Protokoll:
8180

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 8

  • date_rangeSitzungsnummer: 180

  • date_rangeDatum: 18. Oktober 1979

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:07 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/180 Deutscher B Stenographischer Bericht 180. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 18. Oktober 1979 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Koblitz . . . . 14131 A Wahl der Abg. Kittelmann, Flämig und Pawelczyk zu ordentlichen Mitgliedern und des Abg. Dr. Bardens zum stellvertretenden Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 14131 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung 14131 D Begrüßung einer Delegation des Bayerischen Landtags und des Bayerischen Senats 14144A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes nur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft — Drucksache 8/3239 — Matthöfer, Bundesminister BMF . . . . 14132 B Dr. Schäuble CDU/CSU . . . . 14133D, 14147 B Gobrecht SPD 14136 D Frau Funcke FDP 14139B Dr. Ritz CDU/CSU 14141A Müller (Schweinfurt) SPD 14142 C Paintner FDP 14144A Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär BMF . 14146A Kühbacher SPD 14148A Frau Matthäus-Maier FDP 14148 D Gallus, Parl. Staatssekretär BML . . . 14149D Kiechle CDU/CSU 14150A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Programm zur Förderung des Auslandsaufenthaltes von Schülern, jungen Arbeitnehmern, Studenten und Wissenschaftlern — Drucksache 8/2458 - Rühe CDU/CSU 14150D Lattmann SPD 14154D Frau Schuchardt FDP 14157 C Dr. Schmude, Bundesminister BMBW . 14160A Dr. Hornhues CDU/CSU 14162 D Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister AA 14164B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Oktober 1979 Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Schedl, Frau Benedix, Pieroth, Hasinger, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Dr. Blüm, Dr. George, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Möller, Frau Karwatzki, Neuhaus, Dr. Laufs, Dr. Langguth, Hauser (Krefeld), Josten, Würzbach, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen — Drucksache 8/2884 — Frau Dr. Wilms CDU/CSU 14186 B Vogelsang SPD 14188 D Frau Schuchardt FDP 14190A Wüster SPD 14191 D Beratung des Berichts über Stand und Weiterentwicklung der Maßnahmen zur Verbesserung des Ausbildungsangebotes und zur Verbreiterung der Arbeitsplatzmöglichkeiten für Jugendliche — Drucksache 8/2796 — Prangenberg CDU/CSU 14194 B Thüsing SPD 14195 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 14197 B Daweke CDU/CSU 14198 C Dr. Schmude, Bundesminister BMBW . 14200 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 22. März 1974 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets — Drucksache 8/2599 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3257 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3203 — 14202 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Februar 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen — Drucksache 8/2614 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3258 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3221 — 14203 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. November 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über den Luftverkehr — Drucksache 8/3058 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3248 — 14203 C Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll über die Änderung des Artikels 14 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) — Drucksache 8/3001 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3249 — 14203 C Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 147 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Oktober 1976 über Mindestnormen auf Handelsschiffen — Drucksache 8/2898 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/3252 — 14203 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Dr. Waigel, Dr. Kunz (Weiden), Engelsberger, Dr. Jobst, Röhner, Spilker, Dr. Kreile, Lintner, Dr. Bötsch, Niegel, Dr. Häfele, Kiechle, Schedl, Haberl, Graf Huyn, Dr. Voss, Pieroth, Gerster (Mainz), Dr. Müller, Dr. Rose, Rainer, Voigt (Sonthofen), Kraus, Blumenfeld, Neuhaus, Kittelmann, Regenspurger, Hartmann, Damm, Dr. von Wartenberg und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU Senkung des Kohlepfennigs — Drucksache 8/3050 — 14204A Beratung des Antrags der Abgeordneten Lenzer, Gerstein, Dr. Riesenhuber, Dr. Probst, Pfeifer, Engelsberger, Dr. Hubrig, Dr. Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 18. Oktober 1979 III Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Sauter (Epfendorf), Kolb, Dr. Warnke, Benz und der Fraktion der CDU/CSU Verbundkonzept Kohle und Kernenergie" — Drucksache 8/3090 — Lenzer CDU/CSU 14204 C Dr. Steger SPD 14207 B Dr.-Ing. Laermann FDP 14210 C Gerstein CDU/CSU . . . . . . . . . 14213 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 14216 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Festlegung eines Programms betreffend die Stillegung von Kernkraftwerken — Drucksachen 8/1997, 8/2525 — Benz CDU/CSU . . . . 14219D Ueberhorst SPD 14221 A Dr.-Ing. Laermann FDP 14222A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht zum Ersten Eherechtsreformgesetz (Versorgungsausgleich) — Drucksache 8/3275 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . 14223 A Dürr SPD 14224 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 14226 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag eines Ratsbeschlusses zur Annahme eines Forschungsprogramms der Europäischen Atomgemeinschaft für die Sicherheit thermischer Leichtwasserreaktoren — Drucksachen 8/1996, 8/2526 — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 14227 A Ueberhorst SPD 14228 C Dr.-Ing. Laermann FDP 14229 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Burger, Dr. Gruhl, Gerlach (Obernau), Dr. Müller und der Fraktion der CDU/ CSU Förderung der Solartechnik in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 8/1268, 8/3016 — Dr. Hubrig CDU/CSU 14230 D Frau Erler SPD 14232 B Dr.-Ing. Laermann FDP 14234 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Kostenvorschriften des Atomgesetzes — Drucksache 8/3195 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 14236 B Dr. Laufs CDU/CSU 14237A Schäfer (Offenburg) SPD 14238 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 14239C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eitles Gesetzes zu der Vereinbarung vom 20. November 1978 zur Durchführung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit — Drucksache 8/3226 — 14240A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 13. Februar 1946 über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen — Drucksache 8/3232 — 14240 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 30. November 1978 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 8/3223 — 14240 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. November 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem .Gebiet der Nachlaß- und Erbschaftsteuern — Drucksache 8/3224 — 14240 B Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 22. September 1978 IV Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Oktober 1979 zu dem Abkommen vom 17. April 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern — Drucksache 8/3225 — 14240 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten • Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die politischen Parteien — Drucksache 8/3270 — 14240 C Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3166 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 54 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3179 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 55 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3208 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 56 des Petitionaussschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3256 — 14240 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Haushaltsführung 1979 hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 1111 Tit. 682 01 — Erstattung von Fahrgeldausfällen an Unternehmen für die Personenbeförderung, die zur unentgeltlichen Beförderung bestimmter Gruppen von Schwerbeschädigten im Nahverkehr verpflichtet sind — Drucksachen 8/3147, 8/3244 — . . . 14241 C Fragestunde — Drucksachen 8/3262 vom 12.10.1979 und 8/3272 vom 17. 10. 1979 — Verschwinden des sowjetischen Kanusportlers Vladislavas Tschessiounias aus der Bundesrepublik Deutschland DringlAnfr C1 17.10.79 Drs 08/3272 Böhm (Melsungen) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. de With BMJ . .14167A, C, D, 14168A, B, C, D, 14169A, B, C, D, 14170A, B, C, D, 14171A, B, C, D, 14172A, B, D, ZusFr Böhm (Melsungen) CDU/CSU . 14167B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 14167D ZusFr Spranger CDU/CSU 14168A ZusFr Dr. Corterier SPD 14168B ZusFr Schmöle CDU/CSU 14168C ZusFr Dr. Althammer CDU/CSU . . . 14168D ZusFr Dr. Miltner CDU/CSU 14169A ZusFr Kunz (Berlin) CDU/CSU 14169B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 14169 C ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 14169 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 14169D ZusFr Broll CDU/CSU 14169 D ZusFr Becker (Nienberge) SPD 14170A ZusFr Gansel SPD 14170B ZusFr Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . 14170C ZusFr Jahn (Marburg) SPD 14170 D ZusFr Kleinert FDP 14170D ZusFr Dr. Wulff CDU/CSU 14171 A ZusFr Tillmann CDU/CSU 14171 B ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 14171 C ZusFr Dr. Langguth CDU/CSU 14171 D ZusFr Besch CDU/CSU 14172A ZusFr Straßmeir CDU/CSU 14172 B ZusFr Dr. Friedmann CDU/CSU 14172 C Sofortmaßnahmen zur Verhinderung der illegalen Verschleppung von Asylanten aus der Bundesrepublik Deutschland DringlAnfr C2 17.10.79 Drs 08/3272 Dr. Bötsch CDU/CSU Antw StSekr Dr. Fröhlich BMI . .14173A, B, C, D, 14174A, B, D, 14175A, B, C, D ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 14173B, C ZusFr Dr. Langguth CDU/CSU 14173 C ZusFr Spranger CDU/CSU 14173D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 14174A ZusFr Tillmann CDU/CSU 14174B ZusFr Becker (Nienberge) SPD 14174 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 14174C ZusFr Jahn (Marburg) SPD 14174D ZusFr Gansel SPD 14175A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 14175A ZusFr Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 14175B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 14175 C ZusFr Straßmeir CDU/CSU 14175 C ZusFr Dr. Althammer CDU/CSU . . . 14175D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 18. Oktober 1979 V Hintergründe des Vorwurfs der Illustrierten „Stern" gegenüber dem früheren Redaktionschef der Illustrierten „Quick", Heinz Losecaat van Nouhuys MdlAnfr A78 12.10.79 Drs 08/3262 Spranger CDU/CSU Antw StSekr Dr. Schüler BK . . . . 14176A, B, C ZusFr Spranger CDU/CSU 14176 B ZusFr Dr. Voss CDU/CSU 14176 C Beteiligung des Bundeskanzleramtes an der Überprüfung des Vorwurfs der Doppelagententätigkeit gegen Heinz Losecaat van Nouhuys MdlAnfr A79 12.10.79 Drs 08/3262 Dr. Miltner CDU/CSU Antw StSekr Dr. Schüler BK 14176C, D, 14133A, B ZusFr Dr. Miltner CDU/CSU 14176D ZusFr Spranger CDU/CSU 14177A ZusFr Dr. Voss CDU/CSU 14177A Informationsquelle des ,,Stern"-Redakteurs im Sommer 1973 über die Agententätigkeit von Heinz Losecaat van Nouhuys MdlAnfr A80 12.10.79 Drs 08/3262 Dr. Voss CDU/CSU Antw StSekr Dr. Schüler BK 14177 B, C ZusFr Dr. Voss CDU/CSU 14177B, C ZusFr Spranger CDU/CSU 14177 C Beteiligung des BND an der Überprüfung des Vorwurfs der Doppelagententätigkeit gegen Heinz Losecaat van Nouhuys MdlAnfr A81 12.10.79 Drs 08/3262 Krey CDU/CSU Antw StSekr Dr. Schüler BK 14177D, 14138 A,B, C ZusFr Krey CDU/CSU . . . . 14177D, 14178A ZusFr Spranger CDU/CSU 14178A ZusFr Dr. Miltner CDU/CSU 14178B ZusFr Dr. Voss CDU/CSU 14178B Humanitäre Hilfe für Kambodscha MdlAnfr A84 12.10.79 Drs 08/3262 Neumann (Bramsche) SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 14178C, 14179A, B, C, D ZusFr Neumann (Bramsche) SPD . . . . 14178D, 14179A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 14179 B ZusFr Petersen CDU/CSU 14179C ZusFr Josten CDU/CSU 14179C ZusFr Becker (Nienberge) SPD 14179D Durchsetzung der Selbstbestimmung aller Deutschen im Sinne entsprechender Aussagen des Bundesaußenministers auf der 34. Generalversammlung der UN im September 1979 MdlAnfr A85 12.10.79 Drs 08/3262 Dr. Czaja CDU/CSU MdlAnfr A86 12.10.79 Drs 08/3262 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . . 14179D, 14180A, B, C, D, 14181A ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . . . 14180A, B, D ZusFr Sauer (Salzgitter) CDU/CSU . . . 14180 B Tarif- und Gebührenerhöhung im Verkehrsverbundnetz München und Region MdlAnfr A48 12.10.79 Drs 08/3262 Dr. Riedl (München) CDU/CSU Antw PStSekr Wrede BMV . . .14181A, B, C, D, 14182A, B, C, D ZusFr Dr. Riedl (München) CDU/CSU . 14181 B ZusFr Klein (München) CDU/CSU . . 14181 C ZusFr Geisenhofer CDU/CSU 14181 C ZusFr Kraus CDU/CSU 14181 D ZusFr Dr. Wittmann (München) CDU/ CSU 14181D ZusFr Marschall SPD 14182A, B ZusFr Schmidt (München) SPD 14182B ZusFr Engelhard FDP 14182C ZusFr Dr. Althammer CDU/CSU . . . 14182 C Planung einer Autobahnstrecke A 81 zwischen Leonberg und Gärtringen MdlAnfr A49 12.10.79 Drs 08/3262 Petersen CDU/CSU MdlAnfr A50 12.10.79 Drs 08/3262 Petersen CDU/CSU Antw PStSekr Wrede BMV . . .14183A, B, C, D, 14184A ZusFr Petersen CDU/CSU 14183A, D ZusFr Besch CDU/CSU 14183B Unfälle im Straßenverkehr durch Einnahme von Medikamenten, insbesondere Beruhigungsmitteln MdlAnfr A51 12.10.79 Drs 08/3262 Braun CDU/CSU Antw PStSekr Wrede BMV 14184A, B ZusFr Josten CDU/CSU 14184 B Außerkraftsetzung der Freifahrtberechtigungen für Schwerbehinderte durch überwiegenden Einsatz von Eilzügen im Nahverkehr der Bundesbahn im Winterfahrplan 1979/80 MdlAnfr A52 12.10.79 Drs 08/3262 Dr. Evers CDU/CSU VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Oktober 1979 Antw PStSekr Wrede BMV 14184C, D ZusFr Dr. Evers CDU/CSU 14184 D Disziplinarverfahren gegen Bundesbahndirektor a. D. Hans Kroker wegen seiner Äußerungen gegenüber der Hamburger Journalistin Renate Harpprecht MdlAnfr A54 12.10.79 Drs 08/3262 Heyenn SPD MdlAnfr A55 12.10.79 Drs 08/3262 Heyenn SPD Antw PStSekr Wrede BMV 14185A, B ZusFr Heyenn SPD 14185 B Minderung der Energiesparzulage durch Nebenkosten MdlAnfr A58 12.10.79 Drs 08/3262 Dr. Laufs CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Sperling BMBau . . 14185C, D, 14186A ZusFr Dr. Laufs CDU/CSU 14185D Nächste Sitzung 14241C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14243* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 18. Oktober 1979 14131 180. Sitzung Bonn, den 18. Oktober 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 19. 10. Dr. Ahrens** 19. 10. Dr. Aigner* 19. 10. Alber* 19. 10. Bangemann* 19. 10. Blumenfeld 19. 10. Frau von Bothmer*** 18. 10. Büchner (Speyer) *** 18. 10. Damm*** 18. 10. Dr. Enders*** 18. 10. Engelsberger 19. 10. Dr. Evers*** 18. 10. Fellermaier* 19. 10. Frau Dr. Focke* 19. 10. Friedrich (Würzburg) *. 19. 10. Dr. Früh* 19. 10. Dr. Fuchs* 19. 10. von Hassel* 19. 10. Katzer* 19. 10. Dr. Klepsch* 19. 10. Dr. Köhler (Duisburg) 19. 10. Lagershausen 19. 10. Lange* 19. 10. Lenzer*** 18. 10. Laker* 19. 10. Luster* 19. 10. Dr. Mende*** 18. 10. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Mertes (Gerolstein) 19. 10. Dr. Müller*** 18. 10. Frau Dr. Neumeister 19. 10. Dr. Pfennig* 19. 10. Porzner 19. 10. Reddemann*** 18. 10. Russe 19. 10. Saxowski 19. 10. Frau Schleicher* 19. 10. Schmidt (Wattenscheid) 18. 10. Schmidt (Würgendorf) *** 18. 10. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 18. 10. Seefeld* 19. 10. Sieglerschmidt* 18. 10. Sybertz 19. 10. Frau Tübler 19. 10. Ueberhorst*** 18. 10. Vogel (Ennepetal) 19. 10. Dr. Vohrer*** 18. 10. Frau Dr. Walz* 19. 10. Wawrzik* 19. 10. Windelen 19. 10. Zebisch*** 18. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *5 für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen (D) Union
Gesamtes Protokol
Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818000000
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe erneut die traurige Pflicht, das Ableben eines Kollegen aus unserem Kreise Ihnen mitteilen zu müssen.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Am 13. Oktober ist nach langer Krankheit unser Kollege Kurt Koblitz gestorben. Kurt Koblitz wurde am 27. September 1916 in Waldenburg (Schlesien) geboren. Nach dem Schulbesuch und einer kaufmännischen Lehre war er bis zum Ausbruch des Krieges als Kaufmann tätig. Nach Wehr- und Kriegsdienst trat Kurt Koblitz unmittelbar nach dem Kriege der Sozialdemokratischen Partei Deutsch-
) lands bei und war von November 1946 bis Januar 1950 Landtagsabgeordneter in Brandenburg.
Sein politischer Werdegang wurde 1950 jäh unterbrochen. Er wurde verhaftet und in den nördlichen Ural gebracht, wo er fünf Jahre im Strafarbeitslager Workuta als politischer Häftling gefangen gehalten wurde.
Nach seiner Rückkehr aus der Haft war er zuerst als Bergmann, später als Heimleiter beim Eschweiler Bergwerksverein tätig.
Mitglied des Deutschen Bundestages war der Verstorbene seit 1972. Er vertrat den Wahlkreis 54, Aachen-Land. 20 Jahre gehörte er dem Sozialausschuß im Rat der Stadt Alsdorf an. Im Bundestag war er Mitglied des Petitionsausschusses und des Innerdeutschen Ausschusses.
Seine besondere Aufmerksamkeit und sein Interesse haben immer sozialen Fragen gegolten. In seiner parlamentarischen Arbeit hat sich Kurt Koblitz dem Problem der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie der Kriegsopfer und den Fragen der Wiedergutmachung angenommen. Er hat sich unermüdlich für die Zusammenführung von Familien eingesetzt. Er hat diese Aufgabe unter dem Einsatz all seiner Kräfte als eine Verpflichtung verstanden, die er den getrennten Familien über die Grenzen hinweg schuldig war. Er scheute keine Anstrengungen, auch in Fällen, die aussichtslos schienen, den Verzweifelten zu helfen. Diesem Ziel ist er bis zum Ende seines Lebens in überzeugender Weise treu geblieben.
Den Hinterbliebenen unseres Kollegen Koblitz habe ich die tiefe Anteilnahme des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gebracht. Der Fraktion der SPD möchte ich meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen. Wir wollen Kurt Koblitz ein ehrendes Gedenken bewahren. — Ich danke Ihnen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat als Nachfolger für den Abgeordneten Dr. Pfennig, der aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ausscheidet, den Abgeordneten Kittelmann als ordentliches Mitglied benannt.
Die Fraktion der SPD hat für die Parlamentarische Versammlung des Europarates die nachfolgenden Veränderungen vorgeschlagen: Der Abgeordnete Dr. Bardens, bisher ordentliches Mitglied, soll stellvertretendes Mitglied werden. Der Abgeordnete Pawelczyk, bisher stellvertretendes Mitglied, soll ordentliches Mitglied werden. Für den Abgeordneten Dr. Schwencke (Nienburg), der aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ausscheidet, wird als ordentliches Mitglied der Abgeordnete Flämig benannt.
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich erkenne keine gegenteilige Meinung. Es ist so beschlössen. Damit sind die Abgeordneten Kittelmann, Flämig und Pawelczyk als ordentliche Mitglieder und der Abgeordnete Dr. Bardens als stellvertretendes Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 26. September 1979 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Verordnung (EGKS, EURATOM, EWG) des Rates zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst-und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anzuwenden sind (Drucksache 8/ 2919 Nr. 8)
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom
26. September 1979 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Verordnung zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen der sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften (Drucksache 8/3025 Nr. 9)

Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom
27. September 1979 mitgeteilt, daß der Ausschuß bei der nachstehenden, bereits verabschiedeten EG-Vorlage von einer Beratung abgesehen hat:
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Meßmethoden sowie über die Zeitfolge der Probenahmen und der Analysen in bezug auf die Parameter für die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten (Drucksache 8/2098 Nr. 78)




Präsident Stücklen
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 20. September 1979 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer neuen Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Einheiten im Meßwesen und zur Aufhebung der Richtlinie des Rates 71/354/EWG (Drucksachen 8/2717 Nr. 5, 8/2723)

Der Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 26. September 1979 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Anwendung des Systems von Ursprungserzeugnissen des Internationalen KaffeeÜbereinkommens von 1976 in Quotenzeiten (Drucksache 8/3025 Nr. 11)
Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 11. Oktober 1979 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat:
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur zweiten Änderung der Richtlinie 74/329/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Emulgatoren, Stabilisatoren, Verdickungs- und Geliermittel, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (Drucksache 8/2838 Nr. 7)

Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur siebten Änderung der Richtlinie 73/241/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über zur Ernährung bestimmte Kakao-und Schokoladeerzeugnisse (Drucksache 8/2919 Nr. 7)

Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur ersten Änderung der Richtlinie des Rates 76/768/EWG vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (Drucksache 8/3025 Nr. 10)

Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über in der Gemeinschaft erzeugte Likörweine
Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 338/79 in bezug auf Qualitätslikörweine bestimmter Anbaugebiete (Drucksache 8/3161 Nr. 33)
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 71/ 118/EWG zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim Handelsverkehr mit frischem Geflügelfleisch (Drucksache 8/3161 Nr. 61)

Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur 7. Änderung der Richtlinie des Rates vom 23. Oktober 1962 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen (Drucksache 8/3161 Nr. 63)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft
— Drucksache 8/3239 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen .

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0818000100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Stellungnahme des Bundesrates zum vorliegenden Gesetzentwurf wird erfreulicherweise die Auffassung vertreten, es sei im Interesse der Steuergerechtigkeit erforderlich, eine ausgewogene Einkommensbesteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe anzustreben. Genau dies ist das wesentliche Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Daß es auch erreicht werden kann, davon bleibe ich überzeugt trotz aller kritischen und manchmal auch polemischen Äußerungen, die man in den letzten Wochen gehört und gelesen hat.
Die Ungleichbehandlung der Land- und Forstwirte bei der Einkommensbesteuerung und die starke steuerliche Privilegierung eines Teils dieses Berufsstandes haben in letzter Zeit Ausmaße erreicht, die nicht mehr mit der Verfassung vereinbar sind. Die Bundesregierung hatte Anfang 1977 eine unabhängige Kommission von acht Wissenschaftlern mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Vorschläge dieser Kommission zielen darauf ab, die Gewinnermittlung in der Landwirtschaft weitgehend an die Vorschriften anzupassen, die für die gewerbliche Wirtschaft gelten.
Andererseits halten die Gutachter — wie übrigens auch die Bundesregierung — künftig steuerliche Entlastungen der Landwirtschaft für geboten, und zwar unter den Gesichtspunkten der Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unter besonderer Berücksichtigung der Steuerbelastung in den EG-Mitgliedsländern, der Notwendigkeit der Erhaltung mittelständischer Existenzen und der Förderung breitgestreuten Eigentums sowie der Milderung des Belastungssprungs, der andernfalls infolge einer Reform der Landwirtschaftsbesteuerung einträte.
Die Bundesregierung hat das Gutachten geprüft und ist zu den Ergebnissen gelangt, die in dem heute vorgelegten Gesetzentwurf ihren Niederschlag gefunden haben. Vorrangig hat uns dabei die Zielsetzung bestimmt, mehr Steuergerechtigkeit innerhalb der Land- und Forstwirtschaft zu erreichen.
Es ist schwierig, die finanziellen Auswirkungen auf Heller und Pfennig auszurechnen. Nach unseren Berechnungen führt das Gesetz nach einer Übergangszeit von einigen Jahren allmählich zu Steuermehreinnahmen von etwa 300 Millionen DM. Demgegenüber sind in den letzten Wochen geradezu abenteuerliche Zahlen genannt worden. Der Abgeordnete Dr. Ritz und auch der Abgeordnete Dr. Schäuble, die ich hier gerade sehe, beziffern die Mehrbelastungen auf über eine Milliarde DM.

(Dr. Ritz [CDU/CSU]: Bis zu einer Milliarde DM!)

— Bis zu einer Milliarde DM. Es könnten dann also auch 300 Millionen DM sein. Ich bedanke mich, daß wir hier übereinstimmen.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Das ist zu einfach! — Dr. Ritz [CDU/CSU]: Es dürften etwa 750 Millionen DM sein!)

— Herr Dr. Ritz, es ist wirklich ungemein schwierig zu schätzen. Darin stimmen wir beide überein. Wollen wir doch erst einmal das Schicksal des Gesetzentwurfes abwarten und sehen, wie der Entwurf aus dem Gesetzesberatungsprozeß herauskommt und wie dann die Auswirkungen sein werden. Herr Dr. Kreile spricht gar von einer verstärkten Auspressung der Landwirte. Davon kann natürlich keine Rede sein.
Bei genauer Betrachtung der nur teilweisen Erfassung der Gewinne durch § 13 a des Einkommensteuergesetzes, des erhöhten allgemeinen Freibetrags und des neuen Abzugs von der Steuerschuld ergeben sich für den einzelnen Betrieb erhebliche Freibetragswirkungen, die selbstverständlich im Verhältnis zu den Freibeträgen, die anderen Steuerpflichtigen eingeräumt werden, in bestimmten Grenzen bleiben müssen. In Anbetracht des vorgesehenen Umfangs der Vergünstigungen kann wohl von einer unzumutbaren Belastung der deutschen Landwirtschaft und einer Verschlechterung ihrer Wettbewerbssituation innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ernsthaft nicht die Rede sein.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn; Donnerstag, den 18. Oktober 1979 14133
Bundesminister Matthöfer
Mit dem Entwurf entsprechen wir dem Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes, die Steuerpolitik als Mittel zur Förderung einer wettbewerbsfähigen Landwirtschaft einzusetzen. Dies gilt vor allen Dingen auch im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der EG, zu denen ja nicht nur Frankreich, Italien und Irland, sondern auch Holland, Dänemark und Großbritannien gehören.
Das Ziel, mehr Steuergerechtigkeit innerhalb der Land- und Forstwirtschaft zu erreichen, verfolgt der Gesetzentwurf insbesonderere mit dem dreistufigen System der Gewinnermittlung, gegen das sich Ihre Bedenken wohl in erster Linie wenden. Dieses System bringt eine engere Begrenzung des Anwendungsbereichs der pauschalen Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen durch Zwischenschaltung einer mittleren Stufe, bevor dann die eigentliche Buchführung beginnt, die bei jedem Gewerbebetrieb normal ist.
Im Gegensatz zu der wissenschaftlichen Kommission ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es weder für die kleinen Landwirte noch für unsere Verwaltung vertretbar wäre, die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen ganz abzuschaffen. Aus verfassungsrechtlichen und steuersystematischen Gründen muß aber der Anwendungsbereich des § 13 a begrenzt werden. Die eigentliche Problematik liegt darin, daß Durchschnittssätze der beträchtlichen Streuung der Betriebsergebnisse vergleichbarer Betriebe der Landwirtschaft nicht Rechnung tragen können.
Die Bundesregierung hat eine Lösung gefunden, nach der mehr als zwei Drittel aller Betriebe auch in Zukunft diese verhältnismäßig einfache Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen anwenden können. Wer dagegen die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen im Bereich der Landwirtschaft und darüber hinaus auch noch auf Sondernutzungen ausdehnen will, setzt sich über verfassungs- und steuerrechtliche Grundsätze und über die Tatsache hinweg, daß die einzelnen Sonderkulturen wegen ihrer unterschiedlichen Erzeugungs- und Vermarktungsstrukturen völlig verschiedenartig sind.
Um mehr Gerechtigkeit innerhalb der Land- und Forstwirtschaft und mehr Transparenz für die Öffentlichkeit herbeizuführen, ist es zwingend, ab der vorgesehenen Grenze des § 13a eine normale Gewinnermittlung einzuführen. Um aber die Buchführung für die Hälfte der betroffenen Betriebe, also für insgesamt etwa 130 000 Betriebe, zu erleichtern, schlägt die Bundesregierung vor, daß jenseits der Grenze für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen eine Gruppe von Landwirten den Gewinn durch einfache Aufzeichnungen ermitteln kann.
Diese Form der Gewinnermittlung ist für landwirtschaftliche Betriebe zumutbar. Hier darf ich — ausnahmsweise — einmal den Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz zitieren. Er schrieb in einer Broschüre im vergangenen Jahr folgendes — ich zitiere —:
Der Einwand, der Landwirtschaft könnten keine
Aufzeichnungen von Einnahmen und Ausgaben
zugemutet werden, ist wenig stichhaltig; denn
von bestimmten Landwirten, z. B. Winzern und Gärtnern, wird dies bereits heute verlangt.
Ich füge hinzu: Dies gilt auch für jeden Kiosk-Inhaber oder für jeden Tante-Emma-Laden. Was dem kleinen Gewerbetreibenden recht ist, sollte doch den mittleren landwirtschaftlichen Betrieben eigentlich billig sein, ganz abgesehen davon, daß natürlich viele Landwirte schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen Bücher führen.
Buchführungspflichtig — wie größere Gewerbebetriebe auch — werden schließlich nur etwa 140 000 von insgesamt 840 000 landwirtschaftlichen Betrieben sein. Viele von diesen führen, wie ich Ihnen bereits sagte, schon heute aus steuerlichen oder betriebswirtschaftlichen Gründen Bücher.
Die Bundesregierung bittet Sie alle um Ihre Mitarbeit. Ich bitte die Damen und Herren der Opposition also sehr dringend, von unausgewogenen Vorschlägen, deren Berücksichtigung zu einer verfassungsrechtlich nicht vertretbaren Begünstigung der Land- und Forstwirtschaft führen würde, Abstand zu nehmen.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Wir halten uns an die Verfassung!)

— An den Gleichheitssatz, Herr Kollege Dr. Häfele, dies hoffe ich.
Der vorliegende Entwurf verwirklicht mehr Gerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft. Die allgemeine steuerliche Subventionierung der Landwirte wird dadurch nicht aufgegeben. Sie beträgt in diesem Jahr immerhin 1,8 Milliarden DM.
Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung bei der Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, der die berechtigten Belange der Landwirtschaft voll wahrt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818000200
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID0818000300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion ist eine Neuregelung der landwirtschaftlichen Besteuerung erforderlich, weil im Interesse der Steuergerechtigkeit eine ausgewogene Belastung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe angestrebt werden muß Wir lassen uns dabei auch in Zukunft vom Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes leiten, daß die Steuerpolitik als Mittel zur Förderung einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Landwirtschaft erhalten bleiben muß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diesem Auftrag, Herr Minister, wird im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben, der von Ihnen vorgelegte Entwurf nicht gerecht. Er wird zu wesentlich höheren Belastungen der Landwirtschaft mit Steuern und mit bürokratischem Aufwand führen, und er ersetzt alte Ungerechtigkeiten durch neue.



Dr. Schäuble
Die Bundesregierung hat im übrigen mit diesem Entwurf ihre Zusage gebrochen, daß eine Neuregelung der landwirtschaftlichen Besteuerung nicht zu einer höheren Steuerbelastung der Landwirtschaft insgesamt führen solle.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Es ist eine ziemliche Zumutung, wenn in der Begründung des Entwurfs zu den finanziellen Auswirkungen lediglich geschrieben wird: „Die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Steuereinnahmen sind nicht genau abschätzbar." Verehrter Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie Steuersenkungsanträge meiner Fraktion gelegentlich abqualifizieren, dann können Sie immer ganz genau berechnen, was diese Anträge angeblich kosten sollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn es Ihnen um die sogenannten Privilegien der Landwirtschaft geht, dann sind Sie im Rechnen ja auch ganz fix. Nur die Auswirkungen Ihres eigenen Entwurfs wollen Sie nicht berechnen können.
Nun haben Sie eben gesagt, die Auswirkungen machten 300 Millionen DM aus. Das hat Herr Böhme bei der Vorstellung des Entwurfs vor der Presse wohl auch gesagt. Sie wissen selbst, daß die 'wirklichen Zahlen wesentlich höher liegen werden. Ob wir bis an 1 Milliarde DM herankommen, ist die Frage. Jedenfalls wird die endgültige Summe eher bei 1 Milliarde DM als bei 300 Millionen DM liegen. Ich habe nicht die Zeit, das hier im einzelnen vorzurechnen.
Sie wissen, daß dabei im übrigen die Kosten, die Sie der Landwirtschaft durch die zusätzlichen Buchführungspflichten auferlegen, noch nicht eingerechnet sind.
Meine Damen und Herren, man kommt der Wahr-
heit über die Motive hinter diesem Entwurf näher, wenn man sich etwas mit seiner Vorgeschichte beschäftigt. Im Sommer 1975 ließ der damalige SPD-Bundesgeschäftsführer Börner nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation der öffentlichen Haushalte fahnden. In dem ihm von seinen Mitarbeitern vorgelegten Vermerk, dem ominösen „Börner-Papier", wurden unter anderem die Landwirte für höhere Belastungen sehr empfohlen, offenbar, weil sie nicht in ausreichendem Maße der SPD ihre Stimme geben.
Bei den Koalitionsverhandlungen zu Beginn dieser Legislaturperiode soll dann ja auch eine durchgreifende Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Landwirtschaft beschlossen worden sein, obwohl die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Dezember 1976 diese Absicht schamhaft verschwiegen hat.
Um die koalitionsinternen Probleme in einer Art Zermürbungsstrategie zu überwinden, wurde dann die erwähnte Kommission im Februar 1977 eingesetzt, die ihr Gutachten ein Jahr später vorlegte. Die Bundesregierung hat die Zeit vom Februar 1978 bis zum heutigen Tage, dem 18. Oktober 1979, gebraucht, um in diesem Hause den Entwurf einzubringen. Herr Gobrecht hat schon geschrieben, daß Sie noch im Dezember das Gesetz im Bundestag ver-
abschiedet haben wollen, ein merkwürdiges Verständnis des Verhältnisses von Regierung und Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben auch noch bei der Vorlage des Kommissionsberichts erklärt, daß eine Höherbelastung der Landwirtschaft nicht beabsichtigt sei. Aber Herr Gobrecht hat schon im Februar 1978 von der niedrigen Steuerleistung der Landwirtschaft ingesamt gesprochen. Der damals noch neu im Amt befindliche Bundesfinanzminister hat ja in der Agrardebatte vom Februar 1978 — ich habe das noch einmal nachgelesen — auch von den ungerechten Privilegien der Landwirtschaft gesprochen.

(Kühbacher [SPD]: Sagen Sie doch mal was zum Gutachten!)

Sie sagen immer: Subventionen sollen abgebaut werden. Meine Damen und Herren von der SPD, ich muß Ihnen sagen: Sie übersehen dabei den Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes, und Sie übersehen vor allem, daß es bei steuerlichen Regelungen — über diese reden wir — nicht wie bei Subventionen um das Gewähren von Vorteilen geht, sondern um mehr oder weniger hohe Belastungen. Wir streiten ja immer wieder darüber. Sie haben so ein Verständnis, daß eigentlich alles, was unterhalb der Grenze von 100% Besteuerung der Erträge liegt, eine Subvention sei. Das ist Ihr sozialistisches Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ein Hauptpunkt des Entwurfs liegt — der Minister hat das begründet — in dem vorgesehenen Übergang zum dreistufigen Verfahren in der Gewinnermittlung in der Landwirtschaft. Zunächst einmal muß sich der Bundeslandwirtschaftsminister fragen lassen, warum er entgegen allen Beteuerungen seine Zustimmung zur Einführung der Einnahmeüberschußrechnung des § 4 Abs. 3 unterhalb der Grenze der vollen Buchführungspflicht für die Landwirte gegeben hat. Herr Gobrecht, er ist offenbar unter dem Druck Ihrer massiven Presseerklärungen wieder einmal umgefallen.

(Kühbacher [SPD]: Der hält die Landwirte nicht für Analphabeten!)

Sie argumentieren bei der Begründung gerade in der Frage des Gewinnermittlungsverfahrens ausgesprochen unsauber. Ich will einige Beispiele dafür geben. Sie tun so - Herr Minister, Sie haben das eben wieder getan —, als sei die Einführung des dreistufigen Verfahrens verfassungsrechtlich geboten. Sie müssen wissen, daß dies falsch ist. Wer den Vorlagebeschluß des Niedersächsischen Finanzgerichts gelesen hat, kann nicht so tun, als sei die Durchschnittssatzbesteuerung an sich verfassungswidrig. Das Niedersächsische Finanzgericht erklärt ausdrücklich, dies allein sei nicht verfassungswidrig. Wer die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, und zwar seit seiner Entscheidung im 9. Band, kennt, der weiß, daß die Besteuerung nach Durchschnittssätzen als solche auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts nicht verfassungswidrig ist.
Wir wissen — ich habe das in meinem ersten Satz gesagt —, daß innerhalb der landwirtschaftlichen



Dr. Schäuble
Besteuerung Anpassungen wohl auch verfassungsrechtlich geboten sind. Das ist unstreitig, Herr Kühbacher.

(Kühbacher [SPD]: Das ist der Punkt!)

Dazu gibt es aber andere verfassungsrechtlich mögliche Wege als den des Regierungsentwurfs. Wäre im übrigen die Durchschnittssatzbesteuerung an sich verfassungswidrig, wäre auch Ihr Entwurf verfassungswidrig, denn Sie haben sie ja drin.

(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

Es geht also nur um die Frage der Abgrenzung und nicht um die Frage der Zweistufigkeit.

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Tun Sie also bitte nicht so, als sei das Festhalten an der Zweistufigkeit verfassungsrechtlich nicht möglich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im übrigen tun Sie so — Sie haben es eben wieder getan, Herr Minister —, als enspräche die im Entwurf vorgesehene Neuregelung so in etwa den durchschnittlichen Verhältnissen in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Ich bitte sehr: Sie müssen das IFO-Gutachten auch gelesen oder jedenfalls zur Kenntnis genommen haben. Daraus müssen Sie seit dem Frühjahr 1978 wissen, daß unser jetziges Besteuerungssystem in der Landwirtschaft den Verhältnissen bei den anderen EG-Partnern wesentlich näherliegt als das, was Sie mit dem vorgelegten Entwurf einführen wollen. Sie wissen ganz genau, daß wir, wenn dieser Entwurf Gesetz wird, erhebliche Wettbewerbsnachteile unserer Landwirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft haben werden.

(Kühbacher [SPD]: Wenn man Sie hört, glaubt man, die Landwirte hätten Angst vor der Buchführung wie der Teufel vor dem Weihwasser!)

— Ich habe so das Gefühl, Herr Kühbacher, daß Sie mit den Landwirten nicht viel am Hut haben und daß Sie sich bisher auch nicht sehr um die Probleme gekümmert haben; sonst könnten Sie nicht so töricht daherreden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kühbacher, Sie verharmlosen — der Minister hat es wieder getan — die Belastungen für die Landwirtschaft aus der von Ihnen vorgesehenen dritten Stufe, der Zwischenstufe zwischen der vollen Buchführungspflicht und der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818000400
Herr Abgeordneter Dr. Schäuble, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID0818000500
Bitte sehr.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID0818000600
Herr Kollege, sind Sie bereit, mit mir in die Bauernversammlungen zu gehen und den Bauern klarzumachen, wieso das alte System den Systemen der Nachbarländer generell gleicher kommt, und sind Sie auch bereit, den Landwirten klarzumachen, daß die himmelschreienden Ungerechtigkeiten, die Landwirten in jedem Dorf widerfahren, verteidigungswürdig sind?

(Dr. Häfele [CDU/CSU]: Er macht es ja klar! Reden Sie hier!)


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID0818000700
Herr Kollege, wenn Sie mir zuhören würden, wäre Ihnen das schon ein Stückweit klarer. Was die EG betrifft, werden Sie ja nicht bestreiten, daß unser Hauptwettbewerber Frankreich praktisch zu 100 % nach Durchschnittssätzen besteuert. Von Italien brauchen wir gar nicht zu reden. Großbritannien will das einführen. Wovon reden Sie also? Vom Steuersystem in Holland wissen Sie, daß es ein völlig anderes ist, das Sie überhaupt nicht vergleichen können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kennen sie ja, das ist ihr System!)

Was die Ungerechtigkeiten innerhalb der Landwirtschaft anbetrifft, so haben Sie da nicht zugehört Ich sage ja: Wir müssen innerhalb des § 13a bei den Wertansätzen Anpassungen vornehmen. Wir müssen sie differenziert fortschreiben, um diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Sie aber schaffen mit der Einführung des dreistufigen Verfahrens neue Ungerechtigkeiten, die größer sein werden als die alten.
Von der von Ihnen vorgesehenen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3, also der sogenannten Einnahme-Überschuß-Rechnung, sagen Sie im übrigen, sie würde nur wahlweise eingeführt. Natürlich, das ist die Systematik des Einkommensteuergesetzes und der Abgabenordnung, daß man dazu nicht gezwungen werden kann. Sie werden aber, Herr Minister, die Landwirte indirekt schon dazu zwingen, die Einnahmen und Ausgaben aufzuzeigen, weil Sie so hoch schätzen werden, daß derjenige, der keine Aufzeichnungen macht, durch eine höhere Schätzung bestraft werden wird.
Sie belegen diese Methode mit dem unzulässig verharmlosenden Begriff „Schuhkartonmethode". Sie tun so, als sei das im Grunde etwas, was man in fünf Minuten für das ganze Jahr gemacht habe. Meine Damen und Herren, Herr Kühbacher, suchen Sie doch einmal in den Büros etwa der Angehörigen der freien Berufe, die ihren Gewinn ganz überwiegend nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes, also genau nach dieser Methode, ermitteln, nach den angeblichen Schuhkartons. Sie werden dann schon feststellen, daß die Arbeits- und Kostenbelastung auch bei dieser Gewinnermittlungsmethode ganz beträchtlich ist.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Huonker [SPD])

Im übrigen, Herr Huonker, verschweigen Sie, daß die von Ihnen vorgeschlagene Zwischenstufe der Einnahme-Überschuß-Rechnung von Ihnen im Grunde nur als Instrument dafür gewollt ist, die Landwirte aus der Durchschnittssatzbesteuerung herauszunehmen und alsbald ganz in die volle Buchführungspflicht mit Bilanzierung zu führen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

— Natürlich, Herr Kühbacher, Sie und Herr Gob-
recht sind in diesem Punkt ehrlich, weil Sie mit der
Landwirtschaft nichts am Hut haben. Aber die Mini-



Dr. Schäuble
ster begründen das ganz anders. Sie sagen, das sei für die Landwirtschaft ganz harmlos.

(Kühbacher [SPD]: Ich bin doch kein Analphabet, Herr Kollege! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Na gut, Herr Kühbacher. — Es ist ja schön, daß darüber Einigkeit besteht; dann will ich einmal festhalten: Nach Auffassung der maßgeblichen Steuerpolitiker der SPD-Fraktion soll der Gesetzentwurf dazu führen, daß die Landwirte, die nicht mehr nach den neuen Durchschnittssätzen besteuert werden, alsbald in die volle Buchführungspflicht mit Bilanzierung hineingeführt werden. Es ist wichtig, dies festzuhalten.

(Erneute Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren von der Koalition, Herr Minister, die CDU/CSU-Fraktion ist bereit, an einer vernünftigen Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Landwirtschaft konstruktiv und zügig mitzuarbeiten. Der vorliegende Entwurf entspricht in wesentlichen Punkten nicht unseren Vorstellungen. Darüber wird in den Beratungen geredet werden müssen.
Erstens. Wir treten dafür ein, daß die Großzahl der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe, insbesondere die Nebenerwerbsbetriebe unterhalb der Buchführungspflichtgrenze, auch in Zukunft ihren Gewinn nach Durchschnittssätzen ermitteln. Den von Ihnen gewollten Übergang zur Dreistufigkeit lehnen wir ab. Die dadurch entstehenden Belastungen für die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe verstoßen gegen das Gebot, durch steuerliche Vereinfachung eine Vielzahl von selbständigen Existenzen in der Landwirtschaft zu erhalten. Selbst das Gutachten zur Einkommensbesteuerung der Landwirtschaft, das Sie so gern zitieren, räumt ein, daß das bisherige Gewinnermittlungssystem diesem wichtigen agrarpolitischen Ziel gerecht geworden ist.

(Kiechle [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Im übrigen steht der zusätzliche Arbeitsaufwand für die Steuerverwaltung nach deren eigenen Berechnungen in keinem Verhältnis zum Ertrag. Meine Damen und Herren, es ist doch ein Witz: Da reden wir dauernd, insbesondere die Damen von der FDP, von Steuervereinfachung, und gleichzeitig wollen wir für eine Vielzahl von kleineren landwirtschaftlichen Betrieben Buchführungspflichten einführen, damit die gegebenenfalls zusätzlich zu zahlenden Steuern gerade die entsprechenden Mehrkosten bei der Steuerverwaltung abdecken.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Ja, so ist das!)

Wir glauben, daß Steuergerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft mit einer nach Betriebsgrößen differenzierten Fortschreibung der Wertansätze in § 13 a besser und einfacher erzielt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. Die im Regierungsentwurf vorgeschlagene Anpassung dieser Wertansätze widerspricht unseren Vorstellungen vor allem hinsichtlich der kleineren Betriebe, insbesondere hinsichtlich der Nebenerwerbsbetriebe. Diese Betriebe werden,
wenn diese Wertansätze eingeführt werden, nicht nur mit 50 bis 70 % der Gewinne, wie Sie das in der Begründung schreiben, sondern im Einzelfall sogar mit mehr als 100 % der tatsächlichen Gewinne erfaßt werden.

(Dr. Ritz [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Mein Gewährsmann dafür ist Herr Huonker, der den bisherigen § 13 a des Einkommensteuergesetzes, die bisherigen Ansätze u. a. schon deswegen kritisiert hat, weil sie bei kleineren Betrieben zu einer Überbesteuerung führen. Wenn das bisher schon der Fall ist, wird es bei den neuen Wertansätzen um so mehr sein.
Drittens. Wir lehnen den Ausschluß aller Betriebe mit Sonderkulturen aus der Durchschnittssatzbesteuerung ab. Die offenbar von uns allen gewollte größere Gerechtigkeit der Steuerbelastung innerhalb der Landwirtschaft gebietet ganz im Gegenteil, auch kleinere Betriebe mit Sonderkulturen wieder stärker in die Durchschnittssatzbesteuerung zurückzuführen.

(Schröder [Wilhelminenhof] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Der von uns vorgeschlagene Weg einer differenzierten Fortschreibung der Wertansätze würde dazu den Rahmen bieten.
Schließlich lehnen wir den von Ihnen in § 34 d vorgeschlagenen Abzugsbetrag von der Steuerschuld ab. Sie wollen hier durch ein scheinbar verführerisches Angebot erneut den Einstieg in den Systemwechsel unseres Steuerrechts finden, dem sich die Sozialisten seit den frühen 70er Jahren offenbar hartnäckig verschrieben haben. Für uns steht fest: Freibeträge müssen in einem System progressiver Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Der Abzug von der Steuerschuld bedeutet, daß nur proportional entlastet würde, wo progressiv besteuert
wird. (Beifall bei der CDU/CSU)

Im Blick auf die bevorstehenden Einzelberatungen im Finanzausschuß appelliere ich an uns alle, daß wir uns bei der notwendigen Neuregelung der landwirtschaftlichen Besteuerung von der Zielsetzung des Agrargesetzes leiten lassen. Verzichten wir darauf, Neidkomplexe zu schüren, die sachlich nicht begründet sind!

(Zuruf von der SPD: Hören Sie doch endlich mit dem Quatsch auf!)

Wenn Sie — wie der Finanzminister im Bundesrat — so einfach sagen: „Niemand wird bestreiten wollen, daß es den deutschen Landwirten gut geht", so sollten Sie dabei nicht übersehen, daß die Relation von Arbeitsaufwand und Ertrag in der Landwirtschaft nach wie vor erheblich ungünstiger ist als in den übrigen Wirtschaftszweigen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Böhme [Freiburg] [SPD]: Ohne jede Sachkenntnis! — Weitere Zurufe von der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818000800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gobrecht.

Horst Gobrecht (SPD):
Rede ID: ID0818000900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich war es ein No-

Gobrecht
vum, daß der Kollege Schäuble von der CDU/CSU-Fraktion hier Erklärungen dazu abgibt, was die Meinung der Steuerexperten der SPD-Bundestagsfraktion sei. Lieber Kollege Schäuble, noch behalten wir uns das vor!

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Man kann doch das, was Sie dauernd rufen, wohl noch aufnehmen!)

Der Gesetzentwurf, der uns heute, vorliegt, ist nicht irgendein Gesetzentwurf, sondern ein Vorhaben, das zentral unsere politischen Vorstellungen von steuerlicher Gerechtigkeit und von steuerlich gleichmäßiger Behandlung aller Bürger hinterfragt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

An der Behandlung dieses Gesetzentwurfes im Bundestag und im Bundesrat wird sich ablesen lassen, wie die verantwortlichen Politiker der Parteien konkret politisch-inhaltlich zur Steuergerechtigkeit innerhalb von Land- und Forstwirtschaft, zur Steuergerechtigkeit zwischen Landwirten einerseits und Arbeitnehmern, Gewerbetreibenden, Freiberuflern andererseits, zur Verteilungsgerechtigkeit im Zusammenhang mit Transferleistungen wie BAföG, Wohngeld usw. in unserer Gesellschaft und schließlich zum Abbau von Subventionen, der ja allseits gefordert wird, stehen — um nur einige politische Prüfsteine zu nennen, denen wir uns im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Landwirtschaft zu stellen haben.

(Zuruf von der SPD: Daran werden wir sie erkennen!)

- Daran werden wir die Opposition mit Sicherheit erkennen.
Wenn die bisherigen Äußerungen von Oppositionspolitikern und CDU/CSU-Landesministern, soweit sie im Bundesrat gefallen sind, die Linie der Opposition markieren . — und das, was der Kollege Schäuble hier gesagt hat, hat das leider bestätigt —, muß man allerdings wohl schon heute jede Hoffnung auf konstruktive Mitarbeit der Opposition in diesem Bereich begraben.

(Dr. Ritz [CDU/CSU]: Wobei Sie entscheiden, was konstruktiv ist!)

— Die Opposition würde damit, Herr Kollege Ritz, keinem der genannten Postulate gerecht, sie erschöpfte sich wieder in vollmundigen Forderungen einerseits — Subventionsabbau, Subventionsabbau!
— und billigster Polemik andererseits, wenn ich an den Kollegen Kreile denke, der doch tatsächlich diesen Gesetzentwurf einen Gesetzentwurf zur verstärkten Auspressung der Landwirtschaft genannt hat. Man kann gar nicht glauben, daß dieser so sachkundige und sonst auch so sachliche Kollege im Finanzausschuß dies gesagt hat; das muß wohl ein Pflicht-Straußenei sein, das ein CDU/CSU-Abgeordneter ab und zu legen muß.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Aber, meine Damen und Herren, dies offenbart ja zugleich die Konstante der Politik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: ein Höchstmaß an Lautstärke,
kombiniert mit einem Nullum an politischen Inhalten, wie es uns ja in gewisser Weise der neue Kanzlerkandidat persönlich vorlebt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Unseriös! — Es wird jedesmal schlimmer!)

Meine Damen und Herren, wie sieht es denn mit der Steuergerechtigkeit allein innerhalb der Landwirtschaft aus? Dies interessiert Sozialdemokraten sehr, weil wir für Gerechtigkeit sind. Darf es beim geltenden und gewiß verfassungswidrigen § 13a des Einkommensteuergesetzes, bei der pauschalen Durchschnittssatzgewinnermittlung bleiben, darf es bei der jetzigen Zweistufigkeit der Gewinnermittlung bleiben? Ist die allein durch diese Vorschrift gegebene Steuersubvention von rund 1,45 Milliarden DM einigermaßen gerecht verteilt? Nein, meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall. Von vielen darf ich nur die „Frankfurter Allgemeine" zitieren. Sie sagt:
Das § 13 a-Privileg verteilt seine Steuergeschenke ziellos, wahllos und unkontrollierbar. Es begünstigt Großbetriebe auf ertragsstarken Böden, auch Bauern mit hoher Viehhaltung, und es benachteiligt Kleinbetriebe mit schlechten Böden. Es ermöglicht den Landwirten Zusatzsubventionen (wie BAföG-Leistungen), während ihre Arbeiter dergleichen in der Regel nicht erhalten.
Allein das Beispiel eines Vollerwerbsbetriebes aus Bayern mit zirka 50 ha Größe, älterem Wohn- haus, gewissem Viehbestand und einem Einheitswert von 90 000 DM, was nach § 13 a einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 4 800 DM im Jahr entspricht und damit nach der Splittingtabelle zu einer Einkommensteuer von 0 DM führt, mit der Folge des Anspruchs auf BAföG, Wohngeld, Sparund Wohnungsbauprämien und Fahrtkostenzuschüsse, zeigt, daß von Gerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft überhaupt keine Rede sein kann; denn derselbe Betrieb, der ein neues Wohnhaus bauen mußte, weil sich die Familie vergrößert hat, hat einen höheren Einheitswert, der über 100 000 DM liegt. Bei ansonsten völlig unverändertem Sachverhalt wird er buchführungspflichtig mit der Folge des Verlustes der Vergünstigung nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes. Dann beträgt das zu versteuernde Einkommen 75 000 DM, und dieses Beispiel erhellt auch einmal die Unterbesteuerung, die heute in diesem Bereich besteht; de nn den 4 800 DM stehen die 75000 DM gegenüber.

(Beifall bei der SPD)

Dies führt zu einer Einkommensteuer von rund 22500. DM im Jahr und hat den Verlust sämtlicher Transferleistungen zur Folge. Sie können sich vorstellen, welche Wettbewerbsnachteile dies — das gibt es fast in jedem Dorf — in der Landwirtschaft für den Bauern gegenüber allen vergleichbaren Höfen mit sich bringt, der wegen eines Punktes in die Buchführung gerutscht ist, der überhaupt nichts mit seiner betrieblichen Leistungsfähigkeit zu tun hat. Es ist offenkundig, daß dieses skandalöse Ausmaß von Steuerungerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft verschwinden muß. Jedenfalls sind wir Sozialdemokraten das den ehrlich ihre Steuern zahlenden



Gobrecht
Landwirten schuldig. Dies wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreicht.

(Beifall bei der SDP)

Ich möchte es noch einmal mit anderen Worten sagen und damit zugleich auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen.
„Die Ermittlung der landwirtschaftlichen Einkünfte nach § 13a des Einkommensteuergesetzes ist zwar einfach, verstößt aber gegen das Prinzip, alle Bürger steuerlich gleichzubehandeln. Durch die Besteuerungspraxis nach § 13a wird der überwiegende Teil der Landwirtschaft von der Steuer weitgehend verschont oder sogar völlig freigestellt Wenn eine Einkunftsart so unterschiedlich zu den übrigen Einkunftsarten ermittelt wird, dann ist das Gesamteinkommen kein zuverlässiger Maßstab mehr für die Leistungsfähigkeit eines Steuerzahlers. Gerade in der Landwirtschaft gibt es viele Neben- und Zuerwerbsbetriebe. Wenn infolge einer zu niedrigen Ermittlung der landwirtschaftlichen Einkünfte die Gesamteinkünfte von Nebenerwerbslandwirten nicht in die Progressionszone des Steuertarifs reichen, dann werden auch nicht-landwirtschaftliche Einkünfte steuerlich begünstigt Eine Beibehaltung des § 13a ist unter sozialen und steuersystematischen Gründen nicht langer zu rechtfertigen. Der Einwand, der Landwirtschaft können keine Aufzeichnungen von Einnahmen und Ausgaben zugemutet werden, ist wenig stichhaltig; denn von bestimmten Landwirten, z. B. Winzern und Gärtnern, wird dies bereits heute verlangt"
Dies ist ein Zitat, wie Sie sicherlich bemerkt haben, das Ihnen auf Grund Ihrer jetzt geäußerten Haltung zu diesem Gesetzentwurf der' Bundesregierung überhaupt nicht gefallen kann; denn es ist ein wörtliches Zitat des CDU-Landesfinanzministers Gaddum aus dem Jahre 1978, und trotzdem ist es richtig.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das haben wir schon einmal gehört! Das war langweilig!)

Insbesondere ist es richtig, daß auch der Landwirtschaft von einer bestimmten Größenordnung an Aufzeichnungen zugemutet werden können, die von vielen Landwirten längst aus internen betriebswirtschaftlichen Gründen geführt werden. Opposition und Bauernverband sollten endlich zugeben, daß die mittleren und größeren Landwirte längst mehr von Betriebswirtschaft und Buchführung verstehen, als es sich der kleine Handwerker und Kaufmann träumen lassen, die ihrerseits selbstverständlich Aufzeichnungen machen und Bücher führen müssen. Trotzdem hält die sozialliberale Koalition daran fest, daß alle kleinen Landwirte auch zukünftig nicht „zu schreiben" brauchen, daß die mittleren aber wenigstens die Belege, meinetwegen im Schuhkarton, sammeln und bei etwas mehr Zeit im Winter zusammenstellen sollen. Damit wird zugleich — das ist allerdings richtig — eine Vorbereitung auf die Buchführung ermöglicht, die für alle größeren und leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebe wohl selbstverständlich sein muß.
Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Sie gegen diese dreistufige Lösung sind, die nicht nur eine verfassungskonforme Beibehaltung der Durchschnittssatzermittlung für rund zwei Drittel der Land- und Forstwirte ermöglicht, sondern die auch einen gleitenden Übergang von einfachen Auf zeich- nungen zur bilanzierenden Buchführung ermöglicht und damit gleichzeitig eine transparente Ubersicht über die in der Land- und Forstwirtschaft anfallen- den Gewinne und Verluste bringt. Aber vielleicht sind Sie gegen diese Durchsichtigkeit der Einkom- mens- und Vermögensverhältnisse auf dem flachen Lande, weil dies den Bürgern •plötzlich deutlich ma- chen könnte, wie teuer allen Steuerzahlern die Er- haltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft ist.
Uns Sozialdemokraten ist die Erhaltung einer gesunden, wettbewerbsfähigen und damit leistungsfähigen Land- und Forstwirtschaft allerdings in beiden Bedeutungen dieses Wortes teuer.
Da unser Ziel nicht war, dem Finanzminister möglichst viel Geld in die Schatulle zu schütten — was er sicher grundsätzlich gern hätte und gut gebrauchen könnte —, sondern mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen, finden mit diesem Gesetzentwurf aktuell nur in geringem Maß ein Subventionsabbau und eine Erhöhung von Steueraufkommen statt. So wird die skandalöse Steuersubvention nach § 13 a

zwar erheblich eingeschränkt Doch dafür soll ein Abzugsbetrag von der Steuerschuld eingeführt werden, der Belastungssprünge beim Übergang in die Aufzeichnungs- bzw. Buchführungspflicht ver- meiden hilft, Herr Kollege Schäuble, und damit eine Erleichterung auch für die freiwillige offene Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bedeutet.
Aus den genannten Gründen müssen wir hinnehmen, wenn gesagt wird, der Subventionsabbau sei ungenügend. Was wir Sozialdemokraten aber auf keinen Fall hinnehmen müssen und werden, sind ebenso unverschämte wie billig-polemische Behauptungen von einer angeblich verstärkten steuer- lichen Auspressung der Landwirte. Denn auch nach diesem Gesetzentwurf wird allein der einkommen- steuerliche Vorteil der Landwirtschaft jährlich bei 1,52 Milliarden DM liegen, nur um rund 300 Millionen DM niedriger als nach geltendem Recht.

(Kiechle [CDU/CSU]: Können Sie jetzt plötzlich rechnen? Vorher nicht?)

— Das ist sehr sorgfältig gerechnet Aus den Reihen Ihrer Fraktion oder des Bauernverbands ist bisher überhaupt ,keine Gegenrechnung aufgemacht worden, die irgendwie nachprüfbar ist.

(Kiechle [CDU/CSU]: Ihre ist auch nicht nachprüfbar!)

Jedenfalls vermag keine denkbare „progressive Fortschreibung— wie immer so schön gesagt wird -der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen des § 13a im jetzigen Zwei-Stufen-System dieür verfassungsrechtlichen Bedenken gegen jede zwei- stufige Lösung zu beseitigen, es sei denn, diese Vor- schrift würde auf eine ganz kleine Zahl einkommen- schwacher Landwirte begrenzt und sämtliche mitt- leren Landwirte — die größeren sowieso — wden damit der vollen Aufzeichnungs- bzw. Buchführungspflicht und der vollen Besteuerung unterwor- fen. Aber dies würde doch von Opposition und Bauernverband noch viel vehementer als der vorlie- gende Gesetzentwurf bekämpft werden, und dies — das ist allerdings auch unsere Meinung — würde auch der besonderen Lage der Landwirtschaft nicht gerecht. Wenn es keine denkbare Fortschreibung
' der heutigen Durchschnittssatzgewinnermittlung



Gobrecht
gibt und der unerträgliche Zustand der überwiegenden Unterbesteuerung, Herr Kollege Schäuble — es sind ja bei dem geltenden § 13 a maximal um die 20 % überhaupt bei der Besteuerung erfaßt —, nicht beseitigt werden kann, dann kommt nur die vorgeschlagene dreistufige Lösung in Frage, die nach unserer Auffassung agrarpolitisch vernünftig, steuerpolitisch vertretbar und verfassungsrechtlich haltbar ist.
Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüße ich den vorliegenden Gesetzentwurf, der nicht zuletzt entschiedenem Drängen aus unseren Reihen folgt, als einen wichtigen Schritt zu einer gerechteren Besteuerung innerhalb der Landwirtschaft,

(Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

zu einer transparenteren Ermittlung der landwirtschaftlichen Einkünfte und einer transparenteren Begünstigungspraxis, wodurch zugleich eine Vergleichbarkeit mit der Besteuerung der Einkünfte von Arbeitnehmern, Gewerbetreibenden und Freiberuflern erreicht wird, und als einen ersten Einstieg in den Abbau nicht vertretbarer Subventionen.
Die Opposition hier im Bundestag und die CDU/ CSU-Mehrheit im Bundesrat dürften zu wählen haben zwischen der Zustimmung zu dieser Drei-Stufen-Lösung dieses Gesetzentwurfs und einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Gesetzgeber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Änderung des heutigen zweistufigen Systems der Landwirtschaftsbesteuerung zwingen würde.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Warten Sie es ab. — Deshalb sieht die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in der Sache der weiteren Entwicklung mit Gelassenheit entgegen, nachdem die Bundesregierung gehandelt und einen vernünftigen Kompromiß als Gesetzentwurf vorgelegt hat.
Wir werden dafür sorgen, daß der Gesetzentwurf zügig beraten wird. Denn wir teilen die Auffassung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, daß der Gesetzgeber, der Deutsche Bundestag, hier zum Handeln, zum Entscheiden berufen ist. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird dies tun.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818001000
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818001100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Herren Vorredner haben bereits deutlich gemacht, was Grundlage und Ausgangspunkt der heutigen Beratung ist. Die von der Bundesregierung eingesetzte Gutachterkommission hat eindeutig Disparitäten in der Besteuerung der Landwirtschaft festgestellt, und zwar einerseits — das ist besonders gravierend — innerhalb der Landwirtschaft selbst und andererseits gegenüber den übrigen Steuerpflichtigen.
Ich meine, ein Steuerpolitiker muß solche Feststellungen sehr ernst nehmen. Er ist zur Gleichbehandlung gleicher oder vergleichbarer Tatbestände verpflichtet. Wenn Sie gestatten, benutze ich diese Gelegenheit sehr gern zu einer pädagogischen Bemerkung. Es geht nicht an, daß immer wieder die Steuerpolitiker — und zwar aller Parteien — von politischen Wünschen außerhalb des unmittelbaren steuerlichen Bereichs gedrängt werden, besondere Tatbestände steuerlich zu berücksichtigen, was sich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung als sehr fragwürdig, wenn nicht gar als rechtlich unmöglich erweist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

In zunehmendem Maße mahnen Rechnungshöfe oder der Bundesfinanzhof zur steuerlichen Gleichbehandlung, zu der wir zwingend verpflichtet sind. Es ist kein guter Zustand, wenn aus der Rechtsprechung immer wieder wegen Disparitäten Kritik am Gesetzgeber geübt werden muß.
Dies gilt sicherlich auch für den Bereich der Land-und Forstwirtschaft; denn auch hier ist im Vergleich der Betriebe untereinander oder zu den Sonderbetrieben eine Ungleichbehandlung gegeben. Nach heutigem Recht werden, wenn ich die Zahlen richtig erfaßt habe, rund 40 000 bis 50 000 Betriebe nach einer effektiven Buchhaltung besteuert, ein etwa gleich großer Teil der Betriebe wird geschätzt, und etwa 20 000 Betriebe werden auf Grund einer vereinfachten Einnahmen-Überschußrechnung zur Steuer herangezogen.
Nun wissen wir, daß die Schätzung länderweise sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Herr Kollege Schäuble, das ist ja der Grund, warum Sie meinen, die Sonderbetriebe würden ebenfalls nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes besteuert.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das habe ich nun wirklich nicht behauptet!)

Das ist nur scheinbar der Fall. Die Sonderbetriebe müssen ihre Steuer auf Grund eines Vergleichs von Einnahmen und Ausgaben oder auf Grund der Buchhaltung entrichten. In diesen Betrieben wird jedoch vielfach durch eine sehr großzügige Pauschalierung der Ausgaben seitens der Finanzverwaltung der Gewinn in einer Größenordnung geschätzt, die nicht unerheblich unter den tatsächlichen Werten liegt.
Derzeit gibt es etwa 740 000 Betriebe, die nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes erfaßt werden. Dabei bleiben rund 600 000 Betriebe völlig steuerfrei. Die übrigen 140 000 Betriebe werden unter Anwendung des § 13 a nur mit einem Gewinn erfaßt, der bei etwa 15 bis 30 % der tatsächlichen Höhe liegt.
Eine solche Besteuerung muß, so meine ich, den auf Gerechtigkeit bedachten Steuerpolitiker und Politiker überhaupt sehr bedenklich stimmen. Denn der Landwirt, der beim Herauswachsen aus der Begünstigung des § 13 a plötzlich den drei- bis vierfachen Gewinn versteuern muß, wird mit Recht an der Gerechtigkeit zweifeln. Das gilt insbesondere auch bei einem Vergleich der Land- und Forstwirtschaft allgemein mit den Sonderkulturen — wie Winzer, Gartenbauer und andere —, die sehr früh in eine reguläre Besteuerung hineinwachsen.
Ebenso muß — wenn auch nicht mit gleicher Intensität — die Frage nach der Vergleichbarkeit mit den übrigen Steuerpflichtigen gestellt werden, und zwar nicht nur wegen der Steuer, sondern auch deswegen, weil das steuerpflichtige Einkommen zu-



Frau Funcke
gleich Maßstab oder Grenzwert für bestimmte Transferleistungen ist, z. B. für die Zuerkennung der BAföG-Förderung oder der Sparförderung.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt auch noch andere Dinge, die an das nominelle Einkommen geknüpft sind.
Ohne Zweifel gibt es aber andererseits erhebliche Gründe für eine Sonderbehandlung in der Landwirtschaft. Dazu möchte ich sehr deutlich Stellung nehmen. Die Gutachterkommission hat diese Gründe klar angesprochen. Es sind historische und strukturelle Gründe. Es geht um die besonderen Erschwernisse in der Landwirtschaft, die Leistungen für die Landschaftspflege, vor allen Dingen aber um die Vergleiche mit den europäischen Nachbarländern. Das sind Gründe, die zu einem Abweichen von der Besteuerung wie in den übrigen Bereichen unseres Wirtschaftslebens berechtigen. Das Grundgesetz läßt solche Sonderbehandlung dann zu, wenn die Abweichung ausreichend begründet ist. Ich meine, es gibt dafür ausreichende Gründe.
Daher geht es bei einer Neuregelung der Besteuerung in der Landwirtschaft um dreierlei. Es geht darum, die Behandlung innerhalb der Landwirtschaft gerechter zu machen und die Disparitäten zu den übrigen Steuerpflichtigen zu berücksichtigen; aber zugleich geht es um die Schonung der Landwirtschaft, um das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes sicherzustellen, die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft zu erhalten und den Lebensstandard der in der Landwirtschaft Tätigen an den der übrigen Bevölkerung anzugleichen.
Unter diesen Gesichtspunkten begrüßt die FDP
) die Regierungsvorlage als den Versuch einer verständigen Regelung, um den unterschiedlichen Zielsetzungen mit einer gewissen Ausgewogenheit gerecht zu werden. Wir begrüßen, daß entgegen dem Vorschlag der Gutachterkommission der § 13a, wenn auch verändert, erhalten bleibt. Denn wir glauben, daß in einem breiten Bereich der Landwirtschaft von einer exakten buchhalterischen Erfassung aller Tatbestände abgesehen werden sollte, um nicht eine Fülle von Verwaltungsarbeit sowohl bei dem kleineren Landwirt oder gar Nebenerwerbsbetrieb als auch bei der Steuerverwaltung erforderlich zu machen. Allerdings soll der Gewinn nach * 13 a etwas näher an die tatsächlichen Ergebnisse herangeführt werden, und zwar auf 50 bis 70% der tatsächlichen Gewinne. Dabei geht es insbesondere um eine Anpassung der Zurechnung bei dem Wert der Arbeitskräfte.
Damit nicht eine erhebliche Mehrbelastung gerade bei den Kleinbetrieben und bei den Nebenerwerbsbetrieben eintritt, ist die Anhebung des generellen Freibetrages für den Landwirt von 1 200 auf 2 000 DM und ebenso für seinen Ehepartner vorgesehen. Und für den Übergang von der Besteuerung nach § 13a zur Besteuerung nach Unterlagen oder Schätzung kommt außerdem ein Abzug von 2 000 DM je Betrieb von der Steuerschuld hinzu, der nach Feststellung des Einkommens als Steuerabzug gewährt wird.
Über diese Maßnahme eines Abzugs von der Steuerschuld kann man unterschiedlicher Meinung sein. Der Bundesrat hat seinerzeit den Vorschlag abgelehnt, die Sonderausgaben durch einen Abzug von der Steuerschuld zu berücksichtigen. Dennoch haben wir das Institut eines solchen Abzugs in einigen begrenzten Tatbeständen vorgesehen. Ich glaube, wir haben allen Grund, vor einer allzu großen Ausweitung dieses Instrumentes zu warnen. Aber in diesem Fall halten wir den Abzug für berechtigt. Denn er trägt zur Vergleichbarkeit der Einkommen — etwa im Hinblick auf BAföG-Leistungen oder ähnliche Leistungen mit den Einkommen der anderen Bevölkerungskreise erheblich bei. Er bedeutet eine Entlastung, weil dadurch der plötzliche Sprung von der Nichtbesteuerung in die Besteuerung verhindert oder sehr weit hinausgeschoben wird.
Aber dann, meine Damen und Herren, bleibt es unverständlich, warum dieser Abzug von der Steuerschuld bis ganz oben durchgezogen wird. Es liegt doch nahe, daß gerade dieses Instrument, das die Übergangsbelastung beseitigen oder abschwächen will, auslaufen sollte. Wir jedenfalls möchten ernsthaft in die Debatte werfen, diesen 2 000-Mark-Betrag bei einer bestimmten Höhe auslaufen zu lassen und dafür den Steuerfreibetrag durchlaufen zu lassen; das würde uns logischer erscheinen. Wir sollten darüber vielleicht im Ausschuß sprechen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Vorlage der Regierung bewirkt nach vorläufigen Schätzungen — und über Schätzungen kann man sicherlich streiten —, daß nach 13 a neu ungefähr 570000 Betriebe erfaßt werden, daß in die Überschußrechnung 130 000 Betriebe hineinwachsen und in die Buchführung 140 000. Mir scheint, daß das bei der Struktur unserer Landwirtschaft keine unberechtigte Belastung ist; ich meine nicht nur Belastung in steuerlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die Arbeiten für die Erfassung und Aufbereitung von Belegen; denn immerhin bleibt noch der weitaus größte Teil nicht nur der Nebenerwerbsbetriebe, sondern auch der Vollerwerbsbetriebe außerhalb dieser Verpflichtungen.
Wir werden uns sicherlich über die Einzelheiten im Ausschuß unterhalten, und wir werden zusammen mit dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ein Hearing vorsehen. Da, Herr Kollege Schäuble, lassen sich ja mal Zahlen von der einen oder der anderen Seite vorlegen. Wir sind seitens der Freien Demokratischen Partei völlig unvoreingenommen und daher offen für Zahlenvergleiche. Wenn sie im Vergleich korrigiert werden müssen, dann müssen halt eben die einen oder anderen Zahlen aufeinander abgestimmt werden. Das können wir sicherlich im Hearing erfahren oder in den folgenden Beratungen abklären.
Die FDP geht davon aus, daß es im Interesse der Landwirtschaft liegt — und daher eigentlich aller Parteien —, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Gebot der Steuergerechtigkeit einerseits und den Notwendigkeiten einer im scharfen internationalen Wettbewerb stehenden preislimitierten Landwirtschaft andererseits zu finden. Ich meine, letztlich müssen daran Produzent und Konsument landwirtschaftlicher Erzeugnisse gleichermaßen interessiert sein.
In diesem Sinne stimmt die FDP der Überweisung der Vorlage an den Finanzausschuß, mitberatend an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zu.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818001200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ritz.




Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0818001300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser zweiten Runde soll der Versuch gemacht werden, den vorliegenden Gesetzentwurf zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Einkommensbesteuerung aus agrarpolitischer Perspektive zu beleuchten.
Ich sage vorweg, für uns — die CDU/CSU-Bundestagsfraktion — bleibt die Steuerpolitik ein Instrument der Agrarpolitik, wie dies im Landwirtschaftsgesetz zugrunde gelegt ist. Aber ich füge freimütig hinzu: Dies schließt ein, daß dort im geltenden recht notwendig Korrekturen vorzunehmen sind, wo Ungerechtigkeiten und Unausgewogenheiten entstanden sind. Ich sage dies bewußt am Anfang, weil ja immer so der Eindruck entstanden ist — auch durch die Einlassung von Herrn Gobrecht, auch etwa durch die Argumentationshilfe, die der Parlamentarische Staatssekretär seinen lieben Genossinnen und Genossen mit Datum vom 30. August an die Hand gegeben hat —, als seien wir grundsätzlich gegen alles. Nein, meine Damen und Herren, wir haben in dieser ganzen Diskussion erklärt, daß wir in diesem Grenzbereich zwischen buchführungspflichtigen und durchschnittsbesteuerten Betrieben in der Tat Korrekturen vornehmen müssen, weil hier zweifelsohne Ungerechtigkeiten und Unausgewogenheiten entstanden sind. Daran haben wir nie einen Zweifel gelassen, und ich will dies am Anfang deutlich wiederholen.
Nur, meine Damen und Herren, wer hat denn eigentlich in diesem Hause zehn Jahre die Mehrheit gestellt? Warum haben wir eigentlich nicht, wie bis 1969, durch gelegentliche ganz normale Anpassung der Wertansätze diese Ungerechtigkeiten korrigiert, diese Unausgewogenheiten ausgeglichen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich finde es nicht redlich — ich will das einmal sagen —, daß der sonst von mir so sehr geschätzte Kollege Schmidt (Gellersen) davon spricht, daß sich die Bauern wegen dieser Besteuerungsvergünstigungen schämen sollten, während er selber in den zehn Jahren aber nichts getan hat, um in diesem Grenzbereich die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er soll sich schämen!)

Hier stellt man doch die Dinge einfach auf den Kopf.
Es ist aber auch unstrittig — und darüber wird ebenfalls zu sprechen sein —, daß der vorgesehene Entwurf für die große Zahl der Nebenerwerbsbetriebe, der Zuerwerbsbetriebe und der kleinen und wirtschaftsschwachen Vollerwerbsbetriebe zusätzliche Belastungen im Rahmen der Durchschnittsbesteuerung vorsieht, die wir nicht für zumutbar halten.
Meine Damen und Herren, wer die leider oft von Neid und Mißgunst geprägte öffentliche Diskussion der letzten Monate, ja der letzten zwei Jahre zu diesem Thema verfolgt hat, der muß eigentlich — als Laie draußen — den Eindruck gewonnen haben, bei uns gäbe es nur Großbauern, die, mit Privilegien ausgestattet, in einem Steuerparadies lebten. Ich bin der Auffassung, daß nichts stärker an der Wirklichkeit der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland vorbeigeht als die Vermittlung solcher Eindrücke, wie sie weithin erfolgt ist.
Wie ist die Wirklichkeit unserer landwirtschaftlichen Struktur heute? Nach wie vor haben 75 % aller Betriebe weniger als 20 ha Land. 21 % haben 20 bis 50 ha, und nur 4 % haben über 50 ha.

(Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])

Wir sind der Meinung, daß die von uns gewollte steuerliche Entlastung für die kleinen Betriebe unverzichtbar war, um ihnen bei dem schwierigen strukturellen Anpassungsprozeß der letzten 20 Jahre zu helfen. Sie wird auch notwendig sein, um sie in den Stand zu setzen, die schwierigen Anpassungsprobleme von heute und morgen in der rechten Weise zu bewältigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818001400
Herr Abgeordneter Dr. Ritz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Oostergetelo?

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0818001500
Wenn die Zeit dafür nicht von meiner Redezeit abgeht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818001600
Sie wird abgezogen.

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0818001700
Dann tut es mir leid, Herr Kollege Oostergetelo.
Meine Damen und Herren, ich will mit allem Nachdruck klarmachen, daß es für uns im Bereich dieser großen Zahl von Neben- und Zuerwerbsbetrieben, von kleinen und wirtschaftsschwachen Vollerwerbsbetrieben unzumutbar erscheint, eine wesentlich stärkere Belastung so, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht, hinzunehmen.
Wie stellt sich dies im Alltag dar? Rund 50 % der landwirtschaftlichen Betriebe erwirtschaften nach dem Agrarbericht der Bundesregierung ein Einkommen unter dem sogenannten Standardbetriebseinkommen von 30 000 DM. Diese Betriebe haben im vergangenen Jahr einen Reingewinn von durchschnittlich 16 000 DM — im Jahr — erzielt. Nach Abzug der Nettoinvestitionen und der Sozialabgaben verblieben an verfügbarem Einkommen 10000 bis 12 000 DM im Jahr.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Hier kann ich nur fragen: Wer hat eigentlich den Mut, sich vor diese Bauern und ihre Familien zu stellen und zu sagen: Du bist ein Privilegierter, du lebst in einem Steuerparadies! Ich nicht, wir nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können diesen Betrieben, die dieses bescheidene Einkommen nicht bei einem Achtstundentag, sondern bei einem Zehn- bis Zwölfstundentag, nicht bei einer Fünftagewoche, sondern in der Regel bei einer Siebentagewoche, nicht mit einem Jahresurlaub erarbeiten,

(Zuruf von der SPD: Demagoge!)




Dr. Ritz
nur dankbar sein, daß sie aus Liebe zu ihrem Beruf mithelfen, daß wir lebens- und funktionsfähige ländliche Räume haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können ihnen nur dankbar sein, daß sie durch ihre beachtliche Investitionsbereitschaft, die oft nur durch Konsumverzicht möglich war, dazu beigetragen haben, daß die konjunkturellen Einbrüche in den ländlichen Räumen in den letzten zehn Jahren nicht tiefer ausgefallen sind.

(Kiechle [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir können nicht zulassen, daß diese Betriebe unter diesem großen Leitbegriff „Gerechtigkeit und Ausgewogenheit" jetzt mehr belastet werden sollen, als dies bisher der Fall gewesen ist.
Um das noch einmal ganz klar zu sagen: Im Grenzbereich brauchen wir Korrekturen. Wir werden dazu unsere notwendigen Änderungsanträge in die Beratungen einbringen.
Allerdings — dies muß ich doch sagen, Herr Kollege Gobrecht — machen Sie natürlich die anstehenden Verhandlungen schwer, wenn Sie sich in der ersten Lesung hier hinstellen und sagen: entweder so, wie es jetzt hier steht, und zwar mit Punkt und Komma, oder — nun kommt der große Knüppel — es geht vor das Verfassungsgericht. Ich finde, die Haltung, die Frau Kollegin Funcke eingenommen hat, ist sehr viel fairer. Sie hat angedeutet, daß es Punkte gibt, die in den Beratungen einer Korrektur bedürfen.
Nun ist es leider so, daß Argumente der Opposition Sie in der jüngsten Vergangenheit nicht beeinflußt haben und nicht einmal nachdenklich stimmen konnten. Vielleicht stimmt es Sie aber nachdenklich, wenn ich Ihnen sage, daß die wenigen Bewertungen, die ich hier vorgenommen habe, im Grunde vollinhaltlich dem entsprechen, was der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bis zur Einigung in der Regierungskoalition selber — und zwar öffentlich — vertreten hat.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Was heißt „Einigung"? Bis zum Umfall!)

Ich meine, dies sollte uns doch nachdenklich stimmen. Es sollte uns nicht dazu führen, von vornherein zu sagen: entweder so mit Punkt und Komma — oder gar nicht. Es sollte uns vielmehr in der Tat in die Lage versetzen, die Änderungsanträge, die wir einbringen werden, kritisch zu prüfen und nach einem Weg zu suchen, der diesen Grundsätzen, die ich hier darzustellen versucht habe, gerecht wird.
Ich will diese Grundsätze noch einmal zusammenfassen. Erstens. Die Steuerpolitik ist und bleibt für uns ein Instrument der Agrarpolitik. Steuerliche Entlastungen — dies bekennen wir offen — im Bereich der Neben- und Zuerwerbsbetriebe, der vielen schwachen kleinen und mittleren Vollerwerbsbetriebe sind gewollt. Sie liegen auch im wohlverstandenen Interesse des ländlichen Raums insgesamt sowie der Bewahrung und Erhaltung von Kultur und Landschaft im ländlichen Lebensraum.
Zweitens. Die im Grenzbereich zwischen Buchführung und Durchschnittssatzbesteuerung aufgetretenen Ungleichgewichte sind im Interesse von
Steuergerechtigkeit und Ausgewogenheit durch Anpassung der Wertansätze im geltenden § 13 a des Einkommensteuergesetzes zu beseitigen. Dies entspricht auch nach unserem Verständnis dem Verfassungsgebot.
Drittens. Eine Neuregelung der landwirtschaftlichen Einkommensbesteuerung darf die Wettbewerbsbedingungen in der Europäischen Gemeinschaft nicht aus dem Auge verlieren. Dazu hat auch mein Kollege Schäuble schon Entsprechendes gesagt.
Wir werden einer Neuregelung im Bereich der Einkommensbesteuerung der Landwirtschaft nicht im Wege stehen. An uns wird sie nicht scheitern. Diese Neuregelung muß sich aber an dem Grundsatz von mehr Gerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft

(Kühbacher [SPD]: Na also!)

und an der relativen Einfachheit der Gewinnermittlung messen lassen. Wir müssen außerdem darauf achten, daß die Landwirte in ihrem schwierigen strukturellen Anpassungsprozeß auch künftig unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818001800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller (Schweinfurt).

Rudolf Müller (SPD):
Rede ID: ID0818001900
Herr Präsidentl Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Landwirtschaft war die Besteuerung immer anders als bei anderen Steuerzahlern oder auch in anderen Wirtschaftszweigen oder bei anderen Gruppen. Der Gewinn wurde immer nach mehr oder weniger fiktiven Durchschnittssätzen berechnet. 1964 wurde deshalb die aus dem Jahre 1949 stammende VOL für verfassungswidrig erklärt, weil die danach ermittelten Gewinne in gar keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Einkünften standen. § 13a des Einkommensteuergesetzes ist aus den gleichen Gründen vermutlich verfassungswidrig.
Herr Kollege, Sie haben gerade den Vorwurf gemacht, es sei nichts passiert. Fügen Sie doch ehrlich hinzu: Sie waren froh, daß nichts passiert ist, Herr Kollege Ritz. Tun Sie nicht so, als hätten Sie eine Änderung gewollt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Ritz [CDU/CSU])

Wir wissen doch, daß in dieser Angelegenheit auch ein Lernprozeß notwendig war. Tun Sie nicht so, als wären die kleinen Betriebe benachteiligt gewesen. In Wirklichkeit hatten die großen Betriebe und nicht die kleinen den Vorteil.

(Zustimmung bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Die Praxis sieht doch so aus, daß in der öffentlichen Argumentation die kleinen Betriebe in diesem Zusammenhang in vielen Fällen vor die Karren der großen gespannt werden.
Wir können die Diskussion über diese Änderung auf guter Grundlage führen. Vom BMF und BML wurde eine Wissenschaftskommission eingesetzt, die sehr gute Arbeit geleistet hat. Ihr gebührt Lob und Dank.



Müller (Schweinfurt)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, problematischer Punkt der derzeitigen Regelung ist, daß die Verpflichtung der Landwirte zur Buchführung bei einem fiktiven Einkommen von 15 000 DM, welches nach Ansätzen des § 13 a ermittelt wird, einsetzt. So ermittelte landwirtschaftliche Einkünfte erreichen im Durchschnitt nur ein Viertel des tatsächlich erwirtschafteten Einkommens. Dadurch entstehen Fälle, daß Landwirte mit einem tatsächlichen Einkommen von 30 000 bis 40 000 DM über der Buchführungspflichtschwelle von 15 000 DM Gewinn liegen, während andere Landwirte mit Einkünften von 60 000 bis 70 000 DM nach der Durchschnittsatzermittlung diese 15 000-DM-Schwelle jedoch nicht erreichen. Ungerechter kann eine Besteuerung gar nicht sein.
Herr Dr. Schäuble, Sie haben vorhin Frankreich erwähnt. Ich bin der Meinung, wenn das bei uns ungerecht ist, Herr Dr. Schäuble, dann ist es sicher auch in Frankreich ungerecht. Nur: Es ist nicht unsere Aufgabe, den Franzosen zu sagen, daß sie das ändern sollen. Aber ich bin der Ansicht, daß es unsere Pflicht ist, diese Ungerechtigkeit bei uns abzubauen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Schäuble, wir brauchen uns darüber doch gar nicht zu streiten. Sie wissen genau so gut wie ich, daß die Landwirte selber sehr unzufrieden sind, und zwar Landwirte, deren Betriebe unmittelbar nebeneinander liegen.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Deswegen wollen Sie jetzt die Wettbewerbssituation verschlechtern!)

Ich will auf Vergleiche mit Steuerzahlern in anderen Wirtschaftszweigen gar nicht eingehen. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Aber wir sind uns ja im großen und ganzen einig, daß einiges geändert werden muß. Über die Art und Weise und darüber, wie weit und mit welchen Konsequenzen das geschehen soll, gehen die Meinungen auseinander. Darüber werden wir in den beteiligten Ausschüssen auch ausführlich diskutieren.
Ich möchte nun noch zusätzlich auf einige Argumente und Scheinargumente eingehen, die gegen diesen Gesetzentwurf vorgebracht werden. Herr Dr. Schäuble, Sie haben vorhin auch wieder so getan, als sollten nun die kleinen Betriebe herangezogen werden. Wie sieht es denn nun in Wirklichkeit aus? Nach diesem Gesetzentwurf — wir haben über 800 000 landwirtschaftliche Betriebe — wird der Gewinn in Zukunft bei ungefähr 570000 Betrieben — das sind mehr als zwei Drittel — bis zu einer ungefähren Betriebsgröße von 20 ha im Durchschnitt wie bisher nach Durchschnittsätzen ermittelt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es wird noch zu beweisen sein, ob das stimmt!)

Es ist also unsinnig, hier ein Schreckgespenst an die Wand zu malen. Es ist unsinnig, hier durch Falschinformationen draußen Emotionen zu wecken.

(Sehr wahr! bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Es wird zum anderen das Argument vorgebracht, die Landwirtschaft werde durch zusätzliche Schreibarbeit überlastet, während die Arbeitszeit der übrigen Arbeitnehmer im Verhältnis ständig abnehme. Der Landwirt ist auch ein Selbständiger, und wir
wollen, daß er selbständig bleibt; wir wollen ihn auch selbständig erhalten. Aber wenn man Vergleiche anstellt, dann muß man eben Gewerbebetriebe oder Handwerksbetriebe heranziehen. So ist doch die Situation! Diese leisten sicher auch nicht weniger Arbeit. Von einem 8-Stunden-Tag ist dort nicht die Rede. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Selbständigkeit hat auch ihren Preis. Das wissen wir, und wir sind trotzdem froh, daß viele selbständig bleiben. Die Landwirte sind auch bereit, diesen Preis für die Selbständigkeit zu bezahlen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818002000
Herr Abgeordneter Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Rudolf Müller (SPD):
Rede ID: ID0818002100
Es tut mir leid, aber das wird mir von der Redezeit abgerechnet. Sonst würde ich gerne eine Zusatzfrage zulassen.
Es kommt noch ein Punkt hinzu. Es wird auch immer so getan, als wäre die Arbeitszeit innerhalb der Landwirtschaft gleich. Das stimmt doch genausowenig. Ich will gar nicht auf die Jahreszeiten eingehen, aber denken Sie an Getreidebau, Viehzucht usw. Das sind nur zwei Beispiele. Ich will das gar nicht vertiefen.
Ein Einwand, der auch immer vorgebracht wird und den man draußen hört, lautet, die Landwirtschaft sei nicht fähig, dieser komplizierten Aufzeichnungs- oder Buchführungspflicht zu genügen. Ich glaube, damit leistet man der Landwirtschaft einen sehr, sehr schlechten Dienst; denn gerade die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren ist ein gutes Beispiel dafür, daß das einfach nicht stimmt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es geht um die Arbeitsbelastung!)

Ich persönlich kann mir eine moderne Landwirtschaft ohne Buchführung gar nicht vorstellen.

(Dr. Spöri [SPD]: Sehr richtig!)

Die Landwirte führen doch Bücher. Sie wollen nur nicht, daß diese Aufzeichnungen als Grundlage zur Besteuerung dienen. Deshalb wollen sie lieber eine Schätzung. Deshalb wollen sie lieber, wenn es geht, nach § 13a behandelt werden. Die Gründe kennen wir. Ich muß hinzufügen: Wir haben dafür selbstverständlich auch Verständnis, weil das eben so möglich ist.
Ich komme zu § 1 des Landwirtschaftsgesetzes, den vorhin auch Kollege Dr. Ritz und Herr Dr. Schäuble mit angesprochen haben. Die beiden Redner haben gesagt, er sei ein Instrument der Agrarpolitik. Dem kann ich zustimmen; das steht auch so im Gesetz. Ich kann mir aber nicht vorstellen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß bei der damaligen Beratung des Landwirtschaftsgesetzes gewollt war, das Ziel der Teilhabe der Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommensentwicklung dadurch zu erreichen, daß man bei dem einen Betrieb ein Viertel des Gewinns erfaßt, bei dem anderen Betrieb, der unter denselben Voraussetzungen produziert, eventuell sogar daneben liegt, nur ein Sechstel. Das kann ich mir nicht vorstellen.
Über Freibeträge, Sonderabschreibungen und dergleichen kann man durchaus reden. Das ist auch



Müller (Schweinfurt)

verständlich. Eine Regelung kann aber nicht durch solche innerlandwirtschaftlichen Ungerechtigkeiten herbeigeführt werden.
Es gibt weiter die Meinung, man sollte es so lassen, wie es ist. Es ist vorhin darauf eingegangen worden, welche Konsequenzen das nach sich ziehen könnte, wenn dann nämlich das Bundesverfassungsgericht aktiv wird. Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist dieser Gesetzentwurf ein tragbarer Kompromiß. Wir sollten ihn zügig, aber auch sorgfältig beraten; damit er bald in Kraft treten kann.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818002200
Bevor ich das Wort weitergebe, darf ich eine Delegation des Bayerischen Landtags, also Mitglieder des Bayerischen Landtags, auf der Diplomatenbühne recht herzlich begrüßen.

(Beifall)

Ich heiße ebenso herzlich Mitglieder des Bayerischen Senats willkommen.

(Beifall)

Das Wort hat der Abgeordnete Paintner.

Johann Paintner (FDP):
Rede ID: ID0818002300
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich richtig, daß jeder Gesetzentwurf seine Vorgeschichte hat; insofern möchte ich dem Kollegen Schäuble recht geben. Die Vorgeschichte ist, daß die Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft von vielen Bürgern in diesem Lande gewollt ist, denn viele Bürger waren bis jetzt über diese Besteuerung etwas ungehalten und mit ihr unzufrieden.
Es muß hier auch gesagt werden, daß es nicht nur die Bürger in diesem Lande waren, sondern auch die Landwirte selber, die über diese Besteuerung verärgert waren. Es waren sowohl der Bauernverband als auch sämtliche Parteien — CDU/CSU, SPD und wir —, die dazu aufgerufen haben, hier etwas zu ändern. Es war letzten Endes das niedersächsische Finanzgericht, das den Anlaß gegeben hat, dieses Einkommensteuergesetz im Hinblick auf die Land- und Forstwirtschaft zu ändern.
Die Vorgeschichte sieht aber nicht so aus, wie Herr Schäuble sie dargestellt hat, sondern so, wie ich es eben ausführte.

(Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])

Der Hauptkernpunkt dieser Änderung liegt in der Herbeiführung der Steuergerechtigkeit, die wir alle wollen.

(Abg. Dr. Schäuble [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Sie wissen, daß die Zeit knapp ist.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Ich wollte Ihnen nur sagen, daß der Beschluß des niedersächsischen Finanzgerichts vom 13. Oktober 1978 ist! Nur für Ihre Historie!)

— Selbstverständlich, das brauchen Sie mir nicht zu sagen, das weiß ich selbst.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Dann haben Sie bewußt die Unwahrheit gesagt!)

Aber nun zur Steuergerechtigkeit. Hier muß doch klar gesagt werden, was wir wollen. Es muß klar gesagt werden, daß auch die agrarpolitische Lösung einbezogen werden muß. Wenn Sie, Herr Ritz, mit uns diese Veränderung wollen, wenn Sie mit uns in diese Richtung

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Nein, die nicht!)

zu mehr Steuergerechtigkeit marschieren wollen, dann können Sie nicht auf der anderen Seite sagen, es tue Ihnen leid, daß die Bundesregierung es nicht schon längst getan hat. Sie können auch nicht hingehen und draußen mit Polemik und Bedauern sagen, daß die Bauern nun mehr Steuern zahlen müssen, und im gleichen Atemzuge hier zum Ausdruck bringen, daß es Ihnen leid tut, daß dies nicht schon längst geschehen ist.

(Beifall bei der FDP — Zuruf von der CDU/ CSU: Anpassen!)

Ich meine, dies sei Doppelzüngigkeit, der hier nicht Raum gegeben werden sollte.
Meine Damen und Herren, ich verfolge mit großem Interesse in der deutschen Presse die sehr lebhafte Diskussion über die vorgesehene Neuregelung der Besteuerung der landwirtschaftlichen Einkommen. Der eine, zahlenmäßig größere Teil der Kommentatoren neigt der Ansicht zu, der Gesetzentwurf sei für die Landwirtschaft zu günstig ausgefallen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da erhebt sich die Frage, welche Presse Sie lesen!)

An ihrer einkommensteuerlichen Vorzugsstellung gegenüber den Nichtlandwirten ändere sich zu wenig. Daneben werden aber auch Auffassungen vertreten, wonach man zu hohe steuerliche Belastungen auf die Landwirte zukommen sieht. Diese beiden in der Presse vertretenen Positionen, nämlich zu günstig bzw. zu nachteilig für die Landwirtschaft, sind in meinen Augen ein deutlicher Beweis für die Ausgewogenheit der Konzeption, des Vorschlags der Bundesregierung, die die Kirche immerhin im Dorf beläßt und eine vernünftige Linie vorschlägt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber ihr wolltet doch etwas anderes! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber sehr billig!)

Der Gesetzentwurf ist in erster Linie darauf ausgerichtet, innerhalb der Landwirtschaft die einkommensteuerliche Gerechtigkeit ganz entscheidend zu verbessern.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Bei Lichte besehen läßt sich aber die wesentlich verbesserte Steuergerechtigkeit nur dadurch herbeiführen, daß vor allem

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Alle mehr zahlen!)




Paintner
im Bereich derjenigen Betriebe, die infolge zu niedriger Gewinnansätze bisher überhaupt keine oder nur sehr wenig Einkommensteuer zu zahlen hatten und die gegenüber den buchführungspflichtigen Landwirten in besonderem Maße begünstigt waren, Korrekturen vorgenommen werden.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Sie wollen doch mehr Steuern!)

Dieses Konzept ist im Gesetzentwurf verwirklicht worden.
Gleichzeitig ist aber vorgesehen — dabei folgt der Entwurf einer Anregung des Professorengutachtens —, die allgemeinen Freibeträge erheblich aufzustocken und denjenigen Betrieben, die unter die Bestimmungen der Überschußrechnung oder der vollen Buchführungspflicht fallen, zusätzlich einen Steuerabzugsbetrag zu gewähren. Ich wundere mich, daß gerade hier, obgleich dieser Steuerabzugsbetrag doch für viele Landwirte sehr hilfreich ist, von Ihnen Bedenken angemeldet werden. Mit Hilfe dieses differenzierten Instrumentariums wurde es möglich, die steuerliche Mehrbelastung per saldo sehr maßvoll zu gestalten.
Die Agrarpolitik kann auch in Zukunft nicht darauf verzichten, die Steuerpolitik in ihren Dienst zu stellen. Steuerliche Entlastungen sind nicht nur aus technischen Gründen geboten, um den Belastungssprung von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zur Gewinnermittlung auf Grund von Aufzeichnungen abzumildern; steuerliche Entlastungen sind vor allem geboten, um die Wettbewerbsstellung unserer Landwirtschaft international sicherzustellen und die mittelständischen Existenzen zu erhalten, ferner zur Förderung eines breitgestreuten Eigentums.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie wollen aber doch eine Steuererhöhung!)

Dies alles wird — ich messe dem agrarpolitisch einen hohen Stellenwert bei — in der Regierungsvorlage nunmehr in klarer und unmißverständlicher Form zum Ausdruck gebracht.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Außerdem wurden die Steuerentlastungen, wie es das Professoren-Gutachten fordert, transparent gemacht. Somit dürften Zweifel, die in der öffentlichen Diskussion wegen der nicht immer plausiblen Subventionswirkung des bisherigen § 13 a zu hören waren, ausgeräumt sein. Lassen Sie es mich so formulieren: Die auf der Grundlage dieses Gesetzes künftig zu gewährenden Subventionen sind von politisch besserer Qualität.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818002400
Herr Abgeordneter, es wird noch einmal der Versuch unternommen, zu einer Zwischenfrage zu kommen. Gestatten Sie das?

Johann Paintner (FDP):
Rede ID: ID0818002500
Nein.
In dem derzeit geltenden Einkommensteuerrecht werden die Sonderkulturen, zu denen beispielsweise Hopfenanbau, Weinbau und Obstanbau zählen, im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Betriebszweigen etwas stiefmütterlich behandelt. Sieht man von Bagatellflächen bis zu einem Wirtschaftswert von 4 000 DM einmal ab, die unter die
Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen fallen, so ist der Gewinn aus Sonderkulturen in voller Höhe der Einkommensteuer zu unterwerfen. Nunmehr ist vorgesehen, auch Sonderkulturen steuerlich generell zu entlasten. Aus technischen Gründen soll das bei reinen Sonderkulturbetrieben in Form eines Abzugs von der Steuerschuld erfolgen, während bei Gemischbetrieben, die Flächen mit allgemeiner Landwirtschaft und Sonderkulturen nebeneinander bewirtschaften, ein spezieller Gewinnfreibetrag eingeführt wird. Unabhängig davon, ob mit Blick auf bestimmte Sonderfälle bei Gemischtbetrieben noch eine Prüfung angezeigt erscheint oder nicht: Beide Varianten führen in aller Regel zu einer einkommensteuerlichen Besserstellung der Bewirtschafter von Sonderkulturen im Vergleich zum derzeitigen Stand.
Meine Damen und Herren, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts führte in diesen Tagen, wie Pressemeldungen zu entnehmen war, Klage darüber, die Politiker handelten zu halbherzig und überließen in zu starkem Maße die Lösung schwieriger Probleme den Richtern in Karlsruhe. Ohne auf diese Äußerung weiter einzugehen, darf ich folgendes feststellen: Die Bundesregierung ist mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs ihrer Pflicht nachgekommen, auch in einer politisch schwierigen Sache einen sehr ausgewogenen und verfassungsrechtlich nicht anfechtbaren Regelungsvorschlag zu unterbreiten. Ich bitte Sie darum, es diesem Gesetz zu ersparen, sich eines Tages auf dem Schreibtisch der Karlsruher Verfassungsrichter wiederzufinden.

(Kühbacher [SPD]: Das würde gar nicht schaden!)

Meine Damen und Herren, es ist hier die Rede davon gewesen, daß die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe dann, wenn dies zum Tragen komme, zusätzlich belastet würden

(Dr. Jobst [CDU/CDU]: So ist es! — Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Mit mehr als 100 %!)

und daß bei einer „Schuhkartonregelung" Betriebe erfaßt würden, die nicht in der Lage seien, die Sammlung der Belege bzw. die Buchführung selber vorzunehmen. Wer dies sagt, beleidigt die deutsche Landwirtschaft, beleidigt den deutschen Bauer.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Denn es ist beileibe so, daß jeder junge und auch ältere Landwirt heute Buchführung machen könnte. Es ist nur so, daß eben diese 500 000 Betriebe, die nun durch die Sonderregelung zusätzlich wieder befreit werden, eine zusätzliche Belastung für das Finanzamt wären, und nicht so, daß die Landwirte nicht fähig sind, die für die Buchführung entsprechenden Aufzeichnungen vorzunehmen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CDU]: Wann machen sie es denn? Am Sonntag vormittag und Sonntag mittag! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU — Kühbacher [SPD]: Die Interessen von 500 000 werden vorgeschoben, um die Interessen von 200 000 abzuwehren!)




Paintner
— Es ist sehr wichtig, daß wir hier eine Regelung schaffen, die vor dem Verfassungsgericht standhält.

(Niegel [CDU/CSU]: Sie haben wohl Angst vor dem Verfassungsgericht!)

Ich bedanke mich nochmals und ausschließlich bei der Regierung, deren Minister im Kabinett erklärt haben, daß sie Einkommen nicht wegsteuern, sondern daß sie diese Regelung einkommensneutral machen wollen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Da lachen ja die Hühner! — Niegel [CDU/CSU]: Der glaubt noch an Märchen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Ich glaube, dies ist von besonderer Bedeutung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Er glaubt noch an Märchen!)

Ich bedanke mich und darf sagen, daß sich meine Fraktion in den Beratungen mit diesen Dingen noch eingehend befassen wird.

(Beifall der FDP und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818002600
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Böhme.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0818002700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen der Kollegen Schäuble und Ritz zu diesem Thema bitte ich für die Bundesregierung darum, hier noch einmal Stellung nehmen zu können, weil die Ausführungen der Kollegen von der CDU/CSU keine sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema geboten haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: Weil sie gesessen haben!)

sondern mehr eine Wahlrede in Richtung Landwirtschaft waren. Dabei wurde die Sachlage vernebelt, falsch dargestellt und falsch beurteilt,

(Beifall bei der SPD und der FDP)

und zwar nach dem alten Anglertrick, das Wasser künstlich trübe zu machen, um dann die Fische besser fangen zu können.

(Zustimmung bei der SPD)

Wie ist die Situation innerhalb der Landwirtschaft, wie die der Landwirtschaft im Vergleich zu anderen Gruppen? Das läßt sich mit ganz wenigen Sätzen so darstellen, daß es draußen im Volk jeder versteht und daß unmittelbar klar wird, daß die jetzige Situation der Landwirtschaftsbesteuerung unhaltbar ist. Im Blick auf andere Gruppen ist diese Art der Besteuerung ungerecht. Während Gewerbetreibende und Arbeitnehmer voll besteuert werden, ist hier quasi ein Freigarten geschaffen worden, in dem eine Besteuerung überhaupt nicht mehr stattfindet. Dies muß geändert werden!

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der nächste Punkt ist — und er ist der entscheidende —, daß innerhalb der Land- und Forstwirt-
schaft große Ungerechtigkeiten bestehen. Je größer ein Betrieb ist, desto größer ist auch die steuerliche Entlastung. Es geht bei diesem Steuersystem nach dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich kann Ihnen das mit Zahlen belegen. Ein Betrieb mit 5 bis 10 ha hat — wenn er ihn durch Buchführung ermitteln würde — im Durchschnitt einen Gewinn von 11 000 DM. Nach dem gegenwärtigen System der Durchschnittsgewinnermittlung zahlt er keine Steuern. Ein Betrieb mit 40 bis 50 ha hat aber — wenn er Buchführung durchführen würde — einen tatsächlichen Gewinn von etwa 45 000 DM. Auch dieser Betrieb zahlt nach dem jetzigen System keine Steuern.

(Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

Genau dies ist der Punkt: Je größer ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb ist, desto größer ist auch die steuerliche Entlastung. Ich habe viele Gespräche mit Bauernverbänden und mit Landwirten geführt; sie sehen selber ein, daß die Situation so, wie sie sich im Moment darstellt, unhaltbar ist.
Ein weiteres müßten auch Sie, Herr Schäuble, wissen, da wir aus derselben Ecke kommen: daß die Landwirte im Bereich der Sonderkulturen — die Winzer, die Gärtner, die Tabakbauern, die Hopfenbauern, die Spargelbauern usw. — an dem jetzigen System der Durchschnittsatzbesteuerung in der Regel überhaupt nicht teilnehmen. Das heißt, sie zahlen voll die Steuern. Dies ist der nächste Punkt, der es notwendig macht, das System umzustellen.
Der weitere Punkt ist, daß soziale Leistungen zum Teil nach der Bemessungsgrundlage bei der Einkommensteuer gewährt werden. Da haben wir Fälle, in denen ein Landwirt, der nach den Segnungen der Durchschnittsgewinnermittlung keine Steuern zahlt, weil er nach diesem System praktisch nichts aufzuweisen hat, noch BAföG und Sparförderung bekommt, während dem Arbeitnehmer, der daneben wohnt, gesagt wird: Du hast soundso viel an Einkommen, deswegen bekommst du kein BAföG für dein Kind, du bekommst keine Sparprämie. Das ist ein unmöglicher Zustand!

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der SPD: Das ist die Gerechtigkeit der CDU!)

Meine Damen und Herren, deswegen hat das niedersächsische Finanzgericht — es war nicht die Bundesregierung — im Oktober letzten Jahres einen Vorlagebeschluß an das Bundesverfassungsgericht gefaßt, und zwar mit dem Petitum, das jetzige System der Durchschnittsgewinnermittlung für verfassungswidrig zu erklären. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus, aber es wäre eine böse Sache, wenn das jetzige System der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen und der entsprechenden Bauernbesteuerung insgesamt für verfassungswidrig erklärt werden müßte. Deswegen war es richtig und notwendig, daß die Bundesregierung jetzt die Initiative ergriffen hat und diese neue Systematik bei der Landwirtschaftsbesteuerung einführen will.

(Beifall bei der FDP und der SPD)




Parl. Staatssekretär Dr. Böhme
Ich möchte noch ein Wort hinzufügen. Wir führen nach der Vorlage das Drei-Stufen-System ein. Das bedeutet im Klartext, daß für die Masse der Landwirte mit bis zu 20 ha das System der Durchschnittsgewinnermittlung, wenn auch mit angepaßten Sätzen, erhalten bleibt; denn wir wollen nicht, daß die kleinen Betriebe mit einer Bürokratie für das Finanzamt überzogen werden. Ich habe allen Landwirten gesagt und sage es hier vor diesem Forum im Bundestag: Die kleinen Betriebe haben nichts zu befürchten. Da gibt es keine Bürokratie, keine Zettelwirtschaft; das System bleibt erhalten. Lassen wir uns nicht nervös machen! Vor allen Dingen bitte ich darum, daß sich die kleinen Landwirte nicht vor den Karren der großen Landwirte spannen lassen. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Für die Gruppe der Landwirte mit 20 bis 30 ha wollen wir eine Zwischengruppe schaffen, die künftig diese vereinfachte Buchführung machen soll; aber dies ist keine neue Bauernsteuer, wie es gesagt worden ist, sondern dies ist eine vereinfachte Form der Buchführung, die es für alle und insbesondere für freie Berufe schon jetzt gibt. Dies gibt es z. B. für den berühmten kleinen Tante-Emma-Laden und den Kioskbesitzer. All diesen wird die vereinfachte Buchführung zugemutet. Aber auch den Sonderkulturen, also z. B. den Winzern, wird zur Zeit zugemutet, eine vereinfachte Buchführung durchzuführen. Warum soll dies nicht auch für Betriebe ab 20 ha gelten können? Ich sehe das nicht ein.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen war es ein Gebot der Gerechtigkeit, diese Zwischengruppe neu in das System der vereinfachten Buchführung einzuführen.
Wir haben uns große Mühe gegeben, um in den Gesprächen zwischen den Ressorts, in den Vorgesprächen mit den Bauernverbänden hier zu einer Lösung zu kommen, die der. besonderen Lage der Landwirtschaft Rechnung trägt und deren Probleme sieht. Wir haben auch Kompromisse geschlossen. Die Lösung, die jetzt auf dem Tisch liegt, rechtfertigt nicht eine solche Beurteilung, wie sie in den zwei Reden der Kollegen Ritz und Schäuble hier vorgetragen wurde. Das ist eine Vernebelung des wahren Sachverhaltes, und dagegen möchte ich mich in aller Form verwahren.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Kiechle [CDU/CSU]: Das ist Bauernfängerei!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818002800
Nachdem die Bundesregierung entgegen der interfraktionellen Absprache das Wort genommen hat,

(Zuruf von der CDU/CSU: Und was für ein Wort!)

steht dem Bundestag selbstverständlich das Recht zu, die Debatte fortzusetzen. Ich hoffe, daß wir uns einigermaßen an den Zeitplan halten können. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schäuble.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID0818002900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur wenige Sätze anfügen. Vielleicht war es ganz gut, daß Herr Staatssekretär Böhme hier gesprochen hat.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Denn die klassenkämpferischen Zielsetzungen, die Sie mit diesem Entwurf verfolgen, sind in der Art wie Sie gesprochen haben, Herr Böhme, so deutlich geworden. Der Herr Bundesfinanzminister hat es sehr moderat gemacht, aber Sie, Herr Böhme, haben sich ziemlich demaskiert.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Es ist wichtig, daß wir wissen, was hier wirklich gespielt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Böhme, Sie führen Gespräche, etwa mit dem badischen landwirtschaftlichen Hauptverband, und da machen Sie alle möglichen Andeutungen und Zusagen. Ich hoffe, daß Ihre Gesprächspartner Ihren Auftritt soeben verfolgt haben, damit sie sehen, wie das im kleinen Kreis dargestellt wird und wie Sie die Dinge jetzt nach außen hin polemisch verzerrt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im übrigen haben Sie nicht zugehört.

(Wehner [SPD]: Aber Sie!)

Diese Eigenschaft legen Sie häufig an den Tag. Sonst hätten Sie sehr genau gehört, daß Herr Ritz und ich ausdrücklich gesagt haben: Wir wollen mehr Steuergerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft herbeiführen, wir wollen daran mitwirken. Dazu gehört es, daß man die heutigen Ungerechtigkeiten, gerade beiden Betrieben mit Sonderkulturen und bei den kleineren Betrieben, beseitigt. Ich habe das angesprochen und gesagt: Wenn wir die Wertansätze in § 13 a entsprechend differenziert fortschreiben, können wir dieses Problem lösen. Also reden Sie bitte nicht bei den Verbänden so und hier das Gegenteil!
Herr Kollege Paintner, einen Satz muß ich Ihnen sagen. Von uns hat niemand gesagt, die Inhaber kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe seien nicht in der Lage, den Buchführungspflichten nachzukommen. Wir haben nur gesagt: Das ist den kleinen Betrieben nicht zumutbar. Das ist etwas völlig anderes, und Ihre Empörung und Ereiferung waren in diesem Zusammenhang überflüssig.
Schließlich muß ich etwas richtigstellen, was von den beiden letzten Rednern völlig falsch dargestellt worden ist. Das niedersächsische Finanzgericht hat diese Diskussion nicht ausgelöst. Es hat seinen Vorlagebeschluß am 18. Oktober des vergangenen Jahres getroffen. Deshalb können Sie nicht sagen, daß die Diskussion, die seit dem Frühjahr 1977 stattfindet — das ist der Zeitpunkt der Einsetzung der Kommission —, durch einen Beschluß eines Gerichtes vom Oktober des vergangenen Jahres verursacht worden ist. Sie brauchen offenbar ein Alibi, weil Ihnen unwohl ist und weil Sie an das Börner-Papier und die Koalitionsabsprachen, die Sie in der Regierungserklärung verheimlicht haben, nicht gern erinnert werden wollen.

(Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])




Dr. Schäuble
Wir möchten, daß die Dinge offen genannt werden.
Ich finde, wir haben die Debatte heute morgen ganz sachlich begonnen. Herr Böhme, wenn Sie ein Interesse daran haben, daß im Finanzausschuß, wie der Finanzminister gesagt hat, konstruktiv beraten wird, dann sollten Sie den Ton und den Stil, die Sie soeben an den Tag gelegt haben, für die Zukunft möglichst vergessen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818003000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kühbacher.

(Kiechle [CDU/CSU]: Das ist der, der schneller redet als denkt! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID0818003100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten die Diskussion so sachlich fortführen, wie sie begonnen hat und die Demagogik draußen lassen. Über das Thema, über das wir hier reden, ist in jedem Dorf täglich gesprochen worden. Wir glauben nicht, daß die Diskussion im Bundestag so ausgelegt werden kann, als sei hier etwa tatsächlich beabsichtigt, 800 000 Bauern zuzumuten, künftig jeden Abend komplizierte Buchführungsarbeit zu machen.
Herr Kollege Kiechle, Sie wisen ganz genau wie ich, daß von den 843 000 bäuerlichen Betrieben von der jetzigen Regierungsvorlage 570 000 Betriebe überhaupt nicht betroffen werden. Das wollen wir und unterstützen wir. 570 000 Betriebe werden nicht Buch führen müssen. Das sollten Sie einmal anerkennen. Sie sollten nicht, wie es der Herr Kollege Ritz getan hat, diese 570 000 Betriebe aufhetzen, um die Interessen derer, die nicht Steuern zahlen, zu vertreten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Woher haben Sie diese Zahl denn überhaupt?)

Das ist der eine Punkt, der gesagt werden muß.
Dazwischen werden wir natürlich zu der Frage der Aufzeichnungspflicht einige betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte, die ohnehin erfaßt werden, benutzen, um die Aufzeichnung für die Steuer zu bekommen.
Hier muß doch einmal gefragt werden: Was wird denn hier verlangt? Hier wird verlangt, daß auf der Einnahmenseite aufgeschrieben wird und auf der Ausgabenseite Belege aufbewahrt werden. Das ist doch nichts anderes als das, was jeder Arbeitnehmer jährlich machen muß, wenn er seinen Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich einreicht. Nichts anderes passiert hier.

(Zustimmung bei der SPD und der FDP)

Und das soll diesen Betrieben, die bis zu 40 000, 50000 DM Gewinn erzielen, nicht zumutbar sein? Und sollen sie deswegen, weil es angeblich nicht zumutbar ist, keine Steuern zahlen? Das kann man doch niemandem mehr erklären. Um diesen Grenzbereich, Herr Kollege Kiechle, geht es.
Es muß auch in der Landwirtschaft deutlich werden, daß in einem Dorf der eine Bauer voll Steuern
zahlt, weil er Sonderkulturen hat und Buch führen muß, während der andere, der unter § 13 a fällt und entsprechende Gewinne macht, keine Steuern zahlt. Diese Ungerechtigkeit in den Dörfern muß beseitigt werden. Dazu sind wir aufgerufen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Diskussion, hier werde die Landwirtschaft ausgepreßt, können wir nicht hinnehmen. Jedem Arbeitnehmer ist, wenn er seinen Lohn bekommt, die Lohnsteuer bereits abgezogen worden. Von jeder Mark, die er verdient, zahlt er Steuern. Diesem Arbeitnehmer müssen wir begreiflich machen, daß es nicht so weitergeht, daß in der Landwirtschaft 100 verdiente Mark bei bestimmten Betrieben steuerfrei bleiben. Dies muß dem Arbeitnehmer ja die Galle überlaufen lassen.
Herr Kollege Kiechle, wir dürfen es als Parlament nicht zulassen, daß wir in der deutschen Bevölkerung eine Staatsverdrossenheit bekommen, weil dieses Parlament nicht in der Lage ist, Ungerechtigkeiten, die offensichtlich sind, zu beseitigen. Es ist doch ein schlimmer Zustand für dieses Parlament, daß wir die Diskussion auf folgender Ebene führen: Wir müssen uns beeilen, damit uns nicht das Bundesverfassungsgericht sagt, daß dieser Zustand unhaltbar ist! Das ist doch eigentlich eine Schande für das Parlament. Es ist jahrelang versucht worden, das wegzudrücken. Und — ich sage Ihnen das ganz offen — es wird weiterhin von der CDU versucht, dieses Problem wegzudrücken. Wir müssen steuerliche Gerechtigkeit für alle Bereiche in diesem Land bekommen. Wir bleiben als Parlament nur dann glaubwürdig, wenn wir das tatsächlich tun.
Ich denke, daß wir mit der Regierungsvorlage, die sicher verbesserungsbedürftig ist, die aber zumutet, daß für 45 000 oder 50 000 DM Gewinn Steuern gezahlt werden, ein Stück mehr Gerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft und im Verhältnis der Landwirtschaft zur Arbeitnehmerschaft und zu den Gewerbetreibenden erreichen.
Lassen Sie uns diesen Schritt gehen. Lassen Sie uns das nicht zum Wahlkampfthema machen. Ihnen sind die Bauernstimmen gewiß. Aber das, was wir, wenn wir es nicht schaffen, dabei an Vertrauen in die parlamentarische Fähigkeit, Gerechtigkeit zu schaffen, zerstören, ist sehr schlimm. Lassen Sie uns diesen Weg beschreiten.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818003200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818003300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schäuble, Sie haben Herrn Böhme klassenkämpferische Reden vorgeworfen. Ich darf daran erinnern, daß Herr Böhme aus einem Gutachten von acht unabhängigen Professoren zitiert hat. Ich habe dieses Gutachten im Moment nicht wörtlich vorliegen. Ich erinnere mich aber sehr genau, daß dort steht — Herr Böhme hat es nicht erfunden —, daß die heutige Durchschnittsbesteuerung nach § 13a des Einkommensteuergesetzes u. a. die negative Wirkung hat,



Frau Matthäus-Maier
daß die Steuererleichterung bei denen am größten ist, die sie am wenigsten brauchen. Das ist eben das Kennzeichen solcher Steuererleichterungen.
Aus diesem Grunde kann man sich auch nicht auf das Landwirtschaftsgesetz berufen, wenn man das heutige System erhalten will. Zu den Zielen des Landwirtschaftsgesetzes gehört es, die Bauern an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen zu lassen und zu diesem Zweck auch das Steuerrecht einzusetzen. Durch die Auswirkungen des heutigen § 13a werden die Ziele des Landwirtschaftsgesetzes aber nicht optimal erreicht; dafür gibt es bessere Wege. Wir von seiten der Koalition und der Regierung versuchen, bessere Wege einerseits zu einer gerechteren Landwirtschaftsbesteuerung und andererseits zur Erreichung der Ziele des Landwirtschaftsgesetzes zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sie versuchen, die Landwirte generell gegen die Neuregelung auszuspielen. Ich darf aber noch einmal daran erinnern — das kann nicht oft genug getan werden —, daß die immer wiederholte Aufforderung nach einer Reform des § 13a aus den Reihen der Landwirte gekommen ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich darf daran erinnern, daß es der verstorbene FDP-Politiker Peters aus Schleswig-Holstein war, der sich zum Ziel gesetzt hatte, immer wieder auf den Mißstand des § 13a hinzuweisen. Er hat in unserer Fraktion immer wieder gesagt, welch ein unhaltbarer Zustand sich auf den Dörfern aus diesem Mißstand ergebe. Dort wohnten nebeneinander die Bauern, die durch Zufall nach der Regelung des § 13 a behandelt würden und keine Steuern zahlten, und die Bauern, die bei ungefähr gleichem Lebensstandard und gleichem Einkommen mehrere tausend Mark Steuern zahlten. Nicht also die Koalition, die — nach Ihren Angaben — die Landwirte „auspressen" wollte, sondern die Landwirte selber haben gefordert, hier eine gerechtere Besteuerung vorzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, überlegen Sie sich genau, was Sie tun, wenn Sie ankündigen, Sie würden diesem Gesetzentwurf nicht folgen! Haben Sie eigentlich das Presseecho auf unseren Gesetzentwurf verfolgt, das Presseecho in großen überregionalen Zeitungen, auf die Sie sich sonst so gern berufen? Das einhellige Presseecho war: Dieser Gesetzentwurf ist im Sinne von mehr Gerechtigkeit bei der Besteuerung unzureichend. Es gibt keine einzige große Tages- und Wochenzeitung, die nicht geschrieben hätte — alle miteinander haben es geschrieben —, daß dieser Gesetzentwurf nur das absolute Minimum dessen darstelle, was überhaupt getan werden müßte; er reiche aber nicht aus; eigentlich müsse diese Regierung viel mehr machen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn wir uns entschieden haben, trotz der einhelligen Kritik von Fachleuten aus dem Finanzbereich nicht mehr zu tun, dann hat das folgenden Grund. Wir möchten zweierlei erreichen:
Einmal soll mehr Gerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft und mehr Gerechtigkeit gegenüber den anderen Steuerzahlern erreicht werden. Bei den anderen Steuerzahlern handelt es sich nicht nur um Arbeitnehmer, sondern auch um den kleinen Gewerbetreibenden, der neben dem Landwirt wohnt, aber anders behandelt wird. Ich nenne z. B. den Tante-Emma-Laden. Ich komme aus dem Münsterland. Dort sehe ich auf dem Lande die Ungerechtigkeiten, die unter den Bauern bestehen und bei den Bewohnern der Dörfer erheblichen Unmut schüren. Das ist das eine.

(Vorsitz : Vizepräsident Frau Renger)

Zum anderen ist folgendes zu bedenken. Mehrfach ist darauf hingewiesen worden — man kann es nicht oft genug sagen —, es bestehe die große Gefahr, daß wenn wir nicht das beschließen, was wir jetzt vorschlagen, in wenigen Monaten der § 13 a völlig weg vom Fenster sein könnte — das wissen auch die Bauern —, weil Karlsruhe möglicherweise sagt: Dieses System ist, wenn ihr es nicht korrigiert, so ungerecht, daß wir es für verfassungswidrig erklären müssen.
Ich hoffe, daß die CDU in diesem Sinne im Laufe der Diskussion mehr Flexibilität und Einsicht im Interesse der Bauern zeigt, als sie es heute getan hat.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818003400
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Gallus.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die FDP hat doch gerade gesprochen! — Kiechle [CDU/ CSU]: Wieviel FDP denn noch?! Sie hat ein schlechtes Gewissen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID0818003500
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu diesem Gesetzentwurf vier Dinge feststellen.
Erstens. Dieser Gesetzentwurf ist ein fairer Kompromiß in bezug auf das, was hier gesetzgeberisch neu zu gestalten ist. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie würden gut daran tun, das hier wiederzugeben, was auch die Vertretung der deutschen Bauern, nämlich das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes, wenn man mit den Herren unter vier Augen spricht, zu diesem Gesetzentwurf sagt.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Roß und Reiter nennen, nicht bloß Verdächtigungen aussprechen!)

Das ist ungefähr das Gegenteil dessen, was Sie hier zum besten gegeben haben.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

Zweitens. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf das Landwirtschaftsgesetz zum erstenmal ausgefüllt. Denn der deutschen Landwirtschaft bleibt — wie auch im Landwirtschaftsgesetz vorgesehen, nach dem wir der Landwirtschaft mit den Mitteln der Steuerpolitik helfen sollen — eine Summe von



Parl. Staatssekretär Gallus
mehr als 1 Milliarde DM. Die Zahlen, die wir vorher hatten — nach § 13a —, waren ein Zufallsprodukt.
Drittens. Hier wurde von Sonderkulturen geredet. Die Sonderkulturen waren in § 13 a echt benachteiligt. Nach dem jetzigen Gesetzentwurf kommen auch den reinen Sonderkulturbetrieben die Freibeträge in voller Höhe zugute.
Viertens. Ich glaube, daß es hoch an der Zeit ist, die Gesamtmaterie zu regeln, wenn für dieses Parlament überhaupt noch ein entsprechender politischer Spielraum gegeben sein soll und nicht Karlsruhe sagt, was in diesem Bereich zu geschehen hat.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818003600
Das Wort hat der Abgeordnete Kiechle.

Ignaz Kiechle (CSU):
Rede ID: ID0818003700
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem nun die Bundesregierung noch einmal das Wort ergriffen hat und nach dem, was der Herr Staatssekretär sagte, blieb uns keine andere Wahl, als eine neue Runde zu eröffnen. Ich möchte dem Herrn Staatssekretär ein paar Antworten geben, aber vorab auch meinem Kollegen Kühbacher.
Herr Kollege Kühbacher, wenn es Ihnen nur darum geht, Bauern, die 40000 und 50000 DM Gewinn machen, aber vom Finanzamt nach § 13 a nicht veranlagt werden — aus welchen Gründen auch immer, obwohl das geltende Recht es ja bereits zuließe —, in mehr Ausgewogenheit zu denen zu bringen, die schon Buchführung machen, dann haben Sie uns als Partner; das sage ich Ihnen ganz offen. Allerdings beinhaltet das der Gesetzentwurf in dieser Form nicht. Er pauschaliert in der Form, daß die Differenz zwischen 550 000 und 750 000, d. h. rund 150 000 bis 200 000 Bauern pauschal zu der von Ihnen neu geschaffenen — jedenfalls in der Landwirtschaft neu geschaffenen — „Schuhkarton-Buchführung" verpflichtet werden sollen. Das wäre wegen der von Ihnen angesprochenen Zielsetzung nicht notwendig.
Zweitens. Es ist gesagt worden, man wolle die kleinen Bauern heraushalten. Was sind kleine Bauern? Ein Landwirt mit 20 ha ist, wenn er Vollerwerbslandwirt ist, kein großer Landwirt. In vielen Bereichen der Grünländereien, wo es Hektarsatzwerte von über 1200 DM als errechnetem Durchschnittssatz für diese Betriebe gibt, muß der Landwirt schon ab 15, 16, 17 ha Buchführung machen, obwohl er gerade mit Mühe und Not, zum Teil unter Zuhilfenahme der Arbeit seiner Kinder — was gesetzlich im Grunde genommen sogar verboten wäre, aber nicht geändert werden kann — und unter Zuhilfenahme manchen Altersrentners, zusehen muß, daß er über die Runden kommt. Das gilt vor allem, wenn er investiert hat, was aber nach Ihrer Buchführungsmethode im Abschreibungsbereich kaum wirksam wird. Dann ist er echt benachteiligt — Bitte, wenn Sie bereit sind, über diese Probleme zu reden, werden wir ein sachliches Gespräch führen können.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Gallus hat — ich nehme an, in seiner Eigenschaft als Staatssekretär und damit als Vertreter der Bundesregierung — hier etwas gesagt, was nicht unwidersprochen bleiben kann. Er sagte: Die Vertreter des Deutschen Bauernverbandes sagen unter vier Augen das Gegenteil dessen, was sie in der Öffenlichkeit sagen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Gallus, dann gehen Sie hier rauf und sagen Sie, wer das ist, in welcher Form er das tut.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ist es der Herr Heereman oder ist es der Herr Sühler oder wer auch immer? Ich kenne beide. Ich weise, obwohl ich dazu im Augenblick nicht direkt von denen autorisiert bin, aber aus meiner Kenntnis der Persönlichkeit dieser Leute Ihre Aussage hier kategorisch zurück. Wenn man so miteinander umgeht, Herr Staatssekretär, zerstört man allerdings Vertrauen, und das trägt sicherlich zur Staatsverdrossenheit bei. Dagegen glaube ich nicht, daß sich Arbeitnehmer, wie ein SPD-Kollege gesagt hat, der Staatsverdrossenheit zuwenden, weil es angeblich Bauern gibt, die zu wenig Steuern zahlen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818003800
Meine Damen und Herren! Wir hatten Redezeiten vereinbart. Ich denke, wir sollten uns daran halten und jetzt die Debatte abschließen. Findet dies das Einverständnis des Hauses? — Dann schließe ich die Debatte.
Ihnen liegen die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Überweisungen vor. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU
Programm zur Förderung des Auslandsaufenthaltes von Schülern, jungen Arbeitnehmern, Studenten und Wissenschaftlern
— Drucksache 8/2458 —
Wird das Wort zur Begründung oder gleich zur Debatte gewünscht?

(Rühe [CDU/CSU]: Zur Debatte!)

— Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rühe.

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID0818003900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt wohl kein Mitglied dieses Hauses, das nicht ausreichend Auslandserfahrung hätte und damit aus eigener Anschauung weiß, daß ein Aufenthalt, eine Studienreise im Ausland den geistigen Horizont, die eigene Erfahrung erweitert, Urteilsvermögen schärft und eine weltoffene Haltung fördert. Gerade im Ausland ergibt sich die Chance, aus der Distanz, aus einem anderen Blickwinkel auch das eigene Land, die eigene Arbeit, die eigenen Werturteile und Denkweisen zu überprüfen. Ich meine, daß deswegen gerade der Deutsche Bundestag erkennen müßte, wie wichtig es ist, die



Rühe
Auslandsbildung der jungen Generation in diesem Lande — Schüler, Lehrlinge, Studenten, junge Arbeitnehmer, Wissenschaftler — anzuregen und zu fördern. Dieser Zielsetzung dient die Initiative, die wir ergriffen haben.
Auslandsaufenthalt, Auslandsbildung haben im übrigen auch eine freiheitliche und demokratische Seite. Es ist ja kein Zufall, daß totalitäre Regime ihre Bürger, gerade auch ihre jungen Bürger, an Auslandskontakten hindern und damit genau das Gegenteil von dem betreiben, was wir wollen. Sie verweigern die Möglichkeit einer Auslandserfahrung.
Demgegenüber sollten sich freiheitliche und demokratische Staats- und Gesellschaftsordnungen dadurch auszeichnen, daß sie freie Begegnungen ihrer Bürger wünschen, erleichtern und fördern;

(Beifall bei der CDU/CSU)

denn sie können es sich leisten, und sie leben davon, daß den Bürgern die frische Luft bei Auslandsbegegnungen um den Kopf weht. Dies läßt sich auch nicht durch den touristischen Sektor allein erreichen, wo es doch zu vielen Oberflächenkontakten kommt, bei allem Positiven, was sich dort auch ereignet. Wir brauchen eine stärkere Bereitschaft zu einem Ausbildungs-, zu einem längeren Arbeitsaufenthalt im Ausland.
Mir liegt aber daran, zu Beginn der Debatte deutlich zu machen, daß man vielleicht die Vokabel von der Auslandsmüdigkeit der jungen Generation bisher zu undifferenziert verwandt hat.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wir haben durch eine Fülle von Gesprächen gelernt, daß der Vorwurf, wir hätten es mit einer jungen Generation von Stubenhockern zu tun, falsch ist, daß es vielmehr häufig die Amtstuben sind, in denen durch bürokratische Regelungen, mangelnde finanzielle Ausstattung und andere Barrieren es den jungen Menschen erschwert wird, den durchaus vorhandenen Wunsch, ins Ausland zu gehen, auch zu verwirklichen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Deswegen sagen wir selbstkritisch: Wer diesen Vorwurf zu pauschal übernommen hat, der sollte jetzt den Beitrag leisten, damit auch in diese Amtsstuben der frische Wind kommt, damit diejenigen, die ins Ausland gehen wollen, das auch tatsächlich machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Lust am Fremden und die Neugier auf das Andere ist bei der jungen Generation durchaus vorhanden. Ich darf nur einmal zwei Beispiele nennen: Internationale Vereinigung der Wirtschaftsstudenten, die Praktikantenaustausch macht. Hier scheitert der Austausch mit dem Ausland daran, daß bei uns nicht genügend Praktikantenplätze zur Verfügung ge- stellt werden und deswegen junge deutsche Wirtschaftsstudenten — etwa über die AIESEC — in die USA gehen können.
Oder nehmen wir den Bereich des deutschamerikanischen Schüleraustausches. Bei dem German-American Partnership Program sieht es so aus, daß deutsche Schulklassen nicht in die USA gehen können, weil es an der finanziellen Unterstützung für sozial schwächere Schüler mangelt oder weil es mit der Beurlaubung der begleitenden Lehrer nicht klappt. Wir stehen vor der Situation, daß es heute in den USA zum Teil Schulen gibt, die ein Interesse daran haben, daß Klassen hierher kommen — wofür wir nur dankbar sein können —, während auf Grund mangelhafter Regelungen bei uns deutsche Schulklassen, die ihrerseits gewillt sind, dieses zu tun, nicht reisen können. Ich meine, daß solche Beispiele für eine differenzierte Debatte wichtig sind.
Unabhängig von dieser Korrektur bleiben die Fakten. Der Rückgang der Zahlen ist alarmierend. 1962 gab es in Deutschland 300 000 Studenten; 10 000 von ihnen gingen ins Ausland. Heute haben wir 800 000 Studenten; davon gehen immer noch nur 10 000 ins Ausland. Damit besteht sehr wohl die Gefahr einer Provinzialisierung. Deshalb war dieser Antrag notwendig.
Schauen wir uns einmal ein für uns so wichtiges Land wie die Vereinigten Staaten von Amerika an. Dort absolvieren nur 0,05 % der deutschen Studenten ihr Studium. Die absoluten Zahlen sind entsprechend bescheiden: 1977/78 waren es insgesamt 256 Studenten, davon 167 Fulbright-Stipendiaten und 89 Stipendiaten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, sowie noch einmal 140 im Rahmen des neuen Anglisten-Programms, die in die USA gegangen sind. Wenn Sie das zu den über 800 000 Studenten in Beziehung setzen, wird deutlich, welch eine negative Entwicklung es hier gegeben hat Während die Bundesrepublik Deutschland früher zur Spitzengruppe derjenigen Länder zählte, die Austauschprogramme förderten und Studenten in die USA schickten, stehen wir heute in der Rangliste nach Israel an 22. Stelle.
Diese Entwicklung und dieser Zustand sind vor allem auch politisch unverantwortlich. Günther Gillessen hat in einem, wie ich finde, sehr interessanten Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" über „Defizite im deutsch-amerikanischen Verhältnis" darauf hingewiesen, daß die westliche Allianz nur soviel taugt, wie die beteiligten Völker sich als wahlverwandt fühlen und in der anderen Identität Teile der eigenen erkennen. Er hat darauf aufmerksam gemacht, welch eminent politische Auswirkung der Rückgang der Zahl der in den USA studierenden Deutschen hat Statt früher 10 000 sind es heute nur noch 2 000.
Das wird auch durch den .wachsenden Reiseverkehr, der im übrigen zu begrüßen ist, nicht ausgeglichen. Reisen sind in der Regel so flüchtig, daß ein wirklicher Ideenaustausch nicht zustande kommt und ein enger Kontakt zu der Bevölkerung des anderen Landes nicht möglich ist.
In dieser Entwicklung liegt eine Gefahr für die lebenswichtige Verflechtung zwischen Deutschen und Amerikanern im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich. Das ist keine Frage der Bildungspolitik allein, sondern das kann zu einer Schicksalsfrage für unser Land werden. Walther Leisler Kiep hat neulich darauf hingewiesen: „Atlantiker wachsen nicht auf den Bäumen." Er hat sich dem Problem zugewandt, daß, anders als unmittelbar nach dem Kriege, die Gruppe derjenigen, die beide Länder intensiv kennt, sehr geschrumpft ist Atlantiker wachsen in der Tat nicht auf den Bäumen. Deswegen müssen wir schon in Schulen und an den Universitäten anfangen, die Voraussetzungen zu schaffen, damit sich die deutsch-amerikanische Partnerschaft auch in der Zukunft gut entwickelt.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Rühe
Nehmen wir den Bereich der Europäischen Gemeinschaft, der politisch von mindestens ebenso großer Bedeutung für uns ist. Wenn man weiß, daß von den insgesamt 4 Millionen Studenten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nur 21 000 in einem Partnerland der Europäischen Gemeinschaft studieren — das sind 0,5 % —, dann müssen einen diese Zahlen doch sehr nachdenklich machen.
Wir erleben, daß es bei der Blockierung des Transports von Schweinehälften an der deutschen Grenze zu einer riesigen öffentlichen Empörung kommt und Formulierungen wie „Schweinekrieg" gebraucht werden, daß aber dann, wenn Studenten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft in ihrer Freizügigkeit durch finanzielle und organisatorische Barrieren eingeschränkt werden, niemand darüber spricht. So wichtig — gerade auch angesichts der zurückliegenden ausgedehnten Debatte — Schweinebäuche für die politische Zukunft der Europäischen Gemeinschaft auch sein mögen, man sollte sich doch darüber einig sein, daß es vielleicht noch eine Spur wichtiger ist, daß Schüler, Studenten und Lehrlinge zueinanderfinden und an den Grenzen für sie keine Blockierungen entstehen. Diese Blockierungen sind zwar nicht so leicht sichtbar, aber sie sind an den Universitäten und Schulen vorhanden.
Von daher haben wir die herzliche Bitte an das Parlament und auch an die Regierung, sich diesen Fragen energischer als bisher zuzuwenden und deutlich zu machen, daß eine solche Frage, wie ich sie eben angesprochen habe, nicht nur eine Frage für irgendwelche bildungspolitischen Experten ist, sondern auch eine Frage für Außenpolitiker, für Wirtschaftspolitiker, für Kulturpolitiker, eine Schicksalsfrage der weiteren Entwicklung der
Europäischen Gemeinschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein verstärkter Austausch unserer jungen Generation mit anderen Ländern gibt uns auch frühzeitig Signale im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit unseres eigenen Bildungssystems. Wenn wir z. B. erleben müssen, daß an der amerikanischen Harvard-Universität hinter die Anerkennung des deutschen Abiturs mehr und mehr Fragezeichen gemacht werden, so gibt uns das Veranlassung, darüber nachzudenken, ob nicht auch hier bei uns Korrekturen nötig sind. Wenn man einen solchen internationalen Austausch nicht vollzieht, kommt man sehr schnell in die Gefahr der Isolierung, verliert man sehr schnell die internationale Meßlatte, um im Bildungswesen auch international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wir möchten mit unserer Initiative deutlich machen, daß etwa ein Auslandsstudium keine Privatangelegenheit von irgendwelchen Exoten ist und daß wir keinen Studenten oder Lehrling de luxe schaffen wollen, von dessen Typ sich einige Einzelexemplare im Ausland tummeln. Wir wollen deutlich machen, daß es nicht zuletzt auch im öffentlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland als einer führenden Welthandelsnation liegt, wenn so viele junge Menschen wie möglich den Weg ins Ausland finden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen keineswegs aus der Generation von angeblichen Stubenhockern staatlich subventionierte Weltenbummler machen. Wir wollen aber einen Beitrag leisten, damit sich eine weltoffene, bewegliche und im besten Sinne auf das andere neugierige junge Generation entwickelt, die das Ausland kennt
und die deshalb für sich und für ihr eigenes Land auch mehr leisten kann.
Wichtig an unserer Initiative ist dabei, daß sie sich nicht auf Studenten, über die ohnehin am meisten diskutiert wird, beschränkt. Es wird vielmehr auch ganz zentral an Schüler und Lehrlinge gedacht, die bei dieser Betrachtung bisher viel zu kurz gekommen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt nicht wenige, die sagen: Wieso soll ein Lehrling nun auch noch ins Ausland gehen? Es gibt hier aber hervorragende Möglichkeiten für Lehrlinge und auch für diejenigen, die ihren Lehrabschluß ge- rade hinter sich haben. Wir haben entsprechende Programme vorbereitet, denen sich dieser Kreis hoffentlich nicht verschließen wird.
Was die Studenten angeht, so möchte ich anmerken, daß wir keineswegs nur an einen Studienaufenthalt im Ausland denken, keineswegs nur an einen Aufenthalt, der in engem Zusammenhalt mit einem Studium steht. Deswegen wird die Frage nach der Anerkennung manchmal allzu ängstlich gestellt. Ich finde, der Arbeitsaufenthalt eines Studenten im Ausland kann auch einen sehr positiven Effekt haben. Ich habe als Student einmal als Sozialarbeiter in den USA gearbeitet. Das hatte mit meinem Studium allenfalls von der Sprache her etwas zu tun. Dennoch hat mir dieser Aufenthalt für das Studium und sicherlich auch sonst wichtige Impulse gegeben. Daher müssen sich manche Studenten auch von der ängstlichen Frage lösen: Bekomme ich die Auslandszeiten auch hundertprozentig anerkannt? Wir treten auch für die Förderung — dies gilt ebenfalls für die Förderungsleistungen — von Arbeitsaufenthalten auch von Studenten in anderen Ländern ein. Letztlich wird sich dies dann auch für die spätere berufliche Tätigkeit solcher Studenten positiv auswirken.
Sie kennen unseren Antrag und unser Programm vom Anfang dieses Jahres. Für den studentischen Teil der Verbesserung der Ausbildungsförderung haben wir eine ernsthafte Antwort der Bundesregierung bekommen, und sowohl im Plenum als auch im Ausschuß sind auf Grund unserer Vorschläge auch schon erste Maßnahmen zur Verbesserung beschlossen worden.
Unser Fraktionsvorsitzender, Helmut Kohl, hat sich hinsichtlich der Materien, für die der Bundestag keine Kompetenz oder keine ausschließliche Kompetenz hat, an alle Kultus- und Wissenschaftsminister und -senatoren — auch an unsere Fraktionsvorsitzenden — gewandt. Ich darf sagen, daß wir ein sehr, sehr positives Echo — auch von sozialdemokratischer Seite — auf diese Vorschläge bekommen haben. Es gibt eigentlich niemanden, der diese Vorschläge nicht begrüßt hätte. Ich meine, daß uns dieses ungewöhnlich breite Echo, das auch in vielen Briefen aus der Bevölkerung zum Ausdruck kam, und die Tatsache, daß unsere Vorschläge auch von anderen Parteien gestützt werden, nicht dazu veranlassen sollten, uns wieder zu beruhigen und zu sagen: Wir sind ja hier sehr stark einer Meinung, sondern wir dürfen in unseren Initiativen nicht nachlassen. Wir müssen dafür sorgen, daß der Stein, den wir ins Wasser geworfen haben, auch Wellen schlägt. Hier muß sich weiterhin etwas bewegen. Wir sollten uns darüber nicht wieder beruhigen.
Ich will jetzt nur ganz kurz und summarisch im einzelnen etwas zu dem Programm sagen, da wir es ja auch in vielen Teilen schon vorgestellt haben. Ich



Rühe
nenne die Aktivierung des Europäischen Jugendwerks, die Aufforderung an die Regierung, in Verhandlungen mit anderen EG-Regierungen einzutreten, um mehr Freizügigkeit in Europa zu schaffen, Sonderstipendienprogramme, Entwicklung und Austausch von Austauschprogrammen für die Ferienarbeit von jungen Arbeitnehmern, Schülern und Studenten sowie auch den Vorschlag, die Regierung zu bitten, regelmäßig über Fortschritte der Arbeit auf diesem Gebiet zu berichten.
Angesichts der Sachlage muß vieles in den Ländern, anderes hier im Bund gemacht werden. Vielleicht sollte die Bund-Länder-Kommission hier eine Aufgabe sehen. Gerade auch angesichts mancher Probleme, die sich dort ergeben haben, sind hier vielleicht Arbeitskapazitäten frei, die es erlauben, sich ganz konstruktiv mit diesem wichtigen Thema zu beschäftigen, damit im Bund und in den Ländern koordiniert weitere nützliche Beiträge geleistet werden können.
Was die Schüler angeht, so steht diesbezüglich ein Vorschlag im Mittelpunkt, speziell den Schüleraustausch mit den Vereinigten Staaten zu stärken. Bei den Schülern ist es besonders wichtig, daß schon an den Schulen für solche Programme geworben wird. Das fördert dann später auch die Studenten.
Aber ein Punkt ist auch ganz besonders wichtig, nämlich die Förderung des Fremdsprachenunterrichts als eine Voraussetzung für größere Freizügigkeit in Europa und auch für die Förderung dieses Programms, denn statt eines Abbaus der Sprachbarrieren verzeichnen wir neue Sprachbarrieren, etwa im Zusammenhang mit der Entwicklung der reformierten Oberstufe, in der nur noch 2 % der Schüler zwei Fremdsprachen in Leistungskursen bis zum Abitur erlernen, oder auch mit der Ankündigung der französischen Regierung, künftig den Deutschunterricht an französischen Schulen zugunsten des Englischunterrichts einzuschränken. In diesem Zusammenhang begrüßen wir sehr, daß der deutsche Beauftragte für die deutsch-französische Kulturzusammenarbeit, Herr Ministerpräsident Vogel, jetzt mit der französischen Regierung eine Absichtserklärung abgegeben hat, daß der beiderseitige Sprachenunterricht nicht gekürzt, sondern ausgebaut werden soll.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wir haben in der Tat wenig Grund, andere zu kritisieren; wir haben genug Grund, vor der eigenen Haustür zu kehren, nicht nur im Zusammenhang mit der reformierten Oberstufe in vielen Bundesländern — ich will da nicht alle über einen Kamm scheren —, sondern etwa auch im Zusammenhang mit dem Schmalspurabitur in Nordrhein-Westfalen, wo für das Abitur unter Mißachtung bundeseinheitlicher Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz nur noch eine Fremdsprache verlangt wird. Untersuchungen von Handel und Industrie haben darüber hinaus ergeben, daß ihre jungen Mitarbeiter bei weitem nicht die Fremdsprachenkenntnisse mitbringen, die unbedingt erforderlich sind, um die Außenhandelsbeziehungen deutscher Unternehmen zu erhalten und auszubauen.
Um die Talfahrt der deutschen Schüler in den Sprachenprovinzialismus aufzuhalten, schlagen wir folgende Maßnahmen vor: erstens Sicherstellung einer wieder breiteren Fremdsprachenausbildung in allen Schulstufen und Schulformen,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

insbesondere in den reformierten gymnasialen Oberstufen; zweitens Vereinbarungen mit den anderen zuständigen Ministerien unserer europäischen Nachbarländer über eine quantitative und qualitative Ausweitung des Fremdsprachenunterrichts; drittens ein verstärkter Austausch von Schülern und jungen Arbeitnehmern sowie der Ausbau von Schul- und Betriebspartnerschaften zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft nicht zuletzt zur Vertiefung der jeweiligen Fremdsprachenkenntnisse.
Ich hoffe, daß diese Punkte, von denen ich weiß, daß unsere Zuständigkeiten nicht sehr weit gehen, als eine wichtige Anregung verstanden werden und daß sie nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Nun zu unseren Maßnahmen für junge Arbeitnehmer. Hier haben wir durch unsere Gespräche insbesondere mit der Carl-Duisberg-Gesellschaft erheblich dazugelernt. Die Initiativen der Wirtschaftsverbände und Kammern sowie anderer Organisationen müssen durchaus lobend erwähnt werden. Neben deren Aktivitäten nehmen sich allerdings die Förderungsprogramme staatlicher Institutionen gerade für junge Arbeitnehmer mehr als bescheiden aus. Ich verstehe überhaupt nicht, daß der Bund nicht ein entsprechend großzügiges Stipendienprogramm für den beruflichen, speziell den betrieblichen Austausch junger Arbeitnehmer aufgebaut hat. Dafür gibt es keine Entschuldigung; denn hier mangelt es nicht an Kompetenzen, sondern hier hat es wohl an Phantasie und Aktivität gemangelt. Der Bund ist aufgefordert, hier in Zukunft mehr zu tun.
Wir haben in Gesprächen mit der Carl-DuisbergGesellschaft eine Reihe von weiteren konkreten Initiativen entwickelt, die ich hier jetzt im einzelnen nicht vortragen will, die wir dann aber in den Ausschußberatungen ausgiebig diskutieren können. Es scheint uns wichtig zu sein, gerade die jungen Arbeitnehmer für einen solchen Auslandsaufenthalt zu motivieren. Da geht es nicht nur darum, daß etwa Köche im Rahmen der Lehrlingsausbildung sechs Wochen nach Frankreich gehen können, so schön und nett das ist — wir alle profitieren davon, wenn wir dann hier noch mehr französische Küche haben —, sondern es gibt in vielen Bereichen Möglichkeiten für Lehrlinge, die angeboten werden sollten. In diesem Zusammenhang muß ich den Bundesverteidigungsminister loben, wozu wir sonst nicht soviel Anlaß haben. Er hat mir neulich erzählt, seine Tochter sei im Rahmen ihrer landwirtschaftlichen Ausbildung jetzt ein halbes Jahr in den Vereinigten Staaten gewesen. Als Vater hat er in dieser Beziehung vernünftig und zukunftsweisend gehandelt. Hoffen wir, daß die Bundesregierung bezüglich der Motivierung aller Lehrlinge ähnlich initiativ wird wie der Vater Apel bei seiner Tochter.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Kommen Sie uns nicht mit dem Argument, das koste zuviel Geld. Wir haben bei den Haushaltsberatungen zum Einzelplan 31 festgestellt, daß diesbezüglich noch manche Möglichkeit vorhanden ist. Vielleicht sollte man auf den einen oder anderen ideologisch nicht ganz freien Modellversuch im eigenen Lande verzichten und dafür sorgen, daß Lehrlinge, Schüler und Studenten verstärkt die Chance eines Auslandsaufenthalts erhalten.
Über die Studenten ist am meisten geredet worden; deswegen will ich heute am wenigsten über sie sprechen. Ich will noch einmal darauf verweisen, daß wir hier auch einen Schwerpunkt für den Bereich der Vereinigten Staaten sehen, was nicht be-



Rühe
deutet, daß andere diskriminiert werden. Da das über BAföG schwer zu erreichen ist, haben wir im Ausschuß einvernehmlich weitere Stipendien im nächsten Haushalt ausgewiesen. Unsere Zielsetzung lautet, in den nächsten Jahren 500 zusätzliche Stipendien zu schaffen. Das ist die Voraussetzung dafür, daß wir nicht darauf warten, daß die Atlantiker auf den Bäumen wachsen, sondern daß wir konkret etwas tun, damit es mehr Atlantiker bei uns und in den Vereinigten Staaten gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei allen Gründen, die im Zusammenhang damit angeführt werden, daß sich die Studenten in der Tat manchmal sehr schwer tun, diesen Weg ins Ausland zu gehen, müssen wir auch die Länge der Studiendauer in unserem Lande berücksichtigen. Kein anderes Land auf der Welt leistet sich den Luxus und bringt Studenten in die Situation, daß sie im Schnitt sechs bis sieben Jahre studieren. Angesichts des fortgeschrittenen Alters nach einem Studium oder während des Studiums fehlt in der Tat der Spielraum, auch noch im Ausland zu studieren. Andere Länder haben es da sehr viel leichter, bei denen die Studenten im Schnitt nur vier Jahre studieren. Ich meine, man muß sich die Frage nach der Bereitschaft, in einem jüngeren Lebensalter ins Ausland zu gehen, auch unter dem Gesichtspunkt stellen: Blockiert nicht die lange Studiendauer diese Bereitschaft? Blockiert nicht die in der Tat wachsende Besorgnis, ob man noch rechtzeitig in einen Beruf hineinkommt, diese Bereitschaft?

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Ich meine, daß bei Beratungen, die in der Zukunft anstehen, auch dies einbezogen werden sollte.
Natürlich spielt die Studienplatz- und Arbeitsmarktsituation eine Rolle. Viele bleiben im Lande, weil sie glauben, die letzte Chance noch erwischen zu können, bevor die Lawine der starken Jahrgänge herunterkommt. Aber die ist nun schon da. Wir sollten auch in der heutigen Debatte den Studenten sagen, daß sie ihre Berufschancen nicht verkleinern, wenn sie ins Ausland gehen, daß sie hier nichts verpassen, sondern daß sie zusätzliche Berufschancen erhalten. Es wird inzwischen von der Wirtschaft verstärkt honoriert, hoffentlich bald auch vom öffentlichen Dienst, wenn jemand während seiner Ausbildung ins Ausland gegangen ist. Da man mit der Einstellungspolitik des öffentlichen Dienstes Signale setzen kann — die Wirtschaft ist hier wieder einmal voraus —, meine ich, daß bei sonst gleicher Qualifikation und wenn es ein Interesse gibt — und das gibt es in vielen Bereichen —, jemand nicht benachteiligt werden sollte, wenn er unser Land während der Ausbildung einmal verlassen hat. Man sollte das vielmehr honorieren. Die für die Einstellungspolitik der öffentlichen Hand Verantwortlichen sollten das deutlich machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies macht man nicht nur durch Presseerklärungen, sondern durch Handeln. Praktizieren Sie das einmal! Ich sage Ihnen, es spricht sich schneller herum als jede Presseerklärung des Bundesbildungsministers, wenn Sie bevorzugt junge Leute einstellen, die Mobilität bewiesen und einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland vollzogen haben.
Meine Damen und Herren, über die anderen Punkte im Zusammenhang mit den Studenten und den jungen Wissenschaftlern werden wir im Ausschuß zu debattieren haben.
Wir haben gehört, daß die Koalition dieses Thema für nicht so wichtig hält und daß man möglicherweise den Versuch machen wird, Frau Schuchardt, diese Debatte zu einer Debatte über die aktuellen Probleme des Bildungsgesamtplans umzugestalten. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen: Von uns liegt seit drei Monaten dazu ein Antrag vor, von Ihnen seit gestern. Wir freuen uns auf die Diskussionen über die Probleme des deutschen Bildungswesens. Das kann in der nächsten Woche hier im Parlament geschehen. Wir halten aber auf der anderen Seite dieses Thema für so wichtig, daß wir, wenn es auf der Tagesordnung steht, dazu sprechen. Insofern würden wir Ihren Versuch, von einem gewissen Defizit an Ideen und Initiativen in diesem Bereich ablenken und auf andere Themen hinlenken zu wollen, eben doch als einen Mangel an Sensitivität für die Wichtigkeit auch dieses Themas deuten. Von daher habe ich die herzliche Bitte, diese Debatte nicht zu unterlaufen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt die in der Tat notwendige strittige Debatte über die Probleme des deutschen Bildungswesens zu führen. Seien Sie aber nicht blind für die wichtige Zukunftsbedeutung der Probleme, die wir heute hier angesprochen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen hier in der Debatte nicht polarisieren. Das ist auch deutlich geworden. Es geht eigentlich um einen Wettbewerb von Ideen und Initiativen. Ich gebe zu, daß wir da einen Startvorsprung haben und schon ein bißchen weggelaufen sind. Man soll im Sport aber nie aufgeben. Wir möchten Sie ausdrücklich anfeuern, noch etwas zuzulegen und Ihrerseits ja zu sagen zu vielen Punkten, die wir vorgeschlagen haben, aber auch eigene Vorschläge zu machen. Engagieren Sie sich, stellen Sie sich dem Wettbewerb der Ideen und Initiativen in diesem Bereich! Die junge Generation in unserem Lande kann davon nur profitieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818004000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lattmann.

Dieter Lattmann (SPD):
Rede ID: ID0818004100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit sachlichem Vergnügen, Herr Kollege Rühe, werden wir uns der von Ihnen angeschnittenen Debatte stellen. Wir begrüßen auch den Grundton sehr, in dem Sie das Thema angesprochen haben, denn es ist leicht, darauf in einer Weise zu antworten, die Kooperationsmöglichkeiten der Bildungspolitiker da ergreift, wo sie sich bieten, zumal wir sehr bedauern, daß bei einigen anderen Themen diese Kooperation immer schwieriger wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: An wem liegt das?)

Deswegen zunächst ein Ja zu Ihrem Grundansatz. Wir haben Ihren Antrag aufmerksam gelesen. Wir haben auch die vielen Presseerklärungen gelesen, die Sie seit der Vorlage Ihres Antrags am 9. Januar abgegeben haben. Wir respektieren die Konsequenz, die Sie in diesem Bereich bildungspolitisch an den Tag gelegt haben; wir greifen dies gerne auf. Der gemeinsame Ansatz ist das gemeinsame Bedauern dieser Immobilität eines Teils der jungen Generation in der Ausbildung. Wir müssen aber, denke ich, doch noch etwas tiefer nach den Gründen



Lattmann
fragen. Ich werde versuchen, in meinem Beitrag auf einige Ihrer Beurteilungen einzugehen.
Zunächst aber für meine Fraktion eine etwas grundsätzlichere Stellungnahme zu Ihrem Antrag. Ich kann das Zahlenwerk; das Sie vorgelegt haben, im wesentlichen nur bestätigen. Ich muß — gewissermaßen um der protokollarischen Ordnung halber — auch für uns Zahlen nennen. Es stimmt: Nach der UNESCO-Statistik hat sich die Zahl der in anderen Ländern studierenden Deutschen zwischen 1962 und 1975 - und 1975 ist ja auch schon wieder vier Jahre her, so daß die Statistik selbst alt ist — kaum verändert. Sie lag und liegt bei 10 000. Das bedeutet, daß die Zahl seit 1962 von 3,1 % auf 1,2 % gesunken ist. Das bedeutet auch, daß 1962 etwa 14% der Hochschulabsolventen eines Jahrgangs — der Absolventen! — einen Auslandsaufenthalt nachweisen konnten. Gegenwärtig sind es nur noch 7,5 %. Das ist eine sehr zu bedauernde Entwicklung, die wir sicher gleichermaßen kritisch beurteilen. Die Tatsache, daß 52 000 ausländische Studenten bei uns studieren — wir begrüßen das in der Sache und haben dafür ja auch besondere Förderprogramme —, von denen 32 000 im übrigen aus Entwicklungsländern kommen, macht deutlich, daß immerhin doppelt so viele Studenten aus den westlichen Partnerländern Europas bei uns sind als Studenten von uns bei ihnen — ebenfalls kein gutes Faktum.
Aber der gegenwärtige Stand der Förderung ist so schlecht denn doch nicht. Ich möchte darauf hinweisen — zum Teil im Aufgreifen von Anträgen, die
) Sie gestellt haben, was wir gar nicht verkennen und wo wir Gemeinsamkeiten in der Zielsetzung hatten —, daß im Bereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes — und da haben Sie Verdienste um die Erweiterung in Richtung Kanada und USA; wir haben uns das gern zu eigen gemacht — 2 800 Studenten, durch die Stipendienmöglichkeiten der Programme des Deutschen Akademischen AustauschDienstes 4 600 Studenten und durch Stipendien weiterer Organisationen 1 400 Studenten gefördert werden, so daß von den insgesamt 10 000 Studenten, die sich in anderen Ländern in der Ausbildung befinden, 8 800 mit 30 Millionen DM Bundesmitteln staatlich gefördert werden. Es ist also doch eine ganz beachtliche Leistung, die schon da ist. Mit Ihnen sind wir der Meinung, daß dies verbessert werden kann und - soll, aber bitte im Einvernehmen zwischen Ländern und Bund. Denn es geht beim besten Willen nicht an, daß man diesen Teil der Kosten immer auf den Bund wälzt, aber den Teil der Ideen stärker bei den Ländern ressortieren lassen möchte.

(Beifall bei der SPD)

Die Forderung, daß möglichst jeder, der studiert, im Laufe seines Studiums wenigstens ein halbes oder ein ganzes Jahr im Ausland gewesen sein sollte, ist eine Zielsetzung, die wir hier auch gern bekräftigen. Aber was sind denn eigentlich — und damit komme ich zu einigen Ihrer Punkte, Herr Kollege Rühe — die Verhinderungsmechanismen? Obwohl Sie hier sehr betont auf junge Arbeitnehmer und Auszubildende hingewiesen haben — ich sehe das ganz unpolemisch —, lautete die Reihenfolge der Prioritäten — auch in Ihrem Antrag und leider auch bei uns — bisher eben nicht: Auszubildende, junge Arbeitnehmer, Schüler, Studenten, Wissenschaftler. Vielmehr wird den heutigen Programmen nach in folgender Reihenfolge gefördert: Wissenschaftler, Studenten, Schüler, und dann erst kommen die jungen Arbeitnehmer und die Auszubildenden. Dies scheinen Sie jetzt teilweise umkehren zu wollen; dabei helfen wir gern mit. Da Sie sich selbstkritisch geäußert haben, wollen wir das durchaus auch so beantworten.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmt es denn überhaupt, daß diese unsere junge Generation in Gustav Heinemanns „schwierigem Vaterland" so wenig international ist? Sie ist es in den Ausbildungssystemen, aber sie ist es ja nicht ihrem Naturell nach, sie ist es nicht in ihrem privaten Leben. Es ist doch gerade auch eine Rucksack-Generation, die Grenzen mit Leidenschaft überschreitet, und zwar in einem Bereich, den die Statistik zum Glück — denn wir wollen ja wirklich nicht alles kontrollieren — nicht erfaßt. In den deutschen Milliarden, die im internationalen Tourismus jährlich in die Welt wandern, stecken natürlich auch die Ersparnisse und die Taschengelder von Millionen aus der jungen Generation.
' Das Problem ist deswegen nicht eigentlich eine Reiseunlust, sondern eine Demotivierung von wichtigen Teilen der jungen Generation, vor allen Dingen der akademischen Jugend, eine Demotivation, ins Ausland zu gehen, die wir noch nicht genügend ergründet haben. Das hat ganz sicher damit zu tun, daß diese Generation ganz speziellen Schwierigkeiten unterworfen ist, die sich aus dem Klima unseres Ausbildungssystems und der Arbeitswelt und der Gesellschaft ergeben. Es sind sehr viel mehr psychische Schwierigkeiten als materielle Schwierigkeiten, es ist sehr viel mehr die Erfahrung einer Isolation des Individuums und einer Zukunftsangst, die sich unter den Druckverhältnissen eines Gesellschaftssystems einstellt, in dem eben schon der sehr junge Mensch eigentlich immer wieder veranlaßt wird, sich fast schablonenhaft einzuspulen und einzuspeisen in Bildungsgänge, die dann in ganz bestimmten Immobilismen enden, etwa in der Angst, nicht in dem System, das hier gilt, zu bleiben, wenn man ins Ausland geht.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen das, glaube ich, vertiefen, denn ein Teil der Angebote, die wir machen, wird ja nicht aufgegriffen. Deswegen ist es wichtig zu erkennen: Es ist nicht in erster Linie ein Problem des Geldes und der Programme, sondern in allererster Linie das Problem, ob es uns Bildungspolitikern gemeinsam gelingt, ein Klima zu schaffen, in dem das, was Sie Abenteuerlust und Beweglichkeit der jungen Generation genannt haben, wirklich neu geweckt wird, und zwar im Zusammenhang mit Bildungspolitik in Parlamenten. Und das betrifft gerade auch den Teil der jungen Generation, der vielleicht gar nicht mehr so genau hinhört, wenn in den Parlamenten über diese Generation gesprochen wird, weil viele aus dem Zuhören dessen, was hier geredet wird, wegschwimmen.
Ich meine, in unsere bildungspolitische Selbstkritik aller Fraktionen gehört hinein, daß wir sagen, ein allzu schablonenhaftes Denken und eine allzu ordnungsbezogene Ausrichtung unserer verschiedenen Ausbildungsgänge ist sicherlich mit schuld. Es gibt ja so etwas wie Nationalcharakter, und wir sind nun einmal mehr als andere Länder dafür begabt, uns im-



Lattmann
mer an Sicherungen, an einem fast extremen Maß von Sicherheitsbedürfnis zu orientieren. Wir können aber nicht beides auf einmal haben. Wir können nicht auf der einen Seite eine junge Generation haben, die abenteuert, die es riskiert, in andere Länder zu gehen, und auf der anderen Seite eine fast beamtenhafte sozialpolitische Absicherung derselben Generation auch schon im Stadium der Ausbildung.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Da ist ein Widerspruch, und deswegen möchte ich hier auch denjenigen in der jungen Generation ein Moment des Zögerns und des Respekts signalisieren, die völlig ohne jedes Programm und ohne jede Förderung aus wirklicher Eigeninitiative sich rühren und herausgehen. Ich habe vor einiger Zeit zufällig einen jungen Kaufmann kennengelernt. Er hatte seine Ausbildung abgeschlossen. Er kam aus einem Elternhaus, aus dem er keine Tausender mitnehmen konnte. Aber er begab sich mit Ersparnissen, die er sich erjobbt hatte, auf eine große Tour und trampt jetzt zwei Jahre lang von Alaska nach Feuerland. Wenn ihm das Geld unterwegs ausgeht, wird er arbeiten. Der erscheint bei uns in keiner Statistik. Er ist auch keiner, der einen bildungspolitischen Abschluß bekommt. Aber er ist einer, der dafür steht, daß diese Rucksack-Generation Bewegungsdrang und Neugier hat. Wir können hier nur zu einem Teil etwas tun, aber den anderen sollten wir zumindest sehen und ermutigend aufgreifen.

(Beifall)

Sie haben eine Fülle von Details erwähnt. Herr Kollege Rühe, bevor ich in meinem Text fortfahre, möchte ich auf Ihre Punkte eingehen. Ich bejahe die freiheitliche Dimension; aber Sie haben gesagt, daß Länder, deren Systeme nach unserer Auffassung und sicherlich auch nach einem objektiven Maßstab unfreiheitlich sind, das Reisen verbieten. Das tun sie nicht, sondern sie erlauben das Reisen, allerdings nur innerhalb ihres Systems. Bei manchen Stellen gibt es eine gewisse Reiseintoleranz gegenüber der jungen Generation, wenn diese jungen Leute nicht Richtung Westen, sondern Richtung Osten reisen. Wir haben gegenüber dem Reisebedürfnis in Richtung Osten dieselbe völlige Unbefangenheit, weil die Erfahrung der Systeme dort die beste Art und Weise ist, Demokrat zu bleiben oder zu werden und diesen Systemen Widerstand zu leisten. Ich habe keine Unterstellung anbringen wollen, sondern nur gesagt „in allen Bereichen". Warum wird bei uns z. B. so wenig Russisch gelehrt, obwohl Russisch eine Hauptsprache in der Welt ist? Von den Sprachen bis zu den Reisezielen sind wir auch in unserem westlichen System befangener, als wir es manchmal zugeben.
Bei der Verbesserung des deutsch-amerikanischen Schüleraustausches und des Schüleraustausches überhaupt, den Sie angesprochen haben, helfen wir allerdings in dem Wissen gern mit, daß dies nicht ohne die ganz wesentliche Initiative der Länder geht.
Sie haben immer wieder das Stichwort „Provinzialisierung" gebracht. Auch wenn ich dies einmal nicht als polemischen Begriff verstehe, finde ich ihn ungerecht. Ich glaube, wir haben eine gewisse Schrebergartenenge mit engen Zäunen. Wenn man über die Bundesrepublik hinwegfliegt, dann sieht man sie als dicht besetztes Industrieland, und den jungen Leuten haftet viel von dieser zusammengeschnürten Lebenssituation in den Ballungsgebieten an. Das ist nicht Provinzialisierung, sondern Neugier, internationales Informations- und Bewegungsbedürfnis; aber dem entspricht nicht voll die materielle Voraussetzung der geistigen Freizügigkeit, und darum geht wohl die Diskussion.
Daß das sogar eine Schicksalsfrage ist — Sie haben hier mit Recht ein gewisses Pathos an den Tag gelegt —, können wir ebenfalls nur bejahen; aber dabei muß ich auf folgenden Punkt kommen. Sie haben von Auszubildenden und Lehrlingen gesprochen. Wie stellen Sie sich das genau vor? Wir sind auf die entsprechende Konkretisierung Ihrer Anträge im Ausschuß gespannt, weil wir wissen möchten, innerhalb welcher Zeit Sie sich das vorstellen. In der Lehrzeit ist wohl das duale System ein Hinderungsgrund.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Berufsschule, nicht das duale System!)

Jedenfalls ist es dann notwendig, die Berufsschulausbildung zu verändern; denn dann müßte man in der Berufsschule sehr viel mehr Blockschulung haben. Das geht sehr in die Details, aber Sie sollten uns dann möglichst genau sagen, wie Sie sich das vorstellen; denn nach dem gegenwärtigen Stand ist es eine hervorragende Absichtserklärung, aber noch kein Programm.
Sie haben gewissermaßen mit drei Ausrufungszeichen gesagt, daß mehr getan und gehandelt werden muß. Sie haben gemeint, wir wollten diese Debatte hier in eine vorgezogene Debatte zum Bildungsgesamtplan abrutschen lassen. Das wollen wir nicht, sondern wir haben unseren Antrag gestern vorgelegt, weil die Situation in der Bund-Länder-Konferenz für Bildungsplanung erst seit dem 15. Oktober so drastisch verändert ist, daß sie uns blockiert erscheint. Das war die Auslösung unseres Antrags, und wir sind uns darin einig, daß es in den Fraktionen angestrebt werden sollte, Ihren Antrag vom Juni und unseren frischen Antrag gemeinsam möglichst am 8. November hier gründlich, ohne Feindschaft, aber scharf in der Sache zu debattieren.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

500 zusätzliche Stipendien speziell für Amerika wurden angesprochen, die über den DAAD abgewickelt würden. Herr Rühe, wenn dies ausschließlich der Bund bezahlen soll, müßten die Länder ihren Anspruch auf vermehrte Mitwirkung in der kulturellen Außenpolitik wahrscheinlich ein bißchen reduzieren. Ich baue also darauf, daß die Programme auch so angelegt werden, daß diejenigen, die in unserem föderativen Bildungssystem die Hauptverantwortung für alle Ausbildungsbereiche tragen, auch zu diesen neuen Stipendien, die sehr begrüßenswert wären, einen wichtigen finanziellen Beitrag leisten. Das waren nur einige Äußerungen zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Rühe.
Nun zurück zu dem, was wir in dieser Beratung vorzutragen haben. In den Punkten 3 und 7 Ihres Antrags verlangen Sie eine Berichtspflicht und eine Statistikpflicht, die wir der Ursache nach verstehen — weil man genaue Zahlen braucht, wenn man ein Problem lösen will —, die aber in einem Widerspruch dazu stehen, daß Sie auf der anderen Seite immer wieder mehr Bürokratie und mehr zentralistische Speicherung von Daten beklagen. Da müssen wir uns doch einmal einigen: Genügen uns die europäischen Daten, oder brauchen wir tatsächlich so viele Berichte und Statistiken?
Wir haben hier eine ganz große Skepsis, weil wir einen wesentlichen Teil, wo die junge Generation im Ausland bereits tätig ist, gar nicht überblicken oder statistisch abfragen können. Das ist nun wirklich der



Lattmann
Bereich der Arbeitswelt. Wir wissen nicht, wie viele junge Arbeiter von ihren Firmen auf Baustellen in der Dritten und der Vierten Welt geschickt werden. Wir wissen nur: Es sind Tausende, ja es sind Zigtausende. Die können wir mit diesen Statistiken ohnehin nicht erfassen. Denn die Wirtschaft würde sich einem solchen sie betreffenden Statistikbegehren sofort entziehen.
In Punkt 5 — dies nur als Vorbemerkung zur Debatte am 8. November — ist Ihnen, meinen wir, allerdings ein Punkt unterlaufen, der Selbstironie zumindest als mögliche Perspektive in den Raum rückt. Wenn Sie sagen, Sie wollen mehr Freizügigkeit für den Austausch von Schülern, jungen Arbeitnehmern, Studenten und Wissenschaftlern und — wörtlich — sichtbare Verbesserungen bei der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen, dann ist das gerade etwas, was Sie jetzt in der Bestrebung des Bildungsgesamtplans in der Innenpolitik aufkündigen.

(Zuruf des Abg. Rühe [CDU/CSU])

Das erscheint uns paradox: Wir sehen da beileibe kein Zusammengehen. Aber lassen Sie uns das am 8. November vertiefen.
Im übrigen habe ich mir in der Vorbereitung für diesen Beitrag noch einen Sachpunkt herausgesucht, der ebenfalls bemerkenswert ist. Wer sagt, er will hier etwas verbessern, muß sich ja auch fragen lassen, wieweit er dort, wo er bildungspolitisch die Mehrheit besitzt, schon verbessert hat. Mein Kollege Kurt Vogelsang hat zum Bereich des Zusammenhangs zwischen Regelstudienzeit und Anerkennung von Auslandsstudium am 20. Juni durch Staatssekretär Engholm in der Fragestunde eine Antwort bekommen. Es hieß am 20. Juni in der Antwort der Bundesregierung:
... der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat sich gegenüber den Bundesländern mehrfach dafür eingesetzt, bei der Anpassung des Hochschulrechts an das Hochschulrahmengesetz Regelungen zu treffen, nach denen ein Auslandsstudium nicht oder nur teilweise auf die Regelstudienzeit anzurechnen ist. Insgesamt acht Bundesländer haben entsprechende Regelungen getroffen. Zwei Bundesländer — Bayern und Schleswig-Holstein — behandeln diese Frage in den Landesgesetzen nicht. Baden-Württemberg sieht im Falle der Gleichwertigkeit und Förderlichkeit des Auslandsstudiums für den Studiengang eine obligatorische Anerkennung auf die Regelstudienzeit vor.
Auch das ist ein Widerspruch. Dieser Widerspruch bleibt unaufgelöst. Was also konkret tun?
Da meine Redezeit zu Ende geht, will ich schließen, indem ich noch einmal sage: Nicht in erster Linie das Materielle, nicht in erster Linie wohlklingende Programme sind das Problem, sondern eine Erneuerung der geistigen Beweglichkeit und auch eines Vertrauens in die Bewegbarkeit dieser Ziele durch die gegenwärtige parlamentarische Demokratie. In diesem Grundvertrauen ist innerhalb der jungen Generation viel gestört — aus Gründen, die hier nicht Gegenstand der Erörterung sind, aber im Hintergrund eine Menge Schwierigkeiten machen.
Hüten wir uns davor, in der Bildungspolitik jetzt schon wortlos zu werden, und zwar aus einer krassen Konfrontation und Dauerpolarisierung, die mit dem Wahltermin im Herbst 1980 zu tun haben könnte. Hüten wir uns davor, uns als verbale Wolkenschieber in Aggressionen zu betätigen, sondern ver-
suchen wir, in diesem konkreten Bereich der Verbesserung der Ausbildung im Ausland bald ein Stück Kooperation zu realisieren.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818004200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0818004300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben im Plenum in diesem Jahr schon häufiger über die Auslandsmüdigkeit, die insgesamt doch wohl vorherrscht, gerade bei denen, die sich noch in der Ausbildung befinden, gesprochen. Insofern bedauere ich etwas, Herr Rühe, daß Sie es nicht vermieden haben, in Ihrer Rede darauf hinzuweisen, daß die Koalitionsfraktionen, die Koalition insgesamt, offenbar kein Interesse an diesem Thema habe.
Ich habe mich soeben noch einmal bei unseren Geschäftsführern erkundigt, ob es auf die Koalition zurückzuführen ist, daß dieser Antrag, der schon im Januar eingebracht worden ist, erst heute debattiert wird. Dies war nicht der Fall. Offenbar ist es so, daß auch in Ihrem Bereich andere Themen prioritär behandelt werden. Ich glaube, es wäre für uns alle gut gewesen, wenn wir dieses Thema in diesem Zusammenhang schon früher aufgegriffen hätten.

(Rühe [CDU/CSU]: Das ist gestern im Ausschuß wörtlich gesagt worden!)

— Was ist gestern wörtlich gesagt worden? Ich bitte Sie, Herr Rühe! Wir haben hierzu eine ganze Reihe von Diskussionen geführt, und die haben auch Sie gehört. Ich nehme nicht an, daß Sie bei diesen Debatten hier im Hause nicht anwesend waren.

(Rühe [CDU/CSU]: Das ist die erste Diskussion im Plenum zu diesem Thema!)

— Es ist doch wohl nicht unbedingt notwendig, daß Sie, wenn man ein solches Thema übereinstimmend berät, immer eine Bemerkung dahin machen müssen, ob eine Feststellung stimmt oder nicht. Ich finde das nicht gut. Das belastet eine solche Debatte. Dagegen wehre ich mich.
Zum Antrag der Union. Nach meiner Auffassung ist darin etwas zuviel die Rede von Förderungsmöglichkeiten und wird etwas zu wenig davon gesprochen, inwieweit eigentlich das persönliche Engagement des einzelnen und das Engagement der Wirtschaft gefördert werden können, also die Bereitschaft, für eine bestimmte Zeit auch einmal ins Ausland zu gehen.
Es sind schon einige Zahlen genannt worden. Daher kann ich mich kurz fassen. Auch ich halte es für sehr bedauerlich, daß trotz der Zunahme der Studenten keine zahlenmäßige Zunahme der Bereitschaft dieser Studenten zu erkennen ist, ins Ausland zu gehen. Daher hat sich tatsächlich eine prozentuale Verschlechterung eingestellt.
Wir wissen, daß heute bei uns weniger bereit sind, ins Ausland zu gehen, als Ausländer bereit sind, zu uns zu kommen. Wenn man sich einmal vorstellt, daß wir allein im Fremdsprachenbereich ungefähr 50 000 Studenten haben und hier wohl erwarten



Frau Schuchardt
können, daß diese Studenten, die Fremdsprachen erlernen, viel eher bereit sein sollten, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, dann müßte die Zahl von 10 000 Studenten, die ins Ausland gehen, schon allein von den Fremdsprachenstudenten erreicht werden. Ich bin ganz sicher, daß dies eine positive Auswirkung auf den Sprachenunterricht in unseren Schulen haben wird. Aber vielleicht sollte man hier noch ein bißchen nachhelfen, damit sich ein Auslandsaufenthalt begünstigend auch bei der Einstellung als Lehrer auswirkt.
Nun zu den Gründen für die fehlende Bereitschaft, ins Ausland zu gehen. Man muß hier wohl daran erinnern, daß es Gott sei Dank gelungen ist, in den letzten Jahren zunehmend auch Jugendliche aus solchen Familien für weiterführende Bildungseinrichtungen zu gewinnen, die man vielleicht als hochschulfern bezeichnen könnte.
Das Interesse, das Hochschulstudium möglichst schnell abzuschließen, um dann in den Beruf zu gehen, ist verständlich. Das gilt gerade auch für diese jungen Studenten und Studentinnen. Man muß bei ihnen das Interesse und die Einsicht dafür wecken, daß es für sie ein persönlicher Gewinn ist, wenn sie das Studium durch einen einjährigen Aufenthalt im
Ausland ergänzen.
Es ist überhaupt keine Frage, daß der Arbeitsmarkt und die Chancen, die jemand hat, wenn er im Ausland war, eine gewisse Rolle spielen. Ich möchte gern nachher darauf eingehen, daß es leider unberechtigt ist, so optimistisch wie Sie, Herr Rühe, zu sagen, daß in der Wirtschaft dafür großes Verständnis sei. Leider ist dies nicht der Fall.
Ich finde es gut, daß Herr Lattmann die leider schon zu verbreitete Beamten-, Versorgung- und Konsummentalität auch vieler junger Menschen angesprochen hat. Wir haben Anlaß, darübernachzudenken, ob das nicht mit ein Grund dafür ist, weshalb die persönliche Bereitschaft und Initiative verhältnismäßig unterentwickelt sind. Wir haben im Ausschuß genügend Gelegenheiten, darüber nachzudenken.
Nun zu den einzelnen Fragen der Förderung. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß wir ein vielfältiges Instrumentarium der Förderung haben und daß wir bei der letzten Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes beschlossen haben, daß die Höchstförderungsdauer um ein Jahr verlängert wird, wenn dieses eine Jahr im Ausland studiert wurde. Aber gleichzeitig erfährt man — das macht mich in diesem Zusammenhang ein bißchen unmutig —, Herr Minister, daß z. B. die Auslandszuschläge für solche, die gefördert werden und ins Ausland gehen wollen, drastisch reduziert werden, nämlich für diejenigen, die in die USA gehen, von 435 DM auf 165 DM Zuschlag. Das betrachte ich nicht gerade als eine Förderungsmaßnahme für den Auslandsaufenthalt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie darauf im einzelnen eingehen könnten.
Nichtsdestotrotz gibt es in diesem Jahr 2 800 Bundesausbildungsgeförderte, die die Chance, ins Ausland zu gehen, wahrnehmen. Aber diese Zahl könnte vielleicht noch wesentlich erhöht werden, wenn man die entsprechenden Zuschläge so hoch ansetzte, daß es finanziell für die geförderten Menschen möglich würde.
Die Graduiertenförderung — ich glaube, diese Anregung müssen wir unbedingt aufnehmen — ist sicherlich insoweit hinderlich, weil sie in Darlehensform und nicht in Zuschußform stattfindet. Darauf bezieht sich ein Teil des Antrages. Wir sollten im Zusammenhang mit der Debatte über die Graduiertenförderung insgesamt gerade diesen Aspekt noch einbeziehen.
Es gibt eine Reihe von Stipendien, die über die verschiedenen Organe vergeben werden. Da ist z. B. der Deutsche Akademische Austausch-Dienst mit etwa 4 600 Stipendien in diesem Jahr an Deutsche, die im Ausland studieren. Es gibt die FulbrightCommission, es gibt die Studienstiftung für das deutsche Volk, und es gibt natürlich eine Reihe von Begabtenförderungswerken der Stiftungen. Bei dem letzten Bereich stellt man eindeutig steigende Tendenz fest. Ich finde, das sollten wir unterstützen. Aber wir sollten darüber hinaus auch den Deutschen Akademischen Austausch-Dienst einmal bitten, zu überlegen, ob es eigentlich angemessen ist, wenn er die Hälfte derer, die sich für ein solches Auslandsstudium bewerben, abweist, weil er vielleicht die Qualifikationen, die dafür notwendig sind, ein bißchen zu hoch geschraubt hat.
In diesem Zusammenhang sind natürlich Sprachkenntnisse von ganz entscheidender Bedeutung. Aber ich finde, wir sollten unser Licht nicht allzusehr unter den Scheffel stellen, Herr Rühe, wie Sie es getan haben. Sie reden z. B. davon, daß in Frankreich die Bereitschaft, fremde Sprachen zu lernen, außerordentlich weit verbreitet ist. Dazu kann ich nur sagen: aus meinen Erfahrungen — —

(Rühe [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt!)

— Doch, Sie haben darauf hingewiesen, daß man innerhalb der Schulen in Frankreich erhebliche Anstrengungen macht und wir hier ähnliches fehlen ließen.

(Rühe [CDU/CSU]: Ich habe von der Gefahr der Reduzierung gesprochen!)

— Sie haben als lobendes Beispiel die Franzosen erwähnt, die hier einiges machen und z. B. den Deutschunterricht in ihren Schulen ganz erheblich verstärken wollen. Ich kann nur sagen — —

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818004400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin? — Bitte schön, Herr Rühe.

Volker Rühe (CDU):
Rede ID: ID0818004500
Frau Schuchardt, darf ich fragen, ob es nicht so war, daß ich Herrn Ministerpräsidenten Vogel gelobt habe, der jetzt durch Verhandlungen mit der französischen Seite erreicht hat, daß es dort nicht zu einem Abbau des Deutschunterrichts kommt, und im übrigen bei uns auch der Französischunterricht wieder gestärkt wird?

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0818004600
Okay. Mich würde freuen, wenn wir uns hier einig sind, daß die mit uns in der Gemeinschaft verbundenen Länder leider die Fremdsprache nicht hinreichend fördern. Das Entscheidende ist nur: Dennoch sind doppelt soviel Ausländer bereit, bei uns zu studieren. wie umgekehrt. Also kann das nicht nur unmittelbar mit den



Frau Schuchardt
Sprachkenntnissen zusammenhängen, sondern auch mit der persönlichen Bereitschaft, dieses Risiko einmal einzugehen.
Ich glaube aber nicht, daß die finanziellen Gründe wirklich ausschlaggebend sind. Es gibt eine vielfältige Beratung auch über die finanziellen Möglichkeiten; dennoch wird es nicht hinlänglich genutzt. Nun sagen Sie, man sollte den Studenten, den Arbeitnehmer, den Schüler, den Wissenschaftler darauf hinweisen, er sollte diese Chancen mehr wahrnehmen. Ich stimme Ihnen zu; das ist dringend erforderlich. Nur, wie sieht es mit denen, die zurückkommen, aus? Sie haben dem öffentlichen Dienst vorgeworfen, daß er die Zurückkommenden zu wenig berücksichtigt und ihnen keinen besonderen Bonus einräumt. Ich möchte das auch im Hinblick auf die Wirtschaft ergänzen. Leider ist es nicht so, daß die Wirtschaft die speziellen Erfahrungen, die im Ausland hinzugelernt worden sind, besonders honoriert. Hier gilt es, auch die privaten Arbeitgeber zu beraten und zu motivieren, sich der Zurückkommenden besonders anzunehmen. Das ist die einzig wirklich erfolgreiche Möglichkeit, mehr junge Menschen ins Ausland zu bekommen. Die Bundesrepublik ist in der Tat ein stark exportorientiertes Land. Folglich müßte es ein Eigeninteresse der Wirtschaft sein, sich die Menschen zu schaffen, die in der Lage sind, mit den anderen Ländern in Verbindung zu treten.
Nun stelle ich zu meiner großen Überraschung fest, daß die CDU in diesem Zusammenhang nach dem Staat ruft. Das heißt, der Staat möge den Arbeitnehmeraustausch fördern. Ich kann mir heute schon ungefähr die Diskussion vorstellen, wenn wir über ein besonderes Förderungsprogramm zum Arbeitnehmeraustausch redeten und es dabei um die Freistellung der Betriebe ginge. Da möchte ich mal die Union in ihrer Konsequenz beobachten, ob sie dann noch mitzieht. Also kann ich nur sagen: etwas weniger Ruf nach dem Staat aus den Reihen der Union wäre hier angemessen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielleicht sollte man im Gegenteil — und dazu möchte ich die Bundesregierung ermutigen — in Kontakt zu den Wirtschaftsverbänden treten und die Betriebe motivieren, durch Austausch von Arbeitnehmern mit befreundeten Firmen im Ausland ihr Teil dazu beizutragen. Aber um Himmels willen doch nicht alles mit Gesetzen und über staatliche Förderung! Dieser Austausch liegt im Interesse der Wirtschaft, und wir sollten die Verantwortlichkeit dahin tun, wohin sie gehört, und es uns nicht so leicht machen.
Nun hat das Auswärtige Amt besonders negative Erfahrungen mit der Bereitschaft junger Lehrer gemacht, ins Ausland zu gehen. Wenn man also weiß, daß 100 Stellen angeboten waren und man angesichts des Problems der Arbeitslosigkeit junger Lehrer feststellt, daß nach zweieinhalbjähriger Bemühung im Augenblick 40 Lehrer im Ausland arbeiten und diese Zahl nur mühsam angehoben werden kann, dann frage ich mich, ob das noch etwas mit finanziellen Dingen zu tun hat. Das hat etwas mit privaten Motiven und mit der fehlenden Bereitschaft
zu tun, ein gewisses Risiko einzugehen. Hier könnten die Länder Erhebliches beitragen, indem sie den Lehrern, die bereit sind, einige Jahre ins Ausland zu gehen, zusagen, solche Lehrer, wenn sie nach zwei Jahren oder wann auch immer zurückkommen, bevorzugt in ihre Schulen einzustellen. Aber es gibt nur eine Wohlwollenserklärung, nichts darüber hinaus. Folglich brauchen wir uns über die Skepsis der Lehrer nicht zu wundern.
Ich meine, daß hier die Lehrer eine entscheidende Vorbildfunktion hätten. Welch eine Bereitschaft soll ein Schüler entwickeln, ins Ausland zu gehen, wenn sein Lehrer mit einem derart schlechten Beispiel vorangeht? Hier müssen wir einiges tun.
Ich komme zum Schluß, möchte aber noch einiges zu den Abschlüssen sagen. Wir wissen, daß es beim Austausch von Arbeitnehmern oder bei der Möglichkeit deutscher Arbeitnehmer, im Ausland tätig zu werden, auch um die Anerkennung von Abschlüssen geht. Ich wünschte mir, daß man international bereiter wäre, gegenseitig die Abschlüsse anzuerkennen. Aber wie kann ich diese Forderung an andere Länder stellen, wenn sich die Bundesländer untereinander aber auch jeden Knüppel zwischen die Beine werfen, den man sich dorthin werfen kann, wenn es um die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen geht — und das nur, um die Bildungspolitik der jeweils anderen Bundesländer zu diffamieren?

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Solange dies bei uns Politik ist, brauchen Sie über die Bereitschaft anderer Länder, unsere Abschlüsse anzuerkennen, nicht zu zetern. Ich sage hier: Dafür tragen Sie, die unionsregierten Länder, ein ganz entscheidendes Maß an Verantwortung. Es gibt einfach eine Intoleranz im Hinblick auf die Anerkennung von Bildungsabschlüssen anderer Länder.
Insofern haben wir, glaube ich, Anlaß, gerade darüber in der nächsten Sitzungswoche nachzudenken. Ich bitte, dann nicht solche Widersprüche in die Diskussion einzubringen. Man kann nicht, wenn es um die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse geht, nach Toleranz rufen,

(Rühe [CDU/CSU]: Da werden auch Äquivalenzen festgestellt!)

während man diese Toleranz, wenn es um die Anerkennung von Abschlüssen aus Bundesländern des eigenen Staates geht, verweigert.
Meine Damen und Herren, wenn Studenten und Schülern der Aufenthalt für ein Jahr im Ausland erleichtert werden soll, geht es auch darum, diesen Aufenthalt in das gewählte Studium oder die gewählte Ausbildung zu integrieren.
Daher möchte ich die Bundesregierung ermutigen, in Verhandlungen mit unseren Verbündeten einzutreten, damit diese Abstimmung geschieht und bürokratische Hemmnisse, auf die Herr Rühe hingewiesen hat, tatsächlich abgebaut werden und wir als politisch Verantwortliche uns nicht vorwerfen lassen müssen, daß wir für die wenigen, die noch zu einem Auslandsaufenthalt bereit sind, zusätzliche Hemmnisse einbauten.

(Beifall bei der FDP und der SPD)





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818004700
Das Wort hat Herr Bundesminister Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818004800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn sagen, daß ich diese Debatte und ihren Gegenstand ebenso sehr begrüße wie den Stil, in dem wir uns über dieses Thema unterhalten; denn der von der Fraktion der CDU/CSU vorgelegte Antrag zur Förderung von Auslandsaufenthalten entspricht im Grundsatz wie in den wichtigsten Einzelheiten den politischen Zielen und der praktischen Arbeit der Bundesregierung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann sind wir also regierungsfähig?)

Das zeigt ein Blick auf die vielfältigen Bemühungen, die das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft allein oder in Zusammenarbeit mit anderen unternimmt, um Auslandsaufenthalte während der beruflichen Ausbildung und während des Studiums zu fördern. Ich sage „allein oder in Zusammenarbeit mit anderen": Von diesen „anderen" sind die Länder bereits mehrfach erwähnt worden. Ich hätte es begrüßt, wenn bei diesem Beratungsgegenstand, bei dem wir auf Zusammenarbeit mit den Ländern angewiesen sind, auch ein Vertreter der Länder hier gewesen wäre und an der Debatte mitgewirkt hätte.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, die internationale Verflechtung in Wirtschaft und Wissenschaft, in Politik und Gesellschaft hat bereits heute eine große Dichte erreicht. Sie wird in Zukunft weiter wachsen. Die Bundesrepublik kann und will sich diesem Prozeß nicht entziehen. Wir wollen im Gegenteil alle Chancen nutzen, die die friedliche internationale Zusammenarbeit unserem Land und unseren Partnern bietet.
Dazu gehört, daß sich junge Menschen bereits während ihrer Ausbildung in anderen Ländern umsehen, andere Kulturen, Sprachen, Probleme, Ausbildungsinhalte kennenlernen. Gerade in einer fremden Umgebung können sie besonders gut Eigeninitiative, Selbständigkeit und Kontaktfähigkeit entwickeln. Und: Auslandsaufenthalte sind nicht nur für Studenten und junge Wissenschaftler wichtig; sie sind mehr und mehr auch für die Auszubildenden m der beruflichen Bildung wichtig. Dies gilt besonders für den Bereich der Europäischen Gemeinschaft. Wir wollen Freizügigkeit nicht nur für Akademiker. Wir wollen Freizügigkeit und Mobilität für alle Arbeitnehmer verwirklichen. Auslandsaufenthalte während der Ausbildung können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
Seit mehr als 15 Jahren stagniert das Auslandsstudium deutscher Studenten. Es ist in der Tat so: Zirka 10 000 Studenten studierten 1962 und auch 1975 im Ausland, obwohl sich die Zahl der Studenten in diesem Zeitraum etwa verdreifacht hatte. Der zur Erklärung rasch erfundene neue Begriff der Auslandsmüdigkeit der Studenten erfaßt diesen komplexen Sachverhalt nicht. Es spielt eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle. Unsicherheit und Sorge um die persönliche Weiterentwicklung und vor allem um
die späteren Berufschancen z. B. verdrängen weitgehend die anfänglich ernste Absicht vieler Studenten, ins Ausland zu gehen. Vor allem die Veränderungen der Studienwelt wirken sich hier gravierend aus.
Das Studium ist heute in höherem Maße fach-und berufsbezogen. Es ist vor allem Ausbildung für den späteren Beruf und damit auf ein Ziel hin orientiert, dem man mit dem Auslandsaufenthalt oft nicht unmittelbar näherkommt.
Auch sind im Ausland die materiellen Studienbedingungen vielfach nicht gerade einladend. Es gibt dort ebenfalls Zulassungsbeschränkungen und nicht selten Studiengebühren im beachtlicher Höhe. Ich möchte an dieser Stelle uns und unsere eigene Lage nicht mit Selbstgefälligkeit betrachten. Ich glaube allerdings, daß ein Teil des Gefälles, das wir heute morgen hier feststellen, daß nämlich mehr ausländische Studenten bei uns studieren als deutsche im Ausland, auch darauf zurückzuführen ist, daß wir es unseren ausländischen Gaststudenten besonders leichtmachen, hier zu studieren, und vielfältige Möglichkeiten dazu anbieten. Das sollten wir nicht vergessen.
Angesichts der Hemmnisse, die ich eben nannte, führt es nicht weiter, wenn man vor allem die angebliche Auslandsmüdigkeit beklagt und vor geistiger Provinzialisierung warnt. Wir müssen uns den Verhinderungsmechanismen, wie Herr Lattmann es zutreffend genannt hat, im einzelnen zuwenden.
Durch finanzielle Förderung und verbesserte Rahmenbedingungen müssen wir den Weg ins Ausland erleichtern. Die Sorge um den Verlust des Studienplatzes z. B. muß den Studenten genommen werden. Die Hochschulen sollten die Studenten darüber informieren, daß auch in harten Numerus-clausus-Fächern eine Beurlaubung bis zu zwei Semestern möglich ist. Sie sollten gemeinsam mit den Ländern dafür sorgen, daß die Studien- und Prüfungsordnungen die Anerkennung ausländischer Studienleistungen zulassen. Die vorgesehene Aufhebung der Sanktionsvorschriften zur Regelstudienzeit wird übrigens dazu beitragen, die Scheu vor einem Auslandsstudium zu mindern, das möglicherweise auf die Regelstudienzeit angerechnet würde, ohne das Studium entsprechend zu fördern. Insofern setze ich hier den Akzent anders als Sie, Herr Kollege Rühe. Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen gehört weiter, daß ab Herbst 1979 ein zweisemestriges Auslandsstudium für die Dauer der Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz praktisch keine Auswirkungen mehr hat.
Ich möchte, Frau Kollegin Schuchardt, weil das Stichwort Ausbildungsförderung gefallen ist, auf Ihre Bemerkungen zu den Auslandszuschlägen zurückkommen. Die Daten und Zahlen habe ich nicht ganz genau im Kopf. Ich kann Ihnen aber berichten, daß ich es mir sehr schwergemacht habe, diese Verordnung über die Auslandszuschläge neu zu erlassen. Das war unerläßlich, nachdem die alte Verordnung auf der Grundlage alter Wechselkurse bereits jahrelang bestand und ersichtlich überholt war. Da gab es Auslandszuschläge für Länder, bei denen sich das Wechselkursgefälle inzwischen zu unseren Ungunsten entwickelt hatte. Wir konnten dann nicht



Bundesminister Dr. Schmude
mehr erwarten, daß deutsche Studenten noch in nennenswerter Zahl in diese Länder gehen, weil die Zuschläge in ihrem realen Wert einfach viel zu gering geworden waren. Ein umgekehrtes Wechselkursgefälle gab es im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir wissen ja, daß sich der Kurswert des Dollar in den letzten 20, 25 Jahren mehr als halbiert hat und in den letzten Jahren besonders gefallen ist. In beiden Fällen mußte nun eine Änderung erfolgen, sowohl bei den Zuschlägen für den USA-Aufenthalt als auch bei vielen Zuschlägen für den Aufenthalt in anderen Ländern. Insgesamt ist die Bilanz positiv. Durch diese Verordnung sind — ich weiß es nicht genau — 20 oder 30 Millionen DM mehr an öffentlichen Mitteln für Zuschläge erforderlich geworden. Das heißt, es werden effektiv mehr Gelder für Zuschläge ausgegeben. Nur — Sie haben recht —, bei den USA ließ sich eine Korrektur nach unten in diesem Zusammenhang nicht vermeiden.
Die Bundesregierung bemüht sich mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der deutschamerikanischen Fulbright-Kommission, den Begabtenförderungswerken und anderen Organisationen darum, die Stipendienprogramme zu erweitern und laufend den neuen sozialen Bedingungen anzupassen. Zahlreiche Einzelmaßnahmen mit diesem Ziel sind in den Haushaltsentwurf 1980 eingegangen und wurden bereits vom Haushaltsausschuß gebilligt. Die Zuwachsraten erlauben, die Stipendien- und Austauschprogramme weiter auszubauen.
Besondere Hoffnungen setze ich auf ein neues Modell, das in Zusammenarbeit von DAAD und Bundesbildungsministerium entwickelt wurde und nun auf breiter Basis ausgebaut werden soll; das Programm „Anerkanntes Auslandsstudium". Gefördert werden soll ein ein- bis zweisemestriges Auslandsstudium, das direkt zwischen zwei Hochschulen vereinbart wird. Studenten werden in kleinen Gruppen an einer ausländischen Partnerhochschule einen Studienabschnitt verbringen, der inhaltlich mit dem heimischen Studiengang abgestimmt ist. Sie sollen an der ausländischen Hochschule ergänzend vorbereitet und betreut werden. Dieses Programm stellt sicher, daß die Studienleistungen gegenseitig anerkannt werden, und trägt dazu bei, den Studenten die Angst vor Zeitverlusten zu nehmen.
Die Fulbright-Kommission beginnt in diesem Jahr mit einem Pilotprojekt für Fachhochschulstudenten, die ein Jahr in den USA studieren wollen. Gerade Fachhochschulstudenten haben einen besonders großen Nachholbedarf an Auslandsaufenthalten.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

Zu den Einzelmaßnahmen gehört auch die bessere Finanzausstattung der Begabtenförderungswerke, die großes Interesse angemeldet haben, Auslandsaufenthalte ihrer Stipendiaten stärker zu fördern.
Im Rahmen der Neuordnung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses schließlich soll die Qualifizierung durch wissenschaftsorientierte Auslandserfahrungen eine besondere Rolle spielen. Wer sich nach dem Hochschulabschluß durch eine Promotionsarbeit oder eine vergleichbare andere wissenschaftliche Arbeit weiter qualifizieren will, soll grundsätzlich die Chance haben, international relevante Fragen seines Forschungsgegenstandes im Ausland bearbeiten zu können. Die Bundesregierung wird sich bemühen, dafür die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Eine erste Aufstokkung der Mittel ist bereits für 1980 für das Sur-Place-Programm der Alexander-von-Humboldt-Stiftung vorgesehen.
Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen ist die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den internationalen Schüler-Olympiaden in bestimmten Fächern vorgesehen. 1982 wollen wir eine Schüler-Olympiade für Physik in der Bundesrepublik Deutschland ausrichten. Der Haushaltsausschuß hat dafür bereits 650 000 DM in Aussicht genommen.
Der Nachholbedarf an Austausch mit dem Ausland ist gewiß am größten im Bereich der beruflichen Bildung.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Deshalb liegt mir besonders daran, die Berufsbildung voll in den Austausch und in die internationalen kulturellen Beziehungen einzuschließen.
Erstmalig ist im Haushalt 1980 ein Titel für den Aufenthalt deutscher Auszubildender und Fortbildungsteilnehmer in ausländischen Berufsbildungsstätten vorgesehen. Der Austausch der jungen Menschen soll von Ausbildern und Fachkräften der Berufsfortbildung begleitet werden. Dieses neue Konzept soll zunächst im Rahmen der Beziehungen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland angewandt werden. Gemessen am akademischen Bereich befinden wir uns hier jedoch erst in den Anfängen.
Ich glaube jedoch, wenn man die berufliche Bildung insgesamt sieht, tut sich sehr viel mehr als das, was ich Ihnen eben nennen konnte. Wir hatten ja in den letzten Tagen hier den Besuch des israelischen Ministers für Arbeit und Soziales, Herrn Dr. Israel Katz. Dort ging es ebenfalls um den Austausch in der beruflichen Bildung, und zwar um den Austausch von Fachkräften und Ausbildern. Das ist ein Vorhaben, das seit längerer Zeit läuft und nun verstärkt wird.
In der Veränderung der inhaltlichen und zeitlichen Gestaltung der Auslandsaufenthalte und der Finanzierungsform liegen weitere Chancen, mehr junge Menschen zur Ausbildung ins Ausland zu schicken. So werden kürzere Auslandsaufenthalte, z. B. von drei Monaten, gewiß leichter wahrgenommen werden als etwa zwölfmonatige. Vor allem mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), den Begabtenförderungswerken und anderen Mittlerorganisationen wollen wir uns deshalb bemühen, neuartige Angebote an Kurzaufenthalten — wie z. B. internationale Sprachseminare in den Ferien, Praktika usw. — auszubauen.
Bei aller dieser Bereitschaft zur Verstärkung der finanziellen Förderung möchte ich aber dem Eindruck entgegentreten, daß jeder, der nach draußen geht, auch ein staatliches Vollstipendium erhalten muß. Wie in der Vergangenheit, so ist auch heute



Bundesminister Dr. Schmude
ein großer Teil der im Ausland Studierenden in der Lage, selber für die Aufenthalts- und Studienkosten aufzukommen. Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, auch in solchen Fällen mit öffentlichem Geld die fehlende Motivation oder andere Hemmnisse überwinden zu helfen.

(Beifall bei der SPD)

Was den Bereich der Arbeitnehmer anlangt, Frau Kollegin Schuchardt, so gebe ich Ihnen vollkommen recht: Hier ist es eine Aufgabe der Wirtschaft, für einen Austausch zu sorgen. Auch hier sollte der Ruf nach dem Staat und nach staatlichem Geld nicht voreilig erhoben werden.
Auch die Kriterien der Auswahl für Stipendien müssen übrigens überprüft werden, wenn wir mehr Studenten ins Ausland schicken wollen. In der Vergangenheit hat man gelegentlich Kenntnisse und Erfahrungen gefordert, die nicht Voraussetzung, sondern erst Ergebnis eines Auslandsstudiums sein konnten. Ich bin entschieden dafür, solche Anforderungen zu senken. Dabei nehme ich in Kauf, daß der staatlich geförderte Auslandsaufenthalt im Einzelfall auch einmal kein voller Erfolg wird. Wer dieses Risiko stets ausschließen will, braucht ein Ausleseverfahren, das unseren Aufrufen zu vermehrten Auslandsaufenthalten während der Ausbildung direkt entgegenwirkt.
Die gegenwärtige Diskussion über das Auslandsstudium wird mit unzureichenden statistischen Daten und Informationen geführt. Dieser Beanstandung, die bereits in dieser Debatte erhoben wurde, gebe ich recht. Deshalb ist die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt bemüht, eine differenzierte Berichterstattung, zumindest für unsere wichtigsten Partnerländer, aufzubauen. Außerdem wird die amtliche Hochschulstatistik voraussichtlich ab dem nächsten Jahr ausweisen, wie viele der jährlichen Hochschulabsolventen im Ausland studiert haben.
In Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, wird darüber hinaus gefordert, daß die Bundesregierung alle zwei Jahre einen umfassenden Bericht über den Stand und die Entwicklung der Förderung von Auslandsaufenthalten vorlegt. Wir sind bereit, bei der Weiterberatung im Ausschuß alle verfügbaren Materialien .vorzulegen: Untersuchungen, Statistiken, Programme und andere Sachinformationen. Ich bitte Sie aber, davon abzusehen, hier ein perfektioniertes und weitverzweigtes Berichtssystem einzurichten. Politische Impulse, die auf diesem Feld sicherlich erwünscht sind, bedürfen nicht einer solchen Formalisierung der Aufgaben und Probleme.
Alle Appelle und Stipendienprogramme stoßen übrigens ins Leere, wenn Auslandsaufenthalte bei der Arbeitssuche nicht honoriert, sondern von Arbeitgebern womöglich für verschleierte Ferien gehalten werden. An dieser Stelle können die privaten und öffentlichen Arbeitgeber maßgeblich die wünschenswerte Entwicklung beeinflussen. In der Bundesregierung haben wir uns darauf verständigt, in allen Ressorts bei Ausschreibungen und der Beurteilung von Bewerbungen verstärkt auf den Auslandsaufenthalt zu achten. Aus der Wirtschaft höre ich oft die Klage über eine Immobilität der jungen Nachwuchskräfte und höre die allgemeine Klage, es sei nicht mehr weit her bei unseren jungen Leuten — seien es Studenten, Auszubildende oder Mitarbeiter — mit dem Interesse am Auslandsaufenthalt. Ich muß diesen Vorwurf bzw. diese Frage zurückgeben an diejenigen, die über Berufschancen entscheiden, die darüber entscheiden, was denn nun tatsächlich ein Auslandsaufenthalt wert ist, wenn er im Lebenslauf und in Nachweisen erscheint.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind als Staat nicht dafür da, die Mängel, die dort bestehen, weil man sich bei der Beurteilung solcher Bewerbungen ganz engherzig auf fachliche Vorbildung konzentriert, dadurch auszugleichen, daß wir mit allgemeinen Appellen Bewußtsein prägen oder auch noch mit staatlichem Geld besonders massiv eingreifen. Das mag die Wirtschaft selbst bewerkstelligen.

(Rühe [CDU/CSU]: Das stimmt aber nicht, was Sie sagen! Die Wirtschaft honoriert das sehr wohl!)

Die Wirtschaft honoriert es in Einzelfällen, Herr Rühe. Sie wie ich kennen die Bereiche, in denen mal der eine, mal der andere berichtet, wie gut ihm das bekommen ist. Wenn man aber in die Breite blickt, stellt man fest, daß das bei weitem unzulänglich ist. Die Erkenntnis hat sich noch nicht durchgesetzt, daß hier auch die Wirtschaft stark gefordert ist.
Im übrigen kann der Staat nicht durch Gesetz oder Verordnung die Zahl der jungen Menschen, die im Ausland einen Ausbildungsabschnitt verbringen, in beliebiger oder erwünschter Weise erhöhen. Aber eine klare inhaltliche Bestimmung der Programme, eine umfassende Information von Studenten, Hochschullehrern, Hochschulen, die spürbare Erhöhung der Mittel und die Kooperation zwischen Staat, Hochschulen, Mittlerorganisationen und den Institutionen der Berufswelt, die sich abzeichnet, werden nach meiner Überzeugung dazu helfen, die Hindernisse zu überwinden, die wir in der Vergangenheit gehabt haben.
Meine Damen und Herren, bei diesem Bemühen bitte ich um Ihre Unterstützung. Der Wettbewerb, den Sie anbieten, Herr Kollege Rühe, ist mir willkommen. Die Bundesregierung kann in diesem Wettbewerb gut bestehen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818004900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hornhues.

Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU):
Rede ID: ID0818005000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, um beim Wettbewerb anzufangen: Ich kann feststellen — wir wollen das durchaus positiv würdigen; wenn ich an das gestrige Fußballspiel denke, dann war das das eine Tor in der zweiten Halbzeit —, daß eine Reihe von Dingen, die Sie in der Sache angekündigt haben, was die Bundesregierung vorhat und tun will, durchaus unseren Beifall und unsere Zustimmung findet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf feststellen, daß ich sehr damit zufrieden bin, daß der Verlauf dieser Debatte bisher gezeigt und deutlich gemacht hat, daß es trotz mancher Verhärtungen im Bereich der bildungspolitischen Landschaft anscheinend doch noch möglich ist, wenigstens hier noch vernünftig über wichtige Fragen miteinander zu reden. Daß wir uns in wesentlichen Punkten einig sind, läßt die Hoffnung aufkommen, daß wir bei den Beratungen im Ausschuß in der Sache sehr zügig zu Ergebnissen kommen werden.



Dr. Hornhues
Eine der wichtigen Fragen, die heute zur Debatte standen oder noch stehen, war: Wie ist es eigentlich mit der Auslandsmüdigkeit? Sind die Schüler, sind die Studenten so müde, oder wer ist eigentlich müde? Ich muß unterstreichen, was der Kollege Rühe schon gesagt hat. Ich sage freimütig, als wir uns des Problems annahmen, hatten wir am Anfang ebenfalls den Eindruck, da sei eine gewisse Müdigkeit vorhanden. Je länger man sich aber mit dem Problem beschäftigte, um so intensiver wurde einem klar, daß die eigentliche Ursache für die Müdigkeit im wesentlichen woanders lag. Ich glaube, eines der ganz großen Probleme liegt in dem Bereich, den man im weitesten Sinne schlicht mit Bürokratismus bezeichnen kann. Ich will als ein Beispiel dafür die „Frankfurter Rundschau" vom 11. Oktober 1979. heranziehen, in der über das Ergebnis einer Untersuchung im Auftrage der Bundesregierung zum Anglistenprogramm berichtet wird. Es heißt dort, daß von den im Rahmen dieses Anglistenprogramms in England und Amerika studierenden Deutschen 84 % der in England studierenden und 82,4% der in Nordamerika studierenden deutschen Studenten nach Beendigung ihres Auslandsaufenthalts ihre Studienzeit im Ausland nicht anerkannt bekommen hätten. Ich darf wiederholen: 84 % und 82,4 % nicht anerkannt.

(Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

Zum zweiten gibt es entsprechend hohe Zahlen bei den Studienleistungen, die ebenfalls nicht anerkannt worden sind. Ich könnte dies durch wunderschöne Erlebnisberichte darüber ergänzen, auf welche Hemmnisse man stößt, wenn man erfahren will, wo welches Programm an den Hochschulen und Universitäten zu bekommen ist, um deutlich zu machen, wo die Probleme liegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren — das ist das meiner Auffassung nach Gute an der Diskussion heute morgen —, wir sollten das Punkt für Punkt durchgehen und jeweils prüfen, wo was nicht funktioniert, wo was wie verbessert werden kann. Denn wenn man sich einmal ansieht, wie es vor sich geht, wenn man sich um einen Auslandsaufenthalt bemüht und nicht auf Verwandte und Bekannte, auf ganze Generationen von Verwandten und Bekannten, die schon im Ausland studiert haben, zurückgreifen kann, dann wird klar, warum da manches an Müdigkeit eintritt. Man wird schlicht müde, sich um alles mögliche zu bewerben, mit Tonnen an Fragebogen, die auszufüllen sind, mit allem möglichen, was dazu gehört. Ich glaube, hier liegt ein ganz entscheidender und wichtiger Punkt, dem wir uns irgendwie stellen müssen.
Dazu gehört auch die Situation an den ausländischen Hochschulen, beispielsweise die Tatsache, daß selbst im EG-Bereich an den ausländischen Hochschulen von ausländischen Studenten grundsätzlich höhere Studiengebühren eingefordert werden, als dies bei inländischen der Fall ist — ein weites, den auswärtigen Bereich betreffendes Tätigkeitsfeld, das auch ein Tätig-Werden in anderen Punkten erforderlich macht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicherlich kann man sagen — und ich bin dieser Überzeugung —: Der Gesamtbereich von Bürokratie im weitesten Sinne mit allem, was dazu gehört, ist ein Haupthindernis dafür, daß die Zahl derer, die sich im Ausland ausbilden lassen, letztlich so gering ist.
Hinzu kommt die mangelnde Transparenz hinsichtlich dessen, was an Förderungsmöglichkeiten vorhanden ist.
Hinzu kommt weiter — das ist hier vorhin angesprochen worden —, daß wir es bei den jungen Leuten, die heute an den Hochschulen sind — da stimme ich Herrn Lattmann und den anderen zu —, zu einem erheblichen Teil mit jungen Leuten zu tun haben, die die Selbstverständlichkeit manch anderer, einmal im Ausland zu studieren, von Haus aus nicht mitbringen. Hier müssen wir — ungeachtet unserer Förderungsmöglichkeiten, unserer Programme und all dessen, was wir so haben und worauf man dann so stolz ist, wenn man darüber redet — vielleicht einmal stärker überlegen, ob wir nicht genau um diese Gruppen innerhalb der jungen Generation werben müssen und nicht nur dastehen und sagen: Jetzt kommt einmal. Vielmehr müßte man anfangen, gezielt zu werben und das bekanntzumachen, was überhaupt an Möglichkeiten besteht. Meine Erfahrungen bei Besuchen in Ausbildungseinrichtungen machen immer wieder deutlich, daß ein erheblichen Informationsloch gegeben ist: bei den Schülern, bei den Studenten, bei den Auszubildenden, aber auch und vor allen Dingen bei den Lehrern und erst recht bei den Hochschullehrern. In diesem Bereich, meine sehr geehrten Damen und Herren, leiden wir darunter, daß durch die Entwicklung der letzten Jahre, den sehr raschen und manchmal überschnellen Ausbau der Hochschulen in einem sehr großen Umfang Hochschullehrer selbst in Sprachen an deutschen Hochschulen unterrichten, die ihrerseits nicht einmal im Ausland studiert haben. Daß von da aus also wenig Motivation auf junge Menschen übergeht, liegt, glaube ich, auf der Hand.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818005100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogelsang?

Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU):
Rede ID: ID0818005200
Ich habe nur noch einige Minuten, Herr Vogelsang. Sie haben vermutlich gleich die Gelegenheit, etwas zu sagen. Tun Sie es bitte dann.
Ich darf nun noch einige Bemerkungen zu dem machen, was zu tun ist.
Hinsichtlich der Verbesserung der Förderungsmöglichkeiten wird man, glaube ich, auch überlegen müssen, ob und in welchem Maße wir an neue Finanzierungen der Förderung herangehen. Es sind uns bei unseren Vorgesprächen eine Reihe von durchaus interessanten und meiner Auffassung nach erwägenswerten Modellen vorgetragen worden, etwa die Frage, ob es in bestimmten Bereichen von Auslandsaufenthalten, von Ausbildung im Ausland nicht die Möglichkeit eines revolvierenden Darlehensfonds oder einer Teilförderung gibt. All dies werden wir meiner Auffassung nach prüfen müssen, um nicht den Eindruck zu erwecken, hier gehe es nur darum, möglichst viel Geld auf einen bestimmten Punkt 'zu schaufeln.
Wichtig wird auch sein — das haben wir hier sehr deutlich gemacht —, hinsichtlich derjenigen, die



Dr. Hornhues
eine Ausbildung im Ausland bekommen, über die Hochschulen hinauszugehen. Liebe verehrte Frau Kollegin Schuchardt, wenn Sie meinten, wir riefen da nach dem Staat, dann darf ich Sie bitten, all das, was wir gesagt und geschrieben haben, einmal durchzulesen. Es ist schlicht so, daß Sie dann, wenn Sie es jungen Menschen erleichtern wollen, einen Teil ihrer Lehrlingsausbildung im Ausland zu absolvieren, permanent auf uns stoßen: Da stoßen Sie auf die Ausbildungsordnungen, da stoßen Sie auf das Berufsschulwesen, da stoßen Sie irgendwie immer auf das, was man als Hemmnis von staatlicher Seite bezeichnen kann. Deswegen müssen wir als Politiker uns nicht darum bemühen, mehr Staat ins Spiel zu bringen, sondern darum, zu verhindern, daß hier der Staat seinerseits durch die Verordnungen und sonstigen Bestimmungen, die er nicht mit Blick auf diese Punkte erlassen hat, wiederum zum Hemmnis wird.
Meine Damen und Herren, ein wichtiger Punkt scheint mir noch zu sein — über die Inlandsproblematik können wir uns dann ja im November unterhalten —, daß wir uns tatsächlich intensiver darum kümmern, die verschiedenen Abschlüsse der Studien im Ausland und im Inland wenigstens ansatzweise auf einen Nenner zu bringen. Denn das, was ich einleitend an Zahlen vorgetragen habe, macht deutlich, wie katastrophal die Situation ist. Wenn 80% der Betreffenden ihre im Ausland erworbenen Leistungen nicht anerkannt bekommen, halte ich dies schlechterdings für eine Katastrophe, wobei man zur Ehre derjenigen, die da befragt worden sind sagen muß, daß trotz all dieser schlechten Erfahrungen 90 % der Befragten der Auffassung waren, es sei gut, richtig und schön gewesen und habe ihnen sehr viel gegeben, im Ausland zu studieren.
Meine Redezeit geht zu Ende. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir gehen in die Ausschußberatungen, und ich wünsche mir, daß wir da wirklich Punkt um Punkt versuchen, zu realistischen Verbesserungen mit dem Ziel zu kommen, daß wir künftig sagen können, es gehen wieder in wesentlich größerer Zahl junge Menschen ins Ausland, denn darüber, daß wir eine junge Generation brauchen, die möglichst intensive Auslandserfahrungen hat, sind wie alle in diesem Hause uns ja glücklicherweise einig.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818005300
Das Wort hat Frau Staatsminister Hamm-Brücher.

Dr. Hildegard Hamm-Brücher (FDP):
Rede ID: ID0818005400
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachdem das Auswärtige Amt für die internationalen Kulturbeziehungen zuständig und verantwortlich ist und wir hier in sehr vielen Fragen angesprochen worden sind, möchte ich für das Auswärtige Amt ausdrücklich für diese Debatte und für die Initiative zu dieser Debatte danken. Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, daß wir hier keine grundsätzlich divergierenden Meinungen, sondern eher gemeinsam eine große Sorge haben und daß wir uns hinsichtlich des Ziels,
hinsichtlich der politischen Aufgabe — die bezüglich der Zuständigkeiten umfassend ist und Bund und Länder betrifft, die verschiedene Bundesressorts betrifft, die die ganze Welt betrifft — und hinsichtlich der Schwerpunkte einig sind, daß wir aber vielleicht doch noch nicht ausreichend über die Probleme und die Schwierigkeiten debattiert haben, was wir ja in den zuständigen Ausschüssen nachholen können.
Herr Kollege Rühe, Sie haben auf die Schwierigkeiten, die sich in diesem Bereich auftun, aufmerksam gemacht. Durch die Diskussion hat sich immer wieder das Problem der Zuständigkeiten hindurchgezogen. Ich denke eben, daß eine Debatte, wie wir sie hier heute führen, ebenso in allen Landtagen geführt werden müßte,

(Beifall bei allen Fraktionen) daß sie im Bundesrat geführt werden sollte


(Wehner [SPD]: Ein frommer Wunsch!)

und daß sie in dem hierfür ja geschaffenen gesamtstaatlichen Gremium, nämlich der Bund-LänderKommission für Bildungsplanung, geführt werden sollte.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Da ich eine Gründungsmutter dieser Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung bin, erinnere ich mich daran, daß in dem Abkommen, das hierzu zwischen Bund und Ländern geschlossen wurde, ausdrücklich die Probleme der internationalen Zusammenarbeit in diesem Bereich erwähnt sind. Ich freue mich darüber, daß Sie, Herr Rühe, dies aktiviert haben, und ich glaube, das ist das Gremium, in dem dies zwischen Bund und Ländern zunächst auf Verwaltungsebene verhandelt werden muß.
Meine Damen und Herren, wie sieht es nun im Auswärtigen Amt aus? In der Stellungnahme der Bundesregierung zum Enquete-Bericht des Deutschen Bundestages haben wir an ungezählten Stellen — ich will das im Hinblick auf die Zeit nicht vorlesen — darauf hingewiesen, was gleichlautend mit Motivation und Zielsetzung dieses Antrages ist.
Wir haben im Rahmenplan für die internationale Zusammenarbeit im Schulbereich, der keineswegs nur unsere Auslandsschulen, sondern alle Bereiche betrifft und auch die Fragen des Schüleraustausches, des Lehrlingsaustausches umfaßt, und wir haben in der Haushaltsgestaltung der letzten Jahre bei der Verwirklichung dieser schönen Postulate mit Ihrer Hilfe und Ihrer Unterstützung wirklich große und erfreuliche Fortschritte erzielt. Dies zieht sich wie ein dicker Leitfaden — ich möchte ihn nicht mit einer Farbe bezeichnen, um keine falschen Assoziationen zu erwecken — auch durch unseren Haushalt, den wir gerade beraten. Das bezieht sich auf den Bereich der Aufgabe, für den das Auswärtige Amt zuständig ist, und Sie haben vorhin auch für das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gehört, daß diese Mittel ganz wesentlich erhöht werden sollen.
Ich möchte dies mit ein paar Zahlen unter Beweis stellen. Ich nenne einmal den von mir so sehr unterstützten Schwerpunkt unserer Beziehungen zu den



Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher
I europäischen Staaten und zu Nordamerika. Wir haben von diesem zum nächsten Jahr die Zahl der Fulbright-Teilstipendien von 100 auf 140, also um 40 %, erhöht. Wir haben die Zahl der Reisestipendien von 30 auf 50 erhöht, und wir hoffen sehr, auch die Zahl der Vollzeit-Stipendien zu erhöhen, was allerdings auch von seiten unserer amerikanischen Partner äquivalent angeboten werden muß. Wir haben für die USA ein Sonderprogramm zum Austausch von Bildungspolitikern, Gewerkschaftlern, Fachhochschulprogrammen und von Leitern der Akademien der Auslandsämter. Ich glaube, wir können von den USA u. a. auch lernen, wie man ausländische Studenten freundlich und gastfreundlich betreut. Hieran hapert es bei uns hin und wieder leider auch.

(Beifall bei der SPD)

Auch aus dem Bereich des Wissenschaftleraustausches, der angesprochen wurde, sind erfreuliche Zahlen zu vermelden. Die Zahl der entsandten Lektoren ist von 315 im Jahre 1978 auf 375 gesteigert worden, die Zahl der Gastprofessoren soll allein zwischen dem letzten und dem nächsten Jahr von 106 auf 170 erhöht werden. Liebe Kollegen von der CDU, ich glaube, wir sind genauso tief wie Sie in den Startlöchern. Wir haben dieses Thema aufgegriffen und freuen uns, daß es Ihrerseits Unterstützung finden wird. Insgesamt haben wir die Zahl der entsandten Wissenschaftler von 320 auf 545 innerhalb von nur drei Jahren erhöht.
Ähnlich sind auch die Zahlen in den Schüleraustauschförderungsprogrammen und in den Jugendaustauschprogranunen, soweit sie bei uns ressortieren. Ich nenne nur das uns allen am Herzen liegende German-American-Partnership-Program, für das wir in diesem Jahr zum erstenmal mit Ihrer Zustimmung über 103 000 DM eingesetzt haben. Unsere übrigen USA-Jugendaustauschprogramme werden von uns zur Zeit mit 77 000 DM unterstützt. Wir haben ein französisches Kindergärtnerinnenaustauschprogramm mit über 100 000 DM besonders gefördert, wir haben die Schülerprämienprogramme mit den Vereinigten Staaten jetzt fast auf 200000 DM gesteigert, und etwas ähnliches gilt für Großbritannien.
Im deutsch-französischen Schüleraustausch sind die Steigerungsraten enorm. 1973 haben wir dieses Schüleraustauschprogramm mit 1,03 Millionen DM gefördert, 1977 waren es 1,5 Millionen DM, und für 1980 sind 2,1 Millionen DM vorgesehen. Sie mögen daraus ersehen, daß uns Ihr Anliegen genauso am Herzen liegt und daß wir wirklich alles im Rahmen des Haushalts Mögliche tun, um hier Fortschritte zu erzielen, zumindest was die Haushaltshöhe angeht. Über die inhaltliche Gestaltung dieser Programme sollte man sich im Ausschuß natürlich auch einmal unterhalten.
Nun, wo kneift's? — Hier sind zwei wichtige Problemkreise genannt worden: Äquivalenzen und Fremdsprachen. Das sind die zwei großen Hindernisse auf dem Weg zu mehr Begegnung und einem freizügigeren Austausch.
Was im Bereich der Äquivalenzregelungen bisher erreicht wurde, ist — ich sage das mal ganz un-
geschminkt — völlig unbefriedigend, und zwar sowohl bilateral als auch multilateral. Denn in der EG, im Europarat, in der UNESCO, überall bemühen wir uns ja um diese Äquivalenzfrage. Ich sage Ihnen: Wenn irgendwo auf der Welt Fliegenbeine gezählt werden, dann im Bereich der Äquivalenzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Erbsenzähler!)

— Oder Erbsen. Ich nenne lieber Erbsen. Damit ich nicht mit dem Tierschutzverein Schwierigkeiten bekomme, sage ich: Erbsen werden gezählt. Ich sage Ihnen nach zehnjährigem Erbsenzählen: So kommen wir nicht weiter.

(Rühe [CDU/CSU]: Schoten zählen!)

— Nein. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Gordischen Knoten durchzuschlagen: nämlich zur Praxis in Europa vor dem Ersten Weltkrieg zurückzukehren: also grundsätzlich alle hochschulberechtigten Abschlüsse in Europa und alle Zwischenphasen und alle Studienabschlüsse innerhalb Europas anzuerkennen. Wenn wir uns nicht dazu aufraffen, werden wir noch zehn oder zwanzig Jahre lang Erbsen oder Fliegenbeine zählen

(Zuruf von der CDU/CSU: Und damit hunderte von Beamten beschäftigen!)

und in dieser schwierigen Äquivalenz-Problematik außer Empfehlungen und Absichtserklärungen in der Praxis allenfalls Millimeter weiterkommen. Wenn wir dieses Hindernis nicht abbauen, wird auch die Freizügigkeit unserer Studierenden in allen Bereichen des Hochschulwesens nicht größer werden.
Zum Fremdsprachenbereich: Auch hier — das ist das Groteske innerhalb Europas — ist die Entwicklung ja leider rückläufig. Ich sage Ihnen: Wir haben gar keinen Grund, die Franzosen zu kritisieren,

(Rühe [CDU/CSU]: Das habe ich ja gesagt!)

weil sie da mal einen Versuchsballon gestartet haben. Wir sind im Verzug.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Knapp 2 % unserer Oberschüler lernen Französisch als erste Fremdsprache. In Frankreich sind es über 33 %, die als erste Fremdsprache Deutsch lernen. Daß die Franzosen hier langsam ungeduldig werden, kann ich ihnen nicht verdenken.

(Beifall)

Darum auch die großen Anstrengungen auf dem deutsch-französischen Kolloquium in Ludwigsburg. Darum die erfreulichen Fortschritte in der jetzigen Begegnung zwischen dem Bevollmächtigten und dem französischen Erziehungsminister. Ich hatte leider eine schwere Grippe und konnte deshalb nicht persönlich daran teilnehmen. Aber am nächsten Tag habe ich mit Herrn Vogel vereinbart, einen Arbeitskreis ins Leben zu rufen, in dem wir — ich hoffe, ein Landesministerpräsident hat hier eine größere Autorität als ein Staatssekretär im Auswärtigen Amt — die Länder etwas gezielter am Portepee packen können.

(Beifall bei allen Fraktionen)




Staatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher
Wir müssen in der Förderung des französischen Sprachunterrichts etwas bei uns tun: Europa darf nicht sprachlos werden!
Ich füge hier gleich hinzu: Wir müssen in den Schulen und vor allem außerhalb der Schulen in Klubs, Arbeitsgemeinschaften, Wettbewerbsformen Angebote für Französisch außerhalb des Notendrucks machen. Denn wenn wir es innerhalb des Notendrucks tun, ist Französisch eine schwere Sprache.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Ich habe es bei den eigenen Kindern gemerkt. Die haben Französisch sehr gern gehabt. Aber sie haben ausgerechnet: Da wird es ein bißchen schwieriger. Dann haben sie es aufgegeben. Wir können Angebote im schulischen und im außerschulischen Bereich, bei Jugendvolkshochschulen und ähnlichem Angebote machen, wo Fremdsprachenlernen Spaß macht.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Das ist doch das Wichtigste. Wir wissen doch selber, wie gern man Fremdsprachen gelernt hat, wenn man Freunde oder eine Freundin gehabt hat, und wie mühsam es ist, wenn täglich die rote Tinte das Urteil spricht.
Was diese beiden soeben behandelten Fragen betrifft, meine Damen und Herren, so müssen wir allerdings etwas schaffen. Dabei muß der politische Wille des Deutschen Bundestages sehr viel entschiedener zum Ausdruck kommen, als es bisher geschehen ist.
Wir können Programme verstärken, wir können die Mittel verstärken, wir können die Instrumente der Zusammenarbeit verbessern. Wir haben ja jetzt seit fast zwei Jahren einen interministeriellen Ausschuß, der in allen Fragen der Auswärtigen Kulturbeziehungen koordinieren und kooperieren soll. Er hat sich mit diesem Thema beschäftigt und wird es weiterhin tun. Wir müssen in Bund und Ländern zwischen den Institutionen zusammenarbeiten, die vorhanden sind und die für diese Aufgaben nur aktiviert zu werden brauchen.
Zusammenfassend möchte ich zu dieser Debatte noch folgendes sagen. Das Wichtigste ist die Bewußtseinsänderung. „Auslandsmüdigkeit" ist auch wieder so ein Schlagwort wie viele andere in unserem Land und in unserer Zeit, die eher lähmen, aber nicht klären und motivieren.
Natürlich gibt es hier Symptome, die uns Sorgen machen müssen. Frau Kollegin Schuchardt hat nur eines genannt. Man braucht sich auch nur die Zahlen bei den Entwicklungshelfern anzusehen. Unsere Kirchen und politischen Stiftungen haben heute sehr viel weniger Angebote zu einer Mitarbeit — vor allem in der Dritten Welt — als früher. Aber, ich glaube, wir müssen eher ermutigen, als immer nur auf der Auslandsmüdigkeit herumzureiten. Wenn man die Beispiele dafür, daß es in zahlreichen Fällen keine Auslandsmüdigkeit gibt, immer wieder herausstellt, dann wird man in der jungen Generation viel mehr Freude wecken, hier mitzumachen, als wenn man ihr dauernd vorwirft, sie sei provinziell und auslandsmüde.
Meine Damen und Herren, wie wir alle wissen, ist die freie Initiative entscheidend. Wir können noch so viel Geld geben, noch so viele Programme machen, wir können besser koordinieren — die freie Initiative ist entscheidend. Hier ist das Auswärtige Amt wirklich der Meinung, daß die globalen Ziele unserer Außenpolitik dringend von einer zunehmend lebendigeren Bereitschaft des gegenseitigen Kennenlernens der Menschen verschiedener Völker, Sprachen, Rassen und Kulturen flankiert werden müssen. Denn das Fremde, das Andersartige ist für den Deutschen zunächst einmal ein schwieriges Hindernis zur menschlichen Begegnung. Das sehen Sie auf internationalen Kongressen, wo sich die anderen längst gefunden haben, wenn wir noch etwas zögernd abseits stehen.
Ich glaube, wir sind uns alle darüber klar: Wir müssen lernen, daß viele Menschen anders aussehen, anders sprechen und andere Gewohnheiten haben. Wir müssen mit ihnen zusammenleben, weil die Friedenssicherung auf dieser gefährdeten Welt hiervon am Ende wahrscheinlich sehr viel entscheidender abhängen wird als von allen Bemühungen, die wir im politischen, im militärpolitischen, und im diplomatischen Bereich unternehmen.
Deshalb, meine Damen und Herren, begrüßt die Bundesregierung — das sage ich als Vertreterin des Auswärtigen Amts — diesen Antrag und die Diskussion. Sie ist zu jeder Zusammenarbeit in den Ausschüssen bereit.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0818005500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend — sowie an den Auswärtigen Ausschuß, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit und den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Es ist jetzt zehn Minuten vor 13 Uhr. Frau Dr. Wilms hat für ihre Rede jedoch 20 Minuten ange- meldet. Daher ist es wohl am besten, wenn wir die Mittagspause jetzt beginnen.
Wir treten jetzt also in die Mittagspause ein.. Um 14 Uhr nehmen wir die Sitzung mit der Fragestunde wieder auf.
Ich unterbreche die Sitzung.

(Unterbrechung von 12,50 bis 14.00 Uhr)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818005600
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir treten in die
Fragestunde
— Drucksachen 8/3262, 8/3273 —
ein. Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With zur Verfügung.
Ich rufe die erste Dringliche Frage — des Herrn Abgeordneten Böhm (Melsungen) — auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung fiber das Verschwinden des sowjetischen Kanu-Sportlers (Olympiasieger von 1972), Vladislavas Tschessiounias, vor, der nach seiner Flucht in die Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht hatte, und welche Schritte wird die Bundesregierung bei der Sowjetunion einleiten, um die sofortige Rückkehr des litauischen Kanu-Sportlers Vladislavas Tschessiounias in die Bundesrepublik Deutschland zu verlangen, der Pressemeldungen zufolge widerrechtlich in die Sowjetunion verschleppt worden ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.




Dr. Hans de With (SPD):
Rede ID: ID0818005700
Nach einem Bericht des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof haben die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen des Verschwindens des sowjetischen Kanusportlers Vladislavas Tschessiounias bisher folgendes ergeben:
Der aus Litauen stammende Vladislavas Tschessiounias, der bei den Olympischen Spielen 1972 in München die Goldmedaille im Zweierkanu gewonnen hatte, begleitete im August 1979 als Betreuer die sowjetische Mannschaft zu den Kanu-Weltmeisterschaften in Duisburg. Er entschloß sich, in der Bundesrepublik Deutschland die Gewährung politischen Asyls zu beantragen, verließ seine Mannschaft und fand bei einer befreundeten Familie in Altena Unterkunft. Am 20. August 1979 beantragte Tschessiounias die Gewährung politischen Asyls. Am gleichen Tage erging seitens der zuständigen Verwaltungsbehörde ein bis Februar 1980 befristeter sogenannter Duldungsbescheid, durch den Tschessiounias eine Aufenthaltungserlaubnis erteilt wurde.
Anfang September 1979 belegte Tschessiounias am Goethe-Institut in Iserlohn einen Kursus für die deutsche Sprache, den er regelmäßig besuchte. Am 13. September 1979 fuhr Tschessiounias wie üblich gegen 7 Uhr mit dem Linienbus nach Iserlohn. Dort wurde er von anderen Schülern des Goethe-Instituts zuletzt auf dem Schulhof gesehen.
Anläßlich des Verschwindens von Vladislavas Tschessiounias ist ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, das die Staatsanwaltschaft Dortmund der Bundesanwaltschaft am 8. Oktober 1979 mit der Bitte um Prüfung der Übernahme vorgelegt hat. Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof hat am gleichen Tag die Übernahme des Verfahrens erklärt und das Bundeskriminalamt mit der Durchführung der weiteren Ermittlungen wegen des Verdachts eines Vergehens der geheimdienstlichen Agententätigkeit in Tateinheit mit einem Verbrechen der Verschleppung beauftragt.
Die Bundesregierung hat bei der sowjetischen Regierung angefragt, ob sich Tschessiounias in der Sowjetunion aufhalte. Die sowjetische Regierung hat diese Frage bejaht.
Zu weiteren Einzelheiten möchte die Bundesregierung im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts nicht Stellung nehmen. Ihr weiteres Vorgehen macht die Bundesregierung von dem Ergebnis der Ermittlungen abhängig, die, Herr Kollege, selbstverständlich mit größtem Nachdruck geführt werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818005800
Zusatzfrage, bitte.

Wilfried Böhm (CDU):
Rede ID: ID0818005900
Herr Staatssekretär, hat der litauische Sportler Tschessiounias während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber irgend jemandem erklärt, daß er unter Umständen bereit sei, in die Sowjetunion zurückzukehren, oder hat er im Kreis derer, mit denen er hier zusammen gewesen ist, konkrete Pläne über seine berufliche Zukunft innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich habe Verständnis für Ihre Frage. Ich bitte aber auch um Verständnis für folgendes. Nach der Strafprozeßordnung sind die Ermittlungen nicht öffentlich. Das dient einem dreifachen Zweck: dem Schutz des Opfers, der Vermeidung einer präjudizierenden Wirkung auf etwaige Beschuldigte und drittens natürlich dazu, die Ermittlungen zu schützen. Dies muß selbstverständlich mit dem Interesse der Öffentlichkeit an Informationen abgewogen werden.
Aus diesen Gründen sehe ich mich — ich bitte um Nachsicht — veranlaßt, keine weiteren Angaben zu machen. Aber ich habe ja in der Sitzung des Innenausschusses gestern angeboten, der Herr Generalbundesanwalt sei selbstverständlich bereit, die Mitglieder des Innenausschusses zu informieren. Nach meinem jetzigen Wissen soll dies am Freitag ab 11.30 Uhr der Fall sein.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818006000
Weitere Zusatzfragen?

Wilfried Böhm (CDU):
Rede ID: ID0818006100
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die Sowjetunion, die durch die mysteriöse Angelegenheit mit dem Makel des Menschenraubes behaftet worden ist, auf alle Fälle dem verschwundenen Sportler Gelegenheit geben sollte, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unbeeinflußt und frei seine Auskünfte über die von ihm gewünschte persönliche Zukunft zu geben, und sind Sie mit mir der Meinung, daß ein solches Verhalten der Sowjetunion den deutsch-sowjetischen Beziehungen nützlich, dienlich und für die Entwicklung dieser Beziehung unabdingbar ist?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Es verbietet sich allgemein, Wertungen bei einem noch laufenden Ermittlungsverfahren abzugeben. Das ist erst recht hier der Fall. Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesrepublik alles tun wird, um die Menschenrechte nicht nur zu beachten, sondern auch der Wahrung der Menschenrechte zum Erfolg zu verhelfen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818006200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0818006300
Herr Staatssekretär, treffen Pressemeldungen zu, die ja als Teil desses, was bereits öffentlich ist, auch nicht der strafprozessualen Geheimhaltung unterliegen, nach denen zwei Tage vor dem Verschwinden des Sportlers Meldungen über das einer in Chicago erscheinen, den litauischen Emigrantenzeitung gegebene Interview bekanntgeworden sind, wonach Tschessiounias die Absicht gehabt haben soll, ein Buch über Dopingmethoden im sowjetischen Sport zu veröffentlichen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, verzeihen Sie, ich war eigentlich der Meinung,



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. de With
daß Sie als Kollege vom Fach die Abwägung und Beachtung der Grundsätze, die ich vorhin aufgezählt habe, teilen. Aus diesem Grunde sehe ich mich veranlaßt, mich auf meine Ausführungen zu beziehen, die ich hier gemacht habe. Ich verweise auf den Freitag.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818006400
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Spranger.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID0818006500
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung die von Tschessiounias wenige Tage vor seinem Verschwinden in einem Gesprächskreis abgegebene Erklärung bekannt, er werde allenfalls tot in die Sowjetunion zurückkehren, und wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Meldungen über schwere Verletzungen des Betreffenden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Spranger, auch Sie sind vom Fach. Die Bundesregierung ist nicht der Ermittlungsführer.

(Spranger [CDU/CSU]: Das ist unglaublich! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Was sollen diese Beurteilungen?)

— Ich würde bitten, mich ausreden zu lassen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818006600
Einen Moment bitte! Zur Zeit hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär das Wort.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Der Generalbundesanwalt ist der Ermittlungsführer. Nach einem Fernschreiben habe ich gestern den Inhalt dessen, was erklärt werden kann, im Innenausschuß dargelegt. Für weitere Fragen steht der Generalbundesanwalt am Freitag zur Verfügung. Ich sehe mich im Interesse des Schutzzweckes des Ermittlungsverfahrens außerstande, hier weitere Auskünfte zu erteilen und bitte sehr herzlich, das zu verstehen. Ich würde Sie gern mit weiteren Informationen bedienen, aber das geht nicht.

(Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818006700
Wenn wir Fragestunde haben, ist das Mikrofon das geeignete Instrument, das, was man sagen will, an die Regierung heranzutragen. — Eine Zusatzfrage, Herr Corterier.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0818006800
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß gerade auch die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik es verbieten, vor einer völligen Aufklärung dieses Falles mit Unterstellungen und Verdächtigungen in irgendeiner Richtung zu operieren?

(Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört, diese Bemerkung!)

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Zunächst, Herr Kollege Corterier, ist der Schutzzweck der Strafprozeßordnung, den ich in drei Punkten dargelegt habe, abzuwägen gegen das Interesse der Öffentlichkeit an Information. Wenn sich dann Schlußfolgerungen ergeben, hat die Bundesregierung selbstverständlich darauf zu achten, was sie im Interesse dieses Staates zu tun und zu lassen hat. — Um auf den Zwischenruf des Herrn Kollegen Bötsch eine Anmerkung zu machen, — —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818006900
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, lassen Sie sich nicht darauf ein, auf Zwischenrufe zu antworten! Wir sind in der Fragestunde.

(Parl. Staatssekretär Dr. de With: Ja, ich darf — —!)

— Sie dürfen natürlich alles. Aber ich würde Ihnen das dringend empfehlen; denn sonst kann man daraus, ob Sie auf Zwischenrufe eingehen oder nicht, Schlüsse ziehen: Sie wollen nicht, Sie können nicht; was weiß ich. Das war ein guter Rat.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Danke! Ich habe noch nie etwas gegen einen Zwischenruf gehabt, Herr Präsident. Ich danke für den Hinweis.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818007000
Nur, wir sind nicht in der Debatte; da ist das etwas ganz anderes.
Nächste Zusatzfrage, Herr Schmöle.

Hans Werner Schmöle (CDU):
Rede ID: ID0818007100
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß jetzt im Zusammenhang mit dem Fall Tschessiounias herabwürdigende und beleidigende Äußerungen über Mitglieder der befreundeten Familie, die Herrn Tschessiounias aufgenommen hat, in der Öffentlichkeit gemacht werden, und würden Sie mir bestätigen, daß ein Rechtsschutzinteresse der Familie besteht, hier sehr schnell Klarheit zu schaffen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung liest Zeitungen — das dürfen Sie als selbstverständlich erachten. Und natürlich gehe ich davon aus, daß — das sage ich ganz abstrakt —, wenn irgend jemand in seinen Rechten beeinträchtigt ist, dieser die Hilfe des Staates zur Wiederherstellung seiner Ehre in Anspruch nehmen kann.
Im übrigen habe ich eingangs ausgeführt, daß der Generalbundesanwalt selbstverständlich mit größtem Nachdruck bemüht ist, die Ermittlungen voranzutreiben, um das Moment der Unsicherheit, das entstanden ist, auszuräumen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818007200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0818007300
Herr Staatsekretär, können Sie dem Hohen Hause mitteilen, welche amtliche Stelle einem Bundestagsabgeordneten erklärt hat, daß der Betroffene aus eigenem Entschluß in die Sowjetunion zurückgekehrt sei, und wie begründen Sie diese amtliche Mitteilung?

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Althammer, ich bin nicht ganz sicher, ob dies — aber



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. de With
das ist nicht meine Entscheidung — mit dem Tenor der Frage übereinstimmt.
Ich halte mich nach dem Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit nicht für verpflichtet, über irgendwelche Äußerungen Auskunft zu geben,

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)

die möglicherweise im Rahmen dieses Gesetzes erteilt worden sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818007400
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Miltner.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818007500
Herr Staatssekretär, nachdem der Herr Kollege Wehner auf Grund seiner Erkenntnisse — so Pressemeldungen — von einer freiwilligen Rückkehr des litauischen Sportlers in die Sowjetunion ausgeht, frage ich die Bundesregierung, ob sie nicht doch schon jetzt in der Lage ist, auf Grund ihrer Erkenntnisse mehr zu sagen, als Sie es eben getan haben, also zu sagen, ob eine Verschleppung vorliegt oder nicht?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Miltner, ich darf wiederholen: Ich halte mich nach dem Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes nicht für befugt, über Art und Inhalt von Informationen, die den vom Deutschen Bundestag gewählten Mitgliedern dieser Kontrollkommission gegeben werden, Auskünfte zu erteilen. Ich wiederhole erneut, daß ich es nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen für untunlich halte, weitere Auskünfte coram publico abzugeben. Ich verweise erneut auf die Gelegenheit, die morgen, am Freitag, ab 11.30 Uhr im Innenausschuß des Deutschen Bundestages gegeben ist.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818007600
Meine Damen und Herren, ich darf hier die Information geben, daß sich der Abgeordnete Wehner entschuldigt hat, weil er an der Beerdigung seines verstorbenen Kollegen teilnimmt. Dies braucht hier nicht weiter erörtert zu werden.
Herr Kollege Kunz, Sie haben die nächste Zusatzfrage.

Gerhard Kunz (CDU):
Rede ID: ID0818007700
Herr Staatssekretär, welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den offenkundigen Unstimmigkeiten in der sowjetischen Darstellung über die Rückkehr von Tschessiounias, z. B. der, daß der tatsächlich in Lüdenscheid gestellte Asylantrag in Duisburg gestellt worden sei? Es gibt noch zahlreiche weitere ähnliche Unstimmigkeiten.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kunz, nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist es nicht an der Zeit, irgendwelche Wertungen vorzunehmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818007800
Weitere Zusatzfrage, Graf Huyn.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0818007900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, ihren offenbar sehr spärlichen Informationsstand dadurch aufzubessern, daß sie den deutschen Botschafter in Moskau zur Berichterstattung nach Bonn ruft?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich sagte schon, Herr Kollege: Ermittlungsführer ist der Generalbundesanwalt. Dieser hat seinen Berichtspflichten voll genügt. Wir haben keinen Anlaß, anzunehmen, daß diese Berichtspflicht verletzt wäre. Das zum einen.
Zum zweiten: Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesregierung ihrer Pflicht genügt hat, bei. den Stellen Informationen zu sammeln, die Informationen geben können, und daß die erforderlichen Informationen auch in die Hände des Generalbundesanwalts gelangen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818008000
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0818008100
Herr Staatssekretär, ergibt sich nicht aus dem Vorliegen des Asylantrags, daß von Verfassungs wegen alle Staatsbehörden und alle deutschen Staatsorgane auch die Schutzpflicht für das Leben und die Freiheit, für die Grund- und Menschenrechte des Betroffenen haben — und nicht nur der Generalbundesanwalt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Czaja, Sie dürfen versichert sein, daß die deutschen Behörden, die jeweils zuständig sind, bezüglich aller Personen, die sich auf deutschem Boden befinden, stets ihrer Schutzpflicht genügen, selbstredend auch derer, die um Asyl nachgesucht haben, und erst recht jener, die in besonderen Umständen sein mögen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818008200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0818008300
Herr Staatssekretär, da das Verschwinden des litauischen Kanusportlers genau fünf Wochen zurückliegt, frage ich Sie: Wann wurde die erste Nachricht über das Verschwinden bekannt, und wann sind zuerst Ermittlungen in Gang gesetzt worden?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hupka, ich habe gestern im Innenausschuß, der ja nichtöffentlich tagt, hierüber auf Fragen detailliert Auskunft erteilt. Diese Auskunft kann morgen, am Freitag, selbstredend wieder erteilt werden.

(Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Warum denn jetzt nicht? Das ist ja unglaublich!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818008400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Broll.

Werner Broll (CDU):
Rede ID: ID0818008500
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung hier in Bonn den russischen Botschafter zu sich gebeten, um ihn um Auskunft über die unnötig geheimnisvolle Weise zu bitten, auf die



Broll
jener Mann in die UdSSR geraten ist, der doch bei uns Asyl beantragt und erhalten hatte?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesregierung die jeweils erforderlichen Schritte unternommen hat, und zwar auch die, die über das Auswärtige Amt möglich sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818008600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID0818008700
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und die übrigen Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission gestern den derzeitigen Vorsitzenden der Kommission, Herrn Dr. Zimmermann, ersucht haben, die Parlamentarische Kontrollkommission einzuberufen, weil nach der gesetzlichen Vorschrift ausschließlich in dieser Kommission über den Fall des sowjetischen Kanusportlers Vladislavas Tschessiounias sowie über den Hergang und die Umstände gesprochen werden kann?

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Dann können wir ja den Bundestag auflösen! — Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Dann können wir ja alle nach Hause gehen!)

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Becker, die Bundesregierung ist selbstredend stets darüber informiert, wenn ein Mitglied der Kontrollkommission .begehrt, daß eine Sitzung einberufen wird, in der die Bundesregierung Rede und Antwort zu geben hat.

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Das ist eine Selbstkastration erster Güte! — Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Vielleicht ist das in der Volkskammer so üblich, aber nicht hier!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818008800
Verschieben Sie doch die Fronten nicht. Hier ist das Parlament, und dort ist die Regierung; wir befinden uns in der Fragestunde.

(Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Sie benehmen sich wie im Obersten Sowjet!)

Herr Abgeordneter Gansel, eine Zusatzfrage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0818008900
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Bundesregierung aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit, der Souveränität und der Selbstachtung dieses Staates ohne Rücksicht auf diplomatische Schwierigkeiten verpflichtet ist, allen Verdachtsmomenten nachzugehen, die darauf hinweisen könnten, daß ein ausländischer Geheimdienst Straftaten gegen einen Asylanten begangen hat, und zwar gleichgültig, ob es der französische, südkoreanische, ehemals iranische oder der sowjetische Geheimdienst sein könnte?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Exakt, Herr Kollege Gansel, dies war der Kern meiner Auskunft. Dies bejahe ich.

(Zustimmung bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Der beste Witz des Tages!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818009000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker (Frankfurt).

Dr. Karl Becker (CDU):
Rede ID: ID0818009100
Herr Staatssekretär, wann haben nach den Erkenntnissen der Bundesregierung sowjetische Stellen erstmals zum Verschwinden von Herrn Tschessiounias mit der Behauptung Stellung genommen, er sei freiwillig in die Sowjetunion zurückgekehrt?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe vorhin gesagt, daß am Freitag Gelegenheit besteht, darüber ausführliche Auskünfte einzuholen. Der Innenausschuß ist dafür, wie ich meine, der korrekte und richtige Platz.

(Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Das ist doch nun wirklich nicht geheim!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818009200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0818009300
Herr Staatssekretär, verdient der Generalbundesanwalt mit seinen Mitarbeitern eigentlich jenes Mißtrauen, das hier in Zweifeln über die Korrektheit der Ermittlungen, die er von Gesetzes wegen vorzunehmen verpflichtet ist, zum Ausdruck kommt?

(Zurufe von der CDU/CSU)

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ganz sicher nicht. Der Generalbundesanwalt hat auch in dieser Sache ohne Ansehen der Person nach bestem Wissen und Gewissen und mit größtem Nachdruck die Ermittlungen aufgenommen und führt diese auch in dieser Weise fort.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818009400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kleinert.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818009500
Herr Staatssekretär, in Ergänzung dessen, was Herr Kollege Gansel soeben für meinen Geschmack überaus gut zum Ausdruck gebracht hat, möchte ich die Bundesregierung fragen, ob nicht die aus den Erfahrungen unserer Vergangenheit gewonnene besondere Zuverlässigkeit gerade in Asylfragen und beim Schutz derjenigen, die sich in den Schutz dieses Landes begeben, dazu veranlaßt, dieses Haus bei allernächster Gelegenheit — ich beziehe hier das, was Sie über die Bedürfnisse der Vertraulichkeit zum jetzigen Zeitpunkt gesagt haben, mit ein — mit schonungsloser Offenheit über das, was hier nicht ohne Anhaltspunkte gemutmaßt wird, zu unterrichten.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kleinert, erstens dürfen Sie versichert sein, daß die Bundesregierung in der Tat ohne Ansehen der Person ermittelt und daß es überhaupt keinen Grund gibt, Mißtrauen zu haben und in Fragen einfließen zu lassen. Die Bundesregierung selbst hat ein großes Interesse — wie jedermann hier im Hause —, möglichst bald informiert zu sein.
Zweitens. Sie dürfen versichert sein, daß die Bundesregierung alles tut, um den Generalbundesanwalt — soweit das in ihrer Macht liegt — mit Informationen zu versorgen, damit dieser die Ermittlungen beschleunigt fortführen kann.
Drittens. Es ist selbstverständlich, daß dieses Hohe Haus so bald wie möglich von der Bundesregierung voll informiert werden wird. Die Tatsache, daß ich selbst in der Sitzung des Innenausschusses am Mittwoch nach dem Bericht des Generalbundesanwalts, der fernschriftlich vorlag, Rede und Antwort gestanden habe

(Zuruf von der CDU/CSU: Und nichts gesagt haben!)

und daß dies am Freitag erneut geschieht, meine ich, belegt und beweist dies.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818009600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wulff.

Dr. Otto Wulff (CDU):
Rede ID: ID0818009700
Herr Staatssekretär, wie steht die Bundesregierung zu den Meldungen in der sowjetischen Presse, wonach der sowjetische Sportler gegen seinen Willen durch Gewalt und sogar durch Drogen in der Bundesrepublik festgehalten worden sei?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wulff, verzeihen Sie, wenn ich mich darauf zurückziehe: Ich sagte soeben schon, daß das Ermittlungsverfahren läuft. Nach den Tatsachen, die jetzt vorliegen, verbietet es sich, Wertungen abzugeben, die unter den Kautelen, die ich genannt habe, schädlich sein könnten.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich verweise noch einmal darauf, daß ja am Freitag die Möglichkeit besteht, Fragen zu stellen, und daß es in diesem Hohen Haus überhaupt keinen Zweifel geben sollte, daß — sobald es möglich ist — jedermann hier in diesem Hohen Hause seine Fragen vollinhaltlich beantwortet bekommt.

(Böhm [Melsungen] [CDU/CSU]: Er ist nicht bereit, die sowjetischen Lügen zurückzuweisen!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818009800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert.

(Dr. Müller-Emmert [SPD]: Hat sich erledigt! Ich verzichte!)

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann.

Ferdinand Tillmann (CDU):
Rede ID: ID0818009900
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung sagen, ob Pressemeldungen,
nach denen die von einem Mitglied dieses Hauses geäußerte Variante über das Verschwinden des litauischen Sportlers von Bonner Regierungskreisen gestützt wird, den Tatsachen entsprechen?

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Wie kommen Sie denn dazu?)

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich habe nach guter Tradition keinen Anlaß — daran haben sich alle Bundesregierungen vor dieser Bundesregierung gehalten —, Maßnahmen und Äußerungen von Mitgliedern dieses Hohen Hauses zu bewerten oder, zu kommentieren.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das war nicht die Frage!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818010000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bötsch.

Dr. Wolfgang Bötsch (CSU):
Rede ID: ID0818010100
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zugestehen, daß Ihre heutigen Antworten in Abwägung des normalerweise berechtigten Grundsatzes des nichtöffentlichen Ermittlungsverfahrens nach der Strafprozeßordnung zugunsten desjenigen, gegen den ermittelt wird, mit dem in diesem Falle besonderen öffentlichen Interesse an einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit nur als spärlich zu bezeichnen sind?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818010200
Herr Abgeordneter Bötsch, diese Wertung kann ich nicht zulassen. Sie könnten ja auch ein anderes Wort wählen, ohne eine Wertung vorzunehmen.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich bedanke mich, Herr Präsident.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818010300
Herr Abgeordneter Langguth zu einer Zusatzfrage.

Dr. Gerd Langguth (CDU):
Rede ID: ID0818010400
Ich möchte trotz der bisherigen Antworten noch einmal die Frage wiederholen, wie die Antwort der sowjetischen Regierung, des sowjetischen Außenministeriums, auf die Anfrage des Auswärtigen Amtes und auf die Anfrage der Bundesregierung, auf welchem Wege der sowjetische Sportler in seine sowjetische Heimat zurückverbracht wurde, lautete.
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wiederholen Fragen, die ich wiederholt beantwortet habe.

(Dr. Langguth [CDU/CSU]: Nein, die wiederholt nicht beantwortet wurden!)

Ich sehe mich außerstande, nach dem Zweck des Ermittlungsverfahrens und insonderheit entsprechend dem Schutzzweck desselben auch unter Abwägung der Interessen der Öffentlichkeit hier vor aller Öffentlichkeit eine weitergehende Auskunft zu erteilen. Ich bin ganz sicher: Wer immer hier an meiner Stelle stünde, könnte nichts anderes antworten als



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. de With
ich, ohne gegen die' von mit geschilderten Grundsätze der Strafprozeßordnung zu verstoßen, und dieses tut die Bundesregierung nicht.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr gut!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818010500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Besch.

Johann Christoph Besch (CDU):
Rede ID: ID0818010600
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung bereits über unsere Botschaft in Moskau eine Gegenüberstellung zwischen dem Verschwundenen und einem Angehörigen unserer Botschaft verlangt? Wenn das nicht der Fall sein sollte: Wird das geschehen?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Bundesregierung die erforderlichen Maßnahmen über die deutsche Botschaft veranlaßt hat. Aber ich sage wiederholt: Der derzeitige Stand der Ermittlungen läßt hier weitere Äußerungen über den Inhalt des Ermittlungsverfahrens nicht zu.

(Zuruf von der CDU/CSU: Traurig, traurig! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818010700
Meine Damen und Herren, ich habe noch zwei Wortmeldungen für Zusatzfragen. Nach Auskunft der Bundesregierung ist diese nicht bereit oder in der Lage, weitere Antworten zu geben, die zur Aufklärung führen können.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Das hat er nicht gesagt, sondern er hat gesagt: in der Sitzung des Innenausschusses!)

— Herr Kollege Schäfer, es sollte keine Diskussion zwischen uns geben. Hier handelt es sich um das Parlament und nicht um einen Ausschuß.

(Beifall bei der CDU/CSU) Zusatzfrage, Herr Kollege Straßmeir.


Günter Straßmeir (CDU):
Rede ID: ID0818010800
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie annehmen, daß auch die Frage einer widerrechtlichen Festhaltung von Herrn Tschessiounias auf deutschem Boden unter Drogeneinwirkung Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sein kann?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Sie haben recht, soweit Sie darauf Bezug nehmen, daß ich sagte, daß auf die Übersendung der Akten hin der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren übernommen und das Bundeskriminalamt damit beauftragt hat, zu ermitteln wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit und wegen des Verdachts der Verschleppung.

(Straßmeir [CDU/CSU]: Das war keine Antwort!)

Meine Damen und Herren Kollegen, ich darf, mich wiederholend, auf folgendes verweisen und präzisieren — ich bitte sehr herzlich um Verständnis —: Nach der Strafprozeßordnung hat der Ermittlungsführer a) das Interesse des Opfers zu wahren,
b) sich zu hüten, vorverurteilende Äußerungen abzugeben. Er hat außerdem den Ermittlungszweck zu beachten. Dieses muß abgewogen werden mit dem wohlverstandenen Interesse der Öffentlichkeit, wissen zu können, was bei sehr wesentlichen Vorgängen bisher ermittelt wurde.
Unter Abwägung dieser Umstände habe ich hier im Plenum die mir möglichen inhaltlichen Erklärungen zum Stand des Ermittlungsverfahrens abgegeben.
Etwas anderes ist es, wie die Auskunft im Innen- ausschuß zu sein hat, der ja im Gegensatz zum Plenum des Deutschen Bundestages nicht öffentlich tagt.
Diese Grundsätze, die ich hier aufgezählt habe, waren immer Grundsätze, die auch von den Mitgliedern dieses Hohen Hauses hochgehalten wurden. Deswegen bitte ich zu verstehen, daß Mißtrauen in keiner Weise am Platze ist.
Ich habe wiederholt angeboten und tue dies erneut, daß am Freitag Fragen beantwortet werden und, sobald es der Ermittlungszweck erlaubt, vollinhaltlich erklärt wird, was die Hintergründe sind und was das Ermittlungsverfahren ergeben hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818010900
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0818011000
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es nicht nur Sache des Generalbundesanwalts ist, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens tätig zu werden, sondern daß es auch Sache der Bundesregierung ist, mit allen ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten zu recherchieren und die dann zutage tretenden Unwahrheiten der Sowjetunion schonungslos der Öffentlichkeit darzulegen?

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Nach dem Prinzip der Einheit der Gewalten teile ich den ersten Teil Ihrer Frage ganz klar, daß die Bundesregierung, soweit es nur in ihrer Macht steht, alles zu ermitteln hat, was dem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts förderlich ist.
Ich bin auch — falls das zum zweiten Teil Ihrer Frage gehört hat — der Auffassung, daß die Bundesregierung selbstredend alles zu tun hat und alles tun wird, um den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen, ohne Ansehen der Person und ohne Frage, welches andere Land dabei tangiert werden könnte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818011100
Diese Frage ist damit abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf.

(Zurufe: Die zweite Frage! — Gegenrufe: Das ist doch richtig!)

— Jetzt glauben die, sie sind klüger als der Präsident; das gibt es doch nicht!

(Heiterkeit!)




Präsident Stücklen
Ich rufe also den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatssekretär Dr. Fröhlich zur Verfügung. Ich rufe aus dem Katalog der Dringlichen Fragen die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Bötsch auf:
Welche Sofortmaßnahmen hat die Bundesregierung angesichts der heutigen Presseberichte vorsorglich ergriffen bzw. wird sie ergreifen, um Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland Asyl erbeten oder erhalten haben, vor einer illegalen Verschleppung zu schützen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818011200
Herr Abgeordneter, unter den zahlreichen Asylbewerbern, die sich bei den Ausländerbehörden melden, befinden sich nur wenige, bei denen von einer konkreten Gefährdung ausgegangen werden kann. Ich sehe dabei von denen ab, die sich von sich aus aus bestimmten Gründen in die Obhut von Sicherheitsbehörden begeben. In allen anderen Fällen haben die Ausländerbehörden, bei denen sich die Asylbewerber melden, die Frage einer eventuellen Gefährdung zu prüfen und gegebenenfalls die zuständigen Polizeibehörden zu unterrichten. So ist übrigens auch im Fall Tschessiounias durch die Ausländerbehörden in Duisburg und Lüdenscheid verfahren worden.
Die Beurteilung, ob eine konkrete Gefährdung vorliegt sowie ob und welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind, hat die zuständige Polizeibehörde des Landes nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Schutzmaßnahmen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn die polizeilichen und sonstigen Erkenntnisse auf eine Gefährdung schließen lassen. Bundesbehörden können im Einzelfall zu dieser Beurteilung beitragen, indem sie ihnen etwa vorliegende Informationen, die für die Sicherheitsbeurteilung durch die Polizei des Landes sachdienlich sein könnten, an die zuständigen Landesbehörden weiterleiten. Das entspricht der Übung und dem Einvernehmen zwischen Bund und Ländern.
Der Fall Tschessiounias bietet derzeit keinen Anlaß, Sofortmaßnahmen der Bundesregierung ins Auge zu fassen und damit in Zuständigkeit und Verantwortung der Länder einzugreifen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818011300
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Wolfgang Bötsch (CSU):
Rede ID: ID0818011400
Gibt es in diesem konkreten Falle irgendwelche Anhaltspunkte, daß Herr Tschessiounias den bereits erwähnten Asylantrag in einem Zustand, der die Freiheit der Willensbildung beeinträchtigte, widerrufen wollte?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Ich sehe an sich keinen direkten Zusammenhang zwischen der Frage, die Sie jetzt stellen, und der von Ihnen eingereichten Frage, Herr Abgeordneter.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818011500
Herr Staatssekretär, diese Frage kann man, da die Materie ja ineinandergreift und Sie die Verantwortung für den Schutz des Asylanten tragen, zulassen.
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Die Ausländerbehörden in Duisburg und Lüdenscheid haben solche Anhaltspunkte nicht festgestellt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818011600
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Bötsch (CSU):
Rede ID: ID0818011700
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre vorhin gegebene Antwort so interpretieren, daß es richtig ist, daß die Bundesregierung im Einzelfall gegenüber Asylsuchenden eine über das normale Maß hinausgehende Schutzpflicht, wenn man sie mit der für normal im Bundesgebiet lebende Ausländer vergleicht, hat?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es entspricht der Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Sicherheitsbereich ganz allgemein, Erkenntnisse auszutauschen, die jeweils für den anderen Teil, Bundesseite oder Länderseite, von Interesse sind. Dem entspricht auch die Übung, Gefährdungshinweise, sollten sie bei den Bundesbehörden vorliegen, an die zuständige Landesbehörde weiterzugeben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818011800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Langguth.

Dr. Gerd Langguth (CDU):
Rede ID: ID0818011900
Kann von dem Herrn Staatssekretär mitgeteilt werden, welche verantwortlichen Institutionen aus dem Bereich der Bundesregierung dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion mitgeteilt haben, es müsse von einer Rückkehr aus eigenem Entschluß ausgegangen werden?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, in diesem Fall sehe ich wirklich keinen Zusammenhang mit der Frage.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818012000
Herr Abgeordneter Langguth, das geht nicht mehr. Das haben wir schon hinter uns. Ich bitte um Verständnis. Es geht jetzt um den Schutz.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID0818012100
Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung angesichts des durch ihre bisherige Informationsblockade gegenüber Parlament und Öffentlichkeit entstandenen Eindrucks zu tun, sie sei an der Aufklärung eines möglichen Verbrechens sowjetischer Nachrichtendienste auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland nicht interessiert, und welche Schlußfolgerungen kann man bezüglich der Berücksichtigung sowjetischer Interessen durch diese Bundesregierung ziehen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Auch in diesem Fall, Herr Abgeordneter, sehe ich einen Zusammenhang mit der Frage, die ich zu beantworten habe, nicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818012200
Ich darf die Frage zum allgemeinen Verständnis einmal vorlesen:
Welche Sofortmaßnahmen hat die Bundesregierung angesichts der heutigen Presseberichte vorsorglich ergriffen bzw. wird sie ergreifen, um Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland Asyl erbeten oder erhalten haben, vor einer illegalen Verschleppung zu schützen?



Präsident Stücklen
Es kann also nicht darauf, ob in dem Fall Tschessiounias wirklich eine Verschleppung vorliegt oder nicht — das muß noch geklärt werden —, abgestellt werden. Ich bitte die Fragesteller, sich präzise auf die schriftlich eingereichte Frage zu beschränken.
Bitte schön, Graf Huyn.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0818012300
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß Herr Tschessiounias — der Fall, an dem sich ja diese Frage fortsetzt — die Absicht geäußert hat, ein Buch über Doping-Methoden im sowjetischen Sport zu schreiben, möchte ich Sie fragen: Würden Sie dies zum Anlaß nehmen, daß die Bundesregierung die Schutzwürdigkeit derjenigen Flüchtlinge und Asylanten aus Sport und Kunst, die in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht haben und deren Flucht und Verlassen des sowjetischen Herrschaftsbereichs offenbar zu einer besonderen Prestigeeinuße der Sowjetunion und der mit ihr verbündeten Staaten gerade vor den Olympischen Spielen im nächsten Jahr beiträgt, nochmals besonders überprüft und die entsprechenden Maßnahmen ergreift?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich darf Sie darüber informieren, daß das Interview, das zwei Tage vor der Verschleppung in Amerika erschienen ist - ich bitte um Entschuldigung: vor dem Verschwinden —, den zuständigen Landesbehörden, die für den Schutz von Tschessiounias verantwortlich waren, erst nach dem Verschwinden zur Kenntnis gekommen ist. Diese Ankündigung war also bei der Frage, ob Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind, nicht zu verwerten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bleibt die „Verschleppung" im Protokoll? — Staatssekretär Dr. Fröhlich: Nein, das war ein Versprecher!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818012400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Tillmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818012500
Herr Staatssekretär, da das Verschwinden dieses litauischen Sportlers immerhin die Möglichkeit nicht ausschließt, daß asylsuchende Sportler besonders gefährdet sind, darf ich Sie fragen: Ist die Bundesregierung bereit, in Zukunft, falls weitere Sportler aus der Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachsuchen sollten, besondere Schutzmaßnahmen zu ergreifen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich habe, glaube ich, schon ausgeführt, daß die Beurteilung der Frage, ob ein Schutzbedürfnis besteht, ausschließlich eine Angelegenheit der Innenbehörden der Länder, besonders der zuständigen Polizeibehörden ist. Wir wollen in diese Zuständigkeiten und Verantwortungen nicht eingreifen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818012600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID0818012700
Herr Staatssekretär, stimmt die Bundesregierung mit mir überein, daß zu dieser Stunde keineswegs geklärt ist, ob der sowjetische Kanusportler Tschessiounias nicht freiwillig in die Sowjetunion zurückgegangen ist und damit seinen Asylantrag hat hinfällig werden lassen?

(Sauer [Salzgitter] [CDU/CSUJ: Sie haben den falschen Zettel genommen! Das war der falsche Zettelkasten! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818012800
Herr Abgeordneter Becker, auch das ist eine Zusatzfrage, die zwar noch zum, Fragenkomplex gehört, die sich aber auf eine Frage bezieht, die wir schon hinter uns haben, nämlich die Frage 1; ich kann sie nicht zulassen. Wenn Sie formulieren würden: „Was würden Sie tun, damit so oder so nichts mehr passiert?", dann wäre das schon in Ordnung.
Nun Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0818012900
Herr Staatssekretär, welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung gegenüber der Sowjetunion getroffen, um sicherzustellen, daß die Sowjetunion nicht aus der bisherigen Behandlung des vorhin besprochenen Falles den Eindruck gewinnen kann, es könne hier auf deutschem Boden mit geflohenen Sportlern oder anderen Persönlichkeiten auch künftig so umgegangen werden, wie ganz offenkundig jetzt der Verdacht besteht, daß dies geschehen ist?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Obwohl ich meine, Herr Abgeordneter, daß Ihre Zusatzfrage mit der schriftlich eingereichten Frage nur indirekt in Zusammenhang steht, glaube ich, daß die Sowjetunion keinen Zweifel haben kann, daß wir Aktivitäten der von Ihnen angesprochenen Art nicht dulden würden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818013000
Auch an Sie, Herr Staatssekretär, eine kleine Bemerkung: Tiber die Zulässigkeit der Fragen entscheidet der Präsident.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818013100
Bitte schön, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0818013200
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung in den letzten Jahren Vorkommnisse bekanntgeworden, die Anlaß gegeben hätten, solche Vorsorgemaßnahmen, wie sie in der hier behandelten Frage gefordert werden, vorzusehen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich könnte Ihnen — jedenfalls aus dem Stegreif — solche Fälle nicht nennen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818013300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.




Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0818013400
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Bundesrepublik ausländischen Asylanten ohne Rücksicht darauf Schutz gewähren muß, ob es sich um einen prominenten Sportler aus der Sowjetunion oder um einen vielleicht namenlosen ehemaligen politischen Gefangenen aus Chile handelt?

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich stimme mit Ihnen darin überein, daß Schutzbedürftigkeit nicht nach der Prominenz, sondern nur nach der konkreten Bewertung einer Gefährdung bemessen werden kann.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818013500
Darf ich noch eine Bemerkung machen. Es heißt hier „Welche Sofortmaßnahmen ...". Ich bitte darum, die Regierung hier speziell nur danach zu fragen, welche Absichten sie zur Sicherung des Asylrechts hat.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0818013600
Herr Staatssekretär, wenn Sie vorn Bundesinnenministerium sich nicht selbst mit Sofortmaßnahmen einschalten wollen, denken Sie nicht daran, umgehend die Innenministerkonferenz mit dieser Frage zu befassen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Innenminister der Länder haben es nicht nötig, vom Bundesinnenminister in einer Konferenz auf Sachverhalte, die in ihrer Verantwortung liegen und bei denen wir keinen Anlaß haben, anzunehmen, daß diese Verantwortung nicht gesehen wird, hingewiesen zu werden.

(Zustimmung bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818013700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becker (Frankfurt).

Dr. Karl Becker (CDU):
Rede ID: ID0818013800
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit den eventuell zu ergreifenden Maßnahmen zum Schutz der Asylanten noch einmal die Argumente geprüft, mit denen 1964 die SPD-Abgeordneten Heinemann und Wehner scharfe Schritte gegen die französische Regierung wegen der Verschleppung des Obersten Argoud gefordert haben, und treffen diese Argumente nicht in verstärktem Maße auf den Fall des Herrn Tschessiounias, der hier Asylrecht beantragt hat, zu?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich glaube, mit dieser Frage greifen Sie einer ja noch nicht vorgenommenen Bewertung des Falles Tschessiounias vor.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818013900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0818014000
Herr Staatssekretär, welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung angesichts des gegenwärtigen Wissensstandes im Falle Tschessiounias für andere asylsuchende Einwohner der Sowjetunion zu ziehen?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich habe bereits in meiner ersten Antwort gesagt, daß der derzeitige Erkenntnisstand der Bundesregierung keinen Anlaß bietet, Sofortmaßnahmen, die in die Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche der Länder eingreifen würden, ins Auge zu fassen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818014100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Straßmeir.

Günter Straßmeir (CDU):
Rede ID: ID0818014200
Herr Staatssekretär, nachdem Sie festgestellt haben, daß die Beurteilung der Gefährdung der Sicherheit von Emigranten und der Art der zu ergreifenden Maßnahmen Ländersache ist, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung nicht eine Verpflichtung sieht, gerade in solchen Fällen die besonderen Erkenntnisse der Bundesregierung an die Länder weiterzugeben; welche Erkenntnisse wären das, und welche Möglichkeiten ergäben sich daraus?
Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich habe ausgeführt, daß der Beitrag, den die Bundesregierung bezüglich der von den Ländern vorzunehmenden Bewertungen leisten kann, darin besteht, daß sie ihr vorliegende Informationen, vor allem solche der Sicherheitsbehörden, dorthin weitergibt, wo sie ausgewertet werden können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818014300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0818014400
Herr Staatssekretär, sieht sich die Bundesregierung angesichts der Presseerklärungen der Sowjetunion veranlaßt, als Sofortmaßnahme öffentlich festzustellen, daß hier in der Bundesrepublik niemand gegen seinen Willen festgehalten wird und daß niemand durch die Ostsee schwimmen muß, um dieses Land zu verlassen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Fröhlich, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob eine solche Erklärung irgendeinen Neuigkeitswert hätte. Ich halte das für eine schiere Selbstverständlichkeit.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818014500
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf.
Die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Ey wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beant-



Präsident Stücklen
wortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Dr. Schüler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Spranger auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das im Rechtsstreit der Firma KG in Heinrich Bauer Verlag München gegen die Firma Gruner + Jahr AG & Co. und vier andere beim Oberlandesgericht München, in dem es um den Vorwurf der Illustrierten „Stern" geht, der frühere Redaktionschef der Illustrierten "Quick", Heinz Losecaat van Nouhuys, sei Doppelagent für den Bundesnachrichtendienst und das Ministerium für Staatssicherheit der DDR gewesen, offensichtlich gewordene Zusammenwirken zwischen der Redaktion des „Stern", Bonner Politikern, Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR sowie dem damaligen Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Grabert, und den ihm unterstellten hochrangigen Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes, u. a. dem zwischenzeitlich in den einstweiligen Ruhestand versetzten Vizepräsidenten Blötz und dem Abteilungsleiter Rieck?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818014600
Herr Abgeordneter, wie in der Antwort der Bundesregierung vom 12. August 1975 auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der CDU/CSU dargelegt, dienten die Kontakte des damaligen Chefs des Kanzleramtes, Herr Staatssekretär Grabert, und der beiden genannten Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes zur Illustrierten „Stern" der Sicherheit des Bundesnachrichtendienstes; denn der Bundesnachrichtendienst hat neben seiner Aufgabe als Auslandsaufklärungsdienst den Auftrag, gegen ihn gerichtete Spionage abzuwehren. Auf Grund dieses Auftrags war der Dienst verpflichtet, das Material zu prüfen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818014700
Eine Zusatzfrage, bitte.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID0818014800
Herr Staatssekretär, kann davon ausgegangen werden, daß die Behauptungen und Einlassungen des früheren Staatssekretärs im Bundeskanzleramt Grabert vor dem OLG München zutreffend sind?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, welche Bemerkungen Sie damit aufgreifen. Im übrigen muß ich sagen, daß mir nicht • sämtliche Aussagen dieses Zivilrechtsstreits bekannt sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818014900
Herr Abgeordneter Spranger, eine Zusatzfrage.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID0818015000
Herr Staatssekretär, treffen Angaben der Zeugen Grabert, Rieck und Blötz vor diesem Gericht über eine Beteiligung der Bundesregierung und des Bundesnachrichtendienstes an der Aufbereitung von Material gegen Herrn von Nouhuys zu, das von dem Ministerium für Staatssicherheit in Ost-Berlin geliefert wurde?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Nein, Herr Abgeordneter. Ich habe ausgeführt und beziehe mich dabei auch auf frühere Antworten auf Kleine Anfragen und auf Antworten in Fragestunden, daß der Bundesnachrichtendienst Material geprüft hat, das ihm von dieser Illustrierten zugegangen war, unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob es für den Dienst sicherheitsrelevant ist. Einen weiteren Zweck hatte diese Prüfung nicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818015100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0818015200
Herr Staatssekretär, haben die hier angesprochenen Vorgänge bei der einstweiligen Zurruhesetzung des Herrn Vizepräsidenten des Bundesnachrichtendienstes eine Rolle gespielt?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Nein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818015300
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Miltner auf:
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß unter Mitwirkung des damaligen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt, Grabert, des damaligen Vizepräsidenten Blötz und des Abteilungsleiters Rieck Material aus dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR geprüft wurde mit dem erkennbaren Zweck, einen Vertreter der Presse und profilierten Gegner der von der SPD/FDP-Koalition betriebenen Ost- und Deutschlandpolitik mit dem bis heute unbewiesenen Vorwurf der Doppelagentenschaft zu überziehen, und, wenn ja, unter welchem Gesichtspunkt?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Zu der Prüfung des angeblich aus dem Ministerium für Staatssicherheit stammenden Materials und dem Zweck dieser Prüfung habe ich bereits in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 10. Juni 1976 dargelegt, daß diese Prüfung das Ziel hatte, festzustellen, ob es sich bei dem Material des „Stern' um Unterlagen aus dem Bundesnachrichtendienst handelte. Zu dieser Prüfung, die negativ verlief, war der Bundesnachrichtendienst, wie ich hier noch einmal feststellen möchte, verpflichtet, weil er neben seinem eigentlichen Auftrag auch den Auftrag hat, gegen ihn gerichtete Spionage abzuwehren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818015400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0818015500
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht doch eine Gefahr darin, daß sich der damalige Staatssekretär und die beiden Beamten vielleicht für eine Desinformationsaktion des MfS haben einspannen lassen?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, wenn ich den konkreten Vorgang würdige, kann ich nicht zu diesem Ergebnis kommen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818015600
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0818015700
Trifft es zu, daß die Illustrierte „Stern" die Veröffentlichung des aus der DDR gelieferten Materials von einer Zustimmung des Chefs des Bundeskanzleramts abhängig gemacht hat, und mit wem hat Herr Staatssekretär Grabert damals seine Zustimmung abgestimmt?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Es hat sich sicher nicht um eine Zustimmung gehandelt, Herr Abgeordneter, sondern — es tut mir leid, daß ich mich hier wiederholen muß — es hat sich ausschließlich um eine Prüfung des Materials unter dem Gesichts-



Staatssekretär Dr. Schüler
punkt gehandelt, ob sich daraus Konsequenzen für die Sicherheit des Dienstes ergeben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818015800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID0818015900
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesregierung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß das Material, das hier gegen die Illustrierte „Quick" und den Chefredakteur aufbereitet wurde, aus dem MfS stammt, und aus welchen Gründen hat die Bundesregierung nicht vor Veröffentlichung dieses Materials, das ja offensichtlich falsch war, gewarnt?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Es kann wohl nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, zur Veröffentlichung von Material Stellung zu nehmen. Das hätte wohl auf die Illustrierte keinen Eindruck gemacht. Es ging ausschließlich darum, die Sicherheitsgesichtspunkte des Dienstes hier zu gewährleisten, und um nichts anderes.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Sehr richtig!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818016000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0818016100
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, wer außer Herrn Staatssekretär Grabert zusätzlich mit der Prüfung des Materials befaßt war, das aus der DDR zugesandt worden ist?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Ich lasse Ihre Feststellung offen, daß es sich um Material aus der DDR gehandelt hat. Es waren, wie ich hier bereits in vergangenen Fragestunden ausgeführt habe, die Herren Blötz und Rieck.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818016200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf:
Hat sich die Bundesregierung zwischenzeitlich Kenntnis darüber verschafft, auf welche Weise ein Redakteur des "Stern" im Sommer 1973 von mit den Problemen der Ostpolitik besonders vertrauten Bonner Politikern den Hinweis erhalten hat, daß Herr van Nouhuys in den 50er Jahren für den Staatssicherheitsdienst der DDR und auch für den Bundesnachrichtendienst tätig gewesen sei, u. a. mit dem Auftrag, den CDU-Politiker Ernst Lemmer in Berlin zu bespitzeln?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Ich beantworte die Frage wie folgt: Zu dem in Ihrer Frage unterstellten Sachverhalt, daß Bonner Politiker einem „Stern"-Redakteur im Sommer 1973 den Hinweis auf eine Doppelagententätigkeit des Herrn van Nouhuys gegeben haben, ist mir nichts bekannt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818016300
Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0818016400
Herr Staatssekretär, vermögen Sie mir etwas darüber zu sagen, welche Beziehungen zwischen Stellen unserer Regierung und Stellen der DDR bestanden haben?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Mir sind keine Beziehungen dieser Art bekannt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818016500
Die zweite Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0818016600
Herr Staatssekretär, vermögen Sie mir etwas darüber zu sagen, in welchem Zusammenhang damals Gespräche zwischen Mitgliedern der Bundesregierung und hohen Beamten des BND mit dem Ziel geführt worden sind, festzustellen, welcher Qualität das Material sein könnte, das der Bundesregierung zugegangen ist?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das ist ein Vorgang, der lange zurückliegt. Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich weiß auch nicht, wen Sie meinen, wenn Sie von Politikern oder von Regierungsmitgliedern sprechen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818016700
Von hohen Beamten! Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Spranger.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID0818016800
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, sich auf Grund der Zeugenaussagen und der gerichtlichen Unterlagen beim OLG München darüber zu informieren, welche Art von Beziehungen hier zwischen Bonner Politikern und dem MfS vorhanden war?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das ist ein Zivilrechtsstreit. Ich habe schon darauf hingewiesen. Die Bundesregierung wird das Ergebnis dieses Streites sicher zur Kenntnis nehmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818016900
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Krey auf:
Wie kann nach Ansicht der Bundesregierung die Beteiligung von Spitzenbeamten des Bundesnachrichtendienstes bei der Überprüfung der gegen Herrn van Nouhuys dem „Stern" zur Verfügung gestellten Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR angesichts der Unzulänglichkeit des Bundesnachrichtendienstes bei der innenpolitischen Aufklärung gerechtfertigt werden?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Ich beantworte die Frage wie folgt: Von einer innenpolitischen Aufklärung durch den BND kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein. Vielmehr wiederhole ich: Die Überprüfung des dem „Stern" vorliegenden Materials hatte, wie bereits ausgeführt, ihren Grund und Zweck in der Zuständigkeit und Verantwortung des Bundesnachrichtendienstes für seine eigene Sicherheit.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818017000
Zusatzfrage.

Franz Heinrich Krey (CDU):
Rede ID: ID0818017100
Darf ich dennoch fragen, ob die Bundesregierung die mehrmals geäußerte Auffassung teilt, daß es sich bei den von den Zeugen Blötz, Rieck und Grabert geschilderten Vorgängen um einen Mißbrauch des allein für die Auslandsaufklärung zuständigen Nachrichtendienstes der Bundesrepublik Deutschland für innenpolitische, ja möglicherweise parteipolitische Zwecke handelt?



Dr. Schüler, Staatssekretär: Ich habe hier wiederholt den Zweck ausgeführt, der mit dieser Unterhaltung verbunden war. Es gibt und gab keine andere Absicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818017200
Die zweite Zusatzfrage.

Franz Heinrich Krey (CDU):
Rede ID: ID0818017300
. Können Sie bestätigen, daß der damalige Staatssekretär, im Bundeskanzleramt, Grabert, den damaligen BND-Vizepräsidenten Blötz und den BND-Direktor Rieck 1973 nach Hamburg beordert hat und daß sich dort beide Mitarbeiter des BND viele Stunden in der Chefredaktion des „Stern" aufhielten und dort sowohl mit dem von der DDR gelieferten Material als auch mit anderen von „Stern"-Rechercheuren herbeigeschafften Unterlagen konfrontiert wurden?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich kann hier nur noch einmal das sagen, was ich wiederholt ausgeführt habe: Diese Unterhaltung diente dem Zweck, über den ich hier mehrfach berichtet habe.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818017400
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Spranger.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID0818017500
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Herr Grabert mit „Stern"-Mitarbeitern das von diesen gefertigte Manuskript gegengelesen und durch seine Zustimmung zur Veröffentlichung freigegeben hat?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Das trifft nicht zu, Herr Abgeordneter. Zutreffend ist vielmehr, daß das Manuskript unter dem Gesichtspunkt durchgesehen worden ist, den ich hier wiederholt vorgetragen habe.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818017600
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Miltner.

Dr. Karl Miltner (CDU):
Rede ID: ID0818017700
Herr Staatssekretär, wie lautet der den BND-Beamten Blötz und Rieck erteilte Auftrag? Mit wem wurden Auftragserteilung und Auftragsdurchführung abgestimmt? Und was haben die Herren Blötz und Rieck während ihres mehrstündigen Besuchs in der „Stern"-Redaktion in Hamburg tatsächlich getan?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Sie haben nach meiner. Kenntnis das getan, was ich hier mehrfach vorgetragen habe. Sie haben diesen Termin im Auftrage oder in Abstimmung mit dem damaligen Chef des Kanzleramts wahrgenommen.'

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818017800
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0818017900
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß Herr Blötz unmittelbar nach Beendigung des Gesprächs in der „Stern"-Redaktion in Hamburg ein längeres Telefongespräch mit Herrn Staatssekretär Grabert geführt hat?
Dr. Schüler, Staatssekretär: Ich weiß das nicht. Ich kann die Frage nicht beantworten. Sie scheint mir im Ergebnis für die Sache auch nicht von Bedeutung zu sein.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818018000
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 82 und 83 des Abgeordneten Kittelmann werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Neumann (Bramsche) auf:
Welchen Stand haben die Bemühungen der Bundesregierung, den mehr als zwei Millionen vom Hungertod bedrohten Kambodschanern in Kambodscha selbst und in den Flüchtlingslagern im thailändisch/kambodschanischen Grenzgebiet zu helfen?

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0818018100
Herr Kollege, die Bundesregierung hat zunächst dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes in Genf 1 Million DM aus Mitteln der humanitären Hilfe des Auswärtigen Amts zur Betreuung von Kambodscha-Flüchtlingen in Thailand bzw. Im thai/kambodschanischen Grenzgebiet zur Verfügung gestellt Sie hat ferner ebenfalls aus Mitteln der humanitären Hilfe 500 000 DM der Regierung von Thailand zur Verwendung für Kambodschaner und die betroffene Bevölkerung in dem genannten Grenzgebiet übergeben.
Die Bundesregierung stellt weiterhin 5 Millionen DM für die Aktionen der internationalen und der deutschen karitativen Organisationen in Kambodscha zur Verfügung.
Wegen der Unklarheit der Haltung kambodschanischer Regierungsstellen gegenüber den Hilfsorganisationen ist immer noch nicht mit völliger Sicherheit festzustellen, wie sich die Hilfsmaßnahmen in dem erforderlichen Umfang realisieren lassen. So- bald dies der Fall ist, wird die Bundesregierung weitere Mittel zur Verfügung stellen.
Herr Kollege, ich möchte hier deutlich unterstreichen: Der Engpaß in der Hilfe für Kambodscha und für die hungernde Bevölkerung sind nicht etwa die finanziellen Mittel, sondern die beschränkten Möglichkeiten zur Verteilung der Hilfe.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818018200
Eine Zusatzfrage, bitte.

Volker Neumann (SPD):
Rede ID: ID0818018300
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß in den letzten Tagen nahezu 100 000 Kambodschaner über die Grenze nach Thailand gekommen sind, darunter Frauen mit — zum Teil toten — Kindern auf dem Arm und Malariakranke, und daß nach den vorliegenden Informationen die nationale Hilfe von Thailand nicht ausreicht und internationale Hilfe dort noch nicht eingreift? Und welche Beiträge könnten wir als Bundesrepublik Deutschland leisten, um



Dr. Czaja
diese Menschen vor dem Hungertod zu bewahren?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminster: Herr Kollege, wir können wie bisher in Zusammenarbeit mit der Regierung von Thailand den Versuch machen, zur Verfügung zu stellen, was übernommen werden kann. Wir können, soweit es möglich ist, sicherstellen, daß die Hilfe an Ort und Stelle ausgegeben werden kann. Ich wiederhole: Das Problem liegt in der Verteilung und nicht in unserer finanziellen Möglichkeit, Hilfe zu leisten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818018400
Weitere Zusatzfrage.

Volker Neumann (SPD):
Rede ID: ID0818018500
Herr Staatsminister, wäre die Bundesregierung bereit, zu überprüfen, ob eine Hilfe in der Weise möglich ist, daß bei der deutschen Botschaft in Bangkok eine Art „Feuerwehrfonds" eingerichtet wird, der es möglich macht, daß kleinen, effektiv, unbürokratisch und schnell arbeitenden Hilfsorganisationen, wie es z. B. die englische Hilfsorganisation OXRAM ist, finanzielle Mittel an die Hand gegeben werden können, um dort den hungernden Menschen im Grenzgebiet zu helfen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir versuchen ja schon, diesen Weg zu gehen. Aber ich will noch einmal Ihren Punkt aufgreifen und dort im Amt versuchen zu klären, ob auf diese Weise zusätzliche Hilfe geleistet werden kann. Ich bin dankbar für den Hinweis.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818018600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0818018700
Herr Staatsminister, will nicht die Bundesregierung zusammen mit den politischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland angesichts des Umfanges des Elends von etwa 3 Millionen vom Hungertod Bedrohten und angesichts der Äußerung des Herrn Bundesaußenministers in der Generalversammlung der Vereinten Nationen, daß sofort und ohne Rücksicht auf alle politischen Gegebenheiten wirksame Maßnahmen zu ergreifen sind, sich zum Fürsprecher einer internationalen Aktion machen, die einen größeren Umfang als die 1,5 Millionen DM hat, um wirksam und nicht nur mit Geld, sondern auch mit aktiven Maßnahmen wie Versendung von Reis und ähnlichem in die Situation einzugreifen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir sehen die Dinge ja genauso wie Sie. Wir haben auch nicht nur 1,5 Millionen, sondern, wie ich gesagt habe, schon etwa 6,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Wir stellen auch nicht nur Geld zur Verfügung, sondern Waren und Nahrungsmittel und andere Gegenstände in diesem Rahmen.
Das Problem — ich wiederhole es — ist das Problem der Verteilung. Dies ist auch das Problem für die Europäische Gemeinschaft Ich bin dankbar für Ihr Drängen. Wir werden versuchen, zu tun, was wir können.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818018800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Petersen.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0818018900
Herr Staatsminister, erwägt die Bundesregierung, bei der enormen, plötzlichen und zusätzlichen Belastung Thailands durch die Flüchtlinge, die herüberkommen, Sofortaktionen durchzuführen, weil da ja das Problem der Infrastruktur jedenfalls nicht in dem Maße besteht, wie es in Kambodscha selber der Fall ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminster: Ich sagte ja vorhin, wir haben solche Hilfe für das Grenzgebiet bereits angeboten. Wenn mehr verteilt werden kann, als wir bisher angeboten haben, werden wir ganz selbstverständlich auch mehr zur Verfügung stellen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818019000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0818019100
Herr Staatsminister, darf ich Sie fragen, ob es nicht zweckmäßig ist, daß die Regierung angesichts der ungeheuren Katastrophe, die sich zur Zeit dort vollzieht, mit bei der UNO protestiert, damit weltweite Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden, da unsere Maßnahmen ja nicht annähernd reichen können?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir tun das im Rahmen der weltweiten Organisationen. Wir tun es über die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen. Wir haben in den Vereinten Nationen dringlich auf die Notwendigkeit zusätzlicher Hilfe für Kambodscha hingewiesen. Der Herr Bundesaußenminister hat dies in seiner Rede getan. Ich bin dankbar für die Diskussion hier, aber seien Sie versichert: die Bundesregierung tut im Rahmen dessen, was wirklich verteilt werden kann, was möglich ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818019200
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID0818019300
Herr Staatsminister, treffen Informationen zu, nach denen sich die Bundesregierung in der nächsten Kabinettsitzung mit diesem Thema noch einmal ausführlich beschäftigen wird?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Die Auskunft ist richtig.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818019400
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 85 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
will der Bundesaußenminister seine vor der UN getätigte Aussage „Die Freiheit, den eigenen Staat zu verlassen, ist ein Menschenrecht; aber es ist genauso ein Menschenrecht, in seiner Heimat bleiben zu können" auch auf die Deutschen unter fremder Verwaltung und Herrschaft bezogen wissen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, Herr Genscher hat in seiner Rede vor den Vereinten



Staatsminister Dr. von Dohnanyi
Nationen im Zusammenhang mit den Flüchtlingen aus Vietnam über die Freiheit gesprochen, sein eigenes Land zu verlassen, und über das Recht, in seiner Heimat bleiben zu können. Die Bezeichnung dieser beiden Rechte als Menschenrechte macht deutlich, daß es sich hierbei um Rechte handelt, die selbstverständlich allen Menschen zustehen sollten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818019500
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0818019600
Herr Staatsminister, können Sie mir sagen, warum dann nach dieser — dankenswerterweise — besonderen Unterstreichung des Rechts auf die Heimat der Vietnamesen und der Kambodschaner vor den UN der Herr Bundesaußenminister nicht auch das gleiche Recht für Millionen von Deutschen vermerkt oder daran erinnert hat, oder wird das nächstes Mal erfolgen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wir erinnern doch immer wieder an die deutsche Frage. Aber ich kann nicht sehen, daß es gegenwärtig für Deutsche oder in Deutschland einen vergleichbaren Flüchtlingsstrom gäbe wie den, über den hier konkret gesprochen wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818019700
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0818019800
Herr Staatsminister, wenn Sie nicht das Recht von Millionen von Ihrer Heimat getrennten Deutschen vergessen wollten, möchte ich Sie fragen, ob Sie mit mir der Auffassung sind, daß dieses Recht auf die Heimat, ebenso wie das Recht auf Ausreisefreiheit, wovon ja in der Frage die Rede ist, ein unabdingbares, verbürgtes Menschenrecht auch für die Deutschen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Aber, Herr Kollege, ganz sicherlich. Das ist ja auch von der Bundesregierung nie in Zweifel gezogen worden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818019900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sauer.

Helmut Sauer (CDU):
Rede ID: ID0818020000
Herr Staatsminister, da der Herr Bundesminister des Auswärtigen nicht nur zu Vietnam konkret in bezug auf Heimatsrecht, Selbstbestimmung und Menschenrechte Stellung genommen hat, sondern auch zum Beispiel zu Palästina und Sie sagen, daß er diesmal nicht zum deutsch-polnischen Problem Stellung genommen hat, frage ich Sie: Ist seit dem Eintritt der Bundesrepublik Deutschland in die Vereinten Nationen überhaupt konkret in einer entscheidenden Rede vor der Vollversammlung die Frage der Deutschen im polnischen Machtbereich jemals angesprochen worden?
Dr. von Dohnanyl, Staatsminister: Herr Kollege, Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe darauf hingewiesen, daß Herr Genscher in seiner Rede selbstverständlich auch auf das Problem der deutschen Teilung hingewiesen hat. Die Fragestellung,
die hier von Herrn Czaja aufgeworfen wurde, bezog sich auf einen besonderen Zusammenhang,

(Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Im polnischen Machtbereich!)

nämlich auf den Zusammenhang der Flüchtlinge und des Heimatrechtes. Dieser Punkt — das habe ich gesagt — ist im Augenblick nicht von der drängenden Aktualität wie das vietnamesische Problem.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818020100
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe auf die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Czaja:
Soll das Lob des Bundesaußenministers auf der 34. Generalversammlung der UN vom 27. September 1979 (Bulletin 114, Seite 1059) für die große Bedeutung" der „Bewegung der Ungebundenen", die sie „für die Behauptung der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ihrer Mitgliedstaaten und damit für die weltweite Stabilität" als bleibende „starke Kraft für Frieden, Stabilität und Fortschritt in der Welt besitzt" anzeigen, daß auch die Bundesrepublik Deutschland später in diesem Wege einen Zustand des Friedens für Europa anstreben will, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Freiheit wiedererlangt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung wirkt mit ihrer Politik auf einen Zustand des Friedens hin, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen soll. Sie mißt deshalb dem Selbstbestimmungsrecht große Bedeutung zu und unterstützt jede Politik, die mit friedlichen Mitteln auf die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts gerichtet ist. Dies gilt auch für ihre Politik gegenüber der „Bewegung der Ungebundenen", also gegenüber den sogenannten blockfreien Staaten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818020200
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0818020300
Herr Staatssekretär, bedarf es nicht zumindest auch im Sinne der Frage der Klärung, warum der Bundesaußenminister bei der UNO-Generalversammlung nur ein einziges, rein feststellendes Wort zum westlichen Verteidigungsbündnis sagte, sich aber in drei Abschnitten mit dem großen Beitrag zur Stabilisierung und zum Frieden, den der Weg der Ungebundenen erbringt, befaßte?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, man redet ja im allgemeinen, um Dinge klarzumachen, die vielleicht noch nicht so klar sind. Da die Position der Bundesregierung in der Frage des westlichen Verteidigungsbündnisses eindeutig ist, hat der Bundesaußenminister sich in erster Linie den Problemen zugewandt, die hier noch zu diskutieren sind. Es bedarf also keinerlei Klärung, Herr Kollege.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818020400
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0818020500
Was wird eigentlich, Herr Staatsminister, getan, um zu verhindern, daß das Schweigen zum Menschenrecht von Millionen Deutschen trotz breiter allgemeiner Behandlung der Menschenrechte bei den Vereinten Nationen nicht mißverstanden werden soll, kann und darf als eine Verschweigung der deutschen Not, um die Ungebundenheit zwischen West und Ost nicht zu belasten?



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe eben schon darauf hingewiesen, daß darüber nicht geschwiegen wird. Ich habe ferner darauf hingewiesen, daß in dieser Beziehung eine Menge getan wird. Wenn Sie die Politik der letzten zehn Jahre betrachten und sehen, welche zusätzlichen Vorteile für Deutsche in beiden Teilen Deutschlands seitdem möglich geworden sind, dann kann man doch nicht die Frage stellen, ob die Bundesregierung das Problem der Menschenrechte in dieser Beziehung ernst nimmt oder nicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818020600
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Wrede zu Verfügung.
Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl (München) auf:
Mit welchen Gründen haben sich die Vertreter des Bundes in Aufsichtsrat- und Gesellschafterversammlung der Münchner Verkehrs-und Tarifverbund GmbH (MVV) für eine Erhöhung der Tarife und Gebühren im Verkehrsverbundnetz München und Region eingesetzt?

Lothar Wrede (SPD):
Rede ID: ID0818020700
Herr Kollege Dr. Riedl, im Münchner Verkehrs-und Tarifverbund ist der Kostendeckungsgrad von 48,9 % im Jahre 1976 auf 46,8% im Jahre 1979 gesunken. Die Leistungen der öffentlichen Hand sind im gleichen Zeitraum um 49 Millionen DM gestiegen. Die mittelfristig zu erwartenden Kostensteigerungen, die nicht zuletzt durch die Ausweitung des Leistungsangebotes bedingt sind, können nur mit Fahrpreiserhöhungen ausgeglichen werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818020800
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0818020900
Herr Staatssekretär, hat die Deutsche Bundesbahn die jetzt von Ihnen hier im Parlament vertretene Auffassung in Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung des Münchener Verkehrs- und Tarifverbundes geäußert, und billigt die Bundesregierung die von der Deutschen Bundesbahn in diesen Gremien vertretene Fahrpreispolitik?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Vertreter der Bundesbahn im Aufsichtsgremium des Münchener Verkehrsverbundes haben dem dort gemachten Vorschlag auf Tariferhöhung zugestimmt. Die Bundesregierung billigt dieses Verhalten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818021000
Weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID0818021100
Herr Staatssekretär, gehe ich also zu Recht davon aus, daß die Bundesregierung die jüngst beschlossenen neuen Tarife im Münchener Verkehrs- und Tarifverbund, die für die kommenden fünf Jahre gelten sollen, gebilligt hat?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Sie können das so aufnehmen, Herr Kollege Riedl, insbesondere vor dem Hintergrund des von mir gegebenen Hinweises auf
die finanzielle Entwicklung des Verkehrsverbundes.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818021200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klein.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID0818021300
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung mitteilen, um wieviel sich die finanzielle Belastung für den einzelnen Fahrgast des Verbundes erhöhen würde, wenn die Umstellungskosten aus Tariferhöhungen jedes Jahr oder alle zwei Jahre anfielen?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe mich nicht in der Lage, diese Frage hier zu beantworten. Dazu gehörte das Studium der Unterlagen des Münchener Verkehrsverbundes. Die habe ich nicht zur Verfügung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818021400
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geisenhofer.

Franz Xaver Geisenhofer (CSU):
Rede ID: ID0818021500
Herr Staatssekretär, ist von der Bundesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt erwogen worden, durch eine Erhöhung des Beitrags des Bundes zum Defizitabbau die Tariferhöhung zu mildern oder gar überflüssig zu machen, oder wird das erst noch erwogen werden?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Frage kann ich so nicht beantworten, sondern ich kann nur noch einmal meinen Hinweis wiederholen, daß die Vertreter des Bundes dem im Aufsichtsrat des Verkehrsverbundes gestellten Antrag auf Tariferhöhung in der in Rede stehenden Größenordnung zugestimmt haben, dies insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Deutsche Bundesbahn in den letzten Jahren selbst wiederholt gezwungen war, ihre Tarife anzuheben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818021600
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kraus.

Rudolf Kraus (CSU):
Rede ID: ID0818021700
Sieht die Bundesregierung irgendeinen Spielraum für Verhandlungen über eine größere Beteiligung des Bundes an der Defizitbeseitigung?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt im Münchener Verkehrverbund eine Regelung über die Einnahmenaufteilung. Sollte die Stadt München — ich gehe davon aus, daß das der Hintergrund Ihrer Frage ist — an die übrigen Beteiligten mit dem Wunsch herantreten, noch einmal in die Beratung dieses Themas einzutreten, wird sich der Bund sicher einer erneuten Beratung nicht widersetzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818021800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wittmann.

Dr. Fritz Wittmann (CSU):
Rede ID: ID0818021900
Herr Staatssekretär, soll Ihre letzte Antwort besagen, daß die Bundesregierung ihre Haltung überprüfen und dann eventuell ein größeres Defizit der Bundesbahn in Kauf nehmen wird?



Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat des Münchener Verkehrsverbundes für eine niedrigere Anpassung der Tarife stimmten — es stand wohl auch eine andere. Anpassung in Rede —, würde das bedeuten, daß sich die zusätzlichen Einnahmen der Bundesbahn verringerten und sich damit das Defizit der Bundesbahn im Rahmen des Verkehrsverbundes vergrößerte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818022000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marschall.

Manfred Marschall (SPD):
Rede ID: ID0818022100
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der Münchener Oberbürgermeister als Vorsitzender des Aufsichtsrates des Münchener Verkehrsverbundes von sich aus eines der beiden ausgearbeiteten Tarifmodelle, und zwar das mit der höheren Steigerung, unterstützt hat und sich daraufhin der Vertreter des Bundes dieser Haltung angeschlossen hat?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818022200
Herr Abgeordneter Marschall, das ist eine jener berühmten Dreiecksfragen, die nur dann noch zulässig sind, wenn noch eine Zuständigkeit der Bundesregierung besteht, die ja gefragt wird. Dies scheint mir aber beim Oberbürgermeister von München nicht der Fall zu sein.
Formulieren Sie die Frage doch ein bißchen anders. Dann schauen wir noch einmal, ob wir zurechtkommen.

Manfred Marschall (SPD):
Rede ID: ID0818022300
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der Vertreter des Bundes auf Grund einer vorangegangenen Initiative des Münchener Oberbürgermeisters als Vertreter des Münchener Verkehrsverbundes die vorgeschlagene Regelung unterstützt hat?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Marschall, lassen Sie es mich einmal ein wenig anders formulieren. Mir scheint, daß es in München erstens um kommunalpolitische Auseinandersetzungen geht. Zweitens habe ich den Eindruck, daß es nicht so sehr um eine Tarifkorrektur im Münchener Verkehrsverbund geht, sondern daß wir angesichts der gefundenen Größenordnung nun plötzlich vor der Situation stehen, daß niemand mehr die Vaterschaft für dieses Kind übernehmen möchte.
Jetzt komme ich zur endgültigen Beantwortung Ihrer Frage. Die Vertreter des Bundes haben im Münchener Verkehrsverbund einem dort gemachten Vorschlag zugestimmt. Der Vorschlag ist keinesfalls von den Vertretern des Bundes gemacht worden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818022400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt (München).

Manfred Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0818022500
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre zuletzt gemachten Äußerungen so verstehen, daß andersartige Äußerungen, die beispielsweise darauf hinauslaufen, daß der Münchener Oberbürgermeister sich nach langem Abwägen den
Vorschlägen des Bundes angeschlossen hat, nicht zutreffend sind?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Wenn das so formuliert sein sollte, muß ich sagen: Das trifft nicht zu.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818022600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelhard.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID0818022700
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat auf regelmäßige Erhöhungen in kleineren Sätzen in Übereinstimmung mit den Erhöhungen bei der Bundesbahn hingewiesen hatten, diese aber aus bestimmten Gründen, wie immer, von der Landeshauptstadt München abgelehnt worden sind und schließlich die Initiative zur Erhöhung nicht von seiten des Bundes ausging?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Engelhard, nach meinen Informationen stimmt das, insbesondere die Begründung mit dem Hinweis, daß man die Tarife in München immer in größeren Zeitabständen und in größeren Raten angepaßt habe.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818022800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0818022900
Herr Staatssekretär, nimmt die Bundesregierung in Kauf, daß die Bundesbahn höhere Defizite zu verzeichnen haben wird, wenn sie in Zukunft nicht mehr auf höhere Tarifanhebungen drängen wird?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesbahn wird — ich habe darauf hingewiesen — nicht nur in ihrem eigenen Bereich immer wieder darauf angewiesen sein, die Tarife der Kostenentwicklung anzupassen, sondern auch überall dort, wo sie in Tarifverbünden mit anderen Verkehrsträgern zusammenarbeitet. In der Auseinandersetzung in einem solchen Verkehrsverbund geht es dann doch darum, welche Größenordnung angemessen ist. Wenn der Bund an einem solchen Tarifverbund beteiligt ist und man sich auf eine Größenordnung einigt, werden diese Beschlüsse selbstverständlich auch vom Bund mitgetragen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818023000
Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Ich sehe auch keinen Münchener mehr hier, der sie stellen könnte.

(Heiterkeit — Dr. Riedl [München] [CDU/ CSU]: Es waren aber alle da!)

— Jawohl, es waren alle da. Ich habe noch nie so viele Münchener auf einmal hier gesehen wie bei dieser Frage.
Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Petersen auf:
Hat sich Haltung und Planung der Bundesregierung bezüglich einer Autobahnstrecke A 81 zwischen Leonberg und Gärtringen seit ihrer Antwort an den Abgeordneten Dr. Stark vom 15. Dezember 1978 geändert?



Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Petersen, die Antwort lautet ja. Der Widerstand der Bevölkerung in diesem Raum gegen die in Aussicht genommene Autobahn wegen des Landschaftsverbrauches und der zu erwartenden Immissionen hat sich verstärkt. Gemeinderäte der berührten Gemarkungsgemeinden, Bundestags- und Landtagsabgeordnete aller Parteien halten ein nochmaliges Überdenken der Planung für erforderlich. Diesem Entwicklungsprozeß, der eine Lösung mit minimaler Umweltbeeinträchtigung und dennoch optimaler Verkehrsbedienung zum Ziele hat, wird sich die Bundesregierung selbstverständlich nicht verschließen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818023100
Eine Zusatzfrage.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0818023200
Herr Staatssekretär, hat sich die Beurteilung des Bedarfs angesichts des Verkehrsaufkommens in dieser Gegend in den letzten sechs Monaten in irgendeiner Weise geändert?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, nicht die Beurteilung des Verkehrsbedarfs, sondern die Beurteilung der unterschiedlichen Möglichkeiten, diesem Verkehrsbedarf durch entsprechende Bauten gerecht zu werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818023300
Eine Zusatzfrage.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0818023400
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesautobahn zwischen Leonberg und Gärtringen, die A 81, nicht, noch nicht oder auf sehr lange Zeit nicht gebaut wird, ergeben sich ja logischerweise erhebliche Belastungen. Hat die Bundesregierung jetzt Dringlichkeitspläne erstellt, um im Zusammenhang mit dem Ausbau der alten B 14 die Schallschutzmaßnahmen im Bereich Sindelfingen-Böblingen und die Umgehung von Remmingen und auch die Maßnahmen beim Engelberg-Tunnel in Leonberg in Angriff nehmen zu können?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Petersen, diese Zusatzfrage zielt auf Ihre zweite Frage. Ich würde Sie darum bitten, die Beantwortung Ihrer Zusatzfrage mit der Antwort zu der zweiten von Ihnen eingebrachten Frage verbinden zu dürfen. Dann wird der Zusammenhang deutlich.

(Petersen [CDU/CSU]: Einverstanden!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818023500
Wir sind aber noch bei Frage 49.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Besch.

Johann Christoph Besch (CDU):
Rede ID: ID0818023600
Herr Staatssekretär, könnte es vielleicht sein, daß die jetzige Entscheidung, die Sie hier verkünden, irgend etwas mit einem entsprechenden Beschluß des Landesparteitages der SPD in Fellbach zu tun hat?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818023700
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, darauf brauchen Sie keine Antwort zu geben.
Wrede, Parl. Staatssekretär: Ich möchte aber, Herr Präsident.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818023800
Bitte.
Wrede, Parl. Staatssekretär: Ich habe vorhin in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Petersen darauf hingewiesen, daß sich weite Kreise der betroffenen Bevölkerung und Bundes- und Landtagsabgeordnete aller Parteien gegen die bisher in Rede stehende Planung gewandt haben. Damit erübrigt sich eine Beantwortung Ihrer Zusatzfrage.

(Zustimmung bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818023900
Ich rufe Frage 50 des Herrn Abgeordneten Petersen auf:
Gibt es neue Erkenntnisse, die die Bundesregierung veranlassen könnten, diese Strecke aus dem Bedarfsplan 1980 zu streichen?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, nach Auffassung der Bundesregierung, die offensichtlich auch von den gewählten Abgeordneten des Raumes geteilt wird, sind noch nicht alle Alternativlösungen ausreichend untersucht worden. Daher soll die Autobahnteilstrecke Leonberg—Gärtringen nicht in den Entwurf des neuen Bedarfsplanes aufgenommen werden. Durch einen Aufdruck auf den Bedarfsplan wird jedoch darauf hingewiesen werden, daß bis zur erneuten Fortschreibung des Bedarfsplanes im Jahre 1985 untersucht wird, inwieweit alternative Planungen, insbesondere durch den Ausbau des vorhandenen Straßennetzes, entwickelt und in den Bedarfsplan aufgenommen werden können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818024000
Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0818024100
Herr Staatssekretär, gibt es für die betroffene Bevölkerung — Stichwort: Sindelfingen, Böblingen, Remmingen, Leonberg, Engelberg-Tunnel — eine Hoffnung, daß die erheblichen Belästigungen — aus verschiedenen Gründen — vor 1985 irgendwie gemildert werden können?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Hoffnung kann ich Ihnen hier nicht machen, weil ich davon ausgehen muß, daß es selbst dann, wenn der bisher verfolgte Plan realisiert würde, viele Jahre dauern würde, bis er in die Tat umgesetzt wäre, d. h. bis die Autobahn gebaut worden wäre. Das gleiche trifft natürlich für alternative Maßnahmen zu.
Von der Idee über die Planung und über das Planfeststellungsverfahren bis zum Bau einer Straße vergehen viele Jahre. Insofern muß man diesen Zeitverzug also in Kauf nehmen. Aber er wird bei der beabsichtigten alternativen Planung sicherlich nicht größer sein als bei der alten Planung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818024200
Eine Zusatzfrage, bitte.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0818024300
Herr Staatssekretär, seinerzeit wurde die alte B 14 zur Bundesautobahn 831 aufgestuft, die heute durch Sindelfingen/Böblingen bis Herrenberg geht. Wird diese Aufstufung, die damals



Petersen
als temporär bezeichnet wurde, jetzt als endgültig zu betrachten sein?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß dieser. Straßenzug, der zur Autobahn aufgestuft wurde, auch in Zukunft seine Bedeutung im Sinne einer Autobahn behalten wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818024400
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Braun auf:
Kann die Bundesregierung Berichte bestätigen, daß durch die Einnahme von Medikamenten, hauptsächlich Beruhigungsmittel, mehr Unfälle als durch Alkohol am Steuer verursacht wurden, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu unternehmen?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die amtliche Straßenverkehrsunfallstatistik enthält über die Ursächlichkeit von Medikamenten für das Unfallgeschehen keine Angaben. Der Bundesregierung ist jedoch aus einzelnen Untersuchungen bekannt, daß bei Verunglückten, die stationär behandelt wurden und bei denen kein Alkohol nachweisbar war, in einem erheblichen Teil der Fälle verkehrsrelevante Medikamente festgestellt wurden. Hierbei spielen Beruhigungs- und Schlafmittel die größte Rolle. Der Bundesregierung ist jedoch nicht bekannt, inwieweit diese Medikamente im Einzelfall auch unfallursächlich waren.
Wegen der Bedeutung der Medikamente für die Verkehrssicherheit und wegen der Schwierigkeiten, einen wissenschaftlich einwandfreien Nachweis von Medikamenten bei Verkehrsteilnehmern zu führen, hat die Bundesregierung schon in der Vergangenheit Forschungen in diesem Bereich mitfinanziert. Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen auf diesem Gebiet durch entsprechende Forschungsprojekte fortsetzen und diese besonders auf den Nachweis verkehrsrelevanter Medikamente und deren Wechselwirkung mit Alkohol ausrichten.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung auch in Zukunft im Rahmen ihrer Aufklärungsarbeit die Ärzte bitten, ihre Patienten verstärkt über die Auswirkungen von Medikamenten auf die Fahrtauglichkeit ' hinzuweisen. Andererseits sollten sich jedoch auch die Verkehrsteilnehmer im eigenen Interesse bei ihrem Arzt Klarheit darüber verschaffen, wie sich die ihnen verschriebenen Medikamente. auf die Verkehrstüchtigkeit auswirken.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818024500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0818024600
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß bei der Bewertung, warum es zu einem Unfall kam, oft verschwiegen wird, daß ein Unfall durch Einnahme von Medikamenten entstand?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Dies kann ich nicht beurteilen, Herr Kollege. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung eine Reihe von Forschungsprojekten mitfinanziert — dies wird sie auch zukünftig tun —, um das in Erfahrung zu bringen. Es ist natürlich in jedem Einzelfall immer sehr unterschiedlich und häufig sehr schwierig zu bewerten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818024700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß die Deutsche Bundesbahn im Winterfahrplan 1979/80 auch im Nahverkehr der Großstädte überwiegend Eilzüge anstelle der bisherigen Nahverkehrszüge einsetzt und damit die mit Wirkung vom 1. Oktober 1979 eingeführte Freifahrtberechtigung für Schwerbehinderte in ihrem (bundeseigenen) Bereich praktisch außer Kraft setzt, da die Benutzung von Eilzügen von der Freifahrtberechtigung ausgeschlossen ist?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Evers, Umstellungen der von Ihnen genannten Art erfolgen grundsätzlich nur mit den jeweils zum Sommerfahrplanabschnitt in Kraft tretenden Jahresfahrplänen. Zum Winterfahrplan 1979/80 sind derartige Änderungen nicht durchgeführt worden. Abgesehen davon wurde für ausgefallene Nahverkehrszüge eine Ersatzbedienung durch Busse eingerichtet. Diese aber können zur Freifahrt von Schwerbehinderten in Anspruch genommen werden.
Sollten jedoch durch die von der Deutschen Bundesbahn unabhängig von den Regelungen des neuen Schwerbehindertengesetzes konsequent verfolgte Produktpolitik in einzelnen Fällen besondere Härten aufgetreten sein, wird die Deutsche Bundesbahn prüfen, ob durch die Freigabe von Eilzügen Abhilfe geschaffen werden kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818024800
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0818024900
Darf ich dieser Antwort entnehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie im Augenblick nicht daran denken, Eilzüge im Nahverkehrsbereich generell auch für die Benutzung durch Schwerbehinderte freizugeben?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Das können wir nicht, Herr Kollege, weil das von mir genannte Gesetz dies nicht vorgesehen hat.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818025000
Zusatzfrage.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0818025100
Herr Staatssekretär, bis wann können Sie nach Ihrer Meinung über Erfolgsergebnisse in bezug auf eine Erweiterung im einzelnen Härtefall durch die Deutsche Bundesbahn berichten?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Ich denke, daß das noch gegen Ende dieses Jahres geschehen kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818025200
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 53 des Herrn Abgeordneten Walther wird auf Wunsch de Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Fragen 56 und 57 des Herrn Abgeordneten Dr. Dollinger werden auf Wunsch des Fragestel-



Präsident Stücklen
lers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:
Wird gegen den Bundesbahndirektor a. D. Hans Kroker wegen seiner Äußerungen gegenüber der Hamburger Journalistin Renate Harpprecht ein Disziplinarverfahren eingeleitet, und wenn ja, wieweit sind die entsprechenden Vorbereitungen gediehen?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, wenn der Fragesteller. einverstanden ist, möchte ich die beiden Fragen. 54 und 55 gemeinsam beantworten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818025300
In Ordnung. Dann rufe ich auch die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Heyenn auf:
Sind die Bedenken des Bundesdisziplinaranwalts gegen die Einleitung eines Verfahrens nach Auffassung der Bundesregierung unberechtigt, und wenn ja, welche Folgerungen zieht sie daraus?
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Heyenn, der Vorstand der Deutschen Bundesbahn als nach der Bundesdisziplinarordnung allein zuständige Behörde hat Vorermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 26 der Bundesdisziplinarordnung gegen den Ruhestandsbeamten eingeleitet. Diese sind noch nicht abgeschlossen.
Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesdisziplinaranwalts, daß bei einer gerichtlichen Entscheidung über das in der Presse wiedergegebene Verhalten des Bundesbahndirektors a. D. Hans Kroker wegen der eng gefaßten Gesetzesbestimmung in § 77 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes mit einer disziplinarischen Ahndung nicht zu rechnen wäre. Der Bundesminister für Verkehr hält diese Rechtslage für unbefriedigend.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818025400
Zusatzfrage.

Günther Heyenn (SPD):
Rede ID: ID0818025500
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es als ein unerträglicher Widerspruch angesehen werden muß, gegen einen pensionierten Bundesbahndirektor, der einer Journalistin vorwirft, der Bericht über den Tod iher Eltern in einem nationalsozialistischen Vernichtungslager sei Beleidigung und Volksverhetzung, ja, der sogar sagt, die „Vergasungsstory” sei eine längst durch seriöse Geschichtsforscher des In- und Auslands widerlegte „Greuelmär", nicht vorgehen zu können — und das in Übereinstimmung mit dem Bundesdisziplinaranwalt —, und auf der anderen Seite auf Drängen des Bundesdisziplinaranwalts gegen Angehörige der Bundesbahn, gegen dort Beschäftigte, die Mitglieder der DKP sind und für kommunale Parlamente kandidiert haben, ein Disziplinarverfahren eröffnen zu müssen?

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818025600
Herr Abgeordneter, es geht hier um Äußerungen. Sie beziehen einen ganz neuen Sachverhalt mit ein. Ich würde nur den ersten Teil der Frage gelten lassen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, lassen Sie sich nicht aufs Kreuz legen.
Wrede, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Heyenn, ich wollte von mir aus sagen: Das sind zwei unterschiedliche Sachverhalte, deren zweiter sicherlich nicht in einen Zusammenhang mit Ihrer ursprünglich gestellten Frage gehört
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich habe darauf verwiesen, daß der Bundesminister für Verkehr diese Rechtslage für unbefriedigend hält. Ich darf im übrigen sagen: auch in Übereinstimmung mit dem Bundesdisziplinaranwalt. Ich möchte hinzufügen, daß der Bundesminister für Verkehr zur Zeit untersucht, wie dort Abhilfe geschaffen werden kann.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818025700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Sperling zur Verfügung.
Ich rufe Frage 58 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
In welchem Umfang wird nach Einschätzung der Bundesregierung die staatliche Energiesparzulage auf Grund des Energieeinsparungsgesetzes vom 30. Juni 1978 für den Antragsteller gemindert durch Kosten im Zusammenhang mit der Beantragung der Energiesparzulage, Kosten auf Grund der Erhöhung des Einheitswerts bzw. der Grundsteuer bei Wohnungen infolge der Energiesparzulage, Preissteigerungen insbesondere bei wärmedämmenden Materialien infolge der starken Nachfrage und Zwischenkreditkosten zur Vorfinanzierung der Energiesparzulage?

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0818025800
Herr Kollege Laufs, der Bundesregierung ist nicht bekannt, wieweit der Wert der Zuschüsse nach dem Energiesparprogramm durch die von Ihnen im einzelnen angedeuteten Kostensteigerungen wirtschaftlich gemindert wird, denn diese Kostensteigerungen hängen von örtlichen und tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall ab. Es ist keineswegs erkennbar auf Grund der vorhandenen Datenlage, in wieviel Fällen welche Kostensteigerungen auf welcher Grundlage überhaupt eintreten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818025900
Herr Laufs, wir sind in einer schwierigen Situation. Stellen Sie schnell noch Ihre zwei Zusatzfragen.

Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID0818026000
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, ein allgemeines Urteil darüber abzugeben, wie Sie die Effizienz der gegenwärtig angewandten Bewilligungsverfahren einschätzen?
Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Laufs, die Bundesregierung teilt die Einschätzung der Effizienz durch die Bevölkerung, denn die Antragsteller glauben an diese Effizienz zu Recht in solchem Ausmaß, daß die bereitgestellten Förderungsmittel nicht ausreichen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818026100
Noch eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID0818026200
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der erforderliche bürokratische . Aufwand und auch die Kostenseite energiesparwillige Antragsteller dazu veranlaßt hat, auf eine staatliche Förderung iher Wärmedämmungsmaßnahmen resignierend zu verzichten?



Dr. Sperling, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann mir zwar vorstellen, daß es bürokratischen Aufwand gibt. Wenn aber Antragsteller deswegen resignierend verzichten, scheinen sie nach meiner Auffassung stärker Gerüchten über den bürokratischen Aufwand zu folgen als der Tatsache. Das Problem dürfte eher darin stecken, daß Antragsteller erfahren: Die Fördermittel sind verbraucht, und deswegen lohnt eine Antragstellung nicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818026300
Der Abgeordnete Dr. Hupka hat seine Frage 72 zurückgezogen. Sie steht also nicht mehr zur Beantwortung.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde angelangt. Die übrigen, nicht behandelten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Schedl, Frau Benedix, Pieroth, Hasinger, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Dr. Blüm, Dr. George, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Möller, Frau Karwatzki, Neuhaus, Dr. Laufs, Dr. Langguth, Hauser (Krefeld), Josten, Würzbach, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen
— Drucksache 8/2884
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Wird zur Begründung das Wort gewünscht oder wird die Begründung in die Aussprache einbezogen? — Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wilms.

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID0818026400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Gründe haben die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion bewogen, diesen Antrag im Bundestag einzubringen. Wir wollen damit erstens zum Ausdruck bringen, welch große Bedeutung wir der beruflichen Fortbildung insbesondere im betrieblichen und überbetrieblichen Bereich sowohl für die persönliche und berufliche Entfaltung des einzelnen wie auch für die künftige Arbeitsmarktentwicklung zumessen. Wir möchten zweitens die ordnungspolitische, rechtliche und organisatorische Position der beruflichen Fortbildung in der Wirtschaft im Rahmen der gesamten Berufsbildung, soweit uns das hier zusteht, genau bestimmt wissen, damit die Weichen für diesen Bildungsbereich, der vor einer großen Ausdehnung steht, von Anfang an richtig gestellt werden. Ich möchte dies ein wenig näher erläutern.
Berufliche Fortbildung formt die Persönlichkeit des einzelnen. Sie schafft ihm ein Mehr an beruflicher und damit sozialer Sicherheit und eröffnet ihm Chancen zur Ausweitung seiner beruflichen Möglichkeiten, d. h. auch zum Aufstieg. Dies gilt insbesondere dort, wo theoretische und praktische Fortbildung Hand in Hand gehen, wie es in der Wirtschaft fast immer der Fall ist. So gesehen bedeutet berufliche Fortbildung Verbesserung der personalen, sozialen und fachlichen Kompetenz des Arbeitnehmers wie des Selbständigen. Sie erweitert den Spielraum für eigenständiges Denken und Handeln, für personale Mündigkeit und Selbständigkeit des einzelnen und bedeutet Förderung seiner individuellen kreativen Kräfte. Kreativität, Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft, meine Damen und Herren, sind aber heute mehr denn je Voraussetzungen für ein organisches Wachstum der Wirtschaft gleichsam von innen heraus, das von den in ihr tätigen Menschen initiiert und von ihnen weitergetragen wird. Die Union hat in ihrem jüngst verabschiedeten wirtschaftspolitischen Programm gerade auf die Bedeutung der beruflichen Qualifizierung für ein vernünftiges, in sich ausgewogenes Wirtschaftswachstum verwiesen. Unter wirtschafts- und sozialpolitischen Gesichtspunkten wird die berufliche Fortbildung, besonders in der Wirtschaft, immer aktueller und dringlicher. Sie mildert Diskrepanzen auf dem Arbeitsmarkt zwischen dem Fachkräftemangel einerseits und dem überhöhten Angebot von wenig oder falsch qualifizierten Arbeitskräften andererseits, ein Problem, mit dem wir ja gerade zur Zeit sehr zu kämpfen haben. Fortbildung paßt Fachkräfte neuen beruflichen Anforderungen an, damit sie den Wandel in der Arbeitswelt besser bewältigen.
Berufliche Fortbildung — meine Damen und Herren, das ist ein Aspekt, der in der Diskussion bislang vielleicht immer ein wenig zu kurz gekommen ist — ist auch notwendig, um für die Bereiche Forschung und Entwicklung die jeweils benötigten Fachkräfte zur Verfügung zu stellen. Denn sonst wären alle Kapitalinvestitionen in diesem Bereich sinnlos. Auf diese Weise werden auch Fachkräfte immer wieder neu befähigt, Innovationen in den Produktionsprozeß einzubringen. Berufliche Fortbildung ist für die Förderung und Sicherung von qualifiziertem Führungsnachwuchs in der Wirtschaft unabdingbar. Aber — dies möchte ich gerade aus unserer Sicht ganz besonders betonen — sie gibt auch den leistungsschwächeren, den weniger qualifizierten Arbeitnehmern gerade durch starken Praxisbezug die Chance, sich beruflich nach oben zu arbeiten.
Die betriebliche und überbetriebliche Fortbildung von ausländischen Arbeitnehmern und die von verheirateten Frauen, die nach Jahren einer Erziehungstätigkeit wieder in den Beruf einsteigen, ist in diesem Zusammenhang, glaube ich, ganz besonders zu erwähnen. Sie ist ein Beitrag zur individuellen Chancengerechtigkeit, aber sie ist auch unter dem Gesichtspunkt arbeitsmarktpolitischer Entwicklungstendenzen notwendig.
Der technische Fortschritt und der Einsatz von Minicomputern und Mikroprozessoren stellen nicht nur eine Gefahr für den Menschen dar, weil sie teilweise Arbeitsplätze ersetzen, sondern auch eine neue Chance, da sie von Routinearbeit entlasten und mehr fachliches Know-how erfordern. Je mehr die Bundesrepublik zu einem Hochlohnland wird, um so mehr muß sie um hohe berufliche Qualifikation ihrer Bürger auf allen Tätigkeits- und Funk-



Frau Dr. Wilms
tionsebenen besorgt sein. Der sich in Theorie und Praxis weiter qualifizierende Facharbeiter ist dabei von mindestens ebenso großer Bedeutung wie der sich weiterbildende Diplomingenieur.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich etwas zum Standort der betrieblichen und überbetrieblichen beruflichen Fortbildung sagen: Sie ist unserer Auffassung nach stets Fortsetzung der Ausbildung und sollte sie weder ersetzen noch verkürzen wollen. Ich sage dies ganz bewußt im Hinblick auf mancherlei politische Überlegungen hier und da, die zum Ziele haben, die Ausbildung im dualen System zu verkürzen, etwa durch ein Berufsgrundschuljahr quasi von unten und durch Verkürzung der Fachausbildung von oben. Dies ist nicht unsere Politik. Wir werden uns — wo immer solche Absichten bestehen - dagegen wehren. Berufliche Fortbildung betriebliche und überbetriebliche — ist für uns eine konsequente Weiterführung des dualen Ausbildungssystems.
Aber lassen Sie mich auch dieses durchaus kritisch sagen: Eine überlange allgemeine und berufliche Bildung im Sinne der Erstausbildung verschüttet Kräfte und Leistungsmotivationen im jungen Menschen, da sie keine Gelegenheit zur Bewährung in der Praxis, zur erfolgreichen Anwendung des Gelernten gibt. Berufliche Fortbildung ist da von anderer Qualität, da sie die Lebens- und die Berufserfahrungen des Menschen mit einbezieht; bei ihm ist die Einsicht in der Notwendigkeit von Bildung meist ge- wachsen, und Theorie und Praxis werden zunehmend als die beiden Seiten derselben Münze erkannt
Der Deutsche Bundestag kann sich hier nur mit der nichtschulischen beruflichen Fortbildung befas- sen, also mit der in Betrieben und überbetrieblichen Organisationen und Einrichtungen, soweit sie im Berufsbildungsgesetz und in der Handwerksordnung geregelt sowie im Ausbildungsplatzförderungsgesetz und im Arbeitsförderungsgesetz angesprochen ist. Dies ist einerseits eine Einschränkung, andererseits aber öffnet es den Blick für die Vielzahl von erfolgreichen, aber sehr unterschiedlichen Fortbildungsmaßnahmen in der Wirtschaft, oft im Verbundsystem mit schulischen oder universitären Maßnahmen.
Wir sind der Auffassung, daß die Entwicklung der Fortbildungsarbeit in der Wirtschaft auch für die Beantwortung der Frage von entscheidender Bedeutung ist, ob das. duale System in den 80er Jahren angesichts geburtenschwächerer Nachwuchsjahrgänge eine Zukunft haben wird und wie diese aussehen kann. Wir sind von der unerseztlichen Rolle überzeugt, die das duale System in der Berufsausbildung auch künftig spielen wird. Dieses System sollte auch im nächsten Jahrzehnt, in dem möglicherweise zwischen Schule, Universität und Betrieb ein Wettbewerb um junge Menschen anbrechen wird, nicht verdrängt werden.
Je stärker nun aber Ausbildung im dualen System zu einer durch Theorie und Praxis geprägten Fortbildung, die die individuellen Chancen auf dem Arbeitsmarkt weiter verbessert, hinführt und in sie
einmündet, um so attraktiver wird dieses duale System für junge Menschen sein.
Diese Wirkung wird allerdings nur dann eintreten, wenn die berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen wie Kammern, Verbänden und Gewerkschaften ein offenes und flexibles System von Maßnahmen bleibt. Ein starres, unflexibles System stünde der Erreichung dieses Ziels genau entgegen. Berufliche Fortbildung muß, wenn sie Sinn und Zweck haben soll, immer realitätsbezogen und bedarfsorientiert sein.
Fortbildungsmaßnahmen von Betrieben und überbetrieblichen Institutionen müssen differenziert und flexibel angelegt sein, wenn sie auf neue Anforderungen schnell eine Antwort geben sollen. Eine Pluralität von wechselnden Anbietern und Angeboten ist dafür eine entscheidende Voraussetzung. Gleichförmige Bildungslandschaften — ein Begriff, den wir sehr häufig aus dem Bildungsministerium hören —, gleichsam glattgeschnittene grüne Wiesen ohne blühende Blumen sind für die Fortbildung gänzlich unfruchtbar.
Dies alles schließt eine Verstaatlichung, eine totale Verrechtlichung ebenso aus wie eine Monopolisierung der beruflichen Fortbildung. Eine Fortbildungsbürokratie mit einem dichten Netz von Gesetzen und Verordnungen wäre genau das Gegenteil von dem, was für die Zukunft nottut, um den Fachkräften neue berufliche Chancen und der Wirtschaft qualifizierte Arbeitskräfte zu geben. Notwendig ist unserer Meinung nach eine durch Rahmenbedingungen geordnete Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Institutionen, die ihren eigenständigen, ihren selbständigen Platz neben staatlich geregelten Bereichen, insbesondere der schulischen Fortbildung, haben muß.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818026500
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmude?

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID0818026600
Bitte sehr.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818026700
Frau Kollegin Wilms, um nicht nachher deswegen in die Debatte eingreifen zu müssen, um aber diese Frage doch nicht ungeklärt zu lassen, bitte ich Sie, mir einmal zu sagen, wo aus dem Bundesbildungsministerium zu hören ist, wir wünschten eine gleichförmige Bildungslandschaft, eine glattgeschnittene Wiese ohne einzelne Blumen. Können Sie das belegen?

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID0818026800
Herr Minister Schmude, Sie wollen ja wohl nicht bestreiten, daß der Begriff „Bildungslandschaft" aus Ihrem Hause — und ich glaube, auch aus Ihrem Munde - sehr häufig zu hören ist. Wenn ich das mit dem Begriff der glattgeschnittenen grünen Weise garniert habe, so wissen wir alle, woher das kommt.

(Zuruf von der SPD: Daß es nicht stimmt!)

— Das es nicht stimmt? Gut, wenn das nicht stimmt,
wenn also die glattgeschnittene grüne Wiese ohne



Frau Dr. Wilms
blühende Blumen auch nicht in Ihrem Sinne ist, sind wir einer Meinung.

(Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Also sind sie gegen die Gesamtschule!)

Wir meinen also, daß eine Verstaatlichung, eine Verrechtlichung, eine Monopolisierung in der beruflichen Bildung nicht sinnvoll ist, und wir glauben, daß eine Fortbildungsbürokratie mit einem dichten Netz von Gesetzen und Verordnungen genau das Gegenteil von dem wäre, was in Zukunft nottut
Was heißt das nun konkret? Das Berufsbildungsgesetz enthält in bezug auf die berufliche Fortbildung nur die Definition dieses Bereiches der Berufsbildung in § 1 Abs. 3 sowie die Ermächtigung zur Durchführung und Regelung von Prüfungen und zum Erlaß von Prüfungsordnungen. Wir meinen, daß diese Beschränkung nicht zufällig erfolgt ist, son-dem zum Ausdruck bringt, daß die berufliche Fortbildung ihre Funktion immer nur in einem ausgewogenen Verhältnis von freier Entwicklung und staatlicher Regelung erfüllen kann.
Entsprechend den im Gesetz bereits abgestuft vorgesehenen Ordnungsinstrumenten sollte das Schwergewicht beim Ausbau der beruflichen Aufstiegsfortbiidung bei Maßnahmen der zuständigen Stellen — also der Kammern - gemäß § 46 Abs. 1 liegen, weil das der Nachrangigkeit staatlichen Handelns im Bereich vorhandener Selbstverwaltungskompetenzen entspricht
Dies schließt jedoch die erforderliche Einheitlichkeit der Fortbildungsprüfungsordnungen nicht aus. Wir meinen, daß die Dachverbände der zuständigen Stellen sowie die Gewerkschaften dazu beitragen sollten, daß Fortbildungsordnungen von den jeweils betroffenen Kammern einheitlich übernommen werden und daß die Berufsbildungsausschüsse als die Beschlußgremien der zuständigen Stellen die Empfehlungen der Dachverbände übernehmen. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft sollte unserer Meinung nach,. statt alle Möglichkeiten zum Erlaß von Rechtsverordnungen auszunutzen, mehr durch Sachverständigenkommissionen erarbeitete Empfehlungen zur Ordnung der Berufsbildung herausgeben. Wir meine n, daß solche Empfehlungen offener, dynamischer, flexibler und praktikabler als Rechtsverordnungen sind, an die auch in formaler Hinsicht strengere Anforderungen gestellt werden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Rechtsverordnungen sollten nur in den Bereichen erlassen werden, wo es sich um Aufstiegsfortbildung handelt und wo das wegen der mit Prüfungen verbundenen bundeseinheitlichen Berechtigungen erforderlich ist.

(Sehr wahrl bei der CDU/CSU)

Auch sie sollten sich auf Prüfungsanforderungen, das Prüfungsverfahren und die Bezeichnung des Abschlusses beschränken und die Trager von Fortbildungsmaßnahmen im Hinblick auf die Inhalte und die Methodik nicht einengen.
Die Tarifpartner und die staatlichen Institutionen, die direkt oder forschungsmäßig mit Fortbildung befaßt sind, sollten unserer Meinung nach in Sachverständigenkommissionen zusammenarbeiten, um neue praxisnahe und bedarfsgerechte Fortbildungsgänge zu konzipieren. In solchen Kommissionen könnten auch formlos notwendige Vergleiche mit schulischen Fortbildungsmaßnahmen in den Ländern vorgenommen werden, ohne daß es dazu wiederum einer formalen Bund-Länder-Abmachung bedürfte. Lassen Sie mich ausdrücklich sagen: Ein bundeseinheitliches Weiterbildungssystem, das alle Maßnahmen zentral formiert und schematisch aufeinander abstimmt, kann und darf nicht das Ziel sein

(Beifall bei der CDU/CSU).

Berufliche Fortbildung lebt von Offenheit und Differenzierungen nach Regionen, Branchen, Berufen, Qualitätsebenen und Trägern.
Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang noch auf einen anderen Gesichtspunkt hinzuweisen. Die Information, die Beratung und die Anleitung von Arbeitnehmern und Selbständigen über Notwendigkeiten und Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung müssen noch weiter verbessert werden. Der individuelle Fortbildungswille muß geweckt und gefördert werden; denn ohne innere Motivation und Lernbereitschaft des einzelnen ist einer Fortbildung wenig dauerhafter Erfolg beschieden. Auch hier läßt sich mit Gesetzen letztendlich wenig machen. Für die Fortbildungsbereitschaft sollte schon in der Schule und in der Ausbildung der Grund gelegt werden, und sie muß dann weiter gepflegt werden. Wir haben an die Betriebe, die Tarifpartner und die Arbeitsverwaltung die Bitte, sich diese Aufgabe noch mehr als bisher zu eigen zu machen.
Lassen Sie mich insgesamt und abschließend sagen, daß wir auch auf dem Gebiet der beruflichen Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen 'Institutionen den ordnenden Kräften der Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft und den Tarifpartnern den Vorrang vor staatlich verordneten Regelungen geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies entspricht unseres Erachtens dem Sinn des Berufsbildungsgesetzes und den Ordnungsprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818026900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Vogelsang.

Kurt Vogelsang (SPD):
Rede ID: ID0818027000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, ich bitte um Nachsicht, daß ich nicht in der Lage sein werde, in ebenso blumenreicher Darstellung einiges hier vorzutragen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Lassen Sie mal! Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie in diesem Zusammenhang gleich ein Beispiel für Fortbildung gegeben haben, Fortbildung selbst für Abgeordnete. Recht schönen Dank.

(Daweke [CDU/CSU]: Besteht die Gefahr, daß der Minister wieder seinen Sitz verläßt?)




Vogelsang
— Das fragen Sie besser den Minister.
Das Thema, das wir im vorhergehenden Tagesordnungspunkt heute vormittag behandelt haben und das wir auch jetzt behandeln, läßt eigentlich erkennen, wieweit man in Bildungsfragen, wenn man sich bemüht, zu einer Übereinstimmung kommen kann. Mich beschleicht bei dieser Debatte ein Unbehagen, weil wir hier in sachlichen Fragen erfreulicherweise eigentlich sehr viel Einigkeit demonstrieren — das ist beim vorhergegangenen Tagesordnungspunkt zum Ausdruck gekommen, und ich kann das nur wiederholen —, aber alle miteinander wissen, daß wir im Grunde genommen in den Startlöchern stehen, um bei der nächsten Debatte über Bildungsfragen zu zeigen, wie wenig kompromißbereit wir in entscheidenden Punkten der Bildungspolitik sind.

(Daweke [CDU/CSU]: Ist das eine Absichtserklärung von Ihnen?)

Wenn Sie die sinnvolle Anregung geben, die Bundesregierung aufzufordern, Abschlüsse innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gegenseitig anzuerkennen, dann steckt darin der Wunsch zum Kompromiß; denn jeder weiß, daß man da nicht nach der Devise vorgehen kann: Am deutschen Wesen wird die Welt genesen.
Frau Wilms hat hier dargestellt, daß wir bei dem Thema Fortbildung eine sehr enge Kooperation mit den Betrieben und den überbetrieblichen Einrichtungen brauchen. Darin steckt die Bereitschaft zur Kooperation.
Ich frage mich: Laufen wir bei der heutigen Debatte nicht ein bißchen Gefahr, daß uns unterstellt wird, wir flüchteten hier in einige Themen, die wir international in anderen Bereichen lösen könnten und müßten, während wir wissen, daß wir unmittelbar — ich darf Ihr Wort, Herr Rühe, vom Kehren vor der eigenen Tür aufgreifen — weder kompromißbereit noch kooperationsbereit sind.

(Prangenberg [CDU/CSU]: Diese Rede müßten Sie in der Hamburger Bürgerschaft bei Ihren eigenen Freunden halten!)

Wir werden darüber sicher zu reden haben. Aber ich muß Sie in diesem Zusammenhang fragen: Warum ist denn jetzt in der Bund-Länder-Kommission all das nicht mehr wahr, was immerhin im Juni dieses Jahres noch möglich war?

(Rühe [CDU/CSU]: Was hat das mit dem heutigen Thema zu tun?)

— Herr Rühe, ich versuche, das zu erklären. Sie haben gesagt, wir schenkten diesem Thema möglicherweise nicht genug Beachtung. Ich will nur sagen, daß wir die Themen, die wir heute behandeln, nicht gegenüber dem anderen Thema überbewerten sollten, das wir beim nächsten Mal hier zu behandeln haben. Ich appelliere im Grunde genommen, einmal zu überlegen, ob die Kompromiß- und Kooperationsbereitschaft, die wir in diesen Sachfragen heute zeigen, nicht auch bei anderen gravierenden bildungspolitischen Fragen, allerdings innerdeutscher Art, in diesem Parlament möglich sein müßte.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der Antrag, den Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, vorgelegt haben, wird auch uns Gelegenheit geben, uns zu den Fragen der Fortbildung zu äußern.
Ich muß Ihnen sagen, daß mir die Überschrift, die Sie gefaßt haben, ein bißchen zu eng erscheint. Die Fortbildung kann sich ihrem Inhalt nach nicht allein auf die Betriebe und die überbetrieblichen Einrichtungen beziehen. Die Fortbildung muß in der Gesamtheit gesehen werden. Wir werden in der Diskussion im Ausschuß auch klarmachen, daß wir den Begriff „Fortbildung' ein bißchen umfassender sehen, als das in Ihrer Überschrift zum Ausdruck kommt.
Wir sehen die Fortbildung nicht nur als ein Mittel zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs von Industrie, Handwerk und Gewerbe an — das haben Sie, Frau Dr. Wilms, vielleicht ein bißchen verdeutlicht —; vielmehr sind wir der Auffassung, daß die betriebliche und die Fortbildung überhaupt auch ein Mittel, sein muß, die Unabhängigkeit und die Mobilität der einzelnen Menschen zu vergrößern. Das ist eigentlich das Schwergewicht, das wir bei der Fortbildung sehen wollen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sie sind nicht umhingekommen, in Ihrem Antrag auch einige Schreckgespenste darzustellen. Da wird davon gesprochen, daß Sie keine gewaltige Bürokratie — ohne die geht es heute nicht mehr — aufgebaut sehen wollen. Auch von anderem wird da gesprochen.
Ich muß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hier wirklich fragen: Wer will das denn? Sie haben eben noch einmal dargestellt: es soll keine Fortbildungsverwaltung entstehen. Bitte erleichtern Sie uns doch miteinander das Gespräch, damit wir hier nicht solche Türken aufbauen. Sie sind doch nicht in der Lage, hier im Parlament irgend jemandem nachzuweisen, daß er unter einem Netz von Gesetzen und Verordnungen etwas zum Ersticken bringen will. Wir sind da genauso offen wie Sie in Ihrer Darstellung. Machen wir uns doch nicht das Leben schwer, indem wir uns unnützerweise gegenseitig etwas unterstellen, was nicht den Tatsachen entspricht!

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Sie tun in Ihrem Antrag so, als wenn wir und insbesondere die Regierung bezüglich der Frage der Fortbildung ein bißchen mehr Fortbildung brauchten. Sie dürfen dabei nicht den Bericht übersehen, der unter dem nächsten Tagesordnungspunkt behandelt wird. In diesem Bericht werden Sie an einer Stelle finden, daß die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes in den Jahren 1970 bis 1977 12 Milliarden DM genau für die Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen ausgegeben hat, die in Ihrem Antrag gefordert werden. Daher bitte ich, nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, als ob es sich hier um einen Antrag handelte, der für die Regierung oder für uns völliges Neuland wäre.
Aus Punkt 6 Ihres Antrags — „Schulen und Hochschulen in der beruflichen Fortbildung" — ist zu le-



Vogelsang
sen, daß Sie diesen Begriff verkürzter sehen, als es beispielsweise § 21 des Hochschulrahmengesetzes entspricht, wodurch den Hochschulen eine Aufgabe zum weiterbildenden Studium übertragen worden ist. Dort steht nämlich mehr, als Sie in Punkt 6 Ihres Antrags dargestellt haben.
Wir sollten davon absehen, uns gegenseitig Pappkameraden und Schreckgespenste vorzuführen. Wir sollten dazu beitragen, daß für die berufliche Bildung mehr getan wird. Da sind wir wirklich offen. Wir wollen nicht weiter Einschränkungen etwa in der Form hinnehmen, wie ich es Ihnen eben für den Bereich der Hochschulen vor Augen geführt habe.
Ich darf Ihnen noch einmal sagen: Vorrang bei der Fortbildung hat für uns, daß der Mensch, hier in erster Linie der Arbeitnehmer, eine erhöhte Unabhängigkeit und eine erhöhte Mobilität bekommt. Daß das nicht losgelöst vom wirtschaftlichen Geschehen erfolgen kann, ist uns klar. Aber das ist der .Vorrang. Hierbei steht, wie in der Bildungspolitik überhaupt, der Mensch im Mittelpunkt.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0818027100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt.

Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0818027200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns in diesem Hause alle darüber einig, wie wichtig die Weiterbildung erstens für jeden einzelnen von uns, zweitens aber auch für den notwendigen Strukturwandel innerhalb der Wirtschaft und die Fähigkeit der Menschen ist, darauf als Arbeitnehmer zu reagieren.

(Vorsitz : Vizepräsident Frau Funcke)

Ich möchte noch einmal auf den Bildungsgesamtplan zu sprechen kommen. Für die Weiterbildung ist ja, was z. B. den quantitativen Umfang und was die Feststellung betrifft, in welchem Bereich ein besonderer Bedarf ist, der Bildungsgesamtplan von besonderer Bedeutung. Um so schlimmer ist es, daß die Arbeit an dieser gemeinsamen Bildungsplanung auf Bundesebene an einem Thema zu scheitern droht. Ich finde, es lohnt sich, daß wir uns gerade bei diesem Thema gemeinsam darauf verständigen, daß diese Arbeit fruchtbar weitergeführt wird, und zwar möglichst schnell und nicht erst nach dem Wahlkampf.
Als ich den Antrag durchlas, habe ich mich gefragt: Was soll er eigentlich? Man muß vermuten — das ist auch bestätigt worden —, daß er darauf hinweisen soll, daß die Weiterbildung nicht im Gestrüpp von Verordnungen ersticken darf. Da kann ich nur sagen: größer geöffnet können die Scheunentore überhaupt nicht sein, die Sie damit einlaufen. Insofern muß ich Herrn Vogelsang voll unterstützen, wenn er sagt, daß der Verdacht nicht ganz auszuschließen ist, daß einfach durch die Tatsache, daß man einen solchen Antrag Ihrerseits stellt, der Eindruck vermittelt wird, man müsse hier vorbeugen, damit diese schreckliche Koalition nicht genau dies tut.
Ich habe mich erkundigt, was denn nun so Schreckliches eigentlich im Ministerium geplant ist.
Zu meiner Überraschung und Freude habe ich erfah- ren, daß erstens dort im Verordnungsbereich nichts unternommen wird, was nicht von Wirtschaft und Gewerkschaften in diesem Bereich verlangt wird, und daß man sich sogar manchmal gegen den Vorwurf wehren muß — z. B. bei Angriffen einzelner Länder —, daß der Bund dort, wo er Kompetenzen habe, sie noch nicht einmal voll nutze.
Was meine Fraktion betrifft, ist bekannt, daß sie für sehr viel umfassendere Kompetenzen im gesamten Bildungsbereich eintritt. Aber wir unterstützen den Bund auch darin, wenn er seine Kompetenzen im Verordnungsbereich nicht hundertprozentig ausnutzt. Da haben Sie uns auf Ihrer Seite. Der Mut zur Lücke ist auch etwas Positives.
Sie unterscheiden in Ihrem Antrag völlig zu Recht zwischen der Anpassungsbildung und der Aufstiegsbildung. Beide Bereiche werden natürlich völlig unterschiedlich geregelt werden müssen. Jeder wird das einsehen. Sie gehen in Ihrem Antrag auch darauf ein.
Daß wir natürlich bei der Aufstiegsfortbildung nicht völlig ohne Rechtsverordnungen auskommen können — einfach schon wegen der Anerkennung —, beschreiben Sie selbst. Das kann man natürlich nur unterstützen. Wenn man über dieses Thema redet, gilt es also, den Kompromiß zu finden: so wenig Verordnungen wie möglich, aber so viel wie nötig, und zwar nur da, wo es eben unverzichtbar ist.
Hinsichtlich der Anpassungsfortbildung können wir uns, glaube ich, darauf einigen, daß dies ein Bereich ist, der eigentlich so weit wie möglich verordnungsfrei bleiben kann und sicherlich auch bleiben muß, weil Verordnungen sehr häufig natürlich die Flexibilität hemmen und die Vielfältigkeit verhindern. Genau darauf kommt es an. Das ist von Branche zu Branche, ja manchmal sogar von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich. Darüber hinaus sind auch die Zielgruppen der Anpassungsbildung sehr unterschiedlich. In bestimmten Bereichen, die von besonders schnellem Strukturwandel, rasanter Innovation und Rationalisierung betroffen sind, bedürfen die Arbeitnehmer einer bestimmten Anpassungsbildung, um möglicherweise in anderen Teilen des Betriebes eingesetzt zu werden oder sich auf neue Technologien einstellen zu können. Dann gibt es die große Zielgruppe der Frauen, die nach einer Anzahl von Jahren in den Beruf zurückwollen. Bei denen geht es manchmal nicht darum, einen Beruf zu erlernen, sondern darum, ihren alten Beruf wieder aufleben zu lassen, also um Anpassungsbildung.
Letztendlich scheint mir ein großer Bereich in diesem Feld zu liegen, der aber auch in die Fortbildung zum Aufstieg hineingehört. Dabei geht es um die Frage: Wie schaffen wir es, die klaffende Schere zwischen den arbeitsplatzsuchenden Menschen in irgendeiner Weise mit den Qualifikationen der am Arbeitsmarkt angebotenen Stellen deckungsgleich zu machen? Das wirkliche Problem der Arbeitslosigkeit ist: Wir haben Stellen auf der einen Seite, und wir haben Arbeitslose auf der anderen Seite, aber beides paßt nicht zusammen, weil der Arbeitslose nicht die notwendige Ausbildung hat oder in be-



Frau Schuchardt
stimmten Bereichen erst einiges dazulernen muß. Hier haben die Fortbildungseinrichtungen eine eminente Bedeutung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Verbesserung der Einzelschicksale, die damit verbunden sind.
Im Bereich der Aufstiegsfortbildung werden neue Qualifikationen geschaffen. Frau Wilms, Sie haben auf die Frage hingewiesen, wie wir die Attraktivität der Fort- und Weiterbildung schaffen. Da ist ein Zertifikat manchmal ein entscheidender Anreiz für eine solche Weiterbildung. Um aber ein solches Zertifikat zu erhalten, kommt man in Teilbereichen nicht drum herum, Prüfungsordnungen zu machen, und damit sind wir schon wieder bei der Verordnung. Aber ich stimme Ihnen zu, daß diese nicht allzu detailliert, aber ebenso effektiv gestaltet werden können.
Sie sprechen einen Bereich an, den wir alle nur sehr traurig beobachten können. Sie sagen nämlich, Fortbildung ist ein wesentliches Instrument bei der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung. Darauf können wir uns schnell einigen. Nur sieht es in der Praxis leider zunehmend anders aus. Selbst in Großunternehmen — vom öffentlichen Dienst will ich gar nicht reden, da kommt man ohnehin meistens nur in den höheren Dienst, wenn man ein Hochschulstudium hat; die verderben sowieso schon die Preise im vollen Sinne — wird es zunehmend üblich, daß man nicht mehr bereit ist, Nichtakademiker in leitende Positionen zu bringen.

(Frau Dr. Wilms [CDU/CSU]: Leider!)

Das ist eine ganz schreckliche Entwicklung und macht mutlos, wenn man dem Jugendlichen den Ratschlag geben will: Es ist nicht nötig, daß du auf die Hochschule gehst Du hast auch Chancen im Berufsleben, wenn du es nicht tust. — Leider ist es nicht so. Das ist ein weiterer Punkt, über den man sich mit der Wirtschaft mal insgesamt auseinanderzusetzen hat.

(Daweke [CDU/CSU]: Darüber beklagen sich in der Regel die Akademiker!)

— Die kriegen dann nämlich Konkurrenz, wenn die anderen aufsteigen können, die kein abgeschlossenes akademisches Studium haben.
Sie gehen auf das bedarfsgerechte Angebot ein. Hier möchte ich gleich ein bißchen Wasser in den Wein gießen. Mit den Prognosen haben wir ja unsere Erfahrungen gemacht. Wenn es darum geht festzustellen, was am Arbeitsmarkt mittel- oder langfristig erforderlich ist, dann bedeutet das immer, Prognosen für einen längeren Zeitraum zu machen, mit allen Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, und mit allen Fehlerquoten, die darin sind. Insofern würde ich auch an dieser Stelle wieder entscheidend differenzieren zwischen der Anpassungsfortbildung und der Aufstiegsfortbildung. Ich glaube, daß bei der Anpassungsfortbildung der Markt am besten funktioniert, weil er flexibler und vielfältiger ist. Man sollte aber sehr wohl versuchen, auch wenn die Aussicht auf Erfolg nicht groß ist, bei der Aufstiegsbildung Bedarfe zu ermitteln, um wenigstens eine Marschroute zu bekommen, wo man investieren sollte und wo nicht. Ich weiß nur das Beispiel der
Techniker. Es werden soundsoviele zu Technikern umgeschult, und anschließend stellt man fest, daß es dafür im Grunde genommen gar keinen Bedarf gibt. Diese Umschulung ist dann auch noch öffentlich gefördert worden. — Hier werden wir sicherlich einiges untersuchen müssen. Fehler werden wir aber nicht verhindern können.
Herr Vogelsang hat darauf hingewiesen, daß sich die Fortbildung nicht nur im betrieblichen und überbetrieblichen Bereich abspielt. Das ist ganz klar. Ich denke, daß das eine bewußte Einschränkung in diesem Antrag war. Daß man die andere Weiterbildung nicht zur Kenntnis nimmt, glaube ich einfach nicht.
Bei der Diskussion im Ausschuß sollten wir darauf achten, daß die geringere Zahl der Schulabgänger in den 80er Jahren nicht dazu führt, daß die Kapazitäten in den staatlichen Bereichen, in den Schulen nicht so verringert werden, daß die Weiterbildung sozusagen auf kaltem Wege allein in den überbetrieblichen Bereich, wo immer das sein mag, ge-' lenkt wird. Das muß nicht nur sinnvoll sein, sondern es kann manche Fortbildung in der Qualität ganz wesentlich verschlechtern, wenn der Lernort Betrieb wegen der Überkapazitäten in anderen Bereichen sein Gewicht verliert.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Hierüber werden wir nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern auch im Zusammenhang mit der Frage des Ausbaus der überbetrieblichen Ausbildungsstätten sicherlich zu diskutieren haben. Da stehen wir dann gemeinsam — nicht die Parteien gegeneinander - vor der Situation, daß in Zukunft sowohl die Länder ihre Schulen stärker frequentiert haben wollen als auch die Kammern ihre überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Ich meine, daß dies ein Thema ist, wo man, eben weil man sich einig ist, eine ganze Menge in der Sache erreichen kann.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818027300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wüster.

Kurt Wüster (SPD):
Rede ID: ID0818027400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Wenn der Grund ihres Antrags der Wunsch ist, auf dem Gebiete der beruflichen Fortbildung die Weichen richtig zu stellen, Frau Dr. Wilms, können wir Ihnen zusagen, daß Sie uns immer zur rechten Zeit an den Stellpulten finden werden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat der beruflichen Bildung schon immer einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt. Das beweisen unserer bisherigen Forderungen. Die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung im Bildungswesen muß sichergestellt sein, so haben wir gesagt. Wir treten für eine horizontale und vertikale Durchlässigkeit ein, die es den Betroffenen ermöglicht, mit der modernen Technik und mit der Anwendung der neuzeitlichen Technologien auch in einer qualifizierten Form bekanntzuwerden.
Mit einer qualifizierten Weiterbildung soll der einzelne seine Kenntnisse vertiefen und erweitern, und er soll in die Lage versetzt werden, veränderte



Wüster
berufliche Anforderungen zu bewältigen. Sowohl in seinem beruflichen Bereich als auch sozial gesehen soll er die Möglichkeit zum Aufsteigen besitzen.
Deshalb begrüßen wir es, daß die Bildungspolitiker der CDU/CSU-Fraktion unser Anliegen in Form des vorliegenden Antrags aufgegriffen haben, wenn sie dabei auch andere Schwerpunkte und Akzente setzen. Daß Sie dabei teilweise Widersprüche formulieren, ist Ihre Sache.
Tatsache ist doch: Für die Mehrheit der Arbeitnehmer gibt es kein systematisches Fortbildungsangebot und auch keinen rechtlich abgesicherten Anspruch auf Verbesserung ihres Allgemeinwissens wie ihrer beruflichen Qualifikation.
Wenn wir dieses Thema heute behandeln, darf sich das nicht auf den Aspekt der Entwicklung des Arbeitsmarktes beschränken. Das, so meine ich, wäre der Sache nicht angemessen. Wir wollen nicht, daß die berufliche Fortbildung nur kurzfristigen Interessen der Wirtschaft gerecht wird, ohne den Beteiligten eine weitere berufliche Perspektive zu eröffnen. Deshalb kann und darf Weiterbildung nicht Lückenbüßer einer beruflichen Erstausbildung sein, also nur Versäumnisse nachholen und Fehler korrigieren wollen. Vielmehr soll sie dazu dienen, sowohl einen. aktuellen Stand des Allgemeinwissens zu gewährleisten, als auch die Befähigung zu erwerben, den gestiegenen technologischen und verfahrenstechnischen Anforderungen gerecht zu werden. Der Vorwurf, die Bundesregierung habe dieses bildungspolitische Gebiet bisher vernachlässigt und müsse nun endlich tätig werden, geht, so meine ich, deshalb auch an den Realitäten vorbei. Die Koalition hat ständig die Bedeutung und den hohen Stellenwert der beruflichen Weiterbildung betont, und sie hat sich auch dafür eingesetzt, daß weiterhin ein Ausbau erfolgt. Dabei denke ich aber keineswegs nur an ordnungspolitische Maßnahmen, sondern auch an die großen Förderungsleistungen, die im Rahmen des Arbeitsförderungsgesetzes im Interesse des einzelnen, aber auch im Interesse der Wirtschaft und der Gesellschaft erbracht worden sind. Herr Vogelsang hat hier sogar die hohen Summen genannt, die bereitgestellt worden sind.
Damit wir nicht Gefahr laufen, unser Thema zu eng zu sehen — was ja vorhin schon einmal durchklang —, möchte ich an die Behandlung des UNESCO-Antrags im Ausschuß erinnern, der sich mit der Fortentwicklung der Weiterbildung beschäftigt. Unter Berufung auf die Art. 26 und 27 der Menschenrechtserklärung wird in der UNESCO-Empfehlung der Anspruch erhoben, jedem Menschen eine ungehinderte Teilnahme am kulturellen und wirtschaftlichen Leben zu gewährleisten. Die Empfehlung stellt heraus, daß Bildung untrennbar mit Demokratie, Abschaffung von Privilegien und der Förderung des Gedankens der Selbstbestimmung verbunden ist. Die UNESCO versteht Bildung umfassend als einen lebenslangen Prozeß zur Entfaltung der Persönlichkeit und ist überzeugt, daß die Entwicklung der Weiterbildung ein notwendiges Mittel sei, eine gerechte Verteilung von Bildungschancen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu erreichen. Nur so können — so
heißt es in dieser Empfehlung — der soziale Fortschritt und der Frieden gesichert werden.
Wir sind deshalb der Meinung, daß sich Weiterbildung nicht nur an wirtschaftlichen Interessen orientieren darf, sondern daß sie primär dem arbeitenden Menschen sowohl Hilfen für die berufsqualifizierende Tätigkeit als auch Hilfen für die Betätigung in der Gesellschaft anzubieten hat. Das fachspezifische Wissen muß doch durch Weiterbildung so gefördert werden, daß die Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, den wechselnden Anforderungen am jeweiligen Arbeitsplatz gewachsen zu sein oder einen neuen Arbeitsplatz einzunehmen.
Die in Ihrem Antrag formulierten Grundsätze und Zielsetzungen entsprechen daher auch weitgehend den schon bestehenden gesetzlichen Regelungen und sind auch bereits Grundlage der praktischen Berufsbildungspolitik. Wenn sie trotzdem mit einem neuen Beschlußvorschlag eingebracht werden, befürchte ich, daß die Opposition den Versuch unternimmt, erneut Unsicherheit in eine — so meine ich — doch völlig unumstrittene Sache zu bringen.
Selbstverständlich ist die Fortbildung immer die Fortsetzung einer vorhandenen Grundbildung. Selbstverständlich muß die Fortbildung, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt Verwendung finden soll, auch mit der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten. Das alles sind Grundweisheiten, mit denen man nur offene Türen einrennt.
Ebenso unbestritten ist, daß innerhalb der beruflichen Fortbildung die Vielfalt größer sein muß als der beruflichen Erstausbildung, die eine breite Grundlage für vielseitige berufliche Tätigkeiten, aber noch keine Spezialisierung bieten soll. Es wäre aber falsch, zu übersehen, daß berufliche Fortbildung weniger Spezialisierung als eine breite berufliche Bildung auf hohem Niveau vermitteln soll. Viele Fortbildungslehrgänge bauen deshalb auch auf einer Vielzahl einzelner Berufe auf.
Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Der Handwerksmeister ist in keiner Weise ein spezialisierter Handwerksgeselle. Er besitzt im Gegenteil eine sehr viel breitere Qualifikation, die sowohl fachlich wie allgemein eine größere Fülle von Ausbildungsinhalten abdeckt als etwa die Facharbeiter- oder Gesellenausbildung. Andererseits muß sich auch ein Handwerksmeister oder ein Facharbeiter in bestimmten Fachrichtungen spezialisieren können. Auch das verstehe ich als Fortbildung. Es kommt eben tatsächlich auf die individuelle Situation an.
Rechtzeitige Fortbildung hilft auch, Umschulung zu vermeiden. Für die Betriebe bedeutet das, die Mitarbeiter auf einem aktuellen Qualifikationsstand zu halten, damit betriebliche Aufgaben optimal erledigt werden können. Bei anderen Fortbildungsmaßnahmen liegt keine so unmittelbare, gleichwohl aber enge Verbindung zum Arbeitsmarkt vor. Es geht dann um Qualifikationen, die nicht auf einen kurzfristigen Bedarf reagieren, sondern längerfristig angelegt sein müssen.
Künftige Entwicklungen können, wie die Erfahrung lehrt, nur recht unvollkommen vorhergesagt



Wüster
werden. Deshalb müssen nicht nur die notwendigen fachlichen Weiterführungen und Spezialisierungen erfolgen, sondern auch Wissen und Fertigkeiten vermittelt werden, damit der Berufstätige auch später mit den neuen Anforderungen in seinem Aufgabengebiet fertig werden kann.
Die Koalition hat den Verbesserungen der Weiterbildungsmöglichkeiten auch in der jüngsten Vergangenheit große Aufmerksamkeit gewidmet und z. B. in der 5. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz die finanziellen Möglichkeiten für die berufliche Weiterbildung entscheidend verbessert. Ausbildung und Umschulung in sogenannten Mangelberufen wird jetzt mit dem höchsten Förderungssatz ermöglicht, auch wenn der Arbeitnehmer nicht unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Dies gilt natürlich auch für innerbetriebliche Maßnahmen der Fortbildung, wenn sie sinnvoller sind als außerbetriebliche. Sie müssen aber dazu beitragen, den Arbeitnehmer anschließend in gewohnter Umgebung auf einem höheren Niveau weiter beschäftigen zu können.
Diese Neuregelung, meine sehr verehrten Damen und Herren, stellt eine sachgemäße Berücksichtigung der Probleme des Arbeitsmarktes dar und findet andererseits eine noch bessere finanzielle Unterstützung für Teilnehmer einer Fortbildungsmaßnahme.
Damit wird doch ein Beitrag geleistet, um die erkennbare Facharbeiterlücke in einigen Wirtschaftsbereichen besser schließen zu können.
Lassen Sie mich allerdings unmißverständlich hinzufügen, daß Fachkräftelücken vor allen Dingen deshalb auftreten, weil in der Vergangenheit zuwenig Erstausbildung betrieben wurde.
Unterstützen möchte ich Ihre Forderung nach fachlicher Weiterbildung solcher Gruppen, die spezieller Förderung bedürfen. Lassen Sie mich hinzufügen, daß solche Angebote den jeweiligen regionalen und auch den sozialen Erfordernissen entsprechen müssen. Sie sollen sich an Zielgruppen orientieren und inhaltlich, methodisch und organisatorisch deren Bedürfnissen entsprechen. Zu diesen Zielgruppen gehören auch ungelernte und angelernte Arbeitnehmer, Schichtarbeiter, Frauen, ältere Arbeitnehmer, ausländische Arbeiter sowie Arbeitslose und Behinderte. Da diese Gruppen erfahrungsgemäß auch schwerer zu motivieren sind, sollten die formellen Zugangsvoraussetzungen hier auch kein Hindernis bedeuten.
Für mich ist es allerdings unverständlich — das muß ich hier klar sagen —, daß Sie berufliche Fortbildung noch im dualen System ansiedeln wollen. Ich möchte daher deutlich machen, daß für die Fortbildung eine Aufteilung in schulische und betriebliche Bildung wie in der Erstausbildung nun wirklich nicht zutrifft. Berücksichtigen Sie doch bitte, daß die Wirtschaft auf diesem Gebiete doch in einer ganz anderen Weise beteiligt ist als in der dualen Ausbildung für Jugendliche!
Auch kann ich Ihre Befürchtungen hinsichtlich einer Verstaatlichung oder Verschulung der beruflichen Fortbildung nun wirklich nicht teilen. Wer auch nur ein wenig in die Praxis Einblick genommen hat, der kann mir bestätigen, wie vielfältig doch die
berufliche Fortbildung ist und daß in diesem Bereich doch wirklich keine Gängelei erfolgt.
Die Weiterbildungspolitik führt entgegen Ihren Befürchtungen, die auch vom DIHT oft geäußert werden, weder zu einer Verstaatlichung noch zu einer Verschulung. Bekanntermaßen werden die Fortbildungsordnungen des Bundes auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes nicht vom Bund oder von staatlichen Schulen ausgeführt, sondern von den zuständigen Stellen, d. h. in der Praxis insbesondere von den Kammern der Wirtschaft. An der Eigenverantwortlichkeit der zuständigen Stellen und der freien Trager wird durch die Ordnungstätigkeit des Bundes nichts geändert. Im Gegenteil: Durch die Anerkennung der außerschulischen beruflichen Weiterbildung durch den Bund wird dieser Bereich, so meine ich, zusätzlich stabilisiert und damit auch wesentlich attraktiver gemacht.
Ihre Befürchtungen sind daher gegenstandslos. Ich bewerte sie mehr als Kampfparole, die zur Verunsicherung der Betroffenen beitragen soll, als eine realistische Beschreibung der Wirklichkeit.
Ich möchte aber genauso klar hinzufügen, daß generell gesehen berufliche Fortbildung keineswegs als Monopolveranstaltung der Wirtschaft gesehen werden darf, auch wenn sie auf betrieblichen Erfahrungen aufbaut und von hohem technischen Stand ist, der in der Wirtschaft erworben wurde. Im Gegenteil, wir alle sollten darüber froh sein, daß auch andere Bildungseinrichtungen die Möglichkeiten zur Fortbildung bieten. Ich denke hier insbesondere an die Volkshochschulen, aber auch an die Rund: funk- und Fernsehanstalten sowie an den großen Bereich der Fachpresse, die ja eine permanente Fortbildung für jedermann darstellen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich noch die Bildungseinrichtungen der Gewerkschaften sowie der Kirchen, der Berufsverbände oder der Branchenorganisationen erwähnen.
Abschließend möchte ich bemerken, daß Ihr Antrag generell unter einem einseitigen Ansatz leidet, so meine ich. Sie tun so, als ob das Berufsbildungsgesetz eine Reihenfolge enthielte, in der zunächst immer die Kammern am Zuge sind und erst dann der Staat eine Regelungsbefugnis hat. Diese Position ist rechtlich unhaltbar. Sie entspricht auch nicht der mehrheitlichen Auffassung der Beteiligten.
Ich habe schon bewiesen, daß bundeseinheitliche Regelungen die Attraktivität der Weiterbildung erhöhen können — eine Tatsache, der man gerade dann Rechnung tragen muß, wenn man empfiehlt, den Schulabgängern zu raten, ihr Heil nicht nur auf der Hochschule zu suchen, sondern innerhalb der beruflichen Weiterbildung ihre Chancen wahrzunehmen.
Ich stimme Ihrem Wunsch zu, überbetriebliche Ausbildungsstätten verstärkt für Fortbildungsmaßnahmen einzusetzen, wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie nicht bei jeder Gelegenheit eine Grundsatzdiskussion über Sinn und Zweck dieser Einrichtungen vom Zaun brechen würden, die, so meine ich, mehr schadet, als sie der Sache nützt.
Wir werden darauf achten, daß berufliche Weiterbildung auch in Zukunft außerhalb des Schul- und



Wüster
Hochschulsystems in pluraler freier Trägerschaft durchgeführt werden kann. Für die Hochschulen verbleiben dann in ihrem mehr wissenschaftlichen Bereich immer noch genügend Aufgaben.
Diese Aufgabenteilung, die ab Mitte der 80er Jahre von zunehmender Bedeutung sein wird, läßt sich aber nur dann durchsetzen, wenn der außerschulische Weiterbildungsbereich zu einem gleichrangigen und auch gleichwertigen Teil des Bildungswesens ausgebaut wird.
Wir gehen davon aus, daß ein anspruchsvoller Bildungs- und Ausbildungsstand die beste persönliche Absicherung gegen Arbeitsmarktrisiken und eine günstige Voraussetzung für eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft ist. Dafür werden wir uns weiter mit aller Kraft einsetzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818027500
Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 8/2884 an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend — sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts über Stand und Weiterentwicklung der Maßnahmen zur Verbesserung des Ausbildungsangebotes und zur Verbreiterung der Arbeitsplatzmöglichkeiten für Jugendliche
— Drucksache 8/2796
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Jugend. Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß
Es ist interfraktionell für jede Fraktion ein Kurzbeitrag vereinbart.
Hiermit eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prangenberg.

Heinz-Jürgen Prangenberg (CDU):
Rede ID: ID0818027600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht der Bundesregierung über Stand und Weiterentwicklung der Maßnahmen zur Verbesserung des Ausbildungsangebotes ist, wie viele der Bericht der Bundesregierung, in den Details offen und informativ, aber eine politische Linie läßt er kaum erkennbar werden. Der Bericht blickt viel zurück, aber nicht nach vorn. Er zeigt wenig Perspektive für unsere jungen Menschen.
Wenn wir uns mit diesem Bericht in den Einzelpunkten auseinandersetzen, stimmen wir in vielen Punkten überein. Ich nenne nur einige Stichworte: die Ausbildung im öffentlichen Dienst über den Eigenbedarf hinaus, die Verbesserung der Chancen für benachteiligte Jugendliche und daß wir unseren jungen Mädchen mehr Ausbildungsberufe öffnen.
Dies ist aber allein nicht die Frage, die hier zur Diskussion ansteht. Entscheidend ist, ob aus diesem Bericht auch Perspektiven für die Berufsbildungspolitik der Zukunft hervorgehen.
Da ist z. B. das Thema „Alternativen zum Studium". Hier hätten wir gerne einmal etwas mehr gehört: Wie will die Bundesregierung die Hochschulen entlasten? Überlegt die Bundesregierung z. B., wie man unseren Abiturienten attraktive Ausbildungswege außerhalb der Hochschule schafft? Die Antwort der Bundesregierung in diesem Bericht war hierzu sehr dürftig.
Ein Zweites. Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß wir auch im nächsten Jahr alle Anstrengungen unternehmen müssen, daß jeder junge Mensch, der einen Ausbildungsplatz erstrebt, auch einen solchen erhält. Deshalb würdigt die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich die Ausbildungsanstrengungen der Wirtschaft und des Handwerks auch in diesem Jahr. Gerade deshalb hätten wir auch in diesem Bericht ein klares Bekenntnis zum Beitrag des dualen Systems der beruflichen Bildung zur Verbesserung des Ausbildungsangebotes erwartet. Ich sage das auf dem Hintergrund mehrerer Punkte.
Natürlich herrscht zwischen uns Übereinstimmung, daß in strukturschwachen Regionen bei unzureichender betrieblicher Ausbildungsplatzstruktur überbetriebliche Ausbildungsstätten geschaffen werden müssen. Die Kapazitätsplanungen müssen aber im Einklang mit dem Bedarf stehen. Deshalb betrachten wir die Schwerpunktsetzung der Bundesregierung bei der weiteren Förderung überbetrieblicher Ausbildungsstätten ohne Bedarfsermittlungen mit einer gewissen Skepsis. Schaffen wir hier nicht Kapazitäten, Herr Minister, die dann, wenn sie fertig stehen, auf eine verminderte Nachfrage nach Ausbildungsstellen auf Grund der demographischen Entwicklung in unserem Lande treffen? Diese Frage müssen wir uns stellen.
.Möglicherweise schaffen wir überbetriebliche Ausbildungsstätten nicht als Ergänzung, sondern als Konkurrenz zum dualen System, und gerade dies wollen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht. Wir kennen ja auch die Diskussionen aus dem Hochschulbau. Karsten Voigt möchte am liebsten die leerstehenden Universitätsgebäude der 90er Jahre in Volkshochschulen umwandeln. Ich habe hier die Befürchtung zu äußern, daß wir in den 90er Jahren große Umwandlungsdiskussionen in bezug auf die Kapazitäten führen müssen.

(Zuruf des Abg. Daweke [CDU/CSU])

Ein zweiter Bereich, der in diesem Bericht politisch kontrovers ist. Ich meine die Erweiterung der neunjährigen Schulpflicht um ein zehntes Pflichtschuljahr. Die Bundesregierung bekannte sich in ihrer Regierungserklärung zum Vorrang des Berufsgrundbildungsjahres. So weit, so gut, aber diese Bundesregierung ist heute nicht mehr in der Lage — oder sie will es nicht —, diesen Teil der Regierungserklärung auch zu verwirklichen.
Ein halbes Jahr nach der Regierungserklärung forderten sozialdemokratische Bildungspolitiker



Prangenberg
alle SPD-Politiker auf, sich nachdrücklich für die Einführung eines zehnten allgemeinbildenden Schuljahres an Haupt- und Sonderschulen einzusetzen. Prompt änderte die Bundesregierung ihren Kurs und beschloß im Februar 1978, daß die Entscheidung über die Ausdehnung der Vollzeitbildungspflicht und über die Ausgestaltung des zehnten Pflichtschuljahres nach einheitlichen Grundzügen getroffen werden muß. Es gab also kein Wort mehr zum Vorrang des Berufsgrundbildungsjahres.
Wie dieser Kurs demnächst aussieht, ist jedem klar: Sozialdemokratische Länder scheren aus. In der Frage des zehnten Schuljahres waren es Berlin und Nordrhein-Westfalen. Dann setzen sie auf Landesebene, wo sie ihre parteipolitischen Positionen durchsetzen können, Fakten, während der Bundesbildungsminister hier in Bonn wehleidig die mangelnde Einheitlichkeit im deutschen Bildungswesen beklagt und dabei die Kollegen Schuchardt und Lattmann, wie gestern geschehen, in dieser Auseinandersetzung dann die Abteilung Polemik übernehmen. Ich glaube, gegen diese Methode, diese Strategie werden wir uns sehr energisch wenden müssen. Denn es ist unredlich, hier im Bund die mangelnde Einheitlichkeit im Bildungswesen zu beklagen, aber in den Ländern, in denen man parteipolitische Mehrheiten hat, eine Politik nach dem Motto zu machen: Was schert mich überhaupt die Bundeseinheitlichkeit!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies muß hier einmal deutlich gesagt werden.

(Dr. Meinecke [Hamburg] [SPD]: Das sind Parlamentsmehrheiten, das sind legale Parlamentsmehrheiten!)

Die Bundesregierung, Herr Kollege — und da muß man einmal untersuchen, ob das deshalb geschehen ist, weil die SPD-Bundestagsfraktion umgeschwenkt ist —, ist auf jeden Fall vom Vorrang des Berufsgrundbildungsjahres abgerückt, weil sie letztlich — offensichtlich auf Druck von SPD-Bildungspolitikern — die Verschulung der beruflichen Bildung will.
So heißt es ja auch im Bericht der Bundesregierung, sie, die Bundesregierung, gehe dabei von dem Grundsatz aus, daß alle Jugendlichen die Möglichkeit gegeben sein soll, mindestens zehn Jahre lang zu lernen und damit eine bessere Bildung — ich zitiere — „für das spätere Leben und für den Beruf zu erhalten". Das heißt doch, wenn ich das richtig verstehe, nichts anderes, als daß man meint, lernen könne man ausschließlich in der Schule. Lernen im Betrieb findet bei dieser Bundesregierung nur noch selten statt.
Wir dagegen sagen: Auch der Betrieb, Herr Kollege Meinecke, kann den jungen Menschen ausreichende Lernimpulse geben. Manche Handwerkslehre ist für den betroffenen jungen Menschen und auch für unsere Gesellschaft sicherlich sinnvoller als mancher Studiengang an der Universität Bremen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Meinecke, auch darin sind wir uns si-
cher nicht einig. Deshalb ist unsere Position deutlich: Das zehnte Bildungsjahr sollte, wo immer es möglich ist, von Schule und Betrieb gemeinsam als kooperatives Berufsbildungsjahr geführt werden.
Die Bundesregierung hat durch die Vorlage dieses Berichts eine weitere Chance vertan, nämlich die Chance, von der Berufsbildungsabgabe endgültig Abschied zu nehmen. Auch hier führen Sie uns einen Eiertanz vor: Das eine Mitglied — Sie, Herr Minister — erklärt immer wieder, daß die Berufsbildungsabgabe von großer Wichtigkeit sei, um gerade für die geburtenstarken Jahrgänge ausreichend viele und ausreichend gute Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Das andere Mitglied der Bundesregierung — so vor einigen Tagen der Parlamentarische Staatssekretär Zander — erklärte vor dem Deutschen Bundesjugendring, es sei völlig unsinnig, das Gesetz gerade in geburtenstarken Jahrgängen einzusetzen. Zander hat weiter erklärt, sein Kernstück, die Berufsbildungsabgabe, sei ein völlig unzulängliches Instrument und wirke kontraproduktiv.

(Frau Dr. Wilms [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Ich glaube, hier wäre einmal Klarheit von seiten der Bundesregierung nötig. Es kann doch nicht sein, daß die Abteilung Bildung der Bundesregierung dies sagt — die Abteilung Wirtschaft der Bundesregierung hat sowieso eine ganz andere Auffassung — und die Abteilung Jugend der Bundesregierung erklärt, die Berufsbildungsabgabe wirke kontraproduktiv. Hier muß einmal Klarheit herrschen. Wir meinen: Notfalls sollte die Abteilung Bildung hier einmal eine Kurskorrektur vornehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Abschließend darf ich sagen: Wenn dieser Bericht aussagekräftig hätte sein sollen, dann hätte er mehr mit Zukunftsperspektiven angereichert werden müssen, dann hätte er zu den entscheidenden, politisch umstrittenen Positionen Stellung nehmen müssen. Wir haben mehr erwartet als eine statistische Momentaufnahme. Deshalb bedauern wir, daß die Bundesregierung die Chance verpaßt hat — gerade auch im Interesse unserer jungen Menschen —, hier mehr Perspektivisches, Aussagekräftigeres und mehr Programmatisches anstatt nur diese Aneinanderreihung von Zahlen vorzulegen, die nichts darüber aussagt, wohin die Reise in Zukunft gehen soll.

(Beifall bei der CDU/CSU — Vogelsang [SPD]: Das hat doch das Parlament gefordert! — Weitere Zurufe von der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818027700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Thüsing.

(Daweke [CDU/CSU]: Das ist aber keine Anti-Strauß-Kundgebung, bitte!)


Klaus Thüsing (SPD):
Rede ID: ID0818027800
Das hat man nicht nötig; wenn man zur Sache kommt, ist man schon gegen Strauß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Prangenberg, Sie haben im Bericht über Stand und Weiterentwicklung der Maßnahmen zur Verbesserung des Ausbildungsangebotes und zur Verbreiterung der Arbeitsplatzmöglichkeiten für Jugendliche



Thüsing
die Perspektive vermißt. Ich habe dem, was Sie gesagt haben, gut zugehört, habe aber bei Ihnen keine perspektivische Aussage entdecken können. Vielmehr trug das, was Sie gesagt haben, deutlich defätistische Züge.
Beispielsweise behaupten Sie, es fehle an der Bedarfsermittlung. Niemandem ist jemals eine überbetriebliche Ausbildungsstätte aufgezwungen worden. Die Bedarfsermittlung ist durchgeführt worden, nämlich in Zusammenarbeit mit den Beteiligten und Betroffenen, sprich: mit Industrie und Handwerk.
Das Bekenntnis zum dualen System, von Ihnen hier sehr oft gefordert, werden Sie auch heute nicht bekommen. Wir beurteilen die Leistungsfähigkeit des dualen Systems nach wie vor danach, was dieses System für die Jugendlichen leistet, und da stellen wir nüchtern und objektiv fest: Das duale System hat seine Bewährungsprobe in den letzten Jahren im Sinne der Jugendlichen bestanden, aber Verbesserungen und Ergänzungen sind denkbar und notwendig.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Ein Wort zum zehnten Schuljahr: Sie wissen genauso gut wie wir — denn das war Thema in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung —, daß wir, wenn wir in dem Ziel, allen Jugendlichen möglichst bald ein zehntes Vollzeitbildungsjahr anzubieten, übereinstimmen, nicht darauf verzichten können, dieses Angebot als Vollzeitbildungsjahr in den Hauptschulen, als zehntes Schuljahr an weiterführenden allgemeinbildenden Schulen, als Berufsgrundbildungsjahr in kooperativer oder vollzeitschulischer Form an Berufsfachschulen oder als vollzeitschulisches berufsvorbereitendes, berufsbefähigendes Bildungsjahr an Berufsschulen oder als Sonderform des Berufsgrundbildungsjahres anzubieten. So ist die faktische Lage, und diese Tatsachen muß man sehen und in Rechnung stellen, wenn man tatsächlich daran denkt, die schulischen Möglichkeiten für die Jugendlichen, gerade für die hier betroffenen, zu erweitern.
Bundeseinheitlichkeit kann auch nicht — das möchte ich noch einmal klar sagen — bedeuten, daß wir alles beim alten lassen. Dafür werden Sie uns keinesfalls gewinnen. Wir orientieren uns vielmehr an den Interessen, an den Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten der Jugendlichen und sagen nicht: Es bleibt alles so, weil es bisher so war. Nicht alles, was bisher so war, ist dadurch auch schon gut.
Insgesamt geht es darum, das Angebot an Berufsausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche zu verbessern und die Ausbildungs- und Arbeitsplatzansprüche der jungen Generation einzulösen. Wir standen ja in den letzten Jahren in der Gefahr, einer wachsenden Zahl von Jugendlichen nach Beendigung der Schule sagen zu müssen: Ob wir dir überhaupt eine Berufsausbildung oder einen Arbeitsplatz anbieten können, ist fraglich. Leider hat es trotz aller Bemühungen Jugendliche gegeben — und es gibt sie noch immer —, denen diese Antwort gegeben wurde. Mit diesem Skandal dürfen wir uns nicht abfinden.
Ohne das energische Handeln aller — ich betone: aller — Beteiligten und Betroffenen, also auch der
Bundesregierung, die ihre Kompetenzen, so gering diese im Rahmen der Verfassung sind, voll ausgeschöpft hat, ohne dieses Handeln hätte es eine Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots und der Arbeitsmöglichkeiten für Jugendliche so nicht gegeben. Wir standen in der Gefahr, eine Bankrotterklärung dieser Gesellschaft abgeben zu müssen. Jugendliche aber, denen keine Lebenschancen geboten werden, stehen für ein Engagement für diese Bundesrepublik und ihre demokratische Lebensform schlicht nicht mehr zur Verfügung. Das Wahlverhalten von Jungwählern setzt hier schon heute — natürlich aus vielfältigen Gründen — alarmierende Signale.
Die Wertung des Berichts der Bundesregierung macht noch etwas erfreulich deutlich, und das sollte an dieser Stelle nachdrücklich betont werden: Daß es nämlich in dieser Gesellschaft noch möglich ist, ein Ziel zu setzen, also hier die Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für alle Jugendlichen, und dieses Ziel zu erreichen, so, daß dann tatsächlich alle Beteiligten und Verantwortlichen energisch für dieses Ziel arbeiten und nicht erst einmal abwarten, bis sich ein staatlicher Geldregen ergießt, obwohl es auch da genug Versuchungen gegeben hat.

(Beifall bei der SPD)

Hieraus sollten wir auch für andere Bereiche lernen. Soweit man das heute überblicken kann, wird das Ergebnis der Anstrengungen auch in diesem Jahr eine erneute Verbesserung auf dem Ausbildungsstellenmarkt sein, und zwar trotz weiter gestiegener Ansprüche wegen der starken Jahrgänge.
Trotz alledem wäre es unehrlich, wenn nicht klar gesagt würde, daß wir nach wie vor erhebliche Probleme haben. In vielen Regionen der Bundesrepublik haben wir nach wie vor kein ausreichendes Ausbildungs- und Arbeitsplatzangebot für Jugendliche. Dann gibt es Problemgruppen, von denen ich nur zwei stellvertretend herausgreifen will, nämlich die ausländischen Jugendlichen und die Mädchen und Frauen, die der Bericht der Bundesregierung ebenfalls anspricht.
Sicher geschieht inzwischen einiges für ausländische Jugendliche; aber es besteht die Gefahr, daß wir uns allzu schnell damit abfinden, daß bestimmte Organisationen erklären: Wir werden uns schon kümmern, wenn ihr bezahlt. Bei aller Wertschätzung des Internationalen Bundes für Sozialarbeit können wir da unsere Verantwortung nicht abgeben.
Zu den Mädchen möchte ich sagen: Sicherlich ist es richtig und aller Unterstützung wert, daß es einigen Mädchen gelungen ist, mit Hilfe unserer Modellversuche eine Ausbildung in traditionellen Männerberufen zu beginnen. Das darf aber nicht beschränkt bleiben und seinen Ausdruck lediglich in einigen werbewirksamen Fotos in der Lokalpresse finden, sondern das muß die Regel werden. Noch immer stellen die Mädchen unter allen Jugendlichen, die eine Ausbildung beginnen, nur ein Drittel.
Ich will auch darauf hinweisen, daß neben, der Aufgabe, mehr Mädchen in traditionelle Männerberufe zu bringen, traditionelle Männerberufe für



Thüsing
Mädchen aufzubrechen, eine Weiterbildungsperspektive gerade für Frauen angesichts der Versäumnisse der Vergangenheit eröffnet werden muß. Hier müssen die Bestimmungen des § 41 des Arbeitsförderungsgesetzes mehr als bisher greifen. Bisher haben wir aber nur im Bundesinstitut für Berufsbildung gerade einen Modellversuch begonnen, der natürlich aller Unterstützung wert ist.
Es bleibt auch die Aufgabe, neben dem, was in der beruflichen Bildung geschieht, mehr Mädchen und Frauen zum Abitur und zum Studium zu führen. Genau wie wir im Bereich der Berufsbildung unter den Anfängern nur ein Drittel Mädchen haben, finden wir auch unter den Studienanfängern nur gut ein Drittel Mädchen. Auch da muß noch einiges geschehen.
Wir müssen auch zugeben, daß die Ausdehnung der Bildungsmöglichkeiten seit Ende der 60er Jahre wesentlich von den Zahlen bestimmt war. In den 80er Jahren müssen wir energisch an die Bewältigung inhaltlicher Probleme gehen, die nach wie vor gerade auch in der Berufsbildung ungelöst sind. Sonst droht uns bei zurückgehenden Schülerzahlen der Rotstift der Fiskalisten, der Eingriff der SchemaF-Rechner, wie das mein Kollege Helmut Rohde ganz richtig gesagt hat. Die Ereignisse in der „BundLänder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung" lassen hier Schlimmes, nämlich die Rückkehr zum ideologischen Grabenkrieg unter Stabführung eines früheren Bundestagsabgeordneten fürchten.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Da sind Sie ja Spezialist!)

Der CDU/CSU-Fraktion in diesem Hause muß gesagt werden, daß ihre gerade am 10. Oktober 1979 veröffentlichten „Eckpunkte zur Bildungspolitik" leider vom Geist der Klassenschule gekennzeichnet sind.
Wir alle sollten uns nicht von den berechtigten Wünschen und Hoffnungen der jungen Generation und den Verheißungen des Grundgesetzes und einer an ihm orientierten Bildungspolitik abbringen lassen; das heißt: Ausbildung und Arbeit für alle.

(Beifall bei der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818027900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0818028000
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Verehrter Herr Kollege Prangenberg, ich meine, die Perspektive, die Sie angesprochen haben, ist ganz gewiß nicht dadurch befördert worden; daß die Fortschreibung des Bildungsgesamtplans nach wie vor verhindert wird und hiermit eigentlich unsere wichtigste Perspektive, die wir im Bildungsbereich setzen wollen, von Ihnen und von Bayern aus.
Aber das, was diese von der Bundesregierung vorgelegte Dokumentation ausmacht, ist doch eindrucksvoll. Die einzelnen Maßnahmen sind vielleicht etwas mühsam für jemanden zu finden, der sich mit dem Sachbereich nicht permanent unmittelbar befaßt. Aber wenn man es durchsieht, findet man eine wirklich große Anzahl von Vorhaben, von eingeleiteten Versuchen, von Modellvorhaben und von koordinierten Hilfen. Ich begrüße das für meine Fraktion.
Die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung, die wir immer gefordert haben, wird dadurch unterstrichen, daß das 5. BAföG-Änderungsgesetz die 10. Klasse bei der beruflichen Bildung in die BAföG-Förderung einbezieht. Die gemeinsamen Anstrengungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften, von Bund, Ländern und Gemeinden und natürlich auch der Schulen haben dazu beigetragen, daß die Zahl der Ausbildungsverträge von 1975 bis 1978 von 460 000 auf 600 000 beeindruckend gestiegen ist.
Aber wir dürfen nicht verkennen, daß das Angebot um 0,7 % unter der Nachfrage gelegen hat — mit etwa 4 100 nicht zu realisierenden Positionen — und daß die Bestimmung des Ausbildungsförderungsgesetzes 12,5 % mehr anzubieten, damit nicht erfüllt worden ist. Ich glaube trotzdem, daß sich das Ausbildungsplatzförderungsgesetz bewährt hat. Ich meine auch, daß dazu die Möglichkeit gehört, die Berufsbildungsabgabe zu erheben, wenn man nach den festgelegten Kriterien zu der Überzeugung kommt, daß sie notwendig und wichtig ist und daß sie das angestrebte Ziel verbessern kann. Das schließt unser Bekenntnis zum dualen System ein.
Dies bezieht sich aber nur auf die Bundesausbildungsbilanz, und es macht diese Bilanz nicht optimistischer, daß viele Jugendliche Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz ihrer Ausbildungsvorstellung zu erhalten und daß erhebliche regionale, sektorale und strukturelle Defizite bestehen. Herr Schmude hat das in einer Anmerkung erklärt, indem er sagte: Das Ausbildungsproblem ist dieses Jahr noch nicht gelöst.
Ich möchte mich im Bereich der benachteiligten Jugendlichen besonders den Sonderschülern zuwenden, die mit Ausländerkindern, Mädchen und Frauen in einer gemeinsamen schwierigen Situation sind. Während nur jeder dritte Hauptschüler ohne Abschluß eine Lehrstelle erhält, hat nur jeder zweite Sonderschüler die Möglichkeit, eine Lehrstelle zu bekommen. Die Mädchen sind mit 70 % besonders betroffen.
Das ist ein Vorgang, der uns wirklich alarmieren muß. Es ist ein Vorgang, der durch eine intensive und sorgfältige Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung ermittelt und' in dem Heft „Berufsstartprobleme und Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und -ausbildung von Sonderschul- und Hauptschulabgängern" in nüchternen Zahlen beleuchtet worden ist. Der Verdrängungswettbewerb zwischen den Absolventen der einzelnen Schulformen muß zugunsten dieser besonders benachteiligten Jugendlichen aufgehalten werden. Das Ausbildungsangebot muß sich speziell auf Sonderschüler ausrichten. Wir wissen alle, daß das erklärte Ziel, das für alle Jugendlichen gilt, nämlich daß die qualifizierte Berufsausbildung die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist, für Sonderschüler in besonderer Weise zutrifft — auch deshalb, weil die meisten Sonderschüler auch mit ihrem Umfeld und mit



Wolfgramm (Göttingen)

ihrer Familie nicht in der Lage sind, ihre Interessen selber in die Hand zu nehmen.
Sonderschüler leiden unter den besonderen Schwierigkeiten der Konzentrationsfähigkeit. Das bedeutet, daß sie nicht in der Lage sind, zielstrebig und ausdauernd ihre Vorstellungen und Interessen zu vertreten. Es ist erwiesen, daß sie gegenüber allen anderen Benachteiligten in diesem Bereich in kürzester Zeit aufgeben, sich um eine Lehrstelle zu bemühen, und dann dauerhaft zu dem Personenkreis gehören, der ohne qualifizierte Berufsausbildung und mit dem Handicap, das die einzelnen haben, nicht mehr in der Lage ist, für sich eine Lebenschance verläßlich und nützlich zu verwirklichen.
Ich meine, dies muß auch den Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern, der Wirtschaft, den Industrie- und Handelskammern und den Schulen aufrufen, das Ausbildungsplatzangebot Hand in Hand mit einem begleitenden Berufsberatungs- und Berufshilfesystem zu kombinieren. Es gibt hierzu in dem Bericht der Bundesregierung wichtige Ansätze. Aber ich meine, daß das viel stärker an die Sonderschüler herangetragen werden muß. Es muß möglich sein, ihnen in einem übergreifenden Informationssystem die Hilfen zu geben, die man bei den anderen Schülern und Jugendlichen aus ihrer eigenen Aktivität und ihrer eigenen Motivierung erwarten kann.
Dieses System kann nicht darauf fußen, daß die schon sehr belasteten Sonderschullehrer, die sich in vielen Regionen intensiv bemühen, für ihre Schüler Kontakte mit der Wirtschaft und mit den Ausbildungsbetrieben zu schließen und damit zum Erfolg einer Ausbildung beizutragen, auch durch eine Begleitung während der Ausbildung noch mehr in Anspruch genommen werden.
Ich begrüße, daß einige Länder, darunter Niedersachsen, Sonderprogramme mit zusätzlichen Prämienanreizen zur Einstellung von Sonderschülern geschaffen haben. Sie haben aber in der Wirtschaft bisher keine Veränderung bewirkt, also nicht mehr Bereitschaft zum Ausbildungsplatzangebot für Sonderschüler erzeugt.
Ich meine hier ganz ernst: Wenn sich weder durch Prämienanreize noch durch das von mir soeben — sicher lückenhaft — skizzierte integrierte Angebots- und Informationsmodell an der Tatsache, daß nur jeder zweite Sonderschüler einen Ausbildungsplatz erhalten kann, etwas ändert, dann müssen wir ein Quotierungssystem — ähnlich dem des Schwerbeschädigtengesetzes — schaffen; denn diese Gesellschaft, dieser Staat muß für diejenigen, die sich nicht selber helfen können, eintreten, um ihnen die Chance der Berufsverwirklichung zu geben.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich begrüße, daß das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft hier Modellversuche fördert mit dem Ziel, Schwierigkeiten entgegenzutreten, die während der Ausbildung gerade bei Klein- und Mittelbetrieben auftauchen. Das Modell, das diesen Schwierigkeiten steuern soll, wird auch dazu beitragen, daß der hohe Anteil an Jugendarbeitslosigkeit,
der bei Sonderschülern ohne Ausbildung naturgemäß gegeben ist, zurückgehen wird.
Ich meine, dieses Problem muß uns alle in die Pflicht nehmen: Bund, Länder, Wirtschaft, Gewerkschaften, Schulen. Denn es kann nicht sein, daß die beste Zeit für Sonderschüler im Leben die Zeit in der Schule gewesen ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818028100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Daweke.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID0818028200
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren über die Frage des Ausbildungsangebots und der Arbeitsplatzmöglichkeiten für Jugendliche jetzt zehn Jahre lang, seit die sozialliberale Koalition in Bonn regiert. Ich finde es ganz interessant, wenn man einmal die Töne und die Ausführungen, die Sie hier heute machen, mit dem vergleicht, was Sie angekündigt haben und wie Sie vor zehn Jahren geredet haben. Es gibt da bei Ihnen offensichtlich ganz erhebliche Lernprozesse. Das muß man anerkennen. Ich erinnere mich gerade daran, daß man beispielsweise etwas anderes meinte, wenn man ,Ausbildung" sagte. Ich habe noch die Plakate von vor zehn Jahren in Erinnerung, die bei mir zu Hause die Jusos aufgehängt haben. Da war unter dem Stichwort „Ausbildung" ein dicker Mann zu sehen, mit einer Zigarre, und daneben ein bierholender Lehrling. Da war Ausbildung gleich Ausbeutung. Nun haben Sie offensichtlich gemerkt, daß man die Leute, die man für die Ausbildung braucht, nicht so behandeln kann. Dann laufen die einem nämlich weg.
Eine zweite Bemerkung in diesem Zusammenhang. Offensichtlich haben Sie auch die Bedeutung der Berufsbildung wieder erkannt. Offensichtlich haben Sie bemerkt, daß auch das, was Sie vor zehn Jahren ebenfalls angefangen haben, nämlich die Akademisierung, die totale Verwissenschaftlichung unseres gesamten Lebens nicht der richtige Weg ist. Ich habe hier einen Aufsatz von Ulrich Lohmar, dem Vorgänger des Kollegen Thüsing aus dem schönen Paderborn, SPD-Abgeordneter aus dieser Gegend, der den Sozialdemokraten vorgeworfen hat, daß sie eigentlich, wenn sie von Bildung gesprochen haben, immer von der akademischen Bildung geredet haben, daß sie dem falschen Ideal nachgelaufen sind. Er sagt:
Die Schulorientierung der Aufstiegsmuster in unserer Gesellschaft hat nicht nur die Anteile einerseits der Studenten und andererseits der schon in der Hauptschule Gescheiterten rapide ansteigen lassen, sie führte gleichzeitig zu einer Abwertung praktischer Berufe und zu einer Reduzierung der Mittelgruppe in der jungen Generation.
Dies ist exakt das Problem. Das ist sehr klug ausgedrückt. Ich würde das etwas anders nennen: Sie haben tatsächlich vor zehn Jahren den Blaumann systematisch diskriminiert. Nur derjenige, der eine akademische Bildung hatte, hat etwas gezählt.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Daweke
Es ist sehr schön, zu sehen, daß Sie, von diesem Punkt weg sind.
Zwei Schwerpunkte möchte ich aus dem Bericht der Bundesregierung herausgreifen. Zum Thema Jugendarbeitsschutzgesetz und zu der Frage, ob dieses Gesetz nicht in manchen Punkten ein Hemmnis ist, sagt die Bundesregierung in ihrem Bericht:
Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat im Hinblick auf den Beschluß des Deutschen Bundestages, ihm einen Bericht über die bisherigen Erfahrungen mit der Durchführung des Jugendarbeitsschutzgesetzes vorzulegen, ein entsprechendes Schreiben an die zuständigen Ministerien versandt.
Das ist nun wirklich ein bißchen dünn, wenn man überlegt, wie lange Zeit wir schon über die Frage diskutieren, ob das nicht wirklich in seiner Auswirkung ausbildungshemmend ist.
Ich erinnere mich aus dem Petitionsausschuß an ein sehr gutes Beispiel. Da hatte sich nämlich ein Bäckergeselle, der gerade seine Prüfung gemacht hatte, an den Petitionsausschuß gewendet, weil ihm folgendes widerfahren war. Er konnte nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz mit einer Ausnahmegenehmigung als Auszubildender, weil es der Ausbildung diente, morgens früh in die Bäckerei gehen. Nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz kann er nun, da er seine Gesellenprüfung gemacht hat und noch 17 Jahre alt ist, erst um 8 Uhr in diesen Betrieb gehen, wenn die Brötchen, die er dort backen soll, schon weitgehend verzehrt sind. Das begreifen die Leute nicht, daß so etwas vom Bundestag beschlossen ist und daß eine Änderung nicht möglich sein kann, wenn man einsieht, daß hier etwas Unsinniges passiert, daß dann, wenn aus diesem Grunde Leute nicht eingestellt werden oder entlassen werden müssen, die Bundesregierung nicht in der Lage ist, diese Bestimmungen zu ändern.
Sie sagen, Sie haben ein Brieflein an die zuständigen Ministerien geschrieben. Das wissen die doch, was da läuft. Dann ändern Sie es doch bitte ab und helfen Sie, daß auf diese Art und Weise mehr junge Leute eingestellt werden können.
Ein Wort zu den lernschwachen Jugendlichen. Herr Thüsing hat es angesprochen, und auch Herr Wolfgramm hat es noch einmal aufgegriffen. Nur, Herr Thüsing, Sie diskutieren das Problem so, als könnte man beispielsweise, wenn es nötig ist, durch eine Abgabe erreichen, daß diejenigen, die als Jugendliche arbeitslos sind, dann sozusagen mit Hilfe der Lehrstellen irgendwie in das Arbeitsleben hineinkommen. Ich darf da Staatssekretär Grüner zitieren, Rede vor der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein, 18. Oktober 1977; genau vor einem Jahr. Er sagt:
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß durch die Schaffung von mehr Lehrstellen die Jugendarbeitslosigkeit entscheidend beeinträchtigt wer- den kann. Dem ist leider nicht so. Nach all dem, was wir wissen, suchen nur etwa 5 % der arbeitslosen Jugendlichen eine Lehrstelle.
Es ist also offensichtlich auch eine Frage der Motivation. Es gibt das Problem: Weshalb verweigern die
sich in diesem Zusammenhang? Dazu sagt der Bericht überhaupt nichts. Er hat auch keine Antworten auf die Frage, wie man die 70 % der Jugendlichen, die arbeitslos und ohne Ausbildung sind, in Ausbildungsstellen vermitteln kann.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818028300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wolfgramm?

(Daweke [CDU/CSU]: Immer!)


Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0818028400
Herr Kollege, würden Sie bereit sein, mir zuzustimmen, daß in der von mir genannten Untersuchung „Berufsstartprobleme und Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und Ausbildung von Sonderschülern" steht, daß zwei Drittel der Sonderschüler einen Ausbildungsplatz suchen?

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID0818028500
Sie müssen es trennen und die Zahl derjenigen herausnehmen, die Sonderschüler sind und die einen solchen Platz suchen; das ist in Ordnung. Ich rede von denjenigen, die später arbeitslos sind, über die Gruppe der arbeitslosen Jugendlichen. Das ist ein Unterschied. — Aber lassen Sie mich auf den Punkt zurückkommen, zu dem ich sprechen wollte.
Es wäre gut gewesen, wenn die Bundesregierung in ihrem Bericht dargestellt hätte, ob sie bereit ist, die zuständigen Stellen darauf hinzuweisen, daß wir vielleicht auch ein differenziertes Angebot machen müssen, daß beispielsweise nicht alle in dreijährige Ausbildungen zu vermitteln sind, sondern daß es möglicherweise auch gut wäre, wenn wir mehr zweijährige Ausbildungsgänge hätten und wenn darüber hinaus die Ausbildungsordnungen so gestaltet werden könnten, daß sie auch auf die Gruppe der Lernschwachen mehr Rücksicht nehmen und sie einen ihren Fähigkeiten adäquaten Ausbildungsgang annehmen können.
In Nordrhein-Westfalen ist die Antwort auf diese Frage so gefunden worden, daß man gesagt hat: Dann richten wir für diese Sonderschulklassen Fachklassen ein. Damit tut man genau das, was die überhaupt nicht wollen. Man steckt sie in einem Alter, wo sie die Schule satt haben, noch einmal in eine Schule. Das hat zum Ergebnis, daß wir beispielsweise in meiner Heimatstadt Sozialarbeiter einstellen mußten, die diese Schüler in der Schule betreuen, weil sie überhaupt nicht schulwillig sind. Ich meine also, daß man, bevor man ihnen weiter dieses Frusterlebnis „Schule" gibt, darüber nachdenken sollte, ob sie nicht das Erfolgserlebnis verdient haben, für einen ihnen adäquaten Beruf einen Ausbildungsgang zu machen.
In dem Zusammenhang eine letzte Bemerkung zu der Frage: Wie praktikabel sind eigentlich unsere Ausbildungsordnungen? Wie bürokratisch werden sie angewendet? Wie verfahren wir dort in einzelnen Situationen und auch mal in Härtefällen? Ich will Ihnen — auch wieder aus einer Petition — den Brief eines, wie ich finde, fast verzweifelten Meisters aus dem Kürschnerhandwerk vorlesen, der sich bereit erklärt hatte, eine Jugendliche einzustellen, die



Daweke
den Beruf der Schneiderin erlernen sollte; diese Genehmigung wurde ihm versagt. Er schreibt:
Ich entstamme großmütterlicherseits einem Handwerksbetrieb, der seit 1843 besteht und bin also in der vierten Generation Kürschnermeister. Ich habe mit 21 Jahren die Meisterprüfung im Kürschnerhandwerk abgelegt und war damals der jüngste Meister Deutschlands. Als Geselle arbeitete ich in Buenos Aires, Paris, Leipzig, Genf; in Leipzig in einem der besten Pelzfachgeschäfte. Auf Grund dieser Ausbildung bildete ich komischer Mensch mir ein, daß es möglich wäre, auch junge Schneiderinnen auszubilden.
Das haben sie ihm versagt. Das begreift nun wirklich keiner mehr: Wenn er eine Interessentin hat, wenn er bereit ist, einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, sagt man ihm: Du kannst zwar alles, aber du kannst es nach dem Schein, den du brauchst, eben nicht.
Herr Schmude, es wäre sinnvoll, wenn Sie darauf hinwirkten, daß wir eine unbürokratischere Handhabung dieser oft sehr komplizierten und mechanischen Vorschriften bekommen. Wenn der Bericht dazu einen Anreiz gäbe, hätte er schon seine Wirkung gehabt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818028600
Das Wort hat Herr Bundesminister Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818028700
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte möchte ich in wenigen Sätzen meine Stellungnahme zu dem hier erörterten Gegenstand zusammenfassen.
Die Bundesregierung bejaht das duale System der beruflichen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Das habe ich unzählige Male — und andere Mitglieder der Bundesregierung ebenso oft — öffentlich erklärt. Daran dürfte kein Zweifel mehr bestehen. Dazu sollten auch keine zweifelnden Fragen mehr gestellt werden. Ich ergänze: Dies ist für uns keine Frage des gegenwärtigen Bedarfs, bei dessen Schwinden man andere Maßstäbe anlegt, sondern es ist eine Frage der Wertschätzung dieses Systems der Berufsausbildung mit seiner von Jahr zu Jahr gesteigerten Qualität, die sich heute sehen lassen kann und Wertschätzung auch im Ausland findet.
Es wird immer wieder die Frage gestellt, wie es mit der Umlage stehe; sie sei doch verfehlt. Ich meine jene Umlage nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz. Es wird gefordert, man solle sie abschaffen. Wer das fordert, möge bitte überlegen, wo wir ohne diese Umlage ständen, wo wir ständen, wenn wir den Alternativvorschlägen der Opposition gefolgt wären, die auf eine mittelbare oder unmittelbare Subventionierung der Ausbildung in der Wirtschaft hinausliefen. Wir sind der Auffassung, daß zum dualen System der Berufsausbildung notwendigerweise die Verantwortung der Wirtschaft nicht nur für die Qualität, sondern auch für ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen gehört.

(Beifall bei der SPD)

An diese Verantwortung appellieren wir; in diesem Sinne nehmen wir die Wirtschaft in die Pflicht. Dieser Grundstruktur entspricht die Umlage, die im Ausbildungsplatzförderungsgesetz vorgesehen ist und die wir bisher, glücklicherweise, in keinem Jahr zu erheben brauchten.
Seit damals der Weg diskutiert wurde, dessen Beschreiten ein ausreichendes Angebot sicherstellt, seit dem Jahre 1975, ist das Angebot an Ausbildungsplätzen von 450 000 auf über 600 000 im Jahr gesteigert worden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ohne die Umlage! — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Trotz Ihres Gesetzes!)

Das ist eine beachtliche Leistung, bei deren Würdigung es nicht erforderlich war, die Umlage zu erheben — bisher.

(Daweke [CDU/CSU]: Das ganze Gesetz war nicht erforderlich!)

Wenn sich diese Steigerung fortsetzt, wird das auch künftig nicht notwendig sein. Ich erwarte übrigens für dieses Jahr — die endgültigen Zahlen liegen uns noch nicht vor — eine weitere Steigerung.

(Daweke [CDU/CSU]: Geben Sie es doch zu: Das würden Sie beim Kanzler auch gar nicht durchkriegen!)

— Aber sind Sie denn in der Tat der Auffassung, daß ein Instrument wie eine solche Umlage, die gelegentlich, übertriebenerweise, als „Damoklesschwert" bezeichnet wird,

(Dr. Jenninger [CDU/CSU]: So ist es!)

seinen Wert nur darin beweist, daß man damit hantiert und es möglichst jedes Jahr anwendet? Ist nicht die Wirkung wesentlich wichtiger und uns allen willkommen, die sich daraus ergibt, daß dieses Instrument bereitsteht, aber nicht angewendet zu werden braucht? Es hat in diesem Sinne gewirkt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818028800
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Wilms?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818028900
Bitte schön.

Dr. Dorothee Wilms (CDU):
Rede ID: ID0818029000
Herr Minister, würden Sie mir sagen, warum die von uns allen beachtete Steigerung der Zahl der Ausbildungsplätze erfolgt ist — wegen der Drohung mit der Umlage oder weil die Wirtschaft Verantwortung gezeigt hat?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818029100
Die Verantwortung und die Leistung der Wirtschaft leugne ich nicht. Ich habe dafür wiederholt Anerkennung ausgesprochen. Aber auf die Bedeutung der Umlage für die dort zu treffenden Entscheidungen weist mich die Wirtschaft immer



Bundesminister Dr. Schmude
wieder hin, so daß dieses Instrument auf jeden Fall eine Rolle, und zwar eine positive, gespielt hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Welche Wirtschaft weist Sie darauf hin? — Abg. Daweke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich bitte, noch etwas ergänzen zu dürfen: ich habe viele Gespräche mit Vertretern von Wirtschaftsverbänden und deren Vorsitzenden geführt, die mir gesagt haben: Wir bemühen uns, die Anwendung dieser Umlage überflüssig zu machen, indem wir das Angebot steigern. Ich habe auch Briefe gelesen, die sie an die Mitglieder ihrer Verbände geschrieben haben und in denen genau dieses drinsteht. Damit sind Sie, meine Damen und Herren, gründlich zu widerlegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818029200
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Daweke?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818029300
Bitte schön.

Klaus Daweke (CDU):
Rede ID: ID0818029400
Herr Minister, ist es denn so, daß sich auch die Bundesministerien von dieser Drohung so haben beeindrucken lassen, daß sie auch im eigenen Hause aus diesem Grunde die Ausbildungskapazität erhöht haben?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818029500
Wenn Sie an vielen anderen Stellen die Ausweitung des Personalbestandes beanstanden und im Haushaltsausschuß alle miteinander dafür sorgen, daß diese Ausweitung nicht überhandnimmt, sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen, daß unsere eigenen Möglichkeiten, in unserem Bereich einen Beitrag zu leisten, begrenzt sind. Es ist aber die erklärte Haltung der Bundesregierung, in allen Bereichen, auf die sie Einfluß nehmen kann, durch die Steigerung des eigenen Angebots an Ausbildungsplätzen ein Beispiel zu geben, ob es sich nun um Bundesbahn und Bundespost mit großen Zahlen oder die Ministerien mit sehr kleinen Zahlen handelt.

(Zustimmung bei der SPD und der FDP)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818029600
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Meinecke?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818029700
Bitte schön.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818029800
Herr Minister, halten Sie es für möglich, daß die CDU/CSU und insbesondere der Kollege Daweke Schwimmwesten dann abschaffen wird, wenn keiner ersäuft?

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)


Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818029900
Das wird der Herr Kollege Daweke sicherlich als eine Überlegung für sich mit nach Hause nehmen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818030000
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Prangenberg?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818030100
Es läuft gerade so schön. Bitte!

Heinz-Jürgen Prangenberg (CDU):
Rede ID: ID0818030200
Herr Bundesminister,
haben Sie Gelegenheit genommen, diese Ihre Ausführungen auch einmal Ihrem Kollegen, Herrn Staatssekretär Zander, sehr deutlich vorzutragen, der noch vor wenigen Tagen vor dem Deutschen Bundesjugendring erklärt hat, daß das Kernstück des Ausbildungsförderungsgesetzes, die Berufsbildungsabgabe, kontraproduktiv wirke, ihr Einsatz bei den geburtenstarken Jahrgängen völlig unsinnig sei und daß von daher überlegt werden sollte, ob man dieses Gesetz abschaffen solle?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0818030300
Zu dieser Aussprache, Herr Kollege Prangenberg, hatte ich keinen Grund. Denn nachdem ich Ihren Aufsatz vom 5. Oktober 1979 im DUD gelesen hatte, habe ich Herrn Zander befragt bzw. befragen lassen. Er hat mir erklärt, daß die von Ihnen wiedergegebenen Zitate falsch sind und daß er lediglich davon gesprochen habe, daß die Gesamteinschätzung der Situation und der Möglichkeiten mit diesem Instrument es jetzt nicht ratsam erscheinen lasse, es anzuwenden. Das ist übrigens auch die Haltung der Bundesregierung vom Februar dieses Jahres.
Von der Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots — das ist der nächste Punkt — geht ohne weiteres ein Einfluß auf die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit aus. Vor zwei Jahren mag es noch anders ausgesehen haben. Wir stellen fest, daß unsere Appelle nicht nur bei den Betrieben wirken und diese mehr Plätze zur Verfügung stellen, sondern daß sie auch bei den Jugendlichen wirken, die sich verstärkt um Ausbildungsplätze bemühen. Mit der steigenden Wertschätzung der beruflichen Bildung ist hier ein Auffassungswandel im Gange, der sich auf die Bereitschaft ausgewirkt hat, in die berufliche Ausbildung zu gehen, statt einen Jungarbeiterplatz oder ähnliches zu suchen.
Ich finde es überraschend, daß hier vor dem Ausbau der überbetrieblichen Ausbildungsstätten gewarnt und gesagt wird, diese dürfte es nur in strukturschwachen Gebieten geben. Das Ergänzungsangebot der betrieblichen Ausbildung dient der Verstärkung der Qualität. Es dient dazu, Ausbildung auch dort zu ermöglichen, wo Klein- und Mittelbetriebe bestimmte Ausbildungsangebote nicht machen können. Es ist somit eine Investition, die auf allen Gebieten sinnvoll ist, weil die Qualität der beruflichen Bildung, die wir ja alle nicht absenken, sondern nach Möglichkeit steigern wollen, auf diese Weise wirksam unterstützt wird. Von einer Konkurrenz zum dualen System kann doch nur der reden,



Bundesminister Dr. Schmude
der nicht weiß, daß die Träger des betrieblichen Teils dieses dualen Systems, nämlich Handwerkskammern, Innungen, Industrie- und Handelskammern, gleichzeitig auch die Träger jener überbetrieblichen Ausbildungsstätten sind. Von daher scheidet ein Grund für solche Sorgen, wie Sie sie hier äußern, vollständig aus.

(Beifall bei der SPD — Daweke [CDU/CSU]: Wenn es dabei bleibt, Herr Minister!)

Hier wurde Ziffer 19 aus dem Bericht zitiert, den die Bundesregierung unter dem 27. April 1979 vorgelegt hat. Herr Kollege Daweke, wenn Sie hier etwas verlesen, dann tun Sie es aber bitte nicht so unvollständig, daß der Sinn grob entstellt wird. Der zweite Satz, der dort steht — es sind ja nur zwei; Sie brauchten also nicht weiterzulesen —, besagt, daß die erbetenen Stellungnahmen zu diesem Thema noch nicht alle eingegangen sind. Damit ist klar, warum weitere Ankündigungen an dieser Stelle nicht erfolgen.
Über eines sollten wir uns doch alle einig sein: Das Jugendarbeitsschutzgesetz, das hier in diesem Bundestag erst vor wenigen Jahren nahezu einvernehmlich verabschiedet worden ist, sollte nicht ohne sorgfältige Prüfung wieder geändert werden. Dies wäre ein schlechter Stil; es wäre den mühseligen und langwierigen Beratungen, die dem Jugendarbeitsschutzgesetz vorangegangen sind, nicht angemessen.
Es ist hier die Frage aufgeworfen worden, wie die Bundesregierung zum 10. Schuljahr steht. Insoweit ist nicht nur die Regierungserklärung vom Dezember 1976, insoweit ist auch die Praxis der Bundesregierung ganz eindeutig. Herr Wolfgramm hat das Fünfte Änderungsgesetz zum Ausbildungsförderungsgesetz bereits erwähnt, durch das das 10. Schuljahr der Berufsfachschulen, vor allen Dingen aber das Berufsgrundschuljahr, in die Förderung einbezogen worden ist, das 10. allgemeinbildende Schuljahr nicht. Ich verweise ergänzend auf die Modernisierung der Anrechnungsverordnung und auf die Förderung von Modellversuchen. Aber ich verweise auch darauf, daß erhebliche Probleme bei der Anrechnung des Berufsgrundbildungsjahres, die von der Wirtschaft verursacht werden, den Zuspruch bremsen und den Erfolg dieses Bildungsangebotes mindern. Dort gibt es viele, die Ihnen durchaus nahestehen. Da können Sie etwas tun, um das Berufsgrundbildungsjahr zu stärken.
Die Frage, was man tun kann, um die berufliche Bildung als Alternative zum Hochschulstudium aufzuwerten und herauszustellen, läßt sich nicht mit bloßen Appellen, mit Sonntagsreden und Aufrufen beantworten, solange in der praktischen Auswirkung, nämlich dort, wo Berufschancen zugeteilt werden, wo Funktionen in der Wirtschaft besetzt werden, das eine immer noch sehr viel geringer bewertet wird als das andere.
Die Bundesregierung bemüht sich, im Zuge einer Strategie der Aufwertung der beruflichen Bildung in gewissen Bereichen für Gleichwertigkeit zu sorgen, also dafür, daß Berufsbildungsabschlüsse beim Überwechseln in einen allgemeinbildenden Bereich zumindest teilweise anerkannt werden, statt daß
man sagt: Dieser Berufsbildungsabschluß zählt gar nichts; alle Schuljahre sind zu wiederholen.
Dieses Bemühen um Gleichwertigkeit stößt — ebenso wie das Bemühen um Verbundsysteme von beruflicher und allgemeiner Bildung — auf den Widerstand und auf den Argwohn von CDU und CSU. Hier können Sie in der Tat beweisen, ob Sie es ernst meinen mit der beruflichen Bildung

(Beifall bei der SPD und der FDP)

oder ob es nur darum geht, bestimmte wirtschaftliche Bedürfnisse zu erfüllen, indem man sagt: Nun geht doch nicht alle studieren; die berufliche Bildung ist doch auch schön.
Schließlich wurde die Linie des Berichtes, den wir vorgelegt haben, beanstandet. Wenn Sie die Herkunft dieser Linie suchen, müssen Sie sich den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 21. Juni 1978 ansehen, in dem genau die Punkte, zu denen wir Stellung nehmen, im einzelnen dargelegt worden sind. Darauf haben wir mit einer ausführlichen sachlichen Information geantwortet. Ich gebe zu: Das ist etwas für diejenigen, die sich im einzelnen informieren wollen; für Generalisten ist das als Informationsquelle weniger geeignet.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich komme zum Schluß. Wenn hier im Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre festgestellt worden ist, die Bundesregierung, die Koalition, habe gelernt,

(Daweke [CDU/CSU]: Weiterbildung gemacht!)

so liegt es mir fern, das zu bestreiten oder zurückzuweisen. Wenn man lernt, dann ist das immer ein guter Prozeß. Nur: Ich habe den Eindruck, diesen Lernprozeß haben Sie noch vor sich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das letzte war Pflichtübung !)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818030400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat empfiehlt, den Bericht auf der Drucksache 8/2796 an den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit sowie an den Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 22. März 1974 über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets
— Drucksache 8/2599 —



Vizepräsident Frau Funcke
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/3257 —
Berichterstatter: Abgeordneter Müller (Nordenham)

b) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen

(14. Ausschuß)

— Drucksache 8/3203 —
Berichterstatter: Abgeordneter Sick (Erste Beratung 148. Sitzung)

Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung hierüber mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im Ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Februar 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen
— Drucksache 8/2614 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 8/3258 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl (München)

b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses

(4. Ausschuß)

— Drucksache 8/3221 —
Berichterstatter: Abgeordnete Gerlach (Obernau),
Dr. Nöbel

(Erste Beratung 148. Sitzung)

Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Ich rufe Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung darüber mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, möge sich erheben. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. November 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jamaika über den Luftverkehr
— Drucksache 8/3058 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (14. Ausschuß)

— Drucksache 8/3248 —
Berichterstatter: Abgeordneter Hanz (Erste Beratung 169. Sitzung)

Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Le- sung. Ich rufe Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung hierüber mit der Schlußabstimmung. Wer in der Schlußabstimmung dem Gesetz im Ganzen seine Zustimmung geben will, möge sich erheben. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll über die Änderung des Artikels 14 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR)

— Drucksache 8/3001 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (14. Ausschuß)

— Drucksache 8/3249 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dreyer (Erste Beratung 163. Sitzung)

Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Ich rufe Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer in der Schlußabstimmung dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, möge sich erheben. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 147 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Oktober 1976 über Mindestnormen auf Handelsschiffen
— Drucksache 8/2898 —



Vizepräsident Frau Funcke
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß)

— Drucksache 8/3252 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. George (Erste Beratung 161. Sitzung)

Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird ebenfalls nicht gewünscht.
Ich rufe Art. 1 bis 7, Einleitung und Überschrift auf. Wir verbinden die Abstimmung hierüber mit der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, möge sich erheben. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir müssen noch über Nr. 2 der Beschlußempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 8/3252 beschließen. Es handelt sich um eine Entschließung. Wer dieser Entschließung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dies ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Warnke, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Dr. Waigel, Dr. Kunz (Weiden), Engelsberger, Dr. Jobst, Röhner, Spilker, Dr. Kreile, Lintner, Dr. Bötsch, Niegel, Dr. Häfele, Kiechle, Schedl, Haberl, Graf Huyn, Dr. Voss, Pieroth, Gerster (Mainz), Dr. Müller, Dr. Rose, Rainer, Voigt (Sonthofen), Kraus, Blumenfeld, Neuhaus, Kittelmann, Regenspurger, Hartmann, Damm, Dr. von Wartenberg und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
Senkung des Kohlepfennigs — Drucksache 8/3050
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend)

Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Lenzer, Gerstein, Dr. Riesenhuber, Dr. Probst, Pfeifer, Engelsberger, Dr. Hubrig. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Waltz, Sauter (Epfendorf), Kolb, Dr. Warnke, Benz und der Fraktion der CDU/CSU
Verbundkonzept „Kohle und Kernenergie" — Drucksache 8/3090
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Wirtschaft
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenzer.

Christian Lenzer (CDU):
Rede ID: ID0818030500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Probleme der Energieversorgung sind weit über die Bedeutung für unser Land zu einer Lebensfrage der Menschheit geworden.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das haben Sie spät gemerkt!)

Sie werden auch die Zukunft unseres Landes, das diesbezüglich zu 60 % importabhängig und durch Rohstoffarmut charakterisiert ist, entscheidend mitbestimmen. Sie erfordern auch im Laufe der Beratungen über diesen Antrag und in den Diskussionen im Parlament und in den Gremien — ein hohes Maß an Gemeinsamkeit zwischen Regierung und Opposition, zwischen Bund und Ländern, zwischen allen politisch Verantwortlichen. Dieses gemeinsame Handeln ist jedoch zur Zeit schwer belastet durch die innere Zerrissenheit dieser SPD/FDP-Koalition im Zielkonflikt zwischen Energieversorgung einerseits und Umweltschutz andererseits.

(Zurufe von der SPD)

Schwere Mängel in der Rechtssicherheit gefährden die Investitionen der Energiewirtschaft ebenso wie eine Reihe von verantwortungslosen Äußerungen aus der Politik, die nur die Energiediskussion als Hebel zum Angriff auf die freiheitliche sozial-marktwirtschaftlich orientierte Grundordnung benutzen wollen.

(Oh-Rufe bei der SPD)

— Ich verstehe Ihre Unruhe eigentlich sehr gut; das hatte ich erwartet.
Mit der Vorlage dieses Antrages bekräftigt meine Fraktion ihre energiepolitische Grundkonzeption, die auf der verstärkten Nutzung von Kohle und Kernenergie gleichberechtigt — ich sage es noch einmal: Kohle und Kernenergie — aufbaut und deren Verwirklichung als mittelfristige Maßnahme sofort in Angriff genommen werden muß. Ich darf im übrigen in diesem Zusammenhang auf eine Initiative unserer Fraktion aus dem Jahre 1973 verweisen, und zwar auf die Drucksache 7/1319. Auch dieser Antrag ging in die gleiche Richtung. Damals haben wir die gleichen Argumente gehört, die sicherlich auch heute im Laufe der Debatte wieder von Ihnen als Schutzbehauptung vorgebracht werden.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Herr Lenzer, Sie haben doch die Kohle überhaupt erst entdeckt!)

Ein Wort zur energiepolitischen Gesamtsituation. Diese Ölkrise ist kein vorübergehender Betriebsunfall, sondern ein Problem, das von Dauer sein wird.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das haben wir schon in den 50er Jahren gesagt! Da wollten Sie es nicht glauben!)

Das 01 wird auch in Zukunft als politische Waffe mit einem unübersehbaren Risiko eingesetzt werden. Oberstes Prinzip muß es deshalb sein, weg vom Öl zu kommen, und zwar so schnell wie möglich und auch mengenmäßig so weit wie möglich. Wir sind uns im übrigen mit manchen Erklärungen der Bundesregierung durchaus einig — ich sehe die beiden für diesen Bereich zuständigen Herren Minister



Lenzer
hier —, daß ein etwa 50 %iger Primärenergieanteil des Öls in Europa in dieser jetzigen politischen Situation einfach nicht zu verantworten ist.
Die erste Frage, die hier auftaucht, ist — auch das hört man immer wieder in der Diskussion —, ob Sparen die Lösung des Problems sein kann. Nach übereinstimmender Auffassung der Experten reicht das Einsparungspotential trotz mancher Ansätze z. B. bei den privaten Haushalten nicht aus. Ich sage trotzdem ganz klar: Vermehrte Anstrengungen sind hier nötig, wichtig und auch wünschenswert und werden von uns in jeder Hinsicht unterstützt. Nur plädieren wir dafür, daß man die Realität nicht verkennt, daß man die Größenordnungen berücksichtigt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818030600
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wolfram?

Christian Lenzer (CDU):
Rede ID: ID0818030700
Frau Präsidentin, der Kollege Wolfram bedient mich immer so hervorragend mit Zwischenrufen; ich möchte darauf nicht verzichten. Ich fürchte, er läßt die ganze Luft jetzt ab, wenn ich ihm die Zwischenfrage gestatte. Ich möchte das nicht gestatten.

(Heiterkeit — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Ich habe genug als Reservoir!)

Die nächste Frage, meine Damen und Herren: Was bringen die sogenannten regenerativen Energiequellen, z. B. die Solartechnik, mit der wir uns heute noch — hierzu liegt ein Antrag meiner Fraktion vor — unter einem anderen Tagesordnungspunkt beschäftigen werden? Sie sind mit einem hohen Entwicklungsrisiko behaftet, sie erfordern einen erheblichen Aufwand an Kapital, und sie bilden trotz allem ein vorläufig geringes technisch nutzbares Potential. Das heißt, auch sie werden kurz- und mittelfristig keinen nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung leisten können. Dies würde auch gelten — das muß man wissen —, wenn hier noch mehr Fördermittel als ohnehin schon investiert würden.
Welche Optionen bleiben uns also für die Sicherung der Energieversorgung in einer Zeit, in der das Mineralöl langsam durch andere Primärenergieträger zurückgedrängt werden muß? Da gibt es nur eine klare Antwort, und diese Richtung zeigt auch unser Antrag auf: verstärkte Nutzung von Kohle und Kernenergie, nicht das eine gegen das andere ausspielen, nicht das eine gegen das andere als Alternative setzen, sondern im Verbundkonzept. Kohle ist nämlich — Stein- und Braunkohle — unser einziger in nennenswerten Mengen vorhandener Primärenergieträger. Eine Reihe von Kollegen, die heute Morgen in Essen am Deutschen Steinkohletag teilgenommen haben, haben dies dort wieder in aller Deutlichkeit erlebt. Wir besitzen auf diesem Gebiet weitreichende Erfahrung, ein großes technologischen Wissen, aber auch hier muß man sehen: Die deutsche Kohle hat nach wie vor erhebliche ökonomische Nachteile.
Die Kernkraft steht uns als eine Technologie mit hohem technischen Standard zur Verfügung. Dies
gilt insbesondere für die nukleare Sicherheit in unserem Lande. Wir können uns dort im Vergleich zu unseren internationalen Konkurrenten sehen lassen. Zum anderen möchte ich betonen: Die kerntechnische Nutzung steht eben auch nur wieder einem industriell hochentwickelten Land zu Verfügung, wie es die Bundesrepublik Deutschland ist.
Ein Wort zu den Möglichkeiten der Kohleveredelung. Ich möchte zunächst die Kohlevergasung ansprechen: Die Technologien sind seit einigen Jahrzehnten bekannt. Anlagen könnten also jederzeit gebaut werden, doch muß die Technologie sicherlich noch weiterentwickelt werden. Ich denke hier z. B. an die Erhöhung der Leistung, an die Senkung der Kosten sowie an die Verwendbarkeit möglichst vieler Kohlesorten. Zur Zeit laufen kleine Versuchsanlagen mit geringem Durchsatz. Das Produkt ist entweder ein Synthesegas oder, wie etwa bei der kürzlich in Betrieb genommenen Anlage Ruhr 100, ein Heizgas mit einem höheren Heizwert. Ober die Kosten herrscht zwar noch Unsicherheit, aber bei Braunkohlesynthesegas ergeben sich bezüglich der Wirtschaftlichkeit auf absehbare Zeit recht interessante Aspekte.
Ein weiteres Wort zur Kohleverflüssigung. Hier soll nach den Auskünften der Bundesregierung mit dem Bau von Pilotanlagen in diesem Jahr begonnen werden. Für das Jahr 1985 rechnet man mit der Inbetriebnahme dieser Anlagen. Die Methanolsynthese ist Stand der Technik. In Südafrika steht mit der Anlage SASOL, die sich noch in der Erweiterung befindet und die seit einigen Jahren schon in der ersten Stufe in Betrieb ist, eine unter kommerziellen Gesichtspunkten nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren arbeitende Anlage zur Verfügung. Aber auch hier dürfen die Kosten nicht außer acht gelassen werden. Benzin und leichtes Heizöl aus Braunkohle bei uns, in unserem Lande — im Unterschied zu den Verhältnissen dort — sind mindestens doppelt so teuer wie Mineralölprodukte. Bei der deutschen Steinkohle kann man sogar vom zweifachen oder dreifachen Faktor gegenüber den Raffinerieprodukten sprechen.
Als Fazit halten wir also fest: Wir haben bei uns zur Zeit nur kleine Pilotanlagen mit sehr langen Zeithorizonten. Wir müssen fragen: Können wir uns dies leisten? Geht es nicht schneller? Warum geht es eigentlich nicht schneller, wenn die Technologien doch schon seit geraumer Zeit vorhanden sind? Herr Bundesminister Hauff hat heute morgen in seiner Ansprache in Essen auf das Abkommen hingewiesen, daß er gerade vor einigen Tagen in den Vereinigten Staaten, in Morgantown, unterzeichnet hat, auf das sogenannte SRC-II-Abkommen. Nun, hier muß man, Herr Minister, ebenfalls die Frage stellen: Können wir mit dem Produkt, das dort entwickelt wird, etwas anfangen? Paßt das in unsere energiepolitische Landschaft? Sind wir nicht in der Gefahr, daß dort vielleicht die Experimente, und zwar auf internationaler Ebene, nachvollzogen werden, die die deutsche Kohleveredelungstechnologie alle schon hinter sich gebracht hat?

(Stahl [Kempen] [SPD]: Aber es ist doch - wichtig, da ein Bein drin zu haben!)




Lenzer
— Herr Kollege Stahl, das Bein in Schwefelsäure oder Salzsäure zu haben, wäre mir nicht so angenehm. Man muß also das Bein nicht nur drin haben, sondern entscheidend ist, worin man es hat, verehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

(Kolb [CDU/CSU]: In der richtigen Tür muß man es haben! — Zuruf des Abg. Stahl [Kempen] [SPD])

Nun, letztlich sollte man auch die Frage stellen, ob man das Geld, das dort investiert wird, nicht vielleicht in anderer Weise hier bei uns in der Kohleveredelung besser anlegen könnte. Sie werden sicherlich dazu etwas sagen.
Ein Wort auch zur Rolle der Kernenergie: Sie ist vielseitig, umweltfreundlich, versorgungssicher, sie hat trotz der noch bestehenden Risiken, trotz der Störfälle oder gerade wegen der Störfälle — wir haben dabei ja Erkenntnisse gewinnen können, auch in Harrisburg — ihre Beherrschbarkeit nicht eingebüßt. Das Katastrophengeschrei ist also völlig unangebracht.
Wir wenden uns auch mit aller Entschiedenheit gegen jegliche Restbedarfsphilosophie und auch gegen das Wort des Bundeskanzlers — er hat ja wieder einen neuen Terminus geprägt — von der Lückenbüßerfunktion der Kernenergie. Dies scheint uns nicht der richtige Weg zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gefährlich! — Stahl [Kempen] [SPD]: Sie interpretieren den Bundeskanzler aber nicht richtig!)

— Herr Kollege Stahl, wenn ich Sie auf Grund Ihres Zwischenrufes direkt ansprechen darf: Es wäre sehr, sehr töricht, wenn wir aus vordergründigen politischen Erwägungen auf eine wertvolle Energieoption verzichteten.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Wer tut das denn?)

Es gibt hier die Möglichkeiten der Verstromung, der Fernwärme in Heizkraftwerken, der Wasserstofferzeugung und schließlich der — und besonders interessierenden — nuklearen Prozeßwärme. Sie ist wichtig, weil wir nicht allzu lange mit der autothermen Vergasung arbeiten können; dabei wird zuviel Kohle selbst verbrannt, um die notwendige Reaktionswärme zu erzeugen.
Auch dies kommt bei der Sozialdemokratischen Partei in den einschlägigen Papieren der letzten Wochen nicht entsprechend zum Ausdruck, wenn dort steht:
Langfristig könnte sich die Möglichkeit ergeben, durch den Einsatz des Hochtemperaturreaktors die Kernenergie zur Kohlevergasung zu nutzen und somit die Kohlevorräte zu strekken.
Man kann das doch wirklich nur als ein schüchternes oder schamhaftes, sehr zurückhaltendes Bekenntnis zu den wahren Möglichkeiten der nuklearen Prozeßwärme bezeichnen.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das ist eine klare Aussage, aber natürlich nicht so überspitzt wie bei Ihnen!)

Meine Damen und Herren, man sollte an dieser Stelle auch das Tabu „Strom im Wärmemarkt" ansprechen. Hier gibt es eine ganz Reihe von Aktiva, nämlich die sofortige Verfügbarkeit des elektrischen Stroms, keine Lagerung, die leichte Meß- und Regelbarkeit, die umweltfreundliche Verfügbarkeit am Verbrauchsort. Letztlich ist hier auch die Primärenergienutzung optimal, da bei der Verstromung dann ca. 80 % Primärenergieträger sind, die eben für andere Zwecke nicht zur Verfügung stehen; denken Sie an Laufwasser, an Braunkohle, an ballastreiche Steinkohle, an die Müllverbrennung oder an was immer Sie wollen. Ich meine, wir sollten diese Diskussion leidenschaftslos führen

(Zuruf von der SPD: Vor allen Dingen ohne diese Parolen, die Sie immer in die Welt setzen!)

und sollten versuchen, in dieser Diskussion auch die entsprechende Besonnenheit an den Tag zu legen.
Welche Konsequenzen gilt es für uns in der Bundesrepublik Deutschland also aus der allgemeinen energiepolitischen Lage und aus unseren spezifischen Möglichkeiten — das ist ja für uns besonders wichtig — zu ziehen? Wir möchten hierzu feststellen: Wir brauchen in der augenblicklichen Situation ein wirtschaftliches, energieökonomisches und auf lange Zeit mengenmäßig ausreichendes Strom-GasSystem, das auf Kohle und Kernenergie aufbaut und in dem sich langfristig reibungslos die Substitution von Mineralöl sowie später auch Erdgas vollziehen kann. Dies bedeutet gerade für den Wärmemarkt den Einsatz von Kohlegas bei zunächst autothermer Vergasung und späterer Einkopplung nuklearer Prozeßwärme aus den Hochtemperaturreaktoren. Genau dieser Punkt ist die Essenz unseres Verbundkonzepts „Kohle und Kernenergie". Unser Antrag dient dazu, dieses Ziel zu erreichen.
Angesichts der wachsenden Spannungen und Engpässe auf dem Energiesektor soll die Bundesregierung als mittelfristige Maßnahme der Energiepolitik ein Verbundkonzept Kohle und Kernenergie" entwickeln und dem Deutschen Bundestag vorlegen. Dieses Konzept soll Strom und Gas im KohleKernenergie-Verbund einbeziehen und vor allem berücksichtigen, daß die zunehmend schwierige Energieversorgung der Bundesrepublik Deutschland ein Dringlichkeitsprogramm erfordert, das eine deutsche Energiepolitik auf der Basis von Kernkraft und Kohle nicht als eine Aufgabe erst des nächsten Jahrtausends betrachtet, sondern sie schnellstmöglich verwirklicht. Dabei wird die Kohle nicht nur Energieträger, sondern längerfristig auch und vor allem veredelter Rohstoff sein, der eine Alternative für Mineralöl und Erdgas darstellt. Ich meine, durch die Vorträge heute morgen ist uns auch dies klar geworden: Die Kohle sollte uns zu schade dafür sein, sie durch den Schornstein der Verbrennung zu jagen, sie allein zur Stromerzeugung einzusetzen.
Unser Antrag ist in fünf wichtigen Punkten zusammenzufassen. Er spricht die Verfahren der Kohleveredelung an, er spricht davon, daß möglichst schnell — ich muß das jetzt wegen der fortgeschrittenen Zeit abkürzen — in die großtechnische Demonstrationsphase eingestiegen werden muß, er



Lenzer
spricht die Standortproblematik und schließlich das entscheidende Schlüsselproblem der Entwicklung des Hochtemperaturreaktors an, die wirklich im argen liegt. Was sich um den THTR 300 in Schmehausen abspielt — Herr Kollege Gerstein wird sich noch intensiv mit dieser Thematik beschäftigen - ist geradezu ein Trauerspiel.
Eigentlich sollte jeder Politiker hier in diesem Hause wissen, um was es geht. Wissenschaft und Technik zeigen uns in der Versorgung unseres Landes mit sicherer und umweltfreundlicher Energie Wege auf; aber der Erfindergeist und die technologische Kreativität sind machtlos, wenn die Energiepolitik versagt. Wachstumsverlust wird zu Rezession, Inflation und Arbeitslosigkeit, zum Zusammenbruch des sozialen Sicherungssystems und damit zum Verlust der freiheitlichen Ordnung führen. Ich glaube, hier in diesem Haus ist niemand, der dies möchte.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Sie sind nicht nur schwarz, Sie malen auch schwarz!)

— Deswegen ist es auch nicht allein damit getan, wenn man von den Realitäten spricht, dies mit Schwarzmalerei und Krisengerede abzutun. Ich muß die Bundesregierung und die Koalitionsparteien fragen: Sind Sie in diesem Punkt immer mit gutem Beispiel vorangegangen, waren Sie hier immer ein Vorbild, haben Sie dazu beigetragen, daß in der Bevölkerung das rechte Problembewußtsein entstanden ist?

(Stahl [Kempen] [SPD]: Natürlich!)

Haben Sie gehandelt, als es zu handeln galt, oder sind Sie wegen der inneren Spaltung, etwa der SPD, in der Kernenergiefrage immer noch handlungsunfähig und tun nicht das, was in dieser Situation für unser Land wichtig und nötig ist?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Ich möchte zum Ende kommen. Die CDU/CSU-Fraktion glaubt, mit dem vorliegenden Antrag die Möglichkeit für eine gemeinsame Diskussion zu bieten. Ich hoffe, daß nicht aus ideologischer Verbohrtheit oder Rechthaberei dieser einzig realistische Weg, unser Land im Nachölzeitalter mit kostengünstiger und umweltfreundlicher Energie zu versorgen, verbaut wird. Die Folgen waren nicht nur für uns, sondern auch für die kommenden Generationen unübersehbar. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Überweisung an die vorgeschlagenen Ausschüsse.

(Beifall bei der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD]: Darin war aber nichts Neues!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818030800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Steger.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0818030900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lenzer, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung zur allgemeinen Energiediskussion. Zu diesem Thema äußern sich ja nicht nur die fachlich Interessierten, sondern fast jeder Bürger in der
Republik, von katholischen Landfrauenvereinen bis zu den Betriebsräten.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Vergessen Sie aber keinen!)

Ich bin stolz darauf, daß in den Koalitionsfraktionen, stellvertretend für diese Gesellschaft, wirklich eine intensive und demokratisch organisierte Energiedebatte stattfindet. So oberlehrerhaft, wie Sie wieder argumentiert haben, setzen Sie noch nicht einmal einen Parkplatz, geschweige denn ein Kernkraftwerk durch.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Lassen Sie sich etwas Neues einfallen! „Gesamtschullehrerhaft" vielleicht!)

—Die wüßten vermutlich sehr viel besser als Sie, die Sie noch in Ihrem obrigkeitsstaatlichen Denken befangen sind,

(Lachen bei der CDU/CSU)

wie man über ein solches komplexes Thema wirklich einen demokratischen Diskussions- und Entscheidungsprozeß herbeiführt.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Dieses Oberlehrerhafte — das will ich Ihnen gern zugestehen — wenn ich Herrn Narjes sehe, denke ich eher an einen preußischen Rittmeister — gilt natürlich nur dann, wenn es an die Öffentlichkeit geht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Steger muß sich durch Verletzung anderer Kollegen profilieren! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Im Ausschuß selbst verhält sich die Opposition mehr wie ein Musterschüler, der sich sehr strebsam bemüht, aber letztlich wohl nie so richtig den Durchbruch schafft. Herr Lenzer, auch Ihr Antrag ist wieder ein Nachklappern dessen, was die Bundesregierung zum Teil schon längst auf die Schiene gesetzt hat.

(Lenzer [CDU/CSU]: Zum Teil!)

Zu den anderen Teilen komme ich. Da schnuppere ich in Ihrem Antrag einen Hauch von Autarkie, so als sei es möglich, daß die Bundesrepublik in ihren internationalen und insbesondere europäischen Verflechtungen eine Energiepolitik machen könnte, die sie von Importen völlig unabhängig machen würde.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Selbst wenn das möglich wäre, würde es uns ja nicht helfen, wenn es in anderen Ländern Probleme gibt, weil dies ja unmittelbare Rückwirkungen hat.
Der Antrag der CDU/CSU strahlt zum andern einen technischen Optimismus aus, den auch Karl Marx im vorigen Jahrhundert gehabt hat.

(Zurufe von der CDU/CSU: Mal wieder Opa Marx! — Was hat denn Friedrich Engels dazu gesagt? — Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU])

— Herr Probst, daran werde ich Sie im Ausschuß gelegentlich noch mal erinnern. Sie sind doch in



Dr. Steger
puncto eines unreflektierten technischen Fortschrittglaubens wirklich die letzten Marxisten, die es in dieser Republik noch gibt.

(Lachen bei der CDU/CSU — Gerstein [CDU/CSU]: Das ist eine Beleidigung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn zum Beispiel Herr Lenzer behauptet, die Anlagen seien im Prinzip alle da, man brauche sie nur zu bauen, dann frage ich Sie, Herr Lenzer: Haben Sie sich wirklich mal damit beschäftigt, was unter der Autarkiepolitik des Dritten Reiches Kohlehydrierung eigentlich bedeutet hat?

(Dr. Probst [CDU/CSU]: Zur Sache, Schätzchen!)

Der Wirkungsgrad lag unter 10 %, und der Umweltschutz war so katastrophal, daß Sie eine solche Anlage nicht im Dillkreis stehen haben möchten. Sie werden uns die ja auch im Ruhrgebiet nicht zumuten.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU]: Wozu reden Sie eigentlich?)

Das bedeutet: Hier muß sehr sorgfältig unter den Gesichtspunkten rationeller Energieanwendung und Umweltschutz die Technologie nicht nur weiterentwickelt, sondern in manchen Fällen von Grund auf neu konstruiert werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU])

Ich muß Ihnen sagen, ich bin mit Fraktionskollegen vor etwa eineinhalb Jahren mal bei der Bergbauforschung gewesen.

(Lenzer [CDU/CSU]: Wir auch!)

Wir haben die Herren dort gefragt: Können wir diese technische Entwicklung beschleunigen, wenn wir Ihnen mehr Geld geben?

(Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU])

Die übereinstimmende Meinung war: Nein. Es ist das erstemal in meiner politischen Tätigkeit gewesen, daß jemand, den ich gefragt habe, ob er mehr Geld haben will, nein gesagt hat, eben weil sich diese technische Entwicklung nicht beschleunigen läßt, sondern dort eines auf den anderen aufbauen muß.
Aus diesem Grund geht die Konzeption der Bundesregierung davon aus, daß wir zwar zum jeweils frühestmöglichen Zeitpunkt diese neuen Kohletechnologien in großtechnischen Demonstrationsanlagen bauen, aber erst dann, wenn genug Erfahrung mit den Prototypen vorliegt. Es gibt im Moment allein sechs Verfahren zur Vergasung von Kohle zu Synthesegas. Sie wollen mir doch nicht sagen, daß für alle sechs Verfahren in dieser Bundesrepublik tatsächlich ein Bedarf besteht, wo doch der Gesamtbedarf an Synthesegas bei knapp 3 Millionen t liegt.

(Lenzer [CDU/CSU]: Lenken Sie doch nicht ab!)

Der dritte Punkt, der mir bei Ihrem Antrag aufgefallen ist, führt zu folgender Frage: Wie haben Sie sich eigentlich den Beitrag der Industrie vorgestellt? Davon ist ja merkwürdigerweise überhaupt
nicht die Rede. Es ist immer nur von der Bundesregierung die Rede. Ob Sie für eine derartige Strategie die Unterstützung des Wirtschaftsministers für sich reklamieren können, Herr Lenzer? Da hätte ich erhebliche Bedenken. Wenn man über großtechnische Demonstrationsanlagen redet, muß man darüber reden: Wie erfolgt hier eine vernünftige Arbeitsteilung zwischen den öffentlichen Stellen und der Industrie? Wie sorgen wir für eine vernünftige Einschleusung der erzeugten Produkte, sei es 01, sei es Gas, in die bestehende Infrastruktur? Vor allem: Wie organisieren wir das, wenn diese Anlagen zu einem Zeitpunkt in Betrieb gehen, wo das Kohlegas oder das Kohleöl noch nicht wettbewerbsfähig sind?
Was sie gesagt haben, Herr Lenzer, riecht verdammt nach Investitionslenkung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie wissen doch genau, daß die Industrie schon sehr weit ist!)

— Sie brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln. Sie wissen: Ich bin dafür. Nur, uns im Ausschuß immer vorzuhalten — -

(Zuruf des Abg. Dr. Riesenhuber [CDU/ CSU])

— Herr Riesenhuber, im Gegensatz zu anderen stehe ich zu, dem, was ich publiziere.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Sie machen uns im Ausschuß immer Vorhaltungen und stellen bei der Energieforschung Anträge, Mittel zu kürzen, unter dem Vorwurf, was der Bundesforschungsminister dort macht, sei schreckliche Investitionslenkung. Aber Sie legen selber ein Programm vor,

(Zuruf des Abg. Dr. Riesenhuber [CDU/ CSU])

das sich nur mit Dirigismus verwirklichen läßt. Herr
Riesenhuber, zumindest nach Ihren marktwirtschaftlichen Überzeugungen, die Sie wie eine Fahne
— um nicht zu sagen wie eine Fliege, die Sie fast schon als Kennzeichen haben — vor sich hertragen, muß ich Sie fragen: Wie wollen Sie das eigentlich miteinander vereinbaren?

(Dr. Hubrig [CDU/CSU]: Ich hoffe, Ihre Zeit geht bald vorüber!)

Der vierte Punkt. Herr Lenzer hat gesagt, Energie einsparen sei wichtig, und hat sich dann wieder auf die Techniker berufen. Herr Lenzer, ich bedaure außerordentlich, daß Sie nach dreijähriger Energiedebatte noch nicht begriffen haben, daß die Energieeinsparung erst in zweiter Linie eine Frage der Technik ist, in erster Linie aber eine Frage unserer eigenen politischen Anstrengungen. Wir müssen entscheiden, was wir durchsetzen wollen und was wir im Hinblick auf die Energiesituation tatsächlich machen wollen.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

Wenn Sie über Kohle reden und sagen, es sei wichtig, Energie einzusparen, warum reden Sie dann beispielsweise nicht über Blockheizkraftwerke, wo



Dr. Steger
Sie den von Ihnen immer so gewünschten „Brüter"-Effekt in der Energieversorgung sehr viel schneller und sehr viel wirksamer erzeugen könnten als durch eine andere Großtechnik. Wenn es eine Chance für die Kohle gibt — das haben Sie völlig außen vorgelassen —, dann dadurch, mit solchen dezentralen Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen den verlorenen Wärmemarkt zurückzuerobern.

(Dr. Probst [CDU/CSU]: Das können wir doch nie finanzieren!)

— Das brauchen Sie auch nicht zu finanzieren. Was Sie hier finanzieren wollen, geht doch aber auch in die Milliardenhöhe, Herr Probst. Diese Dinge sind heute schon wirtschaftlich und werden um so wirtschaftlicher, je mehr die Technologie der Wirbelschichttechnologie mit Druckbefeuerung voranschreitet.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Argumentieren Sie jetzt gegen die Kohleveredelung?)

— Überhaupt nicht. Ich sage doch nur, wo die Schwachstellen Ihres Antrags sind. Ich sage: Erstens müssen Sie die Kohleveredelung in die vorhandene Energieinfrastruktur einbauen; zweitens müssen Sie sagen, wie es mit der Industriestruktur für die Projekte steht; und drittens geht es um die Bedarfsfelder, Herr Riesenhuber.
Wenn Herr Lenzer von 75 % des Energiebedarfs für Wärmezwecke spricht, dann sage ich Ihnen: Sie werden 01 mittels dezentraler Blockheizkraftwerke und der Wirbelschichtfeuerung in der Industrie bei der Erzeugung von Prozeßwärme schneller substituieren, als es beispielsweise durch den Bau von Hochtemperaturreaktoren möglich ist.
Ich wehre mich dagegen, daß mit langfristigen technologischen Entwicklungslinien, die sich nicht beschleunigen lassen, so getan wird, als könnten wir unsere Ölabhängigkeit damit schon morgen verringern. So etwas zu sagen scheint mir unredlich zu sein.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das behaupten Sie doch!)

— Lesen Sie doch einmal die Rede nach, die Herr Lenzer hier gehalten hat!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0818031000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riesenhuber?

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID0818031100
Herr Kollege Steger, würden Sie mir darin zustimmen, daß sich erstens eine Reihe von Technologien durchaus nicht mehr im Demonstrationsstadium befinden, sondern fertig sind, beispielsweise die Herstellung von Methanol, und daß zweitens die Einschleusung von Methanol z. B. als Vergasertreibstoff in den in Frage stehenden Mengen überhaupt kein Problem darstellt?

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0818031200
Daß die großtechnische Herstellung von Methanol aus Braunkohle möglich ist, Herr Kollege, bestreite ich überhaupt nicht. Aber Sie wissen auch, daß diese Methanolherstellung heute noch teurer ist als die Herstellung von klassischem
Benzin. Weiter wissen Sie, daß man Methanol, wenn man die Beimischung von 3 % überschreitet, nicht ohne weiteres in die gegebene Verkehrsversorgungsinfrastruktur einschleusen kann; das geht von den Ventilen bei den Tankstellen bis hin zu der Belastbarkeit der Motoren. Genau hier liegt der entscheidende Punkt: Sie müssen sich darüber Gedanken machen, wie man neue Energietechnologien in eine vorhandene Energieversorgungsstruktur integriert.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Möglich sind 3 Millionen t!)

— Ich habe gesagt, daß es hier um die Überschreitung der 3-%-Grenze geht. Sie wissen, daß es im Moment Gespräche zwischen der Bundesregierung und der betroffenen Industrie gibt, hier tatsächlich etwas zu machen.
Der letzte Punkt, den ich hier kurz ansprechen will — insbesondere weil sich auch Herr Gerstein mit dem Thema befassen will, wie Sie, Herr Lenzer, angekündigt haben —, ist die Beschleunigung des Hochtemperaturreaktors. Da, so muß ich Ihnen sagen, habe ich erhebliche Bedenken; denn Ihre Sicht der Entwicklung dieser ebenfalls komplexen Technologie erscheint mir doch sehr problematisch. Ich will jetzt nicht polemisch werden, aber doch die Frage stellen: wieweit sind Sie bereit, auch bei der Entwicklung neuer Reaktorlinien dem Grundsatz zu folgen „Sicherheit hat Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen"?

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn es dort zu Bauverzögerungen kommt — das ist beim Hochtemperaturreaktor auch der Fall —, dann muß ich Ihnen sagen: es hat ja Probleme nicht nur von seiten der Genehmigungsbehörden gegeben, sondern es war so, daß die vorgegebenen Sicherheitsstandards eine andere Auslegung des Reaktors erforderten, als sie ursprünglich geplant gewesen ist. Da lasse ich überhaupt nicht mit mir handeln, daß ich sozusagen die bundesdeutsche Bevölkerung als Versuchskarnickel dafür benutzen lasse, ob ein Reaktortyp funktioniert oder nicht.

(Zustimmung bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU: Das ist aber eine Demagogie! — Das ist typisch!)

Wenn es Hemmnisse im Genehmigungsverfahren gegeben hat, frage ich:

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. von Weizsäcker)

war das Management auf Industrieseite so effektiv, daß diese Nachweisrechnung wirklich in der minimalen Zeit erbracht worden ist? Diese Frage wird dann sofort mit zur Diskussion stehen.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818031300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach?

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0818031400
Herr Kollege Steger, kann man Ihre Aussage, daß in diesem Hause Abgeordnete sitzen, die die Bevölkerung als Versuchskarnickel für neue Kernenergietechnologien benutzen



Breidbach
wollten, wirklich ernst nehmen, oder sind Sie bereit, sich zu modifizieren oder diesen ungeheuren Vorwurf zurückzunehmen?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0818031500
Herr Kollege Breidbach, ich bin gern bereit, diesen Vorwurf zurückzunehmen. Ich wurde dazu provoziert, als ich die als merkwürdig empfundene Reaktion Ihrer Fraktion sah, nachdem ich gesagt hatte: Sicherheit hat Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen, und ferner, daß das auch für neue Reaktorlinien gelten muß, auch dann, wenn damit Verzögerungen im Genehmigungsverfahren verbunden sind.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist doch die nächste Unterstellung!)

Das war doch der Punkt. Da haben doch Ihre Kollegen ganz merkwürdig reagiert. Das sollten wir mal in Hamm diskutieren, Herr Gerstein. Da würde ich mal gern eine Veranstaltung mit Ihnen machen.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818031600
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0818031700
Meine Zeit läuft ab. Ich gestatte die aber gerne.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0818031800
Herr Kollege Steger, können Sie dem Hohen Hause irgendeine Äußerung eines CDU-Abgeordneten oder aus einem CDU/CSU-Papier nennen in der nicht steht, daß die Sicherheit beim Bau von Anlagen, aber auch beim Neubau von Technologien in jedem Fall vor allen anderen Überlegungen geht?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0818031900
Herr Kollege Breidbach, mir geht es darum, daß es nicht in irgendwelchen Papieren steht, sondern daß das auch im Genehmigungsverfahren in die Praxis umgesetzt wird, auch dann, wenn es bei der Entwicklung von neuen Reaktorlinien Zeit kostet.

(Zustimmung bei der SPD)

Das war mein Punkt. — Ich weiß nicht, wieviel Zwischenfragen zulässig sind. Wir können die Diskussion demnächst — —

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Ich bin da ganz gelassen.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das merkt man!)

So gelassen werden wir auch die Energiediskussion weiterführen,

(Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Sie brauchen uns deswegen nicht zu beleidigen!)

ohne unrealistische Erwartungen in der Bevölkerung zu wecken. Aber wir werden dem Bürger das Gefühl geben, daß dieses Parlament verantwortungsbewußt seiner Aufgabe nachkommt, die energiepolitischen Grundlinien und die damit verbundenen technologischen Entwicklungen sorgfältig zu
steuern und immer auf die Umweltaspekte wie auf die Sicherheitsaspekte vollständig abzuklopfen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818032000
Das Wort hat der Abgeordnete Laermann.

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818032100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit einem Satz, den der Herr Kollege Lenzer hier vorgetragen hat, bin ich sicherlich einverstanden. Er hat nämlich gesagt, die Sicherung der Energieversorgung sei eine Zukunftsfrage der Menschheit. Aber gestatten Sie mir dann bitte den Rekurs auf Ihren Antrag selbst: darin sehe ich eigentlich nicht so viel Zukunft, sondern zu einem ganz großen Stück schon Vergangenheit. Der Antrag enthält nämlich, wenn man ihn genauer analysiert, im großen und ganzen nichts, worüber nicht schon die Entscheidungen getroffen worden sind, in der Bundesregierung und mit Unterstützung auch der Koalitionsfraktionen.

(Gerstein [CDU/CSU]: Es wäre sehr schön, wenn das so wäre!)

— Ich darf im einzelnen darauf zurückkommen. Im übrigen, Herr Kollege Gerstein, gehe ich davon aus, daß Sie den Bundesforschungsbericht VI gelesen, daß Sie sich mit den Forschungs- und Entwicklungsprogrammen der Bundesregierung auseinandergesetzt haben, daß Sie die zweite Fortschreibung des Energieprogramms kennen, daß Sie sich mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Sommer auseinandergesetzt und daß Sie über Jahre hinweg auch die Haushaltsansätze mit verfolgt haben; denn schließlich haben wir gerade im Ausschuß für Forschung und Technologie den Einzelplan 30, der sich damit befaßt, immer wieder auf dem Tisch gehabt.

(Breidbach [CDU/CSU]: Und jetzt müssen Sie die Praxis dazurechnen! — Gerstein [CDU/CSU]: Ich bedanke mich für den Hinweis!)

Aber nichtsdestotrotz meine ich, daß es gut ist, und es ist zu begrüßen, daß wir nun auf Grund Ihres Antrags die Möglichkeit haben, auch im Parlament und in aller Öffentlichkeit über die Probleme, die Sie angesprochen haben, nämlich die Kohleveredelung und den Problembereich Verbund Kohle—Kernenergie zu sprechen, also über die Entwicklungen zum kombinierten Einsatz von Kohle und Kernenergie.
Für gut und notwendig halte ich das deshalb, weil da inzwischen, nicht zuletzt durch Ihren Antrag, der das ja widerspiegelt, hohe Erwartungen aufgebaut worden sind über die Möglichkeiten zur kurzfristigen Substituierung von Erdöl und Erdgas. Herr Kollege Lenzer, Sie haben vorhin erwähnt, daß wir heute morgen auf dem Steinkohlentag einiges dazu gehört hätten. Ich nehme an, daß Sie gut zugehört und sehr wohl auf die Zeitvorstellungen der Vertreter der deutschen Steinkohle geachtet haben. So möchte ich auch hier dem Kollegen Steger zustimmen, der gesagt hat, Ihr Antrag zeuge wirklich von



Dr.-Ing. Laermann
einem technischen Optimismus. Sie hätten sich mal über den Stand der Technik informieren sollen.

(Lenzer [CDU/CSU]: Das ist ja das Belämmerte, daß Sie in der Politik keinen Optimismus mehr verbreiten können!)

— Aber sicher, Herr Kollege Lenzer. Nur betreiben wir dies mit einem realistischen Optimismus. Wir jagen nicht irgendwelchen Utopien nach, nur um anderen nachzuweisen zu versuchen, daß sie nicht in der Lage sind, eine vernünftige Energiepolitik zu betreiben; darum geht es in diesem Punkt.

(Breidbach [CDU/CSU]: Das ist allerdings Praxis!)

— Ich dachte, wir sollten uns mehr mit der Sache befassen; ich möchte das nämlich jetzt versuchen.
Ohne auf die einzelnen Punkte des Antrags hier im Detail einzugehen, sehr verehrter Herr Kollege
— dazu wird sicherlich in den Ausschußberatungen Gelegenheit genug bestehen —, möchte ich hier nur einige grundsätzliche Anmerkungen machen.
Herr Kollege Lenzer hat gesagt, die Technologie der Kohleveredelung sei seit Jahrzehnten bekannt. Aber er hat die Schlußfolgerungen nicht gezogen. Er hat nicht gesagt, was er daraus ableitet. Die Industrie hat offensichtlich aus wirtschaftlichen und guten Gründen — denn wir wollen ja auch eine freie Marktwirtschaft — nicht die Technologie der Kohleveredelung kommerziell umgesetzt. Hätte das denn nun der Staat tun und finanzieren sollen? Wie hätte sich das mit Ihren sonstigen marktwirtschaftlichen Prinzipien vertragen? Ich bedauere, daß Sie die Antwort auf Ihre Frage nicht selbst gegeben haben, die Sie durch diese Formulierung so in den Raum gestellt haben.
Die Technologien der Kohlevergasung und der Kohleverflüssigung sind — darüber sind wir uns einig — zunächst als autotherme Prozesse — das heißt, Veredelung Kohle mit Kohle — zu entwikkeln. Derzeit sind bereits eine Reihe von Pilotanlagen zur Kohlevergasung im Betrieb beziehungsweise im Bau, mit einem relativ geringen Kohledurchsatz, das ist wahr, und zwar sind diese Anlagen sowohl für Steinkohle wie für Braunkohle im Bau und im Betrieb.
Wir sind bei der Kohlevergasung technisch weiter als bei der Kohleverflüssigung. Bei der Kohleverflüssigung liegen wohl die Schwerpunkte der derzeitigen Entwicklungsarbeiten bei der Katalysatorentwicklung und der Prozeßgestaltung im Labor. Es geht jetzt nur darum, die beiden Wege, nämlich einmal die Fischer-Tropsch-Synthese und zum anderen die Hydrierung in Pilotanlagen in den Griff zu bekommen; diese Pilotanlagen basieren auf Erfahrungen aus der früheren IG-Farben-Hydrierung. Aber — und das darf und kann nicht verschwiegen werden — es bestehen noch eine Reihe technischer Probleme, die sich allein schon aus der Anlagenvergrößerung, dem sogenannten Upscaling ergeben. hier liegen die Grenzen für Anlagen mit einem größeren Durchsatz, vor allem und besonders auch aus Gründen der Umweltbelastung. Nicht zuletzt handelt es sich hier auch um Materialprobleme. Informieren Sie sich doch bitte, wie das bei Spitzenventilen aussieht, wie oft die selbst bei Pilotanlagen ausgebaut und gewartet werden müssen, welche Metallegierungen inzwischen entwickelt werden, um den Auswechselzyklus zu verlängern. Das alles muß man doch einmal sehen. Man kann nicht ohne weiteres einen Sprung im Vergrößerungsfaktor machen.
Ich stimme der Forderung zu, daß auf Grund von und nach Erfahrungen mit und an den Pilotanlagen in einem vernünftigen Vergrößerungsfaktor der Bau von Demonstration- und Referenzanlagen gefördert und betrieben wird. Das geschieht heute sicherlich weniger aus wirtschaftlichen Gründen und auch weniger deshalb, weil man damit bereits kurzfristig nennenswert Erdöl substituieren könnte. Hier geht es vielmehr in erster Linie darum, Erfahrungen zusammeln, die Technik fortzuentwickeln, die anstehenden Probleme zu lösen und sozusagen zu Standby-Anlagen zu kommen, die im Zusammenhang mit dem Export von Bedeutung sind.
Die Kosten der derzeitigen Syntheseprodukte sind schon angesprochen worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht näher darauf eingehen. Fest steht doch offenbar, daß die Wirtschaftlichkeit selbst auf der Basis der heutigen hohen Ölpreise noch lange nicht erreicht ist. In diesem Zusammenhang ist vorhin schon ein Faktor von der Größe 2 bis 3 genannt worden. Dies gilt auf jeden Fall für die Hydrierung der Steinkohle.
In den Bereich der Wirtschaftlichkeit kommen solche Anlagen derzeit wohl nur dort, wo die Kohle billig zur Verfügung steht — wir kennen die Anlagen SASSOL in Südafrika — und wo auch keine hohen Umweltschutzauflagen zu berücksichtigen sind. Solche Auflagen müssen aber — und ich hoffe, darin sind wir uns alle einig — in unserem Lande gemacht werden. So stellt sich die Standortfrage bei einer größeren Demonstrationsanlage schon allein unter Umweltschutzgesichtspunkten.
Ich bin der Meinung, daß derzeit aus wirtschaftlichen, vor allem aber aus technischen und betriebstechnischen Gründen der großtechnische kommerzielle Einsatz von Kohleverflüssigungs- und Kohlevergasungsanlagen noch nicht vertretbar ist. Dennoch sollten nach den Pilotanlagen Demonstrationsanlagen für die verschiedenen Verfahren in vertretbarem Vergrößerungsmaßstab gebaut und Entwicklung und Bau mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Ich halte dies für eine notwendige Voraussetzung.
Ich darf darauf hinweisen, daß dies bereits durch die Bundesregierung geschieht, wie es in ihren Programmen festgelegt ist. Entsprechende Ausführungen hat heute morgen auf dem Steinkohlentag auch der Bundesforschungsminister gemacht. Diese Aktivitäten werden an den ständig steigenden Zuwachsraten der Aufwendungen des Bundes für die nichtnukleare Energieforschung erkennbar.
Wir haben auf dem Gebiet der Kohleveredelung im internationalen Vergleich zweifellos einen beachtlichen Vorsprung, der für den Export solcher Anlagen genutzt werden kann und auch genutzt werden muß. Ich gestehe zu, daß eine Voraussetzung für derartige Exportgeschäfte der Bau von Re-



Dr.-Ing. Laermann
ferenzanlagen in entsprechender Größenordnung ist, und zwar im eigenen Land.
Mit knapper werdendem Erdöl wird weltweit ohne Zweifel eine stärkere Nachfrage nach Kohle einsetzen. Wir können nicht davon ausgehen, daß die Kohle auf Dauer zu den heute relativ niedrigen Preisen verfügbar sein wird.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818032200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Benz, Herr Kollege?

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818032300
Bitte schön.

Gerold Benz (CDU):
Rede ID: ID0818032400
Herr Professor Laermann, müssen Sie aus Ihren Ausführungen bezüglich der zeitlichen Perspektive nicht die Konsequenz ziehen, daß der Einsatz von Kernkraftwerken sehr erheblich beschleunigt werden muß?

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818032500
Diese Konsequenz, Herr Kollege Benz, sehe ich überhaupt nicht; denn wir sprechen hier von der Substitution von 01 und 01-derivaten. Bei der Kernenergie haben wir es zunächst — ich komme im übrigen später noch im Zusammenhang mit dem Verbundproblem darauf — nur mit der Möglichkeit zu tun, elektrische Energie zu erzeugen. Ich möchte wissen, wie Sie mit elektrischer Energie den erheblichen Bedarf an 01 und 01-derivaten insbesondere im Verkehrsbereich substituieren wollen. Ich glaube, von der generellen Einführung des Elektroautos sind wir noch recht weit entfernt.
Auf Grund der Situation und der zu erwartenden Entwicklungen auf dem Weltkohlemarkt gilt es für die Bundesrepublik, sich den Zugang zum Weltkohlemarkt offenzuhalten. Dies könnte meines Erachtens unter anderem dadurch geschehen, daß wir Anlagen zur Kohleveredelung exportieren und uns im Gegenzug die Möglichkeit des Imports von Kohle und Kohleprodukten sichern.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818032600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Narjes?

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818032700
Aber gerne.

Dr. Karl-Heinz Narjes (CDU):
Rede ID: ID0818032800
Herr Kollege Laermann, darf ich aus Ihrer Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Benz schließen, daß Sie den Einsatz von Strom auf dem Wärmemarkt ausschließen?

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818032900
Ich halte den Einsatz von Strom auf dem Wärmemarkt nicht für energiepolitisch optimal.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Bei Wärmepumpen auch nicht?)

— Wir werden vielleicht in der nächsten Runde der Debatte, die noch kommt, Gelegenheit haben, etwas genauer auf Wärmepumpen einzugehen. Jetzt geht es um das Problem des Verbundes von Kohle und
Kernenergie. Ich möchte jetzt, wenn sie gestatten, bei der Sache bleiben. Auf das andere Thema komme ich in der nächsten Runde der Debatte gern zurück.

(Dr. Probst [CDU/CSU]: Mehr Mut zum Strom, Herr. Kollege!)

— Sie, Herr Kollege Probst, stehen häufiger unter recht hoher Spannung. Das gebe ich Ihnen gern zu.

(Lenzer [CDU/CSU]: Wollen Sie damit einen zweiten Debattenbeitrag androhen?)

Aus Gründen der hohen Umweltbelastungen, die die autotherme Veredlung unvermeidbar hervorbringt — ich weise hier allein auf das CO2-Problem hin —, wie auch aus Gründen, die Kohle als Rohstoff besser zu nutzen als bisher, und auch unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Einsatzes der im internationalen Vergleich doch sehr teuren deutschen Steinkohle könnten wir in einem Verbund von Kernenergietechnik und Kohleveredlungstechniken künftig zu guten Möglichkeiten zur Deckung unseres Energiebedarfs und in dieser Kombination vor allem zur Substitution von Erdgas und Erdöl kommen.
Herr Kollege Lenzer, im Gegensatz zu Ihren Äußerungen möchte ich hier doch erwähnen, daß die FDP in diesem Punkte bisher nicht schüchtern gewesen ist, sondern sehr wohl die Möglichkeiten, die in dem Verbund dieser Techniken über die Entwicklung des Hochtemperaturreaktors liegen, offen und auch offensiv vertreten hat.

(Lenzer [CDU/CSU]: Warum sehen Sie hier wieder einen Gegensatz? Das habe ich gar nicht behauptet!)

— Ich bin auf Ihre Ausführungen eingegangen, die Sie vorhin gemacht haben. Ich wollte das hier für meine Fraktion in aller Deutlichkeit darstellen und klarstellen.
Dazu scheint mir der Hochtemperaturreaktor am besten geeignet. Diese Entwicklung sollte nach unserer Meinung mit Nachdruck gefördert werden, denn nur die Hochtemperaturreaktorentwicklung ist in der Lage, die nötige Prozeßwärme auf dem zum Vergasungs- und Hydrierprozeß erforderlichen hohen Niveau verfügbar zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir kennen derzeit zwei Verfahren, die Wasserdampfvergasung und die hydrierende Kohlevergasung. Ich möchte hier nicht weiter auf technische Einzelheiten eingehen.
Voraussetzung für diese Entwicklung ist — wir müssen die Langfristigkeit dieser Entwicklung sehen — zunächst einmal, daß in der ersten Stufe ein stromerzeugender Hochtemperaturreaktor errichtet wird. Dazu wiederum ist die zügige Fertigstellung und Inbetriebnahme des THTR 300 in Schmehausen Voraussetzung. Ich möchte hier nicht auf die Gründe der Verzögerung eingehen, die zum einen in dem sicherlich unbestreitbaren Sicherheitsbedürfnis und in der Beachtung der Sicherheitsgrundsätze, zum anderen aber auch darin liegen, daß es in den



Dr.-Ing. Laermann
Anfängen einige Schwierigkeiten bei der internationalen Kooperation gegeben hat.
Eine weitere Voraussetzung ist, daß wir auch die Materialprobleme, etwa die Probleme in einer hochtemperierten Heliumatmosphäre, in den Griff bekommen.
Ferner müssen wir für den Verbund das Problem der Kopplung eines Hochtemperaturreaktors und einer Gasfabrik lösen. Voraussetzungen sind also die getrennte Entwicklung der beiden Modulen Hochtemperaturreaktor und Gasfabrik und das Zusammenkoppeln dieser beiden Teilbereiche.
Schließlich gehört als Voraussetzung dazu auch, daß wir uns bemühen, den Brennstoffkreislauf für die Hochtemperaturentwicklung zu schließen. Wir sind uns sicherlich darüber einig, daß dazu noch viel Aufwand für Forschung und Entwicklung notwendig ist. Wann wir mit einer ersten Pilotanlage rechnen können, ist noch schwer absehbar.
Ich möchte hier auch nicht versäumen, gerade an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß ich auch mehr Engagement von seiten der Industrie, die an der Prozeßwärme interessiert ist, erwarte.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sehr gut!)

Das sind die Kohleindustrie, die Stahlindustrie, die chemische Industrie. Die enormen Entwicklungskosten, die in diesem Zusammenhang auf uns zukommen, können doch wohl nur von der öffentlichen Hand und der Industrie gemeinsam getragen werden.
Lassen Sie mich abschließend noch zwei Bemerkungen machen. Ich möchte im Zusammenhang mit dem Problem des Verbundes von Kohle und Kernenergie auch auf das Adam-Eva-Projekt hinweisen. Hier ergibt sich eine Möglichkeit, den Transport von Hochtemperaturwärme über größere Strecken auf kaltem Wege zu bewerkstelligen und dabei sowohl den Wärmemarkt zu bedienen — Herr Kollege Narjes, es wird also nicht der Weg über den elektrischen Strom gewählt — als auch den Rohstoff, etwa ein Synthesegas, für die chemische Industrie zur Verfügung zu stellen. Schließlich könnte man auch noch Methan zur Umwandlung in Methanol für den Einsatz im Kraftfahrzeugbereich daraus ausblenden. Eine erste Pilotanlage, Adam und Eva I, eine kleinere Anlage, ist zur Zeit in Betrieb. Der Betrieb ist zufriedenstellend. Wir werden im nächsten oder übernächsten Jahr wohl eine zweite Anlage in einer größeren Dimension betreiben.
Wir sind sehr zuversichtlich, daß wir auf diesem Wege die Problembereiche einzeln lösen, schließlich zusammenschalten und in etwa 15 bis 20 Jahren — das muß man realistisch sehen — zur kommerziellen Nutzung dieser Technologien kommen. Bis dahin bietet sich vielleicht noch die Möglichkeit, eine Kombination eines Leichtwasserreaktors mit einem kohlegefeuerten Überhitzer in der Sekundärstute einzusetzen, um zu einem besseren Wirkungsgrad im Kraftwerksbereich zu kommen.
Abschließend möchte ich feststellen: Man sollte vor der Euphorie warnen, schon in den nächsten
fünf bis zehn Jahren könne die Kohleveredlung — auch die autotherme Veredelung — einen nennenswerten Beitrag zum Abbau der Abhängigkeit vom Öl beisteuern. Der kommerzielle Einsatz von Verbundsystemen zur Kohleveredelung ist sicherlich kaum vor dem Jahre 2000 zu erwarten. Daher lautet die Forderung: Forcierung von Forschung und Entwicklung und Förderung von Pilot- und Demonstrationsanlagen.
Lassen Sie mich bitte mit einem Satz schließen, den der Herr Bund heute auf dem Steinkohlentag gesagt hat. Er sagte: Es besteht eine große Zukunft für den alten Energieträger Kohle. Ich glaube, daß dies auf dem Wege, neuer Technologien zu erreichen ist, die es noch bis zur Anwendungsreife zu entwickeln gilt.
Ich möchte dem Überweisungsantrag zustimmen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818033000
Das Wort hat der Abgeordnete Gerstein.

Ludwig Gerstein (CDU):
Rede ID: ID0818033100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen auf zwei Bemerkungen des Kollegen Steger eingehen, auf eine, die mich eigentlich erfreut hat, und auf eine, über die ich mich sehr gewundert habe.
Der Kollege Steger hat zum ersten gesagt, daß er zu dem stehe, was er publiziere.

(Dr. Steger [SPD]: Ja!)

— Das ist in Ordnung. Daraus leite ich eine gewisse Vorfreude ab, daß es Ihnen auch möglich sein wird, durchzusetzen, daß vom nächsten Jahr an in jedem Jahr in der Bundesrepublik dann wirklich ein Kernkraftwerk gebaut wird.

(Heiterkeit)

Zu Ihrer zweiten Bemerkung, Herr Steger. Ich glaube, hier bewegen wir uns auf einem sehr gefährlichen Terrain. Sie haben uns technologischen Optimismus bei unserem Antrag vorgeworfen. Herr Steger, ich glaube in der Tat, daß es uns nur dann möglich sein wird, die großen Probleme der Zukunft zu lösen, wenn wir auch in diesem Hause und in unserer politischen Arbeit mit einem soliden Optimismus operieren. Ohne Optimismus — so wie Sie das offensichtlich verstehen — werden wir nicht nur das Energieproblem, sondern auch andere Probleme weiß Gott nicht lösen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, hier ist schon der Steinkohlentag erwähnt worden, an dem ja auch eine Reihe von Kollegen teilgenommen hat. Der Steinkohlentag stand ganz im Zeichen eines gestärkten Vertrauens und großer Zuversicht in die zukünftige Entwicklung des heimischen Energieträgers Kohle.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Wem verdankt der Bergbau das wohl?)

Hierzu gibt es auch eine große Übereinstimmung in
allen Parteien. Ich glaube, Herr Kollege Wolfram,



Gerstein
wir sollten uns — gerade weil dies so wichtig ist und weil hier Übereinstimmung festzustellen ist — eher der Gegenwart und der Zukunft zuwenden, als den Versuch zu machen, die Vergangenheit, so interessant sie auch mit ihren Irrtümern gewesen sein mag, hier immer wieder in Form von falschen Bildern darzustellen.
Völlig im Gegensatz — meine Damen und Herren, darauf kommt es mir an — zu diesem optimistischen Bild steht die deutsche Kernenergiewirtschaft zur Zeit da. Verzweiflung und zunehmendes Mißtrauen gegen die noch möglichen Zukunftsentwicklungen der Kernenergie kennzeichnen hier die Situation. Eine Übereinstimmung innerhalb der Regierungsparteien hinsichtlich der zukünftigen Rolle der Kernenergie für die Energieversorgung der Bundesrepublik gibt es eben leider nicht.
Ich glaube, deswegen fällt es der Bundesregierung so schwer, ein schlüssiges Verbundkonzept „Kohle und Kernenergie", um das es uns geht, vorzulegen. Ich betone das Wort Verbund. Dieses Verbundkonzept — das wurde bereits gesagt — ist für die Substitution von 01 und Gas unbedingt erforderlich.
Lassen Sie mich das noch einmal mit der deutschen Steinkohle zusammenbringen. Wenn die deutsche Steinkohle allen Anforderungen gerecht werden soll — wir haben das gestern und heute in Essen gehört —, die in den nächsten Jahren auf sie zukommen, dann müssen wir bei der begrenzten heimischen Förderung von 100 bis 110 Millionen Tonnen im Jahr alle Möglichkeiten ausschöpfen, um deutsche Steinkohle wirklich optimal zu verwenden.
Wenn man das einmal addiert, was bereits jetzt alles an Vorschlägen, Varianten und Anforderungen für den Vorrang deutscher Steinkohle auf dem Tisch liegt, wenn man allen diesen Vorschlägen und Anforderungen entsprechen müßte, dann käme man in den 90er Jahren zu einem Zustand, daß man ohne Kernenergie jede Tonne deutscher Steinkohle gleichsam zweimal verbrennen oder zweimal veredeln müßte, was offensichtlich nicht geht. Die Forderung, die sich sehr bald stellen wird, läuft darauf hinaus — darauf stellt unser Verbundkonzept ab —, mit weniger Steinkohle mehr Produkte zu erzeugen. Es wäre auf die Dauer falsch, Herr Laermann, 50% der Energie aus Kohle durch Anwendung konventioneller Veredelungsverfahren zu verschenken. Sicherlich ist das ein erster Schritt, sicherlich müssen wir das jetzt organisieren, aber auf Dauer ist dies nicht der rechte Weg.
Dagegen wäre es beim Einsatz von Kernenergie möglich, die Kohle nahezu voll in Produkte umzuwandeln. Das bedeutet etwa, daß man für ein Äquivalent von 10 Millionen t SKE etwa 8,1 Millionen t Flüssigprodukte erhalten könnte statt maximal 5,4 Millionen t SKE bei konventioneller Veredelung. Dazu brauchen wir eben die Umwandlungsenergie aus dem Hochtemperaturreaktor. Wir dürfen die Umwandlungsenergie in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr der Kohle entnehmen. Ich meine, daher muß die Bedeutung der weiteren Entwicklung des Hochtemperaturreaktors viel zentraler, als es zur Zeit geschieht, gesehen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier ist ein Schwerpunkt der Entwicklung. Ich meine, es wäre falsch, der Kernenergie gerade auf dem Gebiet der Kohleveredelung eine Lückenbüßerposition zuzuweisen.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818033200
Herr Abgeordneter Gerstein, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Steger?

Ludwig Gerstein (CDU):
Rede ID: ID0818033300
Bitte schön.

Dr. Ulrich Steger (SPD):
Rede ID: ID0818033400
Herr Kollege Gerstein, glauben Sie, daß diese Ausführungen, die Sie eben zur Priorität des Hochtemperaturreaktors gemacht haben, auch für Ihre Kollegen im nordrhein-westfälischen Landtag gelten, die unter dem Datum vom 2. Oktober einen Antrag zur Sicherung der Energieversorgung eingebracht haben, auf dessen zwei Seiten das Wort „Hochtemperaturreaktor" ein einziges Mal mit dem Hinweis darauf auftaucht, daß ein geschlossener Brennstoffkreislauf entwickelt wird?

(Dr. Probst [CDU/CSU]: Eine leichte Frage!)


Ludwig Gerstein (CDU):
Rede ID: ID0818033500
Der Begriff ist erwähnt. Sicherlich gilt dies auch für meine Landtagskollegen. Wir sind uns ja in diesen Fragen etwas einiger als Sie. Wenn hier ein bestimmtes Problem des Brennstoffkreislaufs angschnitten worden ist, so ist das sicherlich das gute Recht meiner Landtagskollegen und auch eine gewisse Notwendigkeit auf Grund des Verhaltens der Landesregierung in dieser Frage.
Meine Damen und Herren, bei unseren Vorschlägen, wie wir sie im Antrag formuliert haben, geht es uns vor allem darum, wieder die politischen Voraussetzungen zu schaffen, um die notwendige Entwicklung nuklearer Prozeßwärme mit Nachdruck und mit Aussicht auf Erfolg wirklich weitertreiben zu können.

(Dr. Steger [SPD]: Das tun wir, Herr Gerstein!)

— Herr Steger, Sie werden gleich sehen, daß man daran sehr viel Zweifel haben kann. Gerade der Hochtemperaturreaktor in Schmehausen ist ein trauriges Beispiel dafür; wie sehr sich diese Entwicklung meiner Meinung nach unnötigerweise verzögert hat. Der ursprüngliche Fertigstellungstermin war bei einem Baubeginn im Jahre 1971 der 1. März 1977. Infolge eines kompliziert gewordenen Genehmigungsverfahrens und auf Grund der allgemeinen unsicheren Lage bezüglich der Beurteilung des weiteren Ausbaus der Kernenergie wird heute nur noch von Optimisten ein Fertigstellungstermin 1. Dezember 1982 für möglich gehalten. Dies bedeutet immerhin mehr als eine Verdoppelung der Bauzeit. Bei vorsichtiger Abschätzung durch Realisten wird der Hochtemperaturreaktor in Schmehausen vor 1985 wohl nicht in Betrieb gehen können. Gleichermaßen alarmierend ist die Entwicklung der Kosten. 1971 wurden 710 Millionen DM veranschlagt, 1976 waren es 1,3 Milliarden DM, beim Fertigstellungstermin 1982 werden es mindestens 2,2 Milliar-



Gerstein
den DM und beim Fertigstellungstermin 1985 sicher über 2,5 Milliarden DM sein.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben es ja!)

Niemand ist heute, wenn man nachfragt, bereit, einen bestimmten Termin für die Inbetriebnahme anzugeben. Niemand ist mehr bereit, über die endgültige Bausumme eine Aussage zu machen.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Wollen Sie die Bundesregierung dafür verantwortlich machen? — Schulte [Unna] [SPD]: Ist das nicht der Beweis für eine sehr schwierige Technologie? — Stahl [Kempen] [SPD]: So leicht, wie Sie sich das machen, hat man das doch nicht!)

— Natürlich ist die Technologie sehr schwierig. Das hat niemand bestritten. Es ist aber eine Frage, mit welchem politischen Nachdruck man auch einer schwierigen Technologie unter Beachtung aller ihrer Komplikationen zum Erfolg verhilft.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Zumindest das wissen Sie doch besser!)

Lassen sie mich einmal an einem Beispiel erläutern, welche Formen das Genehmigungsverfahren inzwischen angenommen hat. Ich meine, diese Formen, die sich hier entwickelt haben, dürfen in der Diskussion kein Tabu sein. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob dies wirklich unserem gemeinsamen Willen zur Aufrechterhaltung, zur Verbesserung der Sicherheit, der, Herr Steger, von niemandem be-
stritten werden sollte — hier sind wir uns bestimmt alle völlig einig —, entspricht. Wir müssen sehen, daß die Genehmigungsverfahren inzwischen eine Eigenentwicklung genommen haben, die zur Folge hat, daß dieses Ziel Verbesserung der Sicherheit nicht mehr erreicht wird. So sind z. B. für die Rohrleitungen des Wasserdampfkreislaufs im Vorprüfungsverfahren zirka 2 Millionen Blatt Papier notwendig. Für den Hochtemperaturreaktor müssen insgesamt 260 Tonnen offizieller Papiere erstellt werden.

(Lenzer [CDU/CSU]: Das muß man sich einmal überlegen! Das ist etwas für Irre!)

Zum Vergleich: Bei einem Steinkohlenkraftwerksblock — 320 MW — waren es im Jahre 1969 250 Kilogramm. Für die Erstellung der Vorprüfungsanlagen, die ich nannte, sind nur für die Unterlagen, nicht für die Produktion, 750 Mannjahre an Vorbereitung erforderlich. Das entspricht, wenn man es durchrechnet, einem Kostenaufwand von 150 Millionen DM nur zur Bearbeitung von Vorprüfungsunterlagen für einen Teil der Anlage, dessen reine Herstellungskosten für diesen Bereich bei etwa 21 Millionen DM liegen dürfte.
Niemand bestreitet — ich möchte das wiederholen — die Notwendigkeit hoher Anforderungen an die Sicherheit unserer Kernkraftwerke. Dies möchte ich mit allem Nachdruck unterstreichen. Was sich aber auf dem Gebiete des Genehmigungsverfahrens abspielt, dient am Ende nicht mehr zur Erhöhung der Sicherheit, sondern bringt eine solche Komplizierung des Verfahrens mit sich, daß man direkt be-
sorgt sein muß, ob auf dieser Basis noch Sicherheit erreicht werden kann.

(Schulte [Unna] [SPD]: Herr Kollege, ist das nicht der erste Hochtemperaturreaktor?)

Ich meine, daß sich hier, auch bei den Genehmigungsbehörden, das Zögern und Zaudern der Regierung, vor allem der sie tragenden Parteien, in der Kernenergiefrage widerspiegelt.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das ist doch kalter Kaffee, was Sie jetzt wieder erzählen!)

— Nein, das ist kein kalter Kaffee, Herr Stahl, sondern das ist ein schleichendes Gift,

(Stahl [Kempen] [SPD]: Das ist kalter Kaffee!)

das in die Blutbahnen der deutschen Wirtschaft eingedrungen ist und das lähmt und nicht fördert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist doch — das wissen Sie doch besser als ich — nur noch eine Frage der Zeit, wann die ersten Teilbereiche innerhalb unserer Kernreaktorindustrie stillgelegt werden müssen. Das gleiche gilt für den Anlagenbau. Bei der Gute-Hoffnung-Hütte müssen im nächsten Jahr 1 000 Mann entlassen werden, wenn nichts passiert. Man sieht, was in dieser Frage schon angerichtet wurde.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818033600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Steger?

Ludwig Gerstein (CDU):
Rede ID: ID0818033700
Ich möchte noch einige Punkt erwähnen, die ich ungedingt erledigt haben möchte. Deswegen kann ich keine Zwischenfrage mehr zulassen.

(Zuruf von der SPD: Machen Sie mal einen Vorschlag!)

Ich möchte ergänzend zu dem, was wir in unserem Antrag an Forderungen gestellt haben, noch folgende Vorschläge machen und die Bundesregierung auffordern, folgende Maßnahmen zu treffen, damit die weitere Entwicklung des Hochtemperaturreaktors nicht vollends zum Stillstand kommt und damit wir überhaupt Aussicht haben, seine Inbetriebnahme zu erleben. Wir müssen die Landesregierung Nordrhein-Westfalen verlassen — —

(Zuruf von der SPD)

— ja, Herr Rau müßte sie verlassen, das wäre am allerbesten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen die Landesregierung Nordrhein-Westfalen veranlassen, zur Durchführung des Genehmigungsverfahrens eine erhebliche Aufstokkung des Personals bei der Genehmigungsbehörde vorzunehmen. Dies wird einsichtig, wenn Sie hören, daß hier insgesamt 61 Gutachten anstehen, deren Bearbeitung für ausstehende Freigaben der nächsten drei, vom Baufortschritt her dringend erwarteten Teilerrichtungsgenehmigungen dringend notwendig ist. Wir müssen — das klang hier vorhin schon an — die Landesregierung vor allen Dingen



Gerstein
veranlassen, daß sie baldigst ein Gelände für die Errichung eines Brennelementzwischenlagers für den Hochtemperaturreaktor bereitstellt, damit das Genehmigungsverfahren für dieses Brennelementzwischenlager, das sicherlich Voraussetzung für die Inbetriebnahme des HTR ist, auch erfolgen kann.
Wir brauchen klare Aussagen der Bundesregierung über die Einbeziehung des Hochtemperaturreaktors für den weiteren Ausbau der Kernenergie im Zusammenhang mit Kohle. Dies habe ich in dem Beitrag des Kollegen Steger sehr vermißt. Wir brauchen auch eine konkrete Absichtserklärung der Bundesregierung zur Förderung eines Nachfolgeprojektes mit dem Ziel einer baldigen Markteinführung von Großanlagen zur Stromerzeugung und Kohlevergasung. Wir brauchen letztens eine schnelle Etablierung von Sicherheitskriterien, -regeln und -richtlinien zur Verbesserung des HTR, zur Verbesserung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Zitat des früheren Energieministers Schlesinger aus seiner Abschiedsrede vor dem Nationalen Presseclub in Washington am 16. August 1979 schließen:
Ganz offen;
— so wendet er sich an seine amerikanischen Mitbürger —
wenn wir keine größere Verwendung von Kohle und Kernkraft erreichen, wird es diese Gesellschaft im kommenden Jahrzehnt womöglich nicht schaffen.
Unser Antrag soll dazu dienen, daß wir es schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Steger [SPD]: Tut er aber nicht!)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818033800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffmann (Saarbrücken).

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0818033900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst eine Vorbemerkung zu dem machen, was Herr Kollege Gerstein gesagt hat. Er hat nämlich die Formel vom Lückenbüßer aufgegriffen und fand sie nicht sehr gut. Wenn ich nun vor die Alternative gestellt wäre, mich zwischen der Strategie des Lückenbüßers und der des schnelleren und daher unvorsichtigen Ausbaus der Kernenergie zu entscheiden, dann wüßte ich, daß die Lückenbüßerfunktion mit Sicherheit eine sehr viel seriösere wäre als jede andere Strategie.

(Beifall bei der SPD — Benz [CDU/CSU]: Das ist unvorstellbar! — Dr. Hubrig [CDU/ CSU]: Der Chefideologe! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Nun regen Sie sich doch nicht so auf, so schlimm kann's doch gar nicht sein. — Meine Damen und Herren von der Opposition, als ich Ihren Antrag gelesen habe, kam mir das — gestatten Sie mir, daß es ein sympathischer Vergleich ist — ein bißchen so vor wie in dem Ulk-Western „Cat Ballou", in dem es
einen älteren Cowboy gibt, der immer schießt. Nur schießt er meist — Gott sei Dank — ins Blaue. Dieser Eindruck drängte sich mir, wie gesagt, beim Lesen Ihres Antrags auf. Denn ich hatte den Eindruck, daß Ihnen bei all dem, was Sie hier vorgetragen haben — das war auch bei Herrn Gerstein festzustellen —, der Zeithorizont etwas durcheinandergeraten ist.

(Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Was Western angeht, so kennen Sie sich da offensichtlich besser aus als in der Kernenergie! — Zuruf des Abg. Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU])

— Herr Kollege, seien sie doch einmal so nett und lassen Sie mich das vortragen, was ich gerne vortragen möchte. Es steht Ihnen ja frei, nachher zu sagen, das sei alles Unsinn gewesen.

(Erneute Zurufe von der CDU/CSU)

Aber dieses Urteil würde ich erst fällen, nachdem Sie mich gehört haben. Vielleicht hilft das ein bißchen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte in sieben Punkten kurz auf Ihren Antrag eingehen. Erster Punkt: Sie sind bisher eigentlich nicht auf die technischen Probleme eingegangen, die der HTR heute aufwirft. Das zeigt mir wiederum, daß der Zeithorizont, den Sie dabei offensichtlich im Gedächtnis haben, schlicht und einfach falsch ist. Das, was die Wissenschaftler und Techniker uns sagen — ich gehöre leider Gottes nicht zu diesen qualifizierten Leuten —,

(Kolb [CDU/CSU]: Das merkt man!)

bedeutet: der HTR ist erst ab dem Jahr 2000 realisierbar, wobei von einer Wirtschaftlichkeit dieses Projekts noch • überhaupt keine Rede sein kann. Wenn Sie also in Ihrem Antrag schreiben, wir dürften dieses Projekt nicht bis zum nächsten Jahrhundert, bis zum nächsten Jahrtausend verzögern,

(Gerstein [CDU/CSU]: Das ist genau der Punkt, auf den es uns ankommt!)

dann sind Sie einfach falsch informiert. Sie sollten sich kundig machen und werden dann erfahren, daß die Realisierung des HTR — gerade wenn man seine Realisierung an Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit koppelt — eben nicht vor dieser Zeit möglich sein wird.

(Lenzer [CDU/CSU]: Mit wem haben Sie denn gesprochen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Nachdem ich diese Zwischenrufe höre, muß ich sagen: Wir gehen ja wohl davon aus, daß wir uns bei aller Kritik, die man an Ihrem Antrag üben kann, der hier in erster Lesung diskutiert wird, über diese Details im Ausschuß selbstverständlich unterhalten können. Deshalb werden wir auch der Überweisung zustimmen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie doch darum, einmal ein bißchen hinzuhören; vielleicht gibt es sogar das eine oder das andere Argument, das Sie noch nicht gekannt haben.
Ich habe bei diesen Vorstellungen immer die Parallele im Auge, die ich in meinem eigenen Bundes-



Hoffmann (Saarbrücken)

land erlebt habe, wo die Landesregierung die Kopplung von Kernkraft und Kohle einfach als jetzt schon realisierbar hinstellt, und die sind bei der anderen Technologie, bei der Frage, wie die Kohle mit herkömmlichen Mitteln veredelt werden kann, sogar noch schlauer gewesen als die Techniker, die es machen sollen. Die Landesregierung war der Meinung, es geht schneller, es geht kostengünstiger, und es geht physikalisch mit noch viel besserem Ausnutzungsgrad. Sie war also sehr viel schneller als die Techniker, aber ich muß sagen, ich habe da etwas mehr Vertrauen in die Leute, die an diesem Projekt unmittelbar arbeiten.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

Entweder zeigt das, was Sie hier vortragen, daß Sie das Problem nicht ganz begriffen haben, oder Sie veranstalten ganz bewußt eine Art Schauschießen, um von den Entscheidungen abzulenken, die wir jetzt eigentlich dringend weiter diskutieren müßten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Entweder dumm oder böse!)

— Das habe ich nicht gesagt! (Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Lassen Sie mich doch bitte einmal ein paar Argumente vortragen. Wir können dann gern noch in den Dialog eintreten.

(Abg. Dr. Riesenhuber [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Es ist ein bißchen mühsam, wenn immer nur Zwischenrufe und Zwischenfragen kommen. Herr Kollege, lassen Sie mich im Moment erst ein paar Argumente vortragen. Vielleicht ergibt sich dann eine entsprechende Zwischenfrage.
Mein zweiter Punkt ist der folgende. Ich habe einmal versucht, einen Vergleich mit der Anfrage anzustellen, die Sie von der CDU/CSU zur Errichtung von Großanlagen für die Verflüssigung und die Vergasung von Kohle — mit der entsprechenden Antwort der Bundesregierung auf Drucksache 8/3134 — gestellt haben. Mir ist dabei aufgefallen, daß Sie dort gerade das Thema, das Sie heute sozusagen zum Zentrum aller Überlegungen machen, gar nicht anschneiden. Das heißt: Sie selbst wissen eigentlich ganz genau, daß das, was heute realisierbar und in Angriff zu nehmen ist, mit diesen Vorstellungen zunächst einmal nichts zu tun hat. Oder ist es so, daß vielleicht nur einer der Herren das weiß, weil nur einer von Ihnen beide Anträge mit unterschrieben hat?

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Hoffmann, Sie sollten davon ausgehen, daß wir an morgen, an die Zukunft denken!)

— Ja, das ist sehr sinnvoll. Das kommt mir beim dritten Problem sehr zupaß, bei der Frage der Standortvorsorge. Ich zitiere aus Punkt 3 Ihres Antrages:
Auf Grund der Erfahrungen mit den Vorlaufzeiten neuer technischer Anlagen ist es erforderlich, daß schon jetzt geeignete Standorte gesucht und ausgewiesen werden.
Völlig einverstanden. Das ist eine völlig richtige Po-
sition, weil man sich natürlich Rechenschaft darüber ablegen muß, ob das denn überhaupt mit entsprechenden Standorten zu konkretisieren ist
Nur geht diese Frage zuerst einmal an die Bundesländer, und jetzt sehen wir uns doch einmal die Bundesländer an, die überhaupt eine Standortvorsorge für künftige Kraftwerke — seien es Kohle-, seien es Kernkraftwerke — geplant haben. Da stelle ich folgendes fest: In fast allen Ländern existiert so etwas; wie qualifiziert, will ich nicht untersuchen. Nur in drei Ländern existiert es nicht: Es existiert nicht in Rheinland-Pfalz, es existiert nicht im Saar-land, und es existiert nicht in Niedersachsen. Zufälligerweise sind die Landesregierungen dieser drei Länder von Ihnen, von der CDU, geführt. Das bedeutet, Sie müßten eigentlich erst einmal Ihre Schulaufgaben erledigen, bevor sie diese Position in einem Antrag festlegen.

(Beifall bei der SPD)

Zu einem weiteren Punkt Ihres Antrages: Sie haben festgestellt, die Kopplung von Kohle und Kernkraft sei eigentlich nur dann besonders sinnvoll, wenn sie in direkter Nähe zur Kohle bestünde. Auch das ist eine sicher überlegenswerte Position. Nur finde ich, daß Sie, wenn sie das sagen, ohne gleichzeitig der Standortfrage die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, die Sicherheitsbedürfnisse der Bürger in beängstigender Weise vernachlässigen. Ich habe den Eindruck, daß manchmal — und zwar gerade, wenn es um die Standortfrage geht — das wort „Sicherheit" von Ihnen als Nebelwerfer eingesetzt wird.
Es geht Ihnen wohl nicht so sehr um die Abwägung von Chancen und Risiken. Das wird auch bei dem vierten Punkt deutlich, den ich aufzeigen will. Sie legen sich in dieser Diskussion heute fest und wollen in diesem Hause praktisch schon jetzt eine Entscheidung für eine einzige Option getroffen wissen, obwohl Sie doch selbst, wenn ich richtig informiert bin, bei der Einsetzung der Enquete-Kommission dem fünften Punkt zugestimmt haben, nach dem eben gerade auch untersucht werden soll, welche Konseqeunzen sich für den Fall ergäben, daß wir nicht auf diese Kernkraftanlagen hinauswollten. Dem haben Sie mit zugestimmt, und wenn Sie heute schon alle Antworten wissen, dann war es sicher nicht sehr seriös, daß Sie damals Ihre Stimme dafür hergegeben haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU])

Ich habe also den Eindruck, daß Sie hier eine ausgesprochen eindimensionale Zukunft vor sich haben.

(Zuruf des Abg. Kolb [CDU/CSU])

Ich muß natürlich zugeben, daß es etwas anstrengend ist, sich zu überlegen, welche verschiedenen Möglichkeiten man untersuchen soll.
Nun möchte ich eine Frage stellen — und zwar nicht nur an Sie, da sie uns alle angeht —, auf die wir alle noch keine ausreichend günstige Antwort gefunden haben: Ist es eigentlich nötig, daß wir bei der Kohleveredelung immer nur von Großtechnologien sprechen? Ist es nicht sinnvoll, auch zu überlegen, ob es bei der Kohleveredelung mittlere und kleinere Aggregate gibt, die entsprechend einzusetzen sind,



Hoffmann (Saarbrücken)

da sie umweltschonender sind, näher am Verbraucher liegen und auch technische Vorteile haben? Ich glaube, daß über diese Frage viel zuwenig nachgedacht worden ist. Das richte ich an alle Seiten; denn ich glaube, daß hier ein großer Nachholbedarf besteht.
Nach meiner Auffassung haben Sie in Ihrem Papier eine Forschungseinengung beschrieben. In Punkt 10 sagen Sie zum THTR: „keine Konzeptänderungen mehr". Wenn ich das lese, frage ich mich: Wollen Sie damit sagen, daß wir noch nicht einmal eine Veränderung dieses Konzepts vornehmen dürfen, obwohl es in einem Stadium ist, in dem wir erst die erste Stufe der Forschungsarbeit leisten? Das gilt natürlich noch mehr für die Damen und Herren, die daran arbeiten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollen überhaupt ein Konzept vorlegen! Sie sollen ein Verbundkonzept vorlegen!)

— Sie verlangen: keine Veränderung des Forschungskonzeptes. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Es muß doch möglich sein, das hier sehr viel kreativer auszulegen. Das sage ich, damit hier kein Mißverständnis entsteht.
Meine Position ist: Es muß selbstverständlich in diesen Richtungen geforscht werden, es kann keinen Forschunsstopp geben. Es muß untersucht werden, welche Sicherheitsprobleme auftauchen und welche technischen Realisierungen möglich sind.

(Dr. Narjes [CDU/CSU]: Wir brauchen kein Teach-in für Jusos, um alles nachzuvollziehen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

— Diesen Zuruf nehmen Sie selbst wohl nicht ganz ernst.
In Punkt 7 meiner Darstellungen komme ich zu dem, was hier mehrfach angesprochen worden ist.

(Kolb [CDU/CSU]: Herr Kollege Steger hat gemeint, Sie störten die Regierung!)

— So etwas kann ich dem Herrn Steger gar nicht zutrauen.
Der Punkt, auf den ich jetzt komme, verdiente nach meiner Meinung auch von Ihrer Seite ein klares Wort. Es geht dabei um die Frage, welche Rolle die Elektrizität im Wärmemarktkonzept spielt. Keiner in diesem Haus und keiner, der ernst genommen werden will, wird sagen: Elektrizität muß aus dem Wärmemarkt verschwinden.

(Dr. Probst [CDU/CSU]: Das ist ein gutes Wort!)

Das sagt sicher keiner. Jeder muß aber zugeben, daß die Ausweitung der Elektrizität im Bereich des Wärmemarktes physikalisch genau das ist, was wir nicht haben wollen.

(Zustimmung bei der SPD — Lenzer [CDU/ CSU]: Wieso eigentlich? Woher haben Sie diese Weisheit? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Aus dem einfachen Grunde, weil die Ausnutzung der Primärenergie, die hier eingesetzt wäre, auf an-
deren Wegen sehr viel günstiger ist. Was Professor Laermann vorhin gesagt hat, ist völlig richtig.

(Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818034000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0818034100
Bitte sehr.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818034200
Herr Kollege Hoffmann, haben Sie schon etwas von der Wärmepumpe und deren Einsatzpotentialen gehört? Wollen Sie diese negieren?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0818034300
Ich danke Ihnen sehr für die Zwischenfrage. Selbstverständlich wurde jeder, der das tun würde, vernachlässigen, daß hier ein Einsparungspotential vorhanden ist. Allerdings ist Ihre Fragestellung falsch, denn die Frage müßte heißen: Sind wir in der Lage, über andere Einsatzträger, beispielsweise direkt durch Gas, zu versuchen, Wärmepumpen einzubringen, um damit sehr viel einzusparen und außerdem den physikalischen Effekt zu haben, daß die Ausnutzung dieser Primärenergie sehr viel besser ist, als wenn man das über die Elektrizität tut? Der einzige Mangel daran ist, daß der Markt der entsprechenden Wärmepumpen noch nicht entsprechend ausgefüllt ist. Sie finden beispielsweise für ein Einfamilien- oder Zweifamilienhaus bis heute keine gasbetriebene Wärmepumpe, die so gut und so kostengünstig ist, daß Sie sie tatsächlich einsetzen können. Das ist ein Problem, und deshalb sollten wir an dieser Stelle weitermachen; denn da gibt es eine ganze Menge Einsparpotential.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818034400
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0818034500
Bitte sehr.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818034600
Herr Kollege Hoffmann, stimmen Sie mir darin zu, daß Sie sich mit Ihrer letzten Überlegung sehr weit in der Zukunft befinden und daß die elektrisch betriebene Wärmepumpe heute die einzige Möglichkeit ist, um rationell und in ganz erheblichem Umfang Öl zu sparen?

Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID0818034700
Herr Kollege, ich kann Ihnen leider überhaupt nicht zustimmen, weil hinsichtlich der größeren Aggregate — Sie brauchen nur zu MAN und anderen zu gehen — diese gasbetriebenen Wärmepumpen längst in der Produktionsreife sind und auch in großer Anzahl hergestellt werden. Was die kleinen Aggregate angeht, brauchen Sie sich nur mit VW in Verbindung zu setzen. Die werden Ihnen erzählen, daß sie gerade auf dem Niveau des Golf-Motors und des Polo-Motors solche Sachen versuchen. Die Auskunft der Techniker dort lautet: Produktionsreif wird es im nächsten, spätestens im übernächsten Jahr sein. — Jetzt bitte ich aber, keine weiteren Zwischenfragen



Hoffmann (Saarbrücken)

zu stellen. Denn ich möchte zu den Schlußfolgerungen kommen.

(Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Die elektrische Wärmepumpe wird abgelehnt!)

Bei dem, was ich von Ihnen gehört habe und in Ihrem Antrag gelesen habe, empfinde ich, daß Sie eigentlich vier Fehler machen.
Ihr erster Fehler: Ihre Vorstellung steht unter dem Motto: Schnell, präzise, aber falsch. Sie wissen in Ihrem Antrag alles eigentlich schon viel besser, als es die Techniker als realisierbar erklären.

(Gerstein [CDU/CSU]: Sie müssen mal mit unseren Technikern sprechen!)

Der zweite Punkt. Ihre Vorstellung ist eigentlich etwas einfallslos, weil sie sehr eindimensional ist. Das habe ich schon an der Frage dargestellt, ob man überlegen sollte, wie Kohleveredelung wirtschaftlich und physikalisch sinnvoll auch ohne die Koppelung hergestellt werden kann.
Der dritte Fehler. Ihre Vorstellung ist streckenweise nicht sonderlich verantwortungsvoll, weil Sie der Standortfrage für solche Projekte nicht ausreichend die Priorität eingeräumt haben.
Schließlich der vierte Punkt. In der Strategie dieses Antrags liegt ein großer Mangel, weil sie, wenn Sie sich auf diese Koppelung fixieren, möglicherweise jene notwendigen Entscheidungen in den Ländern blockieren, die heute und morgen getroffen werden müssen, damit wir das machen können, was wir heute technologisch absehbar leisten können.

(Zuruf des Abg. Dr. Probst [CDU/CSU])

Unsere Aufgabe besteht darin, schnell und verantwortbar das durchzusetzen, was mit nichtnuklearen Techniken zur Kohleveredelung absehbar möglich ist. Wir stimmen deshalb ausdrücklich folgender Passage der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 4. Juli 1979 zu — ich zitiere diese Stelle, weil sie mir sehr wesentlich erscheint —:
Die Entwicklung dieser neuen Techniken zur Erzeugung von Gas und Flüssigprodukten aus Kohle ist so weit fortgeschritten, daß eine beschleunigte großtechnische Anwendung wegen der zu erwartenden weiteren Ölpreissteigerung auch bei uns beginnen muß.
Wir sind deshalb der Meinung, daß Bundesregierung und Industrie jetzt gemeinsam eine große Anstrengung unternehmen müssen, damit die großmaßstäbliche Erzeugung von 01, von Benzin und von Gas aus Kohle mit aller Kraft und ohne Verzug vorangetrieben wird. Wir werden deshalb im Laufe des Winters Programme und Vorhaben in ungewöhnlicher Größenordnung vorlegen, die übrigens auch hinsichtlich des Finanzbedarfs ungewöhnlich sein werden. Ihre Verwirklichung wird zugleich unseren investitionsgütererzeugenden Industrien, unserer Maschinenindustrie eine Spitzenstellung auf den Weltmärkten verschaffen.
Zum Schluß: Die absehbaren Projekte, die heute an Ruhr und Saar möglich sind, sollten von allen Sei-
ten dieses Hauses beschleunigt vorangetrieben und unterstützt werden. Wir sollten die .gesicherte Zukunft der Kohle nicht dadurch belasten, daß heute eine totale Fixierung auf den Verbund von Kohle und Kernkraft vorgenommen wird. Forschung in allen Bereichen: ja. Tagespolitische. Hektik: nein.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818034800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 8/3090 an den Ausschuß für Forschung und Technologie — federführend — find zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe jetzt Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie (17. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag eines Beschlusses des Rates zur Festlegung eines Programms betreffend die Stillegung von Kernkraftwerken
— Drucksachen 8/1997, 8/2525 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Ueberhorst, Dr. Hubrig
Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Interfraktionell ist ein Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart worden. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Benz.

Gerold Benz (CDU):
Rede ID: ID0818034900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Forschung und Technologie hatte einen Vorschlag des Rates der Gemeinschaft über ein Programm zur Stillegung von Kernkraftwerken zu prüfen. Dieser Programmvorschlag des Rates zeichnet sich durch jene technische Zuversicht und jenen politischen Optimismus aus, den wir für uns beanspruchen. Diesem Vorschlag haben alle Ausschußmitglieder zugestimmt.
Wir bewerten den Programmvorschlag gut. Wenn es stimmt, daß der verehrte Kollege Flämig daran mitgearbeitet hat, dann möchte ich ihm an dieser Stelle für seine Mitarbeit herzlich danken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Doch diese kurze Behandlung des Programms müßte für uns eigentlich Gelegenheit sein, die Situation in der Bundesrepublik wenigstens zu skizzieren, vor allem deshalb, weil von den Kernkraftwerksgegnern immer wieder das Horrorgemälde der verseuchten Ruinen an die Wand gemalt wurde.
In der Bundesrepublik ist es Pflicht, bereits bei der Beantragung der Genehmigung zum Bau eines Kraftwerks Unterlagen mitzuliefern, in denen die Stillegbarkeit nachgewiesen ist. Dabei kann es sich nach Auffassung der EVUs als Antragsteller nur um den Nachweis einer generellen Durchführ-



Benz
barkeit der Stillegung handeln, nicht um eine jeweils individuelle. Diese Durchführbarkeit ist nachgewiesen. Weltweit sind bisher rund 30 Kraftwerke stillgelegt, darunter ein Kraftwerk mittlerer Größe in den USA, das nicht nur stillgelegt, sondern bis zur grünen Wiese abgebaut wurde.
Die bisherigen Erfahrungen auf diesem Gebiet erlauben den Schluß, daß die zu einer vollständigen Beseitigung eines Kernkraftwerks notwendigen Werkzeuge schon heute zur Verfügung stehen. Diese technischen Methoden werden weiter entwickelt; vor allem in Richtung auf eine automatisierte Fernbedienung, um dadurch eine mögliche Strahlenschädigung der Beschäftigten weiter herabzusetzen.
Die EVUs arbeiten an einem Konzept mit zwei Varianten. Die eine Variante sieht einen gesicherten Einschluß von einem bis zwei Jahren vor, nach dem mit dem Abbruch begonnen werden könnte, der dann vier bis fünf Jahre dauern würde. Dieses Konzept hat den Nachteil hoher technischer Anforderungen und ist teuer. Bei der zweiten Variante bleibt das Kraftwerk nach dem Betriebsende unter einem gesicherten Einschluß 10 bis 20 Jahre stehen, bis die Radioaktivität ohne Beeinflussung der Umwelt abgeklungen ist, und wird dann abgebaut. Fazit: ein längerer Zeitraum, aber billiger.
Das Ergebnis dieser Untersuchungen wird uns voraussichtlich bis Mitte nächsten Jahres vorliegen. Dann erwartet man eine bessere Übersicht und eine klarere Erkenntnis als heute über den Personalaufwand, über die Strahlenbelastung und über die Kosten.
Für den Abbau der Anlage von Niederaichbach, der 1981 begonnen werden soll, stehen uns heute die technischen Methoden zur Verfügung. Voraus gingen Forschungsarbeiten — nebenbei: im Auftrag der Bundesregierung — über Trenn- und Zerlegeverfahren zur Reaktorbeseitigung, die in einem Bericht aus dem Jahre 1976 zusammengefaßt sind. Der Bericht ist zugänglich.
In den letzten drei Jahren wurden weitere Erfahrungen gesammelt und genutzt. Deutsche Firmen verfügen über Kenntnis und Werkzeug, um Kernkraftwerke abzubauen. Sie beherrschen heute die mechanischen Zerlegungs- und die chemischen Dekontaminierungsverfahren; letzteres bedeutet das Ablösen radioaktiver Partikeln von der Oberfläche. Diese Forschungsarbeiten hatten vor allem die Minimierung des radioaktiven Abfalls zum Ziel.
Neben den technischen Anforderungen, die irrtümlicherweise als nicht ausreichend gegen den Abbau von ausgedienten Reaktoren angeführt wurden, verweisen Skeptiker und Gegner der Kernenergie gern auf die Kosten. Staatssekretär Grüner nannte in diesem Haus als Kosten 10 bis 15 % der Herstellungskosten. Er bezog sich dabei auf eine Untersuchung der britischen Atomenergiebehörde. Die genannten Prozentsätze bezogen sich offensichtlich nur auf den nuklearen Teil. Bezogen auf die Gesamtanlage, mögen es wohl 8 bis 10 % sein. Doch in beiden Fällen handelt es sich um extrapolierte Schätzungen, die mit der genannten Studie der EVU, der ein 1000-Megawatt-Druckwasserreaktor zugrunde
liegt, präzisiert werden sollen. Diese Studie wird dann auch Auskunft darüber geben können, wie und wo beim künftigen Bau eines Reaktors die spätere Zerlegbarkeit berücksichtigt werden kann. Die Abbaukosten sind selbstverständlich Teil der Gesamtkosten über die gesamte Laufzeit des Reaktors. Auf den Strompreis übertragen, bedeutet das Mehrkosten von 0,1 bis 0,3 Pf pro Kilowattstunde. Bei einem Vergleich von Strom aus Kohle und Strom aus Kernenergie ergibt sich nach einer von Herrn Riemer beim Battelle-Institut bestellten Untersuchung ein Plus zwischen 1,7 und 6,8 zugunsten der Kernenergie.
Am meisten zweifeln die Kernkraftgegner daran, daß es möglich sei, die bestrahlten Komponenten des Reaktors sicher zu beseitigen. Das ist gewiß ein sehr ernstes Problem. Doch die Erfahrungen im Ausland, also vor allem in den Vereinigten Staaten, und eigene Untersuchungen weisen die technische Möglichkeit nach. Es kommt jetzt auf die Anwendung dieser Technik bei der Beseitigung einer Großanlage an, wie es jetzt in Niederaichbach geschehen soll. Allerdings bleibt dann noch offen, wohin die zerkleinerten radioaktiven Komponenten verbracht werden sollen. Das ist keine Frage an die Technik, die dieses Problem bekanntlich beherrscht, sondern an die Politiker, an dieses Haus, besonders an die Bundesregierung, nämlich dann zum rechten Zeitpunkt geeignete Endlagerstätten zur Verfügung zu stellen. Die verbleibende Zeit drängt. Die Erfahrungen der letzten Monate machen uns allerdings skeptisch. Nicht nur wegen des Abbaus von Niederaichbach — denn im gleichen Jahr soll ja mit der Stillegung des FR 2 in Karlsruhe und möglicherweise der „Otto Hahn" begonnen werden —, auch wegen der Ablagerung insgesamt ist eine schnelle Lösung dringend erforderlich. Nur darf man nicht die Fähigkeit der Technik in Frage stellen, wenn man politisch zu handeln unentschlossen ist.
Zum Gesamtkonzept der Kernenergie gehörten von Anfang an Errichtung, Betrieb, Abbau und Beseitigung des Abfalls. Die schwächste Stelle, das dünnste Glied in dieser Kette ist bis zur Stunde der Bereich, der der Politik unter der Regierung zufällt. Das bleibt im Antrag des Rates, der Anlaß dieser kurzen Debatte ist, unerwähnt, wohl deshalb, weil es zu selbstverständlich ist und weil es sich in diesem Falle um ein rein deutsches, um ein nationales Problem handelt. Die anderen haben diese Aufgabe auf ihre Weise gelöst.
Es gibt natürlich noch eine Methode oder eine Möglichkeit, Kernkraftwerke abzubauen. Es ist wohl die einfachste: sie nicht zu bauen. Doch das Ja zu diesem Vorschlag des Programms — ich wiederhole, dem haben alle im Ausschuß zugestimmt — setzt selbstverständlich ein klares Ja zur Kernenergie voraus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch nach Niederaichbach werden möglicherweise die Zweifler nicht still und nicht überzeugt sein. Sie werden möglicherweise darauf verweisen, daß es sich um ein Kraftwerk handelt, das nie voll ausgelastet war, und das stimmt ja auch.




Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818035000
Herr Abgeordneter, darf ich Sie bitten, zum Schluß zu kommen. Es sind Kurzbeiträge vereinbart.

(Beifall bei der SPD)


Gerold Benz (CDU):
Rede ID: ID0818035100
Jawohl! — Wenn es sich dabei nur um bösen Willen oder um parteipolitische Opportunität handeln würde — hingenommen! Wenn es sich aber um den sich auch heute wieder regenden und geförderten Zweifel an der Technik überhaupt handeln sollte, dann, vermute ich, besteht darin System wider die Vernunft.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818035200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ueberhorst.

Reinhard Ueberhorst (SPD):
Rede ID: ID0818035300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute eine EG-Vorlage, was gar nicht mal die Regel ist. Wir beraten eine EG-Vorlage, die wir in den Ausschüssen jedenfalls in den Kernpunkten einvernehmlich zustimmend zur Kenntnis genommen haben, was bei den EG-Vorlagen schon eher die Regel ist; so auch zu Recht bei dieser Vorlage zum Programm betreffend die Stillegung von Kernkraftwerken.
Ich meine, wir sollten dieses Programm und die Diskussion über die Erforschung der Machbarkeit und die Durchführung der Stillegung von Kernkraftwerken nicht — auch nicht mit Krampf — in die notwendige, strittige, öffentliche und parlamentarische Debatte über die Kernenergie einbeziehen. In dem Bericht wird zum Ausdruck gebracht, daß, ob wir Prototypen bauen, ob wir Kernkraftwerke in Betrieb genommen haben oder ob wir, was jeder hofft, daß es nicht eintritt, Störfälle haben sollten, oder ob es eine politische Absicht gibt, Kernkraftwerke nicht mehr zu betreiben, in jedem Fall wird derjenige, der sich diesem Problem widmet, die Frage der Stillegung praktisch lösen müssen. Das Thema ist wirklich nicht geeignet, in die kontroverse nuklearpolitische Debatte eingeführt zu werden,

(Beifall bei der SPD)

weil dies eben deutlich ist, weil es nicht bestritten werden sollte und weil man dies auch nicht mit Krampf versuchen sollte.

(Benz [CDU/CSU]:Wer hat denn das gesagt?)

Nun stellt sich, verehrter Herr Kollege Benz, die Frage, die auch dieser Bericht auf vielen Seiten behandelt, ob wir die Technik der Stillegung der Kraftwerke so beherrschen, daß wir nicht weiterer Anstrengungen der Forschung und Entwicklung bedürften. Sie stimmen mir mit Ihrer Kopfbewegung zu: Das ist leider eindeutig zu verneinen. Deshalb auch die Notwendigkeit dieses Programms. So klar die Notwendigkeit der Stillegung der Kernkraftwerke ist, so klar ist auch die Notwendigkeit, hier verstärkt Forschungsanstrengungen zu unternehmen. Der Bericht der Kommission stellt deutlich klar, daß wir, wie es dort heißt, „Fortschritte konzeptueller und technischer Art" brauchen, „um
Kernkraftwerke auf die hinsichtlich Gesundheitsschutz und Wirtschaftlichkeit optimale Weise stillegen zu können'.
Wer sich die Müde macht, diesen Bericht durchzustudieren — und das sollte jeder tun, der dieses Problem bagatellisieren will —, der wird sehen, daß die Kommission unter Beratung von Sachverständigen aus allen EG-Ländern sehr viele technische Probleme aufgeschrieben hat, die sich hier stellen.
Das fängt an bei der Frage, wie hoch die Kosten für solche Stillegungen einzuschätzen sind. Da haben wir zwar Gutachten, aber die fallen sehr unterschiedlich aus.

(Benz [CDU/CSU]: 10 bis 15 %!)

— Hier ist eine größere Bandbreite genannt; es fällt unterschiedlich aus, und es wäre sehr gut, wenn wir das präziser wüßten.
Es wird darauf hingewiesen, daß auch die für die Arbeitnehmer, die die Stillegung durchführen müssen, eintretenden Strahlenbelastungen noch präziser zu ermitteln sind, um unter dem Gesichtspunkt der Arbeitssicherheit die Verfahren zu optimieren.
Es wird darauf hingewiesen, daß wir technische Probleme hätten insbesondere bei der Zerlegung des biologischen Schildes, also bei der Zerkleinerung des Betonmantels, daß wir Probleme haben, die großen Rohre im Primärkreislauf zu zerlegen, daß wir noch keine Technik haben, die es uns erlaubt, diese Rohre zu zerschneiden.
Es wird darauf hingewiesen, daß die Behandlung der Stillegungsabfälle, wie es heißt, noch im Anfangsstadium sei, und es wird auch darauf hingewiesen, daß wir noch viel Arbeit leisten müßten, bis wir einen Überblick über die Aktivitätsinventare hätten. Es wird abschließend auch noch erwähnt, daß bisher in keinem EG-Land Kriterien für die uneingeschränkte Freigabe von Standorten erarbeitet worden seien — eine Aufgabe, der wir uns also auch noch stellen müssen. Es ist ja das Endziel einer Stillegung, daß der Standort freigegeben werden kann.
Hier wird deutlich: Zu Recht ist auf der EG-Ebene ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm aufgestellt worden. Wir dürfen uns freuen, daß die Bundesregierung dieses Programm im Ministerrat unterstützt hat. Es ist vernünftig, in diesem Sinne die Stillegung zu überplanen. Es ist auch vernünftig, hierfür jetzt die entsprechenden Forschungsmittel zur Verfügung zu stellen. Das ist auch dem Kollegen Flämig zu danken, der das im Europäischen Parlament bearbeitet hat. Wir als Parlamentarier hier im Bundestag wie auch die Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament sollten darauf achten, daß die genannten und zu Recht forschungspolitisch angepackten Probleme auch tatsächlich gelöst werden.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818035400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Laermann.




Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818035500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Programmvorschlag betreffend die Stillegung von Kernkraftwerken werden sieben Aktionen zu folgenden Themenschwerpunkten vorgeschlagen: Integrität von stillgelegten Gebäuden und Systemen, Fragen der Dekontaminierung, Untersuchung von Demontageverfahren, Behandlung spezieller Abfälle, Transportbehälter, Mengenschätzungen für radioaktive Abfälle aus Stillegungen und konstruktive Gestaltung neuer Anlagen hinsichtlich Stillegungsfreundlichkeit. Ferner sollen Leitlinien für Konstruktionen neuer Anlagen und Leitlinien für Stillegungen erarbeitet werden. Es ist zusätzlich in Aussicht genommen, daß sich die Gemeinschaft an einer Operation industriellen Maßstabs im Zusammenhang mit der Stillegung eines Kernkraftwerks beteiligt.
Das Programm ist aus der Sicht der Ergänzung nationaler Überlegungen zur Einfügung der Stillegung in die Vorsorge für eine umfassende Entsorgung der Kernkraftwerke zu begrüßen. Insbesondere die Themen der Demontagetechniken unter dem Aspekt der Sicherheit und der stillegungsfreundlichen Auslegung unter dem Aspekt der vorbeugenden Sicherheit sind für die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen bei stillzulegenden und neu zu errichtenden Anlagen von erheblicher Bedeutung. Die Aufstellung von Leitlinien hat eher untergeordnete Bedeutung, da sie sich derzeit nicht oder nur wenig auf konkrete Erfahrungen stützen könnte. Die in naher Zukunft stillzulegenden Anlagen, z. B. Niederaichbach oder demnächst vielleicht auch Lingen, könnten eventuell in einer letzten Phase des Programms hierzu einzelne Anregungen liefern.
Angesichts der relativ geringen Stillegungserfahrungen im Bereich der Bundesrepublik besteht auf. Grund eines sorgfältig und vertieft durchgeführten Programms die Aussicht, Erfahrungen aus dem Ausland, z. B. aus England und Frankreich, eingehend zu nutzen. Dies trifft insbesondere auf die vorgesehene Beteiligung an einem konkreten Stillegungsprojekt zu.
Hohe Anforderungen an die Betreiber hinsichtlich einer technischen und sicherheitstechnischen Vorsorge für eine spätere Stillegung ihrer Anlagen können realistischerweise nur dann erfüllt werden, wenn möglichst frühzeitig und umfassend der Stand von Wissenschaft und Technik auf dem Gebiete der Stillegung fortentwickelt wird. Das Programm stellt daher eine sinnvolle Ergänzung der Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet im nationalen Bereich dar. Internationaler Erfahrungsaustausch, insbesondere im EG-Bereich, auf dem Teilgebiet der Stillegung von Kernkraftwerken kann als ein erster Schritt in Richtung auf eine europäische Kooperation in der gesamten Entsorgungsfrage aufgefaßt werden und sollte deshalb von uns mit Nachdruck unterstützt werden.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang, auch anschließend an die Ausführungen des Kollegen Benz, folgende Anmerkungen machen: Wenn von Gegnern der Kernenergie immer wieder auf das Problem der Beseitigung stillgelegter Anlagen hin-
gewiesen wird, kann man nur wenig Verständnis dafür haben, wenn sich nunmehr bereits Widerstand gegen die Beseitigung solcher Anlagen erhebt. Wer den totalen Stopp der Kernkraftwerke will, müßte sich logischerweise besonders für die Möglichkeit der gesicherten totalen Beseitigung solcher Anlagen einsetzen.
Auch die Kritik an den Kosten der Beseitigung erscheint unangebracht. Nach heutiger Kenntnis betragen sie weniger als 15 % der Errichtungskosten. Herr Kollege Benz hat ja schon auf die Zahlen und den Einfluß auf die Stromerzeugungskosten hingewiesen. Zukünftige Forschungsergebnisse aus nationalen und europäischen Programmen wie dem vorliegenden können wertvolle Erkenntnisse in bezug auf Sicherheit, Optimierung der Dekontaminierungs- und der Demontagetechniken sowie der Abfallbeseitigungsmethoden liefern. Erkenntnisse bezüglich wartungs-, reparatur- und stillegungsfreundlicher Konstruktionsprinzipien können ebenfalls erwartet werden.
Herr Kollege Benz, Sie haben vorhin an die Adresse der Politiker, der Verantwortlichen und der Bundesregierung gesagt — ich nehme an, Sie haben die Koalitionsfraktionen gemeint —, daß zum .rechten Zeitpunkt ein Endlager für die Anlagenteile zur Verfügung stehen müßte. Sie haben weiter ausgeführt, die Fähigkeit der Techniker solle nicht in Frage gestellt werden, wenn sich die Politiker als nicht handlungsfähig erwiesen hätten.
Ich glaube, es ist uns allen klar, daß wir eine Entsorgungsanlage und eine Möglichkeit zur Entsorgung auch im Hinblick auf die Stillegung von Anlagen brauchen. Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht auf Ihre Hilfe und Mitwirkung bei der niedersächsischen Landesregierung bei der Prüfung der Frage hinweisen, ob die Schachtanlage Konrad in Hildesheim geeignet sein könnte, um solche schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle wie diese Anlagenteile aufzunehmen. Das ist nicht eine Frage, die allein die Bundesregierung betrifft, sondern hier sind natürlich auch die Länderregierungen aufgerufen, die ja in ihrem Zuständigkeitsbereich nun auch mit der Einrichtung von Entsorgungslagern, von Endlagern einverstanden sein müssen. Wir alle wissen — ich glaube, daran besteht kein Zweifel —, wie die Situation in Niedersachsen bezüglich des Salzstocks Gorleben gelaufen ist. Wir sind Gott sei Dank jetzt in der Situation, daß die Erschließung dieses Salzstockes und die Prüfung auf seine Eignung als ein Endlager unter dem technisch bedingten Zeitmaßstab wohl zügig vorangehen kann.
Ich begrüße das vorliegende Programm. Meine Fraktion stimmt diesem europäischen Programm betreffend die Stillegung von Kernkraftwerken zu.

(Beifall bei der FDP und SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818035600
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2525 unter Ziffer 1, von der Vorlage auf Drucksache 8/1997 Kenntnis zu nehmen. — Ich stelle fest, daß



Vizepräsident Dr. von Weizsäcker
das Haus von der Vorlage Kenntnis genommen hat.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2525 unter Ziffer 2 weiterhin die Annahme einer Entschließung. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung rufe ich jetzt Punkt 26 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht zum Ersten Eherechtsreformgesetz (Versorgungsausgleich)

— Drucksache 8/3275 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Lenz (Bergstraße)

Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenz.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0818035700
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst einmal sagen, worum es sich hier handelt. Es handelt sich hier darum, daß die Vorschriften über die Einführung des Versorgungsausgleichs bei der Ehescheidung ohne Rücksicht auf die Scheidungsursachen vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe streitig geworden sind. Diese Vorschriften gehören zu denjenigen, die die Ehe nach dem neuen Recht zu einem nicht kalkulierbaren finanziellen Risiko gemacht haben. Es war vorauszusehen, daß sie vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen würden. Es handelt sich zweitens, Herr Kollege Conradi, um die Vorschriften über den Entzug des Versorgungsausgleichs gegenüber einem Ehegatten nach altem Recht, der sich geweigert hatte, und zwar berechtigterweise, sich scheiden zu lassen. Das sind die beiden materiellen Dinge, um die es da geht.
Diese Vorschriften waren, wie Sie sich erinnern werden, im Gesetzgebungsverfahren bis hinein in den Vermittlungsausschuß heftig umstritten, und selbst bei den Erklärungen hier zum Abschluß des Vermittlungsverfahrens ist deutlich gemacht worden, daß hier die Positionen nicht in Deckung gebracht werden konnten. Wenn Sie die Protokolle nachlesen, werden Sie zahlreiche Änderungs- und Streichungsanträge in den Ausschüssen und in den Plenarversammlungen von Bundestag und Bundesrat dazu finden können.
Meine Damen und Herren, fast all diese Sachen — mit einer Ausnahme — sind in Karlsruhe anhängig geworden, weil ordentliche Gerichte — also nicht die böse Opposition — die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften in Zweifel gezogen und die Sachen dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt haben.
Antragsteller und Antragsgegner in diesen Verfahren sind Eheleute, die in Scheidung leben, mit anderen Worten also Privatpersonen. Es handelt sich hier nicht um Angelegenheiten, wo ein Land oder
der Bund oder der Bundestag oder der Bundesrat oder ein Drittel des Bundestages oder ein Ähnlicher Kläger sind, sondern es handelt sich um Verfahren von Privatleuten.
Der Bundestag steht heute vor der Frage, ob er sich an diesem Streit vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligen will oder, wie ich sagen würde, ob er sich in diese Streitfragen einmischen will. Daß er das Recht dazu hat, ist unbestritten. Ebenso so unbestreitbar ist aber auch, daß er, soweit ich das habe feststellen können, bisher — bis auf einen einzigen Fall — noch nie davon Gebrauch gemacht hat. Das ist auch der Grund, meine Damen und Herren, weshalb Ihnen der Rechtsausschuß empfiehlt, auch in diesem Falle von diesem Recht nicht Gebrauch zu machen.
Für die bisherige Haltung des Deutschen Bundestages gab es gute Gründe. Wir haben uns vor dem Bundesverfassungsgericht gestritten, wenn Verfassungsorgane und Fraktionen Streitbeteiligte waren. Wir haben uns gestritten, wenn Rechte des Hauses, seiner Mitglieder, der Fraktionen oder der politischen Parteien Gegenstand von Verfahren waren. Wir haben aber bisher in Privatangelegenheiten von Bürgern die größte Zurückhaltung aufgebracht, weil wir sie für angebracht hielten.
Meine Damen und Herren, Sie müssen sich ein solches Verfahren vorstellen. Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wird ja vor dem Bundesverfassungsgericht nicht etwa offengelassen, sondern das Bundesverfassungsgericht hört das Justizministerium an, das hier sozusagen von Amts wegen den Anwalt des Parlaments macht. Dort tritt ein Beamter auf. Das ist in allen diesen Angelegenheiten ein Routinevorgang. Wenn wir jetzt beitreten würden, würde der ganze Vorgang ein ganz anderes Gesicht bekommen. Dann wäre der Deutsche Bundestag ausnahmsweise vertreten. Er wäre nicht durch einen Beamten vertreten, sondern selbstverständlich durch einen Abgeordneten, durch einen, der Vertreter des ganzen Volkes ist. Meine Damen und Herren, niemand kann leugnen, daß sich die Gewichte in dem Rechtsstreit natürlich verschieben werden.
Der Kollege Blüm hat hier bei einer anderen Gelegenheit, wo es sich nicht um Vorlagebeschlüsse wie hier, sondern um Verfassungsbeschwerden handelte, gesagt, wir sollten den Eindruck einer etablierten Übermacht der Verfassungsorgane gegenüber den Rechtsbegehren des einzelnen Bürgers vermeiden. Ich glaube, darum geht es hier, meine sehr verehrten Damen und. Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Bundestag will zwei vorzüglich in rechtlichen Dingen bewanderte hochkarätige Abgeordnete dorthin entsenden. Er entsendet sie nicht dorthin, damit sie dort eine Statistenrolle abgeben. Wir kennen ja die beiden Herren; sie sind zu einer solchen Rolle konstitutionell absolut unfähig. Das sind Männer, die handeln, um Einfluß auszuüben, die eine Entscheidung beeinflussen wollen.

(Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Das ist gut so!)




Dr. Lenz (Bergstraße)

Meine Damen und Herren, nicht nur das: Die Koalitionsparteien haben auch im Ältestenrat und im Rechtsausschuß den Antrag gestellt, man solle diesen beiden durch ihre bisherige Tätigkeit auf diesem Sektor bestens qualifizierten Kollegen noch einen sehr qualifizierten Beamten beigeben, der ebenfalls auf diesem Sektor bestens bewandert ist. Da sieht man doch schon, daß die Gewichte im Prozeß ganz deutlich zugunsten der einen Partei verschoben werden — um deren Rechtsstreit handelt es sich ja —, zum Nachteil der anderen.
Im übrigen möchte ich noch sagen: Diese Kollegen und dieser Beamte treten doch nicht wie der Staatsanwalt vor einem Strafgericht auf. Der Staatsanwalt ist ja bekanntermaßen verpflichtet, auch die gegen den staatlichen Strafanspruch sprechenden Argumente vorzutragen. Aber die Kollegen hier sollen beauftragt werden, nur die für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Argumente vorzutragen. Sie sollen also in einseitiger Weise vor dem Bundesverfassungsgericht Partei ergreifen. Das geht auch gar nicht anders. Der Bundestag kann sich ja nur von Kollegen vertreten lassen, die glauben, daß der Bundestag hier etwas Gutes und Richtiges gemacht hat.
Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel dafür nennen, wieso die Gewichte in diesen Prozessen verschoben werden. Ich habe mir die Akten angesehen, Kollege Emmerlich. Ich habe festgestellt, daß die Äußerungsfristen, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, alle miteinander überschritten sind, zum Teil um anderthalb Jahre.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Das ist eine Sache, die sich eine Privatperson niemals hätte erlauben können. Aber selbstverständlich: Wenn der Deutsche Bundestag dem Verfahren beitritt, werden die Fristen verlängert; da gibt es überhaupt nichts anderes. Das ist die Courtoisie der Verfassungsorgane untereinander.
Selbstverständlich muß dann die andere Seite antworten können. Wenn der Bundestag sich äußert, muß diejenige Partei, die in dem Prozeß eine andere Auffassung vertritt, die Möglichkeit haben, auf die sicherlich vorzüglichen Argumente unserer hochgeschätzten Kollegen einzugehen. Daß das Ganze das Verfahren nicht beschleunigt, liegt auf der Hand, auch wenn uns hier das Gegenteil versichert wird. Man kann nicht eine qualifizierte Stellungnahme aus dem Handgelenk abgeben. Man kann vor allen Dingen, wenn man ein privater Rechtsanwalt ist, der zufällig in dieses Verfahren hineingekommen ist, diese Sache nicht aus dem Handgelenk beantworten.
Meine Damen und Herren, mein Fazit ist, daß hier ein Verfassungsstreit, an dem die Mehrheit des Hauses ein parteipolitisches Interesse hat, auf dem Rücken von Privatpersonen, von in Scheidung lebenden Ehegatten, ausgetragen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es kommt ein Weiteres hinzu: Wer hier als Versuchskaninchen für diesen Streit herhalten muß, das ist weitgehend dem Zufall überlassen. Es werden ja vor dem Bundesverfassungsgericht durch den Deutschen Bundestag nach dem Antrag der Koalitionsfraktionen keineswegs alle Zweifel auszuräumen versucht, die gegen dieses Gesetz erhoben worden sind, sondern es wird nur ein bestimmter Teilbereich herausgeschnitten, nämlich diejenigen Zweifel, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs erhoben worden sind. Es werden auch keineswegs alle Verfassungsstreitigkeiten aufgenommen, die in diesem Bereich schweben. Ich könnte hier z. B. die Frage stellen, warum bestimmte Verfahren, in denen es um diese Frage geht, in dieser Drucksache stehen, andere aber nicht. Manche Verfahren stehen z. B. deshalb nicht in der Drucksache, weil der Bundestag bereits beschlossen hat, sich in diesen Verfahren nicht zu äußern,

(Hasinger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

und die Geschäftsordnung es nicht zuließe, daß man heute noch einen Änderungsantrag in bezug auf diese Fälle stellt; denn der wäre mit einer Fristeinrede behaftet gewesen, und man hätte es zurückweisen können. Deswegen werden im Wege des Lotterieverfahrens eine Reihe von Fällen, in denen zufälligerweise die Fristen noch nicht abgelaufen sind, herausgepickt, und das wird dann zum Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht gemacht.
Die Fraktion der CDU/CSU will sich in Einklang mit ihrer seit 30 Jahren in dieser Frage eingenommenen Haltung an diesem Lotteriespiel nicht beteiligen und bittet Sie, dem Antrag des Rechtsausschusses und nicht dem der Koalitionsparteien zu
folgen. (Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818035800
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0818035900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Sie den Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners mit großer Aufmerksamkeit gelauscht haben, wird es Sie vielleicht ein wenig verwundern, wenn ich Ihnen vorlese, was am 8. April 1976 vor der Schlußabstimmung über das Erste Eherechtsreformgestz, das aus den Beratungen des Vermittlungsausschusses kam, der Abgeordnete Dr. Lenz (Bergstraße) für seine Fraktion gesagt hat:
Meine Damen und Herren, die Mehrheit meiner Fraktion ist der Auffassung, daß im großen und ganzen ein Kompromiß zustande gekommen ist, mit dem man leben kann.

(Dr. Emmerlich [SPD]: Hört! Hört!) Er hat dann hinzugefügt:

Ich verschweige dem Hause aber nicht, daß eine Minderheit der Auffassung ist, daß die Bedingungen für eine Zustimmung nicht erfüllt sind.
Dafür gab es Beifall bei der CDU/CSU.
Nach der Abstimmung hat der amtierende Präsident festgestellt: „Bei zwei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen."

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Das Vermittlungsergebnis!)




Dürr
— Das Vermittlungsergebnis. Aber Herr Kollege Erhard, das Vermittlungsergebnis ist doch das Erste Eherechtsreformgesetz, wie es in das Bundesgesetzblatt gekommen ist.

(Erhard [Bad Schwalbach] • [CDU/CSU]: Nein, das ist falsch! Das ist sicher falsch!)

— Wenn Sie es noch genauer haben wollen: Gesetzesbeschluß des Bundestages, geändert durch Vermittlungsergebnis, gibt zusammen den Inhalt des Bundesgesetzblattes.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

Unser früherer Kollege, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Ernst Benda, hat in seiner Antrittsvorlesung in Trier zum Thema „Grundrechtswidrige Gesetze" folgendes ausgeführt:
Da es bei allem sehr unterschiedlichen Gewicht der einzelnen Normen immer stets um gesetzgeberische Entscheidungen geht, welche die verfassungsgerichtliche Prüfung im Ergebnis nicht bestanden haben, verwundert es um so mehr, daß der Deutsche Bundestag es regelmäßig nicht für erforderlich gehalten hat, von seinem Äußerungsrecht gegenüber dem Bundesverfassungsgericht Gebrauch zu machen.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Regelmäßig!)

Es heißt an anderer Stelle derselben Antrittsvorlesung:
Offensichtlich macht der Deutsche Bundestag von seinen Äußerungsmöglichkeiten nur Gebrauch, wenn es politisch darauf anzukommen scheint, die Meinung der Mehrheit demonstrativ darzustellen.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Aha!)

Dies ist politisch ganz legitim, aber bedauerlicherweise hat es in vielen sogenannten kleinen Fällen, wo die Beanstandung dann später mit dem Hinweis auf mangelnde Sachgerechtigkeit oder fehlende Plausibilität erfolgte, gar keine Erläuterungen des Gesetzgebers gegeben.
Herr Kollege Erhard, Sie haben bei einem Satz des Zitats von Herrn Benda ein lautes „.Aha' gerufen. Bei unserem Antrag geht es nicht um das demonstrative Darlegen in Karlsruhe im Verfassungsgerichtsprozeß, hier geht es uns darum, das Gespräch zwischen den Leuten aus der Gesetzgebungswerkstatt und den, lassen Sie mich sagen, Kontrolleuren in Karlsruhe zu ermöglichen. Deshalb haben wir nicht vorgeschlagen, hochmögende Professoren des Rechts als Vertreter des Deutschen Bundestages nach Karlsruhe zu schicken, deshalb haben wir den früheren Vorsitzenden des Unterausschusses „Ehe- und Familienrecht", Dr. Alfred Emmerlich, und den damaligen Berichterstatter seiner Fraktion, Hans Engelhard, benannt. Wir wären gerne bereit, in diese Reihe auch jemanden von denen, die in der CDU/ CSU-Fraktion an der Beratung des Ersten Eherechtsreformgesetzes führend beteiligt waren, aufzunehmen. Sie werden aber verstehen, daß wir in unseren Antrag nicht hineinschreiben können, der Deutsche Bundestag werde durch die Abgeordneten „Dr. Emmerlich, Engelhard und ...” vertreten.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818036000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0818036100
Bitte sehr.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0818036200
Herr Kollege Dürr, halten Sie das Rechtsgespräch zwischen den Richtern und denen, die das Gesetz fabriziert haben, für ein ausreichendes Gespräch, und zwar dann, wenn die Richter von Oberlandesgerichten, die die Verfassungswidrigkeit annehmen, nicht beteiligt werden, daß also diejenigen, die konkret sagen, warum das Ganze nicht verfassungsgemäß ist, aus dem Verfahren ausgeschlossen sind, wie das bei allen Vorlagebeschlüssen der Fall ist?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0818036300
Herr Kollege Erhard, das ist natürlich nicht eine Attacke gegen mich, sondern eine Anregung, über die Weisheit der Verfasser des Grundgesetzes bei der Abfassung des Art. 100 GG nachzudenken. Das würde sehr weit führen. Es ist natürlich ein Unterschied: Die Richter, die den Vorlagebeschluß gemacht haben, sind in Karlsruhe nicht vertreten, es sei denn, sie nehmen Urlaub und sitzen als Zuschauer im Raum, während derjenige, der Verfassungsbeschwerde durch seinen Anwalt eingereicht hat, in diesem Prozeß vertreten ist. Herr Kollege Erhard, das ist ein Nebenproblem.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Ha!)

Das Hauptproblem scheint mir zu sein, daß der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hier sagt: Lieber Bundestag, ändere deine bisherigen Gepflogenheiten! Das und nichts anderes steht doch in der Trierer Antrittsvorlesung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn Herr Kollege Dr. Lenz hier so redet, daß man es — ohne zuviel Bosheit — in den Satz zusammenfassen kann „Das haben wir immer so gemacht, das gedenken wir nicht zu ändern", dann werden hier von der CDU/CSU nicht die Sozialdemokraten, sondern die Ansichten von Professor Ernst Benda angegriffen.
Aus diesen Gründen sind wir der Meinung, daß dieses Rechtsgespräch zwischen Parlamentariern und dem Bundesverfassungsgericht bei diesem Verfahren stattfinden sollte. Eines versichern wir Ihnen, Herr Kollege Erhard, Ihnen, Herr Kollege Lenz, und dem ganzen Haus: An eine Bitte um Verschiebung des für Ende November vorgesehenen Termins ist keinesfalls gedacht.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Von Ihrer Seite nicht, Herr Kollege!)

Und jetzt kommt, Herr Kollege Lenz, noch Ihre geschäftsordnungsmäßige Pointe. Sie haben gesagt, der Bundestag habe auf Vorschlag des Rechtsausschusses bei einigen der Sachen, die Ende Novem-



Dürr
ber in Karlsruhe verhandelt werden, bereits beschlossen, nicht daran teilzunehmen. Erstens. Das ist richtig. Zweitens. Solche Entscheidungen des Bundestages sind nicht unwiderruflich, so wie es unwiderruflich ist, wenn jemand ein Rechtsmittel, etwa die Berufung, zurücknimmt. Man kann sie bis zum Tag vor der Verhandlung in Karlsruhe ändern.
Aber, Herr Kollege Dr. Lenz, das war doch, bevor alle diese Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden sind. Würde der Deutsche Bundestag heute nur einem dieser Verfahren, etwa der Verfassungsbeschwerde aus Lüneburg, beitreten, wäre er angesichts der Tatsache, daß alle Verfahren miteinander verbunden sind, dann auch von der ersten bis zur letzten Minute dieses Verfahrens anwesend und mitredeberechtigt, genauso wie der Anwalt, der namens seines Mandanten diese eine Verfassungsbeschwerde eingereicht hat, die — neben vielen anderen Vorlagebeschlüssen — in dieser Sitzung behandelt wird.
Aus diesen Gründen, meinen Damen und Herren von der Opposition, bitte ich Sie: Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß! Ich bitte zumindest diejenigen, die dem 1. Eherechtsreformgesetz zugestimmt haben, auch zuzustimmen, daß sich der Deutsche Bundestag am Verfahren um dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beteiligt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818036400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0818036500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Lenz, Sie haben von der Courtoisie der Verfassungsorgane untereinander gesprochen. Ich habe immer mit gewissen Neidgefühlen die Courtoisie betrachtet, mit der man im Rechtsausschuß bisher miteinander umgegangen ist. Aber ich finde, daß das fahle Frühlicht eines grauen Morgens, das die Opposition hier genutzt hat, um aus dem Stand, ohne
der geeignete Rahmen für das Ende einer solchen Usance ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Es bleibt bei der bisherigen Praxis!)

Wenn ich einmal von meiner persönlichen Betroffenheit absehe, so stelle ich doch fest, daß die Opposition, hier speziell die CDU, anscheinend auch die Ansicht des aus ihren Reihen hervorgegangenen früheren Innenministers und jetzigen Verfassungsgerichtspräsidenten, daß eben der Bundestag bei gewichtigen Streitsachen, bei solchen von großer Bedeutung, durch sein Erscheinen, durch seine Argumentation teilnehmen soll, nicht teilt, und dies, obwohl es sich, wie die CDU im Lande mitzuteilen nicht müde wird, beim besagten Ehescheidungsgesetz um einen Beschluß von großer Bedeutung handelt.

Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818036600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lenz?

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0818036700
Aber selbstverständlich, Herr Kollege Lenz.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0818036800
Herr Kollege Wolfgramm, können Sie bestreiten, daß sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion während der Zeit, in der der hochgeschätzte Herr Benda Mitglied dieses Hauses war, genau an die Linie gehalten hat, die ich hier skizziert habe? Vielleicht hat er sich nicht immer durchsetzen können, aber die Fraktion hat sich immer an diese Linie gehalten. Oder können Sie das bestreiten?

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0818036900
Aber Herr Kollege, Sie können doch nicht bestreiten, daß er diesen Rat gerade in seiner Antrittsvorlesung in so besonders prononcierter Weise vorgetragen hat, weil ihm das aus seiner Erfahrung als Verfassungsgerichtspräsident inzwischen ein Anliegen geworden ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich meine, daß die Aufdeckung dieses geheimnisvollen Verwandlungsprozesses vom Ja im Plenum zum verschleierten Nein durch den Nichtbeitrittsbeschluß im Rechtsausschuß doch eigentlich nur zur Folge haben kann, daß Sie hier im Plenum jetzt klar zu Ihrer früheren Entscheidung stehen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818037000
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der FDP auf Drucksache 8/3277 (neu) auf, der eine Neufassung der Beschlußempfehlung des Ausschusses zum Inhalt hat. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Änderungsantrag ist mit Mehrheit angenommen.
Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist somit in der Fassung des Änderungsantrages auf Drucksache 8/3277 (neu) angenommen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch.
Nunmehr rufe ich Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie (17. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag eines Ratsbeschlusses zur Annahme eines Forschungsprogramms der Europäischen Atomgemeinschaft für die Sicherheit thermischer Leichtwasserreaktoren
— Drucksachen 8/1996, 8/2526 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Ueberhorst, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.



Vizepräsident Dr. von Weizsäcker
Interfraktionell ist ein Kurzbeitrag für jede Fraktion vereinbart worden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Freiherr Spies von Büllesheim.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818037100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die einführende Deklaration des Euratom-Vertrages vom 25. März 1957 mag heute manchem als kluge Voraussicht, manchem aber auch als mangelnde Voraussicht erscheinen. Es heißt dort:
IN DEM BEWUSSTSEIN, daß die Kernenergie eine unentbehrliche Hilfsquelle ... für den friedlichen Fortschritt darstellt,
ENTSCHLOSSEN, die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert ... (und) zum Wohlstand ihrer Völker beiträgt,
IN DEM BESTREBEN, die Sicherheiten zu schaffen, die erforderlich sind, um alle Gefahren für das Leben und die Gesundheit ihrer Völker auszuschließen,
Schon damals also, vor 22 Jahren, waren Potential und Bedeutung der Kernenergie erkannt, schon damals war aber auch erkannt, daß alles getan werden müsse, um die Sicherheit der Nutzung der Kernenergie zu gewährleisten.
Die Art. 4 bis 11 des Euratom-Vertrages befassen sich mit der gemeinsamen Forschung, die es in besonderer Weise zum Ziel hat, die gegenseitige Forschung zu koordinieren, Doppelarbeit zu vermeiden, die Zusammenarbeit zwischen Fachverbänden und Instituten zu fördern und diese Zusammenarbeit auch durch die Förderung gemeinschaftlicher Programme anzuregen. Gemäß Art. 7 des Euratom-Vertrages legt der Ministerrat die Forschungs- und Ausbildungsprogramme der Gemeinschaft fest. Die Programme werden jeweils für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren festgelegt, und die Durchführung dieses Programms wird aus den Mitteln des Forschungs- und Investitionshaushalts der Gemeinschaft finanziert.
Mit der uns hier vorliegenden Drucksache 8/1996 schlägt der Rat ein Forschungsprogramm vor, welches der Sicherheit thermischer Leichtwasserreaktoren dienen soll. Dieser Ratsbeschluß ist das Ergebnis einer seit 1974 laufenden Bemühung um eine Bestandsaufnahme der nationalen Forschungsprogramme auf dem Gebiet der Sicherheit. Es hat die Aufgabe, die Forschungsprogramme durch Untersuchungen abzurunden, die speziell auf Leichtwasserreaktoren und verwandte Typen zielen. Dieses Forschungsprogramm bietet sich an, weil es sich bei der überwiegenden Mehrzahl der heute auf der Welt betriebenen Kernreaktoren um Leichtwasserreaktoren handelt und weil auch der Zubau an Reaktoren in beiden nächsten Jahrzehnten vor allem in Form von Leichtwasserreaktoren erfolgen wird.
Die nähere Untersuchung von Leichtwasserreaktoren bietet sich auch deswegen an, weil mit etwa 200 in Betrieb befindlichen Leichtwasserreaktoren
in der ganzen Welt inzwischen Erfahrungen von weit über 1000 Betriebsjahren vorliegen. Nun sind natürlich in allen Ländern, die Kernreaktoren bauen, sehr eingehende Sicherheitsforschungen in fast jeder denkbaren Ausrichtung betrieben worden. Diese Forschungsprogramme wurden auch, teilweise über die gemeinschaftliche Forschungsstelle der Euratom in Ispra, verknüpft. Aber mit der Zunahme der praktischen Betriebserfahrung zeigt sich auch, daß die Untersuchungen heute immer wirklichkeitsnäher gestaltet werden können.
Aus dieser Erkenntnis ergibt sich der Vorschlag des Rates, den tragenden Risikofaktor jeden Leichtwasserreaktors, nämlich den Kühlmittelverlust, der zu einem Durchschmelzen des Brennelementes führen kann, noch näher zu untersuchen. Die Untersuchung soll sich dabei vor allem auf die thermo-hydraulischen Erscheinungen beziehen, die eintreten, wenn infolge eines solchen Unfalles die Brennelemente ganz oder teilweise trocken geworden sind und wenn sie dann wieder unter Wasser gesetzt werden. Es ist dabei nach dem vorgesehenen Programm auch an praktische Experimente gedacht, bei denen die Gegebenheiten durch direkte oder indirekte elektrische Erhitzung der Reaktorstäbe simuliert werden sollen.
Ziel dieses Forschungsprogrammes ist es nicht nur, die Eintrittswahrscheinlichkeit und auch die möglichen Folgen eines solchen im übrigen sehr unwahrscheinlichen Unfalls zu vermindern, sondern das bessere Verständnis der Vorgänge soll gleichzeitig der Prüfung dienen, wie die Sicherheitssysteme bei gleicher oder sogar höherer Sicherheit auch einen günstigeren Betrieb ermöglichen können, wie also die Sicherheitssysteme insgesamt optimiert werden können.
Für die hier beschriebenen Studien sollen 4,8 Millionen Rechnungseinheiten aufgewandt werden. Mit einem Betrag von 800 000 Rechnungseinheiten soll im Rahmen von Forschungsverträgen mit Forschungsanstalten untersucht werden, wie Kernkraftwerke noch besser als bisher gegen von außen kommende Explosionen geschützt werden können, vor allem gegen — wenn dies auch sehr unwahrscheinlich ist, so ist es immerhin nicht völlig auszuschließen — Gaswolkenexplosionen in der freien Atmosphäre im Bereich von Kernkraftwerken.
Der dritte Studienvorschlag soll sich mit der Frage der Verbreitung radioaktiver Spaltprodukte befassen, die als Folge eines Reaktorunfalls in die Atmosphäre eindringen. Mit dieser Frage haben sich bereits sehr eingehende Sicherheitsstudien, wie der Rasmussen-Bericht aus dem Jahre 1975, aber auch die deutsche Risikostudie, befaßt, die im August dieses Jahres vorgelegt wurde. Ähnliche Studien gibt es in einer ganzen Reihe von anderen Nationen. Die bereits vorliegenden Modelle sind zum großen Teil mathematische Modelle, die sich auf konkrete Sonderfälle beziehen. Es ist das Ziel dieses Programmteils, die rechnerischen Ergebnisse dieser Modelle zusammenzufassen und zu prüfen, wie sie auch experimentell abgesichert werden können.
Die kurz beschriebenen gemeinsamen Forschungsprogramme erfordern nach dem vorliegen-



Dr. Freiherr Spies von Büllesheim
den Vorschlag einschließlich Personalausgaben und Verwaltungskosten einen Betrag von 8,8 Millionen Rechnungseinheiten. Ich sage hier ganz offen: Der Politiker ist überfordert, Sinn und Wirkungsmöglichkeit solcher Programme vollständig beurteilen zu können. Forschungsinstitute, die die Aussicht haben, von solchen Programmen zu profitieren, werden solche Untersuchungen immer für notwendig halten; andere, die nicht daran beteiligt werden, werden eher dazu neigen, sie für überflüssig zu halten.
Eine zuverlässige Beurteilung ist auch deswegen nicht möglich, weil die volle Breite der international bereits vorliegenden Untersuchungsergebnisse in eine solche Beurteilung einbezogen werden müßte. Ein Rest von Unsicherheit bleibt. Aber das ist eben die Eigenart jeder Forschung.
In Übereinstimmung mit den Stellungnahmen des Innenausschusses und des Haushaltsausschusses sind wir der Meinung, daß es fünf neuer Personalstellen allein zur Verwaltung dieses Forschungsprogramms nicht bedarf.
Vom Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland aus müssen wir Wert auch darauf legen, daß das gemeinsam vorgelegte Forschungsprogramm betreffend die Stillegung von Kernkraftwerken gemeinsam mit diesem Programm durchgeführt wird. Über dieses Programm haben wir bei dem vorvorigen Tagesordnungspunkt debattiert. An diesem Programm der Stillegung von Kernkraftwerken hat die Bundesrepublik Deutschland wegen der bevorstehenden Demontage des Kraftwerks Niederaichbach ein ganz besonderes Interesse.
In diesem Zusammenhang sollte auch ein Wort zu der Schwerfälligkeit gesagt werden, mit der gemeinsame Forschungsprogramme im Bereich von Euratom heute leider belastet sind. Euratom hat den hier behandelten Vorschlag, der den Zeitraum vom 1. Juli 1978 bis zum 30. Juni 1983 umfaßt, erst wenige Wochen vor Beginn dieses Zeitraums vorlegen können. Diese Schwerfälligkeit innerhalb Euratom wird eigentlich nur noch von der Schwerfälligkeit der Behandlung in den nationalen Parlamenten erreicht oder übertroffen, die sich leider auch bei uns zeigt. Die Beratungen im Bundesrat und in drei Ausschüssen des Bundestages haben dazu geführt, daß wir hier eine Vorlage beraten, die bereits über ein Jahr in unserem nationalen Beratungsgang ist.
Die Entwicklung geht schnell voran. Das gilt besonders für die Forschung im Bereich der Folgen eines Kühlmittelunfalls. Das ist natürlich ein ganz besonders interessanter Aspekt, der immer weiter intensiv in vielen Nationen untersucht worden ist. In den seit der Vorlage des Programms vergangenen fast zwei Jahren sind auf diesem Gebiet bereits erhebliche neue Erkenntnisse gewonnen worden, die es fraglich erscheinen lassen, ob dieser Programmteil noch in seinem ursprünglichen Umfang durchgeführt werden muß. Auch daraus erklärt sich die Beschlußempfehlung, nämlich die an die Bundesregierung gerichtete Aufforderung, beim Programmteil Kühlmittelverlustunfall auf eine Verringerung der Mittel von. 5 Millionen auf 3 Millionen Rechnungseinheiten hinzuwirken.
Mit diesen Einschränkungen wird die CDU/CSU-Fraktion der vorgelegten Beschlußempfehlung zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818037200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ueberhorst.

Reinhard Ueberhorst (SPD):
Rede ID: ID0818037300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Forschungsprogramm Sicherheit beraten wir heute die zweite EG-Vorlage, die wir in den Grundzügen in den Ausschüssen einvernehmlich bearbeitet haben und hier im Plenum bescheiden wollen. Trotzdem lohnt es sich, hier im Parlament diese Vorlage einmal zu debattieren, weil sie Gelegenheit gibt, einige Gedanken zu erläutern, die wieder deutlich machen, daß die Fraktionen bestimmte Akzente unterschiedlich setzen.
Wir haben es beim Sicherheitsprogramm mit einem Programm zu tun, durch das besonders drei Probleme erarbeitet werden sollen, die sich jeder Bürger im Zusammenhang mit Kernkraftwerken vorstellen kann: zuerst das Problem des Kühlmittelverlusts — Kühlmittelunfälle sind uns auch in Harrisburg vor Augen geführt worden —, dann das Problem der Gaswolkenexplosion und drittens die Frage, was eigentlich passiert, wenn radioaktive Spaltprodukte durch Unfälle aus Kernkraftwerken austreten, und wie sie sich ausbreiten. Das Programm, das wir einvernehmlich verabschieden, begründet ausführlich und wissenschaftlich, warum diese Fragen intensiv untersucht werden müssen. Dies ist wissenschaftlich unstrittig.
Ich möchte hier im Zusammenhang mit dem Programm nun einmal drei politische Fragen behandeln, die uns bei der Sicherheitsforschung, wenn man falsch darüber diskutiert, manchmal in die Irre führen.
Es wir die Frage gestellt, ob bei uns nicht schon zuviel Sicherheitsforschung betrieben werde. Mancher fragt sich, ob, wenn so viel Sicherheitsforschung gemacht werden muß, der Betrieb von Kernkraftwerken nicht fragwürdig ist. Und viele fragen sich, ob die Sicherheitsforschung nicht auch Auswirkungen auf die Frage des Zubaus von Kernkraftwerken haben muß. Manche fragen sich — das schwingt auch mit, wenn es um die Mittel und die Stellen geht —, ob das alles auch noch in Europa gemacht werden müsse und wie wir das beantworten.
Ich meine, es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß in der Begründung für das Programm sehr deutlich gesagt wird, daß die Gemeinschaft im Bereich der Reaktorsicherheit Wissenslücken ausfüllen will. Das heißt: Wer es mit der Sicherheitsforschung ehrlich meint, muß sagen, daß die Ausfüllung dieser Wissenslücken ein wesentlicher Bestandteil unserer Diskussion über den Zubau oder Nichtzubau von Kernkraftwerken ist.
Was hier heute in mehreren Beiträgen diskutiert worden ist, nämlich die Frage, ob die Kernspaltungstechnologie, wie der Kanzler gesagt hat, möglicherweise nur eine Übergangstechnologie ist oder aber eine unentbehrliche langfristige Energiequelle, ist



Ueberhorst
zumindest für die SPD-Fraktion offen. Wir diskutieren diese Frage hier im Parlament wie draußen in unserer Partei und auf Parteitagen. Wir wollen sie auch hier im Parlament behandelt wissen und nicht zuletzt die Ergebnisse der Sicherheitsforschung aufnehmen.
Im Zusammenhang mit der Sicherheitsforschung wird sehr häufig die Frage diskutiert - im Ausschuß tat es gestern Herr Riesenhuber —, ob sich die Sicherheit eigentlich auf das Minimieren der Eintrittswahrscheinlichkeit großer Unfälle konzentrieren oder ob nicht ein verstärkter Akzent auf das Minimieren oder Verhindern der Unfallauswirkungen gelegt werden sollte. Ich meine, dies ist eine falsche Alternative, die wir uns in etwa vergegenwärtigen können, wenn wir uns das, was im EG-Programm als Punkt 1 genannt ist — Kühlmittelunfälle —, einmal praktisch vorstellen. Bei einem solchen Unfall fält die Kühlung aus. Der Reaktor kann abgeschaltet werden. Es entsteht ein Nachwärmeprozeß, der dazu führt, daß die Notkühlung funktionieren muß. Wenn auch diese nicht funktionieren sollte, kommt es zur Kernschmelze, d. h. zu einem Unfall, gegen den die Kernreaktoren weltweit, jedenfalls die Leichtwasserreaktoren, sicherheitstechnisch nicht ausgelegt sind. Deshalb kommt im Zusammenhang mit dem Programm, das wir hier besprechen und das durchgeführt wird, auf uns sicherlich die politische Frage zu, ob denn nicht mit einem Kernfänger, mit einem core-catcher, wie wir ihn beim Schnellen Brüter in Kalkar bauen, die Kernschmelze sicherheitstechnisch beherrschbarer gemacht werden müßte, als sie es zur Zeit ist
An diesem Beispiel wird deutlich, daß unbeschadet der Eintrittswahrscheinlichkeit, so klein sie auch sein mag, möglicherweise auch noch zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für die Unfallauswirkungen, die nicht ausgeschlossen werden können, getroffen werden müßten.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Das ist doch kein Gegensatz zu dem, was ich gesagt habe! Das bestätigt genau die These, die ich gestern vorgetragen habe!)

— Ich hoffe, Sie stimmen meiner These zu, daß es eine falsche Alternative wäre, hier zwischen der notwendigen Minimierung der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Minimierung der Unfallauswirkungen als Zielalternative zu unterscheiden. Wenn das auch Ihre These ist — gestern im Ausschuß war sie es nach meinem Eindruck nicht —, dann bin ich heute froher als gestern.
Nun zu der Frage, ob wir solche Forschungsprogramme auch noch in Europa durchführen müssen. Ich meine, hier wird zu Recht sowohl im Europäischen Parlament als auch hier eine kritische Sonde angelegt, weil jeder eine unnütze Doppelarbeit verhindern will! Wir alle wissen, daß die Programme, die wir national oder auch transnational zwischen den Staaten machen, sehr viel umfangreicher sind, dieselben Fragen betreffen wie die relativ kleinen Programme, die die Europäische Gemeinschaft hier noch auflegt.
Trotzdem meine ich, es ist wichtig, daß wir unterstreichen und begrüßen, daß in den Europäischen
Gemeinschaften solche Programme durchgeführt werden.

(Vorsitz : Vizepräsident Leber)

Jeder Bürger weiß: Wenn es zu Unfällen, zu Störfällen, zum Austritt von Radioaktivität kommt, dann gibt es keine Grenzen. Radioaktive Wolken kennen keine Grenzen. Jeder muß ein Interesse daran haben, daß grenzüberschreitend in Europa und nicht nur in Europa die Standards vereinheitlicht werden, nach oben hin harmonisiert und verbessert werden. Wir alle wissen, daß eine solche Wirkung, höhere und bessere Standards zustande zu bringen, sehr gut über internationale Forschung erzeugt werden kann. Deshalb ist es richtig, wenn wir uns auch für solche internationalen, europäischen Forschungsprogramme aussprechen.
Ich meine auch, es wäre gut, wenn die europäischen Programme, die jetzt an verschiedene Instititute in Europa vergeben werden, unter dem Gesichtspunkt gestaltet werden, den wir hier in die nationale Risikoforschung eingebracht haben. Wir haben gesagt, an diesen Forschungsprogrammen sollten Wissenschaftler unbeschadet ihrer Einstellung zur Kernenergie beteiligt werden. Mit anderen Worten: auch die Europäische Kommission sollte sich nicht scheuen, ebenfalls Wissenschaftler mit Aufträgen an diesen Programmen zu beteiligen, die der Nutzung der Kernenergie skeptisch oder. kritisch gegenüberstehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn wir gemeinsam für die Programme sind, ist die Frage, wieviel Personalstellen nun dafür geschaffen werden, sekundär. Sicherlich sind wir alle gegen eine überstarke Bürokratisierung in Brüssel. Wenn es drei Planstellen werden, wie es sich jetzt im Ministerrat abzeichnet, dann sind die besser als fünf. Vielleicht wäre eine Stelle noch besser gewesen als drei. Wir wissen jedenfalls: Um das Volumen verwaltungsmäßig zu betreuen, hätte im BMFT eine Stelle ausgereicht. In Brüssel braucht man dafür drei. Das ist immer noch besser, als wenn es fünf geworden wären.
Ich meine, wir haben hier ein nützliches Programm, das sehr ernsthafte Fragen aufwirft, auf den Tisch bekommen. Es wird jetzt forschungsmäßig abgewickelt. Wir tun gut daran, mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament die Ergebnisse dieser Forschung sorgfältig zu verfolgen. Denn sie werden uns mithelfen, die von mir an Hand dieser Forschungsthemen diskutierten Fragen zu beantworten. Sicherheitsforschung wirft zwar sehr viele technische Fragen auf und wird auch sehr viele technische Antworten bekommen, ist aber im Kern für uns eine Materialbasis für politische Entscheidungen. Das sollte immer wieder unterstrichen werden.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Richard von Weizsäcker (CDU):
Rede ID: ID0818037400
Das Wort hat der Abgeordnete Laermann.

Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818037500
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Das Programm, mit



Dr.-Ing. Laermann
dem wir uns befassen, enthält mehrere verschiedene Projekte: erstens den Kühlmittelverlustunfall, die Notkühlung, zweitens den Schutz kerntechnischer Anlagen gegen Gaswolkenexplosion, drittens Ausbreitung radioaktiver Spaltprodukte in der Atmosphäre. Im übrigen sollte der Hinweis gestattet sein, daß das letzte Projekt auf Initiative der Bundesregierung, d. h. des BMFT, aufgenommen worden ist.
Zu den Projektbereichen des Programms gibt es in den Mitgliedstaaten selbst bereits Forschungseinrichtungen, Forschungsvorhaben und Forschungsprogramme. Auch sollten nach Ansicht der Kommission selber die drei Themenbereiche kooperativ und parallel in diesen Einrichtungen untersucht werden. Dadurch könnten eine größere Effizienz in den Forschungsbestrebungen und damit auch gleichzeitig eine Verringerung der Kosten erreicht werden. Deswegen ist es sicherlich nicht unzutreffend, wenn ich meine, daß auf zusätzliches Personal — auch nach der Meinung des Forschungs- und Technologieausschusses — bis auf die eine oder andere Personalstelle für die Programmentwicklung im Bereich Kühlmittelverlust in der gemeinsamen Kernforschungsstelle verzichtet werden kann. Alle anderen Bereiche übrigens sollen als theoretisch-praktische Programme im Rahmen von Forschungsaufträgen an die bestehenden Forschungsanstalten vergeben werden.
Das vorliegende Programm kann wesentlich zur Verbesserung des Informations- und Erkenntnisaustausches, zur Koordinierung der angewandten Forschung auf dem Gebiet der Risikountersuchung, der Sicherheitsforschung beitragen. Es liegt damit in der von der Bundesregierung verfolgten Linie, die auch von meiner Fraktion mit allem Nachdruck unterstützt wird, nämlich: eine Angleichung der Sicherheitsanforderungen und der Sicherheitsstandards in kerntechnischen Anlagen auf höchstem Niveau in Euopa zu erreichen. Ich füge meine persönliche Meinung hinzu: nicht nur in Westeuropa.
Die Beurteilung der Reaktorsicherheit stützt sich weitgehend auf theoretische Untersuchungen, auf mathematisch-theoretische Modelle. Experimentelle Untersuchungen sind wohl unerläßlich, um zu einer Verifizierung der Theorien und zu einem besseren Verständnis der Vorgänge im Störfall zu kommen. Die inzwischen im praktischen Betrieb von kerntechnischen Anlagen gewonnenen Erfahrungen gestatten im übrigen auch eine immer praxisnähere praktische Untersuchung und praktische Versuche; das heißt, das Experiment im realistischen Maßstab.
Als Hilfsmittel der Risikoabwägung und zur Prognose über Umweltbedrohungen haben Modelle zur Beschreibung der Freisetzung und Ausbreitung von Spaltprodukten besondere Bedeutung erlangt. Ich darf hier — wie bereits geschehen — noch einmal auf den Rasmussen-Report und auf die deutsche Risikostudie, die im Sommer vorgelegt wurde, hinweisen.
Die Grundlagen derartiger mathematischer Modelle bedürfen zweifellos einer eingehenden Überprüfung, wenn sie nicht zu einer nur theoretischen, nur scheinbaren Sicherheitsaussage führen sollen.
Es sind insbesondere nun solche Modelle zu entwikkeln, die es ermöglichen, auch das Risikopotential von kerntechnischen Anlagen im benachbaren Ausland in solchen Studien zu erfassen. Bedauerlicherweise steht das Instrumentarium und stehen die notwendigen Eingabedaten dazu noch nicht zur Verfügung, so daß auch in der Phase B der deutschen Risikostudie, die noch erarbeitet werden soll, bisher nicht vorgesehen ist, die Freisetzung von Radioaktivität in ausländischen Anlagen in die Untersuchungen einzubeziehen. Es ist aber für unsere Bevölkerung höchst wichtig, zu wissen, wie etwa die infolge eines Unfalls möglicherweise freigesetzte Radioaktivitätswolke einer kerntechnischen Anlage im Ausland die Sicherheit hier beeinträchtigen wird. Für das Sicherheitsempfinden unserer Bevölkerung ist es völlig gleichgültig, ob das Kernkraftwerk 5 km diesseits oder jenseits einer Landes- oder Staatsgrenze liegt.
Das im Programm vorgesehene Projekt erscheint mir daher ein bedeutender Schritt, diese Problematik im Interesse eines europäischen Sicherheitsbedürfnisses einer Lösung zuzuführen. Wir halten dieses Programm für wichtig und bitten um die Zustimmung zu der Beschlußempfehlung des Ausschusses.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818037600
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/2526 unter Nr.1, von der Vorlage auf Drucksache 8/1996 Kenntnis zu nehmen. — Ich stelle fest, daß das Haus Kenntnis genommen hat.
Der Ausschuß empfiehlt außerdem auf Drucksache 8/2526 unter Nr.2 die Annahme einer Entschließung. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie (17. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Burger, Dr. Gruhl, Gerlach (Obernau), Dr. Müller und der Fraktion der CDU/CSU Förderung der Solartechnik in der Bundesrepublik Deutschland
— Drucksachen 8/1268, 8/3016 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Hubrig, Dr. Steger, Dr.-Ing. Laermann
Wünscht der Berichterstatter dazu das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Interfraktionell ist ein Kurzbeitrag je Fraktion vereinbart worden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hubrig.

Dr. Hans Hubrig (CDU):
Rede ID: ID0818037700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zur Verabschiedung steht die Beschlußempfehlung des Aus-



Dr. Hubrig
schusses für Forschung und Technologie vom 20. Juni 1979 zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Förderung der Solartechnik in der Bundesrepublik Deutschland" vom 29. November 1977.
Ziel unseres Antrages war und ist, der Einführung der Solartechnik, d. h. der Nutzung von direkter und indirekter Sonnenenergie in der Bundesrepublik Deutschland, einen Weg zu bahnen. Dabei sind wir von folgenden Prämissen ausgegangen.
Erstens. Die steigenden Energiekosten, insbesondere beim 01, zwingen uns, alle Energiearten, insbesondere die regenerativen Energien, einzusetzen.
Zweitens. Primärenergiesparende Maßnahmen, insbesondere in bezug auf die fossilen Brennstoffe, müssen durch Forschung, Entwicklung und die Einführung neuer Techniken gefördert werden. Die Solartechnik ist nach Auffassung der CDU/CSU eine Chance, die es zu nutzen gilt. Ziel unseres Antrages ist es, dieser marktreifen Solartechnik, welche dank der Initiative, dem Einfalls- und Erfindungsreichtum unserer Forscher und Ingenieure und dank der Innovations- und Risikobereitschaft unserer Unternehmen einen hohen Standard erreicht hat, zum Durchbruch zu verhelfen. Wir wollten keinen Beitrag dazu leisten, die leider in Vergangenheit und Gegenwart geweckten überspannten Erwartungen hinsichtlich der Möglichkeiten der Nutzung der Sonnenenergie noch zu übertreffen. Es ging uns darum, Hemmnisse zu beseitigen, die der Einführung dieser neuen Technik entgegenstehen.
Der Ausschuß für Forschung und Technologie hat nach einer Anhörung von Fachleuten im März 1979 unseren Antrag mehrfach beraten und am 26. Juni 1979 empfohlen, die Bundesregierung aufzufordern, innerhalb von drei Monaten einen Bericht über die auf Grund der Anträge getroffenen Maßnahmen vorzulegen.
Ich möchte die entscheidenden Beschlüsse hier kurz vortragen: Die Bundesregierung soll in Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden die staatlichen Rechtsvorschriften, insbesondere im Bau- und Planungsrecht, überprüfen, soweit sie der Einführung der Solartechnik entgegenstehen, und mit den Ländern Empfehlungen ausarbeiten, die darauf hinauslaufen, Bauanträge, bei denen die Verwendung von Solartechniken beantragt wird, großzügig zu behandeln. Wir sind der Meinung, daß von einer Normung im Interesse der Vielfalt der Entwicklung und der möglichen Fortschritte dieser Techniken zur Zeit abgesehen werden muß.
Ferner konnten wir uns darauf verständigen, die Bundesregierung aufzufordern, zu prüfen, ob zusätzliche Hilfen für die gewerbliche Wirtschaft bei der Einführung der Solartechnik im Rahmen des ERP-Programms möglich sind.
Die Bundesregierung soll bei staatlichen Maßnahmen darüber hinaus durch die Förderung der Errichtung von Demonstrationsanlagen mehr tun als bisher beschlossen.
Ferner soll das Programm des Bundesministers für Wirtschaft zur Markteinführung energiesparender Produkte und Verfahren ausgebaut werden.
Zwei weitere Forderungen haben nach unserer Auffassung besonderes Gewicht:
Erstens. Die Anhörung im März dieses Jahres hat deutlich gemacht, daß die Informationen über die Chancen der Solartechnik bei Bauherren, Architekten, Handwerkern und in der Wirtschaft unzureichend sind. Hier ist die Bundesregierung aufgefordert, durch Bereitstellung von Mitteln, unter anderem für die Förderung von Demonstrationsanlagen im Regionalbereich unter Berücksichtigung der dort ansässigen kleinen und mittleren Betriebe, ihren Beitrag zu leisten.
Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Idee aufgreifen — und hier noch einmal der Öffentlichkeit vorstellen —, die von Herrn Diplom-Ingenieur Möllmann von den Buderusschen Eisenwerken in Wetzlar stammt. Er hat die Fernseh- und Rundfunkanstalten aufgefordert, in einer Sendefolge unter dem Titel „Der 8. Sinn — Energie-Sinn die Information aller betroffenen Kreise in bezug auf Energiesparmaßnahmen und neue Techniken zu verstärken.
Zweitens. Die CDU/CSU fordert die Einführung einer Solarprämie in Form einer Investitionszulage für Anlagen, die direkt oder indirekt die Solarenergie nutzen, z. B. Sonnenkollektoren und Wärmepumpen, in Höhe von 20% bei einem Mindestanschaffungspreis von 4000 DM für die Laufzeit des Programms heizkostensparender Investitionen, des sogenannten 4,3-Milliarden-DM-Programms, das bis 1981 läuft.
Wir sind der Überzeugung, daß selbst bei Abbau der oben angeführten Hemmnisse im Bau- und Planungsrecht bei dem noch immer nicht gesicherten kostendeckenden Einsatz der Anlagen diesen neuen Techniken nur durch steuerliche Anreize zum Durchbruch verholfen werden kann. Der bisherige Ablauf des 4,3-Milliarden-DM-Programms der Bundesregierung hat gezeigt, daß ohne spezielle Förderung dieser neuen Techniken weit über 90 % aller Mittel ausschließlich der Wärmedämmung von Fenstern gedient haben. Das heißt, die wesentliche Absicht des Programms, neue Technologien zu fördern, wurde verfehlt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Erfolg des Programms des Landes Baden-Württemberg von 1977, das eine 30 %ige Zulage zu den direkten Kosten von Solaranlagen zur Warmwasseraufbereitung gewährt hat.
Das Land Schleswig-Holstein hat unter dem Datum vom 11. September 1979 — Bundesratsdrucksache 458 — mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung energiesparender Maßnahmen einen weiteren Versuch unternommen, durch steuerliche Anreize — hier wird vorgeschlagen, beim Einbau von Wärmepumpen, Wärmerückgewinnungs-, Solar-und Windkraftanlagen eine 60 %ige Abschreibung im Jahr der Anschaffung zu gewähren — die Entwicklung dieser Techniken zu fördern.
Doch zurück zu unserem Antrag bezüglich einer Solarprämie. Die Koalitionsparteien — jetzt wird es interessant — haben diesem Vorschlag im Ausschuß



Dr. Hubrig
nicht zugestimmt, wobei festzuhalten ist, daß dieselben Parteien im Haushaltsausschuß das Gegenteil getan haben.

(Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Sie haben in der Sitzung vom 31. Mai 1979 den Antrag einmütig befürwortet.
Wenn die Erklärungen, Sonntags- und Alltagsreden der Bundesregierung in bezug auf die Notwendigkeit von Energieeinsparungen und die Nutzung der Sonnenenergie ernst genommen werden sollen, muß die Bundesregierung einsehen, daß man nicht auf die möglichen Steuerausfälle durch Prämien oder steuerliche Erleichterungen starren darf, anstatt die Millionen, besser: Milliarden zu sehen, die durch die Einführung dieser neuen Techniken in unserer Energiebilanz eingespart werden können, ganz abgesehen von der Schaffung neuer Arbeitsplätze in diesem Bereich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen die Bundesregierung daran erinnern, daß sie auf eine Frage meines Kollegen Lenzer am 24. Juli 1977 im Deutschen Bundestag erklärt hat, daß, solange die Ergebnisse der Studie zur Überwindung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hemmnisse bei der Einführung der Solarenergie nicht vorlägen, steuerliche Erleichterungen zur Einführung der Solartechnik nicht sinnvoll seien. Die Einsparstudie — so die Terminologie der Bundesregierung — wurde bereits 1978 veröffentlicht.
Jetzt kann und muß die Bundesregierung handeln, um diesen neuen Techniken im Sinne weiterer Energieeinsparungen und der Nutzung der Sonnenenergie zum Durchbruch zu verhelfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818037800
Das Wort hat Frau Kollegin Erler.

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0818037900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon die Alten haben den weisen Spruch geprägt: „Ein kluges Tier geht auf allen Beinen." Dieser Spruch trifft sicherlich in ganz besonderer Weise auf die Nutzung der Energie zu. Bei dem bisher zu verzeichnenden und immer noch fortdauernden rücksichtslosen Verbrauch von nicht wiederherstellbaren Energieträgern wie 01, Erdgas, Kohle und auch Uran setzen wir uns nicht nur dem Vorwurf unserer Kinder und Kindeskinder aus, daß wir die Schätze dieser Erde rücksichtslos ausbeuten, sondern auch — und dies jetzt schon — dem Vorwurf der Entwicklungsländer, daß wir die Primärenergien verbrauchen und ihnen damit vorenthalten. Daher ist es wahrlich an der Zeit, nicht nur mit allen Kräften die Technologien zur Nutzung der regenerierbaren Energien zu entwickeln, wie es z. B. das BMFT mit seinen Programmen ja schon tut. Wir müssen vielmehr auch — darüber sind wir uns völlig einig — eine verstärkte Anwendung dieser neuen Technologien, wo immer möglich, fördern.
Dabei vereinigt die Solartechnik eine ganze Reihe von Vorteilen in sich: nicht nur Regenerierbarkeit des Primärenergieträgers und völlige Umweltfreundlichkeit, auf jeden Fall bei nicht großtechnischer Nutzung, sondern auch — das finde ich besonders wichtig — die dezentrale Anwendung mit allen positiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen dezentraler Energieversorgung. Aus diesen gesammelten Vorteilen ergibt sich automatisch, daß kein Mensch auf die Idee käme, die Sonnenenergie abzulehnen. Widerstand, der neuerdings ja immer vornehm als „Akzeptanzprobleme" bezeichnet wird, gegen Solarenergie gibt es also nicht. Das spiegelt sich auch sehr deutlich in der Auftragslage der Unternehmen wider. Dort gibt es im Moment einen wahren Boom. Die Wartezeiten werden immer länger. In den vier Jahren von 1974 bis 1978 wurden 33000 qm Solarflachkollektoren produziert. Allein im Halbjahr 1978 waren es schon 17 000 qm. Das Problem liegt im Moment also nicht bei der Nachfrage, sondern bei der mangelnden Produktionskapazität.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU]: Das stimmt leider nicht, Frau Kollegin! Nach den Aussagen in der Anhörung stimmt das überhaupt nicht!)

— Diese Zahlen sind ermittelt worden.
Da wir alle ja kluge Tiere sein, d. h. auf allen Beinen gehen wollen, gibt es bei uns nicht den geringsten Streit darüber, daß Sonnenenergie so breit wie möglich genutzt werden muß. Zwar würde die Strahlungsenergie, die pro Jahr auf die Bundesrepublik trifft, fast 80mal unseren Primärenergiebedarf dekken; aber uns ist ja allen klar, daß wegen ihrer geringen Dichte und der tages- und jahreszeitlichen Schwankungen beim besten Willen nur ein Teil davon nutzbar ist. Um so mehr müssen wir natürlich versuchen, diesen Teil nun wirklich voll zu nutzen. Das wird sicherlich auch noch verbesserte Auffang-
und Speichertechniken erfordern. Die Prognosen über die Nutzbarkeit — etwa im Jahre 2000 oder auch darüber hinaus — divergieren zwar stark, aber wir sind uns alle einig darüber, daß Sonnenenergie auch in unseren Breiten maximal genutzt werden muß.
Meine Damen und Herren, in der Öffentlichkeit werden ja häufig — gerade in letzter Zeit — nicht nur gewisse Verkrustungen in den Parteien, sondern auch in diesem Parlament immer wieder beklagt. Ich habe den Eindruck, daß der vorliegende Antrag ein typisches Beispiel für diese Verkrustung ist. Es werden in diesem Antrag auf dem so wichtigen Gebiet wie der Förderung der Anwendung der Solartechnik keinerlei neue Vorschläge gemacht, sondern hier wurde im Grunde aus der Erfolgsbilanz dieser Regierung abgeschrieben. Ein einziger Vorschlag ist neu, der um eines spektakulären neuen Wortes willen gemacht wurde und der eine meiner Ansicht nach unsinnige Spezialförderung der Sonnenenergie beinhaltet.
Die Forderung nach Zusammenstellung aller hinderlichen Rechtsvorschriften war schon zum Zeitpunkt der Antragstellung — das war Ende 1977 — überholt, da der Bund damals längst schon einen solchen Antrag gegeben hatte. Heute ist er nun wirklich absolut überholt, da diese Zusammenstellung vorliegt und Ihnen ja nun auch bekannt sein dürfte, da er vor einem halben Jahr dem Bauausschuß zugeleitet wurde.



Frau Erler
Auch die Bauvorschriften stehen dem Einbau der Solaranlagen nicht entgegen. Das hat ja die Studie ergeben. Es kann also nur noch darum gehen, in den wenigen bisher bekannten Ablehnungsfällen — der Bundesbauminister hat ja dankenswerterweise erklärt, jeder Bürger, dessen Antrag abgelehnt wird, solle sich an ihn wenden — einen Appell an die Länder bzw. an die entsprechenden Kommunen zu richten, großzügig zu verfahren. Das ist aber allein Ländersache. Der Bauminister hat seit längerer Zeit in der ARGEBAU versucht, die Länder zu mahnen, hier nun wirklich initiativ zu werden. Meine Frage an Sie lautet daher, ob Sie in den Ländern, in denen die CDU regiert, entsprechend initiativ geworden sind und versucht haben, in diesem Sinne einzuwirken. Ich weiß nicht, was es da im Moment sonst noch viel zu fordern gibt.

(Lenzer [CDU/CSU]: Wir regieren mit milder Hand!)

Wegen des notwendigen Ermessensspielraumes werden hier allerdings selbst Ländererlasse, wie etwa der bayerische Erlaß, der ja in dieser Frage sehr fortschrittlich ist, nicht so viel ausrichten, wie es die zum Glück inzwischen sehr aktive öffentliche Meinung tut. Der Fall Überlingen zeigt das sehr deutlich. Man sollte wohl prüfen, welche zusätzlichen Hilfen die gewerbliche Wirtschaft für die Einführung und Nutzung der Solartechnik braucht. Dabei muß aber auch jedem klar sein, daß auch jetzt schon die ERP-Mittel voll in Anspruch genommen werden können.
Für bundeseigene Bauten sind im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms 80 Einzelvorhaben bei fast allen Ressorts aufgenommen worden. Wir begrüßen bei der Durchführung besonders, daß dort kleine und mittlere Unternehmen tätig werden konnten. Eine Fortführung solcher Vorhaben und ihre Nutzung für Demonstrationszwecke ist sicherlich sehr nützlich.
Auch die beiden letzten Punkte des Antrags betreffend den Ausbau des Programms zur beschleunigten Markteinführung und die verstärkte Information aller Beteiligten sind nur eine Betonung dessen, was die Bundesregierung schon tut.
Einem einzigen Punkt des Antrags können wir allerdings nicht zustimmen: Wir sehen keinerlei Sinn darin, speziell für die Solarenergie, eine Solarprämie auszuwerfen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die Nutzung der Sonnenenergie ist sinnvoll in Verbindung mit Maßnahmen zur rationellen Energieverwertung. Eine Sonderförderung birgt dagegen sogar die Gefahr in sich, daß es bei den Benutzern zu Enttäuschungsreaktionen kommt, etwa wenn mangelnde Wärmedämmung und überhöhte Dimensionierung der Heizungsanlagen die Sonnenkollektoren nicht optimal zur Wirkung kommen lassen. Es müßte dann also eventuell das ganze Heizungssystem, z. B. also auch Fußbodenheizungen, mitgefördert werden. Da im Moment das 4,35-MilliardenDM-Energiesparprogramm fast ausschließlich, wie der Kollege Hubrig völlig richtig gesagt hat, in die Verbesserung der Fenster gegangen ist, wird man
sehr genau diskutieren müssen, in welcher Weise man es fortschreibt. In diesem Rahmen wird man auch die Solarenergie mit ihren neuen Technologien besonders berücksichtigen müssen.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Warum nicht mit der Prämie?)

Wir halten es im Moment jedoch für sinnlos, isoliert eine Förderung von Sonnenkollektoren und Wärmepumpen vorzunehmen.
Ich meine, die Opposition hätte sich, wenn sie hier zu diesem wichtigen Thema schon einen Antrag einbringt, ein bißchen mehr einfallen lassen können, als der Bundesregierung nur zu bestätigen, daß sie im Grunde ja alles ganz prima mache und daß man in der Richtung bloß ein bißchen mehr tun müsse.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818038000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Riesenhuber?

Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0818038100
Wenn es nicht von meiner Zeit abgeht.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818038200
Es geht von Ihrer Zeit nicht ab.

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID0818038300
Frau Kollegin Erler, sind Sie der Ansicht, daß die wesentliche Aufgabe in der Überwindung der Marktschwellen für neue Technologien besteht, daß der Durchbruch von Solarenergie und Wärmepumpen zur Großserie nur gelingen kann, wenn wir tatsächlich jetzt die Marktschwelle überwinden, und daß der langfristige Erfolg nur erreicht werden kann, wenn ein funktionierendes Dienstleistungsnetz aufgebaut werden kann, so daß eine gezielte Förderung dieser neuen Technologien in den Markt hinein in der Tat gerechtfertigt sein könnte, und daß hierfür ähnlich wie in Baden-Württemberg das Instrument der Solarprämie geeignet sein kann?

(Zuruf von der SPD: Sie Investitionslenker!)


Brigitte Erler (SPD):
Rede ID: ID0818038400
Herr Kollege, ich habe das vorhin schon deutlich gesagt: Wir sind völlig einer Meinung, daß man bei der Markteinführung Unterstützung geben muß. Diesen ganzen Punkten stimmen wir zu. Wir sind bloß der Meinung, daß man jetzt nicht gesondert die Solarenergie fördern sollte, weil die Gefahr besteht, daß dadurch eine Enttäuschungsreaktion hervorgerufen wird, so daß genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was wir wol- len, nämlich eine langfristige Förderung und eine Verbesserung in der Anwendung der Solarenergie.

(Beifall bei der SPD — Riesenhuber [CDU/ CSU]: Wir sind auseinander; ich nehme es zur Kenntnis!)

Wir könnten uns z. B. vorstellen, daß man, wenn man einen solchen Antrag stellt, auf die Idee hätte kommen können, daß der Wärmebedarf öffentlicher Schwimmbäder. und Turnhallen nur noch über Sonnenkollektoren und Wärmepumpen gedeckt werden darf. Beides hat die Wirtschaftlich-



Frau Erler
keitsschwelle nahezu erreicht. Da im Vergleich zur Ölheizung die Investitionen allerdings noch erheblich höher sind und außerdem das Vertrauen in diese moderne Technologie noch nicht so stark ist, sehen die meisten Gemeinden im Moment noch davon ab, auf diesen Gebieten die Solarenergie zu nutzen. Wir können uns vorstellen, daß hier eine Investitionszulage nach § 4 a des Investitionszulagengesetzes anregend wirken würde. Bei den rund 6 000 Frei- und Hallenbädern in der Bundesrepublik ergäbe sich eine Einsparung, etwa bei einer Ausstattung wie im Modellversuch des Schwimmbads Wiehl, von ca. 1 Million t SKE. Auch hätte dies einen starken regionalen Demonstrationseffekt, da, wie Sie wissen, sehr viele Leute in ein solches Schwimmbad gehen.
Meine Damen und Herren, lassen sie uns alles tun, um uns stärker als bisher auf das Bein „Sonnenenergie" zu stellen. Wir haben mit dem Forschungs-und Entwicklungsprogramm zur Nutzung der Sonnenenergie, bei dem für die Solarenergie im engeren Sinne 1979 bis 1982 300 Millionen DM vorgesehen sind, ebenso wie mit der Markteinführungsstrategie über das Energieeinsparungsprogramm, das Investitionszulagengesetz, das Zukunftsinvestitionsprogramm den richtigen Weg beschritten. Lassen Sie uns ihn mit großen Schritten weitergehen!

(Beifall bei der SPD — Pfeffermann [CDU/ CSU]: Das schlagen wir Ihnen doch gerade vor! Gerade haben Sie das abgelehnt, Frau Kollegin!)

— Herr Kollege, Sie haben wieder nicht zugehört, was ich gesagt habe.
Ich beantrage im Namen der Koalitionsfraktionen eine gesonderte Abstimmung über Punkt 4 der Beschlußempfehlung.

(Beifall bei der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818038500
Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Laermann.

(Zuruf des Abg. Lenzer [CDU/CSU])


Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818038600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Lenzer, nur kein Neid.
Nach den Vorstellungen der FDP-Fraktion ist neben der rationellen und sparsamen Energieverwendung eines der vorrangigsten energiepolitischen Ziele die verstärkte Nutzung und Markteinführung alternativer, insbesondere erneuerbarer Energiequellen, zu denen wohl hauptsächlich die Sonnenenergie gehört. In Verbindung mit Wärmepumpen — und damit gegebenenfalls auch mit elektrischem Strom, Herr Kollege Narjes — wird die dezentrale Nutzung der Sonnenenergie auch in unseren Breiten zukünftig einen bemerkenswerten und energiepolitisch sicher wichtigen Anteil zur Deckung des Energiebedarfs für Raumheizung und zur Warmwasserbereitung haben. Ich bin überzeugt, daß auch für Klimaanlagen in absehbarer Zeit die Solarenergie eingesetzt werden kann. In der letzten Zeit sind mir dazu interessante Vorschläge — realisierbare Vorschläge — vorgelegt worden.
Nun bin ich allerdings der Meinung, daß die im vorliegenden Antrag geforderte Solarprämie nicht der richtige Ansatz ist, um das gewünschte Ziel der rationellen und sparsamen Energieverwendung zu erreichen. Es ist nicht vertretbar, nur und einseitig die Nutzung der Sonnenenergie zu fördern.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Warum haben Sie es im Ausschuß passieren lassen? — Dr. Hubrig [CDU/CSU]: Da hatten sie zufällig nicht die Mehrheit!)

— Herr Kollege Pfeffermann, über die Vorgänge im Ausschuß müßten Sie Ihre Kollegen, die Mitglieder des Ausschusses sind, befragen. Hier steht die Beschlußempfehlung zur Debatte.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Haben Sie im Ausschuß die Mehrheit oder nicht?)

Sie können aus der Vorlage entnehmen, wie das Abstimmungsergebnis im Ausschuß gewesen ist.

(Lenzer [CDU/CSU]: Eine sehr segensreiche Empfehlung!)

Also: keine Solarprämie und auch keine einseitige Nutzung der Sonnenenergie, weil nach unserer Meinung die anderen Möglichkeiten gleichrangig zu fördern sind. Die Förderung ist nur an der Effizienz der Einsparung von konventioneller Energie zu orientieren. Deswegen sind Anlagen zur Wärmerückgewinnung mindestens genauso zu fördern wie Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie. Ich darf hier als Beispiel erwähnen, daß es auch die Möglichkeit gibt, Wärmepumpen in Verbindung mit der Nutzung von Abfallwärme zu betreiben, etwa der Wärme aus Flußläufen. Das hätte noch den Nebeneffekt, daß wir gleichzeitig die Wärmebelastung der Flüsse abbauen. Ich erwähne ferner die Nutzung des Wärmepotentials von Abwässern. Zu fördern sind nach unserer Meinung auch Blockheizkraftwerke oder etwa der Einsatz von kleinen Gasabsorptionspumpen.
Die Förderung erfolgt heute über Zuschüsse nach dem Wohnungsbaumodernisierungsgesetz und auch über die Steuervergünstigung. Dies wollen Sie bitte auch nicht außer acht lassen: Wer hohe Aufwendungen für neue Heiztechnologien erbringt, wird sich sicher überlegen, ob er lieber die Zuschüsse oder lieber die Steuervergünstigung in Anspruch nimmt. Auf die entsprechenden Paragraphen des Einkommensteuergesetzes brauche ich hier wohl nicht hinzuweisen.
Gegen eine einseitig ausgerichtete Solarprämie spricht aber auch, daß wir berücksichtigen müssen, daß zur Deckung der Nachfrage und zur Anreizung der Nachfrage eine entsprechende Produktionskapazität für Geräte und Anlagenteile geschaffen werden muß, Herr Kollege Riesenhuber. Die Nachfrage nach solchen Anlagen ist sicherlich sehr groß, und so haben wir heute schon recht lange Lieferfristen von sechs bis acht Monaten. Wollen Sie diese Fristen noch verlängern? Wollen Sie die Solarprämie nur für vier Jahre gewähren? Dann erzeugen Sie einen unheimlichen Nachfragedruck, der nach vier Jahren abflacht. Dann sind aber Produktionskapazi-



Dr.-Ing. Laermann
täten aufgebaut worden, die nicht ausnutzbar sind. Auch dies wollen Sie bitte berücksichtigen.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Was haben Sie mit der Doppelfensterindustrie gemacht?)

Das Ausbaugewerbe im Heizungs- und Sanitärbereich ist heute bereits zu 100 % ausgelastet. Wollen Sie einen zusätzlichen Kostendruck hervorrufen? Wir haben dort einen Mangel an Facharbeitern und Fachmonteuren zu beklagen.

(Dr. Hubrig [CDU/CSU]: Das ist eine viel zu kurzfristige Betrachtung!)

Diese Engpässe sind nicht kurzfristig über Zuschüsse, mögen sie auch noch so hoch sein, zu überwinden.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Machen Sie nicht so viele faule Ausreden! Sagen Sie einfach: „Wir wollen nicht"!)

— Herr Pfeffermann, dies sind Realitäten.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Ach wo, bei den Doppelfenstern haben Sie es auch anders gemacht!)

Ich habe gerade auszuführen versucht, daß es erstens darum geht, nicht nur einseitig eine Prämie für Solarenergieanlagen zu geben, sondern daß alle anderen Möglichkeiten gleichfalls gefördert werden müssen, und zwar nach den gleichen Grundsätzen und den gleichen Prinzipien. Es gibt überhaupt keinen Anlaß dafür, nur die Techniken für die Nutzung der Sonnenenergie zu fördern.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Das ist doch die Öffnung des Marktes für neue Technik!)

— Ja, ich habe gerade versucht, vorsichtig darauf hinzuweisen, welche Situation wir derzeit am Markt haben. Die müssen Sie dabei ja auch berücksichtigen.

(Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Und bei den Doppelfenstern? — Abg. Dr. Hubrig [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818038700
Kollege Hubrig, von den Fraktionen sind Kurzbeiträge vereinbart worden. Ich habe vorhin eine Ausnahme gemacht. Ich bitte um Verständnis wegen des Fortgangs der Debatte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann (FDP):
Rede ID: ID0818038800
Im Hinblick auf den vorliegenden Beschlußantrag möchte ich als besonders wichtig herausstellen, daß die Bemühungen intensiviert werden müssen — hier sind in erster Linie die Länder und Kommunen angesprochen —, Restriktionen und Behinderungen durch die Baugenehmigungsbehörden abzubauen. Es gibt immer wieder Meldungen und Klagen über Behinderungen der Installation von Solaranlagen. In der Studie liegt ja eine umfassende Untersuchung über Behinderungen vor. Die Bundesregierung ist aufgerufen — sie bemüht sich auch inzwischen darum —, auf Länder und Kommunen einzuwirken, die behindernden Elemente in den Bauordnungen zu beseitigen und die
Bauleitplanungen den Erfordernissen der Energieeinsparung anzupassen. Eine Vielzahl von System-und Gerätetypen sind in der Entwicklung. Die praktische Erprobung und die Erfahrungen fließen in weitere Verbesserungen ein. Daher — auch dies ist ja im Antrag so formuliert worden — sollte von voreiliger Normung abgesehen werden. Wir sind der Meinung, daß sich eine voreilige Normung auf die Entwicklung nur behindernd auswirken könnte.
In diesem Zusammenhang ist eine Nachricht beunruhigend, nach der aus dem Bereich des Technischen Überwachungsvereins aus Sicherheitsgründen eine Normung und Zulassung gefordert werden; denn Solaranlagen seien im Prinzip den Dampfkesselanlagen zuzurechnen. Das ist eine erstaunliche Begründung. Man wird solche Forderungen prüfen und entsprechende Entwicklungen sorgfältig daraufhin überprüfen müssen, ob dadurch neue Behinderungen für eine beschleunigte Markteinführung neuer Heizenergietechnologien zu befürchten sind oder entstehen können.
Es scheint uns auch wichtig zu sein, daß öffentliche Gebäude — hierzu zähle ich insbesondere Schulen, Sporthallen und Schwimmbäder —, vor allem der Altbestand, auf neue energiesparende und damit auch kostensenkende Heizsysteme umgerüstet werden. Dabei sollten wohl bevorzugt alternative Energien eingesetzt werden. Investitionshilfen dürfen auch hier nicht nur für eine Technik gewährt werden. Entscheidende Kriterien für Förderhilfen dürfen auch hier nur energiewirtschaftliche und Kosten-Gesichtspunkte sein.
Weiterhin stimmen wir der Beschlußempfehlung, dem Antrag insofern zu — das möchten wir noch einmal ausdrücklich betonen —, als Beratung und Information über neue Heiztechniken und energiesparende Maßnahmen weitgehend neutral, frei von geschäftlichen Interessen — jedenfalls weitgehend frei von diesen — betrieben und verstärkt werden müssen. Für Aufklärung und Ausbildung muß mehr getan werden, um der rationellen Energieverwendung zum Durchbruch zu verhelfen. Das ist nicht nur eine Frage der Technik, das ist nicht nur eine Frage des politischen Willens, sondern Energieeinsparung ist vor allen Dingen auch eine Frage der Motivation der Verbraucher, eine Frage des Darauf-Hinweisens und der Information über die Möglichkeiten zur Energieeinsparung. Deswegen meine ich, daß man auch Verbraucherberatungsstellen oder z. B. die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie zur verstärkten Verbraucherinformation einsetzen sollte. Es wäre gut, auch hierfür, für eine' solche Beratung öffentliche Mittel zur Verfügung zu stellen.
In den Zielen dieses Beschlußantrages stimmen wir — unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich der Instrumentarien — wohl alle überein: verstärkte Entwicklung und Nutzung alternativer, insbesondere erneuerbarer Energiequellen, Einführung von Wärmepumpen, Nutzung von Abwärme und Abfallwärme, Nutzung der natürlichen Wärmereservoire wie Flüsse, dezentrale Sonnenenergienutzung in Verbindung mit Wärmepumpen. Technisch zur Anwendungsreife entwickelt, sollte die



Dr.-Ing. Laermann
Markteinführung mit einem Paket von Förderungsmaßnahmen unterstützt werden. Insoweit besteht grundsätzliche Übereinstimmung mit den vorliegenden Beschlußempfehlungen. Wir sind der Meinung, daß wir Überlegungen darüber anstellen müssen, wie wir die finanzielle Förderung heizenergiesparender neuer Techniken, der Nutzung alternativer Energiequellen generell verstärken können.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818038900
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3016, die Beschlußempfehlung anzunehmen. Es ist beantragt, über die Ziffer 4 gesondert abzustimmen.
Ich rufe daher zunächst die Ziffern 1 bis 3 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nun Ziffer 4 der Beschlußempfehlung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ziffer 4 ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr die Ziffern 5 bis 8 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Die Ziffern 5 bis 8 sind einstimmig angenommen. Damit ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit Ausnahme der Ziffer 4 angenommen.
Die Punkte 16 und 17 sind von der Tagesordnung abgesetzt worden. Ich rufe daher Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Kostenvorschriften des Atomgesetzes
— Drucksache 8/3195
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Schoeler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0818039000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf einer Kostennovelle zum Atomgesetz soll die Möglichkeit geschaffen werden, den Genehmigungsinhabern und den Antragstellern kerntechnischer Einrichtungen die anfallenden Verwaltungskosten und die Aufwendungen für die Errichtung und den Betrieb von Sammelstellen der Länder für die Zwischenlagerung der in ihrem Gebiet angefallenen radioaktiven Abfälle und von Anlagen des Bundes zur Sicherung und Endlagerung radiokaktiver Abfälle nach dem Verursacherprinzip in voller Höhe aufzuerlegen.

(Sehr gut! bei der SPD)

Nach dem bisher geltenden Recht sind die Gebührensätze im atomrechtlichen Verwaltungsverfahren niedrig gehalten, weil die friedliche Verwendung der Kernenergie gefördert und die Entwicklung und Erprobung von Kernenergieanlagen nicht mit vergleichsweise hohen Verwaltungskosten belastet werden sollten. Dieser Förderzweck ist heute weitgehend überholt.

(Sehr gut! bei der SPD)

Errichtung und Betrieb kerntechnischer Anlagen sind längst in eine Phase großtechnischer, kommerzieller Anwendung hineingewachsen. Sie können und müssen wie die Errichtung und der Betrieb vergleichbarer Anlagen von Chemie, Kohle oder Stahl behandelt werden.
Das Verursacherprinzip ist strikt und konsequent auch auf die Kernenergie anzuwenden. Dies gilt bis hin zur Gewährleistung einer beseitigungsfreundlichen Planung der Kernkraftwerke und einer ausreichenden finanziellen Vorsorge für die Beseitigung. Die entsprechenden Regelungen können allerdings nicht Gegenstand der gegenwärtigen Kostennovelle sein, sondern müssen einer gründlichen Revision des Atomgesetzes vorbehalten bleiben.
Es geht aber nicht nur um ein Prinzip, sondern auch um wichtige praktische Folgen für die Wirtschaft und die Sicherheit in unserem Lande. Die alten Gebührensätze, die dem Verursacherprinzip nicht entsprechen, haben die Länder nach ihren eigenen, der Bundesregierung immer wieder entgegengehaltenen Bekundungen daran gehindert, ihre Genehmigungsbehörden ausreichend mit Personal und Sachmitteln auszustatten. Das drohte die Durchführung der atomrechtlichen Verwaltungsverfahren zunehmend zu verzögern. Der Bundesminister des Innern ist aber auch und gerade aus Gründen der Sicherheit der Bevölkerung daran interessiert, daß die Genehmigungsbehörde gut mit Fachleuten besetzt ist, damit die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen für neue Anlagen und die Aufsicht über die in Betrieb befindlichen Anlagen die bestmögliche Effizienz gewährleisten. Dies sollen, soweit das verfassungsrechtlich zulässig ist, die Verursacher finanzieren.
Im Rahmen dieser Beratung möchte ich noch auf ein anderes akutes Problem eingehen. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die Regierungschefs von Bund und Ländern in ihrem Beschluß vom 28. September 1979 einen neuen Anlauf genommen haben, das Entsorgungsproblem zu lösen. Sie sind u. a. übereingekommen, die Arbeiten für das integrierte Entsorgungskonzept auch mit dem Ziel der sicherheitstechnischen Optimierung unter Federführung des Bundes fortzuführen und gleichzeitig auch andere Entsorgungstechniken — z. B. die direkte Endlagerung von abgebrannten Brennelementen ohne Wiederaufarbeitung — zu untersuchen.
Für dieses Programm können keine Gebühren erhoben werden, weil der Bund verfassungsrechtlich nicht in der Lage ist, ein verwaltungsförmliches Genehmigungsverfahren selbst durchzuführen. Das können in diesem Falle nur die Länder. Außerdem gibt es zur Zeit keinen Antragsteller und keinen Kostenschuldner. Der Innenminister und der Forschungsminister können und werden aber durch ihren Sachverstand und im Rahmen der ihnen hierzu



Parl. Staatssekretär von Schoeler
im Haushalt zur Verfügung gestellten Mittel einen ganz wesentlichen Beitrag zur sachlichen Problemlösung leisten. Ohne dem im einzelnen vorgreifen zu wollen, darf ich sagen, daß der Bundesminister des Innern und der Bundesforschungsminister hierzu auch bereit sind. Die erforderlichen Maßnahmen sollten im Interesse der Entsorgungsvorsorge unverzüglich eingeleitet werden. Dabei sollte bei den Gutachten bedacht werden, daß sie bei Verwendung in einem späteren konkreten Genehmigungsverfahren vom Antragsteller refinanziert werden.
Ich darf mit der Bitte schließen, der Bundesregierung noch für das Haushaltsjahr 1980 die notwendigen Stellen und Mittel zur Verfügung zu stellen, damit der erreichte Konsens mit den Ländern auch in die Tat umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818039100
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID0818039200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesminister des Innern hat zu Beginn dieser Legislaturperiode sehr ehrgeizig und wiederholt eine fünfte Novelle zum Atomgesetz angekündigt, mit der er einen langen Katalog dringend regelungsbedürftiger Fragen, von der Präzisierung des Begriffs „nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge" bis zur Bürgerbeteiligung und Verbandsklage neu ordnen wollte. Übrig geblieben ist allein die nun vorliegende Kostennovelle, deren Bedeutung weit über die Frage einer einfachen Erhöhung der Gebührensätze des Atomgesetzes entsprechend dem Verursacherprinzip hinausgeht. Ihr Zweck ist es, der Bundesregierung eine umfassende Ermächtigung zu verschaffen, nicht nur die Gebühren für die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb kerntechnischer Anlagen festzusetzen, sondern auch andere gebührenpflichtige Tatbestände und entsprechende Gebührensätze auf dem Verordnungswege näher zu bestimmen.
Die Zielsetzung in der Sache ist es zunächst, Kostendeckung beim Vollzug des Atomgesetzes zu sichern. Nur ist unbekannt, wie die Gebührenermittlung erfolgen soll. Wer ist z. B. der Schuldner, und wie hoch ist die kostendeckende Gebühr im Falle des Bürgers, der die Stillegung eines Kernkraftwerkes beantragt, weil er eine besondere Gefahrenlage vermutet? Vor dem Absturz von Skylab hat es viele dieser Anträge gegeben. Eine weitere Frage: Was bedeutete Kostendeckung im normalen Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke ? Früher dauerte es nicht länger als ein Jahr, bis nach der Antragstellung die erste Teilerrichtungsgenehmigung erteilt wurde. Gegenwärtig liegen acht Anträge, einige seit über fünf Jahren, bei den Behörden, ohne daß sich absehen ließe, wann und mit welchem Ergebnis sie schließlich beschieden werden. Das Personal im Bundesinnenministerium ist in diesem Zeitraum übrigens verdoppelt worden. Herr Staatssekretär, dies hat sich nicht beschleunigend auf die Verfahren ausgewirkt.
Die Verfahren ersticken im Papier. Für einen Dampferzeuger benötigt man derzeit 40 000 Unterschriften. Die Aktendokumentation wiegt mehr als die Komponente selbst. Die Bürokratie dreht sich immer schneller im Kreise, entschieden wird aber nichts. Wie kann man da kostendeckende Gebühren ermitteln? Die Bundesregierung bleibt eine schlüssige Antwort schuldig. Sie fordert aber praktisch eine Blankoermächtigung für eine Kostenverordnung von diesem Parlament und lehnt es gleichzeitig ab, die ausführenden Länder mitbestimmen zu lassen. Die Folge kann nur eine weitere unsinnige Bürokratisierung und Aufblähung der Behördenapparate sein. Mit der Erhöhung des Sicherheitsstandards hat dies nichts mehr zu tun. Es geht in Wirklichkeit um ein ständig steigendes formales Absicherungsbedürfnis, weil der Mut zur politischen Entscheidung fehlt und sich überall Unsicherheit ausbreitet. Wie auch immer die Gebühren erhöht werden — die Erhöhung der geltenden Sätze ist in der Tat notwendig und unbestritten —, sie sind klein gegenüber den volkswirtschaftlichen Verlusten durch die Verzögerungen der Genehmigungsverfahren. Jeder Tag, den ein Kernkraftwerk später ans Netz geschaltet werden kann, kostet die Volkswirtschaft und damit letztlich den Verbraucher rund 1 Million DM.
Ich komme zu einem zweiten Punkt. Gebührenpflichtige Tatbestände bei der staatlichen Aufsicht über den Umgang mit radioaktiven Stoffen, kerntechnischen Anlagen, Geräten usw. sollen künftig von der Bundesregierung auf dem Verordnungsweg näher bestimmt und die Gebührensätze festgesetzt werden. Die bisher geltende Einschränkung auf außergewöhnliche Maßnahmen soll entfallen. Dies kann man nur so deuten: Der gewerbepolizeiliche Grundsatz, daß die normale Überwachung kostenlos und generell von den Steuern abgedeckt ist und eine Kostenpflicht nur vorliegt, wenn das Maß des Üblichen erheblich überschritten und das Einschreiten von Amts wegen durch regelwidriges Verhalten oder sicherheitswidrige Zustände veranlaßt wird, soll hier aufgegeben werden. Übertragen auf den Straßenverkehr hieße das: Der Autofahrer, dessen Fahrzeug und Papiere bei einer Verkehrskontrolle in Ordnung befunden wurden, wird trotzdem wegen der Kosten der Kontrolle zur Kasse gebeten, wobei solche Verkehrskontrollen beliebig oft erfolgen können.
Weiter: Die Bundesregierung schlägt vor, bei der Bemessung eines festen Gebührenrahmens für begünstigende Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Aufsicht den wirtschaftlichen Wert oder sonstigen Nutzen angemessen zu berücksichtigen. Es ist fraglich, ob in dieser pauschalen Formulierung eine Vereinbarkeit mit dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip vorliegt. Hier sind verfassungsrechtliche Bedenken angebracht.
Eine dritte Bemerkung. Bei der Vorfinanzierung des Endlagers für radioaktive Abfälle, dessen Errichtung Aufgabe des Bundes ist, zeigt sich die Bundesregierung so einnahmefreudig, daß sie weit über das vertretbare Maß hinausschießt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung, z. B. auf Bau eines Kernkraftwerks, will sie Vorschußzahlungen auf mögliche



Dr. Laufs
spätere Entsorgungsbeiträge eintreiben. Sie will also Geld für die Entsorgung des Kraftwerkbetriebs nehmen, den sie noch gar nicht genehmigt hat, noch bevor sie weiß, ob er überhaupt jemals genehmigt werden kann. Die Behörde bindet sich dadurch, schafft Fakten und beeinträchtigt den Rechtsschutz des Bürgers. Entweder wählt man die erste Betriebsgenehmigung als Zeitpunkt für die Fälligkeit des Vorschusses — erst dann beginnen Abfälle ja zu entstehen —, oder man sieht eine Regelung über die verzinsliche Rückzahlung von Vorausleistungen für den Fall vor, daß die Anlage letztlich nicht in Betrieb geht.
Was die Erneuerung des Bundesendlagers betrifft, so sollen die Ablieferungspflichtigen gleich zweimal dafür bezahlen. Bei der Festsetzung der Benutzungsgebühren soll die Abschreibung auf die Errichtungskosten in Anschlag gebracht werden. Bei den Vorausleistungen für die Errichtung sollen die Beiträge ebenfalls die Erneuerungskosten umfassen. Wir meinen: Einmal ist genug.
Gleichermaßen unannehmbar erscheint, daß dem Ablieferungspflichtigen bei der Berechnung der Benutzungsgebühren auch die Verzinsung seines eigenen vorgeschossenen Kapitals angelastet wird.
Schließlich fordert die Bundesregierung, daß die Beiträge in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen stehen sollen, die der Beitragspflichtige durch das Endlager erlangt. Was aber sind etwa die Vorteile eines Krankenhauses, das die Abfälle der Nuklearmedizin ins Endlager bringen kann? Oder anders herum: Was wären die Nachteile, wenn radioaktive Arzneimittel oder Radionuklide für In-vitro-Untersuchungen wegen der ungelösten Entsorgungsfrage nicht mehr verwendet werden könnten? Hier tut sich ein uferloser Ermessungsspielraum auf, den der Bundestag der Bundesregierung nicht einräumen sollte. Warum wird nicht einfach die Menge und Art der Abfälle, also die voraussichtliche Inanspruchnahme des Endlagers, zum Maßstab der Beitragsbemessung gemacht?
Zum Schluß muß auf Tendenzen hingewiesen werden, die geänderte, der grünen Strömung angepaßte energiepolitische Grundhaltung der Bundesregierung auch über die Kostennovelle in die Tat umzusetzen. Der Bundesminister des Innern fordert auf Anregung des Forschungsministers, daß auch die staatlichen Förderungskosten für reine Innovations- und Sicherheitsforschung im Rahmen der Entsorgung von den Beitragspflichtigen wieder aufgebracht werden sollen.
Es ist verständlich, daß der Bundesminister für Forschung und Technologie seine Förderungsprogramme zugunsten der Kernenergie unter dem Druck der Atomgegner in den eigenen Reihen reduzieren möchte. Aber es widerspräche völlig der bisherigen Förderungsphilosophie, die Ansammlung von Grundlagenwissen beim Bund über verschiedenartige Versorgungstechniken, alternative Strategien und deren Optimierung den Benutzern des Bundesendlagers aufzubürden, zumal nur ein weitläufiger mittelbarer Zusammenhang mit dem späteren Entsorgungsbetrieb besteht.
Ebenso kann man verstehen, daß der Bundesinnenminister, wie er im Januar vor der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen sagte, kritische Wissenschaftler — und das bedeutet ja wohl Kernenergiekritiker — in den Genehmigungsverfahren auf Kosten der Antragsteller zu Wort kommen lassen will. Unser Bedenken ist, daß sich dadurch Fragen der grundsätzlichen Akzeptanz der Atomkraft in die Genehmigungsverfahren einschleichen. Diese Fragen gehören ins Parlament und auf die Parteitage, wo sie mit einem klaren Ja oder Nein entschieden werden müssen.
Wer diese Tendenzen sieht, kann nicht umhin, in der Kostennovelle einen weiteren Markstein auf dem Weg des sanften Rückzugs der Bundesregierung von der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu sehen. Die Folgen dieses Rückzugs für die Versorgungssicherheit, das wirtschaftliche Wachstum und die Arbeitsplätze unserer Bürger sind unabsehbar.
Wir fordern die Bundesregierung auf, klare und präzise Rahmenbedingungen für die gewünschten Verordnungsermächtigungen vorzuschlagen. So können wir den Entwurf nicht gutheißen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818039300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schäfer (Offenburg).

Harald B. Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0818039400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Mittelpunkt der energiepolitischen Diskussion steht gegenwärtig das Problem der ungelösten Entsorgung. Der Deutsche Bundestag hat in der vergangenen Legislaturperiode einstimmig dafür Sorge getragen, daß die Endlagerung radioaktiver Abfälle staatlicher Obhut unterliegen muß. Es kann nicht angehen, daß hier angesichts des riesigen Gefährdungspotentials über Tausende von Jahren hinweg die Kontrolle, die Aufsicht, die Kompetenz in Privathand liegen.
Wir haben allerdings feststellen müssen, daß die Kosten für die Beseitigung des Industriemülls bislang - da fehlt die Rechtsgrundlage — nicht nach dem Verursacherprinzip der Atomwirtschaft auferlegt werden konnten, sondern wieder vom Staat, also von den Bürgern; zu zahlen sind. Zu Recht fragte der Bürger, ob es eigentlich angemessen sein kann, daß diejenigen, die den Atommüll produzieren, nicht nach dem Verursacher- und Veranlasserprinzip auch zur Finanzierung der Endlagerung, der Bearbeitung und der sicheren Verwahrung radioaktiver Abfälle herangezogen werden.

(Dr. Laufs [CDU/CSU]: Das ist doch völlig unbestritten!)

— Herr Kollege Laufs, ich komme auf Sie zurück. — Diese Lücke schließt der vorliegende Gesetzentwurf. Ich will heute nur dazu reden.
Meine Fraktion begrüßt den Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Er weist in die richtige Richtung, weil er auch in die-
sem Bereich mit dem Verursacherprinzip ernst
macht und darüber hinaus eine stärkere Basis für



Schäfer (Offenburg)

den Vergleich von Atomstrom mit Strom anderer Erzeugungsart schafft.
Nun sagen Sie zu Recht, Herr Kollege Laufs, daß hier eine Menge von Verordnungsermächtigungen vom Deutschen Bundestag verlangt wird. Heute in der ersten Lesung ist nicht die Stunde, auf die Problematik näher einzugehen. Nur soviel: Der Bundestag würde sich überheben und übernehmen, wenn er die Gebührenregelung im einzelnen parlamentarisch durch Gesetz festgelegt würde. — Ich sehe, Herr Kollege Riesenhuber, daß Sie zustimmen.
Wir werden, wenn es geht, Herr Kollege Laufs, gemeinsam darauf zu achten haben, daß wir bei der Abfassung der Rechtsverordnung entgegen der sonst üblichen Praxis im Parlament — wie ausnahmsweise auch in anderen Fällen — ich nenne die Radioökologieverordnung und die Strahlenschutzverordnung — das, was wir für parlamentarisch notwendig halten, mit einbringen.
Herr Kollege Laufs, Sie haben das Verursacherprinzip zwar grundsätzlich bejaht, aber Ihre Aussage in Ihren näheren Ausführungen de facto wieder aufgehoben. Bitte, sagen Sie dann auch dem Bürger klar, was Sie wollen.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Der vorliegende Gesetzentwurf geht in die richtige Richtung. Er erfüllt eine längst überfällige Forderung. Er macht deutlich, daß die Beseitigung des atomaren Mülls auch von der finanziellen Seite her von den Atommüllproduzenten zu tragen ist. Wir begrüßen ausdrücklich, daß auf dem Wege der Vorauszahlung der Beitragsleistung zu den notwendigen Investitionen, beispielsweise zur notwendigen Errichtung eines radioaktiven Endlagers, die Verursacher mit herangezogen werden können.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit trotz der fortgeschrittenen Stunde an die Herren der Regierung eine Bitte richten. Es handelt sich, wie ich sagte, um ein gutes Gesetz. Aber ein gutes Gesetz soll auch ein gut lesbares Gesetz sein. Dieses Gesetz ist in der Formulierung so, Herr Staatssekretär, daß es die Bürgernähe, die Bürgerfreundlichkeit per Formulierung verhindert. Ich will gleich einmal § 21 a vorlesen. Es ist zu fragen, ob den jemand versteht.

(Wehner [SPD]: Für viele Gesetze gilt doch dasselbe!)

— Herr Kollege Wehner, das ist sicher richtig, und dem kann auch niemand ernsthaft widersprechen.
— Gleichwohl bitte ich, sich bei diesem wichtigen Gesetz einmal vor Augen zu halten, wie § 21 a lautet. Diese Bestimmung versteht kaum ein Abgeordneter, wenn er nicht Juristen hinzuzieht. Ich zitiere:
Die allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätze über Entstehung der Gebühr, Gebührengläubiger, Gebührenschuldner, Gebührenentscheidung, Vorschußzahlung, Fälligkeit, Stundung, Niederschlagung, Erlaß, Verjährung, Erstattung und Rechtsbehelfe finden nach Maßgabe der §§ 11, 12, 13 Abs. 2, §§ 14 und 16 bis 22 des Verwaltungskostengesetzes Anwendung, soweit nicht in der Rechtsverordnung nach Absatz 2 Abweichendes bestimmt wird.
Ich hätte noch Verständnis dafür, daß man das in dem Text des Gesetzes so läßt. Aber auch die Begründung, Herr Kollege Jenninger, ist keinen Deut anders. Jeder Bürger, der sich nur die Begründung vornimmt, um zu erfahren, was dieses Gesetz will — es ist ein gutes Gesetz —, muß kapitulieren. Hier schreiben Bürokraten für Bürokraten. Hier wird auch in der Begründung kein Deutsch formuliert, das der Bürger, für den wir ja schließlich Politik machen, versteht.
Meine Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf in der ersten Lesung im Grundsatz trotz allem zu.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

Wir werden, Herr Kollege Laufs — ich hoffe, daß Sie daran mitwirken —, die Beratungen unverzüglich aufnehmen. Das Gesetz ist überfällig. Wir werden noch in dieser Periode, wie ich hoffe, Herr Kollege Laufs, letztendlich in Übereinstimmung eine notwendige, eine richtige Gesetzgebungsmaßnahme, wenn es geht, gemeinsam durchsetzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818039500
Das Wort hat der' Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID0818039600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Denn die Zielsetzung des Gesetzentwurfs, die Sie alle unter A nachlesen können, besteht in der „Erhebung kostendeckender Gebühren für den Vollzug des Atomgesetzes". Dazu führen — unter „B. Lösung" — die „Präzisierung und Erweiterung der bestehenden Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Kostenverordnungen in den §§ 21 und 21 b des Atomgesetzes".
Da das Gesetz nicht zustimmungsbedürftig ist, wie wir ja schlüssig in der Gegenäußerung der Bundesregierung nachlesen können, da es lediglich eine Verbesserung des Instrumentariums darstellt, haben wir auch diese Schwierigkeiten behoben.
Aber, Herr Kollege Laufs, Sie haben gesagt, die Bundesregierung bleibe eine schlüssige Antwort schuldig. Sie haben das hier grundsätzlich vorgetragen. Deswegen und weil wir uns auch bei den Anmerkungen des Kollegen Schäfer anscheinend ein wenig in einer Grundsatzdebatte bewegt haben, möchte ich die Geschichte von der alten weisen Eule erzählen, die zum Vortrag vor der Versammlung der grünen Frösche geladen war. Sie war dort gebeten worden, über ihre Lebenserfahrungen zu berichten. Damit wurde das Referat dann auch beschlossen. Nachdem rauschender Beifall Lohn der Mühe war, stellte der Versammlungsleiter fest, daß nun Fragen gestellt werden könnten.
In dieser Versammlung, die ein breites Feld von besetzten Stuhlreihen erfüllte, erhob sich in einer der letzten Stuhlreihen ein kleiner grüner Frosch, ein sehr kleiner grüner Frosch. Er meldete sich und sagte: „Tante Eule, das war sehr wichtig und sehr nett, was da gesagt worden ist, aber was mich interessiert: was machen wir, wenn der Storch kommt



Wolfgramm (Göttingen)

Darauf sagte die Vortragende: „Wenn der Storch kommt — das ist eine sehr wichtige und entscheidende Frage —, in diesem Augenblick müssen sich alle so rasch wie möglich bemühen davonzufliegen.” — Rauschender Beifall. Eben, wie gesagt, das Plenum war bis auf den letzten Platz besetzt.
Danach meldet sich wieder der kleine grüne Frosch und sagt: „Aber, Tante Eule, wir können gar nicht fliegen." „Ja", sagt die Vortragende, „was ich eben gesagt habe, ist die Lösung eines Grundsatzproblems.”

(Heiterkeit und Beifall)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0818039700
Ich danke dem Herrn Kollegen Wolfgramm.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 8/3195 an den Innenausschuß vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 19 bis 24 auf:
19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 20. November 1978 zur Durchführung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit
— Drucksache 8/3226
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 13. Februar 1946 über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen
- Drucksache 8/3232
Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Auswärtiger Ausschuß (federführend) Rechtsausschuß
21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 30. November 1978 zu dem Abkommen vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 8/3223
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Finanzausschuß
Haushaltsausschuß gemäß f 96 GO
22. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. November 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf
dem Gebiete der Nachlaß- und Erbschaftsteuern
— Drucksache 8/3224
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Finanzausschuß
23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 22. September 1978 zu dem Abkommen vom 17. April 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern
— Drucksache 8/3225
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Finanzausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
24. Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die politischen Parteien
— Drucksache 8/3270
Überweisungsvorschlag des Altestenrates: Innenausschuß
Haushaltsausschuß gemäß $ 96 GO
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch, es ist so beschlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 25 auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 53 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/3166 —
b) Beratung der Sammelübersicht 54 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/3179 —
c) Beratung der Sammelübersicht 55 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/3208 —
d) Beratung der Sammelübersicht 56 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 8/3256 —
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses auf den Drucksachen 8/3166, 8/3179, 8/3208 und 8/3256, die in den Sammelübersichten 53 bis 56 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —



Vizepräsident Leber
Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlungen des Ausschusses sind angenommen.

(Wehner [SPD]: Fragt sich nur, wer sie gelesen hat!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen
Haushaltsführung 1979
hier: Einwilligung in überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 1111 Tit. 682 01 — Erstattung von Fahrgeldausfällen an Unternehmen für die Personenbeförderung, die zur unentgeltlichen Beförderung bestimmter Gruppen von Schwerbeschädigten im Nahverkehr verpflichtet sind —
— Drucksachen 8/3147, 8/3244 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 8/3244, von der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen auf Drucksache 8/3147 Kenntnis zu nehmen. — Ich sehe keinen Widerspruch und stelle fest, das Haus hat Kenntnis genommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Sitzung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, 9 Uhr ein und schließe die Sitzung.