflichenntegration haben wir allerdings nicht gekürzt. Diesesapitel ist mit 12,1 Millionen Euro gleich hoch geblie-en. Wir haben innerhalb dieses Bereichs allerdings einemschichtung vorgenommen, und zwar von der Jugend-ozialarbeit – minus 400 000 Euro – hin zum Titel „Ju-end und Arbeit“, um in diesem Rahmen ein Programmür Schulverweigerer zu finanzieren.Für den von Ihnen genannten Titel „Jugendsozialar-eit“ wird dennoch weiterhin genauso viel Geld ausge-eben wie bisher. Das ist möglich, weil es dem Ministe-ium gelungen ist, Gelder aus dem EU-Sozialfonds zuenerieren. Diese Gelder fließen direkt in die geplantenrogramme. Insofern ist die Befürchtung, die Sie eben
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4639
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Dr. Ole Schrödergeäußert haben – dass wir hier sparen würden –, unbe-gründet.
Darauf können wir aber in den Beratungen sicherlichnoch eingehen.Nach wie vor müssen wir uns fragen, ob wir inDeutschland 20 Zivildienstschulen brauchen; sie kostenimmerhin 47 Millionen Euro. In diesem Haushaltsent-wurf sind an dieser Stelle erneut Mehrausgaben in Höhevon 500 000 Euro zu verzeichnen. Vor dem Hintergrundder Überkapazitäten in unseren Zivildienstschulen zeigtsich hier deutliches Einsparpotenzial. Darauf sollten wirin den Beratungen noch einmal zu sprechen kommen.Das Ministerium arbeitet bereits an entsprechenden Ver-besserungsvorschlägen. Ich denke, dass wir hier in guterZusammenarbeit zu vernünftigen Lösungen kommenwerden.Zudem werden wir auch die Entwicklung des Kin-derzuschlages genauer beobachten müssen. Gegenwär-tig wird ein Volumen von 150 Millionen Euro dafür ver-anschlagt. Das entspricht der Höhe der Ausgaben, dienach der derzeitigen Rechtslage zu erwarten sind. Aberwir sollten darauf drängen, die im Koalitionsvertrag ver-einbarte Weiterentwicklung in diesem Bereich energischanzupacken. In diesem Zusammenhang denke ich vor al-len Dingen an die immens hohen Verwaltungsaufwen-dungen. Hier können wir sicherlich Geld einsparen, da-mit mehr Geld für die Kinder zur Verfügung gestelltwerden kann.
Meine Damen und Herren, wir als Haushälter habendie Aufgabe, uns auch die kleinen Titel genau anzusehenund sie intensiv zu kontrollieren. Das tun wir. Doch beialler Liebe zum Detail, die wir im Haushaltsausschusshaben: Noch viel wichtiger ist es, ein familienpoliti-sches Gesamtkonzept zu erstellen. Liebe Kolleginnenund Kollegen, eine verbesserte Ausgestaltung der Fami-lienpolitik ist wesentlich für die Zukunft unserer Gesell-schaft. Wir haben schon in der letzten Debatte, zumHaushalt 2006, intensiv darüber diskutiert. Die Famili-enpolitik der letzten Jahre ist immer noch zu ineffektiv,zu ineffizient, zu intransparent und zum Teil, wie ichmeine, ungerecht. Ihre Systematik weist Schwächen auf,gerade im Vergleich zu anderen europäischen Ländern.Das Problematische ist, dass durch den Förderdschun-gel der vielen familienpolitischen Maßnahmen eigent-lich keiner mehr richtig durchblickt.
Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht schonvor drei Jahren in seinem Urteil zur verfassungsrechtli-chen Prüfung des Kinderunterhaltsrechts mehr Norm-klarheit gefordert. Das sollten wir umsetzen.
Das Geld sollte den Kindern und Eltern zugute kommenund nicht in der Förderbürokratie versickern. Die unter-schiedlichen familienpolitischen Leistungen müssen da-hdmllLdLrRnÜdingdRvenvpLejszSwwgFnEduhdnddsAt
Eine solche Bündelung der Maßnahmen ist auch sinn-oll, um ein weiteres wichtiges Projekt der Koalition zurgänzen: die einheitliche Familienkasse, eine Kasseeuen Typs, eine einheitliche Anlaufstelle.Frau Familienministerin, ich bin gespannt, was dieon Ihnen jetzt ausgeschriebene Evaluation der familien-olitischen Maßnahmen bringen wird. Nur, eins ist klar:etztendlich entscheiden nicht die Gutachten, sondernntscheidend ist der politische Mut, dieses Reformpro-ekt auf den Weg zu bringen. Ich hoffe, dass Sie weitero mutig voranschreiten. Wir werden Sie dabei unterstüt-en.
Das Wort hat jetzt Kollegin Kerstin Griese von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichill zum Abschluss unserer Debatte etwas dazu sagen,as der rote Faden unserer Politik für Kinder und Ju-endliche, für Familien, für die Gleichstellung vonrauen und Männern, für die Solidarität der Generatio-en und für die Unterstützung des zivilgesellschaftlichenngagements ist. Uns geht es um den Zusammenhalt iner Gesellschaft. Es geht um den Einsatz füreinandernd um mehr und bessere Chancen von Anfang an. Des-alb begrüße ich es wie schon meine Vorredner, dassieser wichtige Haushaltstitel gestärkt wird.Es geht uns Sozialdemokraten – ich glaube, das kön-en Sie alle hier teilen – um die wichtige Frage: Was hältie Gesellschaft zusammen? Was stärkt die Menschen,amit sie sich füreinander und miteinander engagieren,ei es in der Familie, im Stadtteil, in der Schule, in derusbildung, im Arbeitsleben oder zwischen den Genera-ionen? Uns geht es – dafür brauchen wir keine Bücher,
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4640 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Kerstin Griesewie sie heute erscheinen – nicht darum, jemandem einenLebensentwurf aufzuzwingen.
Es geht uns darum, Freiheit und Gerechtigkeit – dasgehört immer zusammen – herzustellen, damit ein soli-darisches Zusammenleben möglich ist, und es geht dabeium die Verantwortung füreinander.
Es geht darum, dass wir Menschen stärken, damit sienicht wegsehen, wenn Kinder schlecht behandelt werdenoder wenn Rechtsextremisten jemanden anpöbeln.Ganz besonders sind diese großen Werte, über die wirhier reden, gefragt, wenn es um die Schwächsten in derGesellschaft geht, nämlich die Kinder, deren Chancen inDeutschland immer noch viel zu sehr davon abhängen,welche und ob überhaupt Bücher im Regal der Elternstehen und in welchem Stadtteil sie aufwachsen. MeineVorredner haben schon viel dazu gesagt. Weniger Bil-dungschancen bedeuten weniger Zukunftschancen. Ge-nau da setzen wir an. Auf frühe Förderung und Unter-stützung kommt es an, auf Mehrgenerationenhäuser undden Ausbau von Bildung und Betreuung.Frau Golze, ich will auf das eingehen, was Sie zurKinderarmut gesagt haben. Ja, in Deutschland leben2,5 Millionen Kinder von ALG II, also schon längstnicht mehr von Sozialhilfe, was deutlich weniger wäre.Betroffen ist jedes sechste Kind in Deutschland. Das istschlimm, aber nicht mit Kinderarmut gleichzusetzen.Kinderarmut kann man nämlich nicht allein materiellund statistisch und vor allen Dingen nicht mit demALG-II-Satz begründen. Es ist ja auch nicht so, dass wirin den letzten Jahren weniger Geld für die Familien aus-gegeben haben. Die Leistungen sind kontinuierlich ge-stiegen. Wir müssen alle gemeinsam – da stimme ichHerrn Schröder zu – darüber nachdenken, wie man die-ses Geld zielgerichteter ausgeben kann.Kinderarmut macht sich insbesondere durch eine feh-lende Förderung der Kinder und durch fehlende Bil-dungsanreize durch das Elternhaus bemerkbar. Hiermüssen wir ansetzen. Wir müssen auf Bundesebene ver-stärkt Chancengleichheit ermöglichen und viel früherdamit beginnen. Ich appelliere dabei aber auch an dieLänder, weil sie für die Schulpolitik zuständig sind. Ichglaube, Kinderarmut muss durch mehr Bildungschancenund mehr Möglichkeiten zur Aufnahme einer Erwerbstä-tigkeit für die Eltern bekämpft werden. Das ist die nach-haltigste Lösung.Wenn Alleinerziehende ihr Leben selbst in die Handnehmen können sollen, dann muss die Politik dafür sor-gen, dass es ein gut funktionierendes Netz an Kinderbe-treuungsmöglichkeiten, mehr Familienfreundlichkeit amArbeitsplatz und gezielte finanzielle Hilfen gibt. In die-sem Sinne tun wir sehr viel für die Bekämpfung vonKinderarmut.Wir als SPD haben schon vor Jahren in der Regierungdamit begonnen, Kindern früher und mehr Chancen aufBildung und Betreuung zu geben. Sie kennen das Er-gwfWDWsssefNüzdmKF–LdHuDuslWnmtMudgFdimab
Ich muss aber sagen, dass man die Schwerpunkte inRW zurzeit leider etwas anders setzt. Dort ist die FDPbrigens mit in der Regierung. Durch die massiven Kür-ungen der Zuschüsse für die Kindergärten haben wirort in den Kommunen ein großes Problem. Die Kom-unen, denen es am schlechtesten geht, müssen dieseürzungen nun auf die Eltern abwälzen. Das ist keineamilienfreundlichkeit.
Das habt ihr eingeführt.Wir führen gerade eine Debatte darüber, dass sicheistung wieder lohnen muss. „Leistung muss sich wie-er lohnen“ ist früher eher von der rechten Seite desauses als Ruf erklungen. Ihnen ging es dabei meistensm weniger Staat. Die Debatte hat sich aber geändert.ie Menschen wollen nämlich, dass die Gesellschaftnd der Staat mehr Verantwortung übernehmen. Deshalbage ich heute als Sozialdemokratin: Leistung muss sichohnen.
ir müssen darum etwas tun, damit unsere Gesellschafticht mehr so starr und undurchlässig ist. Wir müssenehr in die Chancen für Kinder investieren. Die Leis-ungsträger in unserer Gesellschaft sind eben auch dieütter und Väter in der Mitte der Gesellschaft, die Berufnd Familie erfolgreich vereinbaren.
Durch das Elterngeld, das wir einführen, wird genauiese Mitte der Gesellschaft unterstützt. Herr Fricke, esibt keinen Gegensatz zwischen der Vereinbarkeit vonamilie und Beruf und der Sozialpolitik; wir haben bei-es gemeinsam geschafft. Das Elterngeld wird nämlichnsbesondere denen zugute kommen, die geringe undittlere Einkommen erzielen. Der übergroße Teil gehtn diese Einkommensschichten. Das heißt, wir habeneides sinnvoll miteinander verbunden.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4641
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Kerstin GrieseIch halte die Geringverdienerregelung, die wir imRahmen der Ausgestaltung des Elterngelds vorgeschla-gen haben, bis heute für eine der besten Regelungen. Da-von können sich die Sozial- und Arbeitsmarktpolitikereiniges abschauen. Es ist nämlich der richtige Ansatz da-für, dass sich Arbeit wieder lohnt.
Mit diesem Konzept werden übrigens auch einmal dieMänner als Leistungsträger angesprochen. Sie werdendurch das Elterngeld darin unterstützt, sich mehr um ihreRolle als Elternteil zu kümmern und genauso Verantwor-tung zu tragen wie die Frauen.
Frau Kollegin Griese, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollege Otto Fricke?
Wenn er keine Werbung für Bücher macht, dann
gerne.
Bitte schön, Herr Fricke.
Nein, ich glaube, das Buch kursiert im Moment in an-
deren Reihen.
Geschätzte Kollegin Griese, Sie sagten gerade, dass
das Elterngeld eine Sozialleistung ist. Wenn das so ist
und wenn auch die CDU/CSU das als eine Sozialleistung
ansieht, dann hätte ich von Ihnen doch gerne eine Ant-
wort auf die Frage, warum die Zahlung dieser Sozialleis-
tung nach einem Jahr abrupt endet.
Geschätzter Kollege Fricke, Sie haben mir nicht rich-tig zugehört. Ich habe gesagt: Das Elterngeld ist eineVerbindung beider Komponenten, der Vereinbarkeit vonFamilie und Beruf und einer sozial gerechten Ausgestal-tung. Es ist nämlich so, dass 63 Prozent der Elterngeld-zahlungen Familien mit kleinen und mittleren Einkom-men zugute kommen. Das ist ein Beweis für die sozialgerechte Ausgestaltung dieser Leistung. Das Neue anunserer Politik ist, dass wir an beides denken, an die Ver-einbarkeit von Familie und Beruf und an soziale Gerech-tigkeit.Leistungsträger in unserem Land sind auch die vielenehrenamtlich engagierten Menschen. In Deutschlandsind das 23 Millionen. Sie sind der Kitt, der unsere Ge-sellschaft stark macht. Ein gutes Beispiel dafür sind dieFreiwilligendienste, die wir mit diesem Haushalt weiterausbauen; es sollen weitere Plätze geschaffen werden.Dass es noch immer mehr Bewerbungen von jungenMctaJginsrAdigRmigggdedbAIstipndfftbsDwwVecvffui
Ein Thema, das uns ebenfalls sehr wichtig ist, ist dierbeit gegen Rechtsextremismus. Ich bin sehr froh,ass wir gemeinsam durchgesetzt haben, dass die Mitteln Höhe von 19 Millionen Euro für das Programm „Ju-end für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegenechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antise-itismus“ langfristig zur Verfügung stehen werden. Dasst notwendig. Es geht eben nicht um Strohfeuerpro-ramme, sondern es geht um eine langfristige Versteti-ung der Arbeit, wie wir das im Koalitionsvertrag fest-ehalten haben.Ich bin froh – das war uns als SPD sehr wichtig –,ass der Schwerpunkt auf der Arbeit gegen Rechts-xtremismus liegt; denn wir alle wissen, wie hoch dortas Gefahrenpotenzial ist.Für uns ist eine kontinuierliche und nachhaltige Ar-eit für Demokratie und Toleranz die beste Prävention.ll das kann nur funktionieren, wenn die Projekte undnitiativen vor Ort unterstützt werden. Ich habe in die-em Sommer einige Bürgerbündnisse und mobile Bera-ungsteams besucht und konnte mich davon überzeugen,n welcher gesellschaftlichen Breite dort gearbeitet wird:arteiübergreifend mit Kirchen, Verbänden und Verei-en. Ich danke auch den vielen Menschen, die sich beier Ministerin dafür eingesetzt haben, dass diese Arbeitortgeführt wird.Wir als SPD wollen, dass erfolgreiche Arbeit fortge-ührt werden kann. Die Struktur von mobilen Bera-ungsteams, Opferberatungsstellen und Netzwerkstellenildet einen überregionalen Hintergrund, vor dem sichehr viele Menschen ehrenamtlich engagieren können.iese Arbeit ist wichtig und muss sicherlich weiterent-ickelt werden. Aber sie darf nicht beendet werden.
Gerade angesichts der aktuellen Situation müssen wirachsam sein. Wir erleben in Berlin und Mecklenburg-orpommern, wie Menschen im Wahlkampf von Rechts-xtremen belästigt und fotografiert, wie Autokennzei-hen aufgeschrieben werden, wie sie sogar bedroht underfolgt werden. Das ist Mitgliedern meiner Partei mehr-ach passiert. Das zeigt uns, dass wir alle gemeinsam da-ür einstehen müssen, dass rechtsextreme, rassistischend Menschen ausgrenzende Parteien nicht noch einmaln die Landtage einziehen dürfen.
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4642 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Kerstin Griese
Viele von Ihnen haben Patenschaften für Projekte wie„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ über-nommen. Ich nenne hier auch das Netzwerk für Demo-kratie und Courage in Sachsen; Sachsen ist übrigens dasBundesland mit der höchsten Dichte an organisiertenRechtsextremen. Die Arbeit gegen Rechtsextreme, dievon der Zivilgesellschaft geleistet wird, ist wichtig. Ichhalte auch die Idee der Kollegin Lazar für unterstützens-wert, uns zu überlegen, ob wir ausschließlich Kommu-nen oder auch Verbünden von Trägern die Möglichkeitgeben, Projekte zu beantragen.
Ich komme zum Schluss, nur noch ein paar Sekunden.
Eine Minute ist nicht mehr drin.
Frau Laurischk, wir sind nicht die Bösen. Der Titel
für die Integration junger Zuwanderinnen und Zuwan-
derer ist in unserem Haushalt weder gekürzt noch gestri-
chen worden. Er liegt weiterhin bei einem Volumen von
66 Millionen Euro. Ich habe mich noch einmal erkun-
digt: Kein Projektträger, der um Unterstützung gebeten
hat, ist zurückgewiesen worden. Wenn Sie das im Innen-
ausschuss kritisieren wollen, können Sie das dort tun.
Da, wo es um die Integration junger Migranten geht, ha-
ben wir die Mittel in gleicher Höhe für die Weiterfüh-
rung der Arbeit bereitstellen können.
Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Ich rufe deshalb die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 esowie die Zusatzpunkte 1 a bis 1 g auf:2 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh-rung des Elterngeldes– Drucksache 16/2454 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
InnenausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Arbeit und Soziales
lika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierho-fer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derFDPExportaktivitäten deutscher Unternehmen imTechnologiebereich erneuerbarer Energiensachgerecht unterstützen– Drucksache 16/1565 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft undTechnologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungc) Beratung des Antrags der Abgeordneten HeidrunBluhm, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-KENGenerelle Altschuldenentlastung auf dauer-haft leer stehende Wohnungen– Drucksache 16/2078 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Finanzausschussd) Beratung des Antrags der Abgeordneten HeidrunBluhm, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-KENGrunderwerbsteuerbefreiung bei Fusionenvon Wohnungsunternehmen und Wohnungs-genossenschaften in den neuen Ländern– Drucksache 16/2079 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Finanzausschusse) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBericht über die aktualisierten Stabilitäts- undKonvergenzprogramme 2005 der EU-Mit-gliedstaaten– Drucksache 16/1218 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Auswärtiger AusschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4643
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsZP 1 a)Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errich-tung einer „Bundesstiftung Baukultur“– Drucksachen 16/1945, 16/1990 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
InnenausschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolf-gang Gehrcke, Hüseyin-Kenan Aydin,Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der LINKENDauergenehmigungen für Militärflüge aufhe-ben– Drucksache 16/857 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussVerteidigungsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten VolkerBeck , Irmingard Schewe-Gerigk, Marie-luise Beck , weiterer Abgeordneter undder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENMeinungs- und Versammlungsfreiheit für Les-ben und Schwule in ganz Europa durchsetzen– Drucksache 16/1667 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
InnenausschussAuswärtiger AusschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uniond) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jel-pke, Sevim Dagdelen, Monika Knoche, weitererAbgeordneter und der Fraktion der LINKENFlüchtlingen aus Nahost Schutz bieten– Drucksache 16/2341 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschusse) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping, Dr. PetraSitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derLINKENBundespolitik soll im Streit um die Wald-schlösschenbrücke vermitteln– Drucksache 16/2499 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
Auswärtiger AusschussAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungtdüFhdl
Dr. Gesine Lötzsch, Petra Pau, Dr. Hakki Keskin,Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der LINKENFertigstellung des Mauerparks im Bereich derehemaligen innerstädtischen Grenze in Berlin– Drucksache 16/2508 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungg) Beratung des Antrags der Abgeordneten UlrikeHöfken, Rainder Steenblock, Matthias Berninger,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENForderung der EU nach Transparenz bei Sub-ventionen im Agrarbereich vollständig umset-zen und die Neuausrichtung der Förderungvorbereiten– Drucksache 16/2518 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der EuropäischenUnion
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-en Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen anie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf. Esandelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zuenen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 3 a:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
– zu dem Antrag des Bundesministeriums derFinanzenEntlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2004 – Vorlage der Haus-halts- und Vermögensrechnung des Bundes
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– Unterrichtung durch den BundesrechnungshofBemerkungen des Bundesrechnungshofes2005zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des
– Drucksachen 15/5206, 16/820 Nr. 28, 16/160,16/413 Nr. 1.3, 16/2025 –Berichterstattung:Abgeordneter Bernhard Brinkmann
Wer stimmt für Nr. 1 der Beschlussempfehlung, Ertei-ung der Entlastung für das Haushaltsjahr 2004? –
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsGegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann haben dieserBeschlussempfehlung alle Fraktionen zugestimmt beiGegenstimmen der Fraktion die Linke.1)Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, Auf-forderung an die Bundesregierung? Ich bitte um dasHandzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann istdie Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 3 b:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
– zu dem Antrag des Präsidenten des Bundes-rechnungshofesRechnung des Bundesrechnungshofes fürdas Haushaltsjahr 2004– Einzelplan 20 –– zu dem Antrag des Präsidenten des Bundes-rechnungshofesRechnung des Bundesrechnungshofes fürdas Haushaltsjahr 2005– Einzelplan 20 –– Drucksachen 15/5005, 16/820 Nr. 27, 16/500,16/2026 –Berichterstattung:Abgeordnete Otto FrickeNorbert BarthlePetra Merkel
Dr. Gesine LötzschAnja HajdukWer stimmt für Nr. 1 der Beschlussempfehlung, Fest-stellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? Ich bitte umdas Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, Ertei-lung der Entlastung? Ich bitte um das Handzeichen. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-fehlung ist ebenfalls einstimmig angenommen.Damit setzen wir die Haushaltsberatungen fort. Wirkommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministe-riums für Gesundheit, Einzelplan 15.Als erster Rednerin erteile ich das Wort der Gesund-heitsministerin Ulla Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DerEtat des Bundesgesundheitsministeriums ist im Ver-gleich zu anderen ein kleinerer Einzeltitel. Es ist aberdennoch ein Haushalt, aus welchem sehr wichtige, fürdie Menschen in unserem Land sogar existenziell wich-tige gesundheitspolitische Aufgaben erfüllt werden müs-sen.Ich nenne an erster Stelle den Kampf gegen Aids, dermit 13,7 Millionen Euro der umfangreichste operativePNsdmvfwrpuVFüAhdejVddnfgmaZun„ciDsuIWmrfpFcsvtuk1) Anlage 2
Für uns steht die Bekämpfung von Aids auch wäh-end der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft im Mittel-unkt der Vorhaben des Ministeriums. Dabei steht fürns die politische Bedeutung der Aidsbekämpfung imordergrund. Das heißt insbesondere, dass die politischührenden in dem betreffenden Land Verantwortungbernehmen müssen. Denn wir wollen verdeutlichen:ids ist kein gesundheitspolitisches Randthema, sondernat allergrößte soziale und wirtschaftliche Bedeutung fürie Zukunft Europas, insbesondere die Zukunft Ost-uropas. Dabei darf nicht nur bei der Unterstützung der-enigen, die bereits erkrankt sind, angesetzt werden.ielmehr muss auch auf Prävention gesetzt werden, umie Menschen von Infektionen zu schützen. Im Rahmener deutschen Präsidentschaft werden wir im Märzächsten Jahres in Bremen die große internationale Kon-erenz „Verantwortung und Partnerschaft – gemeinsamegen HIV/Aids“ veranstalten, mit der wir diese Zusam-enhänge verdeutlichen wollen. Es kommt uns daraufn, dass politisch Verantwortliche gemeinsam mit derivilgesellschaft diesen Kampf aufnehmen.Auch die Mittel für die Bekämpfung des Drogen-nd Suchtmittelmissbrauchs haben wir um 2 Millio-en Euro für die Fortsetzung der Jugendkampagnerauchfrei!“ erhöht. Die Zahl der Jugendlichen, die rau-hen, ist in den letzten Jahren – Gott sei Dank – kontinu-erlich gesunken. Aber sie ist noch immer viel zu hoch.eshalb wollen wir den Kampf gegen das Rauchen fort-etzen. Ich hoffe, dass die Debatte über „rauchfrei!“ innserem Land fortgeführt wird, und zwar auch durch dienitiativen des Deutschen Bundestages.
ir haben in unserem eigenen Bereich bereits Ernst ge-acht. Das Bundesgesundheitsministerium ist das ersteauchfreie Ministerium. Ich hoffe, dass wir Nachahmerinden werden.
Die Reform der Pflegeversicherung werden wir an-acken, wenn die Gesundheitsreform unter Dach undach ist. Wir werden die Finanzierung der Pflegeversi-herung auf langfristig tragfähige Fundamente stellenowie notwendige Anpassungen und Verbesserungenornehmen. Wir werden schrittweise die Höhe der Leis-ungen anpassen. Wir wollen vor allem die Menschennterstützen, die oft bis an die Grenzen ihrer Belastbar-eit zu Hause, im Familien- oder im Verwandtenkreis
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Bundesministerin Ulla Schmidtpflegebedürftige Angehörige, Partnerinnen und Partneroder Freundinnen und Freunde, zum Beispiel demenziellerkrankte Menschen, rund um die Uhr betreuen.
Ohne die Leistungen der Familien wäre gar nicht daranzu denken, das zu schultern, was die Gesellschaft imPflegebereich zu tun hat. Wir, die Koalition, werden hierentsprechende Schwerpunkte setzen.
– Herr Kollege, ich habe gesagt: Wenn wir die Gesund-heitsreform verabschiedet haben, wird im kommendenJahr die Reform der Pflegeversicherung auf den Weg ge-bracht.
– Gut, dann sage ich: nachdem die Gesundheitsreformverabschiedet ist.Zu den wichtigsten Vorhaben in dieser Legislatur-periode zählt die Gesundheitsreform. Die Koalition hatgestern beschlossen, der Reform drei weitere MonateZeit für Beratung und Erörterung zu verschaffen. Es istrichtig, dass wir hier im Hause über die sehr umfängli-che Materie – mit der Reform werden immerhin in vie-len Bereichen des Gesundheitswesens grundsätzlichneue Ansätze für mehr Qualität, Transparenz und Effi-zienz auf den Weg gebracht und die privaten Kranken-versicherungen in den Wettbewerb einbezogen – inten-siv beraten. Dafür brauchen nicht nur wir Zeit. Vielmehrwollen wir allen, Ihnen und den Verbandsvertretern, aus-reichende Beratungs- und Anhörmöglichkeiten geben,um Vorschläge einzubringen und die Interessen zu arti-kulieren. Ich halte es daher für eine richtige Entschei-dung der Koalitionsfraktionen, das In-Kraft-Treten derReform um drei Monate auf den 1. April 2007 zu ver-schieben. Das ist verkraftbar; denn auch der Bundesratbraucht Zeit für seine Beratungen.
Die Gegner der Reform, die unterschiedliche Interes-sengruppen vertreten, sollten das nicht als Zeichen dafürwerten, dass die Reform nicht kommt. Das vermuten of-fensichtlich so manche. Ich kann Ihnen versichern: Siekommt. Sie wird am 1. April 2007 starten. Der Gesund-heitsfonds startet 2008 und parallel dazu wird ein verein-fachter und verbesserter, weil an den Krankheitsrisikenorientierter Risikoausgleich eingeführt.
Zurzeit wird mit besonderer Heftigkeit der neueGesundheitsfonds diskutiert. Dabei werden gezielt Le-genden in die Welt gesetzt, um den Ansatz schlechtzure-den. Was ist die Grundidee des Fonds? Die Grundideebesteht darin, dass die gesetzliche KrankenversicherungmsDcwedwsgbmfIhrGmvDtkdtdhwgsKrzbamsskdWNbm
ie Leistungen, die von der gesetzlichen Krankenversi-herung finanziert werden,
erden unabhängig vom Portemonnaie des Versichertenrbracht. Das heißt, jeder Versicherte erhält auf der Höhees medizinischen Fortschritts das, was medizinisch not-endig ist. Das ist das Herzstück des Sozialstaates. Die-es System kann nur funktionieren, wenn sich alle zuleichen und fairen Bedingungen an der Finanzierungeteiligen. Der Gesundheitsfonds sichert die Solidarge-einschaft so ab, wie es in § 1 des SGB V steht.
Ich möchte eines klarstellen: Mit dem Gesundheits-onds wird keine neue Behörde geschaffen.
ch sage das hier noch einmal, weil das immer gern über-ört wird. Der Gesundheitsfonds ist sinnvoll und unbü-okratisch. Er ist ein Finanzierungsverfahren. Über denesundheitsfonds fließen, wie vorgesehen, die Steuer-ittel zur Stützung der beitragsfreien Mitversicherungon Kindern in die gesetzliche Krankenversicherung.er für einen fairen Ausgleich der unterschiedlich ver-eilten Krankheitsrisiken und der unterschiedlichen Ein-ommen der Versicherten notwendige Prozess wirdurch den Fonds gestärkt. Die dazu notwendige Verwal-ungsarbeit wird wie bisher von den bewährten Expertenes Bundesversicherungsamtes geleistet. Sie führeneute den Risikostrukturausgleich durch; dieser wirdeiterentwickelt. Beim Einzug der Beiträge der Arbeit-eber und der Versicherten wird sich der Fonds auf dieachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derrankenkassen stützen.Vor dem Hintergrund dieser Tatsachen ist es schwie-ig, vieles von dem, was Lobbyisten heute dazu sagen,u verstehen. Man kann es vielleicht als Desinformationezeichnen. Ich bin mir aber nicht sicher; vielleicht ist esuch nur die Angst vor Transparenz, Effizienz und vorehr Wahl- und Wechselmöglichkeiten, die wir den Ver-icherten eröffnen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl alle Interes-engruppen das Wort Patient im Munde führen, sprichteiner derer, die die Eckpunkte kritisieren, davon, wasie Menschen in diesem Land berührt. Sie fragen sich:ird es für meinen Arzt, der in Ruhestand geht, einenachfolger geben? Wird das Gesundheitssystem bezahl-ar bleiben? Erhalte ich die Behandlung und die Medika-ente, die ich brauche? Kann das die Gesundheitsreform
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Bundesministerin Ulla Schmidtsicherstellen? Wie sieht es mit der Gerechtigkeit bei derVergabe von Terminen aus? – Ich nehme diese Fragensehr ernst.Die Frage, ob es der Politik gelingt, die Rahmen-bedingungen so zu setzen, dass das, was für meine Ge-neration selbstverständlich war – wir konnten uns immerin ärztliche Behandlung begeben und haben das erhalten,was medizinisch notwendig war –, auch für unsere Kin-der und Enkelkinder selbstverständlich bleibt, ist dieKernfrage des Sozialstaats. Diese Frage hat die Koali-tion mit Ja beantwortet. Deshalb haben wir uns sehr in-tensiv damit auseinandergesetzt, wie wir eine gute Ver-sorgung in allen Teilen dieses Landes sicherstellenkönnen und was getan werden muss, damit kranke Men-schen eine gute Behandlung erhalten. Das ist der Grund,warum wir die medizinische Versorgung von Menschenmit seltenen oder schweren Erkrankungen verbessern,indem wir beispielsweise die Krankenhäuser für die am-bulante Versorgung öffnen. Das ist der Grund, warumwir die palliativmedizinische Versorgung verbessern;denn wir wollen, dass schwerstkranke Menschen auch inder Phase des Sterbens zu Hause betreut, gepflegt undversorgt werden können und nicht gezwungen sind, inKrankenhäuser zu gehen, wenn sie es nicht müssen.
Das ist der Grund, warum wir Vater/Mutter-Kind-Kurenzu Pflichtleistungen der Krankenkassen machen, und dasist der Grund, warum empfohlene Impfungen von denKrankenkassen bezahlt werden müssen; denn wir wol-len, dass in diesem Land eine gute Durchimpfungsratebesteht, damit die Menschen vor Krankheiten geschütztsind.
Das ist auch der Grund, warum wir dafür sorgen, dassdie geriatrische Rehabilitation zur Pflichtleistung derKassen wird; denn wir wollen, dass in einer älter wer-denden Gesellschaft auch die 65-Jährige und der 70-Jäh-rige nach einem Sturz oder einem Schlaganfall alle Be-handlungen bekommen, damit ihre Selbstständigkeit solange wie möglich gewährleistet ist.Darüber zu reden, wäre Aufgabe auch dieses Parla-ments;
denn das sind die Dinge, die die Menschen interessieren.Das wäre die Aufgabe, um die sich die Krankenkassenkümmern müssten und über die sie reden müssten. DieKrankenkassen sollten gute Versorgungsangebote orga-nisieren, den Menschen Wahl- und Wechselmöglichkei-ten einräumen und ihnen Tarifangebote machen. Fernersollten sie neue Instrumente nutzen, die wir den Akteu-ren in die Hand geben, zum Beispiel Rabattverhandlun-gen, Ausschreibungen, Einzelverträge, besondere Ver-sorgungsangebote, die Verpflichtung zum Hausarzttarif,die Förderung der integrierten Versorgung und die Ein-beziehung der Pflege und der nicht ärztlichen Berufe.Unser Ziel ist es, das auf den Weg zu bringen. Wir sinddavon überzeugt, dass der Gesundheitsfonds, der die Fi-ndgblE–FDbcsiswUcbggHLserwmuesDaDcVstEPfs
So kann man auch mit kleinen Sachen manchen Leutenreude machen.
as hängt immer von den Ansprüchen ab, die man sel-er hat.
Ein wichtiges Ziel, das wir mit dieser Reform errei-hen wollen und das für mehr Frauen und Männer in die-em Land Bedeutung hat, als es vielleicht manchen hierm Hause bewusst ist, besteht darin, dass niemand in die-em Land ohne Versicherungsschutz ist. Dies ist eineichtige Aufgabe gerade für die Generation Praktikum.nsere Kinder erhalten heute nicht mehr mit der glei-hen Selbstverständlichkeit wie wir nach der Berufsaus-ildung eine sozialversicherungspflichtige Beschäfti-ung und ihr Krankenversicherungsschutz ist nichtarantiert, weil es viele Formen der Beschäftigung gibt.ier setzen wir an und ermöglichen jedem in diesemand einen Krankenversicherungsschutz, weil wir wis-en, dass er gerade bei veränderten Erwerbsbiografienin Bindeglied ist. Eine der Grundlagen für Freiheit, Ge-echtigkeit, Bildung und auch für Teilhabe an der Er-erbstätigkeit und am gesellschaftlichen Leben ist, dassan seine Gesundheit so gut wie möglich schützen kannnd dass man Hilfe erhält, wenn man krank ist. Das istine der wichtigsten Aufgaben für mich, die wir mit die-er Reform angehen.Wenn wir in den kommenden Zeiten intensiv in dieebatte einsteigen, dann würde ich mich freuen, wennlle ihre Erfahrungen einbrächten, damit wirklich eineebatte darüber entsteht, was wir in diesem Lande brau-hen, damit die Menschen eine gute gesundheitlicheersorgung haben, und wie die Institutionen des Ge-undheitswesens so transparent, effizient und unbürokra-isch organisiert werden können, dass möglichst jederuro nur da eingesetzt wird, wo er den Patientinnen undatienten zugute kommt. Das wäre schon ein guter Er-olg.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Claudia Winter-tein von der FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Ministerin, Ihre Rede hat wenig Neues gebracht.Statt hohler Worte hätten Sie uns im Parlament und auchden Menschen in unserem Lande lieber einen Gesetzent-wurf vorlegen sollen. Die Reform ist wieder einmal ver-schoben. Ob das nun an der Unfähigkeit Ihres Ministeri-ums oder an den Streitereien in der Koalition oder an denWahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern liegt,weiß man nicht. Wahrscheinlich spielt alles eine Rolle.Also sind wir im Prinzip nicht viel weiter als noch vordreieinhalb Monaten, als wir an dieser Stelle über denHaushalt 2006 gesprochen haben. Jetzt zeigen Sie mitdem Gesundheitsfonds, dass diese große Koalition ein-fach nicht funktionieren kann. Zwei Große haben ver-sucht, sich zu einigen. Sie haben aus zwei völlig gegen-sätzlichen Konzepten einen Kompromiss gezimmert.Das Ergebnis ist Ihnen gründlich misslungen, Frau Mi-nister.
So diskutieren wir ein Machwerk, wie es stümperhaf-ter und unbefriedigender kaum sein könnte. Niemandbraucht diesen Fonds, nur Sie, Frau Schmidt, und auchnoch Frau Merkel. Stirbt der Fonds, wackelt die Koali-tion.
Sie haben sich in eine Situation gebracht, in der Siekaum noch handlungsfähig sind. Ihre Hilflosigkeit zeigtsich vor allem in Ihrem Umgang mit der Kritik an derGesundheitsreform. Kritik an diesem Versuchsballongibt es reichlich: von den Krankenkassen, von Wissen-schaftlern, von den Sozialverbänden, von der Wirtschaft,vom Koalitionspartner, auch aus den eigenen Reihen undsogar vom Wissenschaftlichen Beirat, der sich das Mo-dell dieses Fonds ausgedacht hat.
Frau Ministerin, leider ignorieren Sie diese Kritikerbeharrlich, anstatt sich mit den Bedenken konstruktivauseinander zu setzen. Die Verunsicherung und das Un-verständnis, das Sie damit in der Bevölkerung erzeugen,scheinen Ihnen völlig gleichgültig zu sein; denn 80 Pro-zent der Deutschen sind gegen Ihre Reform. Aber Politikfür die Menschen sieht anders aus.
Ich möchte die wichtigsten Kritikpunkte hier einmalaufgreifen.Zum Thema Wettbewerb. Sie haben Ihrer Gesund-heitsreform den Namen „Gesetz zur Stärkung des Wett-bewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ ge-geben. Schaut man sich den Inhalt an, kann man überdiesen Namen eigentlich nur lachen. Es müsste heißen:Gesetz zur staatlichen Lenkung der gesetzlichen Kran-kenversicherung.
Das wäre wesentlich passender.zdmtGshkgCkgrvihrcbDdgsdndzhmtesHK2whrndlPddtzsgdDav
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damit alle gut versichert sind und der Faktor Arbeit ent-lastet wird, sowie Bildung von Altersrückstellungen, umder demografischen Herausforderung gerecht zu werden.Wir müssen die Ursachen der entsprechenden Pro-bleme angehen. Durch Ihre jährlichen so genanntenJahrhundertreformen werden aber nicht einmal dieSymptome beseitigt. Ich fordere Sie noch einmal auf,Frau Ministerin: Nehmen Sie die Kritik ernst! Noch be-steht die Möglichkeit, eine Reform zu entwerfen, die denNhsKdmtdmFzFsgntltELmHbshdzimggnuw1bE
Wir machen doch keine Reform um der Reform wil-en. Wir stellen endlich einmal den Patienten in den Mit-elpunkt unseres Handelns.
s ist erstmals eine Reform, bei der keine notwendigeneistungen gekürzt oder gestrichen werden. Es ist erst-als eine Reform, bei der die Versorgung aus einerand kommt und ein entscheidendes Stück vorangetrie-en wird. Der Patient wird nicht mehr zwischen den ver-chiedenen Versorgungsebenen oder den Sozialsystemenin und her geschoben, je nach Lage des Budgets. Wirurchbrechen endlich auch die starren Abgrenzungenwischen stationär und ambulant und binden in derntegrierten Versorgung sogar die Pflegeversicherungit ein. Damit wollen wir eine umfassende Behandlunganzer Krankheitsbilder und somit eine optimale Versor-ung der Patienten gewährleisten.Eine ausgewogene Reform muss natürlich die Ein-ahme- und die Ausgabenseite betrachten. Wir könnenns in den Sozialsystemen zu Tode reformieren, wennir den Arbeitsmarkt nicht in den Griff bekommen.,5 Millionen weniger sozialversicherungspflichtige Ar-eitsplätze bedeuten nun einmal 6,5 Milliarden Euroinnahmen weniger.
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Wolfgang ZöllerEines sollten wir auch nicht unterschätzen: 1 Millionjunger Menschen hat Deutschland verlassen. Wenn Sienach dem Grund fragen, bekommen Sie die Antwort:wegen der Abgabenlast und der Bürokratie. Also müssenwir doch an diese Ursachen herangehen.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren vonder Opposition, ist es umso erfreulicher, dass jetzt hiereine Trendwende erkennbar ist. Über 400 000 Arbeits-lose weniger, über 120 000 neue sozialversicherungs-pflichtige Arbeitsplätze, die Prognosen des Wirtschafts-wachstums erstmals nach oben korrigiert – das sind dochpositive Signale, die uns auch eine Perspektive für dieZukunft geben.Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung hatsich die Finanzsituation verbessert. Einen wichtigenBeitrag hierzu hat unsere erste Reformmaßnahme, dasArzneimittelwirtschaftlichkeitsgesetz, geleistet. Dennentgegen der auch von Ihnen vorgetragenen Kritik, dievon anderen Seiten noch verstärkt wurde, hat sie bereitsbestimmte Wirkungen entfaltet. Allein die Möglichkeit,dass die Versicherten von Zuzahlung befreit sind, wennsie preisgünstige Arzneimittel wählen, hat dazu geführt,dass bei über 2 000 Arzneimitteln die Preise um bis zu40 Prozent gesenkt wurden.
Das zeigt, dass Wettbewerb besser ist als staatliche Re-gulierung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, allerdings istbei einem hohen Anspruch an die Leistungsfähigkeit un-seres Gesundheitswesens auch klar, dass wir einenSchritt hin zu mehr Eigenverantwortung gehen müs-sen. Diesen Schritt werden die Menschen aber nur ak-zeptieren, wenn die Gesundheitsleistungen effizient undin hoher Qualität erbracht werden. Hinsichtlich der Er-höhung von Effizienz und Qualität durch mehr Wettbe-werb im Gesundheitswesen sehe ich erhebliche Verbes-serungsmöglichkeiten, die wir Ihnen mit unserem Gesetzvorstellen werden.
Wir brauchen eine Erhöhung der Transparenz undAbbau der Bürokratie in allen Bereichen; da sind wir unseinig. Wir werden zum Beispiel die Information der Ver-sicherten über Leistungsangebote und die Qualität derLeistungserbringer verbessern. Oder nehmen wir dievertragsärztliche Versorgung: Hier werden wir die Ver-gütung ambulanter ärztlicher Leistungen auf feste Preisebei weitgehender Pauschalierung umstellen. Die derzei-tige Budgetierung ist dann nicht mehr notwendig.Neben der Erhöhung der Transparenz haben wir unsauch für den Bürokratieabbau entschieden. Ärzte, Pfle-gekräfte und Krankenhäuser werden sich künftig wiedermehr auf die Versorgung der Patienten konzentrierenklsfnnwuHd–sDszwggHräsFVhWWdtkagdrDnmezBries
ierbei möchte ich besonders auf die Veränderungen beier Kostenerstattung hinweisen. Denn gerade diese kann davon sind wir überzeugt – das Kostenbewusstseintärken.
aher können die Krankenkassen künftig Tarife im Zu-ammenhang mit der Kostenerstattung anbieten. Gleich-eitig werden die Kostenerstattungsmöglichkeiten er-eitert.Neben der Kostenerstattung sind weitere Veränderun-en geplant. So werden die Kassen für spezielle Versor-ungsformen gezielte Tarife anbieten, zum Beispielausarzttarife. Gleichzeitig werden die Selbstbehaltta-ife für Pflichtversicherte geöffnet. Auch mit diesen Ver-nderungen werden wir das Kostenbewusstsein der Ver-icherten fördern.Zur privaten Krankenversicherung.
est steht: Die private Krankenversicherung bleibt alsollversicherung erhalten. Das heißt aber nicht, dass esier keine Veränderungen geben wird. Auch hier soll derettbewerb gestärkt werden. Daher werden wir denechsel der Versicherten innerhalb der PKV künftig da-urch erleichtern, dass wir die Altersrückstellungenransportabel machen.Ein Punkt kommt, wie ich meine, immer noch zuurz: Dabei geht es um die Solidarität und die Eigenver-ntwortung. Solidarität heißt nicht nur, dass die Solidar-emeinschaft für mich einzutreten hat, sondern auch,ass ich mich der Solidargemeinschaft gegenüber solida-isch verhalten muss.
ieses Bewusstsein muss gestärkt werden.Ich bin in der letzten Zeit in den Medien wegen mei-er Äußerung, dass sich Übergewichtige – man hat aufich geschaut und gesagt, ich sei sowieso zu dick –ventuell an den Behandlungskosten beteiligen sollen,iemlich beschimpft worden. Ich wiederhole an einemeispiel, was ich damit gemeint habe: Ein junger 25-jäh-iger Mensch kommt zum Arzt und sagt: Herr Doktor,ch habe Probleme; ich brauche auf der rechten Seiteine neue Hüfte. Darauf sagt der Arzt: Wenn ich Sie miro betrachte, dann meine ich, dass Sie mindestens
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Wolfgang Zöller140 Kilogramm schwer sind. Nein, sagt der Patient,150 Kilogramm. Dazu der Arzt: Eine Hüftoperation wirdwenig bringen. Wenn Sie nicht bereit sind, Ihr Gewichtzu reduzieren, werden Sie in einem halben Jahr auf deranderen Seite eine neue Hüfte benötigen. Darauf be-kommt der Arzt die Antwort: Sie haben das gefälligst zumachen; schließlich zahle ich meinen Beitrag.In diesem Zusammenhang habe ich gefragt, ob mannicht das Bewusstsein etwas stärken könnte, indem mansagt: Es könnte sein, dass der Patient an den durch be-stimmte Essgewohnheiten entstehenden Kosten prozen-tual beteiligt wird. Das gilt im Übrigen genauso für dasRauchen und das Trinken im Übermaß.
Wir brauchen in diesem System mehr Ehrlichkeit,und zwar angefangen vom Missbrauch mit Versicherten-karten bis hin zu den Abrechnungen. Wir tun in der Dis-kussion so, als sei immer nur eine Gruppe betroffen. Esist aber nicht nur eine Gruppe davon betroffen.Ich will an einem Beispiel klar machen, dass alle amSystem Beteiligten betroffen sind: Wir haben in denKrankenhäusern eine leistungsgerechte Vergütung ein-geführt, die zum Beispiel Folgendes vorsieht: Eine nor-male Geburt wird mit rund 900 Euro vergütet,
ein Kaiserschnitt, also eine komplizierte Geburt, mitrund 2 000 Euro. Mit welchem Ergebnis? Plötzlich ha-ben etliche Krankenhäuser nur noch Kaiserschnittgebur-ten zu verzeichnen. Ist das medizinisch notwendig?Jetzt wäre es verkehrt, zu sagen, daran sei nur einerschuld; deshalb habe ich dieses Beispiel gewählt. Über-legen wir einmal, wer daran schuld sein könnte: Ist esdie Krankenhausverwaltung, die sagt: „Macht das in die-ser Richtung; dann haben wir mehr Einnahmen“? Ist esder Arzt, der sagt: „Dafür bekomme ich eine höhere Ver-gütung“? Ist es die schwangere Frau, die den Kaiser-schnitt wählt, weil sie aufgrund von Zeitungsberichtenmeint, dies sei die modernste Methode? Oder ist es viel-leicht so, dass viele Ärzte aus Haftungsgründen dieseMethode so oft anwenden?Diesen Punkt spreche ich aus folgendem Grund an:Vor zehn Tagen hat ein Mann einen Arzt, der vor19 Jahren seine Tochter zur Welt gebracht hat, mit derBegründung verklagt, dass seine Tochter zweimal durchdas Abitur gerauscht ist und dass der Arzt deswegen beider Geburt etwas verkehrt gemacht haben muss. Ichglaube, man müsste einmal den Arzt, der bei der Geburtdes Vaters dabei war, fragen, ob er nicht etwas verkehrtgemacht hat.
Jetzt müssen die Krankenhäuser diesem Fall nachge-hen. Da kommen wir aber an einen kritischen Punkt: InDeutschland ist die medizinische Versorgung mit immermehr bürokratischem und finanziellem Aufwand ver-btuAddHBcgwllSdwSHMdsgfSHMtlwlERlnw
Das Wort hat jetzt die Senatorin für Gesundheit,
oziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin, Frau
eidi Knake-Werner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!eine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Blick aufie Situation der Länder kann auch diesem Haus nichtchaden. Ich kann das beurteilen, weil ich beide Seitenut kenne.Nach einer im „Stern“ veröffentlichten Forsa-Um-rage sprechen sich 78 Prozent der Befragten für einentopp der geplanten Gesundheitsreform aus. Der Patient,err Zöller, hat nämlich begriffen, wie Sie ihn in denittelpunkt stellen. Der Patient hat Sorge, dass es für ihneurer und risikoreicher wird, wenn er krank wird.
Frau Ministerin, die Terminverschiebungen sind dochängst keine Kalenderfrage mehr. Die Koalition ist inesentlichen Punkten völlig zerstritten. Wenn Sie ehr-ich wären, würden Sie nicht die Termine, sondern dieckpunkte ändern.
Wir brauchen eine Gesundheitsreform, die nicht dieatlosigkeit verlängert, sondern die die Probleme end-ich löst. Gestatten Sie mir, für die weitere Beratung ei-ige Hinweise aus Ländersicht zu geben.Bei der jetzt anstehenden Gesundheitsreform erlebenir eine ähnlich gesundheitspolitisch unverantwortliche
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4651
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Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner
Fehlleistung wie einst bei Rot-Grün. Selbst die wenigenstrukturell sinnvollen Vorhaben, die die Ministerin in dieEckpunkte hat retten können, wiegen bei weitem nichtauf, dass der großen Koalition für eine grundlegende Ge-sundheitsreform der Mut fehlt. Zuversicht bei der Re-form der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversi-cherung lassen Sie durchgängig vermissen.Dass in einer Koalition Kompromisse gemacht wer-den müssen, ist mir nicht gänzlich unvertraut. Aber dassman aus den Verhandlungen mit dem Gegenteil von demherauskommt, mit dem man hineingegangen ist, istschon etwas ungewöhnlich.
Gerade die SPD hat versprochen, die Krankenkassenbei-träge zu senken, erstens durch die Einbeziehung weitererEinkommensarten zur Finanzierung des Gesundheitssys-tems und zweitens durch eine stärkere Steuerfinanzie-rung.Jetzt passiert exakt das Gegenteil. Als Erstes streichenSie die Steuerfinanzierung zusammen. Jetzt liegt sienur noch bei 1,5 Milliarden Euro gegenüber vorher4,2 Milliarden Euro. Damit nicht genug: Sie werden denKrankenkassenbeitrag nicht ändern, sondern Sie werdenihn erhöhen.Statt einer höheren Steuerfinanzierung bürden Siedem System durch die Mehrwertsteuer noch zusätzlicheKosten von 900 Millionen Euro auf. Dabei wird es nichtbleiben.
– Zum Land Berlin könnte ich Ihnen eine ganze Mengesagen.
– Darauf komme ich noch. – Während Sie den Arbeitge-bern einen stabilen Beitrag für die Zukunft garantieren,müssen die Versicherten mit zusätzlichen Lasten rech-nen.
Was daran sozial, was daran solidarisch ist, das würdeich gerne verstehen.So wie Ihre Planungen aussehen – alle Fachleute be-stätigen das –, werden die meisten Kassen nicht umhinkönnen, den Versicherten einen Zuschlag aufzubürden.Wahrscheinlich wird es auch dabei nicht bleiben, son-dern die Kassen werden gezwungen sein, am Leistungs-katalog zumindest für die Kranken zu streichen. Das istsozial und gesundheitspolitisch unverantwortlich.
Gleichzeitig, meine sehr verehrten Damen und Herren– in diesem Punkt hat sich die Union leider komplettdurchgesetzt –, verzichten Sie auf sämtliche Maßnah-men, mit denen das System ohne zusätzliche Kosten zusanieren wäre. Sie scheuen sich, die international einma-lkdSddKgsSKggk2nssgwckwSadsdnizsilwdWcosmK–svwrt
ie holen die Besserverdienenden eben nicht in die Soli-argemeinschaft zurück. Auch daran ist gar nichts soli-arisch.
Was noch schlimmer ist: Sie haben das angekündigteernstück der Gesundheitsreform, nämlich die grundle-ende Reform der Kassenfinanzierung, in den Sand ge-etzt. Ihre Gesundheitsreform ist eben keine einheitlicheolidarveranstaltung. Sie ist ein neuer Risikofaktor für dierankenkassen. Sie sollen zwar alle mit gleichen Beiträ-en ausgestattet werden; aber das macht nur Sinn, wennleichzeitig ein zeitgemäßer Risikostrukturausgleichommt. Nach allem, was man hört, soll er auf das Jahr009 verschoben werden.Die Kassen sollen sich entschulden, was natürlich je-en Kassen gewaltige Schwierigkeiten bereitet, diechon seit Jahren unterfinanziert sind – siehe Risiko-trukturausgleich. Aus Berliner Sicht kann ich Ihnen sa-en, mit welchen Risiken wir zu rechnen haben. Kassenie die Berliner AOK mit ihrer äußerst prekären Versi-hertenstruktur, deren Probleme mit dem jetzigen Risi-ostrukturausgleich überhaupt nicht abgebildet sind,erden sich nicht in der vorgesehenen Frist am eigenenchopf aus der Schuldenfalle ziehen können.
Über 400 Millionen Euro müsste das AOK-Systemufbringen, um die Berliner AOK zu entschulden – undas trotz langjähriger Sanierungsbemühungen in Berlinelbst. Das kann nicht funktionieren und das weiß auchie Gesundheitsministerin. Deshalb tut das Bundesmi-isterium alles, um die Aufsicht führenden Länder dafürn Haftung zu nehmen und ihnen den schwarzen Peteruzuschieben. Wie erklärt sich sonst, dass uns der zu-tändige Staatssekretär aus dem Gesundheitsministeriumn einem Schreiben auffordert, bei unserer AOK – wört-ich – „dafür Sorge zu tragen, dass die zwingend not-endigen Maßnahmen zur Entschuldung umgesetzt wer-en“? Das ist eine völlig unmissverständliche Ansage:ir sollen die Kassen zwingen, schon jetzt die Versi-herten mit Sonderbeiträgen zu belasten – ob prozentualder durch die kleine Kopfpauschale, das ist für die Kas-en eine Wahl zwischen Pest und Cholera.
Ist Ihnen eigentlich bewusst, welcher Teufelskreis da-it eröffnet wird? Natürlich ist Ihnen das bewusst: Dieassen mit den ungünstigsten VersicherungsstrukturenSie wissen, dass das die großen Versicherungsgemein-chaften sind – werden die höchsten Sonderzahlungenerlangen müssen. Im Wettbewerb werden sie dadurcheiter zurückfallen, jüngere und risikoärmere Versiche-ungsgruppen verlieren und infolgedessen noch ungüns-igere Kostenstrukturen haben.
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4652 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner
Wir von der Linkspartei sind durchaus der Meinung,dass man die Anzahl der Kassen reduzieren kann. Ob esaber der richtige Weg ist, ihre Anzahl dadurch zu verrin-gern, dass man viele von ihnen in den Ruin treibt, daswage ich zu bezweifeln.
– „Wer hat die Aufsicht?“ Das ist ja eine ganz tolleFrage.Wir sind für einen gezielten Bürokratieabbau.
Es ist aber keine intelligente Lösung, wenn man für dieVerwaltung des Gesundheitsfonds eine neue Behördeaufbaut und damit mehr Bürokratie aufbaut.Wenn der Wettbewerb zwischen den Kassen nichtmehr auf der Ebene der Leistungen geführt wird, son-dern es darum geht, wer die niedrigsten Kopfpauscha-len hat, werden wir am Ende eine zutiefst gespaltene,unsolidarische Kassenstruktur erhalten. Dann würde dieZweiklassenmedizin auch in der gesetzlichen Kranken-versicherung festgeschrieben.
Frau Knake-Werner, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Spahn von der CDU/CSU-Fraktion?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Natürlich.
Bitte.
Frau Senatorin, Sie haben gerade die Schulden der
AOK Berlin erwähnt. Ich frage mich, wie es passieren
konnte, dass die AOK Berlin widerrechtlich einen so ho-
hen Schuldenberg hat anhäufen können und mit welchen
Entscheidungen seitens der Aufsicht das zusammen-
hängt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das hat mit der Aufsicht nichts zu tun.
Das hat etwas mit der ungeheuer komplizierten Strukturim Land Berlin zu tun. Ich darf Sie vielleicht daran erin-nern, dass 1989 die Mauer gefallen ist und wir eine Ver-einigung zweier völlig intakter Gesundheitssystemevollzogen haben.WKddvazdKKdvthRsnaaKvPhU21tHdeESZdgsSks1
Wir haben eine Fülle struktureller Veränderungenorgenommen, um die Kassen zu entlasten. Das reichtber nicht aus, wenn die Versichertenstruktur so kompli-iert ist wie die bei der AOK Berlin. Das räumt sogarie Gesundheitsministerin ein.
Es wird – das ist schon völlig klar – keine Reform desassenwesens geben und keine Einbindung der privatenrankenversicherung. Was ist daran solidarisch? Statt-essen bestehen zusätzliche Risiken für jene Kassen, dieorrangig die Armen versichern und mit hohen Morbidi-ätsraten, einem ungünstigen Altersaufbau und einemohen Anteil an Chronikern zu kämpfen haben. Für denisikostrukturausgleich sind nicht wir verantwortlich,ondern der Bund.Die Leidtragenden dieser Stückwerkreform werdenicht nur die Versicherten und die Kassen sein, sondernuch die Krankenhäuser. Dazu ein weiteres Beispielus Berlin: Ich bin zuständig für das größte öffentlicherankenhausunternehmen in der Bundesrepublik, Vi-antes. Mithilfe eines Sanierungskurses haben wir dierivatisierung und Zerschlagung öffentlicher Kranken-äuser erfolgreich verhindert.
m dies möglich zu machen, hat sich das Land mit30 Millionen Euro an der Entschuldung beteiligt. Die3 000 Beschäftigten haben im Rahmen eines Notlagen-arifvertrages einen jährlichen Einkommensverzicht inöhe von 35 Millionen Euro hingenommen. Zudem hatas Unternehmen die Kassen um 120 Millionen Eurontlastet, indem eine Budgetabsenkung um 20 Millionenuro jährlich akzeptiert wurde. Das ist unser Beitrag zurenkung der Belastung der Kassen.
Seit 2005 schreibt dieses Unternehmen schwarzeahlen. Trotz der Veränderung bei den Bereitschafts-iensten und der Umstellung auf den TVöD haben wirute Chancen, auch weiterhin schwarze Zahlen zuchreiben – bis zu Ihrer Reform.Denn nun werden die Krankenhäuser mit weiterenanierungsbeiträgen und Kürzungen belastet; hinzuommt die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Roundaboutind das bei meinem Krankenhausunternehmen Vivantes9,5 Millionen Euro.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4653
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Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner
Damit ist ein Abrutschen in die roten Zahlen vorpro-grammiert. Aber das ist es nicht allein. Vielmehr erhöhtdas erneut den Druck zur Privatisierung. Das kann dieLinke nicht widerstandslos hinnehmen.
– Nein, das war auch vor 20 Jahren nicht so; die Links-partei ist bekanntermaßen eine neue Partei.
– Regen Sie sich doch nicht so auf! Ich spreche hier alsGesundheitssenatorin von Berlin, auch im Namen derLinken hier im Hause. Das ist doch völlig selbstver-ständlich.
Das Enttäuschendste an der gegenwärtigen Debattezur Gesundheitsreform ist für mich, dass wochenlangüber Kosten gestritten wird und dabei auf der Streckebleibt, was eigentlich wichtig ist und hier immer von derMinisterin und Herrn Zöller hervorgehoben wird, näm-lich, wie es gelingen kann, eine gute, ganzheitliche Ver-sorgung für die Patientinnen und Patienten zu organisie-ren.Ich finde, dass gerade bei der integrierten Versorgungdie Verlängerung der Ratlosigkeit nicht mehr reicht. Wirbrauchen endlich stabile Rahmenbedingungen, damitambulant und stationär arbeitende Ärzte, Reha- undPflegeeinrichtungen nicht länger nebeneinander unddoppelt arbeiten, sondern endlich zusammen und abge-stimmt versorgen. Dazu braucht es lediglich eine Um-schichtung der Mittel – das wissen alle – im Interesseder integrierten Versorgung. Es geht eben nicht um mehr,sondern um anders und sinnvoller. Dafür gilt es, sich ein-zusetzen.
Ein letzter Gedanke: Leider ist in der Debatte über dieGesundheitsreform untergegangen, dass Gesundheits-förderung und Prävention immer noch die humanstenWege zur Kostendämpfung sind. Die Ministerin hat ge-rade gesagt, dass Nichtraucherschutz und Aidspräven-tion dabei natürlich einen hohen Stellenwert haben müs-sen. Ich sage ganz klar: Es ist völlig unverantwortlich,dass die Blockierer von gestern auch heute noch das ge-rade aus Ländersicht notwendige Präventionsgesetz ver-hindern können.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgitt Bender von
Bündnis 90/Die Grünen.
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Die schlechte Nachricht lautet: Der Gesundheits-onds ist noch nicht vom Tisch. Er gehört aber runteron der Tagesordnung, weil damit kein einziges notwen-iges Ziel der Reform erreicht und auch kein einzigesersprechen der Koalition eingelöst wird. Die Finanzie-ungsbasis wird dadurch nicht gestärkt, sondern ge-chwächt, der Wettbewerb wird nicht gestärkt, sonderneseitigt, das Geld nicht in bessere Behandlung und Ver-inderung von Krankheiten gesteckt, sondern in mehrürokratie. Das kann es doch noch nicht gewesen sein.
Zur Finanzierung, Herr Kollege Tauss. Was bringter Fonds? Ich wäre durchaus bereit, Ihnen zuzugeste-en, dass er bei entsprechendem politischen Willen viel-eicht etwas bringen könnte. Bringt er die Einbeziehunger Privatversicherten, also eine Bürgerversicherungach holländischem Vorbild? Nein. Die PKV bleibt wie-er schön unter sich; Solidarität wird dadurch nicht ge-tärkt, sondern geschwächt.
ringt der Fonds eine Ausweitung der Finanzierungs-asis? Nein. Er bringt weiterhin nur Beiträge auf Ar-eitseinkommen. Das ist keine nachhaltige Finanzie-ung.
Bringt der Fonds mehr Steuermittel? Nein. Die Re-orm verspricht im Vergleich zum Istzustand wenigerteuermittel. Dafür sieht der Fonds einen staatlich ver-rdneten Einheitsbeitrag vor, der schon im nächsten Jahr,5 Prozent höher liegen wird als der derzeitige.
st das, werter Herr Kollege, die versprochene Senkunger Lohnnebenkosten? Was nach der Reform übrigleibt, sind Beitragssatzerhöhungen. Dieser Fonds isthre Kapitulation vor Ihren selbst gesetzten Politikzie-en.
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4654 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Meine Damen und Herren, es ist viel von Wettbe-werb die Rede. Ihr Gesetzentwurf, den Sie dem Parla-ment noch nicht vorgelegt haben, trägt die Überschrift„Wettbewerbsstärkungsgesetz“. In der Tat wäre es not-wendig, den Wettbewerb zu stärken.
Aber welche Folgen hätte er tatsächlich, Herr KollegeBarthle? Gegenwärtig ist es doch so, dass die gesetzli-chen Krankenkassen unterschiedliche Beitragssätze ha-ben.
Sie variieren in einer Größenordnung von etwa2,5 Prozentpunkten.
Das heißt, es gibt einen Wettbewerb um niedrige Bei-tragssätze.
In Zukunft würde es einen staatlich festgesetzten Ein-heitsbeitrag geben, aber keinen Wettbewerb.Vor allem die rechte Seite dieses Hauses sagt immer:Den Wettbewerb wird es dann durch die Kopfpauschalegeben.
Was aber dabei herauskommt, wenn man eine Kopfpau-schale mit einem Überforderungsschutz in Höhe von1 Prozent des Haushaltseinkommens erhebt, das habenIhnen die Kassen doch vorgerechnet.
Die AOK hat Ihnen dargelegt – Herr Kollege, ich habenoch nicht gehört, dass Sie das widerlegen können –,dass die AOK Mecklenburg-Vorpommern, nur um eineKopfpauschale von rechnerisch 10 Euro erheben zu kön-nen,
ihren Beitrag tatsächlich bei 41,66 Euro festsetzenmüsste, um dem Überforderungsschutz Rechnung zu tra-gen. Doch selbst dann könnte sie nicht 100 Prozent desrechnerischen Einkommens realisieren.
Daran können Sie erkennen, dass das nicht funktioniert.dKnVwknDKbboWdddRlIdDdbwIKDPmKr
Sie, Herr Kollege Zöller, haben in erfrischender undankenswerter Offenheit gesagt, dass diese Form deropfpauschale nicht praktikabel ist. Hier kann ich Ihnenur zustimmen.
or allem ist sie kein Beitrag zu mehr Wettbewerb. Dennozu würde sie führen? Menschen mit geringem Ein-ommen müssten zunächst einmal den staatlich verord-eten Einheitsbeitrag zahlen, der für alle gleich hoch ist.
ann müssten Menschen mit geringem Einkommen dieopfpauschale zahlen – so es sie denn gäbe –, und zwaris zur Grenze ihrer persönlichen Überforderung, alsois zu 1 Prozent ihres Haushaltseinkommens, also 7, 8der 10 Euro. Mehr würden sie bei keiner Kasse zahlen.
arum sollten Menschen mit geringem Einkommenann eigentlich die Krankenkasse wechseln? Wo istenn hier der Wettbewerb?
Wie sieht es für die gut verdienenden GKV-Mitglie-er aus? Sie müssten, um dem Überforderungsschutzechnung zu tragen, eine sehr hohe Kopfpauschale zah-en; ich erinnere an die von mir erwähnten 41,66 Euro.hnen würde man das Signal geben: nichts wie weg auser gesetzlichen Krankenversicherung, rein in die PKV!
enn billiger als Einheitsbeitrag plus Kopfpauschale istie PKV allemal.Sie wollen, dass die PKV als Vollkostenversicherungestehen bleibt. Dazu kann ich nur sagen: Wettbewerbar gestern.
n Zukunft wird es, jedenfalls nach den Plänen deroalition, weniger Wettbewerb denn je geben.Der Wettbewerb um Beiträge wäre auf Eis gelegt.urch die Erhebung einer Kopfpauschale würde dieosition der gesetzlichen Krankenkassen im Wettbewerbit der PKV verschlechtert. Das würde bedeuten: Eineopfpauschale – so es sie denn gäbe – mit Überforde-ungsschutz wird es nicht geben.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4655
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Birgitt Bender
Eine Kopfpauschale – so es sie denn gäbe – ohne Über-forderungsschutz wäre eine soziale Drohung und als sol-che abzulehnen.
Im Übrigen: Wollten die Kassen Ihre berühmte Kopf-pauschale tatsächlich erheben, müssten sie, um über-haupt planen zu können, zunächst einmal die Haushalts-einkommen ihrer Versicherten erheben.
Dazu würden sie eine Datei benötigen, die alle Haus-haltseinkommen enthält; diese sind den Kassen bisherallerdings nicht bekannt.
Eine Datei, die die Haushaltseinkommen aller gesetz-lich Versicherten ausweist, Frau Kollegin Widmann-Mauz, haben nicht einmal die Finanzämter.
Hier kann ich nur sagen: Datenschutz und Bürgerrechtelassen grüßen. Entspricht das etwa Ihrem Motto „MehrFreiheit wagen“?
Diese Reform würde nicht zu mehr Freiheit und mehrWettbewerb führen. Sie hätte einheitsfinanzierte Kassenin einem Einheitsverband zur Folge. Hier regiert dieStaatsgläubigkeit. Dass das kein zukunftstaugliches Mo-dell sein kann, sollte die Bundeskanzlerin eigentlich ausihrer eigenen Biographie wissen.
Sie scheint aber nichts daraus gelernt zu haben.Übrigens muss man politisch keine Verehrerin derSelbstverwaltung der Kassen sein, um diese Reform ab-zulehnen. Wir Grünen wissen, dass diese Art von Selbst-verwaltung nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Die be-rufsständische Struktur der Krankenkassenverbände istheutzutage überholt. Nur, die Alternative ist nicht einstaatlich gesteuertes Gesundheitswesen mit Direktzu-griff des Bundesgesundheitsministeriums.
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elbst die Möglichkeit, dass Kassen Direktverträge ab-chließen – die es ja gibt und die Sie angeblich auchollen –, machen Sie de facto platt. Wie wird es dennein? Da hocken die Kassen in Zukunft zwangsweise inhrem Dachverband, einem Monopolisten, zusammennd müssen sich mit ihren Konkurrenten absprechen, be-or sie einen Direktvertrag mit den Ärzten abschließen.
as glauben Sie, was dabei herauskommt? Die Blo-kade als Dauerzustand. Ich sage es noch einmal: Da-urch entsteht nicht mehr Wettbewerb, sondern dadurchabe ich gar keinen Wettbewerb mehr.
Wir brauchen auch mehr Wettbewerb auf der Anbie-erseite, da mögen Sie schreien, so viel Sie wollen; Sieühlen sich offensichtlich getroffen.
ieser Wettbewerb findet nicht statt: Weiterhin müssenlle rezeptpflichtigen Arzneimittel von den Kassen er-tattet werden. Auf dem Apothekenmarkt auch nichtseues. Gewiss, Sie wollen die Arzneimittelpreisver-rdnung liberalisieren. Das ist schön. Aber das wird nurirken, wenn gleichzeitig die zunftartige Struktur despothekenmarkts aufgebrochen wird. Es gibt zwar ver-inzelt die Erkenntnis in dieser Republik, dass wir mehrettbewerb bei der Arzneimitteldistribution brauchen,llein, in die Politik der Koalition hat diese Erkenntnisoch keinen Eingang gefunden.
eswegen halten wir die so genannte Reform für nutzlosnd untauglich.
Kommen Sie mir ja nicht mit dem Platzhalterargu-ent, das immer gestreut wird, nach dem Motto „So ma-hen wir’s jetzt, doch nach der nächsten Wahl macht dieDU daraus ihre Kopfpauschale in Reinform
zw. die SPD macht daraus die Bürgerversicherung.“
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4656 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Birgitt BenderWas ist das für ein Konzept? Erst jagen Sie eine Reform-attrappe mit Bürokratieaufschlag durch die Republik,dann wollen Sie drei Jahre damit verbringen, der Mor-genröte der Originalumsetzung Ihrer Parteitagsbe-schlüsse entgegenzuträumen, oder wie?
Das ist doch kein politisches Konzept! Ich kann nur sa-gen: Ministergehälter sind kein Überbrückungsgeld fürdie Zeit bis zum nächsten Wahltag, sondern diese Gehäl-ter werden für geleistete Arbeit gezahlt. Deswegen müs-sen Sie die politische Arbeit, gezielt einen Kompromissin Ihrer großen Koalition zu finden, auch leisten. Daraufwarten wir noch.
Zum Abschluss. Man kann in gewisser Weise frohsein: Reform verschoben; Fonds sowieso verschoben;selbst wenn feststehen sollte, dass er zum 1. Januar 2009kommt, wird er nicht kommen; denn wer glaubt schon,dass Sie ausgerechnet im Wahljahr die Chuzpe haben, soetwas einzuführen? Trotzdem hätte dieses Vorgehen ei-nen hohen Preis: Denn wenn feststeht, dass dieser FondsGesetz wird, dann werden Vorbereitungen getroffen,dann werden Umstellungen vorgenommen, denen ge-genüber sich der Aufwand für die Umstellung aufHartz IV bescheiden ausnimmt. Der Unterschied ist nur:Für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozial-hilfe gab es gute Gründe. Für die Einführung eines Ge-sundheitsfonds gibt es überhaupt keinen guten Grund –außer der Gesichtswahrung der großen Koalition.
Für diesen Unsinn Gelder zu binden, Energien zu bin-den, heißt, Gelder zu verschwenden, die man dringendbräuchte für eine Verbesserung des Gesundheitswesensund der Prävention. Deswegen sage ich Ihnen im Namender Grünen: Gehen Sie zurück auf Los! Ziehen Sie keinGeld ein! Fangen Sie noch einmal an, zusammen überWege zu mehr Solidarität und mehr Wettbewerb nachzu-denken! Wir hätten Ihnen ein Konzept dafür vorzuschla-gen; aber wir wissen, dass Sie Kompromisse suchenmüssen. Die Bremer Stadtmusikanten haben gesagt: „…etwas Besseres als den Tod findest du überall“. – Ichsage der Koalition: Was Besseres als diese Reform fin-den Sie allemal. Also tun Sie es auch!
Das Wort hat jetzt die Kollegin Carola Reimann von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Veränderungen im Ge-sögmRshdgdlFilcsRgtSmlimßsidlkNHBlraubfkFknuL
Leider wird dabei oft auch der Eindruck vermittelt,it einer wirklich großen, umfassenden und mutigeneform könne man alle Probleme unseres Gesundheits-ystems mit einem Schlag für alle Zeit loswerden. Dieseäufig verbreitete Erwartung muss enttäuscht werden;
enn unser Gesundheitssystem unterliegt einem ständi-en Entwicklungsprozess, den wir auch wollen und derurch unterschiedliche und zum Teil auch schwer kalku-ierbare Faktoren wie dem medizinisch-technischenortschritt beeinflusst wird. Angesichts dieses kontinu-erlichen Prozesses müssen wir deshalb auch die gesetz-ichen Rahmenbedingungen kontinuierlich weiterentwi-keln.Aus diesem Grund muss die aktuell diskutierte Ge-undheitsreform auch im Zusammenhang mit der letzteneform in 2004, mit dem Gesetz zur Modernisierung deresetzlichen Krankenversicherung – kurz: GMG –, be-rachtet werden. Kollegin Bender, hier haben wir erstechritte hin zu mehr Wettbewerb, mehr Qualität undehr Wirtschaftlichkeit unternommen. Durch die vorge-egten Eckpunkte zur Gesundheitsreform werden diesem GMG festgelegten Instrumente für mehr Qualität undehr Wettbewerb aufgegriffen, verstärkt und ergänzt.
Im Bereich der Strukturreformen sind wir mit gro-en Schritten vorangekommen. Ich will ein paar Bei-piele dafür nennen: In der integrierten Versorgung wirdn Zukunft auch die Pflege enthalten sein. Wir werdenie Chroniker-Programme weiterentwickeln. Der Kol-ege Zöller hat etwas dazu gesagt. Wir werden die Kran-enhäuser weiter öffnen. Es wird endlich eine Kosten-utzen-Bewertung für Arzneimittel und auch ein neuesonorarsystem für niedergelassene Ärzte geben.
esonders hervorheben möchte ich die erweiterten Mög-ichkeiten für die Kassen, Verträge abzuschließen. Da-unter fallen zum Beispiel Rabattverhandlungen, aberuch die Ausschreibung von Arzneimittelwirkstoffennd Hilfsmitteln. Kollegin Bender, das stärkt den Wett-ewerb unter den Anbietern.
Bei allen Reformen im Gesundheitsbereich wird be-ürchtet, dass es zu Ausgrenzungen aus dem Leistungs-atalog kommt. Bei dieser Reform ist das Gegenteil derall. Wir haben insbesondere für sehr alte und sehrranke Menschen wichtige Bereiche aufgenommen. Ichenne in diesem Zusammenhang die Palliativmedizinnd die geriatrische Reha, die jetzt Pflichtleistungen imeistungskatalog sind.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4657
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Dr. Carola ReimannKolleginnen und Kollegen, die Strukturreformen, diein der öffentlichen Diskussion leider allzu häufig ver-nachlässigt werden und auch finanzrelevant sind, sindwichtige Bestandteile der Gesundheitsreform. Im Zen-trum der öffentlichen Aufmerksamkeit steht aber vor al-lem der Gesundheitsfonds. Es ist ein offenes Geheim-nis, dass wir Sozialdemokraten in einigen Punkten, wiezum Beispiel bei der Steuerfinanzierung und auch beider Einbeziehung der privaten Krankenversicherung,wesentlich weitergehende Vorstellungen haben.
Viel ist auch über den Startzeitpunkt des Fonds be-richtet und diskutiert worden. Für mich sind aber die Vo-raussetzungen für einen funktionierenden Fonds ent-scheidender. Um das Ziel des Fonds, für mehrWirtschaftlichkeit und Wettbewerb im Gesundheitswe-sen zu sorgen, erreichen zu können, brauchen wir als un-verzichtbare Voraussetzung einen zielgenauen morbidi-tätsorientierten Risikostrukturausgleich.
Ich will das kurz erläutern: Im Fondsmodell ist vorge-sehen, dass die Kassen einen Betrag pro Versicherten ausdem Fonds erhalten. Dieser Betrag ist in seiner Höhe un-abhängig vom eingezahlten Versichertenbeitrag. Derentscheidende Punkt ist, dass zu diesem Betrag ein Zu-schlag hinzukommt, durch den das Krankheits- undMorbiditätsrisiko des Versicherten abgebildet wird.
Das ist eine Art Morbi-Zuschlag. Der Gesamtbetrag, dendie Krankenkasse aus dem Fonds erhält, muss für einenchronisch Kranken somit höher sein als für einen jungengesunden Versicherten. Das steht durchaus in den Eck-punkten.
Damit dieser Morbiditätszuschlag exakt ermitteltwerden kann, brauchen wir mit dem Start des Gesund-heitsfonds einen zielgenauen, morbiditätsorientierten Ri-sikostrukturausgleich.
Wir alle wissen, dass die Krankheitsrisiken der Versi-cherten in den verschiedenen Kassen – Stichwort Wett-bewerb – sehr ungleich verteilt sind. Die eine Kranken-kasse weist eine große Zahl von alten und krankenMenschen und damit teure Versicherte auf, während eineandere Kasse vor allem jüngere und gesunde Mitgliederhat. Dieses Problem haben wir insbesondere mit Blickauf die Wechsel zwischen den gesetzlichen Krankenver-sicherungen immer wieder thematisiert.Zu einem fairen Wettbewerb zwischen den Kassenum die bessere Versorgung und nicht um die besten Risi-ken, also die gesündesten und solventesten Versicherten,kommen wir nur, wenn die Risiken durch Morbiditätszu-schläge pro Versicherten ausgeglichen werden.
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nser Ziel ist es, dass jeder Versicherte für eine Kasseleich wichtig ist, egal ob jung oder alt, wohlhabendder nicht, gesund oder krank. Nur so entsteht ein gesun-er Wettbewerb um die beste und kostengünstigste Ver-orgung im Land und nur dann erhalten wir eine klarenformation über die wirkliche Leistungsfähigkeit einerrankenkasse.Darüber hinaus ist der zielgenaue, morbiditätsorien-ierte Risikostrukturausgleich auch für die Reform derrztlichen Vergütung von Bedeutung; denn wenn manit der neuen Art der Vergütung der Ärzte das Morbidi-ätsrisiko von den Ärzten weg auf die Krankenkassenerlagert, braucht man einen angemessenen Ausgleichwischen den Kassen.
s wird also deutlich: Große Teile der Gesundheitsre-orm entfalten nur dann ihre gewünschte Wirkung, wennir gleichzeitig einen solchen zielgenauen, morbiditäts-rientierten Risikostrukturausgleich einführen.Um den jetzigen Risikostrukturausgleich in dieseichtung weiterentwickeln zu können – das will ich anieser Stelle sagen –, brauchen wir eine aktuelle Daten-rhebung, die zum Beispiel Entlassdiagnosen in Kran-enhäusern, Wirkstoffverordnungen und Diagnosen immbulanten Bereich erfasst. Die entsprechende Verord-ung zur Datenerhebung existiert seit geraumer Zeit. Sieuss noch in diesem Jahr vom Bundesrat auf den Wegebracht werden.Die Verschiebung der Einführung der Gesundheitsre-orm war hier schon Thema. Ich appelliere aber an alleeteiligten, den Startschuss für den Risikostrukturaus-leich nicht weiter zu verschieben.
uch wenn die Bundeskanzlerin gestern Abend im Koa-itionsausschuss vorgeschlagen hat,
as In-Kraft-Treten der Gesundheitsreform auf das Früh-ahr des nächsten Jahres zu verschieben, um eine aus-ührliche Beratung zu ermöglichen – das begrüßen wirlle –,
ntlässt das alle Beteiligten nicht aus der Verantwortung,ie Vorbereitungsarbeiten, zum Beispiel die Datenerhe-ung, die man notwendigerweise braucht, um weiterar-eiten zu können, zeitnah auf den Weg zu bringen.
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4658 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Dr. Carola ReimannSchließlich ist die Einführung – damit komme ich zumSchluss – eines solchen zielgenauen, morbiditätsorien-tierten Risikostrukturausgleichs für einen funktionieren-den Fonds unverzichtbar.Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Daniel Bahr von der
FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Ministerin Schmidt, ich war gesternAbend auf einer Veranstaltung des AOK-Bundesverban-des, auf der Sie eine Rede gehalten haben. Es war etwagegen 20 Uhr, als Sie das Wort ergriffen haben. Sie ha-ben erklärt, dass die Einigung hinsichtlich der Gesund-heitsreform kurz bevorsteht, und haben deutlich ge-macht, warum es so nötig sei, dass diese Reform zum1. Januar 2007 in Kraft tritt. Eben habe ich von Ihnen ge-hört, warum es so nötig und sinnvoll sei, dass man sichetwas mehr Zeit nimmt, sodass die Gesundheitsreformerst zum 1. April 2007, also drei Monate später, in Krafttritt. Frau Ministerin Schmidt, ich kann mir diesen Sin-neswandel nicht erklären, aber Sie müssen eine wunder-bare Nacht erlebt haben.
Die Kanzlerin hat endlich die Notbremse in einemZug gezogen, der in voller Fahrt Richtung Einheitskasseund Staatsmedizin steuerte. Das, meine Damen und Her-ren von der Union, ist das bisher Beste, was die Union indiesen Verhandlungen zur Gesundheitsreform erreichthat. Die Kanzlerin hat das Vorpreschen der Ministerinzunächst gestoppt. Aber ein Verschieben allein machtdie Gesundheitsreform nicht besser.Frau Schmidt, da rächt sich im Übrigen auch, dass Sieder Öffentlichkeit Arbeitsentwürfe aus dem Ministeriumvorgestellt haben und damit Fakten schaffen wollten, dieweit über die Eckpunkte hinausgegangen sind. So habenSie provoziert, dass die Kanzlerin Sie hier ausgebremsthat. Aber die Union stellt auch fest, dass sie zwar eineCDU-Kanzlerin hat, aber eine SPD-geführte Bundes-regierung erlebt.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie soll-ten diese Pläne einstampfen und noch einmal neu ver-handeln. Diese Gesundheitsreform kann nur besser wer-den.
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ir fällt dabei nur ein Spruch von Mark Twain ein:Kaum verloren wir das Ziel aus den Augen, verdoppel-en wir unsere Anstrengungen.“Die Gründe für die Gesundheitsreform waren dochlar: steigende Beitragssätze für die Krankenversiche-ung, die in diesem Jahr zu verzeichnen waren, und eineltersentwicklung in Deutschland, die dazu führt, dassie Kosten im Gesundheitswesen in den nächsten Jahrenendenziell steigen.Das Problem waren also die steigenden Kranken-assenbeiträge. Was erleben denn die Versicherten imächsten Jahr als erste Auswirkung des Kompromissesieser Koalition? Steigende Krankenkassenbeiträge! Dieohnzusatzkosten werden nämlich nicht gesenkt; sieteigen vielmehr massiv. Die Krankenkassenbeiträgeerden auf über 15 Prozent steigen.In Ihrem eigenen Koalitionsvertrag vom Novemberetzten Jahres – er ist noch gar nicht so alt – steht als Zieler Koalition unter Punkt 2.1 die Senkung von Lohnzu-atzkosten. In diesem Punkt wird angekündigt, „die Bei-räge zur gesetzlichen Krankenversicherung mindestenstabil zu halten und möglichst zu senken“.Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie ha-en sich von Ihrem eigenen Ziel der Senkung oder dertabilisierung der Lohnzusatzkosten längst verabschie-et. Die Lohnzusatzkosten werden weiter den Arbeits-arkt belasten.
Den Druck auf den Beitragssatz haben Sie im Übri-en selbst zu verantworten. Die Mehrwertsteuererhö-ung um 3 Prozentpunkte wird die gesetzliche Kranken-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4659
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Daniel Bahr
versicherung um etwa 800 Millionen Euro belasten. DieSenkung des Bundeszuschusses aus der Tabaksteuerer-höhung, der in diesem Jahr noch über 4 Milliarden Eurobeträgt und im nächsten Jahr auf 1,5 Milliarden Eurosinkt, wird den Druck zu einer Beitragssatzerhöhungverstärken.Wenn Sie jetzt angeben, dass Sie etwas gegen die Bei-tragssatzerhöhung tun mussten, dann ist festzustellen,dass Sie von der Koalition für die Beitragssatzerhöhungim nächsten Jahr selbst verantwortlich sind.Des Weiteren war von einem Gesetz die Rede, dassich zunächst einmal positiv anhört: das Wettbewerbs-stärkungsgesetz. Frau Schmidt und Herr Zöller habenbehauptet, dass mit diesem Gesetz mehr Wettbewerberreicht werden soll. Ist es denn mehr Wettbewerb, wennkünftig nicht mehr einzelne Krankenkassen die Höhe ih-res Beitragssatzes im Wettbewerb zueinander festlegen?Ist es mehr Wettbewerb, wenn der Zusammenhang zwi-schen Beitrag und Leistung verloren geht? Ist es mehrWettbewerb, wenn ein bundeseinheitlicher Beitragssatzvon der Politik festgesetzt wird? Ist es mehr Wettbewerb,wenn künftig die Produktvielfalt in der privaten Kran-kenversicherung über einen Zwang zum Basistarif kom-plett abgeschafft wird?
Ist es mehr Wettbewerb, wenn die Kürzungen für Apo-theker schon vor den Verhandlungen mit den Kassenfeststehen? Ist es mehr Wettbewerb, wenn künftig einBundeskrankenkassenverband bundeseinheitliche Vor-gaben macht? Ist es mehr Wettbewerb, wenn künftig dieKassen alle freiwilligen Leistungen streichen werden,um keinen Zusatzbeitrag verlangen zu müssen?Das ist allenfalls ein Wettbewerb, der darauf abzielt,keinen Zusatzbeitrag zu verlangen. Es ist allenfalls einWettbewerb, was die Kostenfrage angeht. Wir werdenfeststellen, dass es keinen Wettbewerb um die richtigeVersorgung und die richtige Leistung gibt; es wird allen-falls zu einem Wettbewerb kommen, bei dem die Kran-kenkassen an allen Ecken und Enden sparen. Sie werdendamit aber keinen Anreiz für den dringend nötigen Wett-bewerb um innovative Versorgungsformen schaffen.
Die vorliegenden Pläne bedeuten nicht nur die Ab-schaffung der heutigen gesetzlichen Krankenversiche-rung, sondern auch der heutigen privaten Krankenversi-cherung als Vollversicherung. Gesetzliche und privateKrankenversicherung werden vereinheitlicht. Dieses Ge-setz stärkt nicht den Wettbewerb. Es ebnet den Weg inein staatliches und zentralistisches Gesundheitswesen.Was den Gesundheitsfonds angeht, hat Frau Schmidtausgeführt, dass keine neue Behörde geschaffen wird.Tatsächlich werden 20 neue Behörden geschaffen, weilregionale Einzugsstellen eingeführt werden sollen. EsmusrddsvubJDmicKiGiuEsshlKbihtmcizhKZws–mGefbImgRtlA
Dann denken Sie nochmal darüber nach, Frau Wid-ann-Mauz. – Wir brauchen den von Ihnen geplantenesundheitsfonds gar nicht; denn mit ihm lässt sich keininziges Problem lösen. Im Gegenteil: Der Gesundheits-onds wird dem Gesundheitswesen nur neue Problemeereiten. Deshalb sollten Sie schleunigst Abstand vonhren Plänen nehmen.
Der letzte Punkt. Frau Schmidt hat eben gesagt, sieache die Reform für die Enkelkinder, für ein nachhalti-es System. Ich kann nur feststellen, dass die geplanteeform weder einen Beitrag zur Verbesserung der Situa-ion auf dem Arbeitsmarkt leistet noch für eine Entkopp-ung der Finanzierung des Gesundheitswesens von denrbeitskosten sorgt. Auch Vorsorge in Form von
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4660 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Daniel Bahr
Rückstellungen für die steigenden Kosten durch eine al-ternde Bevölkerung wird nicht betrieben. Im Gegenteil:Sie greifen das System an, das Rückstellungen für diesteigenden Kosten im Alter gebildet hat, nämlich die pri-vate Krankenversicherung. Stampfen Sie Ihre Pläneschleunigst wieder ein! Verhandeln Sie lieber neu! Eskann nur besser werden.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Annette Widmann-
Mauz, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Die große Koalition geht mit der Gesundheitsreformeine der größten und wichtigsten Reformen in dieser Le-gislaturperiode an. Sie ist gleichzeitig eines der größtenReformvorhaben in der gesetzlichen und der privatenKrankenversicherung. Das ist kein kleiner Schritt. Daszeigt die aufgeregte Debatte heute hier im Haus, genausowie manche Aufgeregtheit draußen und die Besorgnisseder Menschen in den vergangenen Wochen. Deshalb giltfür uns: Sorgfalt und Gründlichkeit gehen vor Schnellig-keit. Auch wenn Sie noch so sehr daran herummäkeln,Herr Bahr: Wir sind die Herren des Verfahrens und wer-den diesen Weg bis zum Gesetzentwurf und zur Verwirkli-chung der Reform konsequent gehen.Manche Besorgnis über steigende Beiträge im nächs-ten Jahr hat gar nichts mit der aktuellen Reform oderdem Haushalt zu tun. Vielmehr rührt sie her aus denSünden der Vergangenheit. Ich erinnere nur an das Bei-tragssatzsicherungsgesetz. Liebe Kolleginnen und Kol-legen von den Grünen, damals hatten Sie die Verantwor-tung. Sie haben mit diesem Gesetz den gesetzlichenKrankenkassen verboten, den Beitrag zu erheben, densie zur Deckung ihrer Ausgaben benötigten, und habensie damit in die Verschuldung getrieben. Heute tun Sieso, als ob Sie damit nichts zu tun hätten. Aber das istnicht richtig.
Wir haben immer gesagt: Die Schulden von heutesind die Beitragssatzerhöhungen von morgen. Mit derGesundheitsreform im Jahr 2003 haben wir den Kran-kenkassen einen klaren Weg der Entschuldung vorgege-ben.
Die Krankenkassen wissen seit 2003, dass Ende nächs-ten Jahres der Hammer fällt. Wenn sie nun meinen, ihreSchulden abbauen zu müssen, dann resultieren die Bei-tragssatzerhöhungen aus der Vergangenheit. Diese Erhö-hungen haben aber mit der aktuellen Reform gar nichtszu tun.dDdmsKaSjuUewsVRWwKwSntuvzcdlbVuSttdAhDknntMgzW
abattverträge werden wir einführen und damit denettbewerb stärken. Vom Hersteller bis zum Apothekerird es Vertragsfreiheit geben, die auch zum Nutzen derundinnen und Kunden in der Apotheke sein wird.Die Palliativversorgung ist ein wichtiges Thema,eil sie eine humane Antwort auf die Forderung nachterbehilfe ist. Patientinnen und Patienten haben jetzt ei-en konkreten Anspruch auf Leistungen wie Schmerz-herapie sowie pflegerische und ärztliche Versorgung,m die letzten Tage ihres Lebens menschenwürdig in derertrauten Umgebung mit ihren Angehörigen verbringenu können. Das ist konkrete Hilfe beim Sterben.
Das Thema Mutter-/Vater-Kind-Kur ist angespro-hen worden. Was haben wir erlebt? Die Eltern sind aufen Instanzenweg geschickt worden. So kann man natür-ich Kostenreduktion durch Zermürbungstaktik betrei-en. Jetzt ist diese Kur eine Pflichtleistung, eine klareerbesserung für die Mütter und Väter.
Denken wir an die Schnittstelle zwischen Kranken-nd Pflegeversicherung. Wer kennt den Sturz oder denchlaganfall im Alter nicht? Wie oft wurde die Rehabili-ation mit dem Hinweis, das sei nicht mehr nötig, der Pa-ient komme ohnehin in die Pflege, verweigert? So wur-en die Kosten auf die Pflegeversicherung gewälzt.uch hier ist in der Vergangenheit viel zu wenig gesche-en, um die Selbstständigkeit der Menschen zu erhalten.ie Rehabilitation wird jetzt zur Pflichtleistung. Ichönnte noch viele weitere Beispiele nennen.Unser Ziel ist die Sicherstellung einer guten medizi-ischen Versorgung in ganz Deutschland. Wir gehenämlich dem Problem der Unterversorgung im ambulan-en Sektor nach. Warum stehen immer weniger Ärzte inecklenburg-Vorpommern zur Versorgung zur Verfü-ung? Bei Vergütungsunterschieden von bis zu 100 Pro-ent innerhalb Deutschlands ist das doch überhaupt keinunder. Warum werden die Wartelisten bei den Ärzten
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Annette Widmann-Mauzimmer länger? Sie werden es, weil eine leistungsge-rechte und verlässliche Honorierung in Euro und Centein entscheidender Faktor ist. Sie entscheidet nämlichnicht nur über das Ein- und Auskommen des Arztes,sondern auch über das Hierbleiben oder Auswandern derdeutschen Ärzte.
Wir gehen die Probleme an. Wir tun das nicht, damit inerster Linie die Ärzte mehr verdienen können, sonderndamit die Patientinnen und Patienten in unserem Landüberall gut versorgt sind und ärztliche Angebote finden.
Wenden wir uns dem Thema Transparenz zu. Mitder Umstellung der Finanzierung auf den Gesundheits-fonds können Versicherte in Zukunft die Leistungsfähig-keit und die Angebote ihrer Krankenkasse besser beur-teilen. Sie können nämlich wirklich vergleichen. Kommtmeine Krankenkasse mit den durchschnittlichen Kran-kenkosten aus oder braucht sie einen Zusatzbeitrag?Kann sie sogar etwas an die Versicherten zurückzahlen?Ist der Preis für die gebotene Leistung angemessen? Bie-tet mir eine andere Krankenkasse ein interessanteres An-gebot für den Beitrag? Mehr Transparenz bewirkt mehrWettbewerb. Dort, wo Wettbewerb herrscht, gibt es An-gebote und Auswahl und damit ein Mehr an Wahlmög-lichkeiten für die Versicherten in unserem Land.Selbstbehalttarife, die wir aus den unterschiedlichstenLebensbereichen, auch aus der privaten Versicherungs-wirtschaft, kennen, Kostenerstattungstarife, Hausarztta-rife und integrierte Versorgungsverträge sind weitereStichworte. Es wird also mehr Wahlmöglichkeiten ge-ben, und zwar nicht nur in der gesetzlichen Versiche-rung, sondern auch in der privaten. Auch hier beendenwir die lebenslange Bindung an das Unternehmen. Man-che sprechen sogar von einer Gefangenschaft. Wir eröff-nen auch hier Wechselmöglichkeiten durch die Mit-nahme der Altersrückstellung.
Wer schreit draußen eigentlich am lautesten? DieBesitzstandswahrer melden sich laufend zu Wort.
Sie stehen vor unseren Abgeordnetentüren und wir hörensie auf den Plätzen der Republik. Ich sage Ihnen ganzklar: Wer unter der Decke im Dunkeln gut zu munkelnhatte, der scheut natürlich Licht, Bewegung und Frisch-luft, er scheut Transparenz und Wettbewerb, ob es in derSelbstverwaltung ist oder untereinander. Ich kann dassubjektiv durchaus verstehen. Diese Reflexe erinnernmich an den Werbesong „Ich will so bleiben, wie ichbin.“ Sie alle haben jetzt die junge, blonde, hübsche Frauim Gedächtnis,
aber Sie wissen genau, dass die Zielgruppe völlig andersaussieht, nämlich nicht so gut. In unserem Gesundheits-wgliwujamghsdImakbDbddsSdwlDJaKrDkfFDudZAswbWWg
amit dieses auch klar ist: Wir haben heute einen Risi-ostrukturausgleich und nur weil wir einen Fonds ein-ühren, fällt dieser nicht weg. Wir werden mit demonds wieder einen Risikostrukturausgleich haben.
azu stehen wir. Sonst funktioniert der Wettbewerb innserem System nicht.Schauen wir uns an, welche Auswirkungen das aufie Kassenkapazitäten hat. Kundenorientierung wird inukunft im Mittelpunkt stehen. Das ist wichtig. Es wirdngebote wie Vertragstarife und Wahltarife für die Ver-icherten in unserem Land geben; denn ihr Kostenbe-usstsein soll und muss geschärft werden, damit Zusatz-eiträge möglichst vermieden werden können, undahltarife sollen die individuellen Wünsche abbilden.ir wollen die Sensibilität für den Preis fördern und dieselingt durch den Wettbewerb.
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Frau Kollegin, denken Sie an Ihre Redezeit?
Der Aufwand für dieses Fitnessprogramm ist erheb-
lich, aber der Aufwand lohnt sich. Dieser Umbau unse-
res Gesundheitswesens bedeutet soziale Gerechtigkeit
mit den Mitteln von Markt und Transparenz.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Ewald Schurer, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieöffentliche Diskussion über die Gesundheitsreform hatsich noch nicht unmittelbar auf die Gestaltung desEinzelplans 15 im Haushalt 2007 ausgewirkt. Dennochmöchte ich hier vorweg sagen: Ich finde es politischrichtig und ich finde es gut, dass wir mit der Verschie-bung um ein Vierteljahr, die gestern beschlossen wordenist, ein Stück weit den Druck von dieser Diskussion neh-men, um mehr Zeit für politisch klare Festlegungen undDefinitionen für eine tragfähige Reform des Gesund-heitswesens für die Zukunft zu bekommen. Es geht da-rum, für eine zukunftsfeste Qualität der Versorgung derMenschen auf guter ökonomischer Grundlage zu sorgen.Als Haushälter möchte ich bewusst die Grundsatz-frage ansprechen, dass die Beitragsfinanzierung imSystem auch künftig unverzichtbar sein wird. Notwen-dig ist ein Diskurs darüber, inwieweit mit Steuermittelnversicherungsfremde Leistungen – Schwerpunkt ist diebeitragsfreie Mitversicherung von Kindern – erbrachtwerden können. An dieser Stelle gibt es einen ersten Be-zugspunkt zum aktuellen Haushalt. Im Vergleich zumHaushalt 2006 ist er diesbezüglich zwar um2,7 Milliarden Euro kleiner, veranschlagt für solcheZwecke aber immer noch 1,5 Milliarden Euro. Wie wirwissen, plant diese Koalition auf Basis der nun vorlie-genden Eckpunkte vom Juli dieses Jahres, dass der Etat2008 vermutlich wieder Mittel in Höhe von 1,5 Milliar-den Euro – in der Zukunft wird vielleicht sogar mehrGeld zur Verfügung stehen – bereitstellen wird.Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es beimgeplanten Gesundheitsfonds eben auch um Folgendesgeht: Wenn man Steuermittel langfristig einsetzenmöchte, dann geht dem eine Grundsatzentscheidung vo-raus. Als Haushälter muss ich anmerken, dass eine sol-che Grundsatzentscheidung sich an den Erfahrungen, diewir in anderen Sozialsystemen gemacht haben, messenlassen muss. Sicherlich ist es gut zu wissen, welcheFinanzierungsangebote wir derzeit im Bereich der Al-ters- und Rentenversicherung haben. Wenn man künftigversicherungsfremde Leistungen, speziell die Mitversi-cherung von Kindern – dafür habe ich Verständnis – mitSteuermitteln finanzieren möchte, dann muss man sichfKhlTlMmwnLMWi–ozSdnLteDtFuntbnndbfthstBmtSrpgsp
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eine Vision bei dieser Gesundheitsreform ist: Der Ge-
undheitsfonds wird aufgebaut;
r wird mehr oder minder virtuell aufgebaut. Wir greifen
uf die bewährten Strukturen und die qualifizierten Ka-
azitäten der gesetzlichen Kassen beim Beitragseinzug
urück. Wir bauen keine unnötige Bürokratie auf.
Herr Kollege!
Ganz zum Schluss noch eine Überzeugung – lassen
ie mich das bitte noch sagen –: Der Risikostrukturaus-
leich wird dann zu einem vollen Erfolg werden,
enn es uns gelingt, die PKV künftig voll und ganz in
iesen Risikostrukturausgleich einzubeziehen. Diese Vi-
ion wird eines Tages Wahrheit werden.
Ich bedanke mich für die große Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans Georg
aust, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Mit den Eckpunkten zur Gesundheitsreform,en zurzeit erfolgenden Konkretisierungen und dem Ent-urf zur Änderung des Vertragsarztrechts sind wir da-ei, unser altehrwürdiges Gesundheitssystem effizienz-teigernd zu verändern und umfassend zu modernisieren.
Im Mittelpunkt dieser großkoalitionären Kraftan-trengung steht der Versicherte, vor allem der Versi-herte, der als Patient Hilfe benötigt. Doch wo sucht deratient in seiner Not Hilfe? Er sucht sie nicht bei derolitik, nicht bei der Krankenkasse, auch nicht bei dererbraucherberatung; nein, er sucht diese Hilfe beimrzt in der Praxis oder auch im Krankenhaus.Wenn ich dieses Kernelement unseres Gesundheits-esens, den Arzt-Patienten-Kontakt, betrachte, dannst das Ergebnis durchaus zwiespältig. Auf der eineneite gilt: gute Erreichbarkeit tags und nachts, noch flä-hendeckende Versorgung, breites Leistungsangebot vonut ausgebildeten und, wie wir wissen, auch im Auslandoch geschätzten Ärzten. Auf der anderen Seite gilt:tark reglementiert, abgeschottete Sektoren, übermäßi-er Dokumentations- und Bürokratieaufwand. Für Ärzte
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Dr. Hans Georg Faustund Krankenhäuser besonders belastend ist die Unge-wissheit über eine angemessene Honorierung in Gegen-wart und Zukunft.Wir tun etwas und wir tun das Richtige. Im Vertrags-arztrechtsänderungsgesetz werden die Liberalisierungenund Flexibilisierungen, die die Ärzte sich selbst erarbei-tet haben, in Gesetzesform gegossen. Dadurch wird dievertragsärztliche Berufsausübung effizienter und moder-ner gestaltet. Ärzten ist es zukünftig erlaubt, Kollegenohne Begrenzung und auch fachgebietsübergreifend ein-zustellen. Sie können ihre Tätigkeit an weiteren Ortenausüben und – was ich im Interesse von sektorenüber-greifenden Versorgungsmodellen für besonders wichtighalte – sowohl in der eigenen Praxis als auch im Kran-kenhaus in Teilzeit tätig sein.
Das sind richtige und wichtige Schritte, die spät kom-men, aber sie kommen, genauso wie die Erleichterungenbei der Einforderung der Praxisgebühr. Die Eckpunkteder Gesundheitsreform tragen der berechtigten Forde-rung der Ärzte nach einer angemessenen Honorierungweitgehend Rechnung.
Eine Gebührenordnung mit festen Preisen in Euro undCent wird eingeführt und die Mengensteuerung neu ge-ordnet.Jedem Gesundheitspolitiker, aber auch den Ärzten istklar, dass es keine ungesteuerte Leistungsausweitung ge-ben kann.
Auf der anderen Seite aber müssen krankheitsbedingteMehrausgaben von der Solidargemeinschaft, mithin denKrankenkassen, und nicht von den Ärzten getragen wer-den.
Mit den gesetzestechnischen Ausformulierungen imneuen Reformgesetz sind wir dann auf einem guten Weg,wenn wir von den Budgets wegkommen.
Die Regelungen zur integrierten Versorgung schaf-fen in unseren abgeschotteten Gesundheitsteilsystemenviele Brücken, Durchlässe und Übergänge. Hierzu set-zen wir die finanziellen Anreize so, dass die ökonomi-schen Ergebnisse in die gleiche Richtung weisen wie diemedizinischen Ziele. In diesem Zusammenhang, meineDamen und Herren, ist die Debatte um die so genanntedoppelte Facharztschiene vollkommen überflüssig.Wenn es gelingt, den ambulanten und den stationärenSektor so zu vernetzen, dass der Arzt, der es in einer sek-torenübergreifenden Kooperation am besten kann undaaSfMFdldpuDettzuBK1nKaKNwcsumHjlDhSlWi–ar2s
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In diesen Eckpunkten ist nun vorgesehen, dass dieseMittel, beginnend 2008 mit 1,5 Milliarden Euro,
stetig ausgebaut werden sollen.
Zu Recht: Rund 5 Milliarden Euro haben die Kranken-kassen 2005 für Maßnahmen ausgegeben, die in der Ver-ordnung über die Verteilung der pauschalen Abgeltungals versicherungsfremde Leistungen definiert sind.Dieser eine Titel macht deutlich: Wir stehen mit derUmsetzung der Eckpunkte in der Pflicht, die Finanzie-rung der gesetzlichen Krankenkassen verlässlich zu re-geln. Gerade dieser Titel ist es auch, der bei Kassen, Ver-bänden und in der Politik große Bedenken gegenüberden Eckpunkten auslöst. Diese Bedenken müssen ernstgenommen werden.In den Eckpunkten ist ein Gesundheitsfonds vorge-sehen, über den in Zukunft die Beiträge der Arbeitneh-mer und Arbeitgeber sowie Steuerzuschüsse an dieKrankenkassen über risikoadjustierte Prämien weiterge-geben werden sollen. Wir ersetzen also funktionierendeStrukturen durch ein neues System. Wir sind uns alle da-rin einig, dass die erste Aufgabe dabei ist, dass dieseneuen Strukturen auch funktionieren. Alles andere wäregrob fahrlässig und würde das bewährte System der ge-setzlichen Krankenkassen in seinem Bestand gefährden.Die zweite Aufgabe ist, vor dem Hintergrund einerFinanzierungslücke von fast 7 Milliarden Euro bei denKrankenkassen eine verlässliche Finanzierung der Kran-kenkassen zu organisieren. Das stellt ganz klare Anfor-derungen an den Gesundheitsfonds:Erstens. Alle Schulden der Krankenkassen müssen biszum Start des Fonds getilgt sein.Zweitens. Der Fonds muss beim Start 100 Prozent deranfallenden Ausgaben abdecken können.Drittens. Die Organisation muss so gewährleistet sein,dass der Beitragseinzug funktioniert.Viertens. Der morbiditätsorientierte Risikostruktur-ausgleich muss gewährleistet sein.udtgLrnKzvgbgsslabKvvthDlgbdu
Es ist uns allen bewusst, dass wir nicht mehr ausge-en können, als wir haben. Wir müssen aber die Wirkun-en des Haushalts und der Gesundheitsreform, wenn wirchon beides gleichzeitig im Bundestag beraten, gemein-am betrachten, damit wir unsere Ziele und eine verläss-iche Finanzierung der Krankenkassen erreichen. Allesndere wäre für uns grob fahrlässig.Vielen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Nor-
ert Barthle, CDU/CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Als letzter Redner geht es häufig nach der De-ise: Es ist schon alles gesagt worden, nur noch nichton allen. Insofern ist es ganz gut, dass ich als Haushäl-er zu diesem Thema sprechen darf und etwas zum Haus-alt sagen kann.
Erlauben Sie mir einige wenige Vorbemerkungen.en Auftritt der Senatorin Knake-Werner, die hier eineangweilige und inhaltlich falsche Rede
ehalten hat, um Wahlkampf für die PDS in Berlin zuetreiben, und die schnell aus dem Plenum entschwun-en ist, noch bevor diese Debatte beendet ist, fand ichnglaublich.
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Norbert BarthleDa die PDS auf diese Art und Weise Wahlkampf macht,kann ich nur hoffen, dass die Berliner Wählerinnen undWähler dies entsprechend würdigen.Frau Kollegin Bender, wir schätzen Sie alle. Wir wis-sen, dass Sie seit langer Zeit in diesem Metier tätig sind,und sprechen Ihnen Kompetenz zu. Sie haben hier eineRede gehalten, in der Sie den Eindruck erwecken, alshätten Sie nie etwas mit Gesundheitspolitik zu tun ge-habt. Das ist schon etwas eigenartig. Da sollten Sie sichan die Nase packen.
Herr Kollege Bahr, in Ihrer Rede haben Sie genau dasverstärkt, was Sie beklagen. Sie haben Verunsicherungbetrieben.
Denn Sie bauen Pappkameraden auf und argumentierengegen Dinge, die noch gar nicht entschieden sind. Wassoll das eigentlich?
Ich wünsche mir von allen Beteiligten, dass in denDebatten die fixierten Eckpunkte nicht so interpretiertwerden, wie es der Opposition gerade ins Konzept passt,sondern dass man darüber an der Sache orientiert undauf der Basis der getroffenen Entscheidungen diskutiert.Ich bin froh, dass die Frau Ministerin überwiegendzum Haushalt gesprochen hat. Das war wohltuend.
Auch ich möchte auf den Haushalt zu sprechen kommen.Wenn man den durchlaufenden Posten „Zuschuss andie GKV“ abzieht, dann ist der Gesundheitsetat einkleiner und feiner Etat. 425 Millionen Euro bei einemGesamtvolumen des Bundeshaushalts in Höhe von267 Milliarden Euro bedeuten gerade einmal einen An-teil von 1,6 Promille. Mit diesen 1,6 Promille steuernund regeln wir einen Markt, in dem rund 240 MilliardenEuro umgesetzt werden. Das entspricht nahezu dem Vo-lumen des gesamten Bundeshaushalts. Das ist insgesamtgesehen nicht schlecht.Wir betonen immer wieder, dass das Thema Gesund-heit die Menschen fundamental berührt. Deshalb ist esauch nachvollziehbar, dass so viele Debatten häufig mitgroßer Leidenschaftlichkeit und Aufgeregtheit geführtwerden. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Ge-sundheit als den Zustand vollkommenen körperlichen,geistigen und sozialen Wohlbefindens. Gesundheit istalso nicht allein das Fehlen von Krankheiten und Gebre-chen. Nach dieser Definition bin ich häufiger krank, alsich es bisher wusste.Diese Definition macht aber auch deutlich, wo dieSchwierigkeiten in diesem Metier liegen, nämlich in derunscharfen Abgrenzung von Krankheit und Gesundheit:Welche Maßnahmen und Leistungen tragen zur Gesund-heit bei und müssen erstattet werden? Bei diesem ThemakwgiZ4fgf2sTueed1SndsEKwS–dbSDztezf2ah4suvasehtg
Herr Kollege Bahr, ein Anfang wurde gemacht. Das ister entscheidende Punkt. Ein chinesisches Sprichwortesagt: Auch der weiteste Weg beginnt mit dem erstenchritt.
eswegen ist es sehr richtig, es so zu machen.Natürlich beklagen die Kassen diese Kürzung. Aberur Wahrheit gehört eben auch, dass durch das Arzneimit-lversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz – ein kompli-ierter Name – eine Entlastung von 1,5 Milliarden Euroür die Kassen pro Jahr erwartet werden darf. Im Jahre009 kommen zu den 3 Milliarden Euro Steuerzuschusslso noch Einsparungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euroinzu. Mit diesen 4,5 Milliarden Euro ist die Kürzung um,2 Milliarden Euro bereits im Jahre 2009 überkompen-iert. Auch das muss man zur Kenntnis nehmen.Ich finde es übrigens schon bemerkenswert, dass esns gelungen ist, innerhalb von zwei Jahren die Kürzungon Steuermitteln in Höhe von 4,2 Milliarden Euro, diels Zuschuss in ein soziales Sicherungssystem geflossenind, durch andere Maßnahmen auszugleichen. Das isttwas, was uns mancher Haushälter nicht zugetrautätte.Die zweite Frage, die immer wieder an uns herange-ragen wird, lautet: Warum wird eigentlich der Arbeit-eberbeitrag eingefroren und den Arbeitnehmern die
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Norbert BarthleMehrkosten aufgebürdet, wenn in diesem System mehrauf Steuerfinanzierung umgestellt werden soll?
Ich sage klipp und klar: Die Entwicklung gebietet die-ses. Wir haben immer weniger sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigte, auch wenn dieser Trend etwasumgedreht werden konnte. Langfristig wird es aber al-lein aufgrund der demografischen Entwicklung so sein,dass die Schere zwischen Beitragseinnahmen in den so-zialen Sicherungssystemen und dem Bruttoinlandspro-dukt immer weiter auseinandergeht. Deshalb ist es not-wendig, an dieser Stelle umzusteuern, um auch für denArbeitsmarkt Entlastung zu schaffen.
Nebenbei bemerkt: Es geht hier auch immer um dieFrage, ob eine stärkere Steuerfinanzierung sozial ge-recht sei. Wir erfahren da immer wieder Kritik aus demlinken Teil des Hauses. Das, meine Damen und Herren,kann ich nicht verstehen. Bisher beteiligen sich am Soli-darausgleich innerhalb der GKV weitgehend die Versi-cherten, zum Teil auch die PKV-Versicherten. Finanzie-ren wir stärker über Steuermittel, dann gilt der Satz, dassstarke Schultern mehr tragen als schwache Schultern.Denn dann beteiligen sich aufgrund der Steuerprogres-sion die Gutverdiener überdurchschnittlich an diesemAusgleich. Dasselbe gilt für die Unternehmen, denn diebezahlen auch Steuern.Was an diesem Vorgehen unsolidarisch sein soll, ent-zieht sich meiner Erkenntnis – im Gegenteil: Das ist So-lidarität der Starken mit den Schwachen im besten Sinnedes Wortes.
– Nein, das ist sinnvolle Politik für die gesellschaftlicheEntwicklung von morgen.Zu dem Vorwurf, dass sich die PKV-Versicherten stär-ker an dem GKV-Ausgleich beteiligen sollen, kann ichnur sagen: Meiner Ansicht nach ist die PKV-Versiche-rung ein gut funktionierendes System.
Ein Rentnerehepaar, das 800 Euro pro Monat an Bei-trägen an die private Krankenversicherung bezahlt,würde bei einem Wechsel in die GKV 150 Euro bezah-len. Stellen Sie sich das so vor? Wenn es so ist, dannmüssen Sie das auch sagen.Wir Haushälter haben in den anstehenden Beratungendie Aufgabe, diesen Bundeshaushalt sorgfältig durchzu-forsten. Es gibt sicherlich ein Thema, bei dem wir mitIhnen, Frau Ministerin, nicht ganz einig sind: Das sinddie Personalkosten. Ihr Haus hat sehr hohe Personal-kosten.Wir Haushälter waren und sind uns einig, dass wirden Personalabbau kontinuierlich fortführen müssen.Dazu wird es notwendig sein, dass man nicht mehr mitdgnBdnrDISneBEDdMrzFmnrwcaBZTDZzneg
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Wir kommen deshalb zu dem Geschäftsbereich desundesministeriums für Bildung und Forschung,inzelplan 30. Das Wort hat die Bundesministerinr. Annette Schavan.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-ung und Forschung:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Bundes-egierung – das zeigt der Einzelplan 30 – hat die Kraftur wirklichen Priorität für Bildung, Wissenschaft undorschung, weil wir, beide Regierungsfraktionen ge-einsam, das als die Grundlage einer überzeugenden In-ovationspolitik verstehen.
Wir investieren deutlich mehr Geld. Wir konzentrie-en Kräfte. Wir optimieren Konzepte und stellen anichtigen Stellen und bei wichtigen Themen die Wei-hen neu.
Hinter dem Einzelplan 30 steckt ein breites Spektrumn Themen, die für die junge Generation von zentraleredeutung sind und die wichtig sind mit Blick auf dieukunftsfähigkeit unseres Landes. Das sind nämlichhemen, mit denen vielfältige Chancen, Potenziale undynamik verbunden sind.Der Haushalt verzeichnet gegenüber 2006 einenuwachs von 500 Millionen Euro. Das entspricht 6,2 Pro-ent. Allein im Bereich Projektförderung konnten wir ei-en Zuwachs um 14,4 Prozent auf 2,62 Milliarden Eurorreichen.
Wer von Ihnen erlebt hat, wie schwierig es in der Ver-angenheit war, in diesem Bereich die notwendigen
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Bundesministerin Dr. Annette SchavanMittel aufzubringen, der weiß, welche Bedeutung die-sem 6-Milliarden-Programm im Rahmen des 25-Milliar-den-Investitionsprogramms, das wir in dieser Legislatur-periode aufgelegt haben, zukommt.
Die Projekte, die hinter den Zahlen stehen, widerle-gen die Aussage von Frau Hajduk, wonach die Regie-rung die Umorientierung Richtung Forschung und Zu-kunft nicht leiste. Im Übrigen widerlegen sie auch dieAussage von Herrn Kuhn, dass wir – er bezog das aufdie berufliche Bildung – nicht konkret würden. Nein,dieser Haushalt zeigt: Wir werden sehr konkret. Dennwir sind davon überzeugt: Politik wird nicht durchSchlagzeilen gemacht. Politik wird vielmehr dort be-deutsam, wo wir unsere Ideen umsetzen.
Im Bereich der beruflichen Bildung werden wir kon-kret. Ich weise Sie nur darauf hin, dass der Mittelzu-wachs 23 Prozent beträgt. Das macht Programme wie„Jobstarter – Für die Zukunft ausbilden“ möglich, dasmit 100 Millionen Euro gefördert wird. Eine weitereAufstockung der Fördermittel für dieses Programm auf125 Millionen Euro ist mit Blick auf ganz spezielle The-men im Bereich KMU – 10 000 Ausbildungsplätze fürJugendliche aus Migrantenfamilien, weitere 13 000 Aus-bildungsplätze für die neuen Länder – vorgesehen.Im Herbst dieses Jahres werden wir spüren – das weißich aus den Gesprächen, die ich in den letzten Tagen ge-führt habe –, dass sich die besseren Wirtschaftsdatenauch auf den Ausbildungsmarkt auswirken. Damit trittgenau das ein, was wir in den vergangenen Jahren immerwieder gesagt haben. Aus der unmittelbaren Beziehungzwischen Arbeitsmarkt und Ausbildungsmarkt schließendie Experten in den letzten Tagen, dass wir in diesemJahr voraussichtlich deutlich mehr Ausbildungsplätzezur Verfügung haben als im letzten Ausbildungsjahr.Auch das ist ein wichtiges Signal an die jungen Leute inDeutschland.
Wir werden konkret im „Hochschulpakt“, der „Excel-lenzinitiative“ und im „Pakt für Forschung und Innova-tion“. Wenn Sie die Mittel, die im Haushalt bereitgestelltwurden, was im Haushalt schon drinsteckt und das, wasseitens der Länder investiert wird, zusammenzählen,dann merken Sie, dass das für die universitäre und dieaußeruniversitäre Forschung in den nächsten Jahren ei-nen wirklichen Schub bedeutet.Wir werden konkret in der Hightechstrategie. Wirwerden noch Gelegenheit haben, in diesem HohenHause ausführlich darüber zu diskutieren. Ich glaube,wir haben auch auf diesem Gebiet gemeinsam etwas ein-gelöst, was seit vielen Jahren in Deutschland diskutiertwird. Die Frage war: Wie muss eine forschungspoliti-sche Strategie aussehen, in deren Fokus die Entwicklungneuer Produkte, Strategien, Dienstleistungen und Ver-fahren steht?
ImSer1nutnvevdbAAsk3anwdLLwFuddVaSfsNFSi7s
Wir werden konkret im Bereich der Weiterbildungnd der Bildungsforschung und den Geisteswissenschaf-en. Im Bereich der Weiterbildung werden wir in denächsten Monaten – das ist ein erstes Ergebnis des Inno-ationskreises – das Thema Grundbildung angehen undine Reihe von Einzelaktivitäten zur klareren Erfassungon Standards der Grundbildung unterstützen. Es gehtabei um Alphabetisierungskonzepte, die damit ver-undene Didaktik und die damit wiederum verbundeneusbildung. Angesichts von 4 Millionen funktionellennalphabeten müssen wir sehr viele konkrete Fragentellen.
Wir nehmen Verantwortung wahr. Wir werdenonkret und leisten damit unseren Beitrag in Europa zum-Prozent-Ziel. Denn wir wollen nicht zuletzt mit Blickuf die europäische Präsidentschaft Deutschlands imächsten Jahr Motor für den Forschungsstandort Europaerden.
Lassen Sie mich abschließend ein Thema aufgreifen,as auch zu diesem Einzelplan gehört. Es geht um dieebenswissenschaften. Dazu sage ich mit der gleicheneidenschaft: Auch hier nehmen wir in Europa Verant-ortung wahr. Es geht um eine gute Balance zwischenorschung und Forschungsfreiheit auf der einen Seitend unseren Pflichten und Überzeugungen im Bereiches Lebensschutzes auf der anderen Seite. Ich sprecheamit die im 7. Forschungsrahmenprogramm geplantenerfahren und die Beratungen zur Stammzellforschungn. Ich sage ganz deutlich: Ich lehne es ab, embryonaletammzellforschung zum Lackmustest für Forschungs-reundlichkeit in Deutschland zu machen.
Zweitens. Deutschland ist bei der Stammzellfor-chung in der Weltspitze.
iemand soll uns weismachen, dass man, wenn man inragen der embryonalen Stammzellforschung mit einemtichtag arbeitet, nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Dasst schlicht falsch.Drittens. Wir haben in der Diskussion über das. Forschungsrahmenprogramm, nachdem das Europäi-che Parlament, wie ich finde, fälschlicherweise be-
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Bundesministerin Dr. Annette Schavanschlossen hat, dass sämtliche bioethische Regelungennicht mehr in ein spezifisches Programm genommenwerden, sondern in das eigentliche Forschungsrahmen-programm – das ist etwas, was der Ministerrat nichtmehr ändern konnte
und nun nicht mehr ändern wird –, ein viertes Verbotdurchgesetzt. Die Kommission erklärt sich in einer Pro-tokollerklärung verbindlich dazu, keine Projekte zur Fi-nanzierung aus EU-Mitteln vorzulegen, in denenmenschliche Embryonen für die Gewinnung von embry-onalen Stammzellen vernichtet werden müssen. Damitsind wir ein Stück weiter, wenngleich – das sage ich al-len Kritikern; es gibt jetzt Kritiker von beiden Seiten –mir ein europäischer Stichtag lieber gewesen wäre. Erwar nicht durchsetzbar. Es wurde aber mehr Lebens-schutz als im 6. Forschungsrahmenprogramm erreicht.Zugleich wurde in diesen Debatten sehr deutlich, dassfür Europa wie für Deutschland gilt: Wir dürfen nichtnur dieses Segment sehen. Wir müssen die ganze Band-breite sehen. Wir investieren in die vielfältige Forschungmit adulten Stammzellen und in viele erfolgreiche Pro-jekte in Deutschland, vor allem in der Entwicklungsbio-logie.
Die Bundeskanzlerin hat gestern davon gesprochen,dass Leitlinie unserer Regierungspolitik sein muss,Zukunft nicht zu verbrauchen. Im Einzelplan 30 steckenviele Chancen, Zukunft nicht zu verbrauchen, sondernauf Zukunft vorzubereiten, vor allem mit Blick auf dienächste Generation, aber eben auch mit Blick auf die In-novationsfähigkeit Deutschlands.Ich danke allen Mitgliedern des Haushaltsausschussesund unseres Fachausschusses sehr für die bisherige guteBeratung. Ich danke vor allen Dingen den Kolleginnenund Kollegen aus den Regierungsfraktionen für die Un-terstützung bis hierher, nicht nur in dieser Haushaltsbe-ratung, sondern auch bei allen damit verbundenen Pro-jekten.
Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach, FDP-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Bei kaum einem anderen Thema sind sich zumindestoberflächlich alle in diesem Lande so einig, dass wir in-vestieren und etwas machen müssen, wie bei dem gro-ßen Thema Bildung, Forschung und Innovation und beidem Ziel, das wir alle haben, nämlich 3 Prozent desBruttoinlandproduktes für diesen Bereich auszugeben.gSIve–FcFFhGsCsEdwWvwSdzmnwneBFhWghAIsnsnl
ir kennen das berühmte strucksche Gesetz. Es kommtieles in das Parlament hinein. Wir wollen einmal sehen,ie es wieder herauskommt. Ich vermute, an diesertelle werden Sie Schwierigkeiten bekommen.Wir halten es für richtig, dass Sie auf dem Weg sind,ie Akademien zu einer schlagkräftigen Organisationusammenzuführen. Nur, Frau Schavan – nehmen Sieir das nicht übel –: Das Ganze als „Konzil“ zu bezeich-en, das ist bei aller Liebe eher ein Hinweis darauf, auselchem beruflichen Bereich Sie kommen, hat aber we-iger etwas Zukunftsfähiges. Übrigens finde ich es sehrrstaunlich, dass die Damen und Herren der SPD diesenegriff mittragen.
Leider enden an dieser Stelle die Freundlichkeiten derDP. Frau Pieper wird gleich sicherlich noch einigeandfeste Ausführungen zu diesen Aspekten machen.enn man Ihren Etat betrachtet, findet man darin, be-leitet von der Hightechbroschüre, die Sie uns vorgelegtaben, sehr viele schöne Worte und sehr viel Hochglanz.ber im Großen und Ganzen handelt es sich dabei, washre Ziele angeht, um die Nebel von Avalon.
An dieser Stelle will ich auf einen weiteren Punkt zuprechen kommen: die Sicherheitsforschung. Ich erin-ere mich noch an die Zeiten, als ich im Forschungsaus-chuss für genau dieses Thema kämpfte. Wie ich sehe,ickt Frau Burchardt begeistert. Wir beide waren näm-ich immer völlig gegensätzlicher Meinung; die SPD war
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4670 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Ulrike Flachdamals leider auf Ihrer Seite. Vor kurzem habe ich aller-dings den Medien entnommen, dass Sie im Novemberdieses Jahres endlich ein Projekt zu diesem Thema vor-stellen wollen. Dafür nehmen Sie 12 Millionen Euro indie Hand.Ich bin gespannt, Frau Schavan, was dabei heraus-kommt. Denn ich glaube nicht, dass die große Koalitionin dieser Frage so stark zusammenhalten wird, dass SieIhre Vorstellungen tatsächlich werden umsetzen können.
Sollte es dennoch so sein, Herr Tauss, wird die FDP dieerste Fraktion sein, die Ihnen zustimmt.
Es gibt noch ein weiteres sehr wichtiges Thema, daswir Haushälter mit großem Interesse beobachten: denHochschulpakt.
Uns interessieren vor allem die Fragen: Wie geht dasGanze weiter? Was passiert eigentlich mit den berühm-ten Overheadkosten? Ich entnehme den Diskussionen,die die Staatssekretäre am gestrigen Tage geführt haben,dass sich bei diesem Thema wieder nichts bewegt hat.Frau Pieper und ich hatten plötzlich ein Déjà-vu.
Denn das Gleiche haben wir, als Frau Bulmahn Ministe-rin war, unzählige Male erlebt. Offensichtlich sind dieVerantwortlichen der Länder wieder einmal stärker alsdie Verhandlungsführer des Bundes.
Offensichtlich ist es immer wieder das gleiche Spielchen– das richtet sich insbesondere an die Kolleginnen undKollegen der SPD –: Der Föderalismus führt dazu, dassman gerne und ausführlich diskutiert. Dann geht mannach Hause und nichts ist dabei herausgekommen.
Daher, Frau Schavan, sage ich Ihnen: Wenn Sie andieser Stelle nicht nachsteuern, wird der Hochschulpaktwahrscheinlich in die Binsen gehen. Zumindest wird ersich nicht so entwickeln, wie wir es uns erhoffen.
Nun möchte ich noch auf einen anderen Aspekt hin-weisen: Die Helmholtz-Gemeinschaft hat in den letztenMFHnrTmAsvigWDmdhdBgWhsbmSbsRTdudWdwsw
In wenigen Tagen findet eine Feierstunde statt, in de-en Rahmen Ministerpräsident Rüttgers zu diesemhema sprechen wird. Die Helmholtz-Gemeinschaftöchte in Jülich in Zusammenarbeit mit dem Standortachen ein High Performance Computing Center, sozu-agen eine Research School, eröffnen. Aber, Frau Scha-an, es fehlt Geld. Bitte nehmen Sie von dem Aufwuchsn Ihrem Etat 1,2 Millionen Euro in die Hand und drän-en Sie den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-estfalen, das Gleiche zu tun.
as dortige Wissenschaftsministerium tut das.
An dieser Stelle muss man eines sagen: Koalitionenüssen zusammenhalten und das tun, was sie auch vorer Wahl tun wollten: das Land nach vorne bringen. Hieraben Sie die Möglichkeit, einen Leuchtturm zu setzen,er deutlich über das hinausgeht, was Sie uns in Ihrerroschüre schriftlich darzustellen versucht haben.
Lassen Sie mich zum Abschluss – Frau Pieper wirdleich noch auf viele andere Aspekte eingehen – einort zum Thema Stammzellforschung sagen. In Brüsselaben Sie im Prinzip eine Niederlage erlitten. Wir sindehr froh darüber, dass Sie diese Niederlage erlitten ha-en. Natürlich sind wir nicht froh über das, was im Mo-ent hier abläuft, und wir sind auch nicht froh über dieignale, die aus dem Forschungsministerium im Hin-lick auf die Stammzellforschung herauskommen. Ichage an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich – auch inichtung Kollegin Sitte –: Wir werden in den nächstenagen erneut eine Mehrheit in diesem Parlament zu fin-en versuchen,
m zumindest den Stammzellstichtag, den wir brauchen,amit unsere Forscher vorankommen, durchzusetzen.ir wollen keine Kriminalisierung in diesem Lande.
Wir werden das auch gegen Ihren erklärten Willenurchkämpfen, Frau Schavan. Deswegen glaube ich, wirerden über dieses Thema noch viele anregende Diskus-ionen führen. Im Endeffekt muss etwas herauskommen,as gut für die Forscher ist und gut für dieses Land.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4671
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Nächster Redner ist der Kollege Klaus Hagemann,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Flach,lassen Sie mich zu Ihrer Bitte an die Frau Ministerin, dieMaßnahme in Jülich zu unterstützen, spontan bemerken:Sie müssen als FDP einen schwachen Stand in der Koali-tion in Nordrhein-Westfalen haben, wenn Sie die Bun-desministerin bitten müssen, eine Maßnahme in NRW zuunterstützen.
Das beweist mir jedenfalls Ihre Sorge.Mehr Sorgen bereitet mir in diesem Zusammenhangdas Folgende: Wir haben Ende vergangenen Jahres eineMenge Geld – Verpflichtungsermächtigungen im Um-fang von 586 Millionen Euro – für die Beseitigung vonAtomabfällen von Forschungsreaktoren bewilligt. Dochjetzt zeigt sich, dass auch das nicht ausreicht, dass wei-tere erhebliche Belastungen auf die öffentliche Hand zu-kommen.
Das macht deutlich, dass die Kernkraft nicht so billig ist,wie es die Atomwirtschaft und die FDP immer darstel-len, Frau Flach.
Bei der gestrigen Diskussion über den Einzelplan 04– Kanzleramt – hieß es – Frau Ministerin hat es schondargelegt –: Die Zukunft nicht verbrauchen. Wir be-schäftigen uns heute beim Einzelplan 30 mit dem Ge-genteil: Wie gestalten, wie schaffen wir Zukunft und wiesichern wir die Zukunft mit den Mitteln der Gegenwart?
Wir haben hierfür in der Vergangenheit unter der Füh-rung der SPD im Bundesministerium für Bildung undForschung gute Voraussetzungen geschaffen, damitdiese Bemühungen weitergehen können.
Das Ganztagsschulprogramm läuft sehr gut. Die entspre-chenden Mittel werden jetzt auch von den südlichenBundesländern abgerufen. Auch die Exzellenzinitiative,um die wir lange gekämpft haben und bei der wir schonwesentlich weiter sein könnten, läuft jetzt gut. Ferner seider Pakt für Forschung und Innovation erwähnt; entspre-chende Steigerungen sind vorgesehen.
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Insgesamt haben wir für Forschung und Bildung, wennan die Mittel aus allen Einzelplänen zusammenrechnet,und 12 Milliarden Euro vorgesehen. 8,5 Milliarden Euroavon sind im Einzelplan 30 des Ministeriums für For-chung und Bildung vorgesehen. 850 Millionen Eurontfallen auf das Ganztagsschulprogramm, 3 Milliardenuro sind in den übrigen Einzelplänen vorgesehen. Pro-entual haben wir eine Steigerung von 6,2 Prozent, wäh-end der Gesamthaushalt nur um 0,2 Prozent wächst.as sind Zukunftsinvestitionen in Forschung und Ent-icklung.Wenn man mit den Verantwortlichen der Forschungs-rganisationen redet, sagen sie: Deutschland ist ein guterorschungsstandort,
ber es müssen mehr Anstrengungen unternommen wer-en. Es sind mehr Anstrengungen erforderlich, um dentandard erhalten und verbessern zu können.
Die Bundesrepublik Deutschland wendet,52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschungnd Entwicklung auf, während es im EU-25-Durch-chnitt 1,82 Prozent sind. Wir könnten sagen: Wir liegeneutlich vorne, wir können uns zurücklehnen.
Richtig, liebe Kollegin Aigner. Das können wir nicht,ir müssen noch weiter voran.
Schauen wir uns die Zahlen der USA an. Dort ist estwas mehr, nämlich 2,6 Prozent. In Japan sind es,1 Prozent. Dieses Ziel müssen auch wir anstreben.eswegen hat die Koalition gemeinsam ein Programmufgelegt, um dieses 3-Prozent-Ziel zu erreichen.
Die Koalition hat vereinbart, 6 Milliarden Euro fürie Forschung zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Fraulach, mit diesem 6-Milliarden-Euro-Programm werdenben nicht nur bunte Broschüren mit schönen Bildchenuf Hochglanzpapier gedruckt – Informationen sind aberotwendig –, sondern wir haben die 6 Milliarden Euroür die nächsten Jahre obendrauf gepackt und die Mittelür die einzelnen Programme deutlich erhöht. Das ist derichtige Weg, den wir auch konsequent weitergehen wer-en. So viel Kritik haben Sie hier ja auch gar nicht ge-bt.
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4672 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Klaus Hagemann
Frau Ministerin, ich möchte noch einmal unser star-kes Interesse anmelden: Wir vom Haushaltsausschuss– ich kann hier für meine Fraktion reden – möchten wei-terhin beteiligt werden und wissen, was im Einzelnengeschieht. Deshalb bitten wir um die notwendige Be-richterstattung. Wir sind froh, dass es im Rahmen dieserForschungsinitiative, wie ich glaube, zum ersten Mal ge-lungen ist, einen abgestimmten Plan und ein abgestimm-tes Konzept über die Ressortgrenzen hinaus vorzulegen.Ich sage es noch einmal: Wir wollen auch weiterhin be-teiligt sein und informiert werden.Wir bitten Sie, immer wieder eine Art Evaluierungs-bericht vorzulegen, aus dem hervorgeht, wohin die Mit-tel geflossen sind, wofür sie verwendet worden sind, wieviel Geld wohin gegeben worden ist und wer von diesenMitteln profitiert. Diese Fragen werden wir im Fachaus-schuss immer wieder stellen, damit wir über die Verwen-dung informiert werden. Wir bitten in diesem Zusam-menhang auch darum, die Mittel jetzt schnellherauszugeben, damit mit ihnen gearbeitet werden kann;denn die Zeit drängt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach derVereinbarung ist vorgesehen, dass sowohl der Bund– darüber habe ich gesprochen – als auch die Länder unddie Wirtschaft ihre Anteile leisten müssen;
denn nicht nur der Bund ist hier mit einem halben Pro-zent gefordert, sondern natürlich sind auch die Ländermit einem halben Prozent gefordert, während die Wirt-schaft mit zwei Prozent beteiligt ist. Hinter vorgehalte-ner Hand hört man immer wieder, dass sowohl die Län-der als auch die Wirtschaft Probleme haben werden, ihreZiele zu erreichen.
Hier muss der notwendige Druck von Ihnen und von derKanzlerin auch auf die Wirtschaft erfolgen, damit dasgemeinsam vereinbarte Ziel erreicht werden kann.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kröning?
Ja.
Herr Hagemann, Sie haben die Stichwörter 3-Prozent-
Strategie und Aufteilung zwischen den staatlichen Ebe-
nen und der Wirtschaft angesprochen. Können Sie dem
Plenum und insbesondere auch der Bundesministerin be-
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ie der Mehrwert entstehen soll, damit es nicht zu Mit-ahmeeffekten kommt, sondern zusätzliche Leistungenn der Forschung erbracht werden.
Es gibt interessante Ansätze der Hochschulrektoren-onferenz. Sie schlägt vor, den Fachhochschulen mehreld für die Forschung zur Verfügung zu stellen, undwar zusätzlich zu dem Geld, das – Frau Ministerin, wirinden das sehr positiv – für das Programm FH³ zur Ver-ügung gestellt wird.
Frau Schavan hat die Anregung der DFG aufgegrif-en, eine Vollkostenfinanzierung zu gewährleisten, so-ass nicht nur die Projektkosten, sondern auch die allge-einen Kosten, die Verwaltungskosten bezuschussterden. Darüber sollten wir nachdenken. Wir solltenber auch darlegen: Es darf nicht sein, dass nur der Bundeinen Anteil erhöht und die Länder ihren Anteil zurück-ahren.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4673
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Klaus Hagemann
Es muss nachgewiesen werden, dass hier mehr Geld zurVerfügung gestellt wird. Das ist sicherlich der entschei-dende Punkt. Gerade bei den Overheadkosten bitte ich,dies zu berücksichtigen. Bevor wir das Programm begin-nen, sollte das Ministerium entsprechende Vorlagen prä-sentieren.Goethe hat in seinem Werk „Wilhelm Meisters Wan-derjahre“ formuliert:Es ist nicht genug, zu wissen, man muss auch an-wenden; …Er hat die Entwicklungen, die sich heute vollziehen, gutvorausgesehen. Wenn der Bund, die Länder, die öffentli-che Hand erhebliche Mittel für die Forschung zur Ver-fügung stellen, müssen wir uns fragen, welche Produktedamit entwickelt werden, wie viele neue Arbeitsplätzeund Ausbildungsplätze entstehen.Wir erinnern uns an das negative Beispiel des MP3-Players. Er wurde von einer deutschen Forschungsorga-nisation, der Fraunhofer-Gesellschaft, entwickelt. DerWirtschaft wurde angeboten, ihn zu produzieren. Leiderwar kein deutsches Unternehmen bereit, dies zu tun.Man ist dann nach Amerika gegangen. Die dortige Wirt-schaft ist das Risiko eingegangen. Dort sind die Arbeits-plätze geschaffen worden, dort wird produziert. Geradedieses Beispiel ist abschreckend. Mit dem 6-Milliarden-Euro-Programm wollen wir erreichen, dass so etwasnicht noch einmal geschieht.
Im Einzelplan 30 beschäftigen wir uns mit der Frage,wie wir die Zukunft gestalten wollen. Natürlich brau-chen wir auch dafür gut ausgebildete Wissenschaftler.Deswegen gilt es, auch über die Lehre nachzudenken.Dank der Bemühungen insbesondere meines KollegenTauss ist es im Rahmen der Verfassungsreform gelun-gen, dass die Länder bereit sind, Gelder des Bundes an-zunehmen.
Entsprechende Regelungen sind bei der Reform desGrundgesetzes getroffen worden. Die Annahme der Gel-der wird auch durch den Hochschulpakt 2020 gewähr-leistet.Der erste Ansatz beträgt 160 Millionen Euro. Wirkönnen in der mittelfristigen Finanzplanung eine stei-gende Tendenz feststellen. Hinzu kommen die Mittel ausdem Hochschulbauprogramm. Frau Ministerin, unsererMeinung nach kann eine Freigabe der Mittel erst erfol-gen, wenn konkrete Vorlagen da sind. Hier sind zunächsteinmal die Länder gefordert, sich untereinander abzu-stimmen. Sie müssen ein abgestimmtes Konzept zu derFrage, was sie wollen, vorlegen. Das geht uns hier imBdgdrInsmGEnaJgSzAzeddjrtsatL
Eine gerechte Verteilung der Finanzlasten der Län-er entsprechend dem Anteil der Studierenden ist unse-er Meinung nach dringend erforderlich.
nvestitionsmittel des Bundes kann es meiner Ansichtach nur geben, wenn die Länder – das ist wichtig – zu-ätzliche Studienplätze schaffen und sie finanzieren. Dasöchte ich deutlich herausstellen.
Im Entschließungsantrag der CDU/CSU und SPD zurrundgesetzänderung auf Drucksache 16/2052 heißt es:ine quantitative Steigerung der Zulassungszahlen istotwendig. Daran sollten wir uns orientieren. Wir solltenuch sehen, dass die Studierendenzahlen in den nächstenahren um 25 bis 30 Prozent ansteigen werden. Deswe-en ist schnelles Handeln erforderlich.
Ich fasse zusammen: Notwendig sind aus meinericht die Freigabe der Mittel, ein klares und faires Kon-ept und Vereinbarungen zwischen den Ländern. Dieufgabenverteilung muss gerecht erfolgen und auchwischen Bund und Ländern müssen entsprechende Ver-inbarungen getroffen werden.
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Ich komme zum Schluss. Ich denke, dass wir sowohl
urch den Hochschulpakt als auch durch die Erhöhung
er Mittel für Stipendien und ein sicheres BAföG der
ungen Generation demonstrieren können, dass wir Inte-
esse daran haben, ihre Zukunft zu sichern und zu gestal-
en, und dass nicht nur Interesse bei einigen Ländern be-
teht, durch Studiengebühren bei den Studenten
bzukassieren. In diesem Sinne hoffe ich auf gute Bera-
ungen im Ausschuss.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Sitte, Fraktion Dieinke.
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4674 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das
Bundesministerium für Bildung und Forschung nimmt
mit einer Etathöhe von 8,25 Milliarden Euro den fünften
Rang unter den Einzelhaushalten ein. Höhere Etats sind
für Arbeit und Soziales, für die Bundesschuld, für Ver-
kehr und Bau und für das Verteidigungsministerium ver-
anschlagt.
Im Koalitionsvertrag wurden Bildung und Wissen-
schaft als „Schlüssel zur Zukunft“ bezeichnet. Für Bil-
dung und Wissenschaft gibt diese Regierung in der
Summe aber nur ein Drittel des Verteidigungshaushaltes
aus.
Es liegt klar auf der Hand: Diese Entwicklung geht in
die falsche Richtung.
Gemessen an den zivilisatorischen Herausforderun-
gen müsste das Haushaltsvolumen für Bildung und For-
schung eigentlich wesentlich höher sein.
Wie sonst, wenn nicht durch Bildung, Wissenschaft und
Wirtschaft werden wichtige Grundlagen der Gesellschaft
konditioniert? Haushalt ist eben ein Bestandteil von Ge-
sellschaftspolitik. Die soziale Frage ist nicht mehr von
Bildungs- und Wissenschaftspolitik zu trennen. Deswe-
gen muss ein Haushalt auch Ungleichheiten abbauen. Er
muss dazu beitragen, dass viele in dieser Republik an
solchen gesellschaftlichen Ressourcen wie Bildung und
Arbeit teilhaben können.
Im jüngsten Bericht zur technologischen Leistungsfä-
higkeit Deutschlands wird gefordert, dass Bund und
Länder in Vorlage gehen. Darin heißt es:
Die grüne Welle für Forschung und Technologie,
Bildung und Wissenschaft in den öffentlichen
Haushalten ist nicht nur auf dem Papier festzu-
schreiben, sondern konsequent in der notwendigen
Umschichtung der öffentlichen Haushalte von
Bund und Ländern umzusetzen.
Die Steigerungen der Ausgaben für Bildung und For-
schung in diesem Haushalt – so begrüßenswert sie alle-
mal sind – bleiben nicht nur hinter dem Wünschenswer-
ten, sondern auch hinter den Erfordernissen zurück.
Eines muss deutlich gesagt werden: Die aktuelle Aus-
gabensteigerung kompensiert zunächst nur den Rück-
gang der staatlichen Forschungsbeteiligung früherer
Jahre. Der Anteil des Staates an der Forschungsfinanzie-
rung ging nämlich in den Jahren 1995 bis 2004 von
37,9 Prozent auf 30,4 Prozent zurück. Die angekündig-
ten 6 Milliarden Euro für zukunftsträchtige Forschungs-
und Entwicklungsinvestitionen sind also nicht wirklich
zusätzliches Geld.
Anlässlich dieses Programms sagte die Bundesfor-
schungsministerin – ich zitiere –:
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a höre ich im Übrigen auch die Vorsitzende der CDU-
rundsatzkommission heraus.
Es wird Sie also nicht wundern, wenn wir an dieser
telle die Frage stellen, welche bildungs- und for-
chungspolitischen Weichenstellungen konkret in Rich-
ung einer ausgezeichneten Bildungssituation gestellt
erden. Wie steht es um die Referenzprojekte der so ge-
annten neuen Gerechtigkeit?
Ich komme als erstes zur Föderalismusreform, der
Mutter aller Reformen“, wie es der Ministerpräsident
us Bayern in der ihm eigenen Bescheidenheit formu-
ierte. Die Föderalismusreform ist beschlossene Sache.
on allen Seiten unbestritten wird deutlich angemahnt
nd beklagt, dass der Bund in der Bildungspolitik we-
entliche Kompetenzen verloren hat. Die gemeinsame
ildungsplanung ist stark beschnitten. Das Ganztags-
chulprogramm als beispielgebender bildungspoliti-
cher Impuls wäre künftig nicht mehr möglich, weil Sie
in Kooperationsverbot verankert haben. Die Abschaf-
ung der Gesetzgebungskompetenz für das Hochschul-
ahmengesetz verhindert künftig bundesweit geltende
indestregelungen über Ziele und Aufgaben von Hoch-
chulen.
Nein, mein Guter, daran ganz bestimmt nicht.
Die Abweichungsmöglichkeiten der Bundesländer im
ereich der Hochschulzulassung und Hochschulab-
chlüsse werden die Mobilität der Studierenden ein-
chränken. Die millionenschwere Gemeinschaftsaufgabe
Hochschulbau“ läuft aus. Modellversuche von Bund
nd Ländern im Bildungsbereich sowie Hochschulson-
erprogramme, die gerade für die Förderung von Frauen
n der Wissenschaft wichtig sind, werden künftig nicht
ehr möglich sein. Das ist ein echter Verlust. Zu diesem
chluss kommt man, wenn man bedenkt, dass schon
eute viele Bundesländer nicht in der Lage sind, diese
ewährten Instrumente fortzuschreiben.
Das ist nicht falsch.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage desollegen Tauss?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4675
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Was bleibt mir anderes übrig?
Bitte, Herr Tauss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie könnten Nein sagen; das wäre die Alternative.
Aber ich bedanke mich, dass Sie meine Frage zulassen.
Möglicherweise dient sie der Klarstellung.
Liebe Kollegin Sitte, Sie haben gerade gesagt, Hoch-
schulsonderprogramme seien künftig nicht mehr mög-
lich. Darf ich Sie bitten, sich den neuen Art. 91 b zu Ge-
müte zu führen, der ausdrücklich die von Ihnen
angesprochenen Dinge ermöglicht? Dort haben wir eine
neue echte Gemeinschaftsaufgabe begründet. Die Hoch-
schulrektorenkonferenz sagt, das sei eine gute Lösung.
Würden Sie das konzedieren?
Herr Tauss, Sie wissen genauso gut wie ich, dass inder Debatte über die Föderalismusreform daran Kritikgeübt wurde; denn nun ist ein Abstimmungsprozess zwi-schen dem Bund und 16 Bundesländern notwendig. Alle16 Bundesländer müssen nun die gleichen Prioritätensetzen.
– Nein. Man braucht eine einstimmige Entscheidung derLänder.
Ob das für das ausgesprochen erfolgreiche Programm„Frauen in der Wissenschaft“ gut ist, bezweifle ich. Siewissen sicherlich, wie hoch der Anteil der Professorin-nen in diesem Land ist, dass der Anteil promovierterFrauen in einem Missverhältnis zum Anteil der Frauenunter den Professoren steht – man kann durchaus von ei-nem Bruch sprechen – und dass die Lösung dieses Pro-blems keine Priorität bei einem Finanzminister in derBundesrepublik Deutschland haben wird.
– Das ist zu hoffen.Das erste große Referenzprojekt der Bundesregierungwird nicht mehr Gerechtigkeit in Bildung und Wissen-schaft bringen, sondern Unterschiede vertiefen. Das be-deutet nichts anderes als Ungerechtigkeiten. Schon jetztstarke Bundesländer und Universitäten werden davonprofitieren. Aber die anderen werden nicht nur abgekop-pelt. Vielmehr wird sich ihr Rückstand noch vergrößern.Risikogruppen werden wachsen und sehen sich schließ-lich mit der Tatsache konfrontiert, dass sie von zuneh-mend geringer werdenden so genannten Leistungsgrup-pen unterstützt werden müssen. Das halte ich für einfalsches gesellschaftliches Konzept.sgAdkD1h2nersgEf–tdDSfwr–sswsKktpNlzFmfd
ber schon jetzt ist klar, dass die Probleme, die die Fö-eralismusreform verursacht, durch diesen Pakt nichtompensiert werden können.
er Bund sieht laut eigener Planung bis 2010 rundMilliarde Euro für den Hochschulpakt vor. Im Haus-alt 2007 sind dafür 160 Millionen Euro eingestellt. Bis014 wird sich die Zahl der Studierenden – so die Prog-ose der Kultusministerkonferenz – auf 2,7 Millionenrhöhen. Nun hat der Wissenschaftsrat seinerseits be-echnet, was sich daraus finanziell ergibt, und festge-tellt, dass allein in diesem Jahr 400 Millionen Euro ein-estellt werden müssten. Es sind aber nur 160 Millionenuro. Wir haben es also schon jetzt mit einer großen Dif-erenz zu tun.
Ja, sicher. Zudem ist dieser Ansatz schon jetzt völlig überfrach-et; denn die Kapazitäten sollen spürbar ausgebaut wer-en und 16 Bundesländer sollen daran partizipieren.arüber hinaus soll die Forschung gefördert und dieonderprogramme sollen ausgeglichen werden. Dasunktioniert natürlich nicht. Das heißt, es wird keinenirksamen Beitrag zur Reduzierung der Unterfinanzie-ung des Hochschulwesens geben.
Das weiß jeder.Die Studienbedingungen werden sich unter dem An-turm neuer Jahrgänge verschlechtern. Die individuelleoziale Situation jedes Einzelnen bzw. jeder Einzelnenird sich auf den nächsten Bildungsgang auswirken. In-ofern bleiben die angekündigten Investitionen in dieöpfe wohl eher eine Worthülse. Auch hier zeigt sicheine neue Gerechtigkeit.
In der letzten Woche hat Frau Schavan eine High-echstrategie verkündet. Auch diese sollte als Referenz-rojekt für neue Gerechtigkeit sorgen.
eben der Bereitstellung wachsender Mittel für Grund-agenforschung war es überfällig – da stimme ich Ihnenu –, Voraussetzungen für die bessere Umsetzung vonorschungsergebnissen zu schaffen.Eine Strategie aus einem Guss, wie Sie es selbst for-uliert haben, gehört auch zu unserem Konzept. Inso-ern ist diesem Ansatz zuzustimmen. Natürlich bringtie Bündelung von Wissenschaft und Wirtschaft am
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4676 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Dr. Petra SitteEnde mehr Arbeitsplätze. Selbstverständlich begünstigtsie den Wandel in strukturschwachen Gebieten. Dasweiß jemand besonders gut, der – wie ich – aus einemGebiet kommt, in dem innerhalb weniger Jahre60 000 Arbeitsplätze allein in zwei Betrieben weggefal-len sind.Nichtsdestotrotz bedarf aber gerade die Förderungvon Hochtechnologien auch einer gesellschaftlichenDebatte. Die Risiken und Chancen von gefördertenhochsensiblen Technologien werden heute kaum nochthematisiert. Ich erwähne hier nur die Gentechnik unddie Sicherheitsforschung. Wenn man dazu irgendetwassagt, bekommt man sofort den Vorwurf, ideologischeScheuklappen zu tragen.
Ich finde aber, das gehört in die öffentliche Debatte undnicht nur in Innovationskreise. Es werden eben nicht nurSteuergelder ausgegeben – das allein wäre schon Grundgenug –, sondern es werden auch Grundlagen unseresgesellschaftlichen Zusammenlebens berührt – ob das so-ziale und ökologische Nachhaltigkeit betrifft oder De-mokratie und Bürgerrechte.
Ich will an dieser Stelle einmal anmerken: Eine For-schungsförderung, die ausschließlich unter dem Primatder Ökonomie und der Verwertbarkeit von Forschungs-ergebnissen für neue Märkte steht,
kann grundsätzlich natürlich nicht zuerst auf Gerechtig-keit abzielen. Innovation ist eben nicht nur, wenn derMarkt laut Hurra schreit. Da sind schon Zweifel ange-bracht, ob diese Forschungspolitik mit ihren Ergebnissenam Ende allen Menschen in diesem Lande zugutekommt.
Abschließend möchte ich mich zwei Referenzprojek-ten widmen: der beruflichen Ausbildung – die habenauch Sie erwähnt – und der beruflichen Weiterbildung –die haben Sie zum wiederholten Male nicht erwähnt.
Zum Pakt für Ausbildung will ich nur sagen: Es fehlennach wie vor 140 000 Plätze. Alles, was Sie dazu gesagthaben, stellt quasi einen Tropfen auf den heißen Steindar. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, gerade in diesem Be-reich als Integrationsleistung vermehrt Mittel einzustel-len.Zum Thema Weiterbildung will ich sagen: Wir ha-ben einen akuten Fachkräftemangel. Zudem gibt es Tau-sende Arbeitslose, die über eine abgeschlossene LehreogtkbdzsgBssmBdddwsdILwfncGanNmghDKnwtg
ezeichnend für diese Entwicklung ist, dass man inzwi-chen sogar von „pädagogischen Wanderarbeitern“pricht. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Daranuss unbedingt etwas geändert werden.
Ich will an dieser Stelle noch erwähnen, was ich imereich der Weiterbildung als „Krönung“ empfinde:ass nämlich die mittelfristige Finanzplanung vorsieht,en ohnehin schon sehr geringen Anteil der Weiterbil-ung weiter zu reduzieren. Das halte ich für falsch. Wirerden das auch in den Ausschussberatungen themati-ieren. An dieser Stelle bedürfte es eigentlich eines Bun-esgesetzes für berufliche Weiterbildung. Aber – um aufhre Frage zurückzukommen, Herr Tauss – Bund undänder haben es abgelehnt, sodass ein Rahmengesetzeiter fehlen wird. Es bleibt bei einem dramatisch unter-inanzierten System.
Meine Damen und Herren, das alles kann eigentlichicht die „neue Gerechtigkeit“ sein, von der Sie gespro-hen haben, Frau Schavan. Ich meine, diese Art „neueerechtigkeit“ ist nichts anderes als die Fortsetzung derlten Ungerechtigkeit mit neuen Mitteln.Danke schön.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Priska Hinz, Bünd-is 90/Die Grünen.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichöchte mit einer positiven Feststellung beginnen: Es istut, dass die Mittel für den Bildungs- und Forschungs-aushalt in diesem Jahr erhöht wurden.
as freut uns sehr. Trotzdem bleibt richtig, was meineollegin Hajduk gestern gesagt hat: In der Finanzpla-ung werden die Mittel verstetigt, sie werden aber nichteiter erhöht. Von daher gibt es keinerlei absehbare wei-ere Investitionen in die Zukunft, was diesen Bereich an-eht.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4677
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Priska Hinz
Natürlich ist es erfreulich, dass auch der Ansatz beider beruflichen Bildung erhöht wurde. Das ist aber auchkein Problem, da er im letzten Jahr stark gekürzt wurde.Jetzt kann man sich natürlich auf den Lorbeeren ausru-hen und sagen: Da gibt es eine Erhöhung um 23 Prozent.Nach wie vor zu wenig Geld fließt allerdings in dieBenachteiligtenförderung. Im Haushalt sind 67 Millio-nen Euro veranschlagt. Damit sind wir noch längst nichtauf dem Niveau von 2005. Frau Schavan, das Programmfür die „Zweite Chance“, für die Sie seit einem Dreivier-teljahr werben, suchen wir immer noch vergebens. DieZielgruppe dieses Programms ist es, die am meisten derFörderung bedarf. Wenn die Kanzlerin es ablehnt, dassdie BA-Überschüsse, die jetzt einmalig angefallen sind,auch für diese Zielgruppe eingesetzt werden, dann heißtdas, dass vielleicht mehr zusätzliche Ausbildungsplätzein diesem Jahr zur Verfügung gestellt werden, aber wie-der mehr Jugendliche auf der Straße bleiben als im letz-ten Jahr. Das ist das Grundproblem Ihrer Ausbildungs-politik.
Natürlich fehlt es an einer strukturellen Reform desBerufsbildungssystems. Ihr Innovationskreis hat nochnichts in Richtung Modularisierung und besserer Zertifi-zierung von Ausbildungsabschnitten zustande gebracht.Doch das müsste dringend eingeführt werden, um denjungen Menschen die Gelegenheit zu geben, überhaupteine Ausbildung zu machen.Das Thema Weiterbildung haben Sie erwähnt, abernur im Sinne von Standardsetzung. Ihr Innovationskreisbeschäftigt sich mit Qualitätssicherungsmanagement.„Wissensbasiert“ ist Ihr Lieblingswort. Aber es wirdkein Cent mehr für Weiterbildung ausgegeben. Das, wasSie ins Fenster hängen, ist das Bildungssparen. Bil-dungssparen kann ein Baustein im Rahmen einer gesam-ten Weiterbildungsstrategie sein, aber man kann nichteinseitig den Individuen die alleinige Verantwortung fürdie Weiterbildung aufbürden; denn dann können wiedernur bestimmte Menschen, die ein hohes Einkommen ha-ben, Weiterbildung finanzieren und die anderen bleibenaußen vor. Wir jedenfalls werden Ihnen bei diesemThema noch Nachhilfe geben.
Der Schwerpunkt der Ministerin soll die Forschungs-politik sein. Sie haben die Hightechstrategie vorge-stellt. Wir fragen uns, warum eigentlich eine Bauchla-denförderung eine gezielte Innovationsstrategie seinsoll.
Alles wird jetzt unter das Thema Hightechstrategie sub-sumiert. Wir haben vor allem drei Kritikpunkte an dieserHightechstrategie.Erstens. Alle Forschungsbereiche werden nach demKriterium der sofortigen Verwertbarkeit eingeordnet.Frau Sitte hat schon darauf hingewiesen. Es besteht na-türlich das Problem, die Forschung und kleine und mitt-lere Unternehmen zusammenzubringen und gute IdeenudGWdvkmwtsseWWd2dsdsGtcngkSsAmcHIvzA
ir brauchen auch einen Erkenntnisgewinn. Der istringend notwendig. In der Hightechstrategie wird aberor allen Dingen Ihre Technikzentriertheit deutlich. Dasann man der Hochglanzbroschüre wunderbar entneh-en.
Mein zweiter Kritikpunkt. Die öffentlichen Mittelerden nicht auf zukunftsträchtige Bereiche konzen-riert. Wenn Sie jetzt 11 Millionen Euro für Fusionsfor-chung ausgeben wollen,
tatt vorrangig das Geld für Klimaforschung und erneu-rbare Energien auszugeben, dann ist das eine falscheeichenstellung.
ir haben doch jetzt im Haushalt wieder das Problem,ass die Kosten für den Rückbau der Versuchsanlage auf35 Millionen Euro steigen. Das ist ein Fass ohne Bo-en. Jetzt wollen Sie auch noch Geld in die Fusionsfor-chung stecken. Das ist ein völlig falscher Ansatz.
Agrogentechnik ist kein Heilsbringer. Die Mehrheiter Bundesbürger und -bürgerinnen wollen das auf die-er Basis hergestellte Zeug nicht essen; sie wollen keinenfood. Also lassen Sie die Finger von der Agrogen-echnik und der zusätzlichen Förderung dieses Berei-hes!Warum wollen Sie so viel Geld in die Raumfahrttech-ik stecken, anstatt die Mobilitätsforschung und inte-rierte Verkehrskonzepte zu fördern? Warum gibt esaum Mittel für Innovationen im Dienstleistungssektor?chließlich leben wir in einer wissensbasierten Gesell-chaft und es ist zu erwarten, dass in diesem Sektor neuerbeitsplätze entstehen. Solche Weichenstellungen ver-issen wir in Ihrer Hightechstrategie.
Drittens. Ein Grundproblem ist, dass Sie Ihr Verspre-hen, die Geistes- und Sozialwissenschaften in Ihreightechstrategie einzubeziehen, nicht einlösen.
hre Hightechstrategie ist technologiefixiert. Sie wollenor allen Dingen Unternehmensentwicklungen unterstüt-en. Das sieht man auch bei der Sicherheitsforschung.ber es ist nicht nötig, Unternehmen zu unterstützen, die
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Priska Hinz
dank ihrer technischen Apparate schon jetzt sehr vielGeld verdienen.Wir haben noch viele Fragen zur Forschungsprämie.
Kollege Hagemann hat vieles vorweggenommen. Wirwerden dem nachgehen, damit es nicht zu Mitnahmeef-fekten kommt und tatsächlich Innovationen finanziertwerden können.Wir haben vor allen Dingen noch viele Fragen dazu,wie Sie eigentlich Nachwuchsförderung betreiben wol-len, Frau Schavan. „In kluge Köpfe investieren, klugeKöpfe gewinnen“ ist Ihr Motto. Aber zu dieser Ziel-gruppe gehören augenscheinlich nicht die Frauen. DieMehrzahl der Frauen in den Nachwuchsbereichen wirdvon der Vereinbarung „Realisierung der Chancengleich-heit für Frauen in Forschung und Lehre“ nicht mehr pro-fitieren können; denn das wurde ersatzlos gestrichen.Das ist eine falsche Politik.
Wir glauben, dass mehr Geld im Haushalt allein nichtausreicht, um eine zukunftsträchtige und innovative Po-litik zu machen. Deshalb können wir diesen Haushaltnicht unterstützen.Danke schön.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ilse Aigner, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Liebe Frau Kollegin Hinz, Ihr Vorwurf, FrauMinisterin Schavan tue nichts für die Geisteswissen-schaften, ist vollkommen aus der Luft gegriffen, umnicht zu sagen: absurd. Die Geisteswissenschaften habenin den letzten Jahrzehnten wahrscheinlich keinen so star-ken Aufwuchs erfahren. Man kann das so wirklich nichtim Raum stehen lassen.
Der Haushalt 2007 ist eigentlich der erste Haushaltder großen Koalition. Der Haushalt 2006 war mehr einÜbergangshaushalt. Ich wage, hier zu sagen: DieserHaushalt ist ein neuer Start. Mit den fünf Buchstaben desWortes „Start“ lassen sich fünf Themen verbinden: S wieSanieren, T wie Technologien, A wie Anreize, R wie Re-formen und T wie Talente.
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Geld allein ist aber nicht alles. Auch deshalb habenir diese Hightechstrategie entwickelt. Damit kommech zum Stichwort „Technologien“. Bei der Verfolgungieser Hightechstrategie ist zum ersten Mal ressortüber-reifend zusammengearbeitet worden. Man hat mir be-ichtet, dass in diesem Frühjahr alle an der Nanotechno-ogie beteiligten Ministerien dieser Bundesregierungum ersten Mal an einem Tisch gesessen haben, um sichber dieses Thema zu verständigen und eine Innova-ionsstrategie festzulegen. Das wird eine Kernaufgabeer Bundesregierung sein. Wie die Frau Ministerin ge-agt hat, ist es der Startschuss und eigentlich das Dreh-uch für die nächste Zeit. Am Ende dieser Legislatur-eriode werden wir damit mehr für Forschung getanaben und wir sind hoffentlich auf einem guten Weg inine innovative Gesellschaft.
Richtig ist auch, dass neue Themenfelder dazugekom-en sind, weil neue Herausforderungen entstanden sind.m Montag jähren sich zum fünften Mal die verheeren-en Attentate von New York. Es folgten Attentate inpanien und in England. Die EU hat dieses Thema auf-egriffen und im 7. Forschungsrahmenprogramm dieicherheitsforschung aufgenommen. Wir müssen diesuf nationaler Ebene flankieren.
Mit dem neuen Programm zur Sicherheitsforschungntwickeln wir das zivile Potenzial unserer Industrie auf
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Ilse Aignereinem weltweit wachsenden Sektor. Wie sehr dies im In-teresse der Menschen ist, ist uns erst im Juli wieder – lei-der – vor Augen geführt worden. Ich denke an die Kof-ferbomben, die Gott sei Dank nicht explodiert sind.Leider wollen dies offensichtlich einige im Haus immernoch zum Tabu erklären.Die Menschen haben dafür kein Verständnis.
Sie wollen und sie brauchen Sicherheit – Sicherheit vorterroristischen Anschlägen, vor Verbrechen und auchzum Schutz der Privatsphäre im vollelektronischen Zeit-alter. Es ist richtig, dass wir bis zum Ende der Legisla-turperiode 100 Millionen Euro in diesen Bereich inves-tieren. Es ist höchste Zeit.
– Nicht nur. Sehr geehrter Dispatcher, es ist ein neuerSchwerpunkt.Mit der Hightechstrategie kommen nicht nur neueThemen, sondern es gibt auch neue Instrumente. Die willich unter den Begriff der Anreize subsumieren. Wir spre-chen hier von der Vollkostenfinanzierung und von derForschungsprämie. Wir gehen damit neue Wege, etwasweg von staatlichen Steuerungsinstrumenten und mehrhin zu wissenschafts- und wirtschaftsgetriebener For-schung im Wettbewerb der Besten. Damit ist eindeutigunsere Handschrift erkennbar.Der so genannte Overhead auf eingeworbene Mittelder Deutschen Forschungsgemeinschaft stärkt die Hoch-schulforschung und ist das zentrale Angebot des Bundesfür den Hochschulpakt.
Mit diesem Aufschlag zur Deckung der Gemeinkostender Universitäten besteht noch mehr Anreiz, sich umdiese Mittel zu bemühen.
Die Forschungsprämie ist ein Kernelement derHightechstrategie.
Sie ist im Prinzip eine Art Overheadfinanzierung fürMittel, die man nicht aus dem öffentlichen Bereich, son-dern von der Wirtschaft akquiriert. Einig sind wir uns,glaube ich, darüber: Wir brauchen die Wirtschaft zur Er-reichung des 3-Prozent-Ziels.
Sie muss zwei Drittel des Volumens bringen. Deshalbmüssen wir die Anreize entsprechend setzen.Mit der Forschungsprämie konzentrieren wir uns aufden Mittelstand. Warum konzentrieren wir uns auf denMswtaseIesscA–dsmgnsdMtm–DbdGdgTnmükGH
Wichtig dabei ist, dass dies ein sehr unbürokratischesnstrument ist. Die Mittel werden nicht vergeben, weilin Programm aufgelegt wird, sondern weil aus der Wis-enschaft heraus ein Gedanke entsteht und dann gemein-am mit den Forschungseinrichtungen ein Projekt entwi-kelt wird. Damit wird sozusagen aus dem eigenennsatz heraus Forschung und Entwicklung betrieben.
Es geht bald los; ganz ruhig. Wir werden den Antragemnächst einbringen bzw. die Vorbereitungen sindchon getroffen.In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch ein-al darauf hinweisen, dass das Volumen des FH-Pro-ramms innerhalb von zwei Jahren verdreifacht wird,ämlich von 10 auf 30 Millionen Euro. Das ist eine rie-ige Leistung. Wir sind uns einig darüber, glaube ich,ass die Fachhochschulen der Motor schlechthin für denittelstand vor Ort sind.
Ich komme zum vierten Punkt: Reformieren ist wich-ig. Eine Reform hat uns direkt betroffen, die Föderalis-usreform. Trotz aller Unkenrufe ist sie gut gelungen.
Doch, sie ist gut gelungen.
ie Verantwortlichkeiten im Bildungs- und Forschungs-ereich wurden klar zugeordnet. Mit der Einigung überen Hochschulpakt haben wir eine verfassungsrechtlicherundlage geschaffen, auf der wir gemeinsam unter an-erem Programme zur Sicherung der Kapazitäten aufle-en können.Damit bin ich bei meinem letzten Punkt, nämlich denalenten. Ich glaube, das ist ein Punkt, der der Frau Mi-isterin ganz besonders am Herzen liegt. Sie betont im-er wieder, dass wir in unserem Land ohne die Talenteberhaupt nicht – jetzt hätte ich fast gesagt: überlebenönnen. Sie sind eigentlich die Basis. Aus diesemrunde müssen wir sie fördern. Deshalb werden wir denochschulpakt gemeinsam mit den Ländern aufstellen.
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Ilse AignerDas geschieht in diesem Herbst. Die Länder müssen daihren eigenen Beitrag leisten.
Das gilt aber nicht nur für die Hochschulausbildung,sondern wir müssen auch im Bereich der beruflichenBildung entsprechend die Weichen stellen. Hier gibt esmit „Jobstarter“ und „EQJ“ Programme, mit denen wirdafür sorgen, dass diejenigen, die noch nicht versorgtsind, unterkommen.Für mich ist aber viel wichtiger, dass Strukturrefor-men nach dem neuen Berufsbildungsgesetz auch durch-geführt werden. Die gestuften Ausbildungen, die derKollege Schummer gemeinsam mit dem Kollegen Brasevorangebracht hat und die schon in der letzten Legisla-turperiode eingeführt wurden,
müssen auch umgesetzt werden, damit junge Menschendie Chance erhalten, überhaupt in einen Betrieb einstei-gen zu können. Dies ist auch ein Beitrag zur Sicherungdes schon angesprochenen Fachkräftenachwuchses,den wir dringend brauchen und der in den nächsten Jah-ren fast zur Mangelware werden könnte. Deshalb wer-den wir unser Augenmerk darauf richten.Sehr geehrte Damen und Herren, noch einmal zusam-mengefasst: S wie Sanieren, T wie Technologien, A wieAnreize, R wie Reformen und T wie Talente – S-t-a-r-t:der Start in eine gute Zukunft.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Cornelia Pieper,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Eigentlich wollte ich zu Beginn meiner Rede nicht aufdie Föderalismusreform eingehen. Aber nachdemmeine Vorrednerin dieses Thema aufgegriffen hat, mussich es tun. Ich glaube, dass diese Föderalismusreformgerade für uns Bildungs- und Forschungspolitiker nichtder große Wurf ist, sondern eher nach hinten losgehenwird.
Denn es kommt in der globalen Welt von heute daraufan, dass wir fit werden für den Wettbewerb, dass der eu-ropäische Bildungsraum gestärkt wird, dass eine natio-nale Bildungs- und Forschungsstrategie entwickelt wird.Frau Ministerin, Sie haben in Ihren Reden vor Verbän-den, die ich gelegentlich verfolgen konnte, selbst aus-drücklich Wert darauf gelegt, dass Deutschland sich aneuropäischen, an internationalen Maßstäben ausrichtet.Aber mit dieser Föderalismusreform, mit dieser Zersplit-terung der Bildungslandschaft ist das in Zukunft ausmeiner Sicht nicht mehr leistbar.HddSnbskd9odllbdagWd5dfkb3d–wsklEBFBrsEdjch
Meine Damen und Herren, wir reden heute über denaushalt. Aber ich glaube, es ist wichtig, festzuhalten,ass Sie, Frau Ministerin, Ihrer Verantwortung als Bun-esbildungsministerin nicht gerecht geworden sind, seitie in diesem Amt sind. Denn Sie haben Bereiche ver-achlässigt, die für die Zukunft vieler Arbeitsloser, ins-esondere Langzeitarbeitsloser, in diesem Land ent-cheidend sind, ebenso für viele junge Menschen, dieeinen Schulabschluss schaffen und keine Berufsausbil-ung machen können. Das sind in DeutschlandProzent; jedes Jahr verlassen 82 000 junge Menschenhne Schulabschluss die Schule. Für diese Menschen istie Weiterbildung eine wichtige Säule der Bildungspo-itik; für sie ist es die Zukunft. So schaffen sie es viel-eicht überhaupt noch, in den Arbeitsmarkt zu kommenzw. zurückzukehren. Unter Ihnen, Frau Ministerin, istiese vierte Säule, die Weiterbildung, zum fünften Radm Wagen der Bildungspolitik dieser Bundesregierungeworden.
Ich will es einmal auf den Punkt bringen: Der Titel füreiterbildung und lebenslanges Lernen ist gegenüberen Istausgaben 2005 um 12 Prozent, mehr alsMillionen Euro, gekürzt worden. Dabei ist Weiterbil-ung – ich sage es noch einmal – der Schlüssel zum Er-olg auch bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosig-eit. Seit dem Jahr 2000 sind die jährlich neuegonnenen Maßnahmen von 520 000 um mehr als00 000 reduziert worden. Das ist ein Armutszeugnis fürie Bundesregierung.
Lieber Herr Tauss, hören Sie mir zu! Da können Sie et-as lernen.Was ich von manchen Bürgerinnen und Bürgern, dieich an die Arbeitsagentur wenden, da so zu hören be-omme! Eine Frau wollte eine Maßnahme zur Umschu-ung zur Altenpflegerin machen und konnte sogar eineinstellungsgarantie des Trägers vorweisen. Von derundesagentur hat sie einen Brief mit der Ablehnung derinanzierung dieser Weiterbildungsmaßnahme mit deregründung bekommen – ich zitiere –: Zudem ist zu be-ücksichtigen, dass die Dame X nach Abschluss der Um-chulung in der Altenpflege bereits 46 Jahre alt ist.rfahrungsgemäß haben Umschulungsabsolventen inieser Branche ohne Berufserfahrung im Vergleich zuüngeren Berufsanfängern ungünstigere Einstiegschan-en. Auch die Vorlage von Einstellungszusagen ändertieran prinzipiell nichts.
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Cornelia PieperMeine Damen und Herren, wir reden hier vom lebens-langen Lernen. Eine 46 Jahre alte Frau ist jung. Wir allesollten uns weiterbilden, egal wie alt wir sind. ÄndernSie also diese Strategie in Ihrer Arbeitsmarkt- und Bil-dungspolitik!
Zum Hochschulpakt. Frau Ministerin, hier wurde vie-les angesprochen. Ich möchte fragen, wie es um denHochschulpakt steht. Können Sie nach der von Ihnenunterstützten Föderalismusreform überhaupt noch dienötigen Initiativen entfalten? Da stellen sich mir vieleverfassungsrechtliche Fragen. Wann kommt der Paktkonkret?Wir haben gehört, dass der Studierendenberg anwach-sen wird. Das heißt, es geht vorwiegend um die Finan-zierung zusätzlicher Stellen in der Hochschullehre.Wenn man den Schlüssel von einem Professor auf20 Studierende zugrunde legt, dann würde das 35 000neue Stellen bedeuten. Die Spitzenuniversitäten in denVereinigten Staaten haben eine Relation von 1 : 10; andieser Stelle ist das einmal erwähnenswert. Bei uns liegtder Schlüssel bei 1 : 60. Da gibt es noch viel zu tun.Das bedeutet, Sie müssen hier zulegen. Sie müssenmehr Finanz- und Investitionsmittel für die Hochschuleneinstellen. Das Centrum für Hochschulforschung derBertelsmann-Stiftung hat im Juni dieses Jahres in einemGutachten bereits für 2007 ein Defizit von 36 000 Studi-enplätzen in Gesamtdeutschland aufgezeigt. Auch auf-grund der demografischen Entwicklung muss man be-rücksichtigen, dass gerade in den neuen Bundesländerneine ganz andere Situation eintreten wird. Im Westenwird der Studentenberg wachsen. An den Hochschulen imOsten Deutschlands jedoch werden zukünftig mehr Stu-dienplätze zur Verfügung stehen: bis 2009 15 000 freieStudienplätze, so wurde errechnet. In den alten Bundes-ländern dagegen wird es ein Defizit von 46 000 geben.Wir von der FDP erwarten von Ihnen eine Zukunfts-initiative für die Hochschulen in den neuen Bundes-ländern mit einem gezielten Hochschulmarketing nachder Devise „Go east!“, damit junge Studierende aus denalten Bundesländern mehr in Erwägung ziehen, auch anUniversitäten in den neuen Bundesländern zu gehen.
Die Weichenstellungen in diesem Haushalt werdenzeigen, ob Deutschland die forschungsbasierte Techno-logienation in Europa und der Welt sein kann. Ich finde,Sie gehen mit viel zu viel Ängstlichkeit und vielen ideo-logischen Prestigeprojekten voran, Frau Ministerin. Sieblockieren Initiativen auf europäischer Ebene. Sie habensich im Zusammenhang mit der Stammzellforschung Ih-rer Initiative im Rahmen des 7. EU-Rahmenforschungs-programms gerühmt. Wir verurteilen dies; denn so kannman nicht Innovationsmotor in Europa sein. Der Motorstockt doch, wenn Sie in der Grünen Gentechnik und derStammzellforschung, die in der regenerativen Medizinbzw. der Gesundheitsforschung ein wichtiger Bereichist, nicht vorangehen, wenn auch ethische Auflagen–sSädEmbmwFDAHündnEldgbs
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber mankann den Grund für etwas Zukünftiges legen – dennZukunft kann man bauen.as ist ein Zitat eines meiner Lieblingsschriftsteller,ntoine de Saint-Exupéry. Auf was, wenn nicht auf denaushalt für Bildung und Forschung, kann dieses Zitatbertragen werden und symbolhaft gelten?
Dieses Zitat gilt zunächst für das Volumen an sich,ämlich für den Aufwuchs um 6,2 Prozent. Wenn wiras von uns initiierte IZBB – ich finde, es ist immeroch ein wichtiges Programm –, das in einem andereninzelplan steht, zu dem Haushalt hinzunehmen, danniegen wir insgesamt bei 9,4 Milliarden Euro für Bil-ung, Forschung und Wissenschaft. Das ist schon einanz wichtiges Ziel, das wir in vielen Jahren erreicht ha-en.
Ob wir einen guten Grund für den Erfolg von For-chung, Wissenschaft und Bildung bauen, hat natürlich)
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Nicolette Kresslnicht nur etwas mit dem Finanzvolumen zu tun, sondernauch damit, wie gut und klug dieser Grund aufgebaut ist.Denn Innovationen und Entwicklungen in diesem Be-reich – ich will es einmal bildlich sagen – wachsen niefür sich allein. Es gehören immer ganz viele Elementezusammen, damit wir hier erfolgreich sein können. Wirmüssen sehr vieles im Bereich Bildung und Forschungverzahnen. Auch dafür gibt es in diesem Haushalt guteAnsatzpunkte.
Ich will drei Beispiele dafür nennen. Da ist zunächstdie Hightechstrategie. Es ist völlig richtig und ein guterSchritt, den schon in den letzten Jahren erfolgreichenAnsatz, Schlüsseltechnologien aufzugreifen, jetztressortübergreifend zu verfolgen. Damit erfolgt die Kon-zentration auf das Wesentliche.
In diesem Zusammenhang wird auch über eine For-schungsprämie gesprochen. Wir haben diesen Punktzwar noch nicht festgezurrt. Aber ich möchte dazu sa-gen, dass wir dies ausdrücklich unterstützen.
Aber wie in solchen Fällen üblich liegen die kritischenPunkte immer im Detail. Wir werden darüber noch mit-einander zu diskutieren haben; denn wir wollen, dass esfür die mittelständischen Unternehmen hier einen erfolg-reichen Ansatz gibt.
Frau Kollegin, die Kollegin Flach möchte Ihnen gerne
eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Ja.
Bitte schön.
Danke schön, Frau Kollegin. – Sie haben zu Recht
darauf hingewiesen, dass es sich im Prinzip nicht um
viel Neues handelt, sondern dass einfach der Versuch ge-
startet worden ist, Punkte endgültig zusammenzuführen.
Das haben wir alle schon immer eingefordert. Die Mi-
nisterin hat erklärt, mit dieser Strategie würden
1,5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. Können
Sie mir erklären, warum diese Maßnahme im Gegensatz
zur Vergangenheit in den nächsten Jahren greifen wird?
Sehr geehrte Frau Flach, ich kann mich überhaupt
nicht daran erinnern, dass Frau Ministerin Schavan ge-
sagt hat, dass diese Maßnahme jetzt sofort greifen wird.
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Wenn die Präsidentin es erlaubt.
Frau Kollegin, der von Ihnen besonders geschätzte
ollege Tauss möchte Ihnen gerne eine weitere Zwi-
chenfrage stellen. Lassen Sie diese zu?
itte schön, Herr Tauss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Kressl, ich möchte da gerne noch ein-
al nachfragen. Die Frage der Kollegin Flach impliziert,
ass dieser Punkt bisher nicht zur Kenntnis genommen
orden ist. Sollten wir uns nicht einmal darüber unter-
alten, welche Investitionen in Forschung und Entwick-
ung beispielsweise in den letzten Jahren zu neuen Ar-
eitsplätzen beigetragen haben? Die Firmen, vor allem
ie großen, machen heute Umsätze in Bereichen, die es
or fünf Jahren noch gar nicht gegeben hat. Auch im Ex-
ort stellen wir das fest.
Aus meiner oder unserer Region kenne ich die genaue
ahl nicht. Da möchte ich die Kollegin Kressl fragen, ob
ie diese kennt. Nach meiner Kenntnis sind allein in mei-
em Wahlkreis 12 000 sozialversicherungspflichtige Ar-
eitsplätze im letzten Jahr neu entstanden. Teilen Sie
eine Auffassung, dass der Pessimismus der Kollegin
lach an dieser Stelle nicht ganz zutreffend ist?
Sehr geehrter, geschätzter Herr Kollege Tauss!
ch glaube, die Frage von Frau Flach war nicht von Pes-imismus geprägt, eher von dem allerdings vergeblichenersuch, die Strategie, die wir bisher hatten, in Misskre-it zu bringen.
ch möchte Ihre Frage anhand eines konkreten Beispielseantworten: Wir haben sehr konkrete Zahlen über Ar-eitsplätze, die durch die Förderung neuer Energietech-ologien entstanden sind. Erst in der letzten Wocheaben wir erfahren, dass wir in kurzer Zeit
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Nicolette Kressl40 000 Arbeitsplätze durch die Investitionen im Bereichneue Energien, Solartechnik aufgebaut haben.
Damit haben wir kein Problem.
Wir sind davon überzeugt, dass es Sinn macht, bei derHightechstrategie – ich habe das schon erwähnt – auf be-stimmte Schlüsseltechnologien zu setzen. Dazu gehörtauch das Programm in der Sicherheitsforschung. Da-rüber wurde schon gesprochen. Wir stimmen dem auchzu.Für uns allerdings – darauf werden wir sehr genauachten – gehört die Atomenergie – dazu gibt es unter-schiedliche Positionen in den Fraktionen – nicht zu denzukunftsfähigen Schlüsseltechnologien. Ich erinnere andie Summe, die Herr Hagemann genannt hat, die wir imMoment für den Rückbau von Kerntechnikanlagen aus-geben müssen. Für uns ist es sehr wichtig, dass nichtdurch die Hintertür bei der Sicherheitsforschung Kern-forschung mitfinanziert wird. Das möchte ich auch nocheinmal für unsere Fraktion sehr deutlich sagen.
Frau Hinz, Sie haben gesagt, das sei nur technologie-orientiert. Es ist mir überhaupt nicht klar, wie Sie beidiesem Haushalt zu dieser Aussage kommen. Wir setzenin diesem Bereich noch einmal 50 Prozent Aufwuchsdrauf. Ich halte es für wichtig, das zu tun. Denn manmuss sehen: Innovationen entstehen aus Überschneidun-gen. Der Bereich der Geistes-, Sozial- und Kulturwissen-schaften leistet einen enormen Beitrag zur Förderungvon Innovation, auch wenn das nicht sofort ablesbar ist.
Deshalb unterstützen wir den Zuwachs in diesem Be-reich ausdrücklich. Diese wissenschaftliche Arbeit istfür die Zukunftsfähigkeit eines Landes genauso wichtigwie die auf den ersten Blick rein ökonomisch orientierteWissenschaft. Beide müssen zusammenarbeiten. So wer-den wir erfolgreicher sein, als wenn wir getrennt inSchubladen arbeiten und denken.
Ich möchte, weil ich gesagt habe, dass es neben demVolumen auch immer eine Verzahnung geben muss,noch einmal darauf hinweisen, wie eng die Hochschul-politik und die Ausbildungspolitik miteinander ver-zahnt sind.Wir wissen seit Jahren, dass es einen Verdrängungs-wettbewerb von Abiturientinnen und Abiturienten imAusbildungsbereich gibt. Ich habe kein Problem damit,wenn junge Menschen aus Überzeugung eine Ausbil-dung beginnen.Was wir aber nicht zulassen dürfen, ist, dass die jun-gen Menschen eine Berufsausbildung beginnen, weil sieihre Chancen nach einer akademischen Ausbildung sosmnsSsDBsnwHRdsBsWfmüdämm–lsmdFZharmZapSduwmgewds
ie Tendenz, dass inzwischen nur noch Realschüler inerufen genommen werden, bei denen früher Haupt-chüler eine Chance hatten, ist schlecht. Wir können daicht einfach zusehen. Das ist einer der Gründe, warumir eine gute Hochschulpolitik brauchen; denn guteochschulpolitik – über den Hochschulpakt wird Herrossmann noch etwas sagen – wirkt sich eben auch aufem Ausbildungsmarkt aus. Wir müssen das Thema ineiner Verzahnung sehen. Nur so können wir eine guteildungs- und Forschungspolitik machen.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Ausbildungagen. Die Zahlenbasis ist so unsicher wie selten zuvor.ir fürchten, dass die Zahl der Unternehmen, die ihrereien Ausbildungsplätze der Bundesagentur für Arbeitelden – man spricht von der Einschaltquote –, gegen-ber den letzten Jahren gesunken ist. Daraus folgern wir,ass die BA-Zahlen weniger aussagekräftig sind. Dasndert aber nichts daran, dass wir mit sehr viel Engage-ent in die Nachvermittlungsphase gehen müssen. Wirüssen uns auch um die Jugendlichen kümmern, dieich sage das in Anführungszeichen – ein ganz speziel-es Problem haben, die weniger akzeptiert werden, weilie etwa einen Migrationshintergrund haben oder – dasuss man ehrlicherweise hinzufügen – nicht ausbil-ungsreif sind.Ich will an die Debatte von heute Morgen anknüpfen.ranz Müntefering hat heute Morgen angekündigt, dieahl der Einstiegspraktika von 25 000 auf 40 000 erhö-en zu wollen. Das betrifft zwar nicht diesen Haushalt,ber es ist mit ihm verzahnt. Auch hier sind wir auf demichtigen Weg. Ich finde es gut, dass in diesem Zusam-enhang zusätzliche Mittel investiert werden.
um Thema Einstiegsqualifikationen muss man aberuch Folgendes sagen: Sie wurden Teil des Ausbildungs-akts, weil wir wissen, dass es Jugendliche gibt, diechwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu fin-en. Wir wollen aber nicht, dass verstärkt Realschülernd Abiturienten in diese Maßnahmen geholt werden. Esird auf die IHKs ankommen. Sie müssen bei der Ver-ittlung der Unternehmen sehr genau hinschauen. Esibt sehr viele IHKs, die sich auf diesem Gebiet schonngagieren. Wie gesagt: Einstiegsqualifikationen sindichtig, aber sie müssen zielgenau eingesetzt werden. Inen nächsten Wochen werden wir hier genau hin-chauen.
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Nicolette Kressl
Zusammenfassend sage ich – Frau Präsidentin, das istmeine letzte Bemerkung –: Wir sind sicher, dass dasFundament, auf dem die Zukunftsfähigkeit basiert, mit-tels dieses Haushalts weiter gestärkt wird. Frau Ministe-rin, die SPD-Fraktion unterstützt Sie ausdrücklich beider Umsetzung dieser Programme und beim Thema Ver-zahnung. Das wird umso besser gelingen, je stärker Re-gierung und Parlament verzahnt zusammenarbeiten.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Kai Gehring, Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Stellen Sie sich vor, es ist Geburtstag und fast niemandfeiert ihn. So geschehen vor wenigen Tagen, als dasBAföG 35 Jahre alt wurde. Frau Ministerin Schavan wardas Jubiläum des wichtigsten bildungspolitischen Förde-rungsinstrumentes lediglich ein paar kühle Zeilen wert.Deutlicher kann man seine Abneigung gegenüber die-sem Instrument kaum zeigen.
Dabei sorgt das BAföG bis heute dafür, dass mehrjunge Menschen, vor allem aus einkommensschwachenHaushalten, studieren können. Die Ausbildungsförde-rung ist ein zentraler Baustein für mehr Zugangsgerech-tigkeit und eine höhere Bildungsbeteiligung. Es ist be-zeichnend, dass Sie darüber in Ihrer heutigen Rede keinWort verloren haben. In Ihrem Haushaltsentwurf kürzenSie die Ausgaben für die BAföG-Empfänger um insge-samt 32 Millionen Euro. Das, was Sie bei der Begabten-förderung richtigerweise drauflegen, nehmen Sie denSchülern und Studierenden aus einkommensschwachenFamilien offensichtlich in dreifacher Höhe weg.
Für Ihre Kürzungen gibt es zwei mögliche Erklärun-gen. Entweder Sie planen Leistungseinschränkungen fürBAföG-Empfänger – –
– Schauen Sie doch einmal in Ihren Haushaltsentwurf.Beim „BAföG – Schülerinnen und Schüler“ ist ein Mi-nus von 10 Millionen vorgesehen und beim „BAföG –Zuschüsse an Studierende“ soll um 22 Millionen Eurogekürzt werden. So steht es jedenfalls in Ihrem Entwurf.Also entweder planen Sie Leistungseinschränkungen– das wäre angesichts der Einführung von Studiengebüh-ren in vielen Ländern ein weiterer Rückschlag für ein-kommensschwache Studierende – oder Sie rechnen mitsSsSqamgw1gFvhKSSasdandaKeb–mpHsdnsFmnvFiHb
Dass Sie dieses Ziel, die Anhebung der Studierenden-uote auf 40 Prozent, längst aufgegeben haben, lässtuch Ihr Haushaltsansatz für den Hochschulpakt ver-uten. Zunächst einmal ist vollkommen unklar, wofürenau die eingestellten 160 Millionen Euro ausgegebenerden sollen. Erwarten Sie etwa, dass der Bundestag60 Millionen Euro freigibt, ohne zu wissen wofür? Le-en Sie endlich ein Konzept für den Hochschulpakt vor,rau Schavan.
Wie wollen Sie den dringend notwendigen Ausbauon Studienplätzen fördern? Welche Konsequenzen zie-en Sie aus der Föderalismusreform und daraus, dassooperationen zwischen Bund und Ländern – anders alsie es ursprünglich wollten – möglich bleiben? Haltenie gebetsmühlenartig an Ihrer Umwegfinanzierung fest,lso nach dem Motto: „Der Bund gibt Geld für die For-chung und die Länder finanzieren die zusätzlichen Stu-ienplätze“, oder haben Sie endlich eingesehen, dassuch der Bund per Wissenschaftsförderung über deneuen Art. 91 b des Grundgesetzes direkt in den Ausbauer Studienplatzkapazitäten investieren kann und diesngesichts steigender Studierendenzahl dringend muss?
Wir Grüne haben schon im Februar dieses Jahres einonzept und einen umfassenden Forderungskatalog fürinen Hochschulqualitätspakt vorgelegt. Von Ihnen istis heute nichts Substanzielles dazu gekommen.
Das ist kein Regierungspapier, oder?
In jedem Fall muss wesentlich mehr Geld in den de-ografie- und bedarfsgerechten Ausbau der Studien-latzkapazitäten investiert werden, als von Ihnen imaushalt veranschlagt worden ist. Der Wissenschaftsratieht auf Basis einer eher konservativen Kalkulation füras nächste Jahr einen Bedarf von zusätzlich 400 Millio-en Euro für mehr Studienplätze. Frau Sitte hatte vorhinchon darauf hingewiesen. Das ist übrigens eine Zahl,rau Schavan, die Sie sich in Interviews zu Eigen ge-acht haben. Dennoch stellen Sie lediglich 160 Millio-en Euro für den Hochschulpakt zur Verfügung. Nochor wenigen Monaten hatten Sie in der mittelfristigeninanzplanung 210 Millionen Euro veranschlagt. Nunst es ein Viertel weniger; soviel zum Thema nachhaltigeaushaltspolitik.Damit gestehen Sie Ihre eigene Konzeptionslosigkeiteim Hochschulpakt und auch den schleppenden Fort-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4685
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Kai Gehringgang der Verhandlungen ein. Das Treffen in der Som-merpause musste ja abgesagt werden, weil alle im Ur-laub waren.
Ich hoffe, dass Sie sich jetzt schnell wieder zusammen-setzen, um Lösungen zu erarbeiten.
Es geht beim Kapazitätsaufbau nicht nur um Zahlen,sondern vor allen Dingen darum, wer in die Hochschu-len kommt und wer draußen bleiben muss.Sie haben die Mittel für die Juniorprofessur im Haus-haltsentwurf auf null gesetzt. Ich fände es sehr spannend,zu wissen, ob das wirklich im Hochschulpakt enthaltensein soll. Es stellt sich die Frage, ob diese im Hochschul-pakt eingeplant sind. Das wäre dann finanzpolitischeAugenwischerei.
Herr Kollege, ich bin sehr gespannt auf Ihren letzten
Satz.
Mein letzter Satz. BAföG und Hochschulpakt zeigen
aus unserer Sicht: Bei den wichtigen hochschulpoliti-
schen Instrumenten herrschen in Ihrem Haus entweder
Rotstift oder Konzeptionslosigkeit vor.
Als nächstes hat das Wort der Kollege Klaus-Peter
Willsch, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr verehr-ten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Als letzter Red-ner der CDU/CSU in dieser Debatte über den Einzelplan„Bildung und Forschung“ muss ich natürlich auf einigePunkte eingehen, die von Vorrednern hervorgehobenwurden.Frau Hinz, Sie haben sich darüber beklagt und die Ge-fahr an die Wand gemalt, dass die Gleichberechtigungder Frauen ins Hintertreffen geraten könnte. Ich binjetzt von zehn Rednern in dieser Debatte der dritteMann. Wenn dieses Parlament einigermaßen Spiegel un-serer Gesellschaft ist, dann ist es um die Frauen in For-schung und Bildung nicht schlecht bestellt.
Das ist ein weiter Weg, den ich jetzt gehe, aber ich willdies ansprechen, um zu verdeutlichen, wie dürftig dieKritik und die Argumente gegen den Entwurf waren, dievonseiten der Opposition vorgetragen wurden. Sie habenwkgrFmuWwnhHlglHdMdnsMfhgsmgsWiKsKDsIgsgU
ören Sie sich einmal an, wie das von denjenigen, die iniesem Bereich arbeiten, beurteilt wird. Professorlynek, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, hatazu gesagt: Das 6-Milliarden-Euro-Programm wird ei-en positiven Impuls für Deutschland als Innovations-tandort setzen. Gerade die Grundlagenforschung ist einotor für Innovationen und damit auch für Wertschöp-ung und die Entstehung neuer Arbeitsplätze. – Besserätte auch ich das nicht formulieren können.Hier schlagen Sie Schlachten, die niemand angefan-en hat. Denn gerade die Mittel für die Grundlagenfor-chung werden auf wirklich sinnvolle Weise vom Parla-ent bereitgestellt und vom Ministerium eingesetzt. Ichlaube, in dieser Frage hätte uns etwas mehr Gemein-amkeit und Übereinstimmung auch in der öffentlichenahrnehmung und Darstellung gut getan.
Ich will noch eines nachtragen – denn offensichtlichst das in der Sommerpause untergegangen –: Lieberollege Hagemann, Sie haben in einer Ihrer kurzen Zwi-chenfragen, die Sie im Wechselspiel mit dem Kollegenröning gestellt haben, nach der Umsetzung gefragt.er entsprechende Bericht liegt uns vor. Am 20. Juli die-es Jahres wurde er unseren Büros zugesandt.
ch habe eine Kopie dieses Berichts, die ich Ihnen gleicheben werde, bei mir, sodass auch Sie ihn sich an-chauen können. Lassen Sie uns dann in der Arbeits-ruppe und im Ausschuss in aller Ruhe beraten, wie diemsetzung in Zukunft angegangen wird.
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4686 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Klaus-Peter WillschEines muss klar sein: Wir brauchen in Zukunft nochmehr helle Köpfe in Deutschland. Im Hinblick auf dieLohnkosten können wir in Europa nämlich keinen Wett-bewerb gewinnen. Wir müssen, was die Ideen betrifft,besser und schneller sein, und wir müssen in der techni-schen Entwicklung vorne sein. Vor allem – das Schöneist, dass wir das in dieser Deutlichkeit nun erstmals inder parlamentarischen Beratung zum Haushaltsentwurffestgehalten haben – müssen wir all das zusammenfüh-ren und in Form einer Strategie, der Hightechstrategie,dafür sorgen, dass die Ideen, die bei uns entwickelt wur-den, in Patente, in die Produktion, in neue Verfahren, inden Markt und somit auch in den Export fließen.
Herr Kollege, der Kollege Kröning würde Ihnen
gerne eine Zwischenfrage stellen.
Jederzeit, Herr Kollege.
Bitte schön.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Willsch, da meine
Zwischenfrage Ihre Redezeit verlängert, dürften Sie ei-
gentlich kaum dagegen sein.
Sie haben eben den Bericht von Mitte Juli dieses Jah-
res in den Händen gehalten. Könnten Sie daraus bitte zi-
tieren, wie die Bundesregierung sicherzustellen gedenkt,
dass die Länder ihren Beitrag von 0,5 Prozent und wie
die Wirtschaft ihren Beitrag von 2 Prozent bis zum
Jahr 2010 leisten? Seien Sie doch so nett, dem Hause das
vorzutragen.
Herr Kollege Kröning, ich danke Ihnen für Ihre Zwi-schenfrage. Aber ich bin nicht geneigt, die mir für dieAntwort auf Ihre Zwischenfrage eingeräumte Zeit dafürzu verwenden, diesen Vermerk vorzulesen.
Er ist mir nämlich zu lang. Ich gebe ihn Ihnen oder demKollegen Hagemann ja gleich. Dann können wir uns inRuhe austauschen. Aber ich bitte um Verständnis dafür,dass ich das nicht für die richtige Form des parlamentari-schen Umganges halte.
Die Hightechstrategie habe ich bereits angesprochenund die Notwendigkeit betont, Ideen in Patente umzu-wandeln und diese Patente auf den Markt zu bringen.Hier ist bereits ein gutes Stück Arbeit geleistet worden.SaispldDeeZsaElvsdsnlrLeawshDwsfPetbelIkdett
Meine geschätzte Kollegin Aigner ist schon daraufingegangen, dass die Sicherheitsforschung in diesemusammenhang ein wichtiger Aspekt ist. Ich denke, die-es Thema sollten wir wirklich sehr ernst nehmen. Dennuf diesem Feld haben die Bürger ganz besonders hoherwartungen an uns, und zwar zu Recht.Schon im vordemokratischen Staat war die Gewähr-eistung der Sicherheit der Einwohner die höchste undornehmste Pflicht eines Staates. Das ist nach wie voro, insbesondere angesichts der Bedrohungsszenarien,ie wir erleben und die zum Teil dafür sorgen, dass wirprachlos sind und um Antworten ringen müssen. In ei-em solchen Fall können wir nicht ganz selbstverständ-ich sagen, dass sich schon alles regeln wird. Des Öfte-en müssen wir leider zur Kenntnis nehmen, dass daseben riskant ist – jeden Tag. Gleichwohl hat der Bürgerinen Anspruch darauf, dass wir uns ihm gegenüber ver-ntwortlich zeigen, auch durch die Förderung von mitissenschaftlicher Akribie betriebener Sicherheitsfor-chung, und das Menschenmögliche tun, um die Sicher-eit zu gewährleisten. Das werden wir tun: Wir werdeneutschland so sicher machen, wie das eine Regierung,ie das ein Parlament in einem Land überhaupt organi-ieren kann. Deshalb ist es wichtig, dass die Sicherheits-orschung einen Schwerpunkt darstellt.
Ich möchte auf einen kleinen Dissens, den es unterartnern geben kann – sonst wäre das Leben langweilig –,ingehen. Lieber Kollege Hagemann, Sie haben die Kos-en für die Entsorgung des besagten Nuklearmaterialseklagt. Sie wissen, dass nicht alles davon mit Kern-nergie zu tun hat, sondern dass es um Material aus al-en möglichen Bereichen der Grundlagenforschung geht.
n diesem Zusammenhang erlaube ich mir die Bemer-ung – auch wenn es im Koalitionspapier erst einmal an-ers steht, wird man darüber diskutieren dürfen –, dasss besonders ärgerlich ist, dass wir, wenn schon die Kos-en da sind, auf die Erträge aus diesem Bereich verzich-en wollen. Die könnten wir ganz leicht mitnehmen,
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4687
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Klaus-Peter Willschwenn wir uns dafür entschieden, die Kernkraftwerke einbisschen länger laufen zu lassen.
Das wäre gut für unser Land, das wäre gut für die Ener-gieversorgung unserer Bürger, die dadurch kostengünsti-gen Strom bekämen. Jedenfalls wäre das klüger, alswenn man sie stattdessen mit Atomstrom aus Frankreichversorgt.
Bei diesem Thema werden wir geistig beweglich bleibenmüssen,
über dieses Thema werden wir unter Partnern weiterstreiten müssen.Mit der Forschungsprämie betreten wir Neuland. Ichbin im Sommer immer in meinem ganzen Wahlkreis un-terwegs, besuche vor allen Dingen Firmen. Wir habenAusbildungsplätze mobilisiert und dabei auch über dieForschungsprämie gesprochen. Sie ist sehr positiv auf-genommen worden, es gab sehr positive Resonanz. Dennmit der Forschungsprämie rücken die Unternehmen stär-ker in das Blickfeld der universitären und der außeruni-versitären Forschungseinrichtungen. Zum Zweiten gibtes mit Blick auf KMU einen erheblichen Aufwuchs derForschung durch Fachhochschulen. Denn häufig hat derBetrieb vor Ort bereits eine Kooperation mit Werkstu-denten, mit Studenten, die ihre Diplomarbeit schreiben,oder Absolventen, die ihre Doktorarbeit schreiben, kenntdie Leute schon, und sieht jetzt eine neue Möglichkeit,die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung zuintensivieren. Genau das ist es, was wir in Deutschlandbrauchen. Den Schwerpunkt auf KMU zu setzen, wardeshalb völlig richtig. Wir werden uns, wenn es um dieFeinsteuerung geht, sicher noch verschiedentlich imHaushaltsausschuss mit diesem Thema beschäftigen.
Ich warte geradezu sehnsüchtig auf die Frage der Prä-sidentin nach meinem letzten Satz.
Ja.
Ich erspare Ihnen die Mühe, mich insofern zu ermah-
nen. – Ich will zum Schluss ein kleines Schmankerl brin-
gen.
Aber nur ein ganz kleines!
Ein ganz kleines. – Die „Bild“-Zeitung hat am letzten
Freitag Millionen von Lesern verkündet: Wer faul ist,
kann eigentlich nichts dafür. Wissenschaftler der Univer-
sität Minnesota haben das Stubenhockergen gefunden.
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Es spricht der Kollege Dr. Dieter Rossmann, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ls allerletzter Redner seitens der SPD-Fraktion mussch noch einmal an die letzte Parlamentsdebatte anknüp-en, als wir die Föderalismusreform verabschiedet ha-en. Der Sprecher des kleinsten Koalitionspartners, derSU, Herr Dr. Ramsauer, hat letztens erklärt, die SPDei fürchterlich unzuverlässig, weil sie bei der Föderalis-usreform nicht Ruhe gegeben hätte, bis sie noch etwasurchgesetzt hatte.
ir freuen uns, dass wir die Kooperation des Bundes miten Ländern im Wissenschaftsbereich durchsetzenonnten. Es ist uns ein Bedürfnis, Ihnen, Frau Aigner, zuagen: Sie haben den Kopf damals hochgereckt, Sie dür-en ihn aufbehalten. Es ist gut, dass wir an dieser Stelleemeinsam etwas frei geschlagen haben, damit es einenuten Hochschulpakt geben kann.
Nach diesem Lob für Frau Aigner will ich umgekehrteicht süffisant sagen: Sie haben sich ja viel Mühe mitem Start gegeben. Wir können aber ganz selbstbewusstagen: Wir laufen schon seit langem, nämlich seit 1998,rfolgreich – und nun laufen Sie mit. Das mag gut sein.
an kann das auch anhand von Zahlen deutlich machen:lle in diesem Raum wissen, dass die Zahlen für Bil-ung und Forschung bis 1998 nach unten gingen, weilDU/CSU und FDP regiert haben. Seit 1998 gehen sieach oben, weil die SPD regiert, und zwar zuerst mit denrünen und danach mit der CDU/CSU. – Insoweit kön-en wir das abwandeln, was uns gestern Ihr Fraktions-orsitzender ins Stammbuch schreiben wollte, dereinte, es sei immer dann gut, dass die SPD regiert,enn die CDU/CSU dabei sei. Wir sagen es jetzt anders:
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4688 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Dr. Ernst Dieter RossmannEs ist immer gut für Bildung und Forschung, wenn dieSPD in Deutschland regiert.
Ich komme auf den Ausgangspunkt zurück, nämlichauf die Föderalismusreform, mit der uns in der Tat einegemischte Speise aufgetischt worden ist. Wir haben aus-drückliche Kompetenzen in der Bildungsforschung undin der Bildungsberichterstattung. Daneben haben wirgroße Verantwortung und Kompetenz in der beruflichenBildung und wir haben die Förderkompetenz im Hoch-schulbereich. Zu diesen drei Punkten möchte ich einigeAnmerkungen machen und auch das in meine Ausfüh-rungen aufnehmen, was von den verschiedensten Kräf-ten hier gesagt worden ist.Frau Ministerin, für den Bereich der Bildungsfor-schung haben Sie meine ausdrückliche Anerkennungdafür, dass die Mittel dort beträchtlich steigen und es da-mit zu einer Unterfütterung für die nationale Bildungs-berichterstattung kommt. Dieses Instrument sollten wirnutzen. Wir Sozialdemokraten können uns gut vorstellen– bei Ihnen ist das sicherlich nicht anders –, dass der na-tionale Bildungsbericht Gegenstand einer Parlamentsbe-ratung wird. Wir fordern von hier aus auf, dass das auchin allen Länderparlamenten geschieht.
Wenn es eine nationale Bildungsverantwortung gibt,dann müssen sich Bund und Länder gemeinsam bemü-hen, aus diesem Instrument etwas zu machen und dieBildungsforschung in den Blick zu nehmen.Wir haben heute bei der Beratung über den Haushaltdes Arbeits- und Sozialministers gehört, dass es bezüg-lich der beruflichen Bildung eine breite Zustimmungfür die Nutzung der verschiedensten Instrumente gibt. Esist wichtig, dass auch etwas umgesetzt wird. An dieserStelle äußere ich meine ausdrückliche Freude darüber,dass es in der Sommerpause gelungen ist, für Jugendli-che mit Migrationshintergrund zusätzliche Plätze in derüberbetrieblichen Ausbildung zu mobilisieren.
Das schafft Vertrauen darin, dass dem inhaltlichen An-liegen, das damals während der Rütli-Debatte vorge-bracht wurde, entsprochen wird. Bisher sind es5 000 Plätze und es kommen noch 2 500 hinzu. Dabeimuss es nicht bleiben; denn wir haben eine ganz großeVerantwortung dafür, in diesem Bereich Verlässlichkeitzu erreichen und für Qualifikation zu sorgen.Wir erkennen ausdrücklich an, dass die Ministerinden Anteil derer, die von der Hochbegabtenförderungprofitieren und ein entsprechendes Stipendium erhalten– das bezieht sich auf den beruflichen und akademischenBereich –, von 0,7 Prozent auf 1 Prozent anheben will.Dies wird von uns mitgetragen. Das ist eine richtige Ent-wicklung. Das andere große Förderwerk, das wir inDeutschland haben, das BAföG, darf darunter aber nichtleiden.UkswtDWcpsEuiFEslfdlvvWbeeMpssrEsdglnldTb
ir werben allerdings dafür, das BAföG weiterzuentwi-keln.Wir haben jetzt die Chance, einen guten Hochschul-akt zu entwickeln, in den wir das aufnehmen, waschon im Pakt für Forschung und Innovation und mit derxzellenzinitiative unter der Regierung von Schrödernd Bulmahn auf den Weg gebracht wurde. Dies findetn der Hightechinitiative und im Hochschulpakt eineortsetzung.Es wird vielfach gefragt, welches die wesentlichenlemente des Hochschulpakts seien. Man kann das nichtagen, bevor man nicht in die abschließenden Verhand-ungen mit dem Partner eingetreten ist. Es hat hier Zwei-el gegeben, ob die diese Koalition tragenden Fraktionener CDU/CSU und der SPD die Ministerin nachdrück-ich darin unterstützen, Entsprechendes einzufordern:on der Wirtschaft, wenn es um Forschung geht, undon den Ländern, wenn es um Hochschulbildung geht.ir wollen hier noch einmal ausdrücklich sagen: Sie ha-en jede Rückendeckung dafür, dass in diesen Bereichenin Gemeinschaftswerk zwischen Bund und Ländernntsteht.
Es mag bei den jeweiligen Akzenten unterschiedlicheeinungen geben. Folgende Elemente des Hochschul-aktes zeichnen sich aber ab:Erstens. Die Vollkostenfinanzierung wird Teil einesolchen Hochschulpakts sein.Zweitens soll eine Förderung über Lecturer möglichein. Vielleicht kann man die Juniorprofessur als weite-es Element einbeziehen.
s geht also um die unmittelbare Förderung von Lehre.Dritte Komponente wird die Förderung von Frauenein müssen, weil die Frauen einen wesentlichen Anteiler wachsenden Studierendenzahl darstellen werden. Eseht hierbei um wesentliche Ressourcen, die sich end-ich auch in einem erfolgreichen Studium entfalten kön-en müssen.
Viertes Element ist die Stärkung der Fachhochschu-en. Die Fachhochschulen sind ganz wichtige Ausbil-ungsträger im Hochschulbereich; sie haben eine langeradition. Momentan kann man ein Zusammenwachseneobachten, sodass man alte Debatten über Gesamthoch-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4689
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Dr. Ernst Dieter Rossmannschulen fast vergessen kann. Wir sagen von uns aus:Man sollte natürlich auch Aspekte wie die Erforschungbesserer Lehre berücksichtigen.Eines ist wichtig: Es darf nicht nur ein Pakt der Quan-tität entstehen; es muss auch ein Pakt der Qualität wer-den.
Man sollte deutlich machen, dass hier zwei Elementemiteinander verbunden werden: Auf der einen Seite wer-den die Ingenieur- und Naturwissenschaften ausgebaut;auf der anderen Seite werden die Mittel für die Geistes-und Sozialwissenschaften verdoppelt. Da diese Kompo-nente hinzukommt, handelt es sich um eine ganzheitli-che Strategie. Wir sind darauf angewiesen, dass an denHochschulen der Zukunft berufsbezogen, wissenschafts-orientiert, gleichzeitig aber auch gesellschaftlich und so-zial verpflichtet studiert wird. Diese Koalition geht da-ran, die Umsetzung dieses Vorhabens materiell zuunterfüttern.
Die Aussage in Bezug auf Kapazitäten und Qualitätenist uns wichtig, weil wir – ohne das mit Häme zu beglei-ten – wissen, in welch unterschiedlichem Maße dieLänder bisher daran beteiligt sind, Studienplätze zurVerfügung zu stellen und Wissenschaftsressourcen zumobilisieren: Bayern hat ein Prä bei der Mobilisierungvon Wissenschaftsressourcen, aber nicht bei der Ausbil-dung von Studierenden. Wir haben Stadtstaaten, die sichin beiden Bereichen, vor allen Dingen im Ausbildungs-bereich, stark engagieren. Wir haben ein großes Flächen-land wie NRW, das sich vor allen Dingen bei den Stu-dienplatzkapazitäten engagiert.Es wird ein Kunststück sein – aber wir werden Sie da-bei unterstützen –, die verschiedenen Interessen so untereinen Hut zu bringen, dass der Hochschulpakt tatsäch-lich als Botschaft für die Zukunft in Deutschland wirkenkann. Sie sollen von uns jede Unterstützung bekommen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Noch eine kleine Bemerkung: Vielleicht wären wir
schon weiter, wenn man sich in diesem Hause früher auf
eine kleine, aber wichtige, milliardenschwere Verände-
rung hätte einigen können: Hightech statt Hausbau. Wir
hätten schon drei Jahre weiter sein können. Dass wir es
jetzt erreichen, freut uns auch. Die Hightechinitiative ist
auf gutem, gemeinsamem Boden gewachsen.
Danke schön.
Damit ist die Aussprache zu diesem Geschäftsbereichabgeschlossen.msuZZsmsVrmDDlwldmsgfsdLsB
Wenn aus insgesamt 6,5 Milliarden Menschen aufieser Erde demnächst 9 Milliarden werden und immerehr Menschen auf begrenzte Rohstoffe und Energiere-erven zugreifen, deren Preise dadurch ständig anstei-en, dann drohen nicht nur extreme wirtschaftliche Ge-ahren für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland, weilich die Preissteigerungen auf die Produkte auswirken,ie wir auf dem Weltmarkt absetzen müssen – wenn sichänder wie China in neomerkantilistischer Weise Roh-toffquellen kaufen, dann ist das für ein Land wie dieundesrepublik eine wirtschaftliche Gefahr –, sondern
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Bundesminister Sigmar Gabrieles droht auch die Zunahme von Krieg und Bürgerkriegum Rohstoffquellen.Die Alternativen liegen auf der Hand – sie sind wederteuer noch unerreichbar –: mehr Effizienz in der Nut-zung von Energie und Rohstoffen und verstärkter Ein-satz von natürlichen und nachwachsenden Rohstoffenstatt der Abhängigkeit von begrenzten und damit knap-per werdenden Rohstoffen. Damit wächst nicht nur dieUnabhängigkeit von knappen und teuren Rohstoffen;vielmehr können wir beginnend bei dem Rohstoffeinsatzund dem Produktdesign auch die Gesundheits- und Um-weltgefahren immer weiter abbauen und die Schwierig-keiten bei der Nachnutzung oder Entsorgung immer wei-ter reduzieren.Die Einsatzgebiete sind praktisch unbegrenzt. Soforscht beispielsweise die Deutsche Gesellschaft fürLuft- und Raumfahrttechnik am ForschungsflughafenBraunschweig über den Ersatz von Metall und Kunst-stoff durch Materialien aus nachwachsenden Rohstoffenim Flugzeugbau. Die Weiße Biotechnologie nutzt Mi-kroorganismen und Enzyme, um schadstoffhaltige Pro-zesse zum Beispiel in der Chemieindustrie zu ersetzen.Sie ermöglicht zudem den völlig unproblematischenEinsatz der Gentechnik, weil sie dort nur in geschlosse-nen Kreisläufen eingesetzt wird.
Die Nanotechnologie kann eine erhebliche Verringerungdes Energie- und Rohstoffeinsatzes ermöglichen. – Ge-rade ein Hochtechnologieland wie Deutschland kanndiese Alternativen nutzen und daraus enormen wirt-schaftlichen Erfolg ziehen. Sie sind eine Riesenchancefür wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze, aberauch für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundla-gen für uns und die künftigen Generationen.
In diesem Sinn verstehen die Regierungskoalition unddas Bundesumweltministerium ihre Arbeit in dieser Le-gislaturperiode. Der Haushaltsentwurf 2007 setzt erneutentsprechende Schwerpunkte. Ich will nur einige Bei-spiele nennen.Das erste Beispiel sind die erneuerbaren Energien.Die Haushaltsansätze für Forschung und Entwicklungerneuerbarer Energien wurden und werden unter dieserBundesregierung kontinuierlich und deutlich aufge-stockt. 2005 haben sie noch 45 Millionen Euro betragen.2006 waren es bereits 83 Millionen Euro. 2007 sind es88 Millionen Euro und bis 2009 erfolgt ein jährlicherAufwuchs um 5 Millionen Euro. Auch der Abfluss derHaushaltsmittel ist in diesem Bereich trotz des späten In-Kraft-Tretens des Haushaltes 2006 bis Ende August miteinem vergleichbaren Volumen bewältigt worden: 2005waren es 25,3 Millionen Euro; 2006 waren es in nur we-nigen Wochen – genau gesagt: in sieben Wochen –25 Millionen Euro. Vorliegende Anträge werden seitJahresanfang kontinuierlich bewertet und die Bewilli-gung wird vorbereitet.zIdHidddnpdgBtgn2g2nMdwgpbAcspsmhrSrsududegrtFJgnh
Das zweite Beispiel ist das Marktanreizprogramm.ei der Beratung des Haushaltes gibt es zwei Botschaf-en. Die gute Botschaft lautet: Das Marktanreizpro-ramm entwickelt sich insbesondere im Bereich der er-euerbaren Wärme ungeheuer rasant. Im ersten Halbjahr006 wurden doppelt so viele Anträge gestellt wie imesamten Vorjahreszeitraum. Bereits jetzt sind es5 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2004.Ich weiß, dass bei den letzten Haushaltsberatungen ei-ige Kollegen darauf hingewiesen haben, dass es hierittelabflussprobleme gibt. Das hatte damit zu tun, dassas Programm noch nicht so bekannt war. Außerdemaren damals die Rohstoffpreise niedriger. Das Pro-ramm hat nun sehr großen Zulauf und schafft Arbeits-lätze im Handwerk. Das führt aber zu folgenden Pro-lemen: Da beim BAFA momentan kistenweise neuenträge eingehen – es sind 1 300 pro Tag; im Wesentli-hen betreffen sie den Bereich der erneuerbaren Wärme –,ind die begrenzten Mittel in Höhe von 180 Millionenro Jahr relativ schnell am Ende. Wir haben diesen An-atz zwar im letzten Haushaltsjahr verstetigt. Aber wirerken, dass wir an unsere Grenzen stoßen. Wenn wirier industriepolitisch und ökologisch genauso erfolg-eich sein wollen wie im Bereich des erneuerbarentroms, dann werden wir in den nächsten Monaten da-über nachdenken müssen, wie wir die Entwicklung ver-tetigen können und welche Konzepte notwendig sind,m das begrenzte Mittelvolumen so zu organisieren,ass wir der sich abzeichnenden Tendenz nachkommennd damit sowohl etwas für das Klima als auch etwas fürie Arbeitsplätze im Handwerk tun können.
Das Förderprogramm für erneuerbare Wärme ist dasine. Das andere ist das CO2-Gebäudesanierungspro-ramm. Bei diesem Programm, das für den Umweltbe-eich wichtig ist und beim Kollegen Tiefensee ressor-iert, lässt sich die gleiche Entwicklung beobachten. Derinanzminister hat bereits angekündigt, dass in diesemahr 350 Millionen Euro – aus den Folgejahren vorgezo-en – zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, damit esicht zu einem Antragsstau kommt.Das dritte Thema ist die Ressourceneffizienz. Es istöchste Zeit, dass wir uns mit dem Thema Effizienz stär-
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Bundesminister Sigmar Gabrielker als in der Vergangenheit auseinander setzen. DieWeltmarktpreise für importierte Rohstoffe im Euroraumsind von 2000 bis 2005 um 81 Prozent gestiegen. Diebeste Möglichkeit, hiergegen etwas zu unternehmen, ist,effizienter mit Rohstoffen und Energie umzugehen.Schließlich sind 40 Prozent der Kosten im produzieren-den Gewerbe Materialkosten. Die durchschnittlichenLohnkosten liegen dagegen nur bei rund 25 Prozent. An-gesichts dessen bin ich verwundert, warum wir täglichdarüber diskutieren, wie wir den Faktor Arbeit preiswer-ter machen können, was meistens dadurch geschieht,dass Menschen arbeitslos gemacht werden. Wir solltenstattdessen darüber reden, wie sich die Material- und dieEnergieeffizienz erhöhen lassen. Es ist doch besser,wenn wir Megawattstunden arbeitslos machen als Men-schen.
Für das Bundesumweltministerium steht die Arbeit imBereich „Forschung und Energie“ im Mittelpunkt, genauwie die Debatte in der EU über die Ökodesignrichtliniesowie der Dialog mit Gewerkschaftern und Unterneh-mern über eine stärkere Material- und Rohstoffeffizienz.Das vierte Thema ist der Klimaschutz. Ich wiederholedas, was ich in der Debatte über den Nationalen Allo-kationsplan und in Fragestunden gesagt habe. Ursprüng-lich war für die zweite Periode des Emissionshandels zurReduzierung der Treibhausgase, zur Verbesserung desKlimaschutzes und zum Erreichen der Klimaschutzzielein Deutschland eine Reduzierung der CO2-Gase um21 Prozent bis 2012 geplant. Das werden wir sicherlichschaffen. Damals wurde prognostiziert, dass man in derzweiten Handelsperiode rund 500 Millionen TonnenCO2 emittieren muss. Wir haben einen Nationalen Allo-kationsplan vorgelegt, der 471 Millionen Tonnen CO2vorsieht, also deutlich ambitionierter ist als das, was inder letzten Legislaturperiode als notwendig vorhergesagtwurde. Damals hatten wir eine Reduzierung von3 Millionen Tonnen CO2. Nun sind es 15 Millionen Ton-nen, die wir sozusagen als Senkung eingebaut haben.Damals musste die Energiewirtschaft 3 Prozent Senkungtragen. Nun sind es 15 Prozent. Ich halte das für einenaußerordentlichen Erfolg dieser Regierungskoalition.Denjenigen, die behaupten, wir täten nichts, und das Jahr2005 mit relativ geringer Emission herausgreifen, sageich: Wir können und dürfen uns nach den europäischenVorgaben nicht auf ein Jahr verlassen. Vielmehr müssenwir die Durchschnittszahlen von 2002 bis 2006 zugrundelegen.Zum Thema Auktionierung: Ich wünsche mir, dasswir schnell zu einer Auktionierung kommen. Aber dannbrauchen wir vorher Wettbewerb auf dem Strommarkt.Sonst steigen die Preise weiter. Wir hätten dann nichtmehr Geld und würden den Verbrauchern das Geld nurschneller aus der Tasche ziehen.
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Ich kann Sie leider nicht verstehen. Das Klatschen warauter als Ihr Zwischenruf. Ich glaube, das ist auch be-echtigt. Aber Sie werden zu diesem Thema ja mit Si-herheit noch Wesentliches beitragen.Eine letzte Bemerkung zum Thema Atomenergie. Ichill angesichts der Debatte über Forsmark und Bruns-üttel nur sagen, dass es bei der Haltung der Bundesre-ierung bleibt. Wir wissen, dass es sich dabei um eineritische Technologie handelt, und wir werden – das istie gemeinsame Position beider Koalitionsparteien – aufie Sicherheit keinen Rabatt geben. Daran gibt es keinenweifel.
Wir haben den Betreiber von Brunsbüttel aufgefor-ert, uns die technischen Nachweise für seine Behaup-ung zu erbringen, es gäbe bei ihm keine Wechselrichter-roblematik wie in Forsmark, weil eine andereechnologie verwendet werde. Er hat diese Nachweiseis heute nicht erbracht und hat sich entschieden, zu sa-en: Wir werden die gesamte Technik austauschen, umns überhaupt nicht mehr davon abhängig zu machen. –as zu kritisieren, halte ich für einen relativ abenteuerli-hen Vorgang; denn das ist der Beweis dafür, dass esichtig war, nach Forsmark den Betreibern nicht zu hun-ert Prozent zu glauben, sondern ihren Behauptungenachzugehen und sie zu prüfen.Die Betreiber von Brunsbüttel haben nachgemeldet,ass es doch mehr Probleme gebe, als sie ursprünglichedacht haben. Wir haben den Druck auf dem Kessel ge-alten, um im Ergebnis eine Lösung zu finden. Jetzt zuagen: „Ihr müsst die abschalten“, und dabei zu ignorie-en, dass es trotz eines denkbaren Ausfalls der Wechsel-ichter eine gesicherte Notstromversorgung gibt, heißt,en Bund zur Willkür aufzufordern. Das gab es früher
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4692 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Bundesminister Sigmar Gabrielnicht – das ist vernünftig gewesen – und das wird esauch unter der neuen Regierung nicht geben.
Es bleibt dabei: Wir geben beim Thema Sicherheitkeinen Rabatt. Es bleibt auch bei der Koalitionsverein-barung. Ich habe, wie gesagt, der vorhergehenden De-batte gelauscht. Mir fiele zum Thema Strompreise eini-ges ein, insbesondere die Tatsache, dass wir nochKernenergie nutzen und die Preise trotzdem steigen. Ichverstehe daher nicht, dass man sagen kann, dass durchdie Nutzung der Kernenergie die Preisstabilität gewähr-leistet werde. Wir erleben derzeit das Gegenteil.Meine Redezeit ist um. Ich bin mir aber sicher, dasswir hier noch gelegentlich über dieses Thema zu spre-chen haben.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch, FDP-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Blickenwir auf das Jahr 2007 – über diesen Haushalt beraten wirheute –, so sind vor allem die deutschen Präsident-schaften in der Europäischen Union und in der Gruppeder G-8-Staaten von herausragender Bedeutung. In die-sen Präsidentschaften geht es um nicht mehr und nichtweniger als um einen Planeten, den wir für unsere kom-menden Generationen lebenswert erhalten wollen.Es geht darum, die anstehenden Veränderungen derwirtschaftlichen Strukturen durch Innovationen zu be-schleunigen, damit – das ist unser Ziel – Europa weiter-hin einer der Technologieführer in der Welt bleibt.
Deshalb muss Deutschland eine Priorität seiner Präsi-dentschaften auf die Themen Energiesicherheit undKlimaschutz setzen. Beides ist untrennbar miteinanderverbunden. Dabei geht es aber nicht nur um die Aufga-ben des Bundesumweltministers und des Bundeswirt-schaftsministers. Ich würde mich freuen, wenn die Kanz-lerin selbst diesen Themen in den Präsidentschaften, dievor uns liegen, das notwendige Gewicht gibt.
Die jüngsten Zahlen zeigen, wie dringlich schnellesweltweites Handeln ist; denn nach einer aktuellen Studieder Internationalen Energieagentur werden die CO2-Emissionen bis 2050 um 137 Prozent steigen, wenn wirnichts verändern. Es geht also kaum noch um Reduzie-ren, sondern es geht darum, den Anstieg zu verringern,der vor uns liegt. Das erfordert eine globale Klima-schutzoffensive mit dem Ziel einer CO2-armen Wirt-schaft. Vor allem Energieeffizienz und die CO2-Abschei-dung bei Kohlekraftwerken haben global die größtenEinsparpotenziale für CO2.nndudesfbMKwnsbdfnugbiwaDsLssrEdvWhmgBktgd1abnsOz
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4693
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Herr Gabriel, wir wollen die Emissionszertifikate indem Umfang versteigern lassen, wie es die EU zulässt.Das wäre im Interesse auch der Verbraucherinnen undVerbraucher. Die Zertifikate sind sowieso in die Energie-preise eingerechnet. Wenn Sie sie versteigern würden,könnten Sie die eingenommenen Mittel nutzen, um dieStromsteuer zu senken. Das würde die Strompreise fürdie Verbraucherinnen und Verbraucher senken und nichtsteigern.
Ich möchte auch die Kolleginnen und Kollegen von derLinkspartei dazu einladen, unser Modell zu unterstützen;denn die Senkung der Stromsteuer würde genau dementgegenwirken, was Sie heute öffentlichkeitswirksamvorangestellt haben, nämlich dem Umstand, dass die ho-hen Energiepreise die Armut in Deutschland fördern.Es gibt ein weiteres Problem mit dem NationalenAllokationsplan II, das ein wenig versteckt ist. In IhremPlan steht, dass Neuanlagen, die bis 2012 gebaut wer-den, keinen Erfüllungsfaktor haben, also hundertprozen-tig ausgestattet werden. Haben Sie eigentlich geprüft, obdiese hundertprozentige Ausstattung über 14 Jahre langnicht gleichzeitig bedeutet, dass Sie für diese Kraft-werksbetreiber auch nach 2012 nicht versteigern dürfen?Bedeutet das, dass Sie bereit sind, künftigen Parlamen-ten die Verpflichtung aufzuerlegen, auch über 2012 hi-naus Geschenke in zwei- und dreistelliger Milliarden-höhe zu verteilen, aus der sie möglicherweise nicht mehrherauskommen? In einer Haushaltsdebatte muss aucheinmal gefragt werden, inwieweit Sie durch diesen Na-tionalen Allokationsplan künftige Parlamente in ihrerHaushaltspolitik – aus meiner Sicht in die falsche Rich-tung – binden.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die deutsche Präsi-dentschaft einen Schwerpunkt auf die Artenvielfalt undden Schutz der Urwälder und der Meere legen will. Hiersind erhebliche Anstrengungen erforderlich, auch umdas genetische Reproduktionspotenzial unseres Planetenfür kommende Generationen zu erhalten. Wenn Sie dieseStrategie verfolgen, dann wünsche ich mir aber auch,dass Sie Anträge erarbeiten, die mehr Substanz haben alsder, den Sie uns heute zu den Grauwalen vorlegen. ImFeststellungsteil steht zwar viel Richtiges; dennoch fal-len die Schlussfolgerungen recht dünn aus.
Kommen wir zu dem Gesetzentwurf, der auf Ihre Ini-tiative hin hier mit beraten wird, nämlich dem zur Ände-rung des EEG. Dieser Gesetzentwurf ist ein Eingeständ-nis dessen, dass die mit dem EEG verbundenen Kostenfür energieintensive Unternehmen offensichtlich zu hochsind. Auf der anderen Seite haben Sie hier auch ein biss-chen Etikettenschwindel betrieben; denn dieser Gesetz-entwurf ist natürlich kein Gesetzentwurf zur Kostensen-kUsaKdwvbGEVbCEmpbuiüGzmueuVKseFVnwsWtsD
ir müssen die Diskussion hier versachlichen.Sowohl das Umweltministerium – das hat der Minis-er eben deutlich gesagt – als auch die zuständigen Auf-ichtsbehörden haben erklärt, dass Forsmark aufeutschland nicht übertragbar ist und dass die Sicher-
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Katherina Reiche
heitsstandards deutscher Kernkraftwerke den gesetzli-chen Vorschriften entsprechen.Wie angekündigt, wird gemeinsam mit den Länderneine Sicherheitsprüfung der Stromversorgung in denKernkraftwerken durchgeführt, Stichwort „Wechselrich-ter“. Ich begrüße das ausdrücklich. Ich erwarte von denBetreibern der Kernkraftwerke auch, dass sie sich hieranaktiv beteiligen. Aber bevor die Ergebnisse nicht vorlie-gen, können wir auch keine Schlüsse ziehen.
Ich finde, an diese Reihenfolge müssen wir uns halten.
Für das kommende Jahr hat der Bundesumweltminis-ter eine Überprüfung der Atomaufsicht in Deutschlanddurch die Internationale Atomenergie-Organisation an-gekündigt. Prinzipiell ist jede Initiative zu begrüßen, diedarauf abzielt, die Sicherheitsüberprüfung und die Infor-mationssysteme in Deutschland noch weiter zu verbes-sern. Aber genau das muss dann auch im Mittelpunktstehen und darf am Ende nicht zu einem Streit über Zu-ständigkeiten führen. Die Aufsichtsbehörden der Länderverfügen über eine hohe Kompetenz und wir sollten sieauch in Zukunft nutzen.
Am vergangenen Sonntag haben Sie, Herr Gabriel, inder „Welt am Sonntag“ ein neues Standortsuchverfahrenfür die Endlagerung radioaktiver Abfälle vorgeschla-gen. Ich möchte ganz deutlich sagen, auch an dieserStelle, dass das nicht die Position der Unionsfraktion ist.
Herr Minister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie mit unsdas Gespräch suchen, bevor Sie Ihre Vorstellungen in dieÖffentlichkeit tragen.
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD istvereinbart, dass wir in dieser Legislaturperiode die Lö-sung der Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle zü-gig und ergebnisorientiert angehen wollen. Der Koali-tionsvertrag gilt – da bin ich ganz auf Ihrer Seite. Dasmuss umgesetzt werden.Ein neues Standortsuchverfahren widerspricht demGedanken des Koalitionsvertrags aber diametral;
denn es führt zu weiteren Verzögerungen. Es ist wedersinnvoll, noch ist es notwendig. Von den zusätzlichenAufwendungen und Kostenbelastungen für den Haushaltmöchte ich gar nicht reden. Von „zügig und ergebnisori-entiert“ kann man bei einem solchen Verfahren nichtsprechen.Der Erkundung in Gorleben aus den 70er-Jahren wa-ren verschiedene Standortsuchen und eine VielzahlwhgßdEsrEWhAstEdwmVaWbsibwnUdWdZwHg
So hat beispielsweise das Bundesamt für Strahlen-chutz, immerhin eine Behörde des Umweltministe-iums, noch im November 2005 festgestellt, dass zurndlagerung radioaktiver Abfälle keines der möglichenirtsgesteine in Deutschland einem anderen vorzuzie-en ist.
uch die aktuelle Studie der Bundesanstalt für Geowis-enschaften und Rohstoffe vom August dieses Jahres un-erstreicht die Eignung des Salzstocks in Gorleben alsndlager. Von einer politischen Standortauswahl kann anieser Stelle überhaupt nicht gesprochen werden.
Nun wird als Begründung für eine neue Standortaus-ahl immer wieder auf die Schweiz verwiesen. Ichöchte noch einmal deutlich machen, dass für uns dieserergleich hinkt. Die Schweiz steht heute an der Stelle,n der Deutschland bereits in den 70er-Jahren war.
enn jetzt die Landesregierung von Baden-Württem-erg zu Recht dafür plädiert, verschiedene Standorte zuuchen, dann bittet sie die Schweiz, das zu tun, was wirn Deutschland bereits in den 70er-Jahren gemacht ha-en. Insofern brauchen wir diese erneute Suche nicht. Daaren wir vor 30 Jahren schon.
Die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist eine natio-ale Verantwortung und zu der bekennen wir uns auch.nabhängig davon, Herr Kelber, wie man zur Nutzunger Kernenergie steht:
ir haben uns darauf verpflichtet, die Endlagerfrage inieser Legislaturperiode zu lösen.
wischenlager, in denen radioaktive Abfälle lagern,erden de facto zu Endlagern.
inzu kommen Abfälle aus medizinischen Einrichtun-en und aus den Forschungsanstalten. Wir müssen uns
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Katherina Reiche
um dieses Problem kümmern, auch in dieser Legislatur-periode.
Wir haben hierzu eine klare Position; die möchte ichabschließend zu diesem Thema vortragen: Wir wollenkeine weitere Verzögerung bei der Endlagerfrage. Wirwollen, dass die Informations- und Öffentlichkeitsarbeitwieder aktiv aufgenommen wird. Dazu gehört eine groß-zügige Besucherregelung. Wir wollen, dass der SchachtKonrad in Betrieb genommen wird und die Arbeitenhierfür zügig beginnen. Wir wollen, dass das Morato-rium in Gorleben aufgehoben wird; denn die Untersu-chungsergebnisse stehen der Eignungsfeststellung nichtentgegen.
In den kommenden Wochen werden wir mit dem Zu-teilungsgesetz die Rahmenbedingungen für den Handelmit Emissionsberechtigungen für die zweite Handels-periode zwischen 2008 und 2012 festlegen. Mit dem Zu-teilungsgesetz werden die Voraussetzungen für den Bauvon neuen Kraftwerken und die Erneuerung von Kraft-werksparks geschaffen. Das ist ökologisch sinnvoll, dasist ökonomisch geboten; denn neue und effiziente Kraft-werke werden durch ihre geringere CO2-Emission einenBeitrag zu mehr Klima- und Umweltschutz leisten.Gleichzeitig brauchen wir neue und zusätzliche Er-zeugungskapazitäten, um mehr Wettbewerb in denStrommarkt zu bekommen. Ich werbe deshalb an dieserStelle dafür, dass die Energieversorgungsunternehmen,die beim Energiegipfel hohe Investitionen zugesagt ha-ben, diese Zusage auch einhalten.Mit dem Nationalen Allokationsplan wurden imJuni dieses Jahres bereits wichtige Weichenstellungenvorgenommen. Insbesondere die deutlich höhere CO2-Minderungspflicht für die Energiewirtschaft im Ver-gleich zur Industrie ist aus unserer Sicht ein wichtigerSchritt, um Mitnahmeeffekte, die so genannten Wind-fall-Profits, zulasten der Stromverbraucher zu vermei-den. Damit wird auch anerkannt, dass sich die Industrieim internationalen Wettbewerb befindet, aber der Strom-markt hier in Deutschland nur unzureichend Wettbewerbermöglicht. Nach Schätzungen der energieverbrauchen-den Industrie entstehen der Energiewirtschaft durchWindfall-Profits Zusatzgewinne von fast 5 MilliardenEuro. Diese belasten natürlich die Stromverbraucher undunsere Wirtschaft.Wir werden im Gesetzgebungsverfahren zu prüfenhaben, ob dieser Schritt ausreicht, um Windfall-Profitszu vermeiden, oder ob weitergehende Maßnahmen not-wendig sind. Auch das muss man ergebnisoffen prüfen.Wir müssen auf jeden Fall sicherstellen, dass die Strom-verbraucher nicht noch mehr belastet werden.
In diesem Zusammenhang begrüße ich auch die Ent-scheidung der Bundesnetzagentur zur Senkung derNetzentgelte in der vergangenen Woche. Auch das istein wichtiger und richtiger Schritt für mehr Wettbewerbauf dem Strommarkt. Der Wettbewerb funktioniert nochnsmsifbmteNwEmGsüWafMrges5disheeüWrgMW2dFMgzdtvrID
m Juni dieses Jahres hat der Bund den Ländern und dereutschen Bundesstiftung Umwelt ein Flächenangebot
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Katherina Reiche
im Umfang von 100 000 Hektar vorgelegt, die diesenunentgeltlich zur Verfügung gestellt werden sollen. Da-mit die Sicherung des Nationalen Naturerbes gelingt,kommt es jetzt darauf an, dass die möglichen Träger dasAngebot des Bundes umfassend nutzen. Einige Länderhaben Bedenken hinsichtlich einer Übernahme der Flä-chen bekundet. Ich hoffe aber, dass diese Bedenken sehrschnell geklärt und ausgeräumt werden können; denn dieSicherung des Nationalen Naturerbes ist eine großeChance, die wir uns nicht entgehen lassen sollten.
Meine Damen und Herren, in den kommenden Mona-ten stehen wir in der Umweltpolitik vor wichtigen Wei-chenstellungen und Entscheidungen. Wir als Unions-fraktion in dieser Koalition werden uns engagiert undaktiv einbringen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter,
Linksfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Vor der Bundes-republik liegt die Aufgabe, den CO2-Ausstoß und Roh-stoffverbrauch drastisch – ich wiederhole: drastisch undnicht nur ein bisschen – zu reduzieren. Dabei muss aufRisikotechnologien wie Atomkraft und Grüne Gentech-nik verzichtet werden,
weil sie nichts anderes als gefährliche Scheinalternativensind. Einen solchen Prozess zu steuern, ist alles andereals einfach.Die zweite Aufgabe ist jedoch nicht weniger an-spruchsvoll. Eine verantwortliche Regierung muss dafürsorgen, dass der Wandel möglichst fair, also sozial ge-recht, stattfindet. Das ist keine Nebenbedingung, son-dern Voraussetzung für eine zukunftsfähige Politik.
Gemessen daran hat die Koalition unserer Meinungnach versagt. Die Reduzierung des CO2-Ausstoßes sta-gniert seit Jahren.
Das Tempo der Materialeinsparungen ist viel zu gering.
Der Umweltminister lässt sich von den Atomkonzernenwie ein Tanzbär an der Nase herumführen.snzrpkD–daüenEwKsDMnaVllkAvmdD1AdFgsfSSsaffmd
llerdings hat die CDU gleich noch 200 000 Euro voner Deutschen Bank bekommen.
rau Reiche, ich glaube, auch Ihre Rede wurde von denroßen Atomkonzernen geschrieben.Wir haben heute ein Sechspunkteprogramm vorge-tellt. Für die Schaffung sozial gerechter Energiepreiseordern wir neben der Versteigerung der Zertifikate alsofortmaßnahme eine Windfall-Profit-Tax, also eineteuer auf Sondergewinne, Extraprofite aus dem Emis-ionshandel, wie dies auch in Schweden und Finnlandngedacht ist. Die angestrebten Einnahmen in Höhe vonast 5 Milliarden Euro sollen einen Energieeffizienz-onds speisen und der sozialen Abfederung einkom-ensschwacher Haushalte bei steigenden Energiekostenienen; da besteht zu Ihnen, Herr Kauch, eine Differenz.
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Eva Bulling-SchröterDieser Energieeffizienzfonds könnte Arbeitsplätzeschaffen und die brauchen wir. Überdenken Sie dies alsobitte!Wir fordern weiterhin die Beibehaltung bzw. Wieder-einführung der Preisaufsicht für Strom- und Gastarife.Daneben halten wir eine Ausdehnung der Regulierungs-aufsicht auf den Bereich des Stromgroßhandels und derRegelenergiemärkte für notwendig. Den Wettbewerb al-lein über die Netze zu organisieren, scheint angesichtsder hohen Konzentration bei der Erzeugung kaum mög-lich.Natürlich müssen die Übertragungsnetze eigentums-rechtlich von den vier großen EVUs getrennt werden.Wir sagen: am besten in gesellschaftliches Eigentum.
Zur Stärkung der Verbraucherrechte schlagen wirschließlich vor, den bei uns föderal organisierten Ver-braucherschutz um einen nach Branchen organisiertenzu ergänzen. Das Vorbild in Großbritannien mit seinenConsumer Watchdogs ist ein Erfolgsmodell. Energy-watch, Water Voice oder Postwatch geben den Verbrau-chern auf der Insel durch ihre umfassenden Rechte einestarke Stimme.
Eine ähnlich starke Stimme wollen wir hier im Parla-ment haben. Was den Einzelplan 16 angeht, sollten wirverhindern, dass der Etat bis 2010 um 3 Prozent gesenktwird.
Das Wort hat die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister, der Umwelthaushalt 2007 steigt auf denersten Blick um 0,4 Millionen Euro. Angesichts der He-rausforderungen viel zu wenig, reizt es mich zu sagen.Aber die Wahrheit sieht noch einmal ganz anders aus.Beamtenpensionen sind es, die ab 2007 in den Fachhaus-halten etatisiert werden. Rechnet man sie heraus, sinktder Umweltetat effektiv um 1 Million Euro.Das solcherart ausgerüstete Innovationsministeriumsoll damit unter anderem dem zentralen Problem desKlimawandels begegnen, der sich inzwischen, wie wiralle wissen, in ganz anderer Dramatik darstellt als diegrünen Schwarzseherinnen und Schwarzseher es immerprognostiziert haben. Die global diskutierte Strategie„Weg vom Öl“ ist hier der zentrale Baustein. Trotzdemmachen wir mehr oder weniger so weiter wie bisher. Mit5 Millionen Euro mehr für Forschung pro Jahr – das ent-spricht einem Forschungsvorhaben im Jahr – kann mandie Zukunftsaufgaben nur halb anpacken.EtgK„gggmsprDddszsSriacnvAbzgmdedWBnavWtFB„lns
eisen Sie die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein an,runsbüttel abzuschalten, bis der Sicherheitsnachweisachvollziehbar erbracht ist.
Sie fordern immer wieder Aufklärung, setzen Fristen,ber lassen sie verstreichen. Sie lassen sich am 8. Auguston Vattenfall versichern, in Brunsbüttel gebe es keineechselrichter. Am 23. August akzeptieren Sie den Irr-um der Betreiber und setzen den 28. August als neuerist. Jetzt haben wir den 7. September. Wir haben einenetreiber, der falsche Aussagen gemacht hat – er hat sichgeirrt“. Ich frage dieses Hohe Haus allen Ernstes: Wol-en wir annehmen, dass dieser Betreiber seine Anlageicht kennt, und auf dieser Annahme unser Vertrauen ineine Zuverlässigkeit gründen?
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Sylvia Kotting-UhlWir haben einen Minister, der sein Nichthandeln da-mit begründet, dass – ich zitiere –nach den Angaben der schleswig-holsteinischenAtomaufsicht auch bei dem Misslingen der Nach-weisführung kein Zustand vorliegt, aus dem sichGefahren ergeben könnten. Die Störfallbeherr-schung sei durch redundante Notstromdiesel garan-tiert, unabhängig von der Funktion der Wechsel-richter.Nun frage ich Sie: Befriedigt Sie das? Mich nicht!
Es kann doch hier nicht darum gehen, in dieser Situationnachgeschobene „Feldwegerklärungen“ zu akzeptieren,die nicht einmal alle Vattenfall-Verantwortlichen verste-hen können – die nicht einmal den Unterschied zwischenWechselstrom und Gleichstrom kennen – und die in kei-ner Weise erklären können, warum denn die Wechsel-richter überhaupt ausgewechselt werden müssen, wennsie doch gar keinen Schaden anrichten können.Es geht hier vielmehr um die Frage: Wie bewerten wirdieses gesamte Sicherheitssystem? Und zum Gesamtsys-tem des Vertrauens in die Sicherheit gehört doch wohlauch die Glaubwürdigkeit des Betreibers.
Ich vertraue einem Betreiber nicht, der mit falschen Fak-ten kommt, Fristen ignoriert und seine Verpflichtungennicht erfüllt.
– Jetzt kommen mir wieder alle damit – auch MinisterGabriel hat sich in der Presse so eingelassen –, dass manDutzende Beispiele nennen kann, in denen VorgängerTrittin Vergleichbares getan habe. Dazu sage ich Ihnen:Ich hätte von einem Minister Trittin in diesem Fall ge-nauso eine bundesaufsichtliche Weisung gefordert.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Jürgen Trittin alles ge-tan hätte, um Vattenfall in diesem Fall das Handwerk zulegen. Wir reden hier vom Betreiber einer Risikotechno-logie und nicht von einem Currywurststand.
So, und in dieser Situation, in der es nur darum gehenkann, Strommengenübertragungen von einem Reaktorauf einen anderen im eigentlichen Sinne des Atomkon-senses zu diskutieren – Übertragungen von alten aufneue Reaktoren, um mehr Sicherheit zu generieren –,kommt Ihr unnachahmlicher Kollege Wirtschaftsminis-ter Glos und fordert erneut eine Laufzeitverlängerung fürAKWs! Da kann ich nur sagen: Gutes Timing! Sie spre-chen sich wohl überhaupt nicht ab.
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Der jüngste Zwischenfall in Schweden, in Forsmark,macht doch deutlich, dass wir verstärkt Energie einspa-ren und in die Gewinnung alternativer Energien inves-tieren müssen. Basiert diese Politik etwa auf falschenInformationen bzw. einer falschen Wahrnehmung? Ver-schleiern wir tatsächlich etwas? Ich glaube, Sie versu-chen aus ideologischen Gründen zu verschleiern.
Frau Reiche, in der großen Koalition haben wir unsdiese Aufgabe gemeinsam vorgenommen, obwohl wirwissen – Sie haben es der Öffentlichkeit heute exempla-risch vorgeführt –, dass einige damit Schwierigkeitenhaben. Es liegt aber in unserer Verantwortung, eine klareStrategie zu erarbeiten. Wir müssen mögliche Wege sicht-bar machen und die Basis für Investitionsentscheidungenschaffen. Damit bringen wir ein Stück weit Nachhaltig-keit in die Debatte. Ich sprach gerade das 20-jährigeJubiläum des Bundesumweltministeriums an. Nachhal-tigkeit sollte Ihnen ein Begriff sein, gerade im Zusam-menhang mit dem Agendaprozess.Wir müssen alles daran setzen, um uns in der Energie-versorgung so unabhängig wie möglich zu machen. DieDiskussion, die wir führen, geht über die Minderung desCO2-Ausstoßes hinaus. Genau darum geht es in einerDiskussion über nachhaltige Energiegewinnung. Auf dieFrage, wie die Energieversorgung der Bundesrepubliklangfristig aussehen könnte, müssen wir kurz- bis mittel-fristig eine Antwort geben.Der Begriff Nachhaltigkeit wird sehr oft, teilweise in-flationär gebraucht. Das Bekenntnis zur nachhaltigenEntwicklung, das am Anfang der 90er-Jahre stand, dieAgenda 21, war ein Impuls für die Stärkung des Be-wusstseins für die Zusammengehörigkeit der Welt. Da-mit war ein internationaler Aufbruch verbunden. DieserImpuls muss stärker genutzt werden. Im Rahmen derGeberkonferenzen – auch das ist bereits gesagt worden –müssen Projekte genauer hinterfragt werden. Von Zeit zuZeit muss auch eine Zwischenbilanz gezogen werden.Dsgww1tVwkvwdhkiZdwrgwbShuFEsRnRdsurwBn4gDBsaaWm
Schwerpunkte im Programmhaushalt seien kurz ge-annt: Der Programmhaushalt des BMU umfasst rund56 Millionen Euro. 62,9 Prozent des Gesamtvolumensehen allein in den Bereich der erneuerbaren Energien.as macht 287,2 Millionen Euro aus. Auf die anderenereiche will ich gar nicht eingehen.Ein weiterer Schwerpunkt ist der Bereich Reaktor-icherheit und Strahlenschutz. Hier liegt uns das Gut-chten des Wissenschaftsrates zur Prüfung vor. Ich sagell denen, die zu einem voreiligen Ergebnis kommen:ir handeln hier im Rahmen von Gesetzen. Daherüssen Vorhaben überprüft werden. Angesichts der
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Petra Hinz
Tatsache, dass der Wissenschaftsrat in einer solchen Artund Weise an die Öffentlichkeit tritt, muss man einfachzur Kenntnis nehmen, dass die Behörde entsprechendden gesetzlichen Rahmenbedingungen, die wir geschaf-fen haben, arbeitet. Wenn wir eine Veränderung wollen,müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändertwerden.
Zu den Standorten des Ministeriums und der nachge-lagerten Behörden: Hier werden in der nächsten Zeitzwei große Bauvorhaben vorgenommen. Bis Mai 2008sollen der künftige Sitz des BMU in Berlin fertig gestelltwerden
– also der zweite Dienstsitz – und in Bonn die Sanierungdes BMU, des alten Abgeordnetenhauses, für8 Millionen Euro realisiert werden. Ich sage ganz klar:Unser föderaler Staat muss sich auch in den Standortender Ministerien und der nachgelagerten Behörden wider-spiegeln. Trotzdem gilt auch hier der Leitsatz: Effizienz,Effektivität und Zielorientierung sind Maßstab der Haus-haltsberatungen, sowohl fachlich als auch fiskalisch.
Auf die Beratungen, Frau Reiche, freue ich mich schonsehr.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat Ulrike Flach für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sie müssen mir zugestehen, dass ich etwas irritiert bin,hier mitten in die Beratungen des Koalitionsausschusseshineingeraten zu sein.
– Ja, so ist das offensichtlich.Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass der Haushaltein bisschen die Diskussionen widerspiegelt, die hier ge-rade stattgefunden haben.Frau Reiche, das, was ich als Haushälter beim Etatvon Herrn Gabriel erkenne, lässt nicht darauf schließen,dass Sie, die CDU/CSU, bisher Ihre Positionen in ir-gendeiner Weise haben durchsetzen können.
Das, was hier vorliegt, ist mit Ausnahme der besonderenBetonung der Energieeffizienz – das gebe ich zu; das istein neues Hobby des derzeitigen Umweltministers – imPgdwdsvSDaw7wepflhsSkWdeTslmlWbsvotmvs
Insofern denke ich, dass es ein guter Schritt ist, dassie CDU/CSU nach fast einem Jahr offensichtlich aufge-acht und bereit und willens ist, Positionen zu vertreten,ie nicht mehr die alten rot-grünen sind. Unsere Unter-tützung haben Sie an dieser Stelle sicherlich.
Haushalterisch – Frau Hinz hat schon einiges zu denerschiedenen Zahlen gesagt – möchte ich sagen: Ausicht eines Haushälters ist dies ein positiver Haushalt.enn er gehört zu den wenigen Etats, die eine – wennuch nur äußerst geringfügige – Steigerungsrate auf-eisen, er steigt nämlich um ganze 0,1 Prozent auf90 Millionen Euro.Eine Frage müssen Sie, Herr Gabriel, uns noch beant-orten, nämlich die, warum Sie im letzten Jahr für 2007in um 23 Millionen Euro geringeres Haushaltsvolumenrognostiziert haben. Das haben Sie schon jetzt übertrof-en. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie wahrschein-ich den Etat mit den proportional größten Steigerungenaben.Herr Gabriel, Sie scheinen ja – ich habe es geradechon gesagt – die grünen Hobbys gern zu übernehmen.ie schreiben ganz ausdrücklich, dass Sie auch in Zu-unft Projekte planen wie die Wiedereinbürgerung desisents im Rothaargebirge,
ie Rotationsbeweidung in Rheinland-Pfalz und – das istines meiner Lieblingsprojekte – die Himmelsteiche inhüringen.
Herr Gabriel, genau wie Herr Trittin verzetteln Sieich damit in Projekten, die man im Rahmen der Födera-ismusreform längst unserer lieben Ex-Landwirtschafts-inisterin Frau Höhn an die Hand gegeben hat. Das sol-en doch die Länder selber machen.
arum müssen wir, der Bund, uns mit diesen Themenesonders belasten, während Sie gleichzeitig zum Bei-piel für Forschungsprogramme im Bereich der Biodi-ersität überhaupt nichts
der – sagen wir es einmal so – ausgesprochen wenigun? Hier gibt es große Konkurrenz; die Grünen werdenir zustimmen. Die Amerikaner beispielsweise habenor wenigen Wochen ein millionenschweres For-chungsprogramm aufgelegt. Einerseits finden wir in Ih-
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Ulrike Flachrem Haushaltsentwurf schöne kleine Projektchen, diesich noch an der alten Klientelpolitik anlehnen, anderer-seits versäumen wir den Anschluss an internationaleForschungsprojekte.
Bemerkenswert ist übrigens, dass Sie sowohl beimPersonalabbau als auch bei der Erbringung der globalenMinderausgabe ganz offensichtlich einen Sonderweg ge-hen. Anstatt, wie beschlossen, 1,5 Prozent der Stellenabzubauen, kommt es zu einem Ausbau der Planstellenum 1,8 Prozent.
Dazu muss ich als Haushälter sagen – man liest ja gerne,was in den Medien geschrieben wird –: Mich hat esschon beunruhigt, als ich vor wenigen Tagen las, dassSie in Ihrer Umweltabteilung eine neue Unterabteilungund vier neue Referate schaffen wollen. Wenn das nichtnur dazu dienen soll, gewissermaßen eine Gegenpositionaufzubauen, um wieder einmal Herrn Glos zu ärgern
– es handelt sich schließlich um die Klimaschutzabtei-lung –, dann weiß ich nicht, wozu das in Zeiten, in denenwir eigentlich in genau diesem Personalbereich sparensollten, gut sein soll.
Diese Erblast Ihres Vorgängers, Herr Gabriel, die unsimmer wieder erfreuende, ständige und kontroverseAuseinandersetzung mit dem eigentlichen Energieminis-ter des Landes, dem Wirtschaftsminister, setzen Sie ganzoffensichtlich mit großer Lust fort.
Wir Liberalen beobachten das nun schon seit etlichenJahren.Aber in einem Punkt stimme ich Frau Reiche aus-drücklich zu: Es ist geradezu verantwortungslos, wie Siemit dem Thema „atomare Endlager“ umgehen.
Ich sage ganz bewusst „verantwortungslos“; denn es istweder unter umwelt- noch unter finanzpolitischen Ge-sichtspunkten hinnehmbar, dass der Steuerzahler die Of-fenhaltungskosten ungenutzter Endlager finanzierensoll. Frau Reiche hat die Position der CDU/CSU zu die-sem Punkt sehr deutlich dargestellt. Sie können sichersein, dass wir Ihnen an dieser Stelle zustimmen werden.Als Oppositionspolitikerin wäre ich allerdings glücklich,wenn ich endlich erfahren würde, was die Regierungwirklich denkt.Als Haushälter sage ich Ihnen: Sie haben im Haushaltnicht vorgesorgt. Dort ist zwar von wunderschönen1,5 Millionen Euro die Rede, die angeblich für die Er-khsMfmanrsrdleDUtbzgzsDbrGmiisgm8HJ–n
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ein-ringung des Haushalts möchte ich eine Stellungnahmeugrunde legen, die die Vorsitzende unserer „Arbeits-ruppe Umwelt“, Frau Dött, abgegeben hat, und zwarur neuesten Allensbach-Umfrage, wonach der Umwelt-chutz eine immer geringere Rolle spielt. Sie hat gesagt:ie vielen Erfolge, die wir im Umweltschutz erreicht ha-en, dürfen uns nicht blind machen gegenüber den He-ausforderungen, die noch bestehen.
enau das ist in der Tat der Spagat, den wir Politikerachen müssen.Wir erleben, dass der Klimawandel auch unser Landmmer stärker ergreift. In großen Teilen Süddeutschlandsst eine Borkenkäferkalamität zu verzeichnen, wie wirie in den letzten 50 Jahren nicht erlebt haben. Im Au-ust dieses Jahres habe ich Waldbauern an Kahlflächenit Tränen in den Augen gesehen, weil das, was 70 oder0 Jahre lang gewachsen war, nun auf einen Schlag vomarvester beseitigt wurde. Wir hatten die große Hitze imuli und wir haben den August erlebt.
Richtig, es ist sogar ein Tornado über Nürnberg gefegt;icht wie über Berlin nur im Film, sondern tatsächlich.
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4702 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Josef GöppelEs wird also langsam auch für die Großstädter ungemüt-lich.Da stellt sich natürlich die Frage: Wie stellen wir esan, dass die Leute mitgehen, wie können wir sie in derUmweltpolitik mitnehmen? Den Leuten zu sagen „Tutdies, lasst das!“, das hatten wir schon – mit begrenztemErfolg. Wir müssen zusammen überlegen, wie wir denLeuten Wege aufzeigen können, wie sie dem enormenDruck durch immer weiter steigende Kosten für Gas, Ölund Benzin entkommen können. Für viele Familien be-deutet das finanziell immer mehr Einschnürungen. Hiermüssen wir Wege aufzeigen. Dafür braucht man Ge-meinsamkeit, aber man braucht auch einen langen Atem.Ich denke schon, dass diese Regierung diesen langenAtem hat und klar erkennbar in die richtige Richtunggeht.Es gibt die aktuelle Diskussion über die Rolle desStaates. Die Unionsparteien arbeiten an neuen Grund-satzprogrammen. Das wäre übrigens auch für die ande-ren nicht schlecht.
– Kommt darauf an, wann!
– Die CSU ist mitten dabei, wir machen es ganz gründ-lich. – Die Rolle des Staates in der inneren Sicherheit istunverzichtbar, in den Augen aller. Auch im Verbraucher-schutz ist die Rolle des Staates unverzichtbar. Ich bin derMeinung, wir brauchen die Rolle des Staates auch in derUmweltpolitik.
Ich darf eine kurze Anleihe beim Fußball machen: Mankann nicht 22 Mann ohne einen Schiedsrichter aufsSpielfeld schicken.
– Das ist unsere Position. – Ein guter Schiedsrichterkann das Spiel über viele Züge laufen lassen; aber wennes darauf ankommt, muss er eben da sein.Ich möchte exemplarisch die Verknüpfung zwischenAgrarpolitik und Naturschutz ansprechen. Aufgrundder Beschlüsse zum Haushalt der Europäischen Unionkommt auf einzelne Länder eine Kürzung von bis zu35 Prozent der Mittel der so genannten Säule II derAgrarpolitik zu. Wir müssen aus diesen Säule-II-Mittelnaber auch die Natura-2000-Gebiete finanzieren, HerrMinister Gabriel. Wir alle haben viel Ärger gehabt mitden FFH-Gebieten. Nun sind sie aber gemeldet und es istwichtig, dass das Vertrauen vieler Landwirte in den Na-turschutz nicht enttäuscht wird, indem wir androhen,jetzt hoheitlich festzulegen, was sie zu tun haben.
SfsagUpsezHgaDSnsFn1sedzEuAWtrkgvrsbmsstsdueDmdLs
Ich möchte dies auch im Hinblick auf das Markt-nreizprogramm und auf das Gebäudesanierungspro-ramm sagen, mit denen wir ähnliche Zwecke verfolgen.nsere Haushälter haben für das Gebäudesanierungs-rogramm eine Verpflichtungsermächtigung über zu-ätzliche 350 Millionen Euro ausgesprochen. Ich denke,s ist unsere Aufgabe, jetzt in den Haushaltsberatungenu überlegen, was wir beim Marktanreizprogramm imaushalt des Umweltministeriums tun können. Stop ando ist keine gute Sache, so etwas wirkt sich sehr negativus. Deshalb müssen wir versuchen, Stetigkeit in dieinge zu bringen. Herr Minister Gabriel, da möchte ichie ausdrücklich unterstützen. Wir können dafür nichteue Umlagen von den Leuten erheben. Aber wir müs-en versuchen, Wege zu finden, um eine Stetigkeit in dieörderung zu bekommen. Sie macht jetzt im Schnittoch 10 Prozent aus. Ich meine, wir sollten nicht unter0 Prozent gehen, sonst wird es nur noch symbolisch.
Der Deutsche ist eben so: Er will eine Anerkennungeitens des Staates, die ihm sagt, dass der Staat das, wasr tut, für richtig hält. Genau das erfolgt mit dieser För-erung, deswegen ist sie auch so erfolgreich. Das gehörtu den größten Erfolgen dieser Koalition. Wenn dieserrfolg konsequent weitergeführt werden kann, ist das fürnser Land und für viele Menschen ein hoffnungsvollerusweg aus der Kostenfalle.
ie ich bereits am Anfang sagte: Wir brauchen Perspek-iven für die Menschen, wie sie einerseits Kosten einspa-en und andererseits etwas Gutes für die Umwelt tunönnen.Ich möchte noch ein Wort zu den Biokraftstoffen sa-en; denn jetzt steht ja auch das Quotengesetz an. Wiron der Unionsfraktion sind nicht der Meinung, dass dieeinen Biokraftstoffe eine technologische Sackgasseind, wie es manche sagen. Die reinen Biokraftstoffe ha-en die höchste Wertschöpfung in den ländlichen Räu-en. Das müssen wir auch bedenken. So lange syntheti-che Biokraftstoffe nur in Labormengen zur Verfügungtehen, kann man nicht sagen, dass die anderen eineechnologische Sackgasse sind.Man sollte die Förderpolitik so ansetzen, dass die ver-chiedenen technischen Optionen offen bleiben. Ichenke, das ist wichtig. Gerade bei den Biokraftstoffennd der Biomasse im Rahmen der Wärmeerzeugung gibts sehr große positive Effekte für die ländlichen Räume.amit wird ökologischer Nutzen – CO2-Einsparung –it sozialem und ökonomischem Nutzen verbunden;enn eine gleichmäßige Siedlungsverteilung im ganzenand und lebendige und pulsierende ländliche Räumeind wichtige Werte an sich.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4703
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Josef Göppel
Zusammenfassend möchte ich sagen: Herr MinisterGabriel, Sie haben mit der Unionsfraktion wohlwol-lende, aber aufmerksame Begleiter für Ihre Politik; dennwir möchten diese wertgebundene Umweltpolitik auchdurch Ihr Haus verwirklicht sehen. So möchten wir andie Umweltpolitik herangehen.
Das Wort hat der Kollege Lutz Heilmann, Linksfrak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister! Herr Kollege Göppel, ich danke Ihnen für
Ihre Rede. Vieles von dem, was Sie eben erwähnt und
ausgeführt haben, kann ich ganz einfach nur unterstüt-
zen. Leider sieht die praktische Politik Ihrer Fraktion
und der großen Koalition aber ein bisschen anders aus.
Ein Wort zu der Reaktion auf die Vorhaltung meiner
Kollegin zu den Parteispenden der Energiekonzerne. Mir
fällt eigentlich nur ein Sprichwort ein: Getroffene Hunde
bellen.
Nun aber zum Thema. In der gestrigen Rede der
Kanzlerin hörten wir wieder von der Nachhaltigkeit.
Dazu gehört nach allgemeinem Verständnis auch der
Naturschutz. Mit 23 Millionen Euro ist der Haushalts-
ansatz für den angewandten Naturschutz im Vergleich zu
2006 annähernd gleich geblieben. Ist also alles in But-
ter? Ich denke, nein. Seit 1999 wurde der Haushalt für
den angewandten Naturschutz nahezu halbiert. Das wirft
die Frage auf, wie viel Ihnen der Naturschutz eigentlich
wert ist.
Ein Beispiel: Für die Vertiefung von Außen- und Un-
terweser sowie von Außen- und Unterelbe sind allein im
Jahre 2007 21 Millionen Euro eingeplant. Insgesamt
kostet allein die unsinnige Elbvertiefung den Bund
250 Millionen Euro.
Die Beeinträchtigung der Flora-Fauna-Habitat-Gebiete
entlang der Flussmündungen ist Ihnen offensichtlich
egal, ganz zu schweigen von den noch nicht abzuschät-
zenden Auswirkungen auf den Hochwasserschutz. Der
Hochwasserschutz interessiert Sie aber ohnehin meist
nur vor Wahlen. Wir brauchen aber keine Wahlkämpfer
in Gummistiefeln, wir brauchen einen nachhaltigen und
effektiven Hochwasserschutz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor einer Woche
trat die Föderalismusreform in Kraft. Wir denken, dass
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inerseits kann dieses Hohe Haus jetzt anspruchsvolle
orgaben im Naturschutz machen, andererseits können
ie Länder davon abweichen, wenn sie ihnen nicht pas-
en. Der aktuelle Entwurf der hessischen Landesregie-
ung für ein neues Naturschutzgesetz wird beispiels-
eise als brutalstmöglicher Angriff auf den Naturschutz
ezeichnet. Der Entwurf der schleswig-holsteinischen
andesregierung wird als „eine Kriegserklärung gegen
en Naturschutz“ bezeichnet. Das zeigt deutlich, wohin
ie Reise geht.
Herr Minister, eigentlich müsste man Sie bedauern.
ollten Sie hier effektive Gesetze vorschlagen, zeigen
hnen die Länder am Ende den berühmten Mittelfinger.
ein, erwarten Sie aber kein Bedauern von uns, denn die
erantwortung dafür liegt auch bei Ihnen. Sorgen ma-
hen mir vielmehr die schützenswerten Arten und Ge-
iete, die beim Wettlauf um die so genannten besten
ettbewerbsbedingungen auf der Strecke bleiben wer-
en. Noch gibt es allerdings die EU-Naturschutzrichtli-
ien, die wesentlich strengere Schutzvorschriften als das
undesnaturschutzgesetz enthalten. Noch verhindern
iese, dass schützenswerte Gebiete in Deutschland als
mgehungsstraßen, Gewerbegebiete oder Flughäfen en-
en.
Ich sage Ihnen: Ihr Vorgehen, das Rollback des Natur-
chutzes, hat Methode. Nachdem Sie mit der Föderalis-
usreform den Naturschutz auf nationaler Ebene aufs
bstellgleis geschoben haben, machen Sie sich jetzt an
en europäischen Naturschutz heran. So soll der
chleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry
arstensen als „00-Harry“ im Auftrage seiner Majestät,
er Kanzlerin, dafür sorgen, dass die hinderlichen EU-
aturschutzrichtlinien abgeschwächt werden. Ich frage
ich allerdings, was Sie, Herr Minister, dazu sagen und
elche Rolle Sie dabei spielen. Offensichtlich treffen die
resseberichte zu – der überwiegende Teil Ihrer heutigen
ede hat das deutlich gemacht –, nach denen Sie bald
nergieminister werden wollen.
Alles in allem: Beim Naturschutz ist nichts in Butter.
tändige Haushaltskürzungen und ständige Änderungen
n der Naturschutzgesetzgebung haben nichts mit nach-
altiger Politik zu tun.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege, gerne hätten wir Ihnen zum 40. Ge-urtstag eine Minute geschenkt. Sie haben Ihre Redeber pünktlich beendet. Deshalb „nur“ eine Gratulationon unserer Seite!
Das Wort hat die Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/ie Grünen.
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4704 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrHeilmann, es wäre schön, wenn ich Ihre Minute bekom-men könnte. Die Kollegen sind da offensichtlich andererMeinung. Ich habe heute auch nicht Geburtstag; dasgebe ich gerne zu.Haushaltsberatungen sind immer die wichtigsten Be-ratungen im Parlament, weil dabei auch über die kom-mende Politik entschieden wird, und zwar mit der Mehr-heit des Parlamentes. Deswegen ist es wichtig, dass manGrundsatzdebatten führt, und zwar – Herr Göppel hatdas deutlich gemacht – auch über die Fraktionsgrenzenhinweg. Herr Minister Gabriel, deshalb ist es auch sinn-voll, nach einem Dreivierteljahr im Amt Bilanz zu zie-hen: Was haben Sie gut hinbekommen? Was nicht?Wenn ich es mir vor Augen führe, kann ich sagen:Minister Gabriel ist durchaus gut gestartet. Er gab sichfreundlich und wortreich und machte ordentlich insze-nierte Auseinandersetzungen mit dem Kollegen Glos.
– Ich weiß nicht, ob Sie jetzt noch weiter klatschen. –Sie haben das gut gemacht. Es ist gut, ein bisschen zusticheln. Sie haben gute, grüne Inhalte rübergebracht.Das ist nicht schlecht.Die entscheidende Frage nach einem Dreivierteljahrist aber: Was ist von dem, was Sie gesagt haben, amEnde in die Tat umgesetzt worden?
Dazu muss ich sagen: Sie laufen Gefahr, ein Ökorhetori-ker zu werden; denn das, was Sie sagen, entspricht nichtdem, was Sie tun. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefal-len lassen.
Ich möchte das an mehreren Beispielen deutlich ma-chen. Nehmen wir die erneuerbaren Energien als Bei-spiel. Es ist toll, was Sie dazu – auch zur Energieeffi-zienz – auch heute gesagt haben. Man kann jeden Satznur unterschreiben. Wir brauchen – da haben Sie Recht –mehr Energieeffizienz. Es ist sinnvoll, dass die TonneÖl, nicht der Mensch arbeitslos wird.Aber was haben Sie getan? Herr Göppel hat zu Rechtdarauf hingewiesen, dass die Gelder aus dem Markt-anreizprogramm gut abfließen, insbesondere weil dieÖl- und Gaspreise steigen und die Leute investieren. An-statt aber die Mittel dafür zu erhöhen und den Leuten da-mit mehr Gelder zur Verfügung zu stellen, damit sie wei-terhin die Anreizprogramme nutzen, kürzen Sie beidiesem Programm. Das ist nicht gut; es ist das Gegenteilvon dem, was Sie vorhin gesagt haben. Sie sorgen näm-lich nicht für mehr Energieeffizienz.
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Deshalb ist es wichtig, dass Sie in diesem Punkt auferrn Göppel hören. Er vertritt nämlich eine gute Posi-ion.
Man muss versuchen, wirklich voranzukommen. Wasetzt geschieht, beschränkt sich nämlich auf die Unter-tützung der Großen. Den Kleinen und dem Mittelstandäre es zugute gekommen, wenn Sie die Steuerbefrei-ng beibehalten hätten. Aber nein: Mit Ihrem Ansatzauch mit der Pflichtbeimischung – fördern Sie nur dieroßen, aber nicht die Kleinen. Das ist falsch.
Für die Großen haben Sie ein großes Herz. Auch da-ei sind Sie verbal wieder radikal. Sie wettern nämlichegen die Marktmacht der großen Energiekonzerne. Dasst auch richtig. Damit haben Sie Recht. Ich kann vieleitate anführen, die richtig sind. Was aber tun Sie? Sieerabschieden einen Nationalen Allokationsplan, mitem Sie letzten Endes ein Förderprogramm für den Neu-au von Kohlekraftwerken auflegen. Davon profitierenie Großen.Sie nutzen auch nicht die Möglichkeit der Versteige-ung von Emissionszertifikaten. Damit hätten Sie00 Millionen Euro in den Haushaltsplan einbringenönnen. Stattdessen schenken Sie diese 700 Millionenuro den großen Konzernen. Das ist nicht in Ordnung,or allem, wenn Sie beim Mittelstand kürzen. Das gehticht.
Sie können nicht hier als Retter der Verbraucher auf-reten und gleichzeitig allein im Bereich der Emissions-ertifikate anders handeln. Als ich das gehört habe, habe
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4705
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Bärbel Höhnich gedacht: Eine solche Unverschämtheit darf man dochnicht dulden. Dass Energieunternehmen Emissionszerti-fikate geschenkt bekommen und diese Geschenke sozu-sagen, als ob sie Kosten verursacht hätten, mit 5 Milliar-den Euro in die Bilanz aufnehmen und das denVerbrauchern bei den Preisen berechnen, muss endlichaufhören.
5 Milliarden Euro für die großen Energieunternehmenkönnen wir uns auch im Hinblick auf die Energiepreisefür die Wirtschaft und die Verbraucher nicht leisten.Ich komme zum nächsten Punkt, zur Atomkraft. Ichhabe mir aufgeschrieben, was Sie heute dazu gesagt ha-ben: Wir werden bei der Sicherheit keinen Rabattgeben. – Sie machen aber das Gegenteil. Sie haben ge-sagt, Sie hätten Vattenfall aufgefordert, bis Montag denSicherheitsnachweis zu liefern. Damit war der 28. Au-gust gemeint. Er ist lange vorbei. Was hat es eigentlichfür Konsequenzen, dass der Sicherheitsnachweis nichtgeliefert wurde? Null! Das ist der Rabatt, den Sie geben.Sie haben zwar gerade gesagt, Sie würden keinen Rabattgewähren, aber tatsächlich geben Sie den UnternehmenRabatt.Als nächster Termin ist der 20. September festgelegtworden. Auch bis dahin wird das Unternehmen den Si-cherheitsnachweis nicht erbringen. Weil es das nichtkann, kündigt es an, nachzurüsten und Änderungen vor-zunehmen. Die Tatsache, dass ein Unternehmen Ände-rungen ankündigt, bedeutet doch, dass es ein Problemgibt. Was machen die Schweden im Falle eines Pro-blems? Sie schalten vorübergehend die Anlagen ab. Ha-ben wir hier ein niedrigeres Sicherheitsniveau als inSchweden? Das möchte ich gerne wissen; denn das darfnicht sein.
Ich komme zum Schluss. Herr Kelber hat es gesternin der „Financial Times Deutschland“ gut auf den Punktgebracht:Vattenfall braucht offenbar Wochen, um sein eige-nes Kraftwerk zu verstehen. Das ist Besorgnis erre-gend.Ich zitiere weiter:Die Frage ist, ob Vattenfall überhaupt in der Lageist, eine Risikotechnologie wie ein Kernkraftwerkzuverlässig zu betreiben.Herr Gabriel, Sie hätten die Verpflichtung gehabt, zuüberprüfen, ob dieser Anlagenbetreiber noch zuverlässigist. Sie hätten bei Herrn Kelber nachfragen können. Esgeht nicht nur um Rhetorik, sondern auch um das, wasSie tun.
Deshalb ist es auf Dauer entscheidend, dass Sie verläss-lich sind, auch in Ihren Positionen. Das bedeutet: Siemüssen genauso handeln, wie Sie reden. Das erwartenwir und daran werden wir Sie messen.FrgDFbgEzlbLAGSdflgmkdtwwndmkhwJcegwdS
Ich erteile das Wort Kollegen Ulrich Kelber, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Debatten leben davon, dass man aufeinander ein-eht und nicht nur das vorliest, was man vorbereitet hat.eswegen möchte ich auf meine Vorredner eingehen.rau Kotting-Uhl und Frau Höhn, seien Sie mir nichtöse, aber Frau Reiche hat die bessere Oppositionsredeehalten.
s ist, glaube ich, kein Zufall, dass die Grünen heutewei Rednerinnen aufgeboten haben, die erst mit deretzten Wahl in das Parlament eingezogen sind. Sie ha-en wahrscheinlich gedacht, dass wir dann nicht in derage sind, Ihre Aussagen mit Ihrer Politik abzugleichen.ber für Politikerinnen und Politiker gilt nicht dienade der späten Wahl. Meine Damen von den Grünen,ie sitzen hier nicht als Einzelpersonen, sondern sind fürie Politik der Partei verantwortlich, die Sie vertreten.
Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen. Die Mittelür das Marktanreizprogramm seien im Vergleich zumetzten Jahr gekürzt worden. Auch durch Wiederholun-en werden falsche Behauptungen nicht richtig. Manuss sich den Haushaltsplan nur genau anschauen. Ichann mich noch sehr gut daran erinnern, wie es 2005 umas Marktanreizprogramm – damals unter Verantwor-ung eines grünen Umweltministers – bestellt war undelche heftige Kritik es intern gegeben hat. Damalsurden die Ausgaben für die Forschung – diese warenicht einmal halb so hoch wie in diesem Jahr – und füras Marktanreizprogramm deckungsfähig gemacht. Da-it man Aufträge an verschiedene Institute vergebenonnte, zu denen man mehr oder weniger gute Bezie-ungen unterhielt,
urde das Marktanreizprogramm geplündert. Mitte desahres war auf einmal gar kein Geld mehr da. Die Bran-he war hochgefährdet. In den Handwerksbetrieben gabs Entlassungen. Das Ganze wurde damals ohne Beteili-ung des Parlaments gemacht. Das beenden wir, indemir diese Deckungsfähigkeit aufheben und mehr Geld inas System stecken.
Ein weiteres Beispiel. Ich bedauere, dass die gestrigeondersitzung nicht öffentlich war.
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4706 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Ulrich Kelber
– Sie wissen ja, wie es in einer Koalition zugeht. Es gabeinmal eine andere Sondersitzung eines Ausschusses.Damals hat unser grüner Koalitionspartner darauf be-standen, dass wir dem Antrag der Opposition, diese Sit-zung öffentlich zu machen, nicht zustimmen. Leider istes in einer Koalition so, dass man, wenn man sich nichteinig ist, nicht zustimmt; das wissen Sie. Damals habenSie uns dazu gezwungen. Nun hat uns unser heutigerKoalitionspartner dazu gezwungen. Es wäre sicherlichbesser gewesen, wenn die Sitzung öffentlich gewesenwäre.In der gestrigen Sondersitzung haben Sie gesagt, manmüsse bei den Atomkraftwerken endlich durchgreifen;denn schon 1999 und 2002 sei es in Biblis, Philippsburgund Brunsbüttel zu ähnlichen Störfällen gekommen. Wiehieß denn damals der Umweltminister?
Welche Partei hat ihn gestellt und wie hat er reagiert? Erhat nach Recht und Gesetz gehandelt und geprüft, ob derStörfall ausreicht, das betreffende Kernkraftwerk abzu-schalten und dem Betreiber Vorschriften zu machen. Erist damals zu dem gleichen Ergebnis gekommen wie derjetzige Umweltminister.Sie haben mich richtig zitiert. Ich stehe zu meinerMeinung. Das ist einer der Gründe, warum ich nach wievor den Atomausstieg für dringend notwendig halte.Aber man muss sich auch um die Details kümmern. An-sonsten muss man Steuergelder als Entschädigung fürungerechtfertigte Stilllegungen ausgeben.Sie kennen sicherlich den Unterschied zwischen deut-schen Atomkraftwerken und dem Atomkraftwerk inForsmark. Aber für die Öffentlichkeit erkläre ich ihnnoch einmal. In Forsmark war hinter den Generatoren,den Wechselrichtern, kein Back-up-System mehr. InBrunsbüttel beispielsweise gibt es noch weitere Gas-turbinen und Systeme. Das ist der Unterschied zwischenden beiden Reaktoren und der Grund, warum wir andersals die schwedischen Aufsichtsbehörden reagieren müs-sen. Frau Höhn, es wäre gut gewesen, wenn Sie als ehe-malige zuständige Ministerin dies der Öffentlichkeit er-klärt hätten.
Des Weiteren wird behauptet, das Budget sinke ange-sichts der Pensionsänderungen und vor allem im Natur-schutz laufe gar nichts. Sie orientieren sich offenbar nuran den Zahlen, nicht aber an den Inhalten. Einer solchenHaushaltsgläubigkeit bin ich noch nicht begegnet. Wirüberantworten in diesem Jahr 1,25 Milliarden Quadrat-meter dem Naturschutz. Der Wert dieser Fläche geht ver-mutlich in die Hunderte Millionen Euro. Das steht nichtim Haushalt. Aber Sie sagen, er sei von 23 auf 22,9 ge-sunken. Das darf doch nicht wahr sein! Wie können Sieeinen solchen Schritt – 1,25 Milliarden Quadratmeter alsnationales Naturschutzerbe in Deutschland – so bewer-ten? Ich finde, es ist sehr schade, dass Sie sich nur nochan Zahlen und nicht mehr an den Inhalten orientieren.JNmnnzmGWwg–usdsAG–fddssHSzBWegHhRKwjwmkae
Ich mache Ihnen ein Angebot: Ich gehe in mein Archivnd liefere Ihnen meinen Brief an Jürgen Trittin sowieeine Antwort auf die Frage, die wir vor der Verabschie-ung des NAP I dem federführenden Ministerium ge-tellt haben: Was ist die Gefahr der Einpreisung? Dientwort des grünen Umweltministers war: Es gibt keineefahr der Einpreisung.
Man muss solche Sachen einfach einmal dazusagen.Der zweite Punkt sind die 5 Milliarden Euro Wind-all-Profits.Frau Flach, Sie haben bezüglich der Umorganisationer Energieabteilung im Ministerium gesagt, Sie wür-en als Haushälterin erwarten, dass endlich einmal Per-onal gespart wird und keine zusätzlichen Ausgaben ent-tehen. Dazu darf ich sagen: Ich erwarte, dass eineaushälterin den Haushaltsentwurf liest. Dann wüsstenie, dass das eine Umorganisation ist und keine einzigeusätzliche Stelle dafür im Haushalt steht.
itte lesen Sie den Haushaltsentwurf einmal durch.enn das, was ich sage, nicht stimmt, dann machen Sies öffentlich und sagen Sie: Kelber hat die Unwahrheitesagt. – Gehen Sie den Haushaltsentwurf durch; alsaushälterin sollten Sie das tun. So eine billige Rhetorikaben Sie doch gar nicht nötig.
Die beste Oppositionsrede war die Rede von Fraueiche. Ich weiß – das sage ich als Vater von kleinenindern –, dass sie wegen ihres Kindes – der Stoffhasear ja auch für das Kind und nicht für Frau Reiche –etzt nicht hier sein kann. Man muss trotzdem einmal et-as zu Ihrer Rede sagen. Diesen Sommer hatte ichanchmal das Gefühl, wenn der Minister einatmet,ommt gleich die Pressemitteilung: „Reiche gegen Ein-tmen“.Wenn die SPD und der Minister in der Atomaufsichtine Politik machen, die zwischen den Extremaussagen
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4707
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Ulrich Kelberbeider Seiten liegt – die einen sagen: „Sie müssten längststilllegen, Sie tun nichts“, die anderen sagen: „Sie nutzendas aus, um gegen die Atomenergie zu stänkern“ –, dannmacht man das, glaube ich, richtig.Mir machen einige Dinge allerdings Sorgen; daraufkann vielleicht der Koalitionspartner noch eingehen.Wenn nach dem, was in Schweden passiert ist, die Erst-reaktion eines Betreibers lautet, es gebe gar keine Aus-wirkungen, dann die Atomaufsichten gebeten werden,Stellung zur Sicherheit der Anlagen zu beziehen, undmanche Atomaufsichten – wie die in Niedersachsen –praktisch nur Kopien von dem weitergeben, was die Be-treiber ihnen vorlegen, also keine eigenen Erkenntnissehaben, dann der Betreiber plötzlich sagt, es gebe zwarÄhnlichkeiten, es sei aber alles okay, und noch etwasspäter sagt, man müsse umbauen, dann muss man dochzumindest Zweifel haben, ob die Betreiber mit dieser Ri-sikotechnologie auf Dauer richtig umgehen und ob esnicht der bessere Weg wäre, aus dieser Risikotechnolo-gie auszusteigen.
Aber die Positionen in der Koalition unterscheidensich in der Tat, und zwar auch in der Frage des End-lagers. Es gibt da zwei Unterschiede.Erstens. Die Zwischenlager haben entsprechende Ge-nehmigungen. Wer sich ein bisschen in der Atomenergieauskennt weiß, dass viele Brennstäbe gar nicht sofort inein Endlager transportiert werden dürfen, sondern ersteinmal vor Ort bleiben müssen. Von daher könnte mandie Zwischenlager gar nicht auflösen.Der zweite Unterschied ist ebenfalls ganz deutlich.Dieser Unterschied hängt an wenigen Buchstaben: DieUnion will ein geeignetes Endlager haben; wir wollendas geeignetste Endlager in Deutschland haben.
Das ist der Unterschied zwischen unseren Ansätzen: Wirwollen alles an jeder Stelle überprüfen. Wer das eben-falls möchte, darf davor keine Angst haben. Das istmeine feste Überzeugung.
Letzter Punkt. In einer Haushaltsdebatte, in der manüber die Themen Umweltschutz, Geld und Volkswirt-schaft redet, kommt man natürlich am Thema Energienicht vorbei. Mich stört die Debatte der letzten Tage einbisschen. Da wurde über die Netzregulierung gespro-chen; im Augenblick wird in der Tat ganz gut daran ge-arbeitet. Dabei stellte sich die Frage, ob wir die Preisefür die Endkunden in den Ländern weiter regulieren soll-ten. Ich halte das für ziemlich blödsinnig.
Ich nenne als Beispiel einmal Stadtwerke, die 80 Prozentihres Stroms vom Versorger RWE beziehen müssen.Welche Endkundenpreise sollen die denn nehmen, wennRWE den Strompreis erhöht?ESDDsAs2sIesttddpgpwuledtetrniWeFblbdMdWrtV
Als Bonner Abgeordneter weise ich darauf hin, dassin Bonner Unternehmen, die Telekom, ein Leidtragen-er von Regulierung ist. Man kann aber von der Situa-ion bei der Telekommunikation lernen. Wir sollten unsin einfaches Ziel setzen: Die drei oder vier größten Un-ernehmen in der Stromerzeugung sollten keinen größe-en Marktanteil als 50 Prozent haben, das größte Unter-ehmen nicht mehr als 25 Prozent. Bis dieses Ziel erfülltst, ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es mehrettbewerber und mehr Kapazitäten gibt. Dann klappts auch wieder mit den Strompreisen.Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Ulrike
lach das Wort.
Die Intervention soll kurz sein, Herr Kelber. Sie ha-en gesagt, Haushälter sollten zumindest den Haushaltesen. Dass ich eben dieses getan habe, wollte ich Ihneneweisen. Ich habe in meiner Rede darauf hingewiesen,ass wir in diesem Ministerium anders als in andereninisterien einen Aufwuchs an Personal haben und dassies nicht im Sinne von uns Haushältern insgesamt ist.ir haben eine absolute Zahl – über das ganze Ministe-ium verteilt – von 47,9 Stellen und wir haben im Minis-erium selbst 12 Stellen plus. Ich habe dann angefügt:or diesem Hintergrund finde ich es verwunderlich, dass)
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4708 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Ulrike Flachein eigenes Referat gebildet wird. Wir werden den Mi-nister in den Beratungen über den Haushalt befragen,was da passiert ist. – Das ist das, was ich gesagt habe.Ich denke, daran ist nichts Unseriöses.
Kollege Kelber.
Ich finde es erst einmal gut, dass Sie richtiggestellt
haben, dass es da keinen Zusammenhang gibt. Das war
vorhin in Ihrer Rede nicht der Fall. Sie haben erst über
diese Abteilung gesprochen und dann gesagt, Sie
wünschten sich eigentlich, dass nicht zusätzliche Stellen
eingerichtet werden. Sie haben versucht, das in einen
Zusammenhang zu bringen. Jetzt ist das richtiggestellt.
Eines müssen Sie doch zugestehen: Wer neue Aufga-
ben definiert, muss auch beantworten, wie diese erfüllt
werden. Die neuen Stellen sind zum Beispiel im Bereich
des Emissionshandels angesiedelt. Hat Ihre Partei nicht
immer gesagt, wir seien zu spät mit dem Emissionshan-
del gestartet? Muss sich eine nationale Aufsichtsbehörde
nicht um das nationale Naturschutzerbe kümmern, bei
1,25 Milliarden Quadratmetern? Sie müssen das mit
Aufgabenkritik begleiten
und dürfen nicht rhetorisch zwei Dinge, die nicht zusam-
mengehören, in einen Zusammenhang bringen. Das ist
unfair und das ist auch unredlich.
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Kurt Hill, Frak-
tion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Das EEG ist der Schlüssel für die zukunftsfähige
Energiewirtschaft. Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und
Erdwärme garantieren einerseits Klimaschutz und ma-
chen uns andererseits unabhängiger von Öl und Gas.
Diese sorgen für sinkende Energiepreise und Hundert-
tausende neuer Arbeitsplätze, wie wir es auch eben ge-
hört haben. Aber hat unser Wirtschaftsminister Glos in
der Sache etwas nicht verstanden? Darauf angesprochen,
dass die Politik die hohen Strompreise mitverursacht,
sagte er – ich zitiere das „Handelsblatt“ von gestern –:
Wir haben aber bald Gelegenheit dazu, daran etwas
zu ändern. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, im
nächsten Jahr die Vergütungssätze des Erneuerbare-
Energien-Gesetzes zu überprüfen und gegebenen-
falls anzupassen.
Ich kann nur sagen: Wenn er die Anhebung der Ver-
gütung damit meint, dann ist das okay; denn mehr erneu-
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Das Wort hat nun Kollege Bernhard Schulte-Drüg-
elte, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Herr Kelber, ich möchte zu Beginn Ihre Einschät-ung der Rede von Katherina Reiche etwas korrigieren.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4709
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Bernhard Schulte-DrüggelteIch möchte darauf hinweisen: Wir sind in einer Koalition– es ist schon einige Zeit her, dass sie gebildet wordenist –; vielleicht sollte man Sie daran erinnern. Ich meine,es war eine sehr gute Rede.
Sie hat klar dargestellt, wie die CDU/CSU denkt. Viel-leicht ist es richtig, auch das einmal zur Kenntnis zu neh-men.Weil wir in einer Koalition sind, möchte ich zunächstunsere Gemeinsamkeiten darstellen. Wir haben gemein-sam unsere Hausaufgaben gemacht. Vorhin wurde be-klagt, dass das nicht geschehen sei. Unsere Kanzlerin hatdas aber klar zum Ausdruck gebracht. Ich möchte zumHaushalt sagen: Die Maastrichtkriterien werden zumersten Mal wieder eingehalten. Die Wachstumsraten sindgut. Es gibt wieder mehr sozialversicherungspflichtigeBeschäftigte und weniger Insolvenzen.
Bei der Bundesagentur für Arbeit gibt es erstmals seit1988 wieder einen Überschuss. Das sind Leistungen derKoalition, die unsere neuen Freunde einmal anerkennensollten.
Kurzum, SPD und Union haben ihre ehrgeizigenKonsolidierungsziele umgesetzt. Durch den vorliegen-den Einzelplan 16 wird der eingeschlagene Weg fortge-setzt. Wir leisten da einen guten Beitrag.
– Das war eine gute Bemerkung, Steffen. –
Während der Gesamthaushalt um 2,3 Prozent steigt,steigt der Haushalt des Umweltministeriums nur um0,1 Prozent. Das macht deutlich, dass die Konsolidie-rungsziele, die wir uns gesetzt haben, konsequent umge-setzt werden: sparsame Haushaltsführung; alle Aufgabenstehen auf dem Prüfstand; der Staat nimmt sich zurück.Der Anteil der Forschungsmittel am Programmhaus-halt wird jedoch erhöht: von 30,7 Prozent in diesem Jahrauf 32 Prozent 2007. Das ist eine langfristige Entwick-lung – das wurde schon vorhin gesagt –: Die Ausgaben2006 betragen circa 140 Millionen Euro und sie sollenim Jahr 2010 156 Millionen Euro erreichen.Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der BMU-Haushalt nur leicht ansteigt. Ein Teil des Mehrbedarfsergibt sich daraus, dass Deutschland im nächsten Jahrdie EU-Ratspräsidentschaft und den G-8-Vorsitz inne-hat, mit all den Verpflichtungen, die daran geknüpft sind.Ich meine, beides sind Ereignisse, auf die wir uns freuenund die wir nutzen können und sollten.Ich möchte jetzt auf Punkte zu sprechen kommen, beidenen wir vielleicht nicht immer einer Meinung sind.Anfangen möchte ich jedoch mit einem Punkt, bei demwir wahrscheinlich übereinstimmen: Ich meine denCHAgleldhfmuKbvvnHÜgclwKatnQ––SsmimdngESSVsgh
Der nächste Punkt ist der Emissionshandel; wir ha-en darüber gesprochen. In der Sache bin ich wieder ein-erstanden. Aber bei 100 Stellen und einem Volumenon 11 Millionen Euro stellt sich schon die Frage, ob dasicht im Haushalt dargestellt werden sollte, wenn manaushaltsklarheit und -wahrheit als Ziel hat.Ich möchte zu einem Punkt kommen, bei dem diebereinstimmung nicht so groß ist. Petra Hinz haterade über die Qualität von Kernkraftwerken gespro-hen und Tschernobyl erwähnt. Sie erinnern sich viel-eicht an manche Bilder von früher, wenn Kernkraft-erke besetzt wurden. Da wurden vorzugsweiseernkraftwerke in Deutschland besetzt. Das hatte unternderem den Grund, dass die Besetzer den Eindruck hat-en, das seien sicherere Anlagen; sonst hätten sie sichicht draufgesetzt. Ich will nur deutlich machen: Es gibtualitätsunterschiede.
Das ist so!
Ich mache das jetzt so wie Ihr Kollege und sage: Wennie etwas wissen wollen, dann stellen Sie eine Zwi-chenfrage!Die Frage der Endlagerung von radioaktiven Stoffenöchte ich auch kurz ansprechen. Im Koalitionsvertragst vereinbart, dass wir eine Lösung finden wollen. Ichöchte Herrn Minister Gabriel zitieren. Er hat im „Han-elsblatt“ gesagt: Wenn sich an dem jetzigen Urteilichts ändere, habe man fünf Monate Zeit, um den Be-inn des Ausbaus anzuordnen. – Das bezog sich auf dientscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zumchacht Konrad.Wir werden also in diesem Jahr Rechtsklarheit zumchacht Konrad bekommen. Wir werden wissen, ob daserwaltungsgericht grünes Licht gibt. Wenn ja, danntellt sich natürlich die Frage – das hat Frau Flach geradeesagt –, ob die entsprechenden Mittel im Bundeshaus-alt bereitstehen.
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4710 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Bernhard Schulte-DrüggelteKatherina Reiche hat die Vorgeschichte zu Gorlebenangesprochen. Wir müssen klar feststellen, dass es dazuselbstverständlich verschiedene Meinungen gibt. Allebisherigen Untersuchungsergebnisse haben aber ganzeindeutig gezeigt, dass der Salzstock geeignet ist.
Deshalb sage ich aus der Sicht eines Haushälters: Ich bingegen eine weitere Suche und für die Aufhebung desMoratoriums. Damit ist noch einmal klargestellt, dasswir da unterschiedlicher Auffassung sind.
Ich möchte jetzt einem Ihrer Parteifreunde ausdrück-lich zustimmen, nämlich dem Finanzminister Stein-brück. Er hat sich einmal als Treuhänder der Steuerbür-ger bezeichnet. Das ist, finde ich, eine sehr guteBezeichnung. Man sollte treuhänderisch mit Steuergel-dern umgehen. Das gilt auch hier, selbst wenn im Be-reich der Endlagerung ein Großteil der Kosten refinan-ziert wird. Ich möchte hinzufügen, dass wir das Problemnicht wie eine heiße Kartoffel von Generation zu Gene-ration weitergeben sollten.
Petra Hinz hat gerade noch einmal das Bundesamtfür Strahlenschutz angesprochen. Ich möchte erneut,wie bei der letzten Haushaltsrede, deutlich auf das kriti-sche Urteil hinweisen, das der Wissenschaftsrat über dasBundesamt getroffen hat, besonders im Hinblick auf dieFachbereiche „Sicherheit in der Kerntechnik“ und „Si-cherheit nuklearer Entsorgung“. Es gibt da auch Berei-che, die als sehr gut beurteilt worden sind, aber diejeni-gen, die uns hier besonders interessieren, sind als sehrschlecht beurteilt worden, gerade was die wissenschaftli-che Kompetenz angeht.
– Ich habe es durchgelesen.Der Wissenschaftsrat empfiehlt eine grundlegendeNeuausrichtung. Es ist eine Expertengruppe eingesetztworden.
Ich begrüße das und freue mich darüber, dass Konse-quenzen gezogen worden sind. Ich hoffe jedenfalls – umdas einmal ganz freundlich zu formulieren –, dass dieExperten unabhängig und in der Lage sind, objektiv Be-richt zu erstatten.
Deshalb möchte ich es bei diesen Punkten belassen.Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.wndDFs1mKtAEes–Bwd–WBgBDktsuWSshZttu1)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 16/2455 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.ann ist die Überweisung so beschlossen.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag derraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Druck-ache 16/2510 mit dem Titel „Die weltweit letzten00 westpazifischen Grauwale schützen“. Dazu liegenir persönliche Erklärungen von neun Kolleginnen undollegen der Grünen vor.1) Wer stimmt für diesen An-rag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Derntrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beinthaltung von FDP, Bündnis 90/Die Grünen und einemtwas unklaren Erscheinungsbild links, zwischen Zu-timmung und Enthaltung changierend
dann habe ich das richtig beobachtet –, angenommen.Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich desundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent-icklung, Einzelplan 12. Ich erteile das Wort dem Bun-esminister Wolfgang Tiefensee.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, könnten Sie denechsel etwas geräuschärmer vollziehen, damit derundesminister eine Chance hat, gehört zu werden. – Ichlaube, jetzt geht es.Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,au und Stadtentwicklung:Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenamen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Wirommen zum Einzelplan 12, einem der schwergewich-igsten auch im Haushalt des Jahres 2007. Ein starkes,elbstbewusstes Land investiert auch im Jahr 2007 starknd vorausschauend und sorgt damit für eine nachhaltigeirkung in Bezug auf die Belebung der Wirtschaft, diechaffung neuer Arbeitsplätze und den regionalen undozialen Zusammenhalt in unserer Republik.
Das ist nicht selbstverständlich. Die Bundesregierungat, wie die Mittelfristplanung zeigt, die zu diesemweck herangezogen werden kann, durch ihre Koali-ionsvereinbarung vom November 2005 dafür Sorge ge-ragen, dass die Gelder nicht zuletzt im Einzelplan 12nd hier im investiven Bereich verstetigt, ja zum TeilAnlage 3
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4711
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseeaufgestockt werden, damit Planungssicherheit entstehtund die Bauvorhaben zügig vorangetrieben werden. Wirinvestieren in die Straße, in die Schiene, in die Binnen-wasserstraßen und gemeinsam mit den Ländern in dieFlughäfen. Wir investieren in die Seehäfen. Wir setzenAkzente bei der Städtebauförderung mit dem Programm„Soziale Stadt“. Wir sorgen dafür, dass neue Technolo-gien zum Durchbruch kommen und innovative Produktegestärkt werden und ihren Markt finden. Mit all demverfolgen wir eine Strategie; die Maßnahmen finden sichin den Einzelpositionen unseres Etats wieder.Bevor ich das in der knapp bemessenen Zeit im Ein-zelnen erläutere, möchte ich einen herzlichen Dank andie richten, die im Vorfeld der Haushaltsplanerstellungdazu beigetragen haben, dass wir dieses Ergebnis in wei-ten Teilen im Konsens vorlegen können. Mit Blick aufdie schwierigen Gespräche über den Investitionsrahmen-plan 2006 bis 2010 darf ich der Hoffnung Ausdruck ver-leihen, dass wir die dort vorgesehenen Maßnahmen ingleichem Einvernehmen sehr zügig in Gang setzen, da-mit sie ihre Wirkung entfalten.
Die Strategie im Verkehrsbereich bis zum 31. Dezem-ber 2007 wird im Investitionsplan niedergelegt, den wirmit dem Masterplan „Güterverkehr und Logistik“untersetzen wollen. Wir folgen damit dem Ansatz, jedemVerkehrsträger eine optimale Unterstützung zu geben,damit er seine Wirkung entfaltet, und zwar jeweils ein-zeln und in der Vernetzung. Wir wollen das Rückgrat derWirtschaft, die Mobilität, und den Aufwärtstrend der Lo-gistikbranche unterstützen und somit im Einzelnen unse-ren Beitrag dazu leisten, dass Arbeitsplätze entstehen.
Der Verkehrsbereich hat auf dem Finanzniveau von8,8 Milliarden Euro eine Verstetigung erfahren. Rechnetman die Gelder von rund 1,7 Milliarden Euro im Rah-men des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes hinzuund berücksichtigt weitere Positionen im Technologie-bereich, dann ergibt sich ein Volumen von 10,7 Milliar-den Euro allein bei den Investitionen in die Verkehrsträ-ger innerhalb und außerhalb der Stadt.Wir wollen im Jahr 2007 den Binnenwasserstraßenein leichtes Prä einräumen, weil wir glauben, dass derenAusbau nachhaltig unterstützt werden muss, da sie imModal Split mit immerhin einem Anteil von 12 Prozentam Güterverkehr einen nachhaltigen Beitrag zur Mobili-tät leisten.
Wir wollen dabei – das sage ich auch in RichtungBündnis 90/Die Grünen – die Umweltverträglichkeit inKorrelation zu den Verkehrserfordernissen bringen. Ichdenke, dass wir sowohl beim Ausbau der Binnenwasser-straßen als auch beim Ausbau der seewärtigen Anbin-dung unserer Häfen sehr klug, sehr besonnen und sehrbedacht vorgehen.FhdmipkwpdddswdhAdlduuZdFZwfDdniugrgEMErid
ie die Anbindung insbesondere der ostdeutschen Län-er verbessern sollen.Wir werden nicht nur im investiven Bereich etwas fürie Schiene tun. Auch mit unseren strategischen Ent-cheidungen zur DB AG und deren Teilprivatisierungerden wir nicht zuletzt mit Blick auf den Haushalt inen Jahren 2006 und 2007 die Weichen stellen. Dies isteute nicht das Thema und meine Redezeit reicht nicht:ber wir werden die Koalitionsvereinbarung auch iniesem Punkt zügig umsetzen und unseren Beitrag dazueisten, dass Mobilität auch in Zukunft möglich ist undie Deutsche Bahn AG im Wettbewerb zwischen Straßend Schiene und auf der Schiene sowie im nationalennd europäischen Wettbewerb gestärkt wird und auch inukunft als Wettbewerbspartner zieht.
Im Bereich der Binnenwasserstraßen setzen wir aufie Erweiterung der Schleusen, auf umweltverträglichelussbaumaßnahmen beispielsweise der Elbe, um denustand vor dem Hochwasser herzustellen. So erhoffenir uns Impulse für die Wirtschaft.Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wir die Mittelür den Stadtumbau Ost und Stadtumbau West, denenkmalschutz, die Grundprogramme der Städtebauför-erung, aber auch für das Programm „Soziale Stadt“icht nur verstetigen, sondern aufstocken. Sie haben esm Haushalt gelesen: In den Jahren 2006, 2007, 2008nd 2009 wird für diesen Bereich mehr Geld zur Verfü-ung stehen.Ein entscheidendes Programm, das seine Wirkung be-eits entfaltet, ist das CO2-Gebäudesanierungspro-ramm.
s ist ein optimales Programm in der Verbindung vonittelstandsförderung, Verbesserung der Umwelt undntlastung des Mieters bei den Nebenkosten. Im Zeit-aum von 2005 bis 2006 wurde noch ein Finanzvolumenn Höhe von 200 Millionen Euro gefeiert. Angesichtser Tatsache, dass mittlerweile 1,4 Milliarden Euro pro
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseeanno zur Verfügung stehen, wird deutlich, dass diese Re-gierung hinsichtlich Mittelstandsförderung, Umwelt-schutz und Mieterinteressen nachdrücklich Akzentesetzt.Die Wohneigentümer rennen der Kreditanstalt fürWiederaufbau – bildlich gesprochen – die Bude ein undfragen dieses Programm nach. Daher haben wir uns ent-schlossen, die Mittel bereits im Jahre 2006 um350 Millionen Euro aufzustocken, indem wir die Ver-pflichtungsermächtigung zeitlich nach vorne ziehen. Da-mit erreichen wir, dass die Anträge, die jetzt quasi aufHalde liegen, noch im vierten Quartal beschieden wer-den können. Die erhöhte Nachfrage ist vermutlich teil-weise auch eine Reaktion auf die geplante Erhöhung derMehrwertsteuer, die gegebenenfalls zu einer Delle füh-ren könnte. Mit dieser Maßnahme haben wir angemes-sen darauf reagiert. Das CO2-Gebäudesanierungspro-gramm ist eine der Erfolgsstorys neben dem Aufwuchsder Investitionsmittel insgesamt.
Für den Stadtumbau Ost und für den StadtumbauWest legen wir zusätzlich 36 Millionen Euro auf. BeimProgramm „Soziale Stadt“ sind es 40 Millionen Euro proanno, verstetigt über die nächsten Jahre, wie man an derMittelfristplanung erkennen kann. Das zeigt, welche Ak-zente wir mit unseren Investitionen setzen wollen.Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zum AufbauOst und zur Unterstützung der ostdeutschen Länder sa-gen. Neben der Verbesserung der Infrastruktur setzenwir konsequent die Gelder aus dem Solidarpakt II ein.Wir fördern die Städte und die Wohnquartiere nachhal-tig, damit sich der zarte Aufschwung Ost, der im verar-beitenden Gewerbe erkennbar ist, verstetigt. Die Investi-tionszulage, die im Haushalt des Bundesfinanzministersetatisiert ist, soll an dieser Stelle noch einmal erwähntwerden. Pro anno werden den mittelständischen Unter-nehmen des Ostens 600 Millionen Euro zur Verfügunggestellt, damit sie Arbeitsplätze schaffen und zum Wirt-schaftswachstum im Osten beitragen können. Dieser As-pekt wird nach wie vor im Mittelpunkt der Politik derBundesregierung stehen.
Um das Wachstum, das in ganz Deutschland, aber be-sonders in den neuen Bundesländern zu beobachten ist,weiter zu fördern, kümmern wir uns um neue Technolo-gien. Deutschland ist auf vielen Feldern Technologie-führer. Ich nenne beispielsweise die Wasserstoff- undBrennstoffzellentechnologie. Auch wenn es darum geht,neue Antriebssysteme oder neue Kraftstoffe zu entwi-ckeln, sind wir führend. Ich nenne als Stichwort BTL,die synthetischen Biokraftstoffe. All das wollen wir för-dern, indem wir die Forschungsmittel in diesem Bereichaufstocken. Beispielsweise sollen in dieser Legislatur-periode rund 200 Millionen Euro, 50 Millionen Euro proanno, für das Wasserstoff- und Brennstoffzellenpro-gramm eingesetzt werden.PnPbdsdnnrt2MgzwblgidEdDdDDzgscmshilusstzsskddDtb
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s wäre aber gut, wenn Sie, sehr geehrter Herr Minister,hrer gesetzlichen Pflicht nachkommen und einen sol-hen Fünfjahresplan endlich vorlegen würden.
Besonders unverständlich ist die Entwicklung bei denundesfernstraßen, wenn man sich vor Augen hält, dassie Investitionssumme inzwischen zu einem großen Teilurch Mauteinnahmen finanziert wird. Fast jeder vierteuro – das entspricht über 1 Milliarde Euro – für Investi-ionen im Bereich Bundesfernstraßen stammt nicht ausaushaltsmitteln, sondern wird bereits jetzt nutzerfinan-iert.
Natürlich. – Heute ist aber keine Rede mehr davon,ass die Mauteinnahmen eigentlich auch dazu dienenollten, zusätzliche Projekte zu ermöglichen. Von zusätz-ichen Projekten ist heute nicht mehr die Rede.
Vielmehr dümpeln die Investitionen weiter vor sichin und das Investitionsdefizit wird von Jahr zu Jahr grö-er. Lieber Herr Tiefensee, wenn Sie weiterhin der Bun-esspatenstichminister bleiben wollen, wenn Ihr Spatenicht einrosten soll, dann müssen Sie in dem Bereichundesfernstraßen erheblich mehr Geld investieren,onst wird Ihnen dieser Titel wahrscheinlich aberkannterden.
Sie können gleich gerne sprechen.
In Ihrem Masterplan Logistik präferieren Sie denückzug des Staates aus dem Dienstleistungsbereich. Esst schon interessant, mit welchen Argumenten Sie ande-erseits beim Thema Bahn das Integrationsmodell hoch-alten. Sie manifestieren damit endgültig, dass der Bundehrheitseigentümer eines Logistikunternehmens wird.
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Jan MückeWarum soll es aber Aufgabe des Bundes sein, Hafenter-minals und Logistikkonzerne zu betreiben?
Es kann doch nicht im Sinne eines effektiven Wettbe-werbs im Verkehrsbereich sein, dauerhaft einen Staats-konzern zu verankern, der auf Kosten des Steuerzahlerskonkursfest ist und Vorzugskonditionen bei der Finan-zierung genießt.
Was Sie mit dieser Politik beabsichtigen, zumindest be-wirken oder billigend in Kauf nehmen, ist eine klare Ver-zerrung des Wettbewerbs zulasten privater Unterneh-men. Das sieht man gerade in der Logistikbranchedeutlich.Sie haben sich wahrscheinlich die Vision von HerrnMehdorn zu Eigen gemacht, mit dem Konzern DeutscheBahn einen Globalplayer aufzustellen. Gerade uns Ost-deutschen – ich komme noch einmal auf unsere gemein-same Herkunft zu sprechen – müsste eigentlich bekanntsein, dass die Größe allein relativ wenig über die Wett-bewerbsfähigkeit eines Unternehmens aussagt.
Große Unternehmensverbünde hatten wir zu DDR-Zei-ten auch. Entscheidend sind effiziente Strukturen und einerstklassiges Produkt. Das erwarten wir von derBahn AG.Damit komme ich zu dem, was heute über die Tickergelaufen ist. Sie haben die Opposition freundlicherweisezu einem klärenden Gespräch über den Börsengang derBahn, insbesondere über die Bahnimmobilien, eingela-den. Die Zuordnung dieser Immobilien ist in der letztenZeit häufig Thema in den Medien gewesen. Ich möchtean dieser Stelle noch einmal erklären, dass der Brief vonHerrn Mehdorn unseres Erachtens keineswegs alle Fra-gen beantwortet hat. Die Grundstückszuordnung ist nachwie vor eine offene Frage. Wir erwarten, dass die Immo-bilien der Deutschen Bahn AG entsprechend § 25 desDeutsche Bahn Gründungsgesetzes zugeordnet werden.
Solange diese Fragen nicht endgültig beantwortetsind und Ihr Haus nicht endgültig Position bezogen hat,wie die Grundstücke zugeordnet werden sollen, steht füruns der Untersuchungsausschuss weiter im Raum.
Für uns ist entscheidend, wie die Bundesregierungden Investitionshaushalt im Bereich Verkehr in Zukunftgestalten wird. Das ist unseres Erachtens eine Zukunfts-branche. Wir werden Sie gern unterstützen, wenn Sievernünftige Investitionsentscheidungen treffen. WennSie allerdings wie beispielsweise in diesem Jahr ganzmassiv zulasten der Straße einsparen, werden Sie keineUnterstützung für Ihren Haushaltsentwurf finden.
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Zum ersten Mal seit sieben Jahren werden in diesemahr die Umsätze in der Bauwirtschaft steigen. Die Bau-irtschaft rechnet auch im kommenden Jahr mit einerositiven Entwicklung. Natürlich gibt es – das werdenie sofort entgegenhalten – eine Sonderkonjunktur auf-rund des Wegfalls der Eigenheimzulage und der Erhö-ung der Mehrwertsteuer.Wir haben mit dem KfW-CO2-Gebäudesanierungs-rogramm einen starken Stabilisator eingezogen, dernsbesondere für das Bauhandwerk ein warmer Regenst. Dieses Programm ist – der Minister hat es gesagt –in außerordentlicher Erfolg. Wir hatten uns als Ziel vor-enommen, ein Investitionsvolumen in Höhe von etwaMilliarden Euro anzuregen. Dies ist gleich im erstennlauf deutlich überschritten worden. 1 Milliarde Euronvestitionen bedeuten die Sicherung von 25 000 Ar-eitsplätzen in diesem Land. Ich denke, das kann sich se-en lassen.
Gleichzeitig entlasten wir durch die CO2-Einsparun-en unsere Umwelt. Wir sparen Energiekosten und ver-essern den Substanzwert des Gebäudebestandes in die-
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)Dr. Hans-Peter Friedrich
sem Land, wobei sich drei Viertel aller Anträge auf Ein-und Zweifamilienhäuser beziehen.Das zeigt, dass das der richtige Weg ist und dass wirkeine teueren staatlichen Konjunkturprogramme brau-chen, sondern nur Anreize, damit die Menschen ihr pri-vates Kapital mobilisieren und investieren. Ich denke,angesichts der momentan nicht gerade überwältigendenAnzahl attraktiver Anlagemöglichkeiten in Deutschlandsind viele bereit, zu sagen: Jawohl, ich investiere in meineigenes Häuschen oder in meine eigene Wohnung.Deswegen sollten wir alle dafür sorgen, dass auch derWohnungsbau als Altersvorsorge möglichst bald riester-fähig gemacht wird.
Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Anliegen, das wirgemeinsam verfolgen sollten. Denn die Erarbeitung ei-ner Eigentumswohnung oder eines kleinen Häuschenssind Altersvorsorge und Eigentumsbildung in Eigenver-antwortung der Menschen. Das sollte der Staat entspre-chend unterstützen und würdigen.Wir erreichen CO2-Einsparungen; wir erreichen Ener-gieeinsparungen. Dies schaffen wir auch mithilfe einesweiteren Instruments, das uns die Europäische Unionvorschreibt, nämlich des so genannten Energieauswei-ses. Der Energieausweis ist sinnvoll. Denn er soll doku-mentieren, wie hoch der Energieverbrauch und die Ener-giekosten sind, die der potenzielle Käufer oder Mietereiner Wohnung oder eines Hauses zu erwarten hat.Es macht Sinn, ihn in einer Phase, in der die Energie-kosten besonders hoch und gewissermaßen zu einer Artzweiten Miete geworden sind, als Marktkriterium einzu-führen. Ich warne aber sehr davor, in diesem Zusammen-hang unnötige Kosten zu produzieren, die die Eigentü-mer von Häusern und Wohnungen belasten.
Ich bin deswegen sehr froh, dass sich der Bundes-minister für Verkehr und der Bundesminister für Wirt-schaft auf die Wahlfreiheit zwischen zwei Varianten desEnergieausweises verständigt haben: zwischen dem Be-darfsausweis, der relativ teuer ist, weil er kompliziertund aufwendig herzustellen ist, und dem Verbrauchsaus-weis, der relativ günstig ist und diesen Zweck für eineÜbergangszeit, bis sich das Ganze am Markt etablierthat, genauso gut erfüllen kann.
Das entspricht im Übrigen auch unserem Ziel, EU-Vor-schriften eins zu eins umzusetzen und nicht draufzusat-teln.Was die Verkehrsinfrastruktur angeht, stimme ich denKollegen, die vor mir gesprochen haben, uneinge-schränkt zu, auch denen der Opposition. Wenn man in-vestieren möchte, kann man nie genug Geld haben; es isteigentlich immer zu wenig. Aber ich denke, dass wir esgeschafft haben.GdKhrgsnKuVHdsdGakmFknvDßh1isEwhFadkwdt
uch das ist ein wichtiges Prinzip. Gerade in Zeitennapper Kassen muss man sich genau überlegen, woan investiert. Deswegen ist es richtig, dass wir dieünfjahrespläne sehr sorgfältig vorbereiten.Trotzdem sollten wir aufhören, den Erfolg der Ver-ehrspolitik einzig und allein daran zu messen, wie vieleeue Spatenstiche gemacht werden. Das ist eine etwaserengte Perspektive.
as eigentlich Entscheidende ist, den Bestand an Stra-en, der von Jahr zu Jahr zunimmt, zu sichern und zu er-alten. Deswegen fließen noch in diesem Jahr,7 Milliarden Euro aus dem Haushalt für das Jahr 2007n die Erhaltung des bestehenden Straßennetzes. Zu-ammen mit den Erhaltungsmaßnahmen im Rahmen vonrweiterungsarbeiten sind es 2 Milliarden Euro.Wir müssen der Bevölkerung deutlich machen, wieichtig es ist, den ständig zunehmenden Bestand zu er-alten, und klar sagen, dass das Mehraufwendungen zurolge hat, was dazu führt, dass die Investitionen knapperusfallen. Ich denke, die Bevölkerung, die ein Interessearan hat, dass die Straßen in gutem Zustand und ver-ehrssicher sind, versteht das.
Sollten sich in den nächsten Wochen unerwarteter-eise Haushaltsspielräume auftun, verspreche ich Ihnen,
ass wir wie ein Mann hinter dem Bundesverkehrsminis-er stehen
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Dr. Hans-Peter Friedrich
und fordern werden, dass die anstehenden Investitionenin den Verkehrshaushalt fließen.Die Unionsfraktion wird die Bundesregierung bzw.den Verkehrsminister bei den Zukunftsvorhaben im Zu-sammenhang mit der Umsetzung des Koalitionsvertra-ges nachhaltig unterstützen. Dazu zählt die Sicherungdes Luftverkehrsstandortes Deutschland. Dazu gehörtauch, dass wir die Qualität und die Kapazität der deut-schen Flughafeninfrastruktur sichern und ausbauen so-wie die Vermarktung des Logistikstandortes Deutsch-land voranbringen. Und dazu gehört, dass wir diewirtschaftliche Basis für die Fuhrunternehmer in unse-rem Lande sichern. Man darf die Unternehmen nicht im-mer nur mit neuen Kosten belasten – wie es etwa bei derMaut der Fall war –, sondern man muss ihnen auch Ent-lastungen zukommen lassen, und zwar dann, wenn esmöglich ist, und dort, wo man sie ihnen zugesagt hat.Auch daran müssen wir mit Hochdruck arbeiten.Es gilt, alle Verkehrsträger, also auch die Binnen-schifffahrt, zu stärken. Ich habe vorhin die Umweltde-batte verfolgt. Ich werde nie begreifen, warum ausge-rechnet die Grünen dagegen sind, die Möglichkeiten, dieBinnenschifffahrt zu nutzen, zu verbessern. Die Binnen-schifffahrt ist ein ökologisch höchst verträglicher Ver-kehrsträger, den wir mit halber Ladung über den Rhein-Main-Donau-Kanal fahren lassen,
weil überall versucht wird, den Donauausbau zu blockie-ren. Wie kann es ökologisch sein, den VerkehrsträgerBinnenschifffahrt zu behindern?
Ich glaube, die selbst ernannten Oberökologen sollten indieser Frage umdenken.
Schließlich geht es darum, die Struktur des Verkehrs-trägers Schiene zu sichern. Dafür erwarten wir, wie esguter Brauch ist, die Unterstützung des ganzen Hauses.Wir wollen eine gemeinsame Linie suchen.Wir nehmen die Stadtentwicklung, den Bau, Verkehr,Logistik als Zukunftsaufgaben fest in den Blick.Bis zur endgültigen Verabschiedung des Haushaltesgibt es immer Änderungen im Detail. Aber ich glaube,man kann sagen: Die Richtung stimmt.
Vielleicht können Sie sich als Opposition dazu durchrin-gen, diesen Haushalt entgegen den Ritualen auch einmalzu loben.Vielen Dank.
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Wer nun einwendet, der Transrapid sei ein Touristen-agnet, möge – so ist unsere Überzeugung – den Trans-apid aus Kulturmitteln bezahlen! Verkehrswirtschaftlichst für uns klar: Fluggäste mit viel Gepäck, Begleitende,uschauer oder Dienstpersonal ziehen es allemal vor,as Auto zu nutzen und nicht Fahrpreise zu zahlen, dienter Umständen weit teurer sind als ihr Flugticket, erstecht wenn sie mit ihrem ganzen Gepäck und Geraffeluch noch mühsam umsteigen müssen, weil es keinennschluss gibt. Flughafenbahnen kommen nur infrage,m einen Flughafen von mehreren Seiten ans Verkehrs-etz anzubinden.
ieses Problem ist übrigens auch beim künftigen Flug-afen Schönefeld BBI bislang nicht gelöst.Kommen wir nun zu dem verkehrspolitischen Thema,as uns zurzeit am meisten beschäftigt, das am meisteniskutiert wird und auch von der Öffentlichkeit deutlichahrgenommen wird: der Zukunft der Bahn. Die Men-chen, die Wirtschaft, alle brauchen vernünftige Lösun-en. Doch was tun wir hier? Wir haben uns mit demRIMON-Gutachten befasst, haben Anhörungen durch-eführt. In allen Fraktionen gibt es nach wie vor mannig-ache Bedenken. Drei möchte ich hier herausgreifen.rstens: magere Erlöse, egal nach welchem Modell wirie Bahn verkaufen. Zweitens: kaum Hinweise, wie wirann die Ziele der Bahnreform erreichen wollen. Drit-ens die Erkenntnis, dass vage Planungsdaten der
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Dorothée MenznerDB AG die Grundlage für den 500-seitigen Zahlensalatsind, der mehr Fragen aufwirft, als Antworten gibt, Fra-gen, die da lauten: geminderte Bilanzwerte, versteckteWerte, bleibende Schulden.Auch dazu an dieser Stelle drei Zahlen: Seit 1994 in-vestierten die Steuerzahler über 70 Milliarden Euro indie Bahn. Trotzdem liegt die Bilanzsumme nur bei50 Milliarden Euro. Wieso? Beide Zahlen stehen in kras-sem Gegensatz zum aktuellen Wiederbeschaffungswert,der mit 200 Milliarden Euro zu veranschlagen ist. KeinKaufmann und keine Kauffrau würden so rechnen.Wir meinen, dass nach diesem ganzen Zahlensalat dieNotbremse zu ziehen ist und dass wir endlich gemein-sam aufräumen, Transparenz schaffen und klären müs-sen, was eigentlich die Grundlage ist.
Wir wurschteln dagegen weiter, während die Bahn ver-hackstückt werden soll. Die Diskussion darüber geht inRichtung eines Integrations- oder eines Eigentumsmo-dells. Aber eigentlich werden die Entscheidungen schonganz woanders vorbereitet. Das nennt sich dann Len-kungsausschuss und läuft – man merke – ohne Beteili-gung der Opposition.Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder, der den Haus-halt liest oder der tagtäglich auf die Straßen schaut,weiß, dass eines der größten Probleme der Güterver-kehr ist. Wenn wir schon zuschauen, wie die Produktionaus Deutschland abwandert, dann müssen wir auch denKonsequenzen ins Auge schauen. Ich meine Seeschiffemit 6 000, 8 000 und zukünftig 10 000 Containern, dietagtäglich in den Nordseehäfen anlegen. Soll das heißen,dass jeder weitere Container einen weiteren Laster aufdeutschen Straßen bedeutet? Wollen wir da nicht liebergemeinsam die Weichen in Richtung einer vernünftigenVerkehrspolitik und in Richtung einer vernünftigen Bahnstellen?
Statt dieser Flickschusterei wäre das eine Aufgabe undwäre das ein gemeinsames Konzept wert.
Ich appelliere an Sie, hier gegenzusteuern und Nach-haltigkeit zu entwickeln. Behalten wir die Bahn im Bun-deseigentum, stellen wir ihren wirklichen Wert fest undfinden wir die milliardenschweren Logistikfirmen, diesofort zu Geld gemacht werden können, das wir dann inden Streckenausbau stecken können.Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, ge-statten Sie mir zum Schluss noch eine kurze Bemerkungzum Einzelplan 60. Auch hier hat die Regierung nichtkorrekt gearbeitet. Die Regierung wollte die Gelder fürBahn und Bus kürzen. Doch was finde ich jetzt in demEntwurf für den Haushalt 2007? Da steht immer nochder ungekürzte Betrag von 7,266 Milliarden Euro. Dazustelle ich fest: Wir beschließen hier gegen die StimmendZdaerBHkflSmhItLditkdzavWucugdSrgrüfd
ie hat viel gesagt und nicht allem können wir zustim-en. Diesem Satz stimmen wir aber ausdrücklich zu.
Es ist das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und zur nach-altigen Entwicklung. Ich nehme diesen Anspruch ernst.ch will dies einmal am Beispiel dieses Ministeriums kri-isch durcharbeiten; denn ich glaube schon, dass dereitspruch der Kanzlerin natürlich auch der Leitspruches Ministers in einem Ministerium sein muss, in dem esn der Tat um die Zukunft geht. Zweifellos ist das Minis-erium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das Zu-unftsministerium par excellence. Es stellt sich natürlichie Frage, ob alles, was dort getan und entschieden wird,ukunftsfähig ist. Sind die Investitionen, von denen Sielle hier so stolz gesprochen haben, wirklich Zukunftsin-estitionen?Herr Minister, Sie haben viel von Arbeitsplätzen,irtschaftlichkeit und Verkehrspolitik gesprochen. Ausnserer Sicht haben Sie aber zu wenig davon gespro-hen, dass zur Nachhaltigkeit auch ökologische Aspektend der Klimaschutz gehören. Das ist deutlich zu kurzekommen. Trotzdem will ich ganz unumwunden sagen,ass es in Ihrem Etat einen Bereich gibt, den wir ausicht der Grünen nur loben können. Das Gebäudesanie-ungsprogramm, das jetzt auf 1,4 Milliarden Euro auf-estockt wurde, ist absolut positiv. Das ist zukunftsge-ichtete Investitionspolitik.
Ich kann mir allerdings eine spitze Bemerkung gegen-ber den Genossinnen und Genossen nicht ersparen: Esreut uns, dass es Ihnen gelungen ist, sich selbst zu mehrurchzuringen. – Nicht alle verstehen das.
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Winfried HermannIch muss erläutern: Die Grünen haben jahrelang genaudiese Aufstockung gefordert; die Sozialdemokraten ha-ben immer gesagt, das gehe nicht. Jetzt haben Sie sichim Ringen mit sich selbst für eine Aufstockung entschie-den. Herzlichen Glückwunsch! Wir sind jetzt jedenfallsein Stück weiter.
Das Lob, das man zum Gebäudesanierungsprogrammäußern muss, kann man nicht auf den Bereich Verkehrs-politik übertragen. Herr Minister, Sie haben einige Pro-jekte, die es schon seit Jahren gibt und die unter Rot-Grün angeleiert wurden, fortgeführt. Es geht dabei umdie Frage, wie man den Bereich Verkehr nachhaltiger ge-staltet, etwa mit neuen Antriebssystemen und neuenTreibstoffen. Damit beschäftigen wir uns schon seit Jah-ren. Es fehlt aber wirklich ein großer strategischer Wurf,der erkennbar zeigt, wie wir im Bereich Mobilität, der zu90 Prozent vom Öl abhängig ist, entsprechend der Stra-tegie der Bundesregierung vom Öl wegkommen. Hiermuss es noch deutliche Nachbesserungen geben; hier istnoch viel zu tun. Sie haben in diesem Bereich kein zu-kunftsfähiges Programm.Nächster Bereich: Infrastruktur. Alle haben angespro-chen, wie wichtig die Infrastruktur für die Zukunft derGesellschaft ist. Nehmen wir das zuletzt angesprocheneBeispiel: der Bereich Gütertransport. Ist es unter demGesichtspunkt, dass wir Schienenverkehr zur Anbindungan die Seehäfen brauchen, weil der Verkehr dort massivwächst, nicht dringend notwendig, in diesen Bereich zuinvestieren? Ich weise auf die Verbindung durch dasRheintal in die Schweiz hin. Ist es nicht einsichtig, dasswir genau dort schwerpunktmäßig investieren müssen?Das geschieht leider nicht. Man setzt weiter auf Projektewie die Strecke Nürnberg–Erfurt, die genau das nichtleisten, aber das Geld abziehen, das wir dringend füreine nachhaltige Logistikpolitik brauchen.Herr Kollege Fischer, Sie verstehen nicht, warum dieGrünen gegen den Flussausbau sind. Wir sind dagegen,weil wir keine eindimensionalen Ökologen sind. Bei derÖkologie geht es nämlich nicht nur um Emissionen undEnergieverbrauch. Vielmehr gehören auch Natur- undGewässerschutz sowie Gewässerökologie dazu. Sie kön-nen nicht an der Donau und an Teilen der Elbe einen na-tur- und landschaftsverträglichen Flussausbau, der einenvernünftigen Schiffverkehr zulässt und sich auch nochökonomisch rechnet, betreiben. Die entsprechendenTransporte kann man – das ist unsere Überzeugung – mitder Bahn bei weitem preiswerter und ökologischer be-werkstelligen.
Sie setzen im Bereich Infrastruktur unserer Meinungnach immer noch zu sehr auf neue, große Projekte.Wenn Sie, Herr Friedrich, sagen, man müsse auch anden Erhalt denken, sagen wir: Richtig. Es freut uns,dass Sie hier umdenken. Spitz nachgetragen: Wenn ichapuIteeubmfwwtDLofgmShFTMsuwmRgrsWpüskvgEbbm3zss3sd
Wir haben jetzt die ersten Antworten – mehr als bis-er –, aber es ist noch längst nicht alles aufgeklärt. Vieleragen sind noch auf dem Tisch. Solange sie auf demisch sind und keine Antworten folgen, sind wir dereinung, dass die Einsetzung eines Untersuchungsaus-chusses nötig ist. Das ist völlig klar. Im Moment liegenns einige Antworten vor, aber das ist zu wenig, umirklich einschätzen zu können, was da passiert ist. Manuss den Eindruck haben, dass über Jahre hinweg dasecht verletzt wurde und dass es noch keine Korrekturenab. Es ist auch noch nicht erkennbar, welche Korrektu-en Sie vornehmen wollen und wie Sie die ökonomi-chen Nachteile für den Bund ausgleichen wollen.Da Sie nun in der Koalition heftig über die Art undeise der Privatisierung streiten, möchte ich Ihnen einaar Zukunftsfragen mitgeben, die in der Debatte bisherberhaupt nicht berücksichtigt werden.Bei all Ihren Modellen, die Sie durchspielen, stelltich die Frage, durch welche Entscheidungen die Zu-unft verbaut wird. Wenn man ein beträchtliches Volks-ermögen wie das Schienennetz zu Niedrigstpreisen ab-ibt, weil es an der Börse nichts wert ist, dann ist dasrbe verschleudert und die Zukunft verbaut. Wenn maneispielsweise langfristige Verträge macht, über die Sieei den verschiedenen Modellen diskutieren – es ist im-er von einem langfristigen Nießbrauchrecht über0 Jahre die Rede –, dann bedeutet das den Ausschlussukünftiger Politikgenerationen von der politischen Ent-cheidung, wie der Schienenverkehr in Deutschland ge-taltet wird.Ein langfristiger Vertrag mit einer Laufzeit von0 Jahren behindert die Politik und den Wettbewerb undchadet letztendlich dem Schienenverkehr, weil sich aufer Schiene kein Wettbewerb und kein Wachstum entwi-
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Winfried Hermannckeln können. Das alles sind nur Schutzkonzepte zumErhalt der Deutschen Bahn AG.
Eine vernünftige ökologische und nachhaltige Zu-kunftsinvestitionspolitik, Infrastrukturpolitik und Ver-kehrspolitik müssen sich aber über Einzelinteressen hin-wegsetzen und den Schienenverkehr im Geiste einernachhaltigen Mobilitätspolitik und des Klimaschutzesbetreiben. Das wäre zukunftsfähig. Insofern müssen Siein der Debatte noch einiges nachlegen.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Uwe Beckmeyer, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Ich denke, dass wir mit dem Haushalt desEinzelplans 12 einen wesentlichen Schlüssel für die öko-nomische Entwicklung dieses Landes in der Hand ha-ben. Dieser Haushalt ist in seiner Wirkung sicherlich ei-ner der einflussreichsten Faktoren für die Stärkung desWirtschaftsstandortes Deutschland. Insofern ist er insbe-sondere im Hinblick auf die Entfaltung dieser Wirkungzu betrachten.Was heißt das? Die Infrastruktur ist im Grunde ge-nommen das Rückgrat unserer Ökonomie bzw. unseresgesamten Wirtschaftssystems. Mit den Investitionen indieses Wirtschaftssystem und in die Verkehrsinfrastruk-tur unseres Landes geben wir meines Erachtens starke– wenn nicht sogar die stärksten – Impulse für die Ver-besserung unserer Wirtschaftskraft und damit auch fürdie Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das erreichen wirnicht nur durch die Investitionen selbst, sondern auchdurch die Wirkungen, die diese Investitionen in Deutsch-land entfalten.Unser gemeinsames politisches Ziel ist es doch wohl,alle Kräfte zu stärken, die diese positiven wirtschaftli-chen Effekte entfalten. Wenn wir Verkehrsinfrastrukturausbauen, instand halten und optimieren, sorgen wir da-für, dass dieser wirtschaftliche Aufschwung nachhaltigwird. Wir ermöglichen, stabilisieren und verstärken ihn.Das ist umso wichtiger, als der Haushalt mit einem Aus-gabeplafond von 24 Milliarden Euro ausgestattet ist. Dasentspricht einer Steigerung um 307 Millionen Euro inabsoluten Zahlen bzw. einem Plus von 1,3 Prozent. Auchdas sollte an dieser Stelle erwähnt werden.Der Einzelplan 12 ist mit Abstand der größte Investi-tionshaushalt des Bundes. Rund 53,2 Prozent der inves-tiven Ausgaben des Bundes sind Investitionen in denVerkehrs- und Baubereich. Die Investitionen in diesemEinzelplan betragen rund 12,5 Milliarden Euro.isSizÖutagHmrhnIDsDldmnddlnnhdgrgvtslukdwawatabnal
Mit dem wirtschaftlichen Wachstum nimmt bislanger Transportbedarf zu. Dieser Umstand darf nacheiner Meinung verkehrspolitisch nicht einfach hinge-ommen werden. Meine feste Überzeugung ist, dassiese Wachstumsprozesse mittelfristig entkoppelt wer-en müssen; denn eine innovative Verkehrspolitik ver-angt – genauso wie die europäische Verkehrspolitik –ach einer vernünftigen Antwort. Eine innovative undachhaltige Verkehrspolitik sichert einerseits einen ho-en Grad an Mobilität und sorgt andererseits dafür, dassie Belastungen für Menschen und Umwelt möglichstering sind.
Wir Sozialdemokraten setzen gemeinsam mit unse-em Koalitionspartner auf eine vorausschauende, inte-rierte Verkehrspolitik des Bundes, basierend auf einerernünftigen Kombination unterschiedlicher Verkehrs-räger. Was wir brauchen, ist ein ökonomisch effizientes,ozial angemessenes und ökologisch verträgliches Mobi-itätsangebot. Das ist im Koalitionsvertrag ausdrücklichnterstrichen und damit die Richtschnur für den Ver-ehrshaushalt – insbesondere für die Ausgaben –, überen wir heute in erster Lesung beraten.Es gibt aber auch den grundgesetzlichen Allgemein-ohlauftrag der Bahn. Diesen Infrastrukturauftrag, deruch volkswirtschaftliche Implikationen hat, nehmenir sehr ernst. Eine integrierte Verkehrspolitik basiertuf einem intakten, zukunftsfähigen Wasserstraßensys-em, einem adäquaten Fernstraßensystem sowie einemm Allgemeinwohl und insbesondere an den Verkehrs-edürfnissen orientierten Schienensystem der Eisenbah-en. Diese Netze wollen wir gut unterhalten, wo nötig,usbauen und dem Bedarf entsprechend unserer zentra-en Lage in Mitteleuropa anpassen.
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4720 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006
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Uwe BeckmeyerDas Bruttoanlagevermögen unserer Bundesfern-straßen inklusive der Brücken hat nach der Statistik desVerkehrsministeriums – Stand 2004 – einen Wert vonmindestens 478 Milliarden Euro. Der Wert des Schie-nennetzes beträgt laut dieser Statistik 130 MilliardenEuro und der unserer Wasserstraßen rund 40 MilliardenEuro. Würde man eine reine Ertragswertberechnungder Wertermittlung zugrunde legen, hätte das Autobahn-netz vor der Einführung der LKW-Maut den Wert nullgehabt und wäre selbst nach der Einführung der Mautnur gut 3 Milliarden Euro wert. Sie werden sich sicher-lich fragen, ob es sein kann, dass der Bruttoanlagewert478 Milliarden Euro und der Ertragswert nur 3 Milliar-den Euro beträgt. Sicher, das kann sein. Es kommt im-mer darauf an, wen Sie fragen: den Bauunternehmer, derein Bauwerk erstellen soll, oder den Kapitalverwerter,der private Kapitalgeber interessieren will. Ich will hiergerne – wir kennen das aus dem Ausschuss – die rhetori-sche Frage nach dem Wert des Kölner Doms oder derDresdner Frauenkirche wiederholen. Nach der Ertrags-wertmethode wären sie jeweils nur ihre Klingelbeutel-kollekte wert.Ich sprach vorhin von der großen Bedeutung der Ver-kehrsinfrastruktur für den wirtschaftlichen Aufschwungin Deutschland. Sie ist natürlich in erster Linie in ihrervolkswirtschaftlichen Bedeutung für unser Land zu su-chen. So wird es auch in Zukunft bleiben. Deshalb wirdaus Sicht des Bundes eine pure Fixierung auf den Er-tragswert der Bewertung unserer Infrastrukturnetze nichtgerecht. Ich sage dies gerade mit Blick auf eine mögli-che Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG.
Wir wollen auch in Zukunft den freien Verkehrsmarktim Rahmen des EU-Binnenmarktes fördern. Wettbewerbinnerhalb und zwischen den Verkehrsträgern bleibt unsergemeinsames Ziel. Kabotage gab es überall. Regulierunggab es auf allen Feldern der Transportlogistik; ichglaube, wir haben sie nach und nach auf allen Feldernabgeschafft. Das Spannungsverhältnis zwischen Regu-lierung und Wettbewerb auszutarieren, ist eine Heraus-forderung, die der modernen Verkehrspolitik künftigteilweise noch bevorsteht.Ich will noch etwas zu den Risiken, aber auch zu denChancen sagen. Ich meine hierbei Risiken nicht imSinne von Haushaltsrisiken. Verkehrspolitik hat natür-lich darüber hinaus vieles zu berücksichtigen – die unsi-chere weltpolitische Lage, drastisch steigende Ölprei-se –, was uns immer wieder bedroht, ob internationaloder europäisch. Insofern ist es wichtig – gerade wennman an die Rohstoffpreise denkt –, dass man innovativeForschungsprojekte für alternative Antriebsformen undAntriebsstoffe weiter unterstützt und fördert. Ich denke,das versteht sich von selbst.
Zu den Chancen. Der Minister hat vorhin mit Rechtauf den Masterplan „Güterverkehr und Logistik“hingewiesen. Es ist eine riesengroße Chance fürDeutschland, dieses Feld national so zu besetzen, dasshVhwzmzcrkzMmspsbipWabAttawwswdrzIldkIiHKMt
Der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte – ichöchte meinen nachfolgenden Kollegen nicht die Zeittehlen –, bezieht sich auf die Akzeptanz der Verkehrs-olitik. Wir haben im letzten Haushalt – ich denke, wirollten das fortsetzen – zusätzliche Mittel für die Lärm-ekämpfung eingestellt. Wir haben hierfür richtig Geldn die Hand genommen und haben die Ansätze verdop-elt. Ich glaube, das ist der richtige Weg.
ir müssen den Lärm an der Quelle und auch den Lärmn den Bundesverkehrswegen bekämpfen. Ansonstenekommen wir in Deutschland für Verkehrswege keinekzeptanz des Bürgers – und wir brauchen diese Akzep-anz. Ich glaube, es ist wichtig, an dieser Frage zu arbei-en und etwas Zusätzliches zu tun. Wir sollten vielleichtuch noch einmal über die Rahmenbedingungen – wieird Lärm eigentlich empfunden, wie wird er bewertet,ie wird er gemessen? – nachdenken. Es kann nichtein, dass die Leute sagen: „Ich höre das“, aber dannird am Ende der Lärm nicht nach dem Gehör oder nacher gemessenen Lautstärke bewertet, sondern er wird be-echnet. Auch das zeigt, wie schwierig es sein kann, Ak-eptanz herzustellen.Ich habe noch 26 Sekunden, in denen ich etwas zumnfrastrukturbeschleunigungsgesetz sagen will. Wir wol-en ganz entschieden dieses Thema so behandelt wissen,ass dieses Gesetz zum 1. Januar 2007 seine volle Wir-ung entfaltet.
ch glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Damit willch schließen.Herzlichen Dank, meine sehr geehrten Damen underren. – Herr Präsident, ich habe zwei Minuten meinerollegin überlassen.
Ich wollte mich schon wundern, dass Sie uns zweiinuten schenken, aber Sie haben sie gleich weiter ver-eilt.
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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang ThierseIch erteile das Wort dem Kollegen Joachim Günther,FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirdiskutieren heute den Haushaltsplan 2007. Ich möchtemich vorrangig mit dem Bereich Wohnungswesen undStädtebau auseinander setzen. Hier enthält der Haus-haltsplan – das sage ich klar vorweg – einen positivenAnsatz. Die im Vergleich zum Vorjahr um 260 MillionenEuro erhöhten Investitionen – so muss man das jasehen – lassen zumindest die Überzeugung aufkommen,dass die Bundesregierung das Vorhaben ernst nimmt,den politischen Stellenwert des Bauwesens wieder an-steigen zu lassen.Sie als Koalitionsparteien hatten der Bauwirtschaftdas Versprechen gegeben, dass Sie die Rahmenbedin-gungen so gestalten würden, dass die Bauwirtschaft wie-der schwarze Zahlen schreiben kann und dass man es aufdem Arbeitsmarkt merkt. Herr Minister, Ihre Rede warabsolut positiv; sie hatte noch etwas von der Euphorieder Weltmeisterschaft.Das ist ja nicht schlecht, aber als Opposition müssenwir auf den einen oder anderen Punkt hinweisen, mitdem man vorsichtig umgehen sollte. So hat zum Beispielder Kollege Friedrich gesagt, die Zahl der Bauauftrags-eingänge sei im Vergleich zum Vorjahr höher gewesen.Das stimmt, und zwar um 0,2 Prozent. Aber zu dieserWahrheit gehört noch etwas anderes. Im gleichen Zeit-raum sank im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Be-schäftigten im Bauhauptgewerbe um 28 000.
Das bedeutet, dass diese 28 000 Beschäftigten im Bau-hauptgewerbe arbeitslos geworden sind. Ich hoffe, dasses nur eine Episode in der Sommerpause war, als Siesagten, man könne diese Arbeitslosen als Hilfssheriffseinstellen. Ich gehe davon aus, dass es mittelfristig gelin-gen wird, diese wieder in Arbeit zu bringen. Diese Zah-len machen deutlich, dass die grundlegenden Rahmenbe-dingungen noch nicht geändert worden sind.
Stattdessen steht uns die Mehrwertsteuererhöhung um3 Prozentpunkte bevor. Herr Minister, Sie selbst habenschon angekündigt, dass eine konjunkturelle Delle zu er-warten ist. Hoffen wir, dass es wirklich nur eine Dellewird und kein Rückgang der Konjunktur.In diesem Zusammenhang sind viele Maßnahmen zuerwähnen, die die Bauwirtschaft schon in der Vergan-genheit beeinträchtigt haben. Die muss man nennen,wenn man über neue Steuererhöhungen spricht. Ichdenke an die Abschaffung der Eigenheimzulage, dieohne Kompensation – darum geht es mir – erfolgt ist.Wir haben vorgeschlagen, das Wohneigentum in die ge-förderte Altersvorsorge einzubeziehen. Da gibt es An-sätze, aber nach wie vor kein Ergebnis. Es gibt einenumstrittenen Referentenentwurf. Wann kommt die Vor-lage, die zugesagt wurde?MAg2JgGbbanSAdUmamnt„fdefavrwwsUDOatüAzedpmd–aalsm
Wollen Sie mir sagen, dass dieser Herr uns gefragt hat,ls er das umgebogen hat? Es geht doch darum, dass wiruch die privaten Immobilienbesitzer einbeziehen wol-en. Ich glaube, dass wir in dieser Beziehung im Aus-chuss des Bundestages weiter sind als die Kollegen inanchen Ländern.
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Joachim Günther
Die Städte müssen für Menschen jedes Alters attrak-tiv gestaltet werden. Das erfordert eine Umgestaltungsowohl der sozialen Struktur als auch der Verkehrsinfra-struktur in den Städten.Die älteren Menschen müssen integriert werden. Einstetiges Anliegen von uns, der FDP, im Zusammenhangmit dem Thema Stadtumbau war es, die Interessen der– das möchte ich bewusst betonen – privaten Hauseigen-tümer in dieses Programm zu integrieren. Herr Tiefensee,ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie dies auch per-sönlich auf dem Zentralverbandstag von Haus & Grundzugesagt haben. Wir warten jetzt darauf, wie sich das inVerordnungen und Erlassen niederschlägt.Erfreulich ist auch die erhöhte Zuweisung für denDenkmalschutz Ost. Wir alle wissen: 90 MillionenEuro reichen auch hier nicht aus. Aber sie sind ein Si-gnal dafür, dass der Denkmalschutz im politischenBlickfeld bleibt. Die Innenstädte haben dadurch zweiChancen: zum einen, ihre Attraktivität zu erhöhen, undzum anderen, sichere Arbeitsplätze in Handwerksbetrie-ben zu schaffen. Das ist wichtig. Das muss verfestigtwerden. Aber vergessen Sie bitte nicht: Auch hier habenwir erst vor kurzem abgebaut, ehe wir jetzt wieder etwasaufbauen. Man sollte also immer erst die Ausgangsbasisbetrachten. Das ist das Entscheidende.
Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 wurden die Ab-schreibungsmöglichkeiten verschlechtert. Jetzt hat manschon wieder ein wenig den Eindruck, dass über demGanzen ein Damoklesschwert schwebt. Ich verweise nurauf § 15 b des Einkommensteuergesetzes: Soll er wirk-lich auch den Bereich des Denkmalschutzes erfassen?Darüber sollten wir noch einmal ausführlich diskutieren.In diesem Zusammenhang muss auch die geplante Än-derung von § 23 Einkommensteuergesetz – die Besteue-rung privater Veräußerungsgeschäfte – genannt werden.Sowohl die allgemeine Besteuerung als auch die ge-plante Bemessungsgrundlage können in diesem Zusam-menhang aus unserer Sicht einfach nicht akzeptiert wer-den. Weil aufgrund der Abschreibungsmöglichkeiten fürdenkmalgeschützte Gebäude nach zwölf Jahren nur nochein minimaler Buchwert besteht, würde die Differenzzwischen Veräußerungspreis und Buchwert zu einer sehrhohen Steuerbelastung führen. Glauben Sie im Ernst,dass in diesem Bereich dann noch große Investitionenstattfinden?
Lassen Sie uns über den Bereich „denkmalgeschützteWohnungsgebäude“ bitte noch einmal im Ausschuss dis-kutieren! Es ist ein wichtiger Punkt. Zu den bereits vor-handenen finanziellen Engpässen in diesem Bereichwürden weitere hinzukommen. Das wäre eine weitereschwere Belastung. Dem würden zumindest wir sehr kri-tisch gegenüberstehen.
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er Bau der Verkehrswege sichert Beschäftigung in derauwirtschaft, sodass zusätzlich große Beschäftigungs-mpulse gegeben sind.Im Einzelnen stellen wir 2007 Investitionsmittel zurerfügung von 4,5 Milliarden Euro für den Straßenbau,,5 Milliarden Euro für die Schiene – zusätzlich zu denrassenerlösen, der Schienenmaut, von fast 4 Milliardenuro – und 740 Millionen Euro für die Wasserstraßen.nsgesamt stehen 2007 aus dem Bundeshaushalt alsound 8,8 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen zurerfügung.
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Dirk Fischer
Auch in den Folgejahren 2008 bis 2010 wird diesesNiveau für die Investitionen bereitgestellt. Zudem müs-sen natürlich die Mittel für weitere Verkehrsprojekte wieTransrapid, Galileo und Flughafen BBI sowie die Mitteldes Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes gesehenwerden. Wenn man sie hinzuzählt, steht in den Jahren2007 bis 2010 ein stetiges Volumen von rund 10,7 Mil-liarden Euro pro Jahr bereit. Wir haben vereinbart, dieseMittel flexibel, ohne ideologische Scheuklappen dendrei Verkehrsträgern – Straße, Schiene und Wasserstra-ßen – zugute kommen zu lassen.Mit dieser konstanten Investitionslinie wird Kontinui-tät für die Planung und die Baudisposition geschaffen.
Die Aufteilung der Mittel erfolgt nach der Priorität,kurzfristig große Beschäftigungsimpulse zu geben. Indiesem Jahr konnte dies aufgrund der Anzahl vielerkleinteiliger Projekte am schnellsten im Straßenbau er-reicht werden. Deswegen wurden die zusätzlichen Mittel2006 überdurchschnittlich stark auf diesen Bereich kon-zentriert. Ab dem Jahr 2007 und den Folgejahren liegtder Investitionsschwerpunkt stärker beim Schienennetzund den Wasserstraßen. Die Gesamtinvestitionen im Be-reich der Wasserstraßen steigen 2008 auf 800 MillionenEuro und erreichen im Jahr 2009 über 850 MillionenEuro. Damit sind auch die dringenden Ersatzinvestitio-nen zur Erhaltung des vorhandenen Wasserstraßennetzesabgesichert.
Gleichzeitig können begonnene Ausbaumaßnahmenfortgeführt werden.Ich sage es deutlich: Auch im Bereich der Schienekommt der Bund seiner Infrastrukturverantwortungnach. Der Bundestag soll im Herbst dieses Jahres ent-scheiden, ob die Kapitalprivatisierung der DeutschenBahn Aktiengesellschaft mit oder ohne Netz vorgenom-men wird.
Verschiedene Varianten wurden in einem Gutachten vonBooz Allen Hamilton untersucht und im Fachausschussin diversen Anhörverfahren eingehend diskutiert undhinterfragt.Während der Vorstand der DB AG eine Kapitalpriva-tisierung mit Netz favorisiert, hat sich meine Fraktionfür das so genannte Eigentumsmodell als Kompromiss-modell positioniert und wird in Gesprächen mit demKoalitionspartner versuchen, zu einer vernünftigen Lö-sung zu kommen. Bei diesem Modell bleibt das steuerfi-nanzierte Netz im Eigentum des Bundes und kann dannder Bahn auf vertraglicher Basis zur Nutzung überlassenwerden.In diesem Zusammenhang müssen wir uns darüberklar werden, welche Vor- und Nachteile für den Bundes-haushalt mit dieser Entscheidung verbunden sind. DerBruttowiederbeschaffungswert des Netzes beläuft sichauf rund 220 Milliarden Euro, das NettoanlagevermögenaeglUDtDBPrndvlgIsftzjdD1hkfdBdgvhdttve
Würde man eine materielle Privatisierung mit Netzornehmen, würden die einmaligen Privatisierungser-öse in einem krassen Missverhältnis zu dem Nettoanla-evermögen des Netzes stehen.
ch muss Ihnen, für mich ganz individuell gesprochen,agen: Ich habe als Parlamentarier schlicht und ergrei-end keine Lust, mir die Verscherbelung eines so gewal-igen Staatsvermögens unserer Steuerzahler vorwerfenu lassen.
Außerdem soll der Bund sich gegenüber der DB AGa verpflichten, in den nächsten zehn Jahren 25 Milliar-en Euro für das Bestandsnetz zur Verfügung zu stellen.arüber hinaus sind in diesem Zeitraum weitere5 Milliarden Euro für Neu- und Ausbau fällig. Dieseohen Summen, die der Bund gegenwärtig und auch zu-ünftig für die Schiene bereitstellen muss, um seiner In-rastrukturverantwortung gerecht zu werden, zeigen eseutlich: Der Bund würde bei einem Börsengang derahn mit Netz nicht nur die Hälfte seines Eigentums aner Eisenbahninfrastruktur unwiderruflich aus der Handeben; letztlich würde der Bund das Netz an private In-estoren faktisch verschenken, ohne dabei den Bundes-aushalt zu entlasten.
Was bliebe, verehrte Kolleginnen und Kollegen, vonem Verkaufserlös, wenn wir viel höhere Milliardenbe-räge wieder zurück in das Unternehmen pumpen müss-en? Zudem bekämen private Miteigentümer dieser fastollständig aus Steuermitteln finanzierten Infrastrukturinen Einfluss auf die Infrastrukturentwicklung, der zu
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Dirk Fischer
ihrem relativ geringen finanziellen Engagement in kei-nem Verhältnis stünde.Gleichzeitig würden wir eine Grundlage für außeror-dentlich hohe Haushaltsrisiken schaffen. Was passiert,wenn der Bund das Netz wieder zurückkaufen muss,weil es, wie in England geschehen, verrottet ist? Wiehoch sind dann die Belastungen für den Bundeshaushalt?Mit Sicherheit wird der Preis ein Vielfaches des heutigenVerkaufserlöses betragen.Das steuerfinanzierte Netz muss daher auch in Zu-kunft bei seinem Geldgeber Bund bleiben und darf nichtzum Spekulationsobjekt für Renditeerwartungen derShareholder werden.
Das Eigentumsmodell ist dafür unseres Erachtensder richtige Weg. Wir vermeiden Sollbruchstellen beider Bewirtschaftung des Netzes, da der integrierte tägli-che Ablauf erhalten bleibt. Dafür wird jeder heute beste-hende Arbeitsplatz auch in der Zukunft benötigt werden.Die angeblichen Synergieeffekte eines integrierten Kon-zerns würden weitestgehend erhalten bleiben, jedenfallsdann, wenn man nicht wie Investmentbanker die Verhin-derung von Wettbewerb als Synergieeffekt betrachtet.
Der Bund kann weiterhin aktiv seine Infrastrukturverant-wortung wahrnehmen, unabhängig von Interessen priva-ter Eigentümer. Unkalkulierbare Haushaltsrisiken wer-den vermieden, wenn der Konzern in eine finanzielleSchieflage oder in den Zugzwang von Kapitalerhöhun-gen gerät. Denn wegen Art. 87 e Grundgesetz müsste derBund bei einem integrierten Konzern dauerhaft Mehr-heitsaktionär eines globalisierten, immer stärker diversi-fizierten Logistikkonzerns bleiben, der schon heute Um-satz und Ertrag mehrheitlich nicht im Schienenverkehrerzielt.Mit dem Eigentumsmodell stellen wir auch zukünftigsicher, dass die Haushaltsmittel für die Schiene wie beiden anderen Verkehrsträgern im Interesse der Volkswirt-schaft, im Sinne der Verkehrsbedürfnisse unserer Bevöl-kerung und damit zum Wohle der Allgemeinheit einge-setzt werden können.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegin Heidrun Bluhm, Frak-
tion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Das zu-künftige Bild der Bevölkerungsentwicklung ist, in Ad-jektiven ausgedrückt: weniger, bunter, grauer,vdrrbsEzüzdfkeDdDEwVEcensmdäebdhwbuakDvtedlddgwbWrn
er Haushaltsansatz 2007 im Bereich der Städtebauför-erung beträgt für Ostdeutschland 131 Millionen Euro.as bedeutet eine Verschiebung von circa 10 Millionenuro zugunsten des Stadtumbaus West – das begrüßenir durchaus –, bedeutet aber für den Osten einen imergleich zu 2006 verminderten Ansatz um 19 Millionenuro.In den nächsten Jahren wird und muss in den westli-hen Bundesländern ebenfalls eine höhere Förderungingeplant werden. Wir alle wissen, dass in den Regio-en, in denen Industrieanlagen zurückgebaut werden,tädtebauliche Missstände bestehen, die beseitigt werdenüssen. Wir brauchen auch hier eine entsprechende För-erung. Ich gehe davon aus, dass das Ministerium dashnlich sieht.Unser Vorschlag wäre, im Haushaltsplan nur nochine Position mit zwei deckungsfähigen Untertiteln zuilden, so wie es bereits in der Bauministerkonferenziskutiert worden ist. Das hätte folgende Vorteile: Wirätten erstens ein Ende der Ost-West-Diskussion, wennir mit einem neuen Haushaltstitel „Allgemeine Städte-auförderung“ und dann nur mit den Untertiteln „Ost“nd „West“ arbeiten würden. Zweitens stünden uns nichtbgerufene Mittel einzelner Länder zur Verfügung undönnten unkompliziert in andere transferiert werden.rittens hätten wir weniger Haushaltsreste. Wir könnteniertens den Verwaltungsaufwand reduzieren und fünf-ens gäbe es auch auf der Basis der Föderalismusreforminen schnelleren Austausch von Lösungen zwischenen Ländern.Zweitens muss unserer Meinung nach die Kompatibi-ität der Förderprogramme verbessert werden. Trotzer Erfolgsstory „Städtebauförderung Ost“ hat sich inen vergangenen Jahren gezeigt, dass es hier Problemeibt. Auch diese müssen angegangen werden; auf einigeenige will ich eingehen.Trotz der zusammengeführten Förderprogrammeeim Rückbau, bei der Wohnungsmodernisierung, derohnumfeldverbesserung und der CO2-Gebäudesanie-ung gibt es keine Förderung für den Rückbau der tech-ischen Infrastruktur. Das heißt, die Einbeziehung der
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Heidrun BluhmVersorgungsträger ist hier mangelhaft oder sie fehlt zumTeil.Die Idee, Herr Tiefensee, die Sie auf dem GdW-Kon-gress angedeutet haben, nämlich eine Aufsplittung derRückbauförderung in Höhe von jetzt 60 Euro je Qua-dratmeter Wohnfläche in 40 Euro für den Wohnungs-rückbau und 20 Euro für den Rückbau der technischenInfrastruktur, hat in der Fachlobby nicht nur zu positivenReaktionen geführt. Auch wir sind der Auffassung: Daswird nicht funktionieren. Denn damit wird der allge-meine Wohnungsrückbau für viele Bauunternehmennicht mehr finanzierbar. Letztlich werden auch wenigerFördermittel abgerufen werden. Das Fördererforderniswird nicht zu dem gewünschten Erfolg, den wir damitrealisieren wollten, führen.Wir brauchen auch die Kompatibilität der GA-Förde-rung und der Städtebauförderung. Unser Vorschlag: Öff-nen Sie die allgemeine Städtebauförderung auch für denRückbau der technischen Infrastruktur. Der Vorteil wäre:Es gäbe mehr Planungssicherheit für die den Prozesssteuernden und beteiligten Kommunen und es käme zurAuflösung der starren Rolle der Versorger.Des Weiteren können Förderprogramme wie EFREund die allgemeine Städtebauförderung nicht in einemProgrammgebiet Anwendung finden. Die Umsetzungder integrierten Stadtentwicklungskonzepte wird damitzum Flickenteppich. Unser Vorschlag: Aufhebung derstarren Förderkriterien innerhalb der einzelnen Förder-programme zur Herstellung der Kompatibilität.
Wir fordern drittens, eine ressortübergreifende För-derung zu organisieren. Die ISEKs, die integriertenStadtentwicklungskonzepte, sind mehr als eine Förde-rung in Beton. Sie erfordern ein abgestimmtes Vorgehenim Straßenbau, im ÖPNV sowie bei der sozialen undkulturellen Infrastruktur. Deshalb unser Vorschlag:Schluss mit der Einzelförderung, wie es im Zusammen-hang mit dem GVFG, den Regionalisierungsmitteln, derSchulbauförderung oder sozialen Programmen der Fallist. Lassen Sie uns alle einzelnen Förderprogramme zah-lenmäßig zusammenfassen. Lassen Sie uns die starrenFörderkriterien aufheben. Packen wir alles in einen Topfund nennen wir das Kind: kommunale Investitionsförde-rung.
Der Vorteil: Damit stärken wir die kommunale Selbst-verwaltung und reduzieren den Verwaltungsaufwand beiBund und Ländern. Damit schaffen wir moderne und zu-kunftsfähige Städte, die ihre Investitionen nachhaltig inInnovation sowie in die Bedürfnisse der Bürgerinnenund Bürger flexibel einsetzen und die nicht nur in Betoninvestieren.Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu den Kostender Unterkunft – das ist Einzelplan 11 – machen. DieRückwirkungen auf die Stadtquartiere durch Zwangsum-züge und Entmischung werden letztlich auch die inte-grierten Stadtentwicklungskonzepte nicht greifen lassen.Wenn die Kommunen keine Unterstützung durch denBFdldndggdigwmmrlBakhswuszlnKgkumfewzVEelwz
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Ich will in der verbleibenden Redezeit zwei Beispielenennen. Da ist zunächst einmal die schon oft erwähnteImmobilienzuordnung. Wir haben einen recht umfang-reichen Bericht des Ministeriums dazu bekommen. Abernach meinem ersten Studium dieses Berichts in den letz-ten 24 Stunden ergeben sich für mich eine ganze Reihevon Fragen, weil viele entscheidende Komplexe garnicht erst angesprochen werden.Ich will einen Fragenkomplex, der nicht behandeltwurde, anschneiden, damit sich die Parlamentarierinnenund Parlamentarier, die sich in diese Materie noch nichteingearbeitet haben, eine Vorstellung davon machenkönnen, um welche Summen es hier geht. Im Jahre 2001wurden verschiedene Immobilien und Grundstücke– darüber ist ebenfalls schon oft berichtet worden – in ei-ner Immobilienverwertungsgesellschaft mit NamenAurelis zusammengefasst. Das ist mit Blick auf eineAufgabenteilung eigentlich eine sinnvolle Sache. DieseGesellschaft hat einen beachtlichen Verkehrswert inHöhe von 2,3 Milliarden Euro.Aber es ist nicht klar, aus welchen Konzernspartendiese Immobilien stammen. Kamen sie vom Netz? Ka-men sie von der Holding? Kamen sie von verschiedenenBetriebsbereichen? Auf all das haben wir bisher keineAntworten bekommen. Es ist eine sehr entscheidendeFrage, weil diese Gesellschaft momentan Gewinnemacht, die in die Bilanz des Konzerns eingestellt wer-den, und weil es auch um die spannende Frage geht– wenn es, so wie Sie von der CDU-Fraktion gerade ge-sagt haben, zu einem Eigentumsmodell kommt –, wasmit dieser Gesellschaft hinterher passiert. Diese Frage istauch deshalb so spannend, weil dieser Gesellschaft einEntwicklungswert von 8 bis 12 Milliarden Euro zuge-schrieben wird. Sie hat einen Verkehrswert von2,3 Milliarden Euro und einen Entwicklungswert von8 bis 12 Milliarden Euro. Es geht also um gewaltigeSummen.Und Sie vom Verkehrsministerium sagen uns imHaushaltsausschuss, es würde keine Rolle spielen, wodie Gewinne der Gesellschaft, wo die Gewinne generellvon Immobilienverkäufen eingestellt werden. Meine Da-men und Herren, das spielt aber sehr wohl eine Rolle.Wir müssen das aufklären und feststellen, bevor wir übereinen Börsengang entscheiden,
damit wir wissen, was passiert und wie wir auch für denSteuerzahler die beste Möglichkeit finden können. Dasspielt auch eine Rolle – da kann man die Argumente vonHerrn Mehdorn und Herrn Wiesheu anführen –, wenn esdarum geht, Vorteile für den DB-Konzern zu bekommen.Dann wird sehr wohl damit argumentiert, dass es unter-schiedliche Buchungsmöglichkeiten zwischen den ver-sddBmwmnDtvElRRnnabbddkdDnwMHwSSednDzgGtkDsGtIss
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. September 2006 4727
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Jetzt hat das Wort Kollege Klaas Hübner, SPD-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Einmal mehr ist der Verkehrshaushalt der größte In-vestitionshaushalt des Bundes. Das haben viele Rednervor mir bereits gesagt. Fast zwölfeinhalb MilliardenEuro sind für Investitionen im Verkehrs- und Baubereichgebunden.Eine Maßnahme, die schon viele vor mir genannt haben,will auch ich herausstreichen, aber in einen anderen Zusam-menhang stellen: das CO2-Gebäudesanierungspro-gramm. Die FDP hat in der Generaldebatte am Mittwochunterstellt, die Koalition würde keine Mittelstandspolitikbetreiben. – Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist einexzellenter Beitrag zur Mittelstandspolitik.
Die KfW hat heute berichtet, dass sie im Zeitraum vonJanuar bis August dieses Jahres insgesamt rund182 000 Kredite gewährt hat und damit ein Investitions-volumen in Höhe von rund 9,6 Milliarden Euro ausge-löst hat.Die FDP hat Anfang des Jahres gesagt, dass wir mitdiesem Programm nur ein Wachstumsstrohfeuer entzün-den würden. Angesichts dieser Zahlen müssen auch Sieeinsehen: Wir haben ein Leuchtfeuer entzündet. Es istgut, dass wir dieses Programm fortführen und die Mitteldafür aufstocken.
Das Programm ist darüber hinaus ein gutes Beispielfür eine ganzheitliche, konsistente Politik. Selten gab esein Programm, das ressortübergreifend so viele Freundegefunden hat: Der Bundesumweltminister freut sich überden wachsenden Beitrag der Gebäudeeigentümer zumKlimaschutz; der Arbeitsminister und der Wirtschafts-minister freuen sich über die Sicherung von Arbeit undBeschäftigung im Baugewerbe; der Bauminister kannmit Recht stolz darauf sein, gemeinsam mit der KfWeine hervorragende Initiative angestoßen zu haben.dFvdglfesdk2kGsrmZddvarnIfIehlKjddMwifbBetkze
Damit sobald wie möglich das erste Flugzeug vomann drittgrößten Flughafen Deutschlands abhebenann, sorgt der Bund für Planungssicherheit. Wir haben7 Millionen Euro Gesellschaftsbeiträge in den Ver-ehrshaushalt eingestellt. Der auf den Bund entfallendeesamtanteil in Höhe von 112 Millionen Euro ist damitichergestellt.Wir haben aber mehr getan. Wir stellen zur Realisie-ung der Schienen- und Straßenanbindung Investitions-ittel in Höhe von insgesamt 650 Millionen Euro bereit.eitgleich zur Eröffnung des neuen Flughafens sollenie ersten Züge vom Berliner Hauptbahnhof direkt unteras Flughafengebäude fahren, und das in einer Fahrzeiton nur 20 Minuten.
Wenn wir über die Schiene reden, müssen wir aberuch über die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AGeden. Ich denke, wir müssen aufpassen, dass wir unsicht in Bahnbefürworter und Bahngegner aufspalten.ch unterstelle allen in diesem Hause, dass sie Bahnbe-ürworter sind. Wir alle wollen eine starke Bahn haben.
nsofern müssen wir uns verantwortungsvoll mit deninzelnen Fragen auseinander setzen. In der Koalitionaben wir Folgendes vereinbart: Wir wollen sicherstel-en, dass die Bahn insofern weiterhin ein integrierteronzern bleibt, als sie die Bewirtschaftung des Netzes inedem Fall vornimmt. Was wir noch zu prüfen haben, istie Eigentumsfrage. Wer wird bzw. bleibt Eigentümeres Netzes?Drei Modelle sind momentan in der Diskussion: Zweiodelle gehen davon aus, dass der Bund Eigentümerird. Das ist das so genannte Nießbrauchmodell. Wennch den Kollegen Fischer vorhin richtig verstanden habe,avorisieren Sie das Eigentumsmodell. Das dritte Modelleinhaltet eine so genannte Call Option, das heißt, dieahn bleibt Eigentümer des Netzes, der Bund erhält aberine Call Option, kann sich das Netz zu einem bestimm-en Zeitpunkt zu einer fest definierten Summe aneignen.Das sind die drei Varianten, die momentan zur Dis-ussion stehen. Ich denke, wir werden in den nächstenwei Wochen darüber zu diskutieren haben. Wir werdenine gute Variante finden. Ich mache keinen Hehl daraus,
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Klaas Hübnerdass unsere Meinungsbildung noch nicht abgeschlossenist und dass die Haushaltspolitiker der SPD-Fraktionnach dem momentanen Kenntnisstand eher einer Vari-ante zuneigen, durch die das Eigentum an den Bundübergeht.
Aber die Entscheidung ist am Ende des Monats zu fäl-len.Herr Minister, Sie haben uns, glaube ich, einen sehrguten Etat zur Beratung vorgelegt. Wir werden verant-wortungsvoll damit umgehen. Ich bin mir sicher, dasswir dann auch mit einem guten Etat in die zweite unddritte Lesung gehen können.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Ingo Schmitt, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Wenn wir uns heute mit dem wichtigen Thema„Aufbau Ost“ beschäftigen, so erwarten viele zunächsteine Rückschau auf die Leistungen und Ergebnisse derAngleichung der Lebens- und Wirtschaftsverhältnissezwischen den alten und den neuen Bundesländern. Diesist natürlich ein wichtiges Kernstück der Bestandsauf-nahme, lässt aber, nur für sich betrachtet, wichtige undwertvolle Aspekte außer Acht. Denn der Aufbau ist ausheutiger Sicht nicht nur eine eindirektionale Förderungmit dem Bestreben einer gezielten und gewollten Verän-derung, sondern auch die Rückwirkung des sich verän-dernden Gebietes auf andere Regionen.Zunächst blicken wir auf die konkreten Fakten in denneuen Ländern als Ergebnis einer konsequenten Förder-politik. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, denAufbau Ost weiter voranzubringen. Dies ist nach wie voreine große Herausforderung. Ich bin stolz, heute sagenzu können, dass wir einen Teil unseres Versprechens be-reits in den ersten Monaten der großen Koalition einlö-sen konnten. Mit dem Investitionszulagengesetz 2007haben wir den Weg für eine verlässliche und dauerhafteFörderung in Ostdeutschland freigemacht.
Mit einem jährlichen Volumen von rund 600 Millio-nen Euro werden bis zum Jahre 2009 bei einer Förder-quote von circa 20 Prozent Investitionen in Höhe von10 Milliarden Euro angestoßen. Daneben trägt auch dieFörderpolitik des Bundesforschungsministeriums maß-geblich zum Aufbau Ost bei. Mit der Innovationsinitia-tive „Unternehmen Region“ wurden im letzten JahrProjekte mit insgesamt 90 Millionen Euro gezielt unter-stützt. Es wäre wünschenswert, wenn dieses ProgrammadIrddsgsedsWDusUMesdcrtbdnmLaAhubkbjr2FIELA
Denn neben dem Mut ist vor allem die Möglichkeit zunnovation und Ideenverwirklichung notwendige Vo-aussetzung für eine positive Wirtschaftsentwicklung. Iniesem Zusammenhang möchte ich mich auch nach-rücklich für den weiteren Ausbau des Wissenschafts-tandorts Ost aussprechen. Das zu 95 Prozent staatlichetragene Max-Planck-Institut hat bis zum Jahr 2000ein selbst gesetztes Ziel, in den neuen Ländern mitbensoviel Instituten vertreten zu sein wie im alten Bun-esgebiet, erfüllt.Durch diese neue Ansiedlung von renommierten For-chungseinrichtungen zieht es mittlerweile viele jungeissenschaftler aus Gebieten weit über die Grenzeneutschlands hinaus unter anderem nach Halle, Leipzignd Jena. Dort, wo viel investiert wird und gute Hoch-chulen oder Institute entstehen, siedeln sich häufig auchnternehmen an. Mehr denn je ist eine gute Ausbildungultiplikator für Wachstum.Wachstum einer Volkswirtschaft kann aber nur dortntstehen, wo auch Volk ist. Genau das ist ein ostdeut-ches Sorgenkind. Die demografische Entwicklung inen neuen Ländern – sie wurde hier bereits angespro-hen – ist besorgniserregend. Während der Bevölke-ungsrückgang zwischen 1990 und 2004 7,5 Prozent be-rug, wird bis zum Jahr 2020 ein weiterer Verlust von 10is 15 Prozent der Bevölkerung erwartet. Dass insbeson-ere junge und gut ausgebildete Menschen diese Regio-en verlassen, verschärft das Problem und fordert prag-atische und schnell greifende Konzepte von Bund undänder gleichermaßen.Im Zusammenhang mit dieser Forderung müssen wirber zugleich nach den Ursachen für diese dramatischebwanderungsdynamik fragen. Eine Rolle spielt dieohe Arbeitslosigkeit, deren Reduzierung nach wie vornser zentrales Ziel sein muss. Im August dieses Jahresetrug sie in Ostdeutschland 16,7 Prozent. Damit ist sienapp doppelt so hoch wie in den alten Ländern.Dass der Arbeitsmarkt Ost viele Potenziale in sichirgt und durchaus wettbewerbsfähig ist, zeigt dieüngste Mitteilung des Statistischen Bundesamtes: Wäh-end eine Arbeitsstunde in Sachsen-Anhalt nur0,84 Euro kostet, kostet sie in Hamburg, Herr Kollegeischer, satte 31,80 Euro.
ch möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass dieinführung eines Mindestlohns gerade in den neuenändern kein geeignetes Mittel zur Schaffung von mehrrbeitsplätzen darstellt.
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Ingo Schmitt
Denn gerade in Ostdeutschland würde dieses Instru-ment insbesondere die Existenz mittelständischer Unter-nehmen gefährden. Man bedenke, dass 80 Prozent derostdeutschen Unternehmen weniger als 20 Beschäftigtehaben. Hier bestünde eindeutig die Gefahr der Abwan-derung der Arbeit in Richtung Osteuropa. Denn warumsollte sich ein Unternehmer in den neuen Ländern ansie-deln, wenn ein paar Kilometer weiter östlich keinMindestlohn gezahlt werden muss? Hier könnte ein Kom-bilohnmodell zum Einsatz kommen. Deshalb ist es drin-gend an der Zeit, dass insbesondere im Interesse der Pro-blemgruppen auf dem Arbeitsmarkt, der unter 25-Jährigenund der über 50-Jährigen, zielorientiert über ein solchesModell diskutiert wird.Ein zusätzlicher Wachstumsfaktor ist eine gut funk-tionierende Infrastruktur. Ostdeutschland muss hier dop-pelte Lasten tragen, da zum einen die teilungsbedingtenDefizite und zum anderen die durch die EU-Erweiterunganfallenden Verkehrsströme bewältigt werden müssen.Darum sind die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ zü-gig abzuschließen
und darum ist das Infrastrukturplanungsbeschleuni-gungsgesetz, wie im Koalitionsvertrag versprochen, inKraft zu setzen.
Bei allem Fortschritt und aller Erneuerung dürfen wirauch Vergangenes nicht übersehen. Es wird Zeit, dassdie Opfer der SED-Diktatur endlich eine angemesseneEntschädigung erhalten.
In knapp einem Monat, am 3. Oktober, feiern wir den16. Jahrestag der deutschen Einheit. In diesem Zusam-menhang werden wir zum 16. Mal der Opfer des DDR-Regimes gedenken: der während der kommunistischenDiktatur Inhaftierten, deren Leid nicht in Worte zu fas-sen und nicht mit Geld aufzuwiegen ist. Diesen Men-schen müssen wir eine Würdigung ihres Einsatzes zu-kommen lassen: für ihren Mut, sich für mehrDemokratie und Freiheit und für die Menschenrechteeinzusetzen.Die Rentennachzahlungen an die ehemals dem SED-Staat nahe stehenden Personen kosten den Steuerzahlerjährlich rund 3 Milliarden Euro. Für die Pensionen derOpfer müssen lediglich 71 Millionen Euro aufgewandtwerden. Deswegen richte ich an unseren Koalitionspart-ner, aber auch an Sie, Herr Minister, die herzliche Bitte,diesen Weg mitzugehen und Ihre Unterstützung zu si-gnalisieren.
Nachdem wir Ostdeutschland in vielen Bereichen iso-liert betrachtet haben, müssen wir nun aber auch danachfragen, welchen Einfluss der Standort Ost auf Gesamt-dwsiaDgDLZdtdddsd–ddmBdwmdHmhdzlZhdzdHssbdhLedfsS
Das Wort hat nun Kollegin Petra Weis, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichoffe, dass ich fast zum Schluss dieser Debatte nieman-en über Gebühr langweile, wenn meine Anmerkungenum Einzelplan 12 für das Jahr 2007 sich nicht wesent-ich von dem unterscheiden, was ich noch vor kurzereit an dieser Stelle über den Vorgängerhaushalt gesagtabe. Das hat aus meiner Sicht zum einen damit zu tun,ass wir in der Stadtentwicklungspolitik in einer über-eugenden Kontinuität stehen, zum anderen damit, dassas, was wir mit der Verabschiedung des diesjährigenaushalts vor wenigen Wochen begonnen haben, sichchon jetzt auszuwirken beginnt. Das sind – das istchon angesprochen worden – die erfolgreichen Städte-auförderungsprogramme, von der „Sozialen Stadt“ überen „Stadtumbau Ost“ und den „Stadtumbau West“ bisin zum „Städtebaulichen Denkmalschutz“. Dass wir imichte des demografischen Wandels die Weichen fürine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung stellen undabei vor allem vier Schwerpunkte unterstützen, ist nurolgerichtig. Ich meine den Umbau der sozialen Infra-truktur, die Schaffung von alten- und familiengerechtentadtquartieren, die Gestaltung urbaner Freiräume und
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Petra Weisnicht zuletzt – auch das ist schon angesprochen worden –die dringend notwendige Vernetzung der verschiedenenPolitikfelder und Fachressorts im Zuge einer wahrhaftintegrierten Stadtentwicklungspolitik.
Dass wir das auch 2007 mit einem erweiterten Fi-nanzrahmen untermauern können, ist ebenso erfreulichwie politisch vernünftig. Die Umsetzung des Programms„Stadtumbau West“ zeigt darüber hinaus, dass wir denStädten hier ein unverzichtbares Instrument in die Handgegeben haben, auf den wirtschaftlichen Strukturwandelin Verbindung mit einem signifikanten Bevölkerungs-rückgang angemessen zu antworten. Von besonderemWert ist dabei – das ist jedenfalls meine Erfahrung –,dass die Städte zur Entwicklung von städtebaulichenKonzepten ermutigt werden, die sie mittelfristig undnachhaltig in die Lage versetzen, auf Veränderungspro-zesse nicht mehr allein zu reagieren, sondern sie mithilfezukunftsträchtiger Konzepte zu antizipieren.
Minister Tiefensee hat in einem anderen Zusammen-hang kürzlich davon gesprochen, dass Realitätssinnund strategisches Denken unerlässliche Anforderungenan eine Stadtentwicklungspolitik sind, die eine zeitge-mäße Antwort auf den demografischen Wandel sein will.Sosehr ich dieses Begriffspaar für geeignet halte, die He-rausforderungen zu beschreiben, würde ich gerne einzweites hinzufügen: Kreativität und Mut. Damit meineich Kreativität zu gelegentlich sicherlich auch unkon-ventionellen Lösungen und Mut zur Zukunftsgestaltung.
Demografischer Wandel ist nämlich keine gesell-schaftliche Katastrophe, sondern letztendlich eineChance für intelligente Gesellschaftspolitik, zu der dieStadtentwicklung, wie ich meine, einen unverzichtbarenBeitrag leistet. Das gilt auch und vor allem vor dem Hin-tergrund der unterschiedlichen Entwicklungen in Ost-und Westdeutschland; darauf hat Kollege Schmitt ja ge-rade hinwiesen.Auch ich komme nicht um ein paar wenige Wortezum CO2-Gebäudesanierungsprogramm herum, des-sen Erfolgsgeschichte mir fast unheimlich ist. Der hoheZuspruch, den das Programm bundesweit gefunden hat,macht deutlich, dass man mit intelligenten Anreizen– Kollege Friedrich hat sich ähnlich geäußert – den Zie-len des Energiesparens und des Klimaschutzes ebensogerecht werden kann wie der Steigerung der Wohnquali-tät, des Immobilienwertes und nicht zuletzt der Siche-rung und Schaffung von Arbeitsplätzen im Handwerkund im Baubereich. Die energetische Gebäudesanierungist inzwischen eine der tragenden Säulen für Arbeit undBeschäftigung, von der neben den Beschäftigten selbstauch kleine und mittlere Betriebe profitieren. KollegeHübner hat darauf hingewiesen, er hat von einem Leucht-feuer gesprochen – nicht von einem Strohfeuer! –; diesenVergleich kann ich nur nachdrücklich unterstützen. Kol-lege Friedrich hat darauf hingewiesen, dass man dasCO2-Gebäudesanierungsprogramm immer im Zusam-mwdzldealMtslEdMsswgdBIhdzswzasDSZawTzitBflddhl
ch empfinde eine gewisse Form der Vorfreude, dass wirier in wenigen Wochen hoffentlich noch einmal darüberiskutieren werden. Ich wünsche mir, dass wir das dannu einer etwas prominenteren Tageszeit als heute zu die-er späten Stunde tun können.Natürlich würde es mich auch im Anschluss an das,as der Kollege Schmitt gesagt hat, reizen, noch etwasum Thema Aufbau Ost zu sagen. Das verbietet mirber die Redezeit. Ich denke, wir können dieses Quer-chnittsthema der Bundespolitik auch im Rahmen derebatte über den Bericht der Bundesregierung zumtand der Deutschen Einheit in Zukunft nachholen.Ich will aber noch auf einen kleinen feinen Titel imusammenhang mit Ostdeutschland hinweisen, nämlichuf die Initiative „Wirtschaft trifft Wissenschaft“. Wennir zunächst in Ostdeutschland dazu beitragen, dass derransfer von wissenschaftlichen Forschungsergebnissenur wirtschaftlichen Anwendung gelingt, dann glaubech, dass wir den regionalen Akteuren damit ein sehr gu-es Angebot machen. Ich darf mir hierzu noch folgendeemerkung erlauben: Sollte sich das Programm als er-olgreich herausstellen, dann kann ich mir auch vorstel-en, dass wir in Zukunft einmal darüber reden, ob sichas nicht auch auf vergleichbare Regionen in West-eutschland übertragen lässt.
Ich will noch ganz kurz einwerfen, dass dieser Haus-altsentwurf erstmals auch die Ergebnisse der Födera-ismusreform widerspiegelt. Ich kann nur hoffen und
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Petra Weiswünschen, dass die Bundesländer die jährlichen Kom-pensationszahlungen in Höhe von rund 518 MillionenEuro im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung tat-sächlich für die Gestaltung und Umsetzung von kreati-ven und nachhaltigen Programmen nutzen. Ich hoffesehr, dass das sozusagen ein Grundstein für einen weiter-führenden Dialog zwischen dem Bund, den Ländern undletztendlich auch den Gemeinden ist; denn wir alle wis-sen ja, dass man das Thema „Stadtentwicklung undWohnungspolitik“ als eine staatliche Gemeinschaftsauf-gabe aller Ebenen begreifen muss.Ich denke, dass mit diesem Haushaltsentwurf einegute Grundlage für eine moderne, den ökonomischen,sozialen und demografischen Gegebenheiten angepassteWohnungs- und Stadtentwicklungspolitik gelegt ist.Dass ich jetzt nicht alle Themenbereiche angesprochenhabe, die Ihnen und vielleicht auch mir wichtig sind,liegt in dem begrenzten Zeitbudget begründet. MancheThemen werden wir in Zukunft hier in diesem Hausenoch einmal aufrufen. Dazu zählen die Novellierung desBaugesetzbuches und das Thema, welches vorhin schonangesprochen worden ist, nämlich die Einbeziehung desWohneigentums in die staatlich geförderte private Al-tersvorsorge.
Ich hoffe wie immer, dass wir diese Diskussionen of-fen, konstruktiv und kritisch führen und dass wir dabeiimmer im Kopf haben, dass es Sinn macht, die Stadtent-wicklungspolitik als etwas zu begreifen, das wir mög-lichst im Konsens angehen sollten. Das Thema eignetsich wirklich dazu, Bestandteil einer modernen Gesell-schaftspolitik zu sein. In diesem Sinne freue ich michauf die Debatten der nächsten Wochen.Herzlichen Dank.
Als letztem Redner des heutigen Abends erteile ich
dem Kollegen Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion,
das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Einzelplan 12, der jetzt im Entwurf vorliegt,macht deutlich, dass es der Koalition in besondererWeise darum geht, die Investitionen wieder zu verstär-ken. Herr Minister, Sie haben das vorhin sehr zutreffenddargestellt. Es geht nicht nur darum, dass wir wieder inder Lage sind, Art. 115 des Grundgesetzes einzuhalten,sondern es geht auch darum – darüber haben wir vor einoder zwei Jahren schon diskutiert –, den Substanzver-zehr, der eingesetzt hat, aufzuhalten und Substanzsiche-rung und Substanzmehrung zu betreiben. Ich glaube,hier ist ein ganz wesentlicher Schritt in Richtung einergdbVdnlzkstnmtSigwdardvatfsmIlsd–bdogRsWdvabrcKcdm
Die Infrastruktur- und die Verkehrsnetze sind die Le-ensadern eines Landes, sind auch die Lebensadern derolkswirtschaft. Gegenüber den zugegebenermaßen sehreprimierenden Zahlen der mittelfristigen Finanzpla-ung des Jahres 2004 ist es der großen Koalition hier ge-ungen, die Mittel in einem großen Maß zu erhöhen undu verstetigen. Ich gebe zu, Herr Kollege Mücke: Wirönnen uns durchaus vorstellen, hier oder dort, insbe-ondere im Straßenbau, für mehr Investitionen einzutre-en. Wir müssen schauen, ob sich in den Beratungenoch Möglichkeiten eröffnen, die Mittel zu erhöhen. Ichuss jedoch sagen: Die Spielräume, auch die Umschich-ungsmöglichkeiten, werden gering sein.Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass unseretraßeninfrastruktur durch die heißen Sommerwochenn diesem Jahr in besonderer Weise in Mitleidenschaftezogen wurde. Hier steigt, wie vorhin dargestellturde, der Unterhaltsaufwand in besonderem Maße, so-ass die Gefahr besteht, dass wir mit neuen Maßnahmen,uch mit Lückenschlüssen, die lange auf eine Realisie-ung warten, nicht vorankommen. Gleichzeitig stellt sichie Situation so dar, dass der Verkehrsträger Straße sehriel zur Staatsfinanzierung beiträgt. Ich verweise hierbeiuf die Maut und die Steuern aus diesem Bereich.Wir sollten unter dem Eindruck der gestiegenen Un-erhaltungskosten einen Blick auf die Diskussionen wer-en, die in Europa über die Erhöhung des zulässigen Ge-amtgewichtes bei LKW geführt werden. Befürworterögen sagen: Wir erhöhen einfach die Zahl der Achsen.ch glaube, diese Rechnung geht nicht auf. Es geht näm-ich nicht nur um statische, sondern auch um dynami-che Lasten. Es geht um die enge Abfolge und damit umie Knet- und Walkwirkung, die zu berücksichtigen ist.
Wer in den letzten Wochen und Monaten die Auto-ahnauf- und -abfahrten und die dort entstandenen Schä-en besichtigt hat, der kann sich das ungefähr vorstellen,hne Physiker zu sein.Ich brauche zum Thema CO2-Minderungspro-ramm nicht mehr viel zu sagen. Es wurde von allenednern angesprochen; gestern schon wurde es von un-erem Fraktionsvorsitzenden hoch gelobt. Das belegt:enn man die richtigen Anreize setzt, werden sie vonen Menschen genutzt und die Wirtschaft springt an. Da-on gehen positive Impulse aus, und zwar im Hinblickuf die CO2-Minderung, auf Energieeinsparung und ins-esondere auf den Arbeitsmarkt. Das sollte in besonde-er Weise gewürdigt werden. Es findet auch entspre-hende Würdigung; viele sind mittlerweile ganz stolz.ollege Hübner hat es erwähnt: Wir haben in dieser Wo-he im Haushaltsausschuss die Weichen dafür gestellt,ass kein Strömungsriss entsteht und zügig weiterge-acht werden kann – dafür sollen Mittel in Höhe von
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Bartholomäus Kalb350 Millionen Euro vorgezogen werden –, weil es sichwirklich um ein sehr nützliches Programm handelt.
Die Bundeskanzlerin hat gestern ausgeführt – ichhabe es, soweit ich das in der Eile konnte, sinngemäßmitgeschrieben –: Aus Ideen müssen wieder Produktewerden. Es hat keinen Sinn, wenn aufgrund unsererIdeen in anderen Ländern Produkte entstehen. Das musswieder bei uns geschehen. – Diese Sätze sind ausdrück-lich zu unterstreichen.
Ich greife nur einen Aspekt heraus: Was die Kanzleringesagt hat, gilt auch für die bei uns entwickelte Idee desTransrapids, der Magnetschwebebahntechnologie.
Wir sollten hier versuchen, bald Nägel mit Köpfen zumachen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Verhand-lungen zwischen dem Bundesministerium und der Baye-rischen Staatsregierung bald erfolgreich zum Abschlussgebracht würden, sodass dieses Projekt in die Tat umge-setzt werden kann. Wir sollten beweisen, dass wir ausIdeen, aus Entwicklungen nutzbringende Anwendungenim Lande schaffen können, wodurch wir uns internatio-nal Marktchancen eröffnen.In dieser Debatte ist heute schon viel über den anste-henden Börsengang der DB AG gesprochen worden. Ichmache keinen Hehl daraus, dass ich eine differenzierteMeinung dazu habe. Es hätte keinen Sinn, den Mei-nungsbildungsprozess, der in der Fraktion und innerhalbder Koalition stattfindet, weiter auszutragen. Mir geht esnur darum, darauf zu achten, dass wir durch den anste-henden Prozess keine Effizienz- und Wettbewerbsver-luste der Schiene und unseres Unternehmens erleiden,und die Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen.Es muss auch deutlich gemacht werden – das will ich alsHaushälter tun –, dass ich nicht die Erwartung einigermeiner Kollegen an einige Modelle, zum Beispiel an dasEigentumsmodell, teile, dass der Bundeshaushalt da-durch entlastet wird. Der Bund wird vielmehr auch inZukunft erhebliche finanzielle Verantwortung haben. Ichsehe keine Möglichkeiten, die finanziellen Risiken desBundes zu mindern.
– Ich will diese Diskussion hier nicht führen. Ich will nurdarauf hinweisen, dass man keinen falschen Hoffnungenanhängen sollte.
Ich erinnere nur daran, dass der Schienenmarkt in Eu-ropa ab Januar liberalisiert wird. Wir müssen darauf ach-ten, dass wir dann nicht noch mit der Diskussion überdie Gestaltung der Umstrukturierung und einen mögli-chen Börsengang beschäftigt sind.–dbsDgHIBwEtulegf–wbmodr
Nein. – Ich möchte nicht erleben, dass wir noch überie Frage der Aufteilung diskutieren, während andereereits die Märkte in Europa unter sich aufteilen. Das isticherlich vernünftig und richtig.
as widerspricht auch nicht der Linie, auf die wir unsemeinsam geeinigt haben.Ich möchte abschließend noch ein Thema aufgreifen,err Minister.
Herr Kollege, gerade Sie als letzter Redner sollten
hre Redezeit nicht unbedingt überziehen.
Herr Präsident, erlauben Sie mir eine abschließende
emerkung. Der Bundesminister ist kritisiert worden,
eil er vorgeschlagen hat, unter Umständen Hartz-IV-
mpfänger als Begleiter in öffentlichen Verkehrsmit-
eln einzusetzen. Ich glaube, es ist durchaus zumutbar
nd richtig, dass jemand, der gesund ist und Transfer-
eistungen bekommt, für gemeindienliche Tätigkeiten
ingesetzt werden kann. Arbeit ist nach meiner Überzeu-
ung nicht nur eine Bürde, sie gehört auch zu einem er-
üllten Leben.
Wenn ich noch auf den Zuruf eingehen darf – –
Nein, Herr Kollege, Sie sollten zum Schluss kommen.
Viele im ländlichen Raum wären froh und dankbar,
enn in den Schulbussen Begleiter wären, die sich ein
isschen kümmern würden. Das hat nichts mit Terroris-
usbekämpfung zu tun.
Ich bedanke mich.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Freitag, den 8. September 2006, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche einen heite-
en Abend und eine gute Nacht.