Protokoll:
2194

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 194

  • date_rangeDatum: 22. Februar 1957

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:46 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 194. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957 11047 194. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957. Zur Tagesordnung: Peters (SPD) 11048 A Geiger (München) (CDU/CSU) . . . 11048 C Mitteilung über die Erledigung des in der 112. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages verabschiedeten Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten (Drucksachen 1817, 1836) durch die im Gesetz über den Ladenschluß (BGBl. I S. 875) erfolgte Regelung (Drucksache 3226) 11048 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 299, 320, 324 und 325 (Drucksachen 2871, 3223; 3122, 3224; 3155, 3227; 3164, 3225) 11048 D Erste Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 3208) 11048 D Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 11049 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3210) 11049 A Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung 11049 A Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ruhnke, Geiger (München), Dr.-Ing Drechsel, Elsner, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1657) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und des Entwurfs eines Gesetzes über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 3026) mit der Beratung des Antrags der Abg. Ruhnke, Schwann, Dr. Bartram, Geiger (München), Dr. Gülich, Elsner, Dr. Elbrächter, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1734), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Atombombenversuche (Drucksache 2576), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Bestandteile (Drucksache 2597) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Berufung einer unabhängigen Kommission zum Schutze der Bevölkerung vor Radioaktivität (Drucksache 2764) 11049 A Geiger (München) (CDU/CSU), Anfragender 11049 B, 11085 B Dr.-Ing. Balke, Bundesminister für . . . 11051 A, 11088 B, 11089 A Ruhnke (SPD), Antragsteller 11061 A, 11069 B Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Antragsteller 11062 C, 11073 D Dr. Elbrächter (DP), Antragsteller . . 11065 A Dr. Ratzel (SPD), Antragsteller 11065 C, 11079 D, 11080 A, 11088 A, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 11073 D, 11077 D Euler (FVP) . . . . 11078 A, 11079 D, 11080 A Dr. Reichstein (GB/BHE) 11080 D Elsner (GB/BHE) 11083 B Kurlbaum (SPD) 11087 B Schlick (CDU/CSU) 11087 D, 11088 B Vizepräsident Dr. Jaeger 11089 D Ausschußüberweisungen 11089 D Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache 3228) 11090 C Vizepräsident Dr. Jaeger 11090 D Beschlußfassung 11090 C Nächste Sitzung 11090 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11091 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 16. 3. Albers 3. 3. Dr. Atzenroth 22. 2. Bals 4. 3. Dr. Bartram 27. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 16. 3. Behrisch 2. 3. Fürst von Bismarck 22. 2. Bock 22. 2. Böhm (Düsseldorf) 22. 2. Brandt (Berlin) 22. 2. Brese 9. 3. Brockmann (Rinkerode) 22. 2. Dr. Brühler 22. 2. Dr. Bucerius 22. 2: Cillien 2. 3. Dr. Conring 22. 2. Corterier 22. 2. Dr. Czaja 6. 3. Dr. Dehler 28. 2. Dr. Deist 22. 2. Demmelmeier 22. 2. Eberhard 28. 2. Erler 22. 2. Frau Finselberger 1. 3. Frau Friese-Korn 22. 2. Frau Dr. Gantenberg 22. 2. Gerns 22. 2. Dr. Gille 22. 2. Dr. Gleissner (München) 22. 2. Gockeln 2. 3. Frau Heise 6. 3. Hepp 2. 3. Hilbert 24. 2. Dr. Höck 28. 2. Höfler 2. 3. Hoogen 22. 2. Hufnagel 22. 2. Abgeordnete(r) bis einschließlich Huth 22. 2. Dr. Jentzsch 22. 2. Kahn-Ackermann 22. 2. Kalbitzer 22. 2. Kalinke 22. 2. Keuning 22. 2. Kiesinger 9. 3. Dr. Köhler 2. 3. Frau Korspeter 2. 3. Krammig 22. 2. Lücke 6. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 2. Lulay 22. 2. Meyer-Ronnenberg 23. 2. Dr. Mocker 22. 2. Morgenthaler 30. 4. Müller-Hermann 22. 2. Neumayer 16. 3. Odenthal 25. 2. Ollenhauer 27. 2. Rademacher 1. 3. Dr. Reif 22. 2. Dr. Rinke 1. 3. Dr. Schild (Düsseldorf) 22. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schmücker 16. 3. Schneider (Hamburg) 2. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 22. 2. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seiboth 22. 2. Dr. Strosche 22. 2. Stücklen 6. 3. Stümer 23. 2. Wagner (Ludwigshafen) 22. 2. Dr. Weber (Koblenz) 23. 2. Wedel 22. 2. Wehking 22. 2. Wehr 6. 3. Winkelheide 22. 2. Wolf (Stuttgart) 4. 3. b) Urlaubsanträge Neuburger 2. 3.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, erteile ich das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Peters.

Georg Peters (SPD):
Rede ID: ID0219400100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage hiermit, das Fünfte Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes als Punkt 1 auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Dieses Fünfte Gesetz liegt vor in der Drucksache 3228 und wird verteilt, sobald das Hohe Haus der Aufnahme dieses Tagesordnungspunktes zugestimmt hat.
Zur Begründung möchte ich kurz folgendes sagen. Bei der gestrigen sehr eiligen Verabschiedung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes war ich als Berichterstatter zufällig nicht im Hause. Somit wurde ein vorbereiteter Änderungsantrag nicht mit in das Gesetz aufgenommen. Dieser Schaden soll heute behoben werden. Um nicht zwei Gesetze zu haben, ist der gestern von allen Fraktionen des Hohen Hauses unterschriebene Änderungsantrag in das jetzige Fünfte Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes hineingearbeitet worden. Die Änderungen umfassen folgende Punkte. Die bisherigen Artikel 3 bis 5 haben nunmehr die Nummern 4 bis 6. Dafür ist ein neuer Art. 3 in das Gesetz aufgenommen worden. Dieser Art. 3 gibt dem Bundesminister der Finanzen die Möglichkeit, die saarländischen Betriebe zur Herstellung von Tabakwaren durch Gewährung der Steuererleichterungen nach den §§ 83 bis 86 mit den Herstellern des Bundesgebiets im Wettbewerb gleichzustellen. Die jetzt vorliegende Fassung des Art. 6 beinhaltet zum Unterschied von dem gestern verabschiedeten Art. 5, daß das Gesetz auch für Rauchtabak am 1. April dieses Jahres in Kraft tritt und nicht erst, wie es die gestrige Fassung besagt, am 28. April dieses Jahres.
Ich möchte betonen, daß diese Änderungen genau dem gestern unterschriebenen interfraktionellen Antrag entsprechen. Diese Fassung ist ebenfalls mit dem Bundesminister der Finanzen abgestimmt worden. Ich beantrage deshalb, das Gesetz heute in allen drei Lesungen zu verabschieden. Es wird in wenigen Minuten geschehen können.
Gestatten Sie mir nun noch, daß ich als Berichterstatter den vorliegenden Schriftlichen Bericht*) ganz kurz ergänze. Das vorliegende Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes bringt für Zigaretten und für Rauch-, Kau- und Schnupftabak Steuersenkungen, die nur teilweise an den Raucher weitergegeben werden. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen möchte aus dieser Tatsache heraus der Erwartung Ausdruck geben, daß die begünstigte Industrie den Groß- und den Einzelhandel an der Steuererleichterung beteiligt. Die Lage des Handels mit Tabakwaren ist nicht sehr günstig.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219400200
Wird das Wort dazu gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter.
*) Siehe Anlage 20 zur 193. Sitzung.

Hugo Geiger (CSU):
Rede ID: ID0219400300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag des Herrn Vorredners abzulehnen. Die Punkte, die heute auf der Tagesordnung stehen und die Kernenergie betreffen, sind im Plenum so häufig zurückgestellt worden, daß sie unbedingt heute in aller Ruhe behandelt werden müssen. Ich habe nichts dagegen, wenn die Punkte, deren Behandlung der Herr Vorredner vorschlägt, an den Schluß der Tagesordnung gesetzt werden. Ich bitte, in diesem Sinne über den Antrag zu entscheiden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219400400
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Es liegt vor ein Antrag, die Drucksache 3228, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes, heute als Punkt 1 auf die Tagesordnung zu setzen und in drei Lesungen zu verabschieden. Es liegt weiter vor — wenn ich das richtig verstanden habe — der Antrag, die Sache nicht als Punkt 1 zu behandeln, sondern an den Schluß der heutigen Tagesordnung zu setzen. Der erste Antrag ist der weitergehende.

(Abg. Peters: Wir sind einverstanden: am Schluß der Tagesordnung!)

— Am Schluß der Tagesordnung? (Zustimmung.)

Ist das Haus damit einverstanden, daß die Drucksache 3228 am Ende der heutigen Tagesordnung in drei Lesungen behandelt wird?

(Erneute Zustimmung.)

— Es ist so beschlossen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 15. Februar 1957 mitgeteilt, daß durch die im Gesetz über den Ladenschluß vom 28. November 1956 (BGBl. I S. 875) erfolgte Regelung der Verkaufszeiten an den Sonntagen vor Weihnachten das vom Deutschen Bundestag am 11. November 1955 verabschiedete „Gesetz über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten" (Drucksachen 1817, 1836), dem der Bundesrat am 9. November 1956 zugestimmt hat, als erledigt angesehen wird. Sein Schreiben wird als Drucksache 3226 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 18. Februar 1957 unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 15. Januar 1957 (Drucksache 3113) zur Kleinen Anfrage 299 der Fraktion des GB/BHE betreffend Anzahl der durch deutsche Gerichte abgeurteilten ehemaligen deutschen Soldaten, Angehörigen wehrmachtähnlicher Verbände oder anderer Personen (Drucksache 2871) eine weitere Antwort gegeben. Sein Schreiben wird als Drucksache 3223 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 19. Februar 1957 die Kleine Anfrage 320 der Fraktion der SPD betreffend Veröffentlichung zur Frage der Preisbindung der zweiten Hand (Drucksache 3122) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3224 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 19. Februar 1957 die Kleine Anfrage 324 der Fraktion der DP betreffend Neuregelung der Kindergeldgesetze (Drucksache 3155) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3227 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 19. Februar 1957 die Kleine Anfrage 325 der Fraktion des GB/BHE betreffend Ablehnungsbegründung des Ausgleichsamtes Iserlohn vom 10. November 1956 gegenüber einem sudetendeutschen CSR-Heimkehrer (Drucksache 3164) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3225 verteilt.
Wir kommen damit zum ersten Punkt der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Neunten
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des
Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 3208).


(Vizepräsident Dr. Schneider)

Es ist interfraktionell vereinbart, daß auf Einbringung und Begründung in der ersten Lesung verzichtet werden soll. Ich schlage dem Hause vor Überweisung dieser Drucksache an den Ausschuß für den Lastenausgleich. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 2:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3210).
Auch hier soll so verfahren werden. Ich schlage dem Hause vor: Überweisung der Drucksache 3210 an den Ausschuß für Verteidigung. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 3:
a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ruhnke, Geiger (München), Dr.-
Ing. Drechsel, Elsner, Dr. Schild (Düsseldorf) und Genossen betreffend Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1657);
b) Erste Beratung des
aa) Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes,
bb) Entwurfs eines Gesetzes über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 3026);
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ruhnke, Schwann, Dr. Bartram, Geiger (München), Dr. Gülich, Elsner, Dr. Elbrächter, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Schild (Düsseldorf) und Genossen betreffend Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1734);
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Atombombenversuche (Drucksache 2576);
e) Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Bestandteile (Drucksache 2597);
f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Berufung einer unabhängigen Kommission zum Schutze der Bevölkerung vor Radioaktivität (Drucksache 2764).
Gemäß der Vereinbarung im Ältestenrat werde ich so verfahren, daß ich zuerst das Wort gebe zur Begründung der Großen Anfrage unter a, dann dem Herrn Minister das Wort gebe zur Beantwortung der Großen Anfrage und zur Einbringung der Gesetzentwürfe, daß anschließend die weiteren Begründungen zu c bis f erfolgen und daß wir dann über alles zusammen debattieren.
Ich erteile also das Wort zur Begründung der Großen Anfrage unter 3 a dem Abgeordneten Geiger.
Geiger (München) (CDU/CSU), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen der Fragesteller die Ihnen vorliegende Große Anfrage begründen und folgendes ausführen:
Zahlreiche Mitglieder dieses Hohen Hauses aus allen Fraktionen sind sich seit sehr langer Zeit darüber einig, daß die beschleunigte Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke von überragender wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung ist. Ich bedaure es deshalb, daß es bei einigen der vorliegenden Drucksachen so lange gedauert hat, bis sie im Rahmen der heutigen Generaldebatte über die Fragen der Kernenergie erledigt werden können.
Es ist für mich als ersten Redner keine dankbare Aufgabe, eine Große Anfrage zu begründen, die heute in gewissen Punkten überholt ist; denn diese Große Anfrage ist bereits unter dem 10. September 1955 eingereicht worden. Seitdem wir sie verfaßt haben, sind genau anderthalb Jahre vergangen. Ich muß daher zur Begründung etwas weiter zurückgreifen.
Bereits im Frühjahr 1955 haben sich die Bundestagsmitglieder, die in der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen sind, mit dem Fragenkomplex der Kernenergienutzung befaßt. Sie haben, wie Ihnen erinnerlich sein wird, schon damals den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst eingebracht, das im Juli 1955 von diesem Hohen Hause einstimmig beschlossen wurde. Danach ist es die Aufgabe des Deutschen Wetterdienstes, radioaktive Beimengungen und deren Verfrachtung in der Atmosphäre zu überwachen.
Weiterhin befassen sich die Mitglieder der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft seit längerem mit den notwendigen Vorschriften hinsichtlich der Verwendung, der Verteilung und des Verkehrs mit radioaktiven Substanzen.
Alle diese Überlegungen veranlaßten seinerzeit den Vorstand der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, je einen Kollegen aus den Fraktionen des Deutschen Bundestages im August 1955 zur Internationalen Atomkonferenz der Vereinten Nationen nach Genf zu entsenden. Es sind dies die fünf Mitglieder dieses Hohen Hauses, die die vorliegende Große Anfrage eingebracht haben. Wir haben die Vorgänge in Genf mit größtem Interesse verfolgt. In zahlreichen Einzelgesprächen mit Mitgliedern der deutschen und ausländischen Delegationen haben wir uns einen Überblick über den Stand und die Entwicklung dieser neuen Materie verschafft. Außerdem haben wir in einer Sitzung mit den maßgeblichen Mitgliedern der deutschen Delegation am 18. August 1955 noch einige Dinge, die für uns von besonderem Interesse waren, zur Sprache gebracht.
Bei unserem Genfer Aufenthalt ist uns in seiner vollen Bedeutung bewußt geworden, wieviel die deutsche Bundesrepublik auf dem Atomsektor gegenüber vielen anderen Staaten nachzuholen hat. Wir haben erkannt, daß es für den Lebensstandard in der Bundesrepublik von ausschlaggebender Bedeutung sein wird, ob wir den Anschluß an die anderen Länder erreichen oder nicht. Wir haben erkannt, daß die Entwicklung in dieser Hinsicht einer weitestgehenden Unterstützung seitens des Deutschen Bundestages bedarf. Deshalb haben wir uns seinerzeit mit den Kollegen auch aus den Landtagen zusammengesetzt und alle notwendigen Maßnahmen durchgesprochen. Ich darf in Erinnerung bringen, daß es damals noch kein Bundesministerium für Atomfragen gegeben hat, das sich dieser Probleme hätte annehmen können.


(Geiger [München])

Als erster Schritt wurde die Ihnen vorliegende Große Anfrage von den Kollegen, die im Auftrage der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft an der erwähnten ersten Internationalen Atomkonferenz teilgenommen haben, ausgearbeitet. Sie war schon in Genf niedergelegt worden und wurde nachträglich von Kollegen aus allen Fraktionen dieses Hauses unterschrieben.
Und nun zu den einzelnen Punkten der Großen Anfrage.
Zur ersten Frage:
Welche Gründe waren maßgebend für die Entscheidung, den ersten Versuchs- und Prüfreaktor bei Karlsruhe zu errichten?
möchte ich folgendes ausdrücklich feststellen. Die Große Anfrage richtet sich nicht gegen die Wahl von Karlsruhe als Standort für den ersten Forschungs- und Ausbildungsreaktor. Leider erfolgte damals die Bekanntgabe der Entscheidung zugunsten von Karlsruhe seitens des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ohne Begründung. Auch waren die Berichte über die Vorverhandlungen in wichtigen Punkten widersprechend, wie überhaupt die Vorgänge undurchsichtig geblieben sind. Das Gutachten eines militärischen Sachverständigen, der herangezogen wurde, um den Standort Karlsruhe zu begründen, ist schon damals nicht unwidersprochen geblieben. Heute wird es als wertlos betrachtet. Leider hatten wir damals noch kein Bundesministerium für Atomfragen; sonst wären die Dinge sicherlich einen klaren Weg gegangen.
Das alles hat — ich wiederhole: damals — zu bedauerlichen Mißverständnissen geführt. Wie die Presse während des Wettstreits zwischen München und Karlsruhe deutlich zum Ausdruck brachte, hat der Steuerzahler ein berechtigtes Interesse an der Vorgeschichte zu dieser Entscheidung und ihrer Begründung. Er kann nämlich von der Bundesregierung verlangen, daß solche Beschlüsse nicht von engherzigen Bestrebungen und einem irrigen Prestigegefühl abhängig gemacht werden, sondern dem objektiven Sachverstand des Wissenschaftlers und des Technikers entsprechen. Mit Recht hat Herr Bundesatomminister Strauß anläßlich einer Sitzung des Aufsichtsrates der Physikalischen Studiengesellschaft in Karlsruhe einmal erklärt, daß es in der Atomforschung keinen Partikularismus geben dürfe.
Auch Herr Professor Dr. Heisenberg hat seine Bedenken dagegen geäußert, die Reaktorentwicklungsgruppe aus seinem Institut herauszunehmen und nach Karlsruhe zu verlegen. Er sagte damals sehr zurückhaltend, daß die Anfangsschwierigkeiten für die Reaktorentwicklung an der neuen Stelle größer würden und die Entwicklung langsamer vor sich gehen werde. Leider hat sich das bestätigt, und es sieht fast so aus, als ob die Reaktoren in München und sogar in Frankfurt fertig sein könnten, noch bevor der erste richtige Spatenstich für den Karlsruher Reaktor getan ist.
Meine Damen und Herren! Die Fragesteller wollten damals ihre Meinung zum Ausdruck bringen, daß ,die Bundesrepublik es sich nicht leisten könne, zu Beginn dieser neuen Entwicklung einer Verzettelung der zur Verfügung stehenden Mittel und Kräfte zuzustimmen. Der Mangel an Fachleuten und an finanziellen Hilfsmitteln hindert uns daran, in jedem Bundesland von heute auf morgen große Anlagen zu errichten. Darum wollten wir erreichen, daß eine gewisse Uneinigkeit — sie bestand damals noch — beseitigt würde. Wir müssen gerade auf diesem Gebiete alle zusammenarbeiten, wenn wir den Vorsprung des Auslands, von dem ich schon gesprochen habe, aufholen wollen.
Leider erweist es sich heute mit aller Deutlichkeit, wie berechtigt unsere Große Anfrage vor anderthalb Jahren war. Denn heute müssen wir alle mit einer gewissen Besorgnis feststellen, daß der Bau dieses ersten großen Atomreaktors bei Karlsruhe überhaupt noch nicht begonnen hat, daß man also seit 1955 plant und eigentlich schon mit dem Bau begonnen haben wollte. Ursprünglich wollte man den Bau auf stadteigenem Gelände am Rhein beginnen. Den Wissenschaftlern und Technikern scheint jedoch nunmehr eine 10 km nördlich von der Stadt gelegene Fläche des Landkreises günstiger zu sein. Es liegt aber oder lag bis vor kurzer Zeit weder das Sicherheitsgutachten noch die Wasseruntersuchung vor. Auch hat man in letzter Zeit den Eindruck gewonnen, daß sich die dortige Bevölkerung mit allen Mitteln der Errichtung dieses ersten Versuchsreaktors widersetzt. Es wäre sicherlich gut, wenn der Herr Bundesminister für Atomfragen bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage auch auf diese Problematik einginge; denn in letzter Zeit ist ja schon wieder die Meinung geäußert worden: hätte man sich gleich für einen anderen Standort entschieden, so wären die Dinge bereits wesentlich weiter gediehen. Aber solche Vorschläge zu unterstützen, ist nicht der Sinn dieser Großen Anfrage.
Die zweite Frage, wer der Träger dieser Anlage bei Karlsruhe sein wird, ist inzwischen überholt, da am 19. Juli 1956 der Vertrag über die Gründung der Reaktor-Bau- und- Betriebs-GmbH unterschrieben worden ist.
Nicht ganz geklärt erscheint uns noch die dritte Frage, welche Persönlichkeit die Leitung übernehmen wird; denn wer die wissenschaftliche Leitung des Karlsruher Reaktors übernehmen soll, ist meines Wissens bisher noch nicht bekanntgegeben worden.
Punkt 4 der Großen Anfrage: „In welcher Form ist die Bundesrepublik im Laboratorium der Europäischen Organisation für Kernphysikalische Forschung (CERN) in Genf vertreten?", ist bereits überholt, da schon vor langer Zeit Herr Professor Dr. Wolfgang Gentner, der Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Freiburg im Breisgau, nach Genf gegangen ist, um dort die kleine Maschine im Laboratorium der Europäischen Organisation für Kernphysikalische Forschung zu übernehmen. Ich möchte dazu bemerken, daß zur Zeit der Einbringung der Großen Anfrage dieses Problem noch gar nicht geklärt war und die Fragesteller berechtigte Bedenken hatten, daß Deutschland in diesem wichtigen internationalen Laboratorium nicht ständig und nicht ausreichend vertreten sein könnte.
Professor Gentner hat aber nur einen Vertrag für zwei Jahre abgeschlossen, und in Kürze werden wir daher wiederum vor dem Problem stehen, was nun geschehen soll. Wenn Herr Professor Gentner den Vertrag verlängern könnte, so wäre das gut, und es wäre eine gewisse Zeit vorhanden, um einen geeigneten Nachfolger für ihn zu finden. Hoffentlich stimmen dann auch die anderen Vertragspartner dieser Regelung zu. Wie die Dinge stehen, wird uns die Bundesregierung hoffentlich mitteilen können.


(Geiger [München])

Es besteht also genau wie damals gegenwärtig wieder die Gefahr, daß Deutschland bei dieser Europäischen Organisation für Kernphysikalische Forschung in Genf nicht ausreichend vertreten sein könnte. Das ist nicht nur deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Bundesregierung laufend gro-Be Summen — im Jahre 1956 einen Betrag von 7 Millionen DM, im Jahre 1957 von 12 Millionen DM — an diese Organisation gibt, sondern auch deshalb, weil hier mit äußerst wichtigen wissenschaftlichen Ergebnissen zu rechnen ist. Wir können daher auf ein Beteiligtsein nicht verzichten. Ich machte hier nicht im einzelnen auf die Schwierigkeiten eingehen, die es immerhin gegeben hat, bis Herr Professor Dr. Gentner für diese Stelle vorgesehen worden ist. Nach meiner Kenntnis muß man gerade in diesem Zusammenhang auch Herrn Professor Dr. Heisenberg für seine Bemühungen, einen deutschen Wissenschaftler nach Genf zu bringen, danken.
Meine Damen und Herren! Mit diesen Erläuterungen habe ich die Große Anfrage wohl ausreichend begründet. Die Fragesteller erhoffen nun von der Bundesregierung eine eingehende Antwort auf die wenigen noch offenen Fragen, auf die ich hingewiesen habe.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219400500
Zur Beantwortung der Großen Anfrage und zu Punkt 3 b erteile ich dem Herrn Bundesminister für Atomfragen das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219400600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zunächst die formelle Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage, Drucksache 1657, erteilen, und werde auf einige Fragen, die mit dem Projekt Karlsruhe zusammenhängen, im Laufe der Begründung des Atomgesetzes noch einmal zurückkommen.
Zu Frage 1 der Großen Anfrage habe ich zunächst zu bemerken, daß die Entscheidung über die Wahl des Standorts für den ersten Versuchsreaktor der Bundesrepublik vor der Gründung des Bundesministeriums für Atomfragen getroffen wurde. Sie erfolgte in einer Aufsichtsratssitzung der Physikalischen Studiengesellschaft, von der das Karlsruher Projekt vorbereitet wurde, und zwar hauptsächlich aus dem Beweggrund, daß die Stadt Karlsruhe seinerzeit ein geeignetes Baugelände zur Verfügung gestellt hatte. Andere Gründe innenpolitischer Natur oder Überlegungen, die mit der geographischen Situation der Bundesrepublik zusammenhängen, sind zweifellos bei der Entscheidung der Physikalischen Studiengesellschaft mit berücksichtigt worden, dürften aber heute nur noch historische Bedeutung haben.
Noch ein Wort zu der Verzögerung des gesamten Projekts. Hierfür sind zwei Gründe maßgebend. Der erste ist technischer Natur. Es hat sich herausgestellt, daß die technische Vorbereitung der Baupläne längere Zeit erfordert, als von der Gesellschaft veranschlagt war. Die Baupläne werden wahrscheinlich im Laufe des Monats März vorliegen. Der zweite Grund liegt in Schwierigkeiten der Genehmigung für den Bau, der im Lande Baden-Württemberg auf Widerstände der Bevölkerung gestoßen ist. Es ist Aufgabe des Landes Baden-Württemberg, die Voraussetzungen zu schaffen, daß die Baugenehmigung erteilt werden kann.
Nach der letzten Entwicklung ist zu erwarten, daß die Widerstände in Kürze beseitigt sein werden.
Zu Frage 2 der Großen Anfrage: Träger der Anlage ist, wie der Herr Abgeordnete Geiger schon bemerkt hat, die Kernreaktor Bau- und -betriebsGesellschaft mit beschränkter Haftung in Karlsruhe. Nach dem am 19. Juli 1956 abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag haben sich zu diesem Zweck die Bundesrepublik und das Land Baden-Württemberg einerseits und die deutsche Industrie, vereinigt in einer Kernreaktor-Finanzierungs-GmbH andererseits, zusammengeschlosen und je die Hälfte des Geschäftskapitals zu 30 Millionen DM und einer Nachschußverpflichtung zu 10 Millionen DM übernommen. Von den Partnern der öffentlichen Hand, die im übrigen die Aufwendungen für den Unterhalt und den Betrieb der Anlage nach Fertigstellung allein aufzubringen haben, übernehmen die Bundesrepublik drei Fünftel und das Land BadenWürttemberg zwei Fünftel der Stammeinlage, so daß bei einem Gesamtvolumen von zunächst 40 Millionen DM auf die Industrie 20 Millionen, die Bundesrepublik 12 Millionen und das Land Baden-Württemberg 8 Millionen DM entfallen.
Zu Frage 3 der Großen Anfrage: Die Leitung der Gesellschaft liegt bei mehreren Geschäftsführern, von denen je zwei gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind. Geschäftsführer sind gegenwärtig die Herren Professor Dr. Haxel, Universität Heidelberg, Dr. Ritter als Chemiker aus der Industrie und Regierungsdirektor Dr. Greifeld, früher beim Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg in Stuttgart.
Zu Frage 4: Die Bundesrepublik ist im Rat von CERN in Genf durch die Herren Professor Dr. Heisenberg und — zugleich auch im Finanzausschuß — durch Ministerialrat Dr. Hocker vom Bundesministerium für Atomfragen vertreten. Professor Dr. Gentner aus Freiburg ist, wie Herr Abgeordneter Geiger bemerkt hat, Leiter der Abteilung für das Synchrozyklotron. Der Vertrag von Professor Gentner läuft im Herbst 1957 ab. Es wird versucht, Herrn Professor Gentner dazu zu bewegen, die Tätigkeit noch um ein Jahr zu verlängern. Die Bundesregierung wird alles versuchen, um eine ausreichende und ständige Mitarbeit und Vertretung der Bundesrepublik bei CERN zu sichern. Es besteht Aussicht, daß dies erreicht wird, wobei ich darauf hinweise, daß unabhängig von der Mitgliedschaft von Herrn Professor Dr. Gentner die Vertretung durch Professor Dr. Heisenberg und Ministerialrat Dr. Hocker gesichert bleibt.
Meine Damen und Herren, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten schließe ich die Begründung des Gesetzentwurfs, Drucksache 3026, unmittelbar an. Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag zwei Gesetzentwürfe vorgelegt, erstens den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, zweitens den Entwurf eines Gesetzes über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren, kurz „Atomgesetz" genannt.
Wenn ich heute diese Entwürfe vor dem Hohen Haus zu begründen habe, so brauche ich nicht darauf aufmerksam zu machen, daß die Vorbereitung der Entwürfe mehr Zeit erfordert hat, als es in der Absicht der Bundesregierung lag und als es wohl auch den Erwartungen des Hohen Hauses entsprochen hat. Die Gründe hierfür sind schon in der 141. Sitzung des Deutschen Bundestags am 19. April 1956 erörtert worden. Mit der Vorlage


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

der Gesetzentwürfe haben sie nur noch historische Bedeutung, und ich bitte, mit mir einverstanden zu sein, daß ich sie nicht noch einmal vorbringe.
Die Gesetzentwürfe versuchen, ein für die Legislative unseres Landes völlig neues Gebiet gesetzlich zu ordnen. Die Neuheit und die Mannigfaltigkeit der zu behandelnden Probleme erfordern eine gründliche Überlegung, um den Gefahren einer zuwenig durchdachten oder zu perfektionistischen Gestaltung der Gesetzentwürfe zu begegnen.
Die durch die Gesetzentwürfe zu regelnde Materie hat, wie uns allen bekannt ist, auch eine sehr stark politische Seite. Ich muß hier darauf verzichten, die politischen Einflüsse auf die Entwicklung der Kernenergietechnik eingehend darzustellen, obwohl sie zu den wichtigsten Kapiteln unserer Gegenwartsgeschichte gehören.
Auch wenn man nicht in jedem Schritt der technischen Entwicklung den Beginn eines neuen Zeitalters zu sehen braucht, so kann man zweifellos den Beginn der technischen Beherrschung der Atomkräfte als eine Zäsur ansehen. Sie ist auf den Nachweis zurückzuführen, daß Atomkerne eines bis dahin wenig interessanten chemischen Elements, des Urans, durch kurz zuvor entdeckte Elementarteilchen, die Neutronen, gespalten werden. Diese Entdeckung machten der Direktor des damaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie in Berlin, Professor Otto Hahn, und sein Assistent Dr. Straßmann im Dezember 1938. Es war die Entdeckung eines Chemikers, der große Mühe darauf verwandte, nachzuweisen, daß die von ihm entdeckten Spaltstücke eine chemische Verunreinigung darstellten, und erst nach mühevoller Kleinarbeit zu der Überzeugung kommen mußte, daß hier der alte alchimistische Traum, die Umwandlung von chemischen Elementen, gelungen sei. Die Entdeckung wurde gemacht, nachdem ein breites Fundament physikalischer Grundlagenforschung die theoretischen und experimentellen Voraussetzungen geschaffen hatte. Aber daß es sich hierbei um ein naturwissenschaftliches Experiment mit unabsehbaren politischen, technischen und wirtschaftlichen Folgen handelte, wurde nicht sofort erkannt.
In Deutschland litt in den Jahren der Hahnschen Entdeckung die Forschung unter den Folgen politischer Unvernunft, und auch damals griff die Politik in die Entwicklung und Auswertung einer naturwissenschaftlichen Erkenntnis ein, wodurch zahlreiche deutsche Forscher in die Welt verstreut wurden.
Die Atomforschung entwickelte sich vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika mit einer nicht vorhergesehenen Geschwindigkeit. Sie trug durch die Entwicklung der Atombombe zur Beendigung und Entscheidung des zweiten Weltkrieges bei und hat dann in etwa zehn Nachkriegsjahren neue Möglichkeiten zur Deckung des Energiebedarfs der Menschheit sichtbar gemacht.
In Deutschland war die schon während des „Dritten Reichs" sehr erschwerte Forschung auf diesem Gebiet durch das Kriegsende praktisch lahmgelegt. Die Pionierrolle Deutschlands in der Atomforschung war, wenn nicht vergessen, so doch verlorengegangen, und auch noch nach der Genfer Atomkonferenz im August 1955 gab es genügend ernsthafte Stimmen in unserem Lande, die es als hoffnungsloses Unterfangen betrachteten, in der Bundesrepublik mit der Arbeit auf atomtechnischem Gebiet überhaupt anzufangen. Die wenigen Optimisten fanden die Unterstützung der Bundesregierung, die sich der Bedeutung dieser neuen technischen Möglichkeiten, aber auch der Einsicht in die damit verbundenen Gefahren nicht verschloß und ein besonderes Ministerium zur Bearbeitung dieser Fragen einrichtete. Die Arbeit dieses Ministeriums konnte sich nicht wie in anderen Ländern auf eine zu militärischen Zwecken geschaffene technische Organisation stützen; sie mußte, unter strenger Beschränkung auf die friedlichen Zwecke der Atomforschung, neu aufgebaut werden.
Der Beschluß der Bundesrepublik, sich in die technische Entwicklung einzuschalten und auch vor allem eine Atompolitik zu treiben, die den Bedürfnissen eines so stark industrialisierten Landes entspricht, wurde und wird durch die besondere Situation unseres Landes gegenüber den Staaten bestimmt, die man als Atomgroßmächte bezeichnen kann. Diese besondere Situation läßt sich durch vier Faktoren kennzeichnen:
Der erste Faktor ist ein Zeitfaktor. Erst vor eineinhalb Jahren errang die Bundesrepublik die Freiheit zurück, die Forschung und Entwicklung zur friedlichen Anwendung der Atomenergie aufzunehmen. Wir stehen nun vor der Aufgabe, den weiten Rückstand gegenüber den führenden Atomländern von etwa 10 bis 15 Jahren möglichst schnell aufzuholen, nicht wegen des nationalen Prestiges oder wegen wirtschaftlicher oder politischer Machtentfaltung, sondern um die Lebensgrundlagen unseres Volkes zu sichern.
Der zweite Faktor, der unsere Situation bestimmt, ist politischer Art. Er betrifft den freiwilligen Verzicht der Bundesrepublik auf die Herstellung von Atomwaffen. Dieser Verzicht setzt uns in den Stand, beim Aufbau einer deutschen Atomwirtschaft militärische Erwägungen außer acht zu lassen. Ich bin überzeugt, daß sich dies positiv auf die Entwicklung der deutschen Atomwirtschaft auswirken wird. Bei den Erwägungen über die Aufgaben des deutschen Atomgesetzes werde ich noch darauf zurückkommen, welche Aufgaben der Überwachung und Kontrolle uns aus dem Verzicht der Bundesrepublik auf die Herstellung von Atomwaffen erwachsen.
Der dritte Faktor ist die Rohstofflage unseres Landes in bezug auf die Versorgung mit den Rohstoffen, die die Atomtechnik benötigt. Es wird Ihnen bekannt sein, meine Damen und Herren, daß die derzeitige Entwicklung der Atomtechnik auf der Verwendung von Uran beruht, das an und für sich kein sehr seltenes Mineral ist. Uran kommt auf der Erde etwa so häufig wie Blei vor. Uran wird aber nicht überall und sehr oft nur in Konzentrationen gefunden, die eine technische Verwertung ausschließen. Die Vorräte in der Bundesrepublik sind nicht bedeutend, lassen aber eine bescheidene Selbstversorgung für den Beginn der Atomenergieverwertung erwarten.
Die vielerörterte Frage, ob die Gewinnung von Uranerzen in der Bundesrepublik für Zwecke der Atomtechnik durch die derzeitige recht unübersichtliche Rechtslage gehindert wird, d. h. ob es zweckmäßig sei, diese Rechtslage etwa durch ein Bundesberggesetz zu ändern, kann hier nicht behandelt werden. Für die nächste Zukunft wird zweifellos die Gewinnung von Uranerzen in der Bundesrepublik auf Grund der derzeitigen Landesberggesetze erfolgen müssen. Die Bundesregierung


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

hat bewußt davon abgesehen, diese Frage in dem vorliegenden Gesetzentwurf anzuschneiden oder zu regeln. Die Erfahrungen auf dem Erdölgebiet zeigen, daß Staatsvorbehalte, wie sie in den meisten Ländern bestehen, keineswegs der Nutzung von derartigen natürlichen Vorräten im Wege stehen. Eine liberalere Handhabung der Verwaltungspraxis würde allerdings den Bedürfnissen der Wirtschaft auf diesem Gebiet besser Rechnung tragen.
In Zukunft werden auch noch andere Grundlagen für die Atomtechnik eine Rolle spielen, so z. B. die Brütbarkeit des Thoriums*), eines Elements, das ebenfalls in technisch verwertbaren Mengen auf der Erde vorkommt, das aber andere technische Voraussetzungen erfordert, wenn es als Energiequelle verwendet werden soll. Hierzu sind noch erhebliche Arbeiten in der Grundlagenforschung und in der Anwendungstechnik erforderlich. Es ist ein Gebiet, das insbesondere für unser Land in Zukunft sehr wichtig werden wird.
Eine dritte Möglichkeit, die auf einem ganz anderen physikalischen Prinzip beruht, nämlich statt auf der Spaltung von Atomen auf der Vereinigung von Atomen und Elementarteilchen — die sogenannte thermonukleare Reaktion oder Fusion —, ist als Energiequelle heute noch nicht verwendbar. Wir kennen diese Reaktionen zur Zeit nur aus ihrer militärischen Anwendung, der sogenannten Wasserstoffbombe, und wissen daher, daß die Kernverschmelzung, also die Fusion, wie die Theorie voraussagte, noch eine sehr viel ergiebigere Energiequelle darstellt als die Spaltungsreaktion. Wenn es gelingt, diese in der Wasserstoffbombe explosionsartig verlaufende Reaktion zeitlich so zu regulieren, daß sie in technisch regelbaren Zeiten und mit beherrschbarer Temperatur verläuft, wird eine neue Grundlage der Energieerzeugung geschaffen sein. Der heutige Stand der Wissenschaft läßt erkennen, daß zweifellos die Kernverschmelzungsreaktion in absehbarer Zukunft die Verwertung von Spaltreaktionen stark einschränken und für viele Fälle ersetzen wird. Über die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen hierzu wird man voraussichtlich mehr wissen, wenn das Geophysikalische Jahr Ende 1958 zu neuen Erkenntnissen geführt hat. Zur Zeit und für die nächsten übersehbaren Jahre bilden aber die Spaltreaktionen die Grundlage der uns zugänglichen Atomtechnik, praktisch daher die Verwertung des Urans.
Im Bundesgebiet sind erst wenige Uranerzlagerstätten bekannt, die alle nur einen geringen Urangehalt haben. Im Fichtelgebirge sind bisher mit Sicherheit Lagerstätten mit einem Gehalt von etwa 50 t Uranmetall nachgewiesen. Bei den Vorkommen im übrigen Bayern und anderen Bundesländern lassen sich nach dem derzeitigen Stand etwa die gleichen abbauwürdigen Mengen an Uranmetall erwarten. Die Aufsuchungsarbeiten werden fortgesetzt und von der Bundesregierung in jeder Hinsicht unterstützt. Erst nach vielen Jahren aber werden die Möglichkeiten inländischer Uranerzeugung voll zu überblicken sein. Die Bundesrepublik Deutschland wird trotz verstärkter Prospektierung und Förderung der eigenen Vorkommen voraussichtlich für lange Zeit auf die Einfuhr ausländischer Uranerze oder Urankonzentrate angewiesen
*) Anmerkung zur Erläuterung: Thorium selbst wird nicht gespalten, sondern das nach Neutroneneinfang gebildete „gebrütete" Uran 233.
sein. Aus dieser Situation ergibt sich ebenso wie aus unserem vieljährigen Rückstand gegenüber anderen Nationen die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit, die wir in multilateralen und bilateralen Verhandlungen verwirklichen müssen und zum Teil schon verwirklicht haben. Ich werde bei der Begründung unseres Gesetzentwurfs noch im einzelnen ausführen, daß die Bundesrepublik im Rahmen dieser internationalen Vereinbarungen Verpflichtungen übernehmen muß, die nur auf der Grundlage eines entsprechenden deutschen Atomgesetzes sichergestellt werden können.
Der vierte Faktor, der unsere Lage bestimmt, betrifft den vor allem in der Öffentlichkeit als wichtigsten Punkt betrachteten Umstand, daß in der Bundesrepublik wie in anderen Industrieländern in naher Zukunft eine Energielücke droht. Als Maß für die Bedrohlichkeit der Situation wird meistens die Versorgung mit elektrischem Strom betrachtet, obwohl dies einseitig ist und den Problemen nicht voll gerecht wird. Man muß bei der Deckung des Energiebedarfs für Wirtschaft und Lebenshaltung davon ausgehen, daß die Energie zum überwiegenden Teil noch in Form von Wärme, also für unsere metallurgischen, chemischen, keramischen Prozesse usw. benötigt wird. Allerdings ist der elektrische Strom ein brauchbarer Maßstab, wenn man Schätzungen des Energiebedarfs für die Zukunft unternimmt. Alle Versuche, zahlenmäßig die zukünftige Entwicklung zu bestimmen, um hieraus Schlüsse für die Erschließung und Nutzung natürlicher Energiequellen zu ziehen, sind und bleiben naturgemäß mehr oder weniger der Wirklichkeit nahekommende Schätzungen. Derartige rechnerische Versuche gibt es in großer Zahl. Meistens legt man als Schlüsselzahl die Entwicklung des Bruttosozialprodukts zugrunde, - ohne daß es bisher bei den Berechnungen der verschiedenen Experten zu einem einheitlichen Koordinatensystem der Begriffe und der Schlüsselzahlen gekommen wäre. Dies erschwert die Vorausberechnung sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht außerordentlich. Es wäre eine verdienstvolle Aufgabe für alle Energiesachverständigen, zunächst einmal eine Entrümpelung der verschiedenen Koordinatensysteme zu veranlassen.
Die Vorausberechnungen sind auch verschieden zu beurteilen je nach dem geographischen Raum, für den sie angestellt werden. Solche Berechnungen gibt es für die Bundesrepublik, für die sechs Montanunion-Staaten, für den OEEC-Raum, für andere Kontinente und schließlich für den Energievorrat der gesamten Welt. Daraus ergibt sich, daß der Vorrat an Primär-Energieträgern, für die gesamte Menschheit gesehen, zweifellos nicht übertrieben pessimistisch betrachtet zu werden braucht. Aber wir müssen mit der einfachen Tatsache rechnen, daß es aus politischen Gründen unmöglich sein wird, die Primär-Energievorräte der Welt oder auch die Sekundärenergie so sinnvoll zu verteilen — abgesehen von den damit zusammenhängenden technischen Schwierigkeiten —, daß Mängel in einem Land durch Überschüsse aus einem anderen Land ausgeglichen werden können. Je größer die Räume sind, die man in Betracht zieht, desto größer wird die Gefährdung aller Überlegungen durch politische Einwirkungen. Verbundsysteme auf dem Gebiet der Energieversorgung funktionieren nur in verhältnismäßig kleinen Teilen der Welt. Daher kann man den Energieexperten ein bestimmtes Maß an Autarkieüberlegungen nicht verdenken.


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

Alle Berechnungen aber, so verschieden sie auch die Möglichkeiten der natürlichen Energieträger beurteilen, kommen zu dem Schluß, daß die industrialisierten Völker in relativ kurzer Zeit vor ernsthaften Versorgungsschwierigkeiten stehen werden. Die Bundesrepublik nimmt bei diesen Überlegungen etwa eine Mittelstellung zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika ein, d. h. wir sind nicht zu dem Entwicklungstempo gezwungen, das die Engländer mit ihrem Atomenergieprogramm aufzeigen, können aber auch nicht auf solche Vorräte an PrimärEnergieträgern zurückgreifen wie die USA. Feststeht jedenfalls, daß auch wir uns mit der Bereitstellung zusätzlicher Energiequellen befassen müssen, weil auch bei uns die Verbrauchsrate und die Erzeugungsmöglichkeiten sich in etwa 15 bis 20 Jahren schneiden werden.
Es gehört zu den Aufgaben einer verantwortlichen Staatsführung, Vorsorge zu treffen, daß vorauszusehende Energielücken geschlossen werden können, weil von der Energieversorgung ganz einfach die Lebensmöglichkeiten eines Volkes abhängen. Schon hierin ist also die friedliche Verwertung der Atomenergie auch in der Bundesrepublik begründet und hierin auch die Notwendigkeit der heute vorgelegten Gesetze. Selbstverständlich ist die Energieversorgung nur ein Faktor der Lebensmöglichkeiten, aber eben ein unentbehrlicher Faktor.
Andererseits ist nicht zu übersehen, daß die technische Verwertung von Atomspaltreaktionen auch zu neuen chemischen Stoffen führt, die in der Natur nicht vorkommen und die in Zukunft für die Durchführung bestimmter chemischer Prozesse und für neue Entwicklungen unentbehrlich sind. Auch mit dieser Seite der Entwicklung, der sogenannten „heißen Chemie", beschäftigt sich der vorliegende Gesetzentwurf.
Auf diesen Überlegungen beruht ein deutsches Atomprogramm, das in seinen Grundzügen schon von meinem Herrn Amtsvorgänger erläutert worden ist und das ich nur noch einmal kurz anzudeuten brauche. Das Programm umfaßt drei Stufen: 1. Förderung der Forschung und der Ausbildung des Nachwuchses, 2. Entwicklung von Versuchsreaktoren, 3. Entwicklung von Leistungsreaktoren. Diese Aufstellung soll aber keineswegs eine chronologische Zwangsfolge bedeuten, sondern alle drei Stufen werden nebeneinander zu entwickeln sein.
Zu der ersten Stufe, der Förderung der Forschung, gehören auch die ersten Forschungsreaktoren, die wir noch im Ausland kaufen müssen und von denen der erste wohl noch in diesem Jahr in der Nähe von München in Betrieb genommen wird.
Zur zweiten Stufe, der Entwicklung von Versuchsreaktoren, gehört vor allem das sogenannte Projekt Karlsruhe. Es handelt sich hier im Grunde um ein Experiment. Es soll versucht werden, einen Reaktor auf Grund deutscher Konstruktionspläne zu bauen. Der Brennstoff des Reaktors besteht aus natürlichem Uran, das also 0,7 % spaltbares U 235 enthält. Es handelt sich um einen mit Schwerwasser gekühlten und moderierten sogenannten „heterogenen" Forschungsreaktor von 10 000 kW Wärmeleistung. Es ist zu hoffen, daß die formalen Schwierigkeiten, die dem Baubeginn zur Zeit entgegenstehen, bald behoben werden und daß am Bau dieses Reaktors wertvolle Erfahrungen für die künftige Entwicklung eigener Anlagen gesammelt werden, schon im Hinblick auf die Exportmöglichkeiten der Zukunft, die für die deutsche Wirtschaft von erheblicher Bedeutung sein werden.
Es wird außerdem sehr wichtig sein, daß wir bald in den Besitz eines sogenannten „Materialprüfreaktors" kommen. Das ist ein Reaktor mit einer etwas höheren Leistung von etwa 20 bis 60 MW, in dem insbesondere physikalische und chemische Eigenschaften von Werkstoffen unter Bestrahlungseinfluß studiert werden können. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Pläne des Landes Nordrhein-Westfalen und auf den deutschen Vorschlag im Rahmen des Euratom-Vertrags, einen gemeinsamen Materialprüfreaktor zu erstellen.
Außerdem beabsichtigt die deutsche Elektrizitätswirtschaft, an einem oder mehreren Versuchskraftwerken Erfahrungen über die Nutzung der Atomenergie für die Stromerzeugung zu sammeln und sie nicht zuletzt auch zur Ausbildung von Spezialingenieuren zu verwenden. Hierbei sind wir vorläufig noch auf die Beschaffung ausländischer Reaktoren angewiesen.
Dies wird dann zu der dritten Stufe der Entwicklung führen, nämlich zu Prototypen der Leistungsreaktoren für Großkraftwerke. Bei dem derzeitigen Stand der Technik ist festzustellen, daß es noch keinen Reaktortyp gibt, der alle technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt, die an ein modernes Kraftwerk gestellt werden müssen. Es gibt allerdings heute schon etwa 20 verschiedene Reaktorsysteme, die eine wirtschaftliche Stromerzeugung voraussehen lassen. Es wird aber notwendig sein, um Fehlinvestitionen zu vermeiden, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Bau eines Großkraftwerkes sehr kritisch zu prüfen. Es dürfte heute schon feststehen, daß solche auf der Verwertung von Atomenergie beruhende Kraftwerke keinesfalls die konventionelle Energieerzeugung aus anderen Wärmequellen oder aus Wasserkraft verdrängen, sondern sie höchstens ergänzen werden.
Ich muß an dieser Stelle auch darauf hinweisen, daß trotz der Kürze der Zeit, in der wir uns mit diesen Problemen beschäftigen, eine gewisse Verwirrung in bezug auf die Reaktorpläne in der Bundesrepublik entstanden ist. Es wird eine Aufgabe meines Ministeriums sein, für eine vernünftige Koordinierung dieser Pläne zu sorgen, wenn dies auch aus Gründen, die in der föderativen Struktur unseres Staates liegen, nur behutsam geschehen kann. Jedenfalls beabsichtigen wir nicht, reine Prestigeinvestitionen zu fördern oder aber verkappte Plutoniumfabriken mit der Erzeugung von Strom als Nebenprodukt zu errichten.
Es ist vielleicht nützlich, wenn ich diesem Hohen Haus an dem Beispiel des britischen Atomprogramms darzulegen versuche, welche finanziellen Voraussetzungen für die Durchführung eines Atomenergieprogramms erfüllt werden müssen. Großbritannien rechnet mit einer Zuwachsrate des Stromverbrauchs von jährlich 2 Millionen kW, also 2000 MW. Es besitzt zur Zeit eine konventionelle Energiekapazität von 21 000 MW. Die ursprünglich bis 1965 geplanten 12 Atomenergiestationen sollten zunächst 2000 MW Leistung haben; sie 'wurden später in der Auslegung verstärkt auf eine Leistung von 4000 MW. Der kürzlich ernannte Atom- und Energieminister des Vereinigten Königreichs hat dieses Projekt um etwa 5 Anlagen 'erweitert,


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

und zwar soll nunmehr der Gesamtplan mit rund 17 Stationen bis zum Jahre 1965 eine zusätzliche Leistung von 6500 bis 7500 MW — entsprechend 20 Millionen t Kohlenäquivalent jährlich — bringen.
Abgesehen von gewissen Schwierigkeiten rein technischer Art, die sowohl in Großbritannien als auch bei uns eine Rolle spielen — z. B. die Versorgung mit Grobblechen für den Reaktorbau —, spielen Fragen der Kalkulation und der Investitionsfinanzierung eine große Rolle bei diesem Programm.
Es steht fest, daß Atomstrom wirtschaftlich nur in Grundlastanlagen erzeugt werden kann; das sind Anlagen mit mindestens 80% Dauerlast. Die Dauerlast wird aber im Sommer nicht erreicht, so daß unter Umständen kostspielige Atomkraftwerke im Sommer ganz oder teilweise stillgelegt werden müssen. Da die fixen Kosten in einem Atomkraftwerk etwa zwei Drittel, in einem modernen Wärmekraftwerk nur ein Drittel der Stromkosten betragen, ist dies ein beachtlicher Faktor.
Bei den Investitionskosten rechnet man in England zur Zeit rund 1320 DM, also rund 100 Pfund, pro installiertem kW. Wir werden in der Bundesrepublik mit etwa 1500 DM pro kW zu rechnen haben; das ist mindestens das Doppelte der Investitionskosten für ein konventionelles Kraftwerk bei augenblicklichem Preisstand.
Die im britischen Programm geplanten 6500 bis 7500 MW erfordern also einen Investitionsaufwand bis 1965 von rund 8,5 bis 9,5 Milliarden DM. Hinzu kommen 2,5 Milliarden DM Erstausstattungskosten für den Uranbedarf.
Sie ersehen daraus, meine Damen und Herren, wenn Sie überlegen, daß für die Bundesrepublik dieselbe Größenordnung wie in England in Frage kommen dürfte — wenn auch nicht dieselbe Zahl an Kraftwerken in einem so kurzen Zeitraum —, welche Investitionsmittel der Kapitalmarkt aufzubringen haben wird, um derartige Projekte zu realisieren. Soweit man bei uns die augenblicklichen Verhältnisse überblicken kann, sind wir in der Lage, bis 1965 etwa drei bis vier Atomkraftwerke verschiedener Größen mit zusammen rund 500 MW Leistung zu erstellen. Das würde zirka 700 Millionen DM an Investitionen erfordern zuzüglich der Kosten für die Uranausstattung, also im ganzen mindestens 800 Millionen DM für diese relativ bescheidenen Werke.
Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Atomkraftwerken ist natürlich auch zu beachten, daß die Atomtechnik bei dem heutigen Stand und auch in naher Zukunft noch einen erheblichen Selbstverbrauch an elektrischer Energie hat. Um ein Beispiel anzuführen, weise ich auf die ursprünglich von Euratom geplante gemeinsame Isotopentrennanlage hin, bei der eine installierte Leistung von 700 000 kW veranschlagt war, was einem Stromverbrauch von etwa 6 Milliarden kWh im Jahr entsprechen würde. Es ist jedenfalls nötig, daß alle Reaktorpläne realistisch unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Möglichkeiten beurteilt werden. Eine Mengenkonjunktur in Atomreaktoren wird es in der Bundesrepublik so bald nicht geben.
Die Erfüllung dieses Drei-Stufen-Plans erfordert natürlich eine entsprechende Arbeit auf wissenschaftlichen und technischen Forschungsgebieten. Die Unterstützung all dieser Vorhaben ist eine der Aufgaben des Ministeriums für Atomfragen. Die
Voraussetzung hierzu ist aber die baldige Verabschiedung eines deutschen Atomgesetzes. Das jetzt noch geltende Verbotsgesetz der Alliierten Hochkommission ist natürlich keine Grundlage für die Entwicklung der deutschen Atomwirtschaft.
Wenn auch dieses Hohe Haus durch die Beratung eines Gesetzentwurfs einer Fraktion des Bundestages schon über die Grundzüge einer Atomgesetzgebung unterrichtet ist, so machte ich doch noch kurz auf Einzelheiten des Gesetzentwurfs eingehen.
Zunächst erfordern die internationalen Verpflichtungen, die die Bundesrepublik übernommen hat oder übernehmen wird, ein Atomgesetz, das die erforderlichen Kontrollen gestattet. Die praktische Bedeutung dieses Grundsatzes ergibt sich aus einem aktuellen Beispiel. Wir haben mit den USA ein Abkommen über die Lieferung der erforderlichen Brennstoffelemente für die ersten von uns bestellten Forschungsreaktoren geschlossen. Die amerikanische Regierung wird jedoch die zum Betrieb der Reaktoren erforderlichen Brennstoffelemente erst liefern, wenn die Bundesregierung durch ein in Kraft getretenes deutsches Atomgesetz die vertragsmäßige Verwendung der Kernbrennstoffe auch gewährleisten kann.
Wir müssen deshalb schon aus diesem Grunde baldmöglichst eine gesetzliche Grundlage schaffen, um die erforderlichen Kernbrennstoffe beziehen zu können. Die Gewährleistung der Erfüllung unserer internationalen Verpflichtungen ist somit eine wichtige Aufgabe des Gesetzes und als solche in § 1 besonders genannt.
In der einleitenden Vorschrift des Gesetzes ist ferner die freie und ungehinderte Entwicklung der Forschung und der friedlichen Nutzung der Kernenergie als eine besondere Aufgabe des Gesetzes hervorgehoben. Das bedeutet jedoch nicht, daß wir die technische und wissenschaftliche Entwicklung durch gesetzliche Programme regulieren wollen. Die verwaltungsmäßige Förderung der Erforschung und Nutzung der Kernenergie durch Bund und Länder unter Verwendung der durch die Haushaltsgesetze bereitgestellten Mittel ist nicht Aufgabe des Atomgesetzes. Trotzdem bin ich überzeugt, daß das von der Bundesregierung vorgeschlagene Gesetz auch die Entwicklung erheblich fördern wird.
Der Gesetzentwurf setzt der Privatinitiative nur dort Grenzen — allerdings sehr eindeutige Grenzen —, wo dies zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern, zum Schutz der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik und auf Grund internationaler Verpflichtungen nötig ist. Er enthält ein unkompliziertes, geordnetes und mit rechtlichen Garantien ausgestattetes Überwachungssystem. Er verzichtet auf ein staatliches Monopol der Betätigung, auf ein ausschließliches Staatseigentum an bestimmten Stoffen und Anlagen und auf Bewirtschaftungs- und Lenkungsmaßnahmen. Unser Gesetzentwurf gibt allen, die sich auf dem Gebiet der Forschung und Nutzung der Kernenergie betätigen wollen, gleiche Chancen. Wir erwarten deshalb, daß unsere künftige gesetzliche Regelung viele Kreise zur Mitarbeit gewinnen und der Wirtschaft und Wissenschaft einen nicht unbedeutenden Ansporn geben wird.
Die Grundlage des Gesetzes stimmt mit der privatwirtschaftlichen Struktur unserer Volkswirtschaft überein. Ich möchte dies besonders betonen, weil gegen dieses Prinzip zweifellos Gegengründe


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

vorgebracht werden und weil sich unser Gesetzentwurf wesentlich von den Regelungen in anderen Ländern unterscheidet. Zur Frage der privatwirtschaftlichen Betätigung auf dem Atomenergiegebiet hat übrigens Herr Abgeordneter Kurlbaum in der schon erwähnten 141. Sitzung des Bundestages beachtenswerte Ausführungen gemacht.
Unsere Überlegungen gehen davon aus, daß auch dieses neue technische Gebiet sinnvoll in unser bestehendes Wirtschaftssystem eingegliedert werden kann. Es besteht keine Notwendigkeit der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand auf diesem Gebiet, weil alle Aufgaben und Probleme, die sich für die Zukunft ergeben, auch auf privatwirtschaftlicher Basis geregelt werden können. Mit diesem Gesetzentwurf soll der auch in diesem Hohen Hause erhobenen Forderung „so wenig Staat wie möglich" Rechnung getragen werden.
Zu den wichtigsten Gegenargumenten gegen eine privatwirtschaftliche Struktur der Atomwirtschaft gehören die Befürchtungen, daß einmal hier einer bestimmten sozialogischen Gruppe ökonomische Vorteile erwachsen und zum anderen eine neue Zusammenballung von Macht in eben dieser Gruppe ermöglicht würde. Zur ökonomischen Seite darf man wohl mit Recht darauf hinweisen, daß zunächst in der Atomwirtschaft das Investitionsproblem die Hauptrolle spielen wird und daß von privatkapitalistischen Gewinnen so bald keine Rede sein kann. Der hohe Kapitalbedarf für die Anlagen wird sowieso eine sinnvolle Zusammenarbeit von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand erfordern, und so wird schon von der Kapitalseite her dem Staat eine gewisse Einflußmöglichkeit vorbehalten bleiben.
Das andere Argument, nämlich die Gefahr einer unzulässigen Zusammenballung von. Macht, ist wesentlich ernster und erfordert doch einige Bemerkungen. Es ist leider ein Tatbestand, daß die Atomwirtschaft durch die furchtbare Hypothek der Atombombe belastet ist. Es ist aber ebenso ein Tatbestand, daß diese Gefahr nicht durch die privatwirtschaftliche Verwendung dieser neuen Naturkraft geschaffen wurde, sondern ausschließlich von staatlichen Einrichtungen; denn alle Staaten, die sich mit dieser neuen Technik befaßt haben, haben dies auf Grund militärischer Überlegungen getan und sich hierfür staatliche oder ausschließlich vom Staat abhängige Einrichtungen geschaffen. Die bisher aus der Anwendung der Atomenergie entstandenen Gefahren sind also gerade durch die Omnipotenz des Staates entstanden, dessen eigentliche Aufgabe ja sein sollte, solche Gefahren für seine Bürger und die Menschheit zu unterbinden. Es gibt auf der ganzen Welt noch keine privatwirtschaftliche Nutzung der Atomenergie in einem marktwirtschaftlichen System. Deshalb müßte man aus der geschichtlich traurigen Erfahrung der letzten Jahre doch wohl zu einer Überzeugung kommen, die von einer etatistischen Struktur dieses neuen Wirtschaftsgebiets absieht. Bei einer privatwirtschaftlichen Struktur, unter entsprechender Staatskontrolle, kann ein Verstoß der Privatwirtschaft gegen bestehende Kontrollgesetze jedenfalls unterbunden oder geahndet werden. Das ist aber sehr erschwert, wenn der Staat selbst der Betreiber solcher Anlagen ist. Die Erfahrungen ringsum sollten uns in dieser Hinsicht doch belehrt haben.
Außerdem kann man nicht übersehen, daß sich die innere Struktur unseres Wirtschaftssystems in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ebenfalls grundlegend geändert hat. Die Regulatoren des wirtschaftlichen Ablaufs, die u. a. durch die Mitbestimmung und Mitwirkung der Arbeitnehmer, durch den Einfluß der Gewerkschaften und durch die Verfassung geschaffen wurden, geben meiner Ansicht nach eine größere Garantie für die Sicherheit des Staatsbürgers bei der wirtschaftlichen Verwertung der Atomtechnik, als wenn sie vom Staat betrieben würde.
Deshalb glaube ich, daß der Grundsatz des Gesetzentwurfs richtig ist, daß es sich um ein gutes Gesetz handelt, das auf Rüstungsaufgaben keine Rücksicht zu nehmen braucht und ausschließlich seiner eigentlichen Aufgabe, der Förderung der friedlichen Verwendung der Atomenergie, dienen kann. Daß analoge Gedankengänge allmählich auch bei den Großmächten Fuß fassen, zeigen das schon erwähnte Energieprogramm Großbritanniens und die allmähliche Bereinigung gewisser gesetzlicher Bestimmungen zugunsten der privatwirtschaftlichen Betätigung in den USA.
Meine Damen und Herren, ich erwähnte vorhin die Belastung des ganzen Problems durch die Existenz der Atombombe. Ich habe zu den militärischen und politischen Gründen, die zu dieser Entwicklung geführt haben und sie heute bestimmen, hier nicht Stellung zu nehmen. Sie berühren auch den Inhalt des Gesetzes, das ich zu begründen habe, nicht. Wir können aber nicht darüber hinwegsehen, daß die Befürchtungen in der Bevölkerung, die sich mit der Atomenergie verbinden, in erster Linie auf der Existenz der Atomwaffen beruhen.
Wir sehen in der Einstellung der Menschen zu diesen Fragen den auch sonst in bezug auf die technische Entwicklung feststellbaren Widerspruch, daß jeder technische Fortschritt stürmisch begrüßt wird, wenn er zur Hebung des Lebensstandards und des Lebensgefühls beiträgt, und daß dieser technische Fortschritt gleichzeitig die Existenzangst des Menschen erhöht. Mann kann Argumente hören, die in dieser Angst ein notwendiges pädagogisches Element für den Menschen sehen. Insbesondere scheint diese Auffassung in der Politik zu gelten, und so ist es kein Wunder, daß diese Angst auch auf die friedliche Verwendung der Atomenergie ausstrahlt.
Diesem Tatbestand, der also nicht nur technisch, sondern auch seelisch und psychologisch zu werten ist, muß auch ein Gesetz Rechnung tragen, das in dieses Neuland vorstößt und die Grundlage für die Betätigung auf diesem Gebiet bilden soll. Daher ist die zentrale Aufgabe des deutschen Atomgesetzes seine Schutzfunktion. Hierzu sind wohl noch einige grundsätzliche Bemerkungen notwendig.
Es gibt keine technische Anwendung von Naturkräften, die ohne Gefahr wäre. Die technische Entwicklung beruht im Grunde darauf, daß der Mensch aus seinem Selbsterhaltungstrieb seine Werkzeuge ständig zu verbessern sucht, und zwar in der Richtung, daß immer mehr menschliche Arbeitskraft durch technische Einrichtungen ersetzt wird. Die Anwendung der Atomenergie bringt also keine grundsätzlich neuen Fragen in bezug auf Schutzmaßnahmen für die einzelnen Menschen mit sich, wohl aber die Notwendigkeit, etwaige zusätzliche Gefahren auszuschließen. Wir haben also zunächst die Aufgabe, festzustellen, ob und wo Gefahren dieser Art vorliegen.


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Einwirkung von Strahlen und strahlender Materie auf den Organismus schädlich ist. Diese Gefahren bestehen in besonderem Maße bei solchen technischen Vorgängen, ,die unkontrollierbar sind, wie die Auswirkungen einer Atombombenexplosion. Wenn diese Fragen auch nicht zum Bereich des Gesetzentwurfs gehören, so muß man doch festhalten, daß die Schutzmaßnahmen für die friedliche Verwendung der Atomenergie technisch dieselben Probleme und Lösungsmöglichkeiten aufweisen wie der Schutz gegen solche unkontrollierbaren Vorgänge. Deshalb sind auch bei der Ausarbeitung technischer Schutzmaßnahmen die Erfahrungen auf dem Atomwaffengebiet mit heranzuziehen.
In der Öffentlichkeit besteht leider eine weitgehende Verwirrung über die Gefahrenquellen und ihre Ursachen. Hierbei sei mir ausnahmsweise zunächst ein Wort pro domo gestattet. Es ist kein Geheimnis, daß in weiten Kreisen der Bevölkerung der Eindruck besteht, gewisse Gefahren, die mit der Atomenergieverwertung verbunden sind, sollten aus irgendwelchen Gründen verheimlicht werden. Ich fühle mich oder mein Ministerium deshalb aber nicht in den Anklagezustand versetzt und beabsichtige auch nicht etwa, mich zu verteidigen. Denn wir wären gar nicht in der Lage, irgend etwas zu verheimlichen. Das Atomministerium schöpft seine Sachkenntnis aus der wissenschaftlichen Literatur der Welt, die jedermann zugänglich ist, und aus Beratungen durch Sachverständige.
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit werden — soweit dies möglich ist — ausgewertet und dienen 'als Grundlage für unsere gesetzgeberische Arbeit und für die technischen und wirtschaftlichen Maßnahmen, für die das Ministerium zuständig ist. Mein Ministerium ist aber weder ein Laboratorium noch ein Konstruktionsbüro. Wir bauen oder betreiben keinen Atommeiler, und wir machen keine Bomben. Wir betreiben auch keine wissenschaftlichen Institute und werden deshalb auch kein Konkurrent in bezug auf wissenschaftliche Arbeit, sondern wir bemühen uns, eine objektiv arbeitende Zentrale für die Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis zu sein und dadurch unsere Aufgaben zu erfüllen. Wir sind verpflichtet, diese Erfahrungen zu nutzen bei der Gestaltung unserer Gesetze und bei den Möglichkeiten, die der Exekutive zur Abwehr der Gefahren gegeben sind.
Ich selbst bemühe mich. die Arbeit meines Ministeriums nach strengen Grundsätzen der exakten Wissenschaft auszuführen. Daher werden wissenschaftliche Ergebnisse von uns weder verheimlicht noch etwa danach beurteilt, ob sie — wem sei dahingestellt — angenehm oder unangenehm, sondern allein danach, ob sie falsch oder richtig sind. Diese Grundsätze meiner Arbeit ,gedenke ich beizubehalten.
Bei der Beurteilung der Gefahren durch Strahlen aller Art muß man gewisse Tatbestände unterscheiden. Zunächst ergeben sich Schutzmaßnahmen für die in den technischen Anlagen der Atomwirtschaft beschäftigten Personen. Dies ist eine Aufgabe, die in das Gebiet des Arbeitsschutzes, der Unfallverhütung und der Gewerbehygiene fällt.
Gerade in Deutschland haben wir auf diesem Gebiet reiche Erfahrungen. Ich möchte meine Überzeugung als Techniker, der 30 Jahre praktisch in einem allgemein als gefährlich geltenden Industriezweig Unfallverhütung betrieben hat, dahin ausdrücken, daß es bei dem heutigen Stand der Technik möglich ist, durch Schutzmaßnahmen die Unfallquellen bei den Atomenergieanlagen auszuschalten.
Daneben besteht natürlich die Möglichkeit einer Gefährdung der Bevölkerung, die nicht in diesen Betrieben arbeitet, durch unvorhergesehene Einwirkung von Strahlen. Auch hierbei muß man wieder unterscheiden zwischen der Einwirkung von Strahlen, die aus der natürlichen Radioaktivität der Erde herrühren, und zusätzlichen Strahlen, die durch die wissenschaftliche, technische oder leider auch militärische Betätigung des Menschen entstehen. Die natürliche Radioaktivität des Bodens und der Atmosphäre ist, ebenso wie die Höhenstrahlung, ein Bestandteil der Naturkräfte, die vom Menschen nicht beeinflußt werden können. Sie stellen also auch eine ständige Gefahrenquelle dar, wenn man unterstellt, daß Strahlen auf jeden Fall schädlich sind.
Die Befürchtungen. der Menschen in bezug auf diese Gefährlichkeit betreffen aber weniger Schäden durch Unfälle oder durch falsche Handhabung gefährlicher Substanzen als die gefürchteten Erbschäden durch sogenannte Mutationen.
Charakteristisch für die psychologische Einstellung der Menschen ist die Tatsache — die Sie, meine Damen und Herren, selber alle feststellen können —, daß u. a. die früher als gesundheitsfördernd gepriesene Radioaktivität der Erde heute völlig verschwiegen wird. Von den Etiketten der Mineralwasserflaschen ist die Angabe radioaktiven Gehalts ebenso verschwunden wie aus den Prospekten der Kurorte, die früher ihre emanationshaltige Atmosphäre als wesentlichen Bestandteil ihrer Heilwirkung angepriesen haben. Dabei haben sich die natürlichen Verhältnisse auf der Welt keineswegs so geändert, daß diese Reaktionen berechtigt wären.
Die biologische Wissenschaft gibt uns leider keine Antwort darauf, wie hoch die natürliche Mutationsrate der Lebewesen durch die natürliche Radioaktivität der Erde, insbesondere beim Menschen, ist. Es scheint nur festzustehen, daß von diesen natürlichen Mutationen immerhin nur 20 % der Strahlung zur Last zu legen sind und 80 % auf andere Ursachen — Lebensweise, Gifte usw. — entfallen. Die Biogenetiker stehen heute, wenn auch nicht einheitlich, auf dem Standpunkt, daß jede Strahlenbeeinflussung der lebenden Zellen, insbesondere der Keimzellen, ungünstige Mutationen hervorruft, zumindest beim Menschen. Man muß hierbei aber darauf hinweisen, daß die Möglichkeiten zu Mutationen in der Pflanzen- und Tierzüchtung auch zu ganz anderen Zwecken dienen, nämlich um — vom Menschen her gesehen — bessere Organismen zu erzeugen.
In viel höherem Maße wird ntürlich die Befürchtung vor schädlichen Mutationen erregt durch die Einwirkung von radioaktiven Strahlen, die auf irgendeine Weise zusätzlich auf den Menschen einwirken. Auch die Biologen und Genetiker geben zu, daß die experimentellen Grundlagen für eine Beurteilung der Größe dieser Gefahr heute nicht ausreichen. Es ist also eine der vordringlichsten Aufgaben der Wissenschaft, insbesondere der Biogenetik, hier exakte wissenschaftliche Grundlagen zu schaffen. Mein Ministerium wird deshalb vordringlich solche Forschungsaufgaben fördern.


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

Man kann die widerspruchsvollen biologischen Angaben zusammenfassend heute wohl dahin beurteilen, daß jede Strahleneinwirkung auf den menschlichen Organismus gefährlich ist und daß alle Schutzmaßnahmen danach trachten müssen, diese Gefährdung auszuschließen.
Man muß dabei aber daran denken, daß solche Gefährdungen, insbesondere in bezug auf die Genese, beim Menschen nicht nur durch Einflüsse der Atomtechnik durch Atomwaffen und die Anwendung von Radio-Isotopen bestehen, sondern daß auch die Einwirkung z. B. von Röntgenstrahlen und von radioaktiven Präparaten in der Medizin eine Rolle spielt.
Die nach meiner Ansicht bisher sinnvollste Zusammenstellung dieser Gefahren, der Größenordnung nach, gibt ein Bericht des Medical Research Council des britischen Parlaments, der eine Punktwertung aufgestellt hat. Wenn man den relativen Dosiswert für die Gonaden bei Strahlen durch natürliche Radioaktivität — 100 setzt, so ergibt sich für die radioaktiven Niederschläge bei Atomwaffenversuchen eine Zahl von bisher 1, bei atomtechnischen Anlagen von 0,1, bei den Leuchtzifferblättern an Uhren von rund 1, bei der Strahlendiagnostik, also den bekannten Röntgenstrahlenuntersuchungen, aber immerhin eine Punktzahl von 22. Wenn man also Vergleiche zieht, sollte man über den Gefahren durch die noch gar nicht verwirklichte Atomtechnik in unserem Lande die schon seit 50 oder 60 Jahren bestehenden Gefahrenquellen nicht übersehen. Hierzu gehört u. a. auch die Frage nach dem Verbleib der radioaktiven Präparate in unseren Kliniken.
Ich will hiermit — ohne auf Einzelheiten eingehen zu können — nur auf die Relativität aller zahlenmäßigen Schlüsse aus dem vorliegenden wissenschaftlichen Material hinweisen. Man muß feststellen, daß die Größe der Gefahren durch radioaktive Strahlen — wozu also neben den Röntgen- und Gammastrahlen, den Alphastrahlen und den Betastrahlen die Protonen- und die Neutronenstrahlen und schließlich die Höhenstrahlen gehören — noch nicht definierbar ist. Daraus ergibt sich, daß auch die Größe einer etwa zulässigen Strahlung nicht definierbar ist, sondern bis jetzt nur geschätzt werden kann. Es erübrigt sich an dieser Stelle daher, auf die verschiedenen auf solchen Schätzungen beruhenden Toleranzdosen oder andere Grenzwerte einzugehen.
Auf die Messung der Luftaktivität komme ich bei der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 1734 noch zurück.
Für die zu ergreifenden technischen Schutzmaßnahmen an Reaktoranlagen und anderen Betrieben bleibt die Notwendigkeit bestehen. möglichst jeden Strahlenaustritt zu unterbinden. Die Erfüllung dieser Forderung hat natürlich erhebliche Konsequenzen wirtschaftlicher Art. Kostspielige Schutzmaßnahmen können die Wirtschaftlichkeit einer solchen Anlage völlig vernichten.
Der einfachste Weg aus der wissenschaftlich unsicheren Situation, nämlich die Errichtung sämtlicher Kernenergieanlagen zu verbieten, ist — wie ich darzulegen versucht habe — aus volkswirtschaftlichen und lebenswichtigen Gründen ungangbar.
Wir müssen also ebenso wie bei der Beurteilung der Energielücke auch bei den Schutzmaßnahmen einen Mittelweg suchen, der den aus Sicherheitsgründen erforderlichen Schutzaufwand in Einklang hält mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Dabei sollte der Grundsatz gelten, daß die Strahlenwirkung zwar durch physikalische und radiochemische Methoden gemessen werden kann, daß dies aber nicht maßgebend sein kann für die Schutzwirkung von Anlagen, sondern daß diese ergänzt werden muß durch eine medizinische und biologische Kontrolle. Mit anderen Worten: Technische Maßnahmen, die medizinisch und biologisch unwirksam sind, sind ungeeignet, und wahrscheinlich liegt hier auch ein Weg, den Schutzaufwand in wirtschaftlich erträglichen Grenzen zu halten.
Es ist also eine vordringliche Aufgabe der Wissenschaft, auch aus volkswirtschaftlichen Überlegungen, daß sie sehr bald exakte Unterlagen über die medizinisch-biologisch zulässige Grenze von Strahlenwirkungen gibt. Die aus der medizinischen und biologischen Kontrolle entstehenden ingenieurmäßigen Aufgaben der Schutztechnik können bei dem heutigen Stand der Technik gelöst werden.
Ein wirksamer Schutz durch gesetzliche Maßnahmen kann natürlich nur erreicht werden und der Staat kann für ihn nur garantieren, wenn alle einschlägigen Betriebe und Anlagen unter einer wirksamen staatlichen Kontrolle stehen. Hierüber gibt es wohl keine Meinungsverschiedenheiten.
Es gibt Länder, in denen die Ansicht vertreten wird — und sie wird wohl auch in diesem Hohen Hause Anhänger finden, ebenso wie sie jetzt in den Euratom-Bestimmungen für die spaltbaren Stoffe Eingang gefunden hat —, daß eine wirksame Kontrolle nur möglich sei, wenn der Staat oder eine internationale Einrichtung Eigentümer der gefährlichen Materie, also der verwendeten Kernbrennstoffe, ist. Auf unsere Verhältnisse trifft dies an sich nicht zu. Die deutsche Rechtsordnung gestattet wegen der besonders starken sozialen Bindung des Eigentums wesentliche Eingriffe in das Eigentum und erlaubt, die Eigentumsrechte zu beschränken. Insofern ist auch der privatwirtschaftliche Grundsatz des Gesetzes in bezug auf das Eigentum durch eine starke Kontrolle eingeschränkt.
Deshalb besteht bei unseren Verhältnissen eigentlich keine Notwendigkeit eines ausschließlichen Staatseigentums zum Zweck der Kontrolle. Die deutsche Rechtsordnung kennt keinen Fall, in dem der Staat gezwungen wäre, zur Ausübung einer wirksamen Kontrolle das Eigentum an den zu kontrollierenden Gegenständen zu erwerben. Wir kennen deshalb Privateigentum an zahlreichen gefährlichen Gütern, beispielsweise an Sprengstoffen oder an Giften. Die Gesetze beschränken sich auf ein mehr oder minder lückenloses Kontrollsystem, wie z. B. das Sprengstoffgesetz oder das Opiumgesetz. Es ist erwiesen. daß diese Kontrollen eine mißbräuchliche Benutzung wirksam verhindern können. Die Überführung der Gegenstände in Staatseigentum ist dagegen nicht geeignet, die Wirksamkeit der staatlichen Kontrollen zu erhöhen, soweit der Staat die Gegenstände zur Benutzung durch Dritte doch aus der Hand geben muß.

(Abg. Wehner: Wollen Sie die Verträge damit jetzt noch kaputtmachen?)

— Durchaus nicht; aber ich muß doch unsere Grundsätze erläutern!

(Abg. Wehner: Sie halten also einen Nekrolog?)



(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

— Durchaus nicht; das hat noch prognostische Bedeutung!
Der Regierungsentwurf des Atomgesetzes hat zur Grundlage, daß für die Wirksamkeit der staatlichen Kontrollen nicht entscheidend ist, wer Eigentümer der Kernbrennstoffe ist, sondern wie das Kontrollsystem funktioniert. Der Entwurf des Gesetzestextes läßt daher die Eigentumsfrage offen und läßt damit privates und öffentliches Eigentum zu.
Ein wichtiger Bestandteil des von uns vorgeschlagenen Kontrollsystems ist die staatliche Verwahrung aller Kernbrennstoffe, die nicht im Produktions- oder Verarbeitungsprozeß gebraucht werden, also eine Depotpflicht. Wir glauben, daß die staatliche Verwahrung der Kernbrennstoffe eine echte Alternative darstellt zu dem Begriff des gesetzlich verankerten öffentlichen Eigentums, wie es in den Vereinigten Staaten besteht, oder des öffentlichen Eigentums, wie wir es in Großbritannien oder Frankreich auf Grund staatlicher Monopole haben. Ich darf insoweit zwischen den Auffassungen der Bundesregierung und der Verfasser des dem Bundestag bereits vorliegenden Initiativgesetzentwurfs die gleiche Übereinstimmung feststellen wie hinsichtlich der privatwirtschaftlichen Tendenzen der beiden Gesetzentwürfe.
Weitere wichtige Teile des Kontrollsystems sind Vorschriften, die jeden Umgang mit Kernbrennstoffen einer Genehmigung und der staatlichen Aufsicht unterstellen. hierbei müssen die Genehmigungsvoraussetzungen sehr hart sein, wie sie die §§ 7 und 8 des Entwurfs vorsehen. Wer sie voll erfüllt, soll allerdings aus rechtsstaatlichen Gründen einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung haben.
Auch die Befugnisse der Aufsichtsbehörden müssen sehr weitgehend sein. Die Kontrollorgane müssen jeden Ort, an dem sich Atomanlagen oder Kernbrennstoffe befinden, betreten und dort die notwendigen Prüfungen anstellen können. Die Kontrollorgane müssen sogar das Recht haben, solche Orte jederzeit zu betreten, von denen sie nur vermuten, daß sich dort Kernbrennstoffe oder genehmigungspflichtige Anlagen befinden.
Was die notwendigen Vorschriften für den Strahlenschutz betrifft, so wollen wir in der Lage sein, sie den wissenschaftlichen Ergebnissen und technischen Notwendigkeiten elastisch und schnell anpassen zu können. Deshalb sieht der Entwurf des Atomgesetzes nur eine detaillierte Ermächtigung für die Strahlenschutzregelung vor. Die materielle Regelung des Strahlenschutzes dagegen soll einer Verordnung der Bundesregierung vorbehalten bleiben.
Außer diesen materiellen Angaben zu den Schutzvorschriften möchte ich noch auf die zahlreichen von uns angestellten Überlegungen eingehen, wie das Gesetz am zweckmäßigsten auszuführen sei. Wir gingen dabei von dem Grundsatz aus, möglichst keine neuen Behörden zu schaffen, sondern die Kontrolle mit bewährten Einrichtungen durchzuführen. Wir können hierbei auf jahrzehntelange Erfahrungen in der Durchführung von Kontrollmaßnahmen zurückgreifen, wie sie sich durch die Zusammenarbeit zwischen staatlicher Gewerbeaufsicht und bestimmten Selbstverwaltungsorganisationen herausgebildet haben. Das sind vor allem die Berufsgenossenschaften und die technischen Überwachungsvereine. Diese Zusammenarbeit hat sich in Deutschland so gut bewährt, daß kein Anlaß besteht, für das neue technische Gebiet der Atomenergieverwertung eine neue staatliche Einrichtung zu schaffen.
Wir wollen die Ausführung des Gesetzes organisatorisch in den Rahmen der schon bestehenden Verwaltungen einfügen. Es ist mir natürlich bekannt, daß hiergegen vorgebracht wird, eine Bundesanstalt oder eine Bundesoberbehörde sei zweckmäßiger. Wir haben diese Frage genau geprüft und keine Vorteile in einer solchen Regelung gefunden.
Das Atomgesetz wird die Erfüllung vieler Verwaltungsaufgaben erfordern, die zum Teil genaueste Kenntnis und ständige Überwachung der örtlichen Verhältnisse voraussetzen. Diese Aufgaben können, wenigstens auf die Dauer gesehen, von einer Zentralinstanz nur unter größten Schwierigkeiten und Kosten ausgeführt werden. Wir scheuen uns nun aber schon vor der Gründung neuer Spezialbehörden auf der oberen Ebene, wie dies eine Bundesanstalt für Kernenergie sein würde. Erst recht wollen wir — ich glaube, daß ich in Ihrer aller Namen sprechen darf — ohne zwingendes Bedürfnis davon absehen, solchen Spezialbehörden einen Unterbau bis in die örtliche Instanz zu geben. Bei den Überlegungen über die zweckmäßigste Ausführung des Atomgesetzes haben wir deshalb auch geprüft, ob es sich nicht umgehen läßt, einen neuen Verwaltungszweig bis in die örtliche Instanz hinunter zu errichten. Dabei hat sich gezeigt, daß die Landesbehörden in mancher Hinsicht besser für die Ausführung des Atomgesetzes geeignet sind als eine Bundesverwaltung, gleichgültig ob die Bundesverwaltung durch eine zentrale Verwaltungsbehörde oder durch einen mehrgliedrigen Verwaltungskörper ausgeführt wird. Bundesbehörden können immer nur Bundesrecht ausführen. Die Ausführung des Landesrechts ist und bleibt Sache der Länder.
Die Errichtung und der Betrieb einer Atomanlage, beispielsweise eines Reaktors, könnten deshalb niemals abschließend von einer Bundesbehörde genehmigt werden, da hierzu auch zahlreiche Genehmigungen nach Landesrecht erforderlich sind. Wenn man die Betroffenen davor bewahren will, mit 'unübersehbar vielen Genehmigungsbehörden verhandeln zu müssen, dann ist es notwendig, das Genehmigungsverfahren in einer Instanz zusammenzufassen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Diese Genehmigungsinstanz kann jedoch nur eine Landesbehörde sein, da die Landesbehörden nach dem Grundgesetz nicht nur Landesgesetze, sondern auch Bundesgesetze ausführen können. Aus wohlerwogenen Gründen entscheidet sich deshalb der Regierungsentwurf für die Ausführung des Gesetzes durch Landesbehörden.
Ich will aber an dieser Stelle ganz deutlich aussprechen, daß sich die Bundesregierung trotz der von ihr vorgeschlagenen Landesverwaltung nicht nur für die Gesetzmäßigkeit, sondern auch für die Zweckmäßigkeit der Atomverwaltung voll verantwortlich fühlt. Die Bundesregierung bittet Sie deshalb, meine Damen und Herren, der vorgeschlagenen Grundgesetzänderung zuzustimmen. Wir benötigen sie, um dem Bunde die konkurrierende Gesetzgebung auf dem Gebiet der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu sichern und damit die Bundesregierung befugt ist, mit Einzelweisungen und generellen Anordnungen die Einheitlichkeit der Atomverwaltung im gesamten


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

Bundesgebiet sicherzustellen und die Zweckmäßigkeit der Ausführung des Atomgesetzes zu garantieren. Wir benötigen diese Grundgesetzänderung auch, damit die Bundesregierung für die Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen auf dem Gebiet der Kernenergie einstehen kann.
Auf Einzelheiten unserer Gesetzentwürfe geht die der Drucksache 3026 beiliegende Begründung ein.
Lassen Sie mich nur noch zu einem Problemeinige Worte sagen, nämlich zur Haftung für Atomanlagen und für den Umgang mit radioaktiven Stoffen. Wir haben spezielle Haftungstatbestände für den Betrieb von Atomanlagen und für den Umgang mit radioaktiven Stoffen vorgeschlagen. Der Vorzug dieser Vorschriften gegenüber den Haftungsnormen des allgemeinen bürgerlichen Rechts wird sich in der späteren Praxis — so hoffe ich ich wenigstens — nicht so sehr durch eine ganz besondere Gefährlichkeit der Atomanlagen und radioaktiven Stoffe rechtfertigen, sondern durch die begründete Erleichterung der Rechtsverfolgung der Geschädigten. Die Bundesregierung schlägt — ich darf das nur noch kurz erläutern — Gefährdungshaftung für den Betrieb von Atomanlagen, Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast für den Umgang mit radioaktiven Stoffen vor. Wie bei den meisten Vorschriften, die eine Gefährdungshaftung oder qualifizierte Verschuldenshaftung zum Inhalt haben, ist die Haftung auch nach unserem Entwurf dem Umfang und der Höhe nach begrenzt.
Die Begrenzung hinsichtlich des einzelnen Geschädigten bewegt sich in einem durch die übrigen Gefährdungshaftungsgesetze etwa vorgezeichneten Rahmen. Hinsichtlich der Begrenzung für die gesamte Haftung aus ein und demselben Schadensereignis kann man viele Überlegungen anstellen, ohne zu einem exakt begründbaren Ergebnis zu gelangen. Wir müssen uns bei diesen Überlegungen auch immer vor Augen halten, daß neben der besonderen Haftung des Atomgesetzes immer noch die ohnehin der Höhe nach unbegrenzte Haftung nach bürgerlichem Recht besteht.
Mit einer unangemessen hohen Höchstsumme für die Gefährdungshaftung würden wir das Problem der Realisierbarkeit der Haftung berühren. Eine Haftung hat nur Sinn und Zweck, wenn sie im Schadensfall auch realisiert werden kann. Für eine nicht realisierbare Haftung oder für eine unangemessen scharfe Haftung wird Versicherungsschutz nicht oder nur zu unangemessenen, wirtschaftlich nicht tragbaren Bedingungen zu erlangen sein. Die Bundesregierung hat zu der auch schon vom Bundesrat angeschnittenen Frage der Haftungshöchstsummen noch einmal Sachverständigengutachten eingeholt. Sie wird sich erlauben, diese Gutachten sofort, wenn sie vorliegen, diesem Hohen Hause vorzulegen.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich jedoch die Meinung all der Sachverständigenkreise, die wir bisher zur Lösung dieser sehr schwierigen Fragen gehört haben, in folgende Punkte zusammenfassen:
Erstens. Es muß unbedingt dafür gesorgt werden, daß allen Verletzten echter Schadensersatz geleistet wird.
Zweitens. Das Korrelat eines Atomgesetzes mit dem Grundsatz freier wirtschaftlicher Betätigung ist die Notwendigkeit, daß die Wirtschaft die haftungsrechtliche Verantwortung für ihre Maßnahmen selbst zu tragen hat.
Drittens. Auch bei Anspannung aller Kräfte von Industrie und Wirtschaft wird es nicht möglich sein, die Haftung für Katastrophenschäden ohne Mithilfe des Staates zu gewährleisten.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Hört! Hört!)

Ich glaube, daß ich damit die wesentlichsten Probleme der Ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe kurz skizziert habe.
Was ich zu unseren internationalen Vereinbarungen allgemeiner Art gesagt habe, gilt auch im Speziellen für den EURATOM-Vertrag. Der EURATOM-Vertrag macht ein deutsches Atomgesetz nicht überflüssig, sondern setzt es voraus.
Meine Damen und Herren, wenn ich Sie nunmehr im Namen der Bundesregierung bitte, in die Beratung dieses Gesetzentwurfs einzutreten und das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden, so lassen Sie mich noch ein grundsätzliches Schlußwort meiner Begründung sagen.
Der Atomenergie haftet — abgesehen von der Bedrohung durch die Atomwaffen — im Bewußtsein der Menschen etwas Sensationelles und über den an und für sich schon hohen Erregungszustand unserer seelischen Verfassung Hinausragendes an. Es ist eine nicht unwichtige Aufgabe, diese neue technische Entwicklung auch geistig in den logischen Fluß der Geschichte einzuordnen und dieser Betätigung des Menschen auf einem neuen technischen Gebiet den Charakter des Außergewöhnlichen möglichst zu nehmen.
In dem Umstand allein, daß eine philosophische Vorstellung, die zweieinhalb Jahrtausende alt ist, sich in unseren Tagen als materielle Tatsache erweist, liegt Dramatik genug, — leider auch eine gewisse Tragik in den Folgen der wissenschaftlichen Betätigung des Menschen. Es bestehen berechtigte Zweifel darüber, ob die Menschheit moralisch überhaupt reif ist, mit dieser Entwicklung der Naturwissenschaft und Technik fertig zu werden. Die geistigen Führungskräfte früherer Jahrhunderte, die Philosophie und „leider auch Theologie", haben in dieser Hinsicht versagt oder sich als unfähig erwiesen, bei den Menschen die moralischen und ethischen Regulationskräfte zu entwickeln und zu stärken, die zur Bewältigung unserer Situation erforderlich sind.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen]: Hört! Hört!)

Wir können diese Probleme — darüber sind wir uns wohl alle einig — auch mit einem noch so vollkommenen Gesetz nicht lösen. Unsere Verantwortung können wir nicht auf Paragraphen delegieren, und moralische Entscheidungen bleiben uns nach wie vor nicht erspart.
Wir sollten uns allerdings davor hüten, in dem oft mißbrauchten Werkzeug, also der Technik, die Ursache für die nicht zu leugnende geistige Gefährdung der Menschheit zu sehen. Wir müssen versuchen, die irrationalen Kräfte über der technischen Entwicklung nicht zu vernachlässigen.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Aachen] : Sehr richtig!)

Ein auch von mir sehr verehrtes Mitglied dieses
Hohen Hauses, Professor Carlo Schmid, hat vor
kurzem den Wunsch ausgesprochen, diese Entwick-


(Bundesminister Dr.-Ing. Balke)

lung möge so verlaufen, daß „für die neuen Errungenschaften nicht ein hoher Preis an menschlichem Leid gezahlt werden muß".
Ich glaube, meine Damen und Herren, in dieser Einstellung können wir uns alle vereinen, und die Beratung des Gesetzentwurfs könnte beweisen, daß die Politik kein Hindernis sein muß, wenn es sich um die Erfüllung humaner Aufgaben handelt.
Auch auf dem rationalen Feld der Technik ist es weder löblich noch geraten, etwas wider das Gewissen zu tun.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219400700
Ich erteile das Wort zur Begründung des Antrags Drucksache 1734 dem Abgeordneten Ruhnke.

Heinrich-Wilhelm Ruhnke (SPD):
Rede ID: ID0219400800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 1734 trägt das Datum des 3. Oktober 1955, und es ist zweifellos eine unerfreuliche Aufgabe, einen Antrag zu begründen, der schon 16 Monate alt ist und in gewissen Punkten überholt sein muß. Er ist damals entstanden, als es noch kein Atomministerium gab. Ich glaube, in dem Antrag ist auch das erste Atomprogramm aufgezeichnet, das in der Bundesrepublik aufgestellt wurde. Eine Freude haben wir Antragsteller wenigstens gehabt, daß der später bestellte Atomminister im Dezember 1955 ein Fünfpunkteprogramm aufgestellt hat, und wir konnten feststellen, daß dieses Fünfpunkteprogramm mit unserem Antrag völlig übereinstimmt.
Nun ist, wie gesagt, inzwischen eine Reihe von Gesichtspunkten, die damals erstmalig aufgegriffen wurden, nicht mehr aktuell. So beantragten wir damals in Ziffer 1 auch die Vorlage eines Kernenergiegesetzes, und es entbehrt nicht eines gewissen Reizes, daß heute, nach 16 Monaten, die Vorlage dieses Gesetzes auf der gleichen Tagesordnung wie unser Antrag vom Oktober 1955 steht. Daß wir mit einer schnelleren Vorlage dieses Gesetzes gerechnet haben, ist wohl klar und bedarf keiner Begründung.
Nun lassen Sie mich zu Ziffer 2 noch bemerken, daß die Frage der Koordinierung der Ressortzutsändigkeiten in der Bundesregierung mit der Errichtung des Bundesministeriums für Atomfragen an sich geklärt sein müßte. Eigentümlicherweise aber war dieser Fragenkomplex vor ein paar Wochen nicht vollkommen geklärt; denn am 12. Januar 1957 ist im Bundesanzeiger eine gemeinsame Bekanntmachung erschienen, wonach nunmehr der Bundesminister für Atomfragen auch die aus dem Gesetz Nr. 22 der alliierten Hohen Kommissare verbleibenden Befugnisse der Bundesregierung mit Wirkung vom 1. Januar 1957 übernommen hat. Bis zum 1. Januar 1957 war nämlich nach diesem noch geltenden Gesetz der Alliierten der Bundesminister für Wirtschaft für die Überwachung von Stoffen, Einrichtungen und Ausrüstungen auf dem Gebiete der Kernenergie zuständig.
Wie die Abgrenzung auf dem Gebiete des Strahlenschutzes erfolgt, erscheint uns heute noch nicht klar; denn für den Arbeitsschutz auf dem Gebiete der Atomtechnik und der radioaktiven Stoffe ist auch nach dem neuesten Organisations- und Stellenplan der Bundesregierung das Referat III c 7 des Arbeitsministeriums zuständig. In dieser Abteilung werden ja auch die Fragen der Gewerbeordnung bearbeitet. Es besteht außerdem kein
Zweifel darüber, daß die Materie dieses Strahlenschutzes, insbesondere die medizinische Verwendung radioaktiver Substanzen, erheblich über diesen Zuständigkeitsbereich hinausgeht. Nach Meinung der Antragsteller sollte die Bundesregierung auch hier vollkommene Klarheit schaffen und den deutschen Wissenschaftlern und Technikern und der Industrie von seiten der Verwaltung einen berufenen Gesprächspartner gegenüberstellen; dies um so mehr, als der Strahlenschutz in der Öffentlichkeit sehr stark beachtet wird.
Nun komme ich zu Ziffer 3 des Antrags und muß hier gleich anschließen, daß die damaligen gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer und der Bevölkerung hauptsächlich im Umgang mit radioaktiven Isotopen völlig unzulänglich sind; denn radioaktive Isotope werden ja in der Bundesrepublik seit Jahren gehandelt, und es gibt keine ausreichenden Vorschriften. Zahlreiche Mitglieder dieses Hohen Hauses haben sich mehrfach — und zwar seit Beginn des Jahres 1955 — mit diesem Problem befaßt, und dank ihrer Initiative sind unseres Wissens gewisse Vorarbeiten auf Grund des § 20 der Gewerbeordnung begonnen worden. Was aber im Hinblick auf das vorliegende Gesetz geschehen ist, ist nicht bekannt. Bekannt ist lediglich, daß eine Strahlenschutzverordnung fertiggestellt sein soll, wie ja auch Herr Minister Balke vorhin andeutete.
Das unter Ziffer 3 b angeführte Gesetz vom 8. August 1955 ist ebenfalls von den Antragstellern des zur Beratung anstehenden Antrags als Initiativgesetz eingebracht worden. Leider haben sich, nachdem dieses Gesetz in Kraft getreten ist, die Arbeiten entgegen unserer Erwartung außerordentlich verzögert. Die Ursachen der Verzögerung sind uns bekannt; neben Ressortstreitigkeiten waren es Schwierigkeiten, entsprechende Meßgeräte zu beschaffen, und die nachherige Bestellung im Ausland führte zu langen Lieferfristen. Wie wir jetzt aus dem Bericht des Atomministeriums für das Jahr 1956 ersehen konnten, sind anscheinend zehn Wetterstationen mit derartigen Geräten ausgerüstet worden. Ob sie voll arbeiten, ist uns nicht bekannt. Es würde uns auch sehr interessieren, hier zu hören, wie weit die Arbeiten nunmehr — 19 Monate nach Verabschiedung des Gesetzes — gediehen sind und welche Ergebnisse dabei erzielt worden sind. Wir glauben auch, daß bei der Durchführung der Überwachung der Gewässer und der bodennahen Luftschichten auf radioaktive Verseuchung bedacht werden muß, daß den Trägern solcher Einrichtungen, die eine Gefährdung verursachen, nachträglich Auflagen gemacht werden müssen.
Zu Ziffer 4 des Antrags möchte ich feststellen, daß es zwischenzeitlich zu dem Standardvertrag mit den USA und zu einem Vertrag mit Großbritannien gekommen ist.
Was hinsichtlich der Ziffern 4 b, 4 c und 4 d geschehen ist, ist nicht allgemein bekannt; vielleicht kann Herr Bundesminister Balke dazu einiges ausführen.
Zu Ziffer 5 des Antrags ist noch zu sagen, daß die Frage des Nachwuchses und der Ausbildung vorhandener Fachkräfte von allen Seiten als vordringlich und bedeutsam anerkannt worden ist. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß nicht nur an die Ausbildung der Studenten gedacht ist, sondern in erster Linie auch an die Weiterbildung von Technikern, Chemikern, Medizinern, Biologen usw. Das


(Ruhnke)

dürfte natürlich in erster Linie Sache der Länder
sein, bedarf jedoch der Unterstützung des Bundes.
Wichtig sind die Verhandlungen bezüglich der Ziffer 5 b. Hinsichtlich der Einrichtung neuer Lehrstühle ist bisher wenigstens einiges geschehen. Zu diesem Punkt werden wir aber bei anderer Gelegenheit noch vieles zu sagen haben.
Der nächste Punkt des Antrags stellt die Maßnahmen heraus, die einer finanziellen Förderung bedürfen. Wir haben uns zwischenzeitlich mit den Plänen des Bundesministeriums für Atomfragen befaßt. Aber es war das eigentliche Anliegen der Antragsteller, daß kurzfristig ein entsprechender Finanzierungsplan vorgelegt wird, der einen längeren Zeitraum umfaßt. Wir haben von Herrn Minister Balke vorhin gehört, welche gewaltigen Kapitalinvestitionen notwendig sind, um auf diesem Gebiete einigermaßen vorwärtszukommen. Es wäre sicherlich richtig, wenn in dieser Hinsicht beschlossen würde, daß seitens des Atomministeriums ein Finanzierungsplan aufgestellt wird, der sich über mehrere Jahre erstreckt. Wir wissen alle, daß für die Entwicklung der Kernenergie auf allen Gebieten Investitionen gemacht werden müssen und daß das bisher Erdenkliche an Mitteln weit überschritten wird. Es ist notwendig, daß sich das Parlament ein Bild davon macht, wie hoch diese Mittel für die Bundesrepublik sein werden.
Bezüglich der Ziffer 6 unseres Antrags müssen wir uns darüber im klaren sein, daß die Forschungen auf dem Gebiete der theoretischen und der experimentellen Kernphysik, der Chemie sowie hinsichtlich der Anwendung radioaktiver Isotope in Medizin, Landwirtschaft und Technik noch lange nicht abgeschlossen sind. Gerade für diese Gebiete sind ausreichende Mittel notwendig, damit wir künftig eine solche Situation, wie wir sie zur Zeit haben, vermeiden. Wir können uns das volkswirtschaftlich einfach nicht leisten. Wir dürfen nicht noch weitere Jahre nachhinken, sondern müssen dafür Sorge tragen, daß es einer Gruppe wissenschaftlicher Fachleute möglich ist, n u r für die Zukunft zu arbeiten. Insbesondere dürften Vorarbeiten für sogenannte schnelle Reaktoren für die friedliche Nutzung der Kernverschmelzung vordringlich sein. Die Pressenachricht über die Erfindung, die in Rußland angeblich gemacht worden ist, hat uns ja wohl alle in Erstaunen gesetzt. Ob sie richtig ist, wird die Zukunft lehren. Da wäre schon wieder etwas entdeckt, was alles Bisherige weit übertrifft und was ganz neue Wege auf diesem Gebiet weist.
Der letzte Punkt des Antrags brachte schon vor 16 Monaten das Interesse der Mitglieder dieses Hauses an einer umgehenden Unterrichtung über den Stand der laufenden und künftigen internationalen Verhandlungen auf dem Gebiete der Kernenergie zum Ausdruck. Leider sind wir — darüber ist von dieser Stelle schon gesprochen worden — auf diesem Gebiet nicht weitergekommen; wir sind nicht unterrichtet worden! Wir stehen noch heute, obwohl der Euratom-Vertrag fertiggestellt worden ist, auf schwankendem Boden; dem Parlament sind die Bestimmungen des Vertrags nicht bekannt. Ganz zweifellos haben sie aber eine besondere Bedeutung. Wir werden ja noch bei der Diskussion über den Gesetzentwurf über diese Dinge zu sprechen haben. Ich glaube auch, daß nunmehr eine Unterrichtung durch die Bundesregierung erfolgen wird. Wenn sie auch verspätet ist, so wird doch immerhin eine Hoffnung, die wir immer in uns getragen haben, erfüllt werden.
Ich beantrage die Überweisung des Antrags Drucksache 1734 an den Ausschuß für Atomfragen.

(Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219400900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel zur Begründung des Antrags Drucksache 2576.

Dr. Walter Drechsel (FDP):
Rede ID: ID0219401000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat mit Drucksache 2576 bereits am 28. Juni 1956 einen Antrag betreffend die Versuche mit Atombomben eingereicht, den zu begründen ich die Ehre habe. Ich lege Wert auf die nochmalige und ausdrückliche Feststellung des Datums vom Juni 1956, um zu zeigen, daß wir nicht etwa von den inzwischen, besonders in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres sich mehrenden derartigen Vorstellungen verschiedener offizieller und wissenschaftlicher Kreise getrieben worden sind, sondern daß unser Antrag schon vor längerer Zeit durch die Besorgnisse hervorgerufen wurde, die bereits damals auf Grund der Auswirkungen der verschiedenen Versuchsabwürfe von Atombomben in der ganzen Welt eingetreten waren. Ich werde mir erlauben, auf einzelne der anderweitigen ähnlichen Vorstellungen im Laufe meiner Begründung hinzuweisen.
Wir sind uns bei unserem Antrag im klaren, daß es sich hierbei um ein Problem handelt, welches nicht nur Gesundheit und Bestand der Menschheit überhaupt berührt, sondern auch — man möchte sagen: leider - hochpolitisch ist. Es mag der Einwand kommen, daß es sich für die Bundesrepublik bei einem derartigen Appell um eine von vornherein einseitige Betrachtung des ganzen Problems handeln muß, da wir bekanntlich Atombomben weder herstellen dürfen noch herstellen wollen, also selbst nicht dazu beitragen, bei einem Verzicht auf Versuche mit solchen Waffen mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir Antragsteller meinen aber sehr wohl zu einem solchen Appell berechtigt zu sein angesichts der erschreckenden Feststellungen, die von objektiver Seite und an vielen Orten der Welt erbracht worden sind und die zumindest als ernsthafte Warnungen für die Bevölkerung der gesamten Erde und für die verantwortlichen Staatsführungen angesehen werden sollten. Auch hierauf werde ich noch eingehen.
Aber zuvor möchte ich ein Argument entkräften, welches uns bereits entgegengehalten worden ist. Ich möchte betonen, daß unser Antrag keineswegs nach einer Richtung geht, d. h. etwa vorwiegend oder ausschließlich nach Osten oder nach dem Westen. Es ist nach dem derzeitigen Stand davon auszugehen, daß Atombombenversuche bisher nur von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, der Sowjetunion und Großbritannien vorgenommen worden sind; also muß sich jeder dieser Staaten angesprochen fühlen.
Lassen Sie mich wenigstens kurz die Entstehung der Gefährdung durch den Abwurf von Atombomben darstellen. Es gibt wohl keinen Streit — weder auf der politischen noch auf der wissenschaftlichen Ebene — darüber, daß eine Gefährdung des organischen Lebens mit solchen Versuchen verbunden ist. Die Explosion einer Atombombe entwickelt


(Dr.-Ing. Drechsel)

gewaltige radioaktive Strahlungen, die dann, ,gekuppelt mit feinen und feinsten Staubteilchen, in die Atmosphäre geschleudert werden. Dieser radioaktive Staub schlägt sich je nach dem Feinheitsgrad, je nach den atmosphärischen Bedingungen, je nach den Windströmungen usw. in mehr oder weniger großen Entfernungen und Mengen auf der Erdoberfläche nieder. Dementsprechend ist auch die Zeitdauer, in der die Staubmengen herunterkommen, sehr unterschiedlich; sie kann sich unter Umständen auf Jahre erstrecken. Das heißt, daß in solchen Zeiträumen durch weitere Versuche noch Anhäufungen in der Atmosphäre erfolgen, die dann in späterer Zukunft in unbeeinflußbarer und unabsehbarer Folge niedergehen und sich auswirken. Es ist bekannt, daß solche radioaktiven Niederschläge, die von einer Explosion herrühren, auf der ganzen Erdoberfläche nachgewiesen worden sind.
In der Antwort des Herrn Bundesministers für Atomfragen vorn 20. Juli 1956 auf eine Kleine Anfrage einiger Mitglieder dieses Hauses wird bestätigt, daß eine Erhöhung der Radioaktivität in der Atmosphäre über der Bundesrepublik von Atom- und Wasserstoffbomben herrührt, die Gefahrengrenze jedoch noch nicht erreicht oder gar überschritten worden ist.
Durch Trinkwasser, pflanzliche und tierische Nahrungsstoffe gelangen die gesundheitsschädlichen Strahlungen in den menschlichen Körper. Als beachtliche und bedenkliche Nebenerscheinung ist noch zu verzeichnen, daß im pflanzlichen, tierischen und menschlichen Organismus solche Strahlungsträger sich in bestimmten Teilen zu akkumulieren vermögen. Es gibt nun verschiedene Strahlenwirkungen, die bei hohen Dosen bis zum Tode führen und andererseits genetische Folgen haben können, die noch viel zuwenig erkannt und erforscht sind, als daß man hinsichtlich der Veränderung der Erbmasse genauere Aussagen machen könnte. Ich kann in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen hinweisen, die Herr Minister Balke vor wenigen Minuten gemacht hat. Man weiß aber jedenfalls genau, daß solche Strahlungen auf das Erbgut — und leider nur ausnahmsweise im günstigen Sinne — einwirken. Nicht zuletzt wird das durch zahlreiche Arbeiten anerkannter amerikanischer Forscher bestätigt. Man weiß ebenfalls genau, daß gegenwärtig auf diesem Gebiet eine Tolerenzdosis noch nicht festlegbar ist. Es liegt mir fern, diese nur ganz kurz geschilderten Gefahren zu übertreiben. Aber wir wollen und sollten uns alle sehr hüten, diese Dinge zu bagatellisieren oder sie gar aus politischen Gründen nicht wahrhaben zu wollen. Ich darf auf eine Äußerung des Herrn Bundesministers für Atomfragen vom 14. November 1956 vor dem Atomausschuß dieses Hauses verweisen, in der er den gleichen Standpunkt eingenommen hat.
Sie alle, meine Damen und Herren, haben von den unglücklichen japanischen Fischern gelesen, die in eine solche Niederschlagszone einer Atombombenexplosion geraten sind. Das ist auch ein Zeichen dafür, daß man noch nicht einmal übersehen kann, wie weit die akuten Gefahrenzonen sich ausdehnen, geschweige denn, daß man die Auswirkungen überhaupt zu beherrschen vermag.
Gewiß sind die Orte, wo zur Zeit solche Versuche angestellt werden, verhältnismäßig weit von uns entfernt. Aber was gelten schon irdische Entfernungen bei solchen Kräften, die der Mensch nun zu entfesseln vermag!
Ich mache ausdrücklich einen Unterschied zwischen dieser Verseuchung durch Atombomben und der Möglichkeit von Strahlenschäden bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie, die man wohl abzuschirmen vermag. Im letzteren Falle bin ich durchaus der Ansicht des Herrn Ministers Balke, daß Wissenschaft und Technik in der Lage sind, mit den dabei auftretenden Schwierigkeiten fertigzuwerden. Wir haben aber gewisse Besorgnisse und Befürchtungen, daß gerade im Hinblick auf die militärischen Notwendigkeiten, die bei den Atombombenversuchen immer vorliegen, doch nicht die gebührende Rücksicht genommen wird. Wie bereits gesagt, sind wir mit diesen Besorgnissen und Befürchtungen durchaus nicht allein. Zahlreiche Atomwissenschaftler der Welt fordern Schutzgesetze gegen die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre durch Kernwaffenversuche.
Lassen Sie mich bitte einige Beispiele angeben. Im Juli 1956 wurde von dem heute auch schon erwähnten Medical Research Council dem britischen Parlament ein Bericht über die medizinischen Probleme der Kernstrahlen einschließlich der genetischen Aspekte vorgelegt. Dieser Bericht des Medizinischen Forschungsrats in Großbritannien über die Strahlengefährdung der Menschen wurde in erster Linie von der Besorgnis wegen der langfristigen Wirkung der Atomwaffenversuche veranlaßt.
Im Oktober 1956 schlug Ministerpräsident Bulganin erneut dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Abkommen über die Einstellung der Atombombenversuche aus gleichen Erwägungen vor.
Der Bayerische Senat faßte am 12. Oktober 1956 den Beschluß, daß die Bayerische Staatsregierung bei der Bundesregierung dafür eintreten solle, das Internationale Rote Kreuz einzuschalten und auf diplomatischem Wege bei den in Frage kommenden Staaten und internationalen Instanzen vorstellig zu werden.
Der Hessische Landtag forderte am 30. November 1956 einstimmig — ich möchte betonen: einstimmig — die Einstellung der Atombombenversuche.
Nicht unerwähnt bleibe die Entschließung des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom Oktober 1956, die an die verantwortlichen Staatsmänner aller Länder appelliert.
Von Wissenschaftlern und Ärzten wird es in aller Öffentlichkeit als Sünde an der Nachkommenschaft bezeichnet, wenn derartige Versuche fortgesetzt werden
Auch der Herr Präsident des Deutschen Bundestages Dr. Gerstenmaier forderte in einem Vortrag im Juli des vergangenen Jahres eine beschleunigte, international wirksame Begrenzung der Atomexperimente mit dem Ziel des völligen Verzichts auf die weitere Erprobung von Atombomben.
Gerade in diesen Tagen wird in der Presse von einer Note Japans an Großbritannien berichtet, in der darum ersucht wird, die Versuche mit Wasserstoffbomben, die vom März bis August 1957 bei den Weihnachtsinseln im Stillen Ozean vorgesehen sind, nicht durchzuführen.
Die Wiedergabe einiger solcher Beispiele und Stimmen aus der ganzen Welt ist keineswegs erschöpfend; sie könnte noch wesentlich erweitert werden.


(Dr.-Ing. Drechsel)

Wenngleich die Strahlenbelastung des menschlichen Organismus bei der Bevölkerung der Bundesrepublik gegenwärtig noch keinen Anlaß gibt, irgendwelche Schreckgespenste an die Wand zu malen, darf doch nicht übersehen werden, daß die Situation leicht und schnell kritisch werden kann. Ich wiederhole, daß wir es zu bezweifeln wagen, ob gerade bei militärischen Versuchen immer an mögliche Folgen für die Gesundheit und den Bestand der Menschheit in allen Teilen der Erde gedacht wird.
Der bereits erwähnte Bericht, der dem englischen Unterhaus vorgelegt wurde, kommt zu der Schlußfolgerung, daß bei der gegenwärtigen Höhe der Strahlenbelastung keine erkennbare Zunahme einer Häufigkeit von Krankheitsfolgen zu erwarten ist; trotzdem könne man in Anbetracht der unzulänglichen Kenntnisse die Möglichkeit nicht ignorieren, daß wir uns, wenn die Versuchsrate zunehme und vor alien Dingen, wenn größere Zahlen von thermonuklearen Waffen zur Explosion gebracht würden, innerhalb der Lebenszeit einiger schon Geborener Konzentrationshöhen nähern könnten, die bei einer kleinen Zahl von Menschen Krankheitsfolgen haben könnten. Das ist bei der vorsichtigen Formulierung, die von einem solchen Gremium selbstverständlich gewählt wird, meiner Auffassung nach schon eine recht klare und deutliche Warnung. Bei der Debatte im Unterhaus hierüber und über notwendige langwierige und umständliche wissenschaftliche Forschungen, um einen besseren Einblick in die genetischen Auswirkungen zu bekommen, kam mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß man hierzu nicht Bombenexplosionen braucht, die uns der unabwendbaren Gefahr näherbringen und nicht mehr umkehrbare Veränderungen des menschlichen Erbgutes herbeiführen können.
Die Mitglieder dieses Hauses, die vor einigen Tagen die Vorträge einiger Professoren vor dem Atomausschuß mit angehört haben, werden zweifellos recht nachdenklich geworden sein, als sie die möglichen Folgen solcher Strahlungen auf den menschlichen Körper und für die künftigen Generationen aus sachverständigem Munde dargelegt bekamen. Man kann den Schluß ziehen, daß es heute nicht nur möglich ist, die Menschen durch Atombomben und ähnliche Massenvernichtungswaffen mehr oder weniger rasch und plötzlich auszurotten, sondern ebenso sie durch langsam wirkende, sich über Generationen ausdehnende Schädigungen der Erbanlagen zur Degeneration und zum Aussterben zu bringen. Das sind aber nicht etwa unvermeidliche Entwicklungen; darüber sollte sich die Menschheit immer klar sein. Das eigene Schicksal ist nach wie vor in ihre eigene Hand gegeben.
Wir sind uns natürlich bewußt, daß eine Forderung nach Einstellung der Versuche mit Atombomben aller Art mit einer umfassenden Kontrolle der Anwendung von Atomwaffen bis zu einem allgemeinen Verzicht hierauf in Zusammenhang steht. Es ist aber unsere Meinung, daß schon jetzt durch Absprachen die Einstellung der Versuche international vereinbart werden könnte. Die Entwicklung dieser schrecklichen Waffen, die nach der Hoffnung der gesamten Menschheit nie zur Anwendung kommen dürfen, ist doch offensichtlich bis zu einem Grade durchgeführt, daß man ohne machtpolitische Einbuße von weiteren Versuchen Abstand nehmen könnte, bis man die Auswirkungen in vollem Umfang übersieht und beherrscht. Nach den letzten Berichten über amerikanische Versuchsanordnungen scheint man in dieser Richtung bereits zu Ergebnissen gekommen zu sein. Wir haben daher auch in unseren Antrag aufgenommen, daß gegebenenfalls Versuche wieder aufgenommen werden können, wenn Voraussetzungen dafür vorliegen. Dem Argument, daß eine Kontrolle über ein Einhalten eines solchen Versuchsverbots unmöglich sei, ist leicht zu begegnen. Nach den bekannten Meßmethoden ist es schon bisher möglich, ziemlich genau nach Zeitpunkt, Ort und Größe Atombombenexplosionen festzustellen.
Unser Antrag fordert nun von der Bundesregierung, daß sie bei den Vereinten Nationen oder unmittelbar bei den in Frage kommenden Mächten vorstellig wird. Man mag der Auffassung sein, daß ein solcher Appell nach den gegebenen technischen und politischen Voraussetzungen nutzlos ist und keine Beachtung finden wird. Abgesehen davon, daß wir der Bevölkerung unseres Landes gegenüber eine Verantwortung auch für ihr gesundheitliches und menschliches Fortbestehen haben, besteht diese Verantwortung auch der ganzen Menschheit gegenüber. Ein solcher Aufruf an die Welt durch unsere Staatsführung, der möglichst weltweite Unterstützung finden möge, muß also unserer Auffassung nach trotzdem erfolgen. Gerade aus der Erfahrung der letzten Monate wissen wir doch, daß die Weltmeinung ein Faktor ist, der selbst von Großmächten nicht übergangen werden kann. Diese Weltmeinung mit zu bilden ist auch die Bundesregierung durchaus berechtigt und im vorliegenden Fall sogar verpflichtet.
Ich habe bereits dargelegt, daß zur Zeit nur drei Großmächte an solchen Versuchen beteiligt sind. Mit diesen unterhalten wir diplomatische Beziehungen, so daß Vorstellungen auf dem von uns vorgeschlagenen diplomatischen Wege ohne weiteres erhoben werden können. Obwohl die Bundesrepublik nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist, kann sie sich in dieser Angelegenheit ebenfalls an die Vereinten Nationen wenden. Die Berechtigung und die rechtlichen Voraussetzungen hierzu wurden in der bereits erwähnten Debatte im Bayerischen Senat vom 12. Oktober 1956 nachgewiesen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219401100

Ich darf die Gelegenheit benutzen, daran zu erinnern, daß die Bundesrepublik als erster Staat der Welt auf die Herstellung von Atombomben verzichtet hat und daß dieser Verzicht auch die Durchführung von Atombombenversuchen umfaßt.
Meine Damen und Herren, das ist keine Antwort, noch weniger eine Stellungnahme zu dem auch vom Bayerischen Senat und heute wiederum von uns vorgetragenen Problem. Darum handelt es sich doch gar nicht. Wir wollen, daß ein Appell an die ganze Welt und an die beteiligten Staaten gerichtet wird. Mit seiner Antwort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen meiner Auffassung nach um die Dinge herumgeredet und das eigentliche Petitum gar nicht erfaßt oder vielleicht nicht erfassen wollen.

(Präsident D. Dr. Gerstenmaier übernimmt den Vorsitz.)



(Dr.-Ing. Drechsel)

Wir möchten von vornherein darauf hinweisen, daß wir uns mit einer solchen Erledigung unseres Antrages bei aller Nüchternheit und Sachlichkeit, die hierbei ohne Zweifel beachtet werden müssen, nicht einverstanden erklären würden.
Abschließend bitte ich das Hohe Haus, unseren Antrag mit allem Ernst und in der Sorge um die Verantwortung für Leben und Gesundheit unseres Volkes aufzunehmen. Ich beantrage namens der Antragsteller Überweisung an den Ausschuß für ,auswärtige Angelegenheiten — federführend — und an den Atomausschuß zur Mitberatung.

(Beifall rechts und in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219401200
Zur Begründung des Antrags unter Punkt 3e der Tagesordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (CDU):
Rede ID: ID0219401300
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich habe den Auftrag, im Namen meiner Freunde von der Fraktion der Deutschen Partei den Antrag Drucksache 2597 zu begründen. Ich brauche dazu nur ganz wenige Sätze.
Es erscheint selbstverständlich, daß man, wenn man die Atmosphäre, die Erdoberfläche und das Flußwasser auf radioaktive Bestandteile kontrollieren will, auch das Meerwasser in diese Untersuchung einbezieht. Wir beantragen daher, das Deutsche Hydrographische Institut mit diesen Kontrollen zu beauftragen und haushaltsmäßig und gesetzlich die Voraussetzungen für eine solche Untersuchung zu schaffen.
Die Radioaktivität im Meerwasser liegt zur Zeit unterhalb der Grenzen, die gesundheitlich irgendwie bedenklich erscheinen. Aber theoretisch ist es möglich, daß sich diese Radioaktivität erhöht; denn es ist bekannt, daß durch Atombombenversuche die Radioaktivität der Atmosphäre solche Grenzen erreichen kann, daß die menschliche Gesundheit gefährdet ist. Diese atmosphärischen radioaktiven Bestandteile können sich auf das Meerwasser niederschlagen und so auch in tiefere Schichten gelangen.
Außerdem ist bekannt, daß Staaten — ich denke hier besonders an England — ihren Atommüll, der nicht nur aus Atombombenversuchen stammt, sondern auch aus der friedlichen Verwendung der Kernenergie anfällt, in das Meerwasser versenken. Allerdings geschieht dies unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßregeln. Der Atommüll wird in Zementbehältern versenkt, und nach menschlicher Voraussicht besteht dadurch keinerlei Gefährdung. Immerhin erscheint es wünschenswert, das Meerwasser unter Kontrolle zu nehmen, da die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, daß diese Betonbehälter durch das Meerwasser auch einmal zersetzt werden können und sich dadurch der Atommüll auf die Radioaktivität des Meerwassers auswirkt.
Weiter müssen wir daran denken, daß in fernerer Zukunft auch die Schiffe mit Atomenergie angetrieben werden. Leider lassen sich Schiffskollisionen nicht vermeiden, und somit besteht die Gefahr, daß die Schiffe mit ihrem Kernenergieantrieb die Meere verseuchen.
Wir wünschen daher, daß schon jetzt das Meerwasser auf die Radioaktivität kontrolliert wird. Dazu sind keine großen Mittel erforderlich. Das Deutsche Hydrographische Institut ist die gegebene Stelle, solche Kontrollen durchzuführen.
Es erscheint weiterhin wünschenswert, daß sowohl die Fischereischutzboote als auch die Forschungsschiffe entsprechend ausgerüstet werden. Personell besteht nicht die Notwendigkeit, spezielle Kernphysiker dafür einzusetzen, sondern praktisch kann jeder Physiker, auch jeder technisch-physikalisch vorgebildete Assistent, solche Kontrollen durchführen. Es ist lediglich notwendig, daß die Messungen, die von den Fischereischutzbooten und von den Forschungsschiffen vorgenommen werden, zentral beim Deutschen Hydrographischen Institut gesammelt und dann verwertet werden.
Ich bitte daher, unseren Antrag an den Ausschuß für Atomfragen zu überweisen, damit wir die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen können.

(Beifall rechts.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219401400
Es folgt die Begründung zu Punkt 3 f. Wer begründet? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Ratzel.

Dr. Ludwig Ratzel (SPD):
Rede ID: ID0219401500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Bevölkerung ist ebenso wie die Bevölkerung der anderen Länder beunruhigt über die Gefahren der Strahlen radioaktiver Substanzen. Das ist eine Tatsache, und Tatsachen soll man zuerst einmal zur Kenntnis nehmen, ganz gleichgültig, ob sie einem lieb sind oder nicht. Die Menschen — es sind nicht nur die Laien — haben Grund zur Sorge. Nicht nur deshalb, weil sie durch zum Teil sensationell aufgemachte Berichte über die Gefahren einer radioaktiven Verseuchung der Erdoberfläche von Berufenen oder Unberufenen beunruhigt werden; nein, es gibt auch einen ganz objektiven Grund. Wer kann ruhig und sorglos leben, wenn in einer Welt voller Spannungen und Konflikte Bomben versuchsweise zur Explosion gebracht werden, die eine zehntausend-, ja millionenfach größere Zerstörungskraft haben als die Luftminen des zweiten Weltkriegs? Diese Bomben schleudern außer ihrer Spreng- und Hitzewirkung noch radioaktiven Staub in die Atmosphäre, der nicht nur Verletzungen des Körpers bewirkt, sondern auch für unsere Nachkommenschaft eine Gefährdung bedeutet.
In der Zeitschrift „Atomkernenergie" vom Januar dieses Jahres schreibt einer unserer großen Atomphysiker, Professor Max Born, über das Atom. Er sagt:
Aber jetzt macht es
— nämlich das Atom —
mir große Sorge. Es sind tödliche Gefahren. Die Menschheit hat heute die Mittel, sich selbst zu vernichten — sei es in einem Anfall völliger Geistesgestörtheit, d. h. in einem großen Kriege, durch einen kurzen Vernichtungsprozeß; sei es durch unvorsichtige Handhabung der Atomtechnik, die einen langsamen Prozeß der Vergiftung oder der Zerstörung der Erbeigenschaften zur Folge hat.
Wir meinen deshalb, daß die erste Voraussetzung für die Beruhigung der Menschen die Einstellung der Versuche mit Atom- und Wasserstoffbomben ist,

(Abg. Blachstein: Sehr gut!)

ich brauche es nicht besonders zu betonen: in Ost
und in West. Es freut uns, daß nicht nur unsere
Partei, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Freien


(Dr. Ratzel)

Demokraten dieser Meinung sind, sondern daß auch der Herr Bundesatomminister im Ausschuß erklärt hat, die Versuche mit Atom- und Wasserstoffbomben seien Unfug. Hoffen wir, daß das Bundeskabinett sich dieser Meinung anschließt und alles in seinen Kräften Stehende tut, um eine Einstellung dieser Versuche zu erreichen.
Zur Beunruhigung der Bevölkerung hat noch eine weitere Ursache beigetragen, die begründet ist in dem Mißtrauen gegenüber wissenschaftlichen und technischen Neuerungen. Die Menschen sind heute nicht mehr so fortschrittsgläubig wie noch vor 50 Jahren. Sie haben zu oft schlechte Erfahrungen mit dem gemacht, was ihnen als technischer Fortschritt gepriesen wurde. Sie fragen durchaus zu Recht, was ihnen das Atomzeitalter an Gefahren bringen wird.
Ich darf gleich an dieser Stelle betonen, daß wir Sozialdemokraten der Überzeugung sind, daß wir dem Atomzeitalter nicht nur nicht ausweichen können, sondern daß die Atomenergie der Menschheit für ihr Wohlergehen bedeutungsvolle Kräfte zur Verfügung stellen kann. Kann! Denn ob sie es tut, wird davon abhängen, wie wir die Weichen zu Beginn stellen. Wir Sozialdemokraten wollen die Gefahren nicht bagatellisieren. Wir wollen sie auch nicht dramatisieren. Wir wollen nur eines, nämlich eine ruhige und sachliche Auseinandersetzung mit den Problemen, weil es nur eine Richtschnur gibt: das Wohl und Wehe des Individuums und der Allgemeinheit.
Es ist völlig falsch, die Bevölkerung dadurch beruhigen zu wollen, daß man darauf hinweist, auch ein Taschenmesser könne gefährlich sein, und auch bei Einführung der Eisenbahn habe man Gefahren gefürchtet. Es beruhigt die Bevölkerung auch nicht, wenn ab und zu von offizieller Seite gesagt wird, es bestehe keine akute Gefahr. Denn wenn die akute Gefahr da ist, nun, dann ist es bereits zu spät; und das wollen wir ja nicht eintreten lassen.
Wir müssen die Dinge offen ansprechen. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß nichts, aber auch nichts verheimlicht wird. Nur dann wird es möglich sein, das unerläßliche Klima des Vertrauens in der Bevölkerung zu schaffen.
Es kann doch nicht bestritten werden, daß die Bevölkerung Grund zur Unruhe hat, wenn die Äußerungen namhaftester Wissenschaftler einander widersprechen. Es gibt unter den Wissenschaftlern solche, die pessimistisch sind, und solche, die optimistisch sind, und es hängt oft mit der Stellung eines Wissenschaftlers zusammen, ob er zu den Optimisten oder zu den Pessimisten zählt. Aber glaubt denn jemand, daß, wenn die namhaftesten Wissenschaftler in dieser Frage einander widersprechende Auffassungen haben, die Bevölkerung beruhigt wird, wenn vom Atomministerium, oder sagen wir auch, von Herrn Menne von den Farbwerken Höchst eine beruhigende Erklärung abgegeben wird? Damit tragen wir zur Beruhigung der Bevölkerung nicht bei.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Wir müssen eine Instanz schaffen, zu der die Bevölkerung Vertrauen haben 'kann. Wir sollten uns an den englischen Verhältnissen ein Beispiel nehmen. Auch die englische Bevölkerung ist über diese Dinge beunruhigt. Man hat dort in England einen unabhängigen Ausschuß eingesetzt, der dieses Problem behandelt hat. Er hat darüber einen schriftlichen Bericht gegeben. In Amerika hat ebenfalls eine Kommission einen schriftlichen Bericht zu dieser Frage verfaßt. Ich habe mir von einem unserer maßgebenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet sagen lassen, daß der amerikanische Bericht schlecht sei und daß der englische Bericht auch nach Meinung der daran beteiligten Wissenschaftler noch nicht als gut bezeichnet werden könne. Es handelt sich dabei um einen Wissenschaftler in Deutschland, ,der in der Lage ist, darüber ein Urteil abzugeben. Er sagte mir auch, daß er über die Beurteilung des englischen Berichts mit englischen Forschern, die an dieser Kommission beteiligt waren, selber gesprochen habe. Dankenswerterweise haben das Deutsche Rote Kreuz und die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für eine Übersetzung des englischen Berichts gesorgt.
In diesem Bericht sind nun meines Erachtens folgende Dinge von grundsätzlicher Bedeutung.
1. Für die Anwendung jeder Quelle ionisierender Strahlen soll eine angemessene Begründung gefordert werden, wie klein der Maßstab auch immer sei. Ich kann Ihnen an Hand eines konkreten Beispiels — es gibt sicher Dutzende und aber Dutzende von Fällen bei uns — nachweisen, wie fahrlässig hier in der Bundesrepublik .auf diesem Gebiet verfahren wird.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

2. Alle Strahlenquellen in der Medizin und in der Industrie sollten scharf überwacht werden. Es sollten nur solche Personen mit Strahlen arbeiten, bei denen es absolut notwendig ist.
3. Die englische Kommission fordert — und das ist sicherlich auch für uns von Bedeutung —, daß die gegenwärtige Praxis in der medizinisch-diagnostischen Radiologie einer Revision unterworfen werden soll, vor allen Dingen bei Kindern.
4. Der Bericht sagt weiter, daß die Gesamtbevölkerung höchstens das Doppelte der natürlichen Strahlenbelastung erfahren soll. Dabei fügt die Kommission hinzu, daß die empfohlene Zahl in der Tat noch erheblich niedriger liegen kann.
5. Über den radioaktiven Niederschlag nach
Atomwaffenversuchen heißt es — ich darf es mit
Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:
Man muß jedoch der inneren Bestrahlung durch das radioaktive Strontium, welches bereits beginnt, sich in Knochen zu akkumulieren, Rechnung tragen. Bei seiner gegenwärtigen Höhe ist keine erkennbare Zunahme einer Häufigkeit von Krankheitsfolgen, die auf sein Konto gehen, zu erwarten.
Das hat Herr Kollege Drechsel bereits betont.
Trotzdem können wir in Anbetracht unserer unzulänglichen Kenntnisse die Möglichkeit nicht ignorieren, daß wir uns, wenn die Versuchsrate zunähme und vor allen Dingen wenn größere Zahlen thermonuklearer Waffen zur Explosion gebracht würden, innerhalb der Lebenszeit einiger schon Geborener Konzentrationshöhen nähern könnten, die Krankheitsfolgen bei einer kleinen Zahl der Bevölkerung zur Folge haben könnten.
Ich glaube, es schadet nichts, wenn man das zweimal zitiert, weil es doch mit das Kernproblem ist.
Die meines Erachtens wichtigste Aussage des Berichts der englischen Wissenschaftler ist jedoch folgende — auch hier darf ich wohl wörtlich zitieren —:


(Dr. Ratzel)

Es gibt eine Grenze für den Strahlenbetrag, den jede Bevölkerung und jedes Individuum erhalten darf, und wir können es uns nicht leisten, den Spielraum, den wir heute noch haben, ohne sorgfältige Planung zu verschwenden.
Ich glaube, hierauf kommt es wesentlich an.
Wir Sozialdemokraten sind deshalb der Meinung, daß auch in der Bundesrepublik eine unabhängige Strahlenschutzkommission, die einen Bericht über die derzeitige tatsächliche Lage hinsichtlich medizinischer und genetischer Gefährdung der Bevölkerung erarbeitet, notwendig ist und daß es unerläßlich ist, daß wir diese unabhängige Kommission sofort bilden. Da, wie alle Berichte zeigen, unsere Kenntnisse auf diesem Gebiet noch unvollkommen sind, soll die Kommission auch Vorschläge unterbreiten, was getan werden muß, damit diese Kenntnisse vervollkommnet werden können. Diese unabhängige Kommission soll auch von sich aus, ohne daß sie irgendein Ministerium um Mittel befragen muß, in der Lage sein, Versuche, die im Interesse der Bevölkerung notwendig sind, anzuordnen. Ich glaube, der Deutsche Bundestag wird es als seine Ehre betrachten, dieser Kommission alle nur denkbaren finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Wir meinen, daß diese Kommission auch so etwas wie ein Gewissen der Bevölkerung sein soll, d. h. daß sie warnend ihre Stimme erheben soll und erheben muß, wenn eine Einstellung der Atomwaffenversuche nicht erreicht wird und diese Versuche noch gesteigert werden.
Sie werden vielleicht fragen: Warum fordern wir eine unabhängige Strahlenschutzkommission? Warum geben wir uns nicht mit dem unabhängigen Sonderausschuß „Radioaktivität" — wir Sozialdemokraten bilden uns sogar ein, daß er auf unsere Initiative gebildet wurde,

(Abg. Dr. Menzel: Sehr wahr!)

nämlich auf Grund unserer Kleinen Anfrage vom Juli 1956 — zufrieden? Dazu ist folgendes zu sagen. Die Bevölkerung hat das Recht, die volle und ungeschminkte Wahrheit zu erfahren, und zwar direkt und nicht irgendwie gefiltert durch die Regierung oder durch ein Ministerium. Die Regierung soll unseres Erachtens auch keinen Einfluß auf diese Kommission nehmen können, sei es dadurch, daß sie entscheidend auf deren Zusammensetzung einwirken kann, sei es dadurch, daß sie der Kommission Mittel zur Verfügung stellt oder nicht zur Verfügung stellt. Wir wollen ,dabei niemandem einen Vorwurf machen, aber die Regierung muß doch bei ihren Entscheidungen auf außenpolitische, militärische oder auch wirtschaftspolitische Grundsätze Rücksicht nehmen, und diese Erwägungen könnten sehr leicht den Blick der Regierung etwas trüben. Deshalb ein von der Regierung völlig unabhängiger Strahlenschutzausschuß.
Wir sind auch der Meinung, daß auf diese Kornmission keine Interessentengruppen Einfluß nehmen dürfen, für die vielleicht eine hohe Gewinnquote wichtiger ist als die Volksgesundheit. Man soll uns nicht sagen, daß wir hier übertreiben oder irgend jemanden schlecht machen wollen. Wir haben doch mit der Verseuchung der Luft, mit der Verseuchung unserer Gewässer und mit sonstigen Dingen die Erfahrung gemacht, daß Schutzmaßnahmen sehr häufig gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen hintangestellt werden. Das wollen wir nach Möglichkeit ausschalten.
Daß Mißtrauen gegenüber einer Regierung oder gegenüber Regierungsinstitutionen am Platze ist, erweist sich am besten aus dem Urteil der amerikanischen Wissenschaftler über ihre eigene Atomenergiekommission, die ja in dem Fall ein Teil der Regierung ist. In dem Bulletin der Atomwissenschaftler — Band XII vom November 1956 — schreibt ein amerikanischer Wissenschaftler über den Bericht eines Unterausschusses des Repräsentantenhauses, der zu dieser Frage Hearings durchgeführt hat, folgendes:
Der Unterausschuß betonte das Problem der radioaktiven Niederschläge in seinem Bericht. Er fühlte, daß er von der amerikanischen Öffentlichkeit nicht verstanden wurde und daß ein Teil der Schuld für diese Situation bei der Atomenergiekommission lag, die ständig die Gefahr verniedlicht hatte.
An anderer Stelle heißt es weiter:
Die Atomenergiekommission zeigt eine Art leichten Optimismus über die Wirkungen nuklearer Explosionen. Ihre Sprecher verweilen lieber bei den normalen Bomben (A-Bomben) als bei den starken Megaton-Waffen (H-Bomben). Angaben über die Größe örtlicher Strahlengefahren, die dem Unterausschuß gemacht wurden, wurden abgeschwächt durch die Bezunahme auf globale Mittelwerte und andere abschwächende Annahmen. Die genetischen Wirkungen der Radioaktivität werden abgetan mit der Bemerkung, daß es auf diesem Gebiet ein weites Feld zulässiger Auffassungen gebe.
Und weiter wörtlich:
Während die Atomenergiekommission darauf besteht, daß ihre Art ,der Information im Interesse der Zivilverteidigung liegt, stellt der Unterausschuß fest, daß die Veröffentlichungen, die sieben oder acht Jahre zurückliegen, und zwar solche über biologische und medizinische Wirkungen der Strahlung, erst jetzt veröffentlicht wurden. Der Unterausschuß sieht keinen Grund, die vollen Tatsachen über die tödlichen Wirkungen der Atom- und Wasserstoffbomben dem amerikanischen Volk vorzuenthalten.
Das ein wörtliches Zitat!

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sehr häufig wird ein amerikanischer Physiker, und zwar Herr Libby, als Kronzeuge dafür angeführt, daß bisher alles gefahrlos sei und daß noch kein Grund zu Befürchtungen bestehe. Wir haben im Atomausschuß gehört, daß man die Arbeiten von Herrn Libby verschiedenartig deuten kann. Ich habe dieser Tage erfahren, daß es unter den deutschen Physikern nicht unbekannte Leute geben soll, die der Auffassung sind, daß der Herr Libby geradezu darauf warte, daß seine Versuchsergebnisse im Ausland anders gedeutet würden, als er sie als Amerikaner und als Mitglied der Atomenergiekommission deuten könne. Nun, ob das stimmt oder nicht stimmt, es beleuchtet die Situation in diesen Dingen.
Daß auch bei uns gewisse Anzeichen dafür vorhanden sind, daß man die Dinge vielleicht gern bagatellisiert sehen möchte, kann man, glaube ich, aus dem einen oder anderen Vorkommnis schließen. Ich habe bei unserer Beratung im Atomausschuß am 6. Februar den Eindruck gehabt, daß unser Atomministerium in dieser Beziehung nur Optimisten in seinen Reihen hat, daß man es — das ist auch mein Eindruck — manchmal als seine Aufgabe betrachtet, wider die Pessimisten zu Felde zu ziehen. Ich meine,


(Dr. Ratzel)

das ist nicht Aufgabe des Ministeriums. Ob wir in diesen Dingen Grund zum Optimismus oder Grund zum Pessimismus haben, kann allein von den Wissenschaftlern entschieden werden, sonst von niemandem.

(Abg. Dr. Mommer: Sehr wahr!)

Es wird niemand bestreiten, daß der Sachverhalt kompliziert ist, daß die Meinungen namhafter Wissenschaftler auseinandergehen, vor allen Dingen deshalb, weil sie noch nicht über genügend experimentelles Beweismaterial verfügen. Aus diesem Grunde ist es besonders notwendig, daß wir eine unabhängige und in ihrer Zusammensetzung wohlabgewogene Kommission besitzen. Ich meine, die Verteilung des Vorschlagsrechts, wie wir es in unserem Antrag vorsehen, und die Ernennung der Mitglieder dieser Kommission durch den Herrn Bundespräsidenten bieten die Gewähr für ein großes Maß von Unabhängigkeit.
Nun wird man sagen: Wir haben den unabhängigen Sonderausschuß Radioaktivität. Ich kann darauf nur erwidern: dieser Sonderausschuß Radioaktivität erhält sein Mandat von der Regierung, und das ist in dieser Frage nicht gut. Wir sollten ihm ein Mandat geben, das nicht von der Regierung bestimmt ist, und wir sollten ihn insbesondere auch finanziell vom Atomministerium unabhängig machen. Ich spreche hier nicht nur unsere Auffassung aus, sondern ich kann sagen, daß namhafte, ja, die namhaftesten Mitglieder dieses Sonderausschusses Radioaktivität mit diesem ihrem Status nicht zufrieden sind und daß sie glücklich wären, wenn der Bundestag eine Entscheidung in dem Sinne träfe, wie es der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vorsieht.
Wie sehr eine solche unabhängige Kommission notwendig wäre, zeigte sich, glaube ich, auch in dem Verhalten, das im vergangenen Herbst von seiten der Bundesregierung gegen einen Assistenten des Freiburger Radiologischen Instituts in einer Pressekonferenz geübt wurde. Wir haben das zum Gegenstand einer Kleinen Anfrage gemacht und haben darauf von der Bundesregierung eine Antwort bekommen. Ich muß hier im Plenum noch einmal sagen: Wir können da nicht folgen, wenn man von „pseudowissenschaftlicher Methode" spricht und hinterher den Namen dieses Freiburger Assistenten erwähnt, dann aber sagt: Ja, wir haben nur die Methode gemeint und nicht den Assistenten. — Ich bin kein Jurist; ich empfinde da vielleicht etwas natürlicher. Aus der Pressekonferenz geht eindeutig hervor, daß man diesen Freiburger Assistenten als Pseudowissenschaftler hinstellen wollte, ob direkt oder in dieser etwas verklausulierten Form, ist, glaube ich, im Moment nicht so wichtig.
Wir hätten es aber in diesem Zusammenhang viel lieber gesehen, wenn die Bundesregierung auf diese unsere Kleine Anfrage in allen Dingen eine genauere und richtige Auskunft gegeben hätte. Wir haben die Frage erhoben, ob es stimmt, daß die radioaktive Verseuchung im Rhein-Main-Gebiet am 1. Januar 1956 mit am stärksten in der Welt gewesen sei. Die Bundesregierung hat darauf geantwortet: Es kann keine Rede davon sein, daß die durch die Atomwaffenversuche bedingte zusätzliche Radioaktivität auf dem Boden in Deutschland am 1. Januar 1956 mit am stärksten in der Welt war.
Wir durften am 6. Februar Herrn Professor Langendorff vom Radiologischen Institut Freiburg im Ausschuß hören. Er hat uns eine Weltkarte gezeigt, und auf dieser Karte waren die Orte stärkster Radioaktivität in der Welt eingezeichnet. Dabei hat es sich gezeigt, daß ein Gürtel besonders hoher Aktivität um die Erdoberfläche herum geht und daß die Bundesrepublik Teil dieses Gürtels ist.
Ich frage nun: wer hat recht, Herr Professor Langendorff oder die Bundesregierung in ihrer Antwort? Den Experten des Ministeriums wurde in dieser Sitzung auch von Herrn Professor Bechert vorgehalten, daß Zahlen, die sie nannten, um den Faktor 2 zu niedrig seien. Die Experten haben diesen Vorwurf eingesteckt, ohne sich dagegen zur Wehr zu setzen. Also können wir feststellen, daß auch in dieser Hinsicht die Auskunft des Atomministerums auf unsere Kleine Anfrage nicht richtig war.
Wozu aber eine solche Pressekonferenz und die Methode, die damals angewendet wurde — ich betone jetzt: die Methode —, führen kann, zeigt die Art, wie man teilweise gegen Professor Bechert zu Felde gezogen ist.

(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

Ich möchte mich mit den wissenschaftlichen Auffassungen von Herrn Professor Bechert nicht in allen Dingen identifizieren. Ich möchte nur eines sagen: Es ist unqualifizierbar, wie man gegen ihn vorgegangen ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Z. B. hat nach einer dpa-Meldung vom 28. September die rheinland-pfälzische CDU Herrn Professor Bechert die fachliche Qualifikation in dieser Frage bestritten,

(Lachen bei der SPD)

und zwar mit der Begründung, er sei nur theoretischer Physiker und gehöre nicht der Bonner Strahlenschutzkommission an. — Nun, das letzte brauchen wir sowieso von vornherein nicht anzunehmen; aber ich weiß nicht, ob diese Herren in der rheinland-pfälzischen CDU, die diese Mitteilung in der „Stimme der Union" verfaßt haben, wissen, was ein theoretischer Physiker ist. Vielleicht sehen Sie einmal in einem Konversationslexikon nach: Einstein, Planck, Heisenberg und wie unsere Koryphäen auf dem Atomgebiet heißen, waren theoretische Physiker.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht von der CDU! — Heiterkeit.)

Ich glaube, sie haben von diesen Dingen sehr wohl etwas verstanden.
Wenn man aber schon in dem Maße gegen die theoretischen Physiker zu Felde zieht, dann frage ich: warum zieht man nicht gegen alle theoretischen Physiker zu Felde, warum nur gegen solche, deren Stimme einem unangenehm ist? Es gibt in Deutschland einen sehr bekannten und bedeutenden theoretischen Physiker, Herrn Professor Pascual Jordan. Er gehört zu den Optimisten in diesen Fragen der radioaktiven Verseuchung. Er reist z. B. in der Bundesrepublik umher und beruhigt seine Zuhörer dadurch, daß er sagt: die Dinge sind nicht gefährlich. Denn die Armbrust hat ja auch keine großen Gefahren für die Menschen mit sich gebracht, obwohl eine päpstliche Enzyklika aus dem 12. Jahrhundert vor der Einführung der Armbrust warnte. Nun, das sind Argumente, die muß Herr Professor Jordan vertreten. Herr Professor Jordan hat auch noch in öffentlichen Vorträgen zum Ausdruck gebracht, daß, wäre man in Hiroshima rechtzeitig gewarnt und nicht überrascht worden, man die größten Schäden hätte vermeiden können.

(Hört! Hört! bei der SPD.)



(Dr. Ratzel)

Nun, Professor Jordan mag diese Auffassung vertreten. Ich frage nur: warum zieht man von seiten der Regierung gegen Professor Bechert zu Felde, warum nicht gegen Professor Jordan? Doch aus einem ganz einfachen Grund: weil der eine ins Konzept der Regierung paßt und der andere nicht!

(Beifall bei der SPD.)

Deshalb sind wir der Meinung, daß dieser Ausschuß für Fragen des Strahlenschutzes unabhängig von der Regierung sein muß, und wir hoffen, daß das Hohe Haus diesem Antrag zustimmt.
Zusammenfassend darf ich folgendes feststellen. Wir sollten uns in diesem Hause einmütig hinter die Forderung stellen, daß die Bundesregierung überall, wo sie es vermag, auf die Einstellung der Atomwaffenversuche hinwirkt. Zweitens sollten wir die Gefahren, die auch bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie ,auftreten können, sachlich erörtern. Das geschieht unseres Erachtens besser im Rahmen einer unabhängigen Kommission als in Massenversammlungen oder in Pressekonferenzen.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Sehr gut! bei der SPD.)

Allerdings sollen alle Erkenntnisse der Kommission der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Aufklärung der Bevölkerung ist unseres Erachtens nicht Sache der Regierung, sondern Sache einer unabhängigen Kommission. Drittens sollte der Bundestag in großzügiger Weise alle Mittel zur Verfügung stellen, die diese unabhängige Kommission zu ihrer Arbeit und zu der Erforschung der noch offenen Probleme — und es sind derer sehr viele —bedarf. Schließlich darf ich daran erinnern, daß eine Strahlenschutzverordnung 'in der Bundesrepublik bei dem immer mehr steigenden Gebrauch radioaktiver Isotope nicht nur dringend erforderlich, sondern seit langem überfällig ist. Wir sollten uns einig sein, daß das erste, was wir verabschieden müssen, die gesetzlichen Grundlagen für eine solche Strahlenschutzverordnung sind und daß erst in zweiter Linie die wirtschaftlichen Bestimmungen des Atomgesetzes von Bedeutung sind.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie abschließend bitten, 'unseren Antrag als 'das aufzufassen, was er sein möchte, nämlich als einen Ausdruck unserer Sorge um die Gesundheit und das Wohl der deutschen Bevölkerung. Ich darf Sie deshalb bitten, unsere Forderung nach einer unabhängigen Kommission zu unterstützen.
Wir bitten um Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß für Atomfragen und an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219401600
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache zu dem Tagesordnungspunkte 3 a bis f.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ruhnke.

Heinrich-Wilhelm Ruhnke (SPD):
Rede ID: ID0219401700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen der Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei. Gestatten Sie mir, daß ich zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen mache. Wir betreten mit der Erörterung eines Kernenergiegesetzes Neuland; darüber dürfte wohl kein Zweifel bestehen. Wissenschaftler und Techniker haben schon Großes auf diesem Gebiet geleistet. Aber viele Fragen sind noch offen. Die Technik hat der Wissenschaft Erkenntnisse entrissen und in die Praxis umgesetzt, die noch 'gründlicher Forschung bedurft hätten. Dasbedeutet, daß die gesetzliche Regelung dieser Materie außerordentlich schwierige Fragen aufwirft, die wir zu lösen haben.
Wir von der sozialdemokratischen Fraktion fordern mit Nachdruck, daß die gewaltigen neuen Kräfte in der Natur nicht dazu verwandt werden dürfen, die Monopolstellung von einzelnen oder von Interessengruppen zu stärken, sondern dazu, der Verbesserung des Lebens und der Erleichterung der Arbeitsbedingungen sowie der Vertiefung unseres gesamten kulturellen Lebens zu dienen. Die kontrollierte Kernspaltung und die auf diesem Wege zu gewinnende Kernenergie leiten den Beginn eines neuen Zeitalters für die Menschheit ein. Zwar haben schon bisher Wasserkraft, Dampfkraft und Motorkraft die Muskelkraft des Menschen ersetzt und vervielfältigt, doch wird dies künftig mit Hilfe der Kernenergie in weit höherem Maße geschehen.
Die zur Verfügung stehende Kernenergie oder Energie überhaupt ist nach menschlichen Begriffen schon unerschöpflich, wenn man von den Lagerstätten von Uran und Thorium ausgeht; die Abhängigkeit der Völker von Bodenfunden aller Art zum Zwecke der Energiegewinnung wird jedoch gänzlich aufhören, sobald die Zusammenfügung der Kernbausteine des Wasserstoffs zu Helium, von der ich schon vorhin gesprochen habe, für die friedliche Ausnutzung gelöst ist. Der sich abzeichnende entscheidende Wandel in der Technik, in der Wissenschaft und in der Wirtschaft verlangt, daß jedes Volk sich rechtzeitig mit den Problemen befaßt, die sich in technischer, wirtschaftlicher und besonders in sozialer und politischer Hinsicht aus den neuen Möglichkeiten ergeben.
Deutsche Forscher von Albert Einstein bis Otto Hahn haben wichtige Meilensteine in der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung gesetzt. Der Nationalsozialismus und die durch ihn geschehene Vertreibung bester 'geistiger Kräfte, der Zusammenbruch und seine Folgen einschließlich alliierter Verbote auf ,den Gebieten von Forschung und Entwicklung haben dazu geführt, daß Deutschland fast zwei Jahrzehnte der Entwicklung auf dem Gebiete der Atomtechnik versäumt hat. Für ein Volk, das die Hälfte seiner Jahresnahrung gegen Export einführen muß und das so von der Güte seiner Industrieerzeugnisse lebt, ist es unerläßlich, das Versäumte so schnell wie möglich nachzuholen. So hat denn die Sozialdemokratische Partei einen Atomplan '
aufgestellt und sich bereits eingehend mit den Problemen der Kernenergie in Deutschland befaßt.
Wir streben nun folgende Ziele an. Die Erzeugung von Elektrizität aus Kernenergie hat in einem solchen Umfang zu erfolgen, daß die deutsche Wirtschaft nicht mehr auf die Einfuhr überteuerter Kohle angewiesen ist, daß der Raubbau in Kohlengruben vermieden und die schädigende Veränderung der Landschaft und Wasserversorgung beim Abbau von Braunkohle eingeschränkt wird.

(Abg. Dr.-Ing. Drechsel: Noch 25 Jahre warten!)

— Herr Kollege, einmal muß man aber anfangen!
— Der Aufbau und Betrieb von Atomkraftwerken wird durch die öffentliche Hand durchgeführt. Ihr Zusammenwirken mit den übrigen Elektrizi-


(Ruhnke)

tätserzeugungsunternehmen erfolgt nach langfristig festgesetzten Plänen. Die Entwicklung von Kernkraftmaschinen an Stelle von Dieselmotoren und anderen Verbrennungskraftmaschinen für feste und fahrbare Kraftstationen, für Schiffe und Flugzeuge und andere Verkehrsmittel muß den Platz Deutschlands in der Reihe der Industrievälker sichern. Die Verwendung der radioaktiven Isotope in Medizin, Biologie, Landwirtschaft und Industrie muß so gefördert werden, daß die großen Möglichkeiten für die Gesundheitspflege, für die Züchtung von neuen Pflanzenarten und die Anwendung in technischen Produktionsprozessen auch in Deutschland voll erschlossen werden. Die Forschung im Bereich der Atomwissenschaft muß mit allen Kräften gefördert werden. Dies darf aber nicht andere Gebiete der Wissenschaft irgendwie benachteiligen. Die Ausbildung von Arbeitskräften aller Art, von Arbeitern und Angestellten, in den neuen Energieanlagen und allen Wirtschaftszweigen, die sich mit Kernbrennstoffen befassen, bis zum Forscher und akademischen Lehrer muß energisch gefördert werden.
Vorhin ist schon über den Strahlenschutz und die Strahlenwirkung gesprochen worden, so daß ich mich hier dessen enthalten kann.
Kernbrennstoffe können insbesondere durch Unglücksfälle oder Mißbrauch große und fortwirkende Schäden an Leib, Leben und Gütern hervorbringen. Deshalb muß die Allgemeinheit über den Staat und seine Organe schärfste Kontrolle und sorgfältigste Aufsicht auf ,allen Gebieten der Erzeugung und Verwendung von Kernbrennstoffen ausüben. Um dies zu sichern, fordern wir, durch Gesetz ein deutsches Organ für Kernbrennstoffe als Bundeseinrichtung zu schaffen. Die Aufgaben dieses Organs sind Einfuhr, Anreicherung, Verwahrung und Verteilung aller Kernbrennstoffe, ihrer Ausgangsstoffe und Folgeprodukte, die sich bei uns, wie in den Vereinigten Staaten und in England, grundsätzlich im Eigentum des Staates befinden sollen, im Gegensatz zu dem uns vorliegenden Gesetzentwurf. Das Organ soll in Verbindung mit den Ländern die Aufsicht über Mutung und Bergbau ausüben mit der Maßgabe, daß die Bergbauprodukte dem Organ zur Verfügung zustellen sind. Das Organ hat nicht nur die Aufgabe, die unbefugte Verwendung der Kernbrennstoffe zu verhindern, sondern an jeder Stelle die Sicherung der gefährlichen Brennstoffe vor unbefugter Verwendung zu garantieren. Es muß auch in Zusammenarbeit mit anderen geeigneten Stellen, wie der Gewerbeaufsicht, die oberste Kontrolle über die Einrichtungen zum Schutz all derer ausüben, die mit Kernbrennstoffen und Isotopen zu tun haben. Der Versicherungsschutz gegen Atomschäden für die gesamte Bevölkerung ist auf der Grundlage einer Bundesgarantie aufzubauen.
Wir sind, um noch einmal auf die Eigentumsfrage zurückzukommen, nicht für Staatsmonopole als Selbstzweck. Aber wenn wir zu wählen haben, wählen wir ein Monopol, das direkt oder indirekt einer parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Wir sind gegen weitere Privatmonopole, die direkt oder indirekt auf Kosten insbesondere des Steuerzahlers leben. Wir waren über die Ausführungen des Herrn Ministers Balke in bezug auf die privatwirtschaftliche Betätigung auf diesem Gebiete überrascht. Wir haben nichts von ihm darüber gehört, wie er sich die Zusammenballung einer auf uns zukommenden Macht vorstellt, die eine Gefahr darstellt, wie wir sie bisher noch nicht kannten.
Man muß bedenken, daß hier nicht eine Wirtschaftliche oder sonstige Macht üblicher Art entsteht, sondern eine solche, die über ein Mittel verfügt, womit sie über Sein oder Nichtsein von Menschen oder eines Staates oder gar aller Staaten entscheidet. Dieser Gesichtspunkt ist für uns maßgebend. Deshalb sind wir der Ansicht, daß Kernbrennstoffe in der Hand des Staates liegen müssen und ihre Verwendung unter Aufsicht des Staates und entsprechender parlamentarischer Kontrolle stehen muß.
Wir haben Euratom freudig bejaht unter der Voraussetzung, wie Ihnen bekannt ist, daß die Kernbrennstoffe im Eigentum von Euratom oder eines vom Parlament kontrollierten Organs stehen. Wir wissen aus der Presse —andere Nachrichten haben wir darüber nicht —, daß in Paris entsprechende Beschlüsse gefaßt worden sind. Es bleibt uns unverständlich, daß der vorliegende Gesetzentwurf einen ganz anderen Weg gehen will. Er kann in dieser Form nicht bestehenbleiben. Wir sind der Auffassung, daß er grundlegend geändert werden muß.
Wir wissen, daß die Verwendung von Kernbrennstoffen in jedem Falle erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit mit sich bringt. Davon ist wiederholt gesprochen worden; aber es kann gar nicht genug darüber gesprochen werden. Die Öffentlichkeit muß beruhigt werden und erkennen, daß wir die Dinge sehr wohl überblicken und bereit sind, alles zu tun, damit nicht irgendwelche gefährlichen Dinge aufkommen.
Soweit es sich um Stoffe handelt, die für die explosive Freisetzung von Kernenergie in Frage kommen, übertrifft ihre potentielle Sprengwirkung bekanntlich bei weitem die der herkömmlichen Explosivstoffe. Aber auch andere Kernbrennstoffe können bei Verwendung in entsprechenden Vorrichtungen, insbesondere durch Kernstrahlungen, durch radioaktive Abfälle und Nebenprodukte die allgemeine Sicherheit und die öffentliche Gesundheit gefährden. Deshalb kann — da stimmen wir dem Entwurf zu — die Verwendung von Kernbrennstoffen nur besonders qualifizierten Personen unter angemessenen Sicherheitsvorkehrungen und hoheitlicher Überwachung gestattet werden. Darüber hinaus aber müssen Kernbrennstoffe einem von der allgemeinen Güterordnung abweichenden rechtlichen Sonderregime unterworfen werden, das verhindert, daß sie überhaupt in die Hände anderer als zu ihrer Verwendung zugelassener Personen gelangen.
Lassen Sie mich nun etwas zu den Ausführungen des Herrn Ministers über die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung sagen. Sie haben mich ebensowenig wie die Begründung in dem Gesetzentwurf davon überzeugen können, daß hier wirklich ein Grund zur Grundgesetzänderung vorhanden ist. Da meine Fraktion die gegebene Begründung nicht als stichhaltig anerkennen kann, lehnt sie die Einfügung eines Art. 74 Nr. 11 a und eines Art. 87 c in das Grundgesetz ab. Es ist klar, daß gerade die mit der Kernenergie zusammenhängenden Fragen nach überregionaler Regelung drängen; aber eine solche Lösung, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, ist für die natürliche und rechtliche Sicherheit unbefriedigend. Die Vielzahl von Genehmigungsbehörden birgt die große Gefahr in sich, daß in der Praxis starke Abweichungen vorkommen. Merkwürdigerweise wird ausgerechnet für die geplante Auftragsverwaltung, die


(Ruhnke)

da konstruiert worden ist und unserer Verfassungsstruktur in besonderem Maße entsprechen soll, eine Verfassungsänderung für erforderlich gehalten, während diejenigen Lösungsversuche, die bisher als verfassungswidrig kritisiert worden sind, eine Verfassungsänderung nicht erforderlich gemacht hätten. Das ist eine sehr eigenartige Situation, die sicherlich eines gewissen Reizes nicht entbehrt. Das in der Bundesauftragsverwaltung liegende Zugeständnis an den Föderalismus schafft einen guten Nährboden für eine blühende Atombürokratie, wobei noch zu fragen ist, ob man überhaupt in der Lage ist, in allen diesen Behörden geeignete Persönlichkeiten mit entsprechender Vorbildung einzusetzen.
Nun komme ich zu dem Strahlenschutz — über den hier schon so viel gesprochen worden ist — nach § 15 des Entwurfs. Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber wir sind der Überzeugung, daß dem Plan, den Strahlenschutz im Verordnungswege zu regeln, wohl einige Bedenken gegenüberstehen. Wir glauben, daß hier nähere Bestimmungen in das Gesetz eingebaut werden müssen. Es ist bekannt, daß eine Strahlenschutzverordnung in den Schubladen des Ministeriums liegt. Wir glauben aber, daß Strahlenschutzbestimmungen zu den wichtigsten Dingen gehören, die wir in allernächster Zeit regeln müssen. Auch die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen in so zahlreichen Fällen, wie wir es hier sehen, erregt unser Bedenken.
Zum System der Genehmigungen ist zu sagen, daß es für jeden an einer Verwaltungsvereinfachung Interessierten ein Schock sein muß, den Regierungsentwurf durchzulesen und all diese Genehmigungen — ich glaube, es sind 26 an der Zahl — vor sich zu sehen, die von den Behörden des Bundes und der Länder in Zukunft erteilt werden sollen. Andere Entwürfe haben gezeigt, daß das ganze Genehmigungssystem auf das Wesentliche reduziert werden kann.
Die radioaktive Bestrahlung ist in aller Munde. Hiroschima und Nagasaki haben eben der Welt gezeigt, welche furchtbare Wirkung die Auslösung einer Atombombe hervorruft. Die heute produzierte H-Bombe ist ein Produkt der Hölle. Ihre Wirkung kann das Ende der Welt oder von Teilen von ihr bedeuten. Deshalb redet die Welt ständig von der Einstellung der atomaren Rüstung. Aber bisher ist es nur ein Lippenbekenntnis geblieben, und wir sind auf diesem Gebiete nicht weitergekommen. Wir haben zu erklären, daß wir fanatische Anhänger der friedlichen Verwendung der Kernenergie sind,

(Beifall bei der SPD)

und wir 'bekennen uns als ebenso fanatische Gegner der Herstellung und Anwendung von Atomwaffen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Wir alle!)

— Sehr schön.
Kernenergie kann, wie schon gesagt, zum Segen der Menschheit werden. In der Hand von Verbrechern aber kann sie das Ende all unseres Lebens bedeuten. Deshalb muß der Gesetzgeber hier andere Maßstäbe anlegen als sonst. Die friedliche Verwendung der Kernbrennstoffe muß deshalb der Zentralpunkt des Gesetzes sein. Dann müssen jegliche Sicherung zum Schutz der Menschen, die sich mit der Kernenergie befassen, und darüber hinaus Sicherungen für alle Menschen, für den Boden, für das Wasser, für die Pflanzenwelt, für die Tierwelt geschaffen werden. Bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie liegen sicherlich Gefahren aller Art vor. Darüber ist auch heute schon sehr viel gesprochen worden. Aber sie können doch auf ein Mindestmaß verringert werden, wenn .alles Erdenkliche getan wird, um sie zu vermeiden. Deshalb sollten wir unser besonderes Interesse darauf einstellen, ein Gesetz zu schaffen, das diese Gefahren auf ein Mindestmaß eindämmt. Mißbräuchliche Verwendung der Kernenergie und sonstiger atomarer Brennstoffe muß für immer ausgeschlossen sein.
In allen Vorschriften des Entwurfs, die eine Genehmigung vorsehen, heißt es, daß die genehmigende Behörde die persönliche Zuverlässigkeit des Antragstellers zu prüfen hat. Lassen Sie mich dazu etwas sagen. Wir haben gegen die Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit an sich nichts. Nur haben wir das sehr schwere Bedenken, daß dies im Ermessen der Exekutive liegt.
In der Begründung des Gesetzentwurfs sagt der Referent:
An die Zuverlässigkeit müssen ganz besonders
hohe Anforderungen gestellt werden; denn der
reibungslose Betrieb einer einschlägigen Anlage hängt in so hohem Maße von der strikten
Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ab, daß
Personen von diesen Anlagen unbedingt ferngehalten werden müssen, die nicht die Gewähr
bieten, daß sie die zum Schutz der Allgemeinheit erlassenen Vorschriften unter allen Umständen einhalten werden. Als zuverlässig können auch nur Personen angesehen werden, die
die Gewähr bieten, daß sie die Anlage und die
ihnen darin zugänglichen Stoffe nicht zu
staatsfeindlichen Zwecken verwenden werden. Nun fragt man sich aber: Kann man diese persönliche Zuverlässigkeit, die offensichtlich die politische Zuverlässigkeit mit umfassen soll, einem Menschen an der Nasenspitze ansehen? Diese Bestimmung gibt der zuständigen Genehmigungsbehörde einen immens weiten Ermessensspielraum. Wer ist denn so zuverlässig, daß man von ihm mit Sicherheit erwarten kann, er werde die ihm zugänglichen Stoffe nicht zu irgendwelchen gesetzwidrigen Zwekken verwenden? Wird dazu der Nachweis einer nichtkommunistischen Großmutter erforderlich sein? Ist dazu ein Fragebogen ,auszufüllen, oder wie sieht es damit aus?
Wer die Zulassungspraxis der amerikanischen Atomenergiebehörden verfolgt hat, muß doch sehr große Bedenken haben. Erinnert sei an den Fall Oppenheimer, an zahlreiche ähnliche Fälle, an den Fall der Gewerkschaft der elektrotechnischen Arbeiter, die summa summarum als unzuverlässig abgelehnt worden sind. Wir glauben, hier unbedingt eine Sicherung vorschalten zu müssen, durch die vermieden wird, daß die Exekutive nach freiem Ermessen von der Betätigung in der Atomtechnik praktisch ausschließen kann, wen sie will. Diese Bestimmung über die Zuverlässigkeit kann, wenn sie entsprechend angewandt wird, z. B. so weit gehen, daß Firmen von der Betätigung im Bereich der Atemtechnik ausgeschlossen werden können, die in ihrem Betrieb Arbeiter beschäftigen, welche irgendeiner Gewerkschaft angehören, die sich angeblich mißliebig gemacht hat. Die Entscheidung in diesem Punkt gehört nicht in die Hand der Exekutive. Diese kann in der Beziehung kaum kontrolliert werden, weil sie ja immer wieder von ihrem Ermessen Gebrauch machen kann.


(Ruhnke)

Nun enthält der Gesetzentwurf Definitionen, die in der Welt bisher nicht bekannt sind, wie über die Gewinnung von Plutonium oder Uran 233 aus solchen Stoffen, die diese Kernbrennstoffe in geringeren Mengen als zu einem Millionstel ihres Gewichts enthalten, über Uran und uranhaltige Stoffe, die so rein sind, daß . . . usw. Es erscheint hier das Merkmal der Kernreinheit, das im Atomernergierecht völlig neu ist. Wir können dazu nur sagen. daß die Naturwissenschaftler schon wissen werden, was sie da gemacht haben. Aber vom Standpunkt der praktischen Jurisprudenz, die sich später mit dem Text herumschlagen muß, sehen die Definitionen doch wesentlich anders aus. Die Definition z. B. der Kernbrennstoffe spielt ja eine Rolle nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die Amtsgerichte und die Landgerichte, die auf Grund der Strafbestimmungen des Gesetzes eines Tages einen Rechtsgenossen verurteilen sollen, welcher Kernbrennstoffe entgegen der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 2 befördert oder — nach Nr. 3 — außerhalb der staatlichen Verwahrung verwahrt. Man stelle sich vor, daß Herr Meier vor das erweiterte Schöffengericht in X gebracht wird unter der Anklage, ein Stück Metall, das in seinem Besitz gefunden worden ist, sei kernreines Uran, das ja im Sinne des Gesetzes Kernbrennstoff ist und von ihm nicht außerhalb der staatlichen Verwahrung verwahrt werden dürfte.
Nun liegt dort also auf dem Richtertisch ein Metallklumpen. Daneben steht der Angeklagte. Das erweiterte Schöffengericht hat sich nunmehr zu überzeugen, daß dieses Stück Metall tatsächlich kernreines Uran ist, wie der Gesetzentwurf vorschreibt. Das wird nur möglich sein an Hand einer Flut von teuren Gutachten, und SachverständigenGegengutachten gibt es bekanntlich auch. Hier wird sich also etwas entwickeln, das wir wohl nicht verantworten können.
Nun steht letzten Endes der Richter vor der Aufgabe, von sich aus zu sagen, ob das Stück nun kernrein ist oder nicht. Sehen kann er das nicht, riechen kann er das auch nicht. Also was soll er tun? Die einzige Möglichkeit, es objektiv festzustellen, wäre, daß man einen „Kriminalreaktor" zur Prüfung von Uran auf Kernreinheit baut, um irgendwie herauszubekommen, ob hier wirklich kernreines Uran, ,also Kernbrennstoff im Sinne dieses Gesetzes, vorliegt.
Nun ist die Fähigkeit eines Materials, „in einer geeigneten Anlage eine sich selbst tragende Kettenreaktion aufrechtzuerhalten", nicht nur ein qualitative, die von der Kernreinheit des Materials abhängt, sondern auch eine quantitative. Es kommt auf die Menge ,an. Mit einem halben oder einem Kilogramm ist unter Umständen gar nichts anzufangen. Wie in solchen Fällen festgestellt werden soll, ob es sich um Kernbrennstoff handelt oder nicht, werden uns die Physiker noch sagen müssen.
Merkwürdig in der Definition ist, daß nicht wie in allen anderen Atomgesetzen, die wir auf der Welt kennen, eine Blankettdefinition aufgestellt wird, die durch die Tätigkeit irgendeines Fachorgans im Einzelfall ausgefüllt werden kann. Man kann sich durchaus denken, daß morgen oder übermorgen irgendwie die Möglichkeit besteht, Neptunium oder irgendeinen anderen Stoff in großen Mengen zu produzieren, von dem festgestellt wird, daß er spaltbar ist, daß er also zu Kernbrennstoffzwecken Verwendung finden kann. Dann müßte die Gesetzgebung wieder geändert werden, und Bundesrat und Bundestag müssen von Fall zu Fall tätig werden, um immer wieder neue Bestimmungen in das Gesetz einzuarbeiten.
Das wäre nicht erforderlich, wenn man die Möglichkeit schüfe, durch ein besonderes Gremium oder durch den Minister jeweils Bestimmungen zu erlassen, in denen festgestellt wird, welche Stoffe als Kernbrennstoffe gelten. So ist es in anderen Staaten geregelt, und eine solche Möglichkeit sollte auch bei uns geschaffen werden.
In dem Gesetzentwurf erregt ferner folgender Umstand unsere Bedenken. Die Definition der Kernbrennstoffe mit ihren feinen Gewichtsverteilungen scheint jegliche Möglichkeit zur Umgehung zumindest durch kapitalkräftige Leute zu eröffnen. Wenn man einen Stoff hat, in dem ein Millionstel des Gewichts aus Plutonium oder aus Uran 233 besteht, und wenn es sich dabei um einen flüssigen Stoff handelt, braucht man doch nur zwei Liter Wasser hinzuzugießen, und das Merkmal des Gewichtsanteils und damit die Eigenschaft, Kernbrennstoff im Sinne des Gesetzes zu sein, ist nicht mehr vorhanden, weil das Uran 233 oder Plutonium nicht mehr ganz ein Millionstel des Gesamtgewichts ausmacht.
Der Gesetzentwurf scheint hier zu sehr an die metallischen Kernbrennstoffe zu denken. Es sei auf das Büchlein der VDEW „Atomenergie — Wege zur friedlichen Anwendung" aufmerksam gemacht, in dem sich Dr. Schulten mit Kernbrennstoffen befaßt, die durchaus nicht metallisch sind. Er spricht einmal von keramischen Spaltstoffelementen und zum anderen von flüssigen Spaltstoffen, die in Form von Lösungen oder von Suspensionen in Reaktoren verwandt werden können.
An diese Möglichkeit scheint der Gesetzentwurf nicht gedacht zu haben Bei einem keramischen Kernbrennstoffelement ist z. B. in einer nichtmetallischen Verbindung, sagen wir, Urankarbid, etwas Uran 235 oder eine andere spaltbare Substanz enthalten. Es wird versucht, solche Stoffe mit anderen Keramiksubstanzen zusammenzusintern — sagt Dr. Schulten —, um durch eine solche Kombination von verschiedenen chemischen Verbindungen möglichst gute mechanische und thermische Eigenschaften zu erzielen.
Man könnte sich denken, daß dieser Prozeß des Zusammensinterns auch unternommen werden kann, um Kernbrennstoffe nicht in die staatliche Verwahrung geben zu müssen. Denn durch das Zusammensintern ändern sich die Gewichtsverhältnisse innerhalb der Gesamtmenge des Stoffs, und eine keramische Substanz, die an sich Kernbrennstoff im Sinne des Gesetzes sein würde, könnte durch Zusammensintern mit einem anderen keramischen Stoff durchaus diese Eigenschaft verlieren. Es fehlt dann in der Praxis nur noch ein geschickter Chemiker, der die Stoffe, wenn sie verwendet werden sollen, wieder — wenn man so sagen kann — auseinandersintert, und die ganze Einrichtung der Verwahrung erübrigt sich dann.
Noch deutlicher wird das bei den flüssigen Kernbrennstoffen, den Lösungen usw. Das Gewichtsverhältnis kann hier sehr schnell geändert werden. Wenn man zu einer Lösung einen Guß Wasser hinzugießt, ist das Mischungsverhältnis ein anderes; es ist kein Kernbrennstoff im Sinne des Gesetzes mehr, wenn dadurch der Gehalt an Plutonium unter ein Millionstel herabgesetzt wird. Die zwei Liter Wasser aus der Lösung auszudampfen oder sonstwie wieder zu entfernen, wenn man den Stoff verwenden will, ist bekanntlich kein Kunststück.


(Ruhnke)

Diese Definition in ihrem Perfektionismus öffnet also der Umgehung Tür und Tor. Unter Umständen werden die staatlichen Depots leer bleiben, weil den Stoffen durch entsprechendes Vergällen der Charakter von Kernbrennstoffen jederzeit vorübergehend genommen werden kann und damit die Notwendigkeit der Überführung in die staatliche Verwahrung entfällt. Man kann sich zum mindesten denken, daß die Chemiker Mittel und Wege finden, an Hand dieser exakten und perfektionistischen Definition der Kernbrennstoffe im Gesetz die Stoffe, die sie interessieren, so zu behandeln, daß sie vorübergehend nach der Definition nicht den Charakter von Kernbrennstoffen haben, aber, wenn sie verwendet werden sollen, in den Zustand versetzt werden können, in dem sie spaltbar sind. Das ist eine Möglichkeit — eine sehr ernste Möglichkeit! —, auf die hingewiesen werden sollte.

(möglicherweise auftretenden Praktiken auf den Fersen bleiben und jederzeit durch Richtlinienfestsetzung oder durch sonstige Feststellungen die neu auftretenden Erscheinungen der Umgehung unter Kontrolle halten. Wir vermissen in dem Gesetzentwurf auch eine klare Begriffsbestimmung für radioaktive Isotope. Es wäre interessant zu hören, warum man eine solche Begriffsbestimmung nicht vorgenommen hat. Herr Minister Balke hat von den Haftungssummen gesprochen, die im Gesetzentwurf eingebaut worden sind. Ich will mich wegen ,der vorgeschrittenen Zeit in dieser Frage kurz fassen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß nach unserer Ansicht der eingesetzte Höchstbetrag von 25 Millionen lächerlich ,gering ist, wenn man bedenkt, daß die amerikanischen Versicherungsfirmen allein 65 Millionen Dollar, ,also mehr als das Zehnfache, zu übernehmen bereit sind und daß man diese Summe dort noch als zu gering betrachtet. Der Herr Minister hat schon recht damit, daß man natürlich dort und hier noch keine festen Sätze annehmen kann, weil gar keine Unterlagen dafür vorliegen. Aber wenn man den Fall berücksichtigt, daß es, was in der Welt Gott sei Dank bisher noch nicht geschehen ist, zu einer Riesenkatastrophe kommen würde, dann könnte es, glaube ich, kein verantwortungsbewußter Parlamentarier auf sich nehmen, in einem solchen Falle nicht genügende Sicherungen geschaffen zu haben. Ich habe der „Deutschen Zeitung und Wirtschafts-Zeitung" entnommen, daß der A tompool der westdeutschen Versicherungsgesellschaften endlich im Entstehen ist, wohl auch deshalb, weil die internationale Konkurrenz drängt. Englische Versicherer, vor allem Lloyds, haben erklärt, sie seien bereit, private Atomreaktoren und Atomkraftwerke im Inund Ausland etwa bis zum Doppelten der Versicherungssumme, bis 50 Millionen Dollar zu versichern. Meine Fraktion wird sich auf jeden Fall dafür einsetzen, daß bei den Höchstsätzen und bei den Einzelbestimmungen über die Haftung der Regierungsentwurf wesentlich geändert wird. Ich sagte schon: Die Erfahrungen des Auslandes bestätigen, daß bisher kaum etwas passiert ist; aber das darf uns nicht daran hindern, daß wir uns dieser Sache mit besonderem Ernst widmen. Wir haben nun aus der Presse erfahren, daß bei den Verhandlungen in Brüssel die Patentfrage eine besondere Rolle gespielt hat. Wir sind erstaunt, daß im Gesetzentwurf über Patente überhaupt nichts gesagt wird. Wir wissen, daß die atomtechnischen Patente eine Lebensfrage auch für Euratom sein werden. Bei den früheren Entwürfen, die wir kennen, lag es wohl so, daß sie mit der Pariser Konvention nicht in Einklang zu bringen waren. Es wird aber sicher andere Möglichkeiten geben, den Bedürfnissen und Erfordernissen hinsichtlich der atomtechnischen Patente gerecht zu werden. Hier ist es auch so wie in der grundsätzlichen Frage: wir wissen nicht, wie die Bestimmungen für Euratom aussehen, wie der Vertrag aussieht, der dort abgeschlossen worden ist, und wir können uns deshalb wegen vieler Bestimmungen, die hier im Gesetzentwurf stehen, noch kein endgültiges Bild machen. Wir glauben, daß der Gesetzentwurf gemäß den Bestimmungen für Euratom erheblich umgearbeitet werden muß. Wir sind in dieser Beziehung nicht so optimistisch wie der Herr Atomminister und sind über die Ausführungen, die er in bezug auf Euratom gemacht hat, erstaunt. (Abg. Dr. Menzel: Er kennt den Vertrag eben auch noch nicht!)


(Abg. Dr. Menzel: Sehr wahr!)

— Ja, das ist wohl möglich. Aber wenn der Vertrag schon abgeschlossen ist und wenn darin z. B. die Eigentumsfrage in dem Sinne gelöst ist, wie wir es uns denken, dann sind wir darüber erstaunt, daß der Herr Minister sich heute weiter auf den rein privatwirtschaftlichen Standpunkt gestellt hat.
Wir wissen, daß Euratom am 1. Januar 1958 in Kraft tritt. Ich sagte schon, daß das Gesetz Euratom angepaßt werden muß. Ich weiß nicht, wie sich die Entwicklung nach diesem Gesetz weiter gestalten wird. Aber eins ist für uns klar — und das möchte ich zum Schluß meiner Ausführungen sagen —: Wir brauchen unbedingt ein Gesetz über den Strahlenschutz, und wir müssen zum mindesten zu gleicher Zeit, wenn nicht vorweg, Bestimmungen über den Strahlenschutz erlassen, damit endlich auf diesem Gebiet eine gewisse Beruhigung in der Bevölkerung eintritt.
Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Atomfragen — federführend — sowie zur Mitberatung an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Angelegenheiten der inneren Verwaltung.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219401800
Herr Abgeordneter Ruhnke, im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Atomfragen und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Sie beantragen jetzt Überweisung auch Ian die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Angelegenheiten der inneren Verwaltung.

(Abg. Ruhnke: Ja!)

— Das sind vier Ausschüsse. Gut, dann müssen wir nachher darüber abstimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel.

Dr. Walter Drechsel (FDP):
Rede ID: ID0219401900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier eine weitere wissenschaftliche oder akademische Vorlesung über die ganze Problematik der Kernenergie zu halten. Die Mitglieder


(Dr.-Ing. Drechsel)

des Hauses sind schon reichlich strapaziert worden, und es werden nur einige wenige in der Lage sein, all die Probleme überhaupt zu erfassen. Aber einige Worte seien mir gestattet.
Zunächst einmal zu der Anfrage betreffend den Karlsruher Reaktor. Diese Anfrage liegt seit September 1955 vor. Herr Kollege Geiger hat sie begründet. Es scheint mir nur nicht klar zum Ausdruck gekommen zu sein — das betrifft dann auch die weitere Anfrage —, daß hier ein Versäumnis vorliegt, das sich auch bei dem Projekt Karlsruhe sehr nachteilig .ausgewirkt hat, nämlich die mangelnde Behandlung dieser Probleme in aller Öffentlichkeit, z. B. auch in diesem Hause. Was soll die Bevölkerung der Bundesrepublik eigentlich denken, wenn ihre Abgeordneten immer vermeiden, hier über diese Dinge zu reden, und dann allgemein in den einzelnen Orten von Aufklärern Vorträge gehalten werden, wobei man eben zu so widerspruchsvollen Ansichten kommt, wie sie Herr Kollege Ratzel schon angeführt hat. Ich meine: Wenn sich das Hohe Haus vorher mit den Problemen befaßt hätte, wie es die Absicht der Antragsteller — ich gehöre auch zu den Unterzeichnern des Antrags Drucksache 1734 vom Oktober 1955 und der Großen Anfrage Drucksache 1657 vom September 1955 — gewesen ist, wären sicherlich manche Schwierigkeiten, auch für das Projekt Karlsruhe, vermieden worden, und der Herr Minister hätte es jetzt nicht nötig, immer wieder in Optimismus zu machen und zu sagen: Es wird schon alles in Ordnung kommen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich erinnere mich an den Gründungsvertrag von
Karlsruhe, der am 9. Juli 1956 abgeschlossen wurde.
Dabei wurden große Worte gesprochen, etwa daß
jetzt das deutsche Atomzeitalter beginne und daß nunmehr aller Vorsprung der anderen Staaten eingeholt werde. Heute fragen wir, ob überhaupt die Planung auf dem Papier fertig ist und ob überhaupt die Grundstücksfrage geklärt worden ist. Wir wissen, daß man wohl eine Straße durch das Grundstück gebaut hat, daß man dieser Straße auch schon den Namen eines ganz bedeutenden Gelehrten gegeben hat; aber es ist noch gar nicht sicher, ob diese Straße nicht letzten Endes in irgendwelchen Tabakfeldern enden wird. Wir haben in der Vorplanung wohl Mittel ausgegeben, ohne dabei jedoch zu dem entsprechenden Ergebnis zu kommen. Das Karlsruher Projekt ist seit anderthalb Jahren in aller Leute Mund. Die Münchener — hier muß man wirklich die Bayern loben; ich bin kein Bayer, deshalb tue ich es ganz besonders gern — haben nicht soviel über diese Dinge gesprochen und sind jetzt schon in ihrer ganzen Planung und in dem ganzen Bau wesentlich weiter, als es das Karlsruher Projekt ist, bei dem wir uns, wie gesagt, noch mit Kleinigkeiten herumschlagen müssen. Was also zu diesen beiden Anfragen in erster Linie zu bemerken ist, ist, daß hier eine Verzögerung, eine Verzögerung auch in der parlamentarischen Behandlung, eingetreten ist.
Zunächst einmal haben wir sie ein Vierteljahr überhaupt auf Eis gelegt, owohl sich der hohe Bundestag in seiner Geschäftsordnung eine Bestimmung gegeben hat, um zu verhindern, daß Große Anfragen und solche Anträge lange Zeit nicht behandelt werden. Das Parlament hat offensichtlich auch die Beachtung seiner eigenen Geschäftsordnung in diesen Fällen nicht für notwendig gehalten. Herr Bundesminister Strauß hat sich — daß muß man hier feststellen und den Tatsachen entsprechend bekräftigen — von der Regierung aus bereits im Februar 1955 bereit erklärt, zu dem Antrag und der Großen Anfrage Stellung zu nehmen. Das Verschulden für die weitere Verzögerung trifft also meiner Auffassung nach nur die schlechte Organisation der im Altestenrat oder irgendwo in unseren eigenen Gremien tätigen Männer, die vielleicht aus Gründen, die daneben in Betracht kommen, bewußt die Dinge 'hintangestellt haben, weil die Regierung mit ihrer Konzeption noch nicht so weit war und den eigenen Gesetzentwurf nicht vorlegen konnte. Sie wäre also auf den Gesetzentwurf einer kleinen Fraktion dieses Hauses angewiesen gewesen, die noch nicht einmal der Koalition angehörte. Das ist ja unangenehm für eine Regierung, und es ist auch verständlich, daß sie mit einer solchen Verzögerung an derartige Probleme herangeht.
Den Sinn dieser Anfrage hat Herr Kollege Ruhnke dargelegt. Ich möchte darüber hier nichts weiter ausführen. Auf eine Sache möchte ich allerdings doch noch eingehen, obwohl Herr Minister Balke verständlicherweise gesagt hat, er wolle auf die Vergangenheit und auf diese schwere Geburt seines Gesetzes nicht mehr weiter zu sprechen kommen. Aber mir müssen Sie schon gestatten, Ihnen die Daten noch einmal in das Gedächtnis zurückzurufen.
Als Ausgangspunkt wird immer der 5. Mai 1955 genannt, der Tag, an dem die Pariser Verträge unterschrieben worden sind. Es ist aber klar, und für die Bundesregierung mußte es ganz besonders klar sein, daß das nun nicht etwa ein plötzlicher Termin war. Vielmehr mußte man vorher Vorbereitungen treffen, um zu diesem Termin bestehende Gesetze der Alliierten Hohen Kommission rechtzeitig ablösen zu können. Es wäre also sehr wohl möglich gewesen, sich schon Wochen und Monate vorher mit diesen Fragen zu beschäftigen, die nun auch gerade in das heute aktuelle Thema hineinfallen. Das ist nicht geschehen. Damals war der Herr Bundeswirtschaftsminister der zuständige Minister. Er hat es unserer Kentnis nach im Laufe eines Jahres auf sieben bis acht Gesetzentwürfe gebracht, die aber alle in den Schubladen seiner Referenten stekkengeblieben sind.
Am 6. Oktober 1955 wurde Herr Minister Strauß als Atomminister eingesetzt, und am 25. Oktober 1955 hat Herr Strauß dann Vertretern aller Fraktionen erklärt, daß seine Atomkommission, die nunmehr in die Gesetzesvorbereitung eingreifen solle, bis zum 15. November vollständig da sei und daß dann der Gesetzentwurf der Regierung noch vor Weihnachten 1955 vorgelegt werden würde. Derartige Terminzusagen haben wir im Laufe der Zeit wiederholt zu hören bekommen. Aber sie sind nicht eingehalten worden. Mit zweimonatiger Verspätung wurde die Atomkommission konstituiert, und nach Auskunft des Ministeriums sollte das Gesetz nunmehr im Februar 1956 ins Kabinett kommen, um noch vor Ostern 1956 dem Bundesrat vorgelegt zu werden.
Das ist die Vorgeschichte. Und was ist nun geschehen? Am 14. Dezember 1956 erfolgte endlich die Zuleitung an den Bundestag. Ich glaube daher, daß der Vorwurf einer erheblichen Verspätung und Verzögerung zu Recht besteht. Vorstellungen, daß man hier sehr verzögernd und zu nachlässig gearbeitet habe, sind nicht etwa nur von den Abgeordneten erhoben worden, die diese Anfrage und die Anträge unterschrieben und sich mit besonderer Liebe und besonderem Fleiß für die Dinge eingesetzt haben, sondern solche Vorstellungen sind auch


(Dr.-Ing. Drechsel)

von Wissenschaft, Technik und zahlreichen offiziellen Stellen erhoben worden, immer wieder mit der Forderung, 'möglichst rasch zu ,arbeiten, um in der Bundesrepublik die atomwirtschaftliche Entwicklung aufzuholen und den Vorsprung der übrigen Welt einzuholen.
Wie notwendig dies ist, ist hier bereits vorgetragen worden. Herr Minister Balke hat die zwei wesentlichen Probleme, die uns bedrängen, bereits dargelegt: einmal, daß die Amerikaner sich — meiner Auffassung nach mit vollem Recht — weigern, Kernbrennstoffe nach der Bundesrepublik zu liefern, wenn nicht nach deutschem Recht eine genügende gesetzliche Grundlage für die Kontrollen und Sicherheitsvorschriften geschaffen ist, die die Amerikaner verlangen — die ,auch wir verlangen müssen —, und zum zweiten, daß durch diese Verzögerung nunmehr in der Bevölkerung eine Beunruhigung wegen der Sicherheitsvorschriften für den Schutz vor den Strahlenschäden eingetreten ist und wir infolge einer nicht unerheblichen Verwendung strahlender Stoffe, der Isotope, doch immerhin Gefahrenquellen im eigenen Hause haben, die wir durch Vorschriften verstopfen müssen, um die Bevölkerung vor Schäden zu bewahren.
Ich frage mich immer wieder: Warum ist eigentlich der Entwurf der Freien Demokratischen Partei, den wir im Februar 1956 eingereicht haben, nicht wenigstens zur Grundlage der Aussprache im Atomausschuß gemacht worden? Man wäre sich dann sicher schon über viele Probleme klargeworden, die wir nun erst jetzt zu erörtern haben, und man hätte sich auch schließlich bei gutem Willen auf Grund dieser Vorlage zu einem Gesetzentwurf durchringen können, der dann heute schon in Kraft getreten wäre. Das ist meine Überzeugung, nach wie vor.
Ich erinnere auch daran, daß wir mit unserem Entwurf in diesem Hause wohl eine gute Aufnahme bei den Sprechern aller Fraktionen gefunden haben, daß wir aber eine ganz harte Kritik von dem damals noch zuständigen Atomminister Strauß erfahren mußten.
Da gestatten Sie mir nun, auf Grund dieser Vorgänge jetzt auch einige Kritik an der Regierungsvorlage zu äußern. Einige Punkte dieser Kritik sind heute schon vorgetragen worden. Zunächst möchte ich dem Herrn Kollegen Ruhnke zustimmen. Auch wir vermögen nicht einzusehen, warum bei der Ordnung dieser Dinge, die im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie stehen, nun tatsächlich eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist. Ich glaube behaupten zu können, daß wir den Beweis erbracht haben, daß man die Verwaltungsorganisation, die zweifellos erforderlich ist, heute schon, ohne eine Änderung des Grundgesetzes, aufbauen kann — ein entsprechender Vorschlag ist in unserem Entwurf gemacht — und daß trotzdem die Erfüllung der sachlichen Erfordernisse gesichert ist. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß man eine Änderung des Grundgesetzes überhaupt nur dann ins Auge fassen und vornehmen darf, wenn sie wirklich unerläßlich ist. Man sollte eine Verfassung nicht laufend zu ändern versuchen. Sie wird dadurch unstabil. Wir vermögen also nicht anzuerkennen, daß bei dieser Problematik eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist, und würden — hier schließe ich mich der Auffassung, die Herr Kollege Ruhnke geäußert hat, an — einer solchen Änderung des Grundgesetzes nicht zustimmen können.
Der Streit geht doch eigentlich auf der organisatorischen Seite in erster Linie darum, ob man nun, wie es jetzt die Regierungsvorlage vorsieht, mit Auftragsverwaltung der Länder arbeiten soll oder ob man, wie die SPD sagt, ein „Organ" — ich glaube, so war die Bezeichnung — bilden soll, wir sagen es etwas deutlicher: eine Bundesanstalt errichten soll, die dann die Dinge in die Hand nehmen und ordnen sollte.
Herr Minister Strauß hat im April 1956, als unser Gesetz in diesem Hause diskutiert wurde, geäußert, daß unser Vorschlag auf Errichtung einer Bundesanstalt, wie wir ihn in der Gesetzesvorlage gebracht hatten, verfassungsrechtlich bedenklich sei. Es ist sehr bezeichnend, daß jetzt in der Begründung der Regierungsvorlage drei Wege aufgezeichnet sind, wie man die Verwaltung, die notwendig ist, aufbauen könne. Dort ist auch genannt, daß man den Weg der Errichtung einer solchen Bundesanstalt durchaus wählen könne, man neige aber aus sachlichen Gründen einer anderen Konzeption zu. Die Ablehnung der Bundesanstalt wird jedoch nicht mehr juristisch begründet.
Sicherlich läßt sich über die Form der Organisation streiten. Wir sind der Auffassung, die Bundesanstalt — oder, wie die SPD sagt, das „Organ" — ist der richtige Weg. Wir werden uns wohl darüber aussprechen müssen. Ich fürchte allerdings, daß bei der Konzeption der Regierungsvorlage die zentrale Ausrichtung mangelt, daß die gleichmäßige Behandlung der Antragsteller, die Durchführung der Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen, die doch in allen Ländern und auf allen Ebenen gewährleistet sein muß, nicht gesichert ist. All dies wäre mit einer Bundesanstalt wesentlich leichter zu handhaben. Sie haben vorgesehen, daß in diesen Ländern besondere Gremien zur Beratung der nach Ihren Vorschlägen sehr maßgebenden Länderinstanzen gebildet werden müssen. Sie wissen aber selber — der Herr Minister wird mir das sicher zugeben müssen —, daß es schon außerordentlich schwer ist, für die Bundesinstanzen die notwendigen Fachleute, die auch über die entsprechende Zeit verfügen, zusammenzubekommen, um eine solche Kommission überhaupt zu besetzen. Wenn der Weg der Regierungsvorlage beschritten wird, werden wir also zu einer erheblichen Behörden- und Kommissionsfülle kommen müssen, mit zahlreichen Genehmigungsvorschriften, die, das scheint mir die Hauptgefahr zu sein, durchaus nicht alle einheitlich vorhanden sein werden, weil die Länder — die Erfahrungen haben wir ja alle — gerne nach ihren eigenen Gesichtspunkten arbeiten werden, wenn sie durch die Vorlage der Regierung dazu in die Lage versetzt werden. Das, was in der Begründung der Regierungsvorlage steht — daß ein möglichst unkompliziertes Genehmigungssystem gewählt werden solle —, scheint mir in der Praxis in das Gegenteil verkehrt worden zu sein. Weitere Einzelheiten will ich mir jetzt ersparen; wir werden darüber noch im Ausschuß sprechen können.
Herr Kollege Ruhnke hat auch die wenig präzise Bestimmung angeführt, nach der die Genehmigungen erteilt werden sollen. Da stimme ich ihm absolut zu. Es scheint eine schlechte Formulierung im Gesetz zu sein, denn wer entscheidet z. B. über die Zuverlässigkeit? Wenn im Gesetz steht, daß zum Transport von Kernbrennstoffen die Genehmigungsbehörde sich von der persönlichen und politischen Zuverlässigkeit des Spediteurs, des


(Dr.-Ing. Drechsel)

Kraftfahrers und des Beifahrers und anderer vielleicht beteiligter Personen überzeugen müsse, so scheint mir das sehr weitgehend zu sein, wenn man noch daran denkt, daß die zuständige Genehmigungsbehörde in diesem Fall die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ist, die sich eigentlich mit ganz anderen Dingen zu befassen hätte als mit der Beurteilung der Zuverlässigkeit irgendwelcher Personen bei einem solchen Transport. Die Frage ist auch: wer urteilt schließlich in letzter Instanz? Denn wenn man solche Bestimmungen der Genehmigung einführt, muß man auch irgendeine Berufung gegen die Entscheidungen zulassen. Letzten Endes würde wahrscheinlich immer das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein. Insofern, Herr Kollege Ruhnke, bin ich also mit Ihnen einig.
Aber jetzt unterscheiden wir uns in einem grundsätzlichen Punkt. Das ist die Frage des Privateigentums, der privaten Betätigungsmöglichkeit, die wir für unerläßlich halten, wenn man den Fortschritt sichern und den Vorsprung der anderen Staaten aufholen will. Die Begründung des Gesetzes spricht ja auch von einer möglichst freien und ungehinderten Entwicklung der Forschung und der Nutzung der friedlichen Kernenergie, wobei die Privatinitiative nicht ausgeschlossen werden soll. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich die Ausführungen des Herrn Ministers Balke gerade zu diesem Problem mit großer Freude zur Kenntnis genommen habe. Sie entsprechen absolut dem, was wir uns unter dieser Gesetzgebung vorstellen und was hinsichtlich der privaten Initiative erforderlich ist. Ich hoffe allerdings mit einigen anderen Mitgliedern dieses Hohen Hauses, daß wir nicht dadurch enttäuscht werden müssen — ich sage „enttäuscht werden müssen" —, daß nach Abschluß des Euratom-Vertrags, den wir in seinen Einzelheiten noch nicht kennen, in der Konzeption, in der grundsätzlichen Auffassung, und vielleicht noch im Gesetzestext selber Änderungen notwendig sind. Denn offensichtlich sieht der EuratomVertrag eine andere Regelung vor, als sie hier im Gesetzestext festgelegt ist. Ich gestehe, daß wir unsere Zustimmung zu dem Euratom-Vertrag sehr stark davon abhängig machen müssen und werden, welche Regelung gerade in der Eigentumsfrage vorgesehen wird.
Die SPD macht immer geltend, man könne die private Initiative oder das Privateigentum deshalb nicht zulassen, weil damit die Gefahr der Monopolbildung verbunden sei oder auch der Schutz der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet sei. Meiner Auffassung nach ist das eine falsche Sicht. Wer sagt Ihnen denn eigentlich, daß mit der Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke eine Monopolbildung verbunden ist? Das ist doch zunächst einmal eine Behauptung, die durch nichts zu beweisen ist.
Sie gehen offensichtlich immer davon aus, daß man im Zuge der friedlichen Nutzung der Kernenergie nur Großkraftwerke errichten kann, daß man vielleicht einmal, weil die Erzeugung von Elektrizität aus Kernenergie billiger ist als aus Kohle oder Wasserkraft, die allgemeine Stromversorgung auf der Basis der Kernenergie betreibt. Zunächst einmal liegt diese technische Möglichkeit in weiter Ferne. Zum zweiten ist gerade die Stromversorgung der Bevölkerung und eines Teils der Industrie Sache der öffentlichen Hand, in deren Besitz sich nicht nur die Kraftwerke, sondern auch das Versorgungsnetz befinden. Im übrigen wird ein Privater schon deshalb nicht auf den Gedanken kommen, ein Atomkraftwerk für die allgemeine Stromversorgung zu errichten, weil er nicht das nötige Geld hat. Eine Monopolstellung kann also von privater Seite auf diese Weise nicht erworben werden.
Sie wissen aber genauso gut wie ich, daß Konstruktionen für Kleinkraftwerke mit einer Leistung von wenigen tausend Kilowatt in Arbeit sind und daß diese Arbeiten offensichtlich auch schon zu gewissen Ergebnissen geführt haben. Sie billigen einem privaten Unternehmen zu, daß es sein eigenes Kraftwerk auf der Basis des Dampfkessels baut; wollen Sie ihm dann die Errichtung eines Kleinkraftwerks auf Atomkraftbasis nicht zubilligen?
Sie könnten mir entgegenhalten, das würde möglicherweise zu einer Zusammenballung der Industrie führen. Das ist meines Erachtens sicherlich nicht der Fall. Nach meinen Erinnerungen bestand bei Ihnen einst die Befürchtung, daß bei Verwendung der Elektrizität nur noch Großbetriebe existieren könnten. Tatsächlich hat die Elektrizität jedoch im Gegenteil eine Streuung, eine Förderung der Klein- und Mittelbetriebe möglich gemacht, indem sie die Energieversorgung der Betriebe auch in abgelegenen Gegenden gestattet.
Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Auch wir sind gegen Monopole; aber wir sind der Auffassung, daß man eine unerwünschte Monopolbildung durch Gesetze, die wir zum Teil haben und die sich zum Teil in Vorbereitung befinden, ohne weiteres verhindern kann. Die Frage des privaten Eigentums hängt damit gar nicht zusammen.
Was in diesem Zusammenhang über den Schutz der Bevölkerung gesagt worden ist, scheint mir auf einer Verwechslung der Begriffe von Eigentum und Sicherheit zu beruhen. Glauben Sie denn, daß in staatlichen Betrieben weniger Unfälle vorkommen als in privaten Betrieben oder daß in staatlichen Betrieben die Vorschriften des Feuerschutzes oder der Unfallverhütung besser eingehalten werden als in Privatbetrieben? Es handelt sich doch einfach darum — damit sind wir vollkommen einverstanden, und das wollen wir unter allen Umständen fördern —, daß die entsprechenden Kontrollvorschriften erlassen und Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen, die verhindern, daß Unfälle vorkommen. Das muß in jedem Betrieb geschehen, gleichgültig, ob es sich um einen staatlichen oder einen privaten Betrieb handelt; es hat gar nichts mit der Frage des Eigentums zu tun. Wenn man der Meinung ist, daß man mit einer entsprechenden Lösung der Eigentumsfrage Unfälle verhindern könnte, dann sollte man sämtliche Personenkraftwagen und Krafträder in Staatseigentum überführen, um auf diese Weise den Unfallgefahren auf der Straße entgegenzutreten. Das scheint mir also kein Argument zu sein.
Weitere Einzelheiten hat Herr Kollege Ruhnke schon ausgeführt. Auch ich bin der Auffassung, daß die vorgesehene Definition der Kernbrennstoffe etwas unglücklich ist. Sie führt nur dazu, daß man diese Bestimmung umgeht und daß dann grundsätzlich gleichartige Stoffe scheinbar nicht mehr unter das Gesetz fallen. Ich halte auch hier die von uns vorgeschlagene Lösung für wesentlich elastischer und mehr den Tatsachen entsprechend. Wir hatten vorgesehen, daß eine Kommission feststellen soll, was Kernbrennstoffe sind; das Ergebnis dieser Feststellung sollte jeweils veröffentlicht


(Dr.-Ing. Drechsel)

werden. Das scheint mir der richtigere Weg zu sein.
Ich stimme Herrn Kollegen Ruhnke zu, daß in dieses Gesetz unbedingt Vorschriften über Patentfragen hineingehören. Es muß im Gesetz eine Bestimmung gegen Patentsperren, die den Fortschritt behindern, enthalten sein.
Über die vielen Behörden, die nach dem Vorschlag der Bundesregierung erforderlich sind, habe ich bereits einige Bemerkungen gemacht. Wir haben die Fachkommissionen, wir haben die Bundesanstalt für gewerbliche Wirtschaft, wir haben die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und wir haben die zehn obersten Landesbehörden. Allerdings müssen wir dabei einen besonderen Mangel feststellen: die Konstituierung der für uns maßgeblichen Kommission erfolgt beim Herrn Bundesminister für Atomfragen. Wir stimmen hier dem Gedanken zu, daß man eine solche Kommission möglichst selbständig halten muß, daß es nicht von dem Willen des Ministers abhängig sein darf, wer berufen werden soll und wann die Kommission gehört werden soll. Die Fachkommission ist nur eine Art Beirat, den wir bei verschiedenen Ministerien kennen. Sie sollte eine Kommission sein, die herausgehoben ist, die Selbständigkeit, die auch ein Initiativrecht hat und die nicht von dem — verzeihen Sie, wenn ich das sage — guten Willen des Ministers abhängig ist. Ich glaube, wenn wir diesen in unserer Gesetzesvorlage vorgesehenen Weg gingen, dann würden viele der Bedenken, die Herrn Kollegen Ratzel zu dem Gedanken der Bildung einer unabhängigen Kommission auf dem Gebiet des Strahlenschutzes veranlaßt haben, hinfällig geworden sein. Wir müssen diese Kommission frei halten, wir müssen ihren Mitgliedern die Möglichkeit geben, ihre Ansichten zu äußern und der Öffentlichkeit bekanntzugeben, ohne daß dies immer über das Ministerium zu gehen braucht; selbstverständlich muß dies in der objektiven Form geschehen, wie dies bei einer solchen Stelle zu erwarten ist. Ich bin deshalb an sich kein Anhänger des Vorschlags der SPD, eine neue Kommission zu bilden. Ich meine, wir haben schon genügend Kommissionen. Wir sollten uns eher Gedanken darüber machen, wie man diese Kommissionen so ausgestalten kann, daß das gesichert ist, was der SPD bei ihrem Antrag hauptsächlich vorgeschwebt hat. Man sollte aber nicht immer wieder zu neuen Kommissionen und zu neuen Organisationen kommen; das ist so eine deutsche Eigenart, die offensichtlich besonders auf diesem Gebiet wuchert.
Die Frage, die auch angeschnitten worden ist, bezüglich der Haftungsbestimmungen und der Versicherungsvorschriften ist sehr kompliziert. Darüber sind wir uns alle im klaren. Wir werden hier in unserem Ausschuß noch besondere Aussprachen haben müssen. Es ist aber vor übertriebenen Haftungsbestimmungen zu warnen, die dann unter Umständen die Arbeiten auf dem Gebiete der Verwendung von Isotopen in Medizin und Wissenschaft unnötig und für die Allgemeinheit nachteilig beeinflussen. Wir dürfen mit solchen Bestimmungen nicht den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt behindern.
Ein gutes Beispiel für den Perfektionismus, den wir hier wieder einmal treiben, scheint mir die große Zahl von Strafvorschriften zu sein, die in das Gesetz aufgenommen werden sollen. Ich bin kein Jurist, ich will deshalb hier nicht urteilen. Aber mir scheint so, als ob ein solch großer Band von Strafvorschriften in ein solches mehr technisches Gesetz nicht hineingehört. Man sollte vielleicht auf andere Strafbestimmungen hinweisen.
Damit will ich meine Kritik an der Regierungsvorlage beenden. Es hätte mich natürlich gereizt, sie noch fortzusetzen, vielleicht in der Form, wie es Herr Minister Strauß mit den 13 Punkten machte; aber ich glaubte, darauf verzichten zu sollen. Wir sind verpflichtet, alles zu tun, daß wir schnell zu einem Gesetz kommen. Sie können versichert sein, daß von meiner Fraktion alles geschehen wird, um zu einer baldigen Verabschiedung beizutragen.
Bei der Kürze der Zeit, die diesem Bundestag noch zur Verfügung steht, muß man erwägen, unter Umständen die Strahlenschutzvorschriften vorweg zu verabschieden, damit das Ministerium die vordringlichen Verordnungen für den Strahlenschutz erlassen kann. Damit können wir nicht zu lange warten.
Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen. Es wäre für alle Beteiligten, für uns, für das Ministerium, für die Technik und Wissenschaft, für diejenigen, die sich draußen nun praktisch mit den Dingen befassen sollen, wesentlich besser gewesen, wenn diese Debatte schon vor etwa einem Jahr stattgefunden hätte. Die Versäumnisse sind nicht mehr einzuholen. Wir wollen an der Ausarbeitung des Gesetzes mitarbeiten, damit wir nicht durch Eigenentwicklungen auf allen Gebieten vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wir müssen den Vorsprung der anderen Länder baldigst aufholen.
Gerade mit Rücksicht darauf, daß die Verabschiedung des Gesetzes sehr dringend ist, bitte ich zu überlegen, ob man nicht davon absehen sollte, zu viele Ausschüsse mit der Beratung des Gesetzentwurfes zu befassen. Die Beteiligung des Rechtsausschusses ist notwendig, da in der Regierungsvorlage eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen ist und auch andere rechtliche Fragen zu erörtern sind. Es scheint mir aber ausreichend zu sein, daß im übrigen nur der Atomausschuß damit befaßt wird. Wir würden dann nur zwei Ausschüsse behelligen. Besondere Fragen können vom Atomausschuß gegebenenfalls mit den Mitgliedern anderer Ausschüsse erörtert werden. Schließlich besteht ja über die Fraktionen die Querverbindung zu allen Ausschüssen.
Mein Vorschlag geht also dahin, dem Antrag nicht zu folgen, daß auch noch der Wirtschaftspolitische Ausschuß und, wenn ich recht verstanden habe, der Innenpolitische Ausschuß beteiligt werden. Nach meinem Vorschlag soll der Atomausschuß federführend und der Rechtsausschuß mitberatend sein.

(Beifall rechts.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219402000
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß das Haus willens ist, die Tagesordnung, wie vorgesehen, heute abzuwickeln. Ich habe jetzt noch fünf Wortmeldungen vorliegen mit etwa anderthalb Stunden Redezeit.

(Zurufe.)

Ich würde deshalb an die Redner appellieren, sich so einzurichten, daß wir vielleicht doch noch um 14 Uhr fertig werden.
Das Wort hat der Abgeordneter Euler.


August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0219402100
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Ende des Jahres 1938 die Kernspaltung möglich gemacht war, wurde man sich bald darüber klar, daß die Kettenreaktion durchgesetzt werden könnte und daß daran gleich zwei Möglichkeiten hingen, die einer außerordentlichen Freisetzung von Energie für friedliche Zwecke und die einer Freisetzung für Explosionen durch Bomben, die das menschliche Vorstellungsvermögen übermäßig strapazierten, obwohl es durch die bis dahin erzielten Fortschritte schon sehr weit geworden war.
Das Atomzeitalter hat seitdem, man möchte sagen: von Tag zu Tag mehr sein Janusgesicht gezeigt. Wir sind heute über die Fülle der Anwendungsmöglichkeiten der atomaren Energie mittels der radioaktiven Isotope überrascht. Die Biologie, die Medizin, die biologische Forschung in der Landwirtschaft, die Verwendung der Isotope in der Industrie für alle möglichen Prüfungszwecke haben zu neuen Erkenntnissen und darüber hinaus zur Erzielung von Ersparnissen geführt, die weit über das hinausgehen, was man früher für möglich hielt. Auf der andern Seite hat die Menschheit die erschreckende Entwicklung erlebt, deren augenblickliches Stadium ist, daß eine Bombe, wie sie zum Abschluß des zweiten Weltkrieges auf Nagasaki abgeworfen wurde, jetzt als Streichholz für die Entzündung einer Wasserstoffbombe dient, die nicht mehr auf dem Prinzip der Kernspaltung, sondern auf dem umgekehrten Prinzip der Kernverschmelzung beruht. In Anbetracht dieser Doppelgesichtigkeit, dieser Janusköpfigkeit der atomaren Entwicklung ist jeder Staat verpflichtet, seinen ganzen Einfluß geltend zu machen, um die lediglich friedliche Anwendung und Ausnutzung der Kernenergie sicherzustellen. Der zweite Satz, der ebenso sicher gilt, ist der, daß kein Staat es sich leisten kann, an den Errungenschaften des Atomzeitalters vorüberzugehen und sich etwa von der Nutzbarmachung der Kernenergie auszuschließen.
Aus der westlichen Welt sind durch die Jahre hindurch, auf die ständige Initiative der Wissenschaftler, Bemühungen gekommen, die Bannung des Atomkrieges und in Verbindung mit der Bannung des Atomkrieges auch eine kontrollierte Abrüstung der traditionellen Waffen sicherzustellen. Wenn ein derartiges Abkommen in der heutigen Welt noch nicht erzielt wurde, dann liegt das nicht daran, daß sich der Westen dagegen gesträubt hätte, sondern es liegt doch allein daran — das muß in dieser Debatte ausgesprochen werden —, daß die Sowjets lange Zeit ein solches Abkommen gar nicht ernstlich wollten. Die Sowjets sind es gewesen, die zwar auf propagandistische Weise von der Notwendigkeit eines solchen Abkommens gesprochen haben, aber alle Vorschläge des Westens, effektive Kontrollen zu übernehmen, damit jeder Vertragsteil die Sicherheit hat, daß er nicht eines Tages der Genarrte der anderen Partner ist, abgelehnt haben. Nur allmählich, im Laufe von jetzt insgesamt 2 1/2jährigen Verhandlungen sind die Sowjets von Zeit zu Zeit in kleinen Schritten von diesem ihrem ursprünglichen Standpunkt abgerückt. Schon vor anderthalb Jahren wurde von dem amerikanischen Präsidenten Eisenhower der Vorschlag einer totalen Luftinspektion unterbreitet. Heute haben sich die Sowjets endlich dazu bequemt, wenigstens die Luftinspektion in der Beschränkung auf einen Gebietsgürtel von nur 800 km Tiefe zuzugestehen. Diese Beschränkung macht natürlich die Zustimmung im Prinzip einstweilen wertlos. Aber es muß weiter darum gerungen wer- den, daß die Sowjets eines Tages dahin kommen, die Luftinspektion unbeschränkt zuzulassen, ebenso wie die Amerikaner schon seit Jahren die uneingeschränkte Luftinspektion für ihr gesamtes Gebiet zugestanden haben.
Ich halte es für äußerst zweifelhaft, ob, solange die Sowjets für ein weltumspannendes Abkommen zur Bannung des Atomkrieges und zur kontrollierten Abrüstung auch der konventionellen Waffen nicht zu bringen sind, die Atombombenversuche völlig eingestellt werden können. Die gesamte Bevölkerung der demokratischen Welt, der Welt, in der Recht und Freiheit gelten, ist doch aufs äußerste daran interessiert, nicht durch eine Fehlentwicklung auf diesem Gebiet eines Tages in die Lage zu kommen, daß der gesamte Westen das Opfer einer militärischen Entwicklung, beruhend auf einer einseitigen Weiterentwicklung der Atombombe im östlichen Bereich, würde. Wir sollen unseren Einfluß geltend machen, um die Atombombenversuche einzuschränken, ja, wenn das möglich ist, ein Abkommen zwischen den Sowjets und der gesamten westlichen Welt durchzusetzen, wonach diese Atombombenversuche eingestellt werden. Aber wir können niemals Resolutionen unterstützen, die dahin gehen, daß man eines Tages sozusagen vor dem Ergebnis steht, daß der humanere Westen die Versuche einschränkt, während sie der Osten hemmungslos weiter betreibt. Daraus könnte nur die Gefahr einer einseitigen atommilitärischen Stärkung der östlichen Welt entstehen. Das sind Gesichtspunkte, die der Ausschuß einer sorgfältigen Prüfung unterziehen wird, wenn er über den Vorschlag der Sozialdemokratie und der Freien Demokraten berät.
Da uns nun heute der Gesetzentwurf über die friedliche Verwendung der Atomenergie vorliegt, sollte von dieser Stelle aus absolut klar ausgesprochen werden, daß weder die Strahlungen, die bisher die Folge von Atombombenversuchen waren, noch die Strahlungen, die von atomaren Objekten der Wirtschaft ausgehen, bis jetzt einen Grad erreicht haben, der für die Bevölkerung irgendwelcher Länder eine Gefährdung wäre. Etwas ganz anderes ist natürlich die Gefährdung für diejenigen, die in dem näheren Bereich, in dem Sprengbombenversuche unternommen worden sind, zu Schaden gekommen sind.
Ich habe hier einen Aufsatz des amerikanischen Biologen Dr. Muller, der in Nr. 4 der „Naturwissenschaftlichen Rundschau", Jahrgang 1956, veröffentlicht ist. Aus diesem Aufsatz einer anerkannten internationalen Autorität darf ich zwei Stellen vorlesen, die die heutige Thematik „Schutz der Bevölkerung vor Strahlungsgefahren", ein Thema, das man gar nicht ernst genug nehmen kann, auf eine bündige Weise behandelt. Ich darf, Herr Präsident, diese zwei Stellen vorlesen. Die erste Stelle beschäftigt sich mit den Strahlungen als Folge der Atombombenversuche. Muller schreibt:
Wir gehen dabei zunächst von den Versuchsexplosionen aus. J. Rotblut, London, hat geschätzt, daß durch die Atomversuche im vergangenen Jahr in Landstrichen der Erde, die entfernt von den Explosionsstellen liegen, die Basisstrahlungen in dem Jahr sich etwa verdoppelt haben; in den USA ist daher die Basisstrahlung von 0,1 auf etwa 0,2 R pro Jahr gestiegen. Die natürliche Basisstrahlung von


(Euler)

etwa 0,3 R pro Jahr löst bei Menschen — so haben wir geschätzt — etwa 3 % der spontanen Mutationen aus. Eine Verdoppelung würde daher eine Zunahme der entstehenden Mutationen um denselben Betrag bedeuten. Obwohl diese Einwirkung, wenn sie über eine Generation anhält, eine enorme Zahl von Mutationen auslösen würde, so wäre dieser Effekt im Hinblick auf den angesammelten Vorrat nachteiliger Mutationen verhältnismäßig gering. Er würde die pro Kopf vorhandene Anzahl mutierter Gene höchstens um einige Zehntel Prozent erhöhen.
Das ist also das Ergebnis der Untersuchungen eines Mannes, der heute mit Recht wohl als der führende Biologe der Vereinigten Staaten gilt.
Ich darf eine zweite Stelle aus seinem Aufsatz verlesen. Da spricht Muller von dem Vergleich zwischen der heutigen Dosis von Spannungen, die als Folge der Verwendung der Röntgenstrahlen in der Medizin in die Bevölkerung hineindringt, und den Strahlungen, die Folge der Atombombenversuche sind. Er spricht davon, daß die Dosis in den Vereinigten Staaten, die als Folge der Verwendung der Röntgenstrahlen in die Bevölkerung geschickt wird, 0,06 R pro Jahr beträgt. Er sagt:
Diese Dosis, die einzige uns über die USA zur Verfügung stehende Schätzung, hat dieselbe Größenordnung wie die jährliche Strahlendosis in den USA in den letzten vier Jahren von allen Versuchsatomexplosionen zusammengenommen. Es erscheint recht ungereimt, wenn so viel Staub wegen der medizinischen Folgen der Explosionen aufgewirbelt wird und so wenig Aufhebens gemacht wird von der medizinischen Strahlendosis.
Wir haben auch aus den Vorträgen der Biologen und Radiologen, die wir vor dem Ausschuß für Atomfragen gehört haben, die Auffassung bestätigt gefunden, die Muller in diesem Aufsatz noch im einzelnen weiter vertritt: daß nämlich die Strahlungen, die als Folge der Atombombenversuche aufgetreten sind, geradezu verschwindend geringfügig sind im Verhältnis zu all den anderen Zivilisationsschäden durch die Zivilisationsgifte, durch die Luftverunreinigungen aus den verschiedensten Gründen und durch Schäden vor allem im Bereich der Medizin, insbesondere durch Röntgenstrahlen.
Muller zieht aus seinen Erkenntnissen den Schluß, daß nicht etwa nur die Strahlung als Folge des Einsatzes atomarer Energie, sondern auch alle anderen Zivilisationsschädigungen, die ebenfalls durch Radioaktivität, aber auch durch Gifte und Luftverunreinigungen hervorgerufen werden, einer viel gründlicheren Untersuchung bedürfen als bisher und vor allem auch einer viel energischeren Bekämpfung auf Grund der Schlußfolgerungen, zu denen die Wissenschaftler kommen.
Wir müssen der Bevölkerung sagen — das dürfen wir heute gestützt auf wissenschaftliche Kapazitäten mit bestem Recht tun —, daß für sie hier keine Gefahr droht, wenn jetzt Deutschland daran geht, möglichst schnell einen Teil der Entwicklung nachzuholen, die die anderen, atomar heute führenden Länder in den letzten Jahren genommen haben.
Wir haben hier eine große Aufgabe. Unser Rückstand beträgt zwar nicht in der Forschung, aber in der technischen Durchsetzung zehn Jahre. Darüber hinaus ist die deutsche Forschung bedroht durch eine allzu schmale Nachwuchsbasis, wie sie heute noch vorhanden ist. Wenn wir in der Verwirklichung des atomaren Fortschritts für friedliche Zwecke nicht aufholen, kommen wir in 10 bis 20 Jahren in die große Gefahr, unseren Rang als führendes oder mitführendes Exportland zu verlieren. Das könnte für ein Land mit so starker Überbevölkerung wie die Bundesrepublik äußerst nachteilig sein. Es würde für uns alle eine relativ starke Senkung des Lebensstandards im Vergleich zu anderen Völkern bedeuten.
Ganz zweifellos haben wir auch Vorteile aus dem Umstand zu ziehen, daß wir infolge des Ausgangs des zweiten Weltkriegs zunächst einmal in der technischen Entwicklung zehn Jahre verloren haben. Wir haben dabei den Vorteil eingehandelt, daß unsere Entwicklung nun vielfach an Resultate anknüpfen kann, die durch die Inbetriebnahme von Forschungs- und Versuchsreaktoren, ja auch Leistungsreaktoren in anderen Ländern bereits erzielt worden sind. Wir können einen großen Teil der dort gemachten Erfahrungen verwerten, und wir können auch in größerem Maße an gewisse Erfahrungen der führenden Länder im Kampfe gegen Strahlungen anknüpfen zur Verhütung von Strahlungsschäden, nicht nur für die in zukünftigen Atomwerken Beschäftigten, sondern auch für die im Umkreis dieser Werke lebende Bevölkerung.
Und da ist eines sehr wichtig: daß die Physiker und Techniker heute die Gewißheit vermitteln können, daß alle Arten von Reaktoren so sicher gebaut werden, daß sie nicht Quellen störender Strahlenschädigungen nach außen sind. Es ist heute durchaus möglich, die Umgebung völlig abzuschirmen. Wir begrüßen es, daß das Atomministerium gerade diesen wichtigen Fragen eine sehr große Aufmerksamkeit zuwendet, und wir sehen vorerst jedenfalls keinerlei Anlaß, gegenüber der Fachkommission, die jetzt gerade für Strahlennutzung und Strahlenschäden gebildet worden ist, Mißtrauen zu haben. Diese Fachkommission wurde ja im Rahmen der Atomkommission gebildet. Ihr gehören die besten deutschen Physiker, Chemiker und Techniker, die Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet einen Namen haben, an, und diese Kommission mit ihren Fachkommissionen ist von der Regierung völlig unabhängig, so daß ich nicht sehe, warum man daran zweifeln sollte, daß diese Fachkommission im Rahmen der Atomkommission ihre Aufgaben erfüllt. Sowohl ihre Zusammensetzung wie auch ihre unabhängige Stellung bürgen dafür, daß sie ihre Aufgaben erfüllt. Sollte sich herausstellen, daß das einmal nicht der Fall sein würde, dann kann man immer noch entsprechende Konsequenzen daraus ziehen.
Aber, Herr Kollege Ratzel, Sie wollen mich etwas fragen. Bitte sehr!

Dr. Ludwig Ratzel (SPD):
Rede ID: ID0219402200
Würde vielleicht der Herr Abgeordnete Euler so freundlich sein, uns zu begründen, worin die Unabhängigkeit der deutschen Atomkommission besteht?

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0219402300
Sie ist doch keinen ministeriellen Weisungen unterworfen; sie ist in ihrer Tätigkeit völlig frei, hat auch die Möglichkeit der selbständigen Initiative. Sie steht in keinem bürokratischen Zusammenhang — also im Sinne einer Über- und Unterordnung — zum Atomministerium. Also ich sehe nicht, daß die Mitglieder dieser Kommission Beschränkungen unterworfen wären, die Sie befürchten.


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219402400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Frage?

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0219402500
Bitte sehr!

Dr. Ludwig Ratzel (SPD):
Rede ID: ID0219402600
Darf ich Herrn Abgeordneten Euler fragen, wer der Vorsitzende der Atomkommission ist und wo die Mittel für die Atomkommission ausgebracht sind.

August-Martin Euler (DP):
Rede ID: ID0219402700
Herr Kollege Dr. Ratzel, wenn die Stellung der Wissenschaftler in dieser Kommission nicht unabhängig wäre, dann würden sich diese Kapazitäten, die der Kommission angehören, überhaupt nicht dafür hergegeben haben, ihr anzugehören.

(Zuruf von der SPD: Wer ist es denn?)

Das ist ja gerade doch das Wesentliche, daß eine Freiheit der Beratung gegeben ist, bei der die Mitglieder ihr gesamtes Wissen einsetzen können.

(Abg. Dr. Menzel: Wer ist denn Vorsitzender? — Weitere Zurufe von der SPD.)

— Ja, das ist doch der Staatssekretär. — Der Vorsitzende

(Abg. Dr. Menzel: Wer ist es denn?)

wird aber jederzeit den aus den Reihen der Atomkommission kommenden Anregungen hinsichtlich der Abhaltung von Sitzungen usw. folgen.

(Abg. Dr. Ratzel: Ich bin bisher der Meinung, daß der Herr Atomminister der Vorsitzende der Kommission ist! — Abg. Dr. Menzel: Ist er es denn nun oder nicht?)

— Ja, er ist es. (Abg. Dr. Menzel: Na also!)

Aber er wird doch allen Wünschen Rechnung tragen, die an ihn herangetragen werden. Ich meine, der Atomminister, der ja selbst Wissenschaftler ist, und seine leitenden Männer

(Abg. Dr. Ratzel: Nicht immer! Wir haben einen gehabt, der kein Wissenschaftler auf diesem Gebiet war!)

— Professor Balke ist Wissenschaftler! — würden es nicht dahin kommen lassen, daß Spannungsmomente nur deshalb eintreten, weil Initiativen aus dem Kreise der Wissenschaftler an den Minister nicht entsprochen würde.

(Abg. Kurlbaum: Herr Euler, wer entläßt und wer beruft denn die Mitglieder?)

Wir werden uns alle diese Fragen im Ausschuß noch einmal gründlich überlegen, werden prüfen, ob hier wirklich Hindernisse für eine objektive Gestaltung der Arbeit und eine ersprießliche Arbeit der Atomkommission und ihrer Fachausschüsse liegen. Aber nachdem man auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen nicht über solche Erscheinungen zu klagen hatte — ich jedenfalls habe noch nichts gehört —, kann man nicht einfach sagen, daß Wissenschaftler und Techniker aus den Fachausschüssen über ernsthafte Störungen Klage geführt hätten.
Das Gesetz entspricht in der Grundlage durchaus der Tendenz, die meine politischen Freunde vertreten, ein Höchstmaß von privater Initiative sicherzustellen, dabei aber darauf zu achten, daß der Schutz der Öffentlichkeit in jeder Weise gewährleistet ist. Wir werden sehr nachhaltig prüfen, ob die Bestimmungen des Gesetzentwurfs einen in jeder Weise hinreichenden Schutz der Öffentlichkeit gewährleisten. Die im Entwurf vorgesehene Konstruktion würden wir nur verlassen, wenn sehr gewichtige Überlegungen zu dem Ergebnis führen sollten, daß der Schutz der Öffentlichkeit dabei nicht gewährleistet erscheint. Ich vermag aber ebensowenig wie Herr Kollege Dr. Drechsel einzusehen, daß eine bessere Möglichkeit des Schutzes der Öffentlichkeit gegeben wäre, wenn in diesem Sektor die Lösung der Staatseigentums gewählt würde. Nach allen Erfahrungen, die man in der Wirtschaft mit Sozialisierungsexperimenten gemacht hat, muß man sagen: immer führten sie dazu, daß nicht nur die Erträge zurückgingen und die Kosten stiegen, sondern auch die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Staatsbürger wuchs.

(Abg. Dr. Ratzel: Das gilt auch für die Bundesbahn?)

— Die Bundesbahn, möchte ich sagen, hat eine besondere deutsche Tradition;

(Abg. Dr. Ratzel: Aha!)

aber wenn sie als private Bahn entstanden wäre, dan würde man genau dieselben Vorzüge des privaten Betriebs feststellen können wie in anderen Ländern, wo die Eisenbahnen nicht verstaatlicht sind.

(Abg. Dr. Ratzel: Siehe England!)

Aber die Erfahrungen, die man in den Grundstoffindustrien überall mit Verstaatlichungsexperimenten gemacht hat, wirken wirklich nicht ermunternd in dieser Richtung.
Ob die Bundesanstalt oder das Organ, von dem Sie vorhin sprachen, oder aber die Auftragsverwaltung das geeignete Verwaltungsmedium darstellt, werden wir einer sehr sorgfältigen Prüfung im Ausschuß unterziehen. Ich könnte mir denken, daß die gegenwärtige Konstruktion der Auftragsverwaltung schon den Vorteil hat, vom Bundesrat akzeptiert zu werden. Das ist ein sehr großer Vorteil; denn man weiß, wie eilbedürftig das Inkrafttreten dieses Gesetzes ist.
Wir sehen für die Zukunft eine sehr wichtige Aufgabe darin, gerade die Zweige der Forschung mit den Mitteln auszustatten, die man braucht, um Gefahren der Radioaktivität, insbesondere auch auf dem Gebiet der Radioisotopen, rechtzeitig zu erkennen und sie auch wirksam einzuschränken. Im Hinblick auf die Bedürfnisse des Bevölkerungsschutzes Find die Radiobiologie und die Radiomedizin wesentliche Fächer. Die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung werden von Jahr zu Jahr strenger ausgebildet werden müssen, weil die Summe der Gefährdungen aus der Verwendung gerade der radioaktiven Isotope nicht schwächer, sondern von Jahr zu Jahr größer wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0219402800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.

Dr. Willy Reichstein (GB/BHE):
Rede ID: ID0219402900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Gesamtdeutschen Blocks/BHE möchte ich folgende Stellungnahme zu den vorliegenden Anträgen und zu den Gesetzentwürfen abgeben.
Zum Antrag Drucksache 1734 möchten wir dringend empfehlen, unter Ziffer 3 c), wo verlangt wird, daß die Bundesregierung die Überwachung der Ge-


(Dr. Reichstein)

wässer in der Bundesrepublik veranlaßt, hinzuzufügen: „des Bodens, der Flora, der Fauna und der landwirtschaftlichen Produkte", und zwar wegen des Kreislaufs, dem Pflanze, Tier und Mensch unterworfen sind. Es kann also auch von Bedeutung sein, daß man weit mehr als nur die Gewässer beobachtet.
Zu Ziffer 6 c), wonach besonders Mittel für die experimentelle Kernphysik in den Haushaltsplänen ausgeworfen werden sollen, wünschen wir, daß auch für die Strahlenforschung, die Strahlenbiologie und die Genetik ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, weil wir der Auffassung sind, daß die Bemühungen, die Atomtechnik fortschreitend zu verbessern, parallel gehen müssen mit den Bemühungen, auch den Atomschutz zu vergrößern.
Zu den vorliegenden Gesetzentwürfen kurz unsere Stellungnahme wie folgt: Die Bundesregierung ist der Meinung, daß das Gesetz im Auftrag des Bundes von den Ländern durchgeführt werden soll. Angeblich entspricht eine solche Konstruktion dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik. Wir sind der Meinung, daß das Problem der Anwendung der Kernenergiekommission kein Exerzierplatz für den Föderalismus sein sollte.

(Zustimmung beim GB/BHE.)

Wir haben erhebliche Bedenken, ob eine Bundesauftragsverwaltung mit doch sehr zweifelhaften Weisungsbefugnissen überhaupt in der Lage ist, den im Gesetz liegenden Problemen gerecht zu werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es ist die Frage, ob nicht eine eventuelle materielle Änderung des Gesetzes zwangsläufig zu einer Änderung in den Gesichtspunkten führt, auf welcher Basis es durchgeführt werden soll. Meine Fraktion hat zur Zeit jedenfalls noch keine Neigung, einer etwa gewünschten Grundgesetzänderung zuzustimmen.
Zum Atomgesetz selbst folgendes. Wir haben gegen fast alle Bestimmungen dieses Gesetzes erhebliche Bedenken. Das Gesetz soll nach seinem Zweck — in § 1 ist es niedergelegt — eine möglichst freie und ungehinderte Entwicklung der Erforschung der Kernenergie ermöglichen, Leben, Gesundheit und Sachgüter schützen. Es ist sehr fraglich, ob dieser Zweck bei der Anwendung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit mit Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis erreichbar ist. Die heutige Argumentation des Herrn Ministers bei der Begründung des Gesetzes hat uns jedenfalls noch nicht von dieser Meinung abbringen können.
Ich weise darauf hin, daß auch der Bundesrat erhebliche Bedenken hatte. Das kommt darin zum Ausdruck, daß er noch einen Schritt weiterging und wegen der besonderen Art der Dinge, die es hier zu regeln gibt, zumindest eine staatliche Konzession an Stelle der Gewerbefreiheit für notwendig hielt. Gegen die Anwendung des Prinzips der Gewerbefreiheit auf diesem Gebiete sprechen nach unserer Auffassung noch folgende Gesichtspunkte. Die Kernenergie ist in ihrer Wirkung und möglichen Gefährdung völlig unvergleichbar mit den bisher in der Industrie verwendeten Energien. Für die anderen Industriezweige mag das Prinzip der Gewerbefreiheit am Platze sein. Auf diesem Gebiet sind wohlüberlegte Planungen unbedingt erforderlich. Es besteht ,der Zweifel, ob dies bei Aufrechterhaltung des Prinzips der Gewerbefreiheit möglich ist.
Ein weiteres Problem liegt in den hohen Kosten, die die Energiegewinnung zumindest zur Zeit noch erfordert. Die hohen Kosten würden vermutlich zur Folge haben, daß sich diese Energiequellen in der Hand weniger befinden, wodurch diese eine unerwünschte Monopolstellung lauf diesem Gebiet erreichen würden. Weiterhin bestünde ,die Gefahr — und jede Gefahr ist hier sehr ernst zu nehmen —, daß die unbedingt notwendigen und zur Zeit jedenfalls auch noch außerordentlich kostspieligen Schutzmaßnahmen dauernd in Konflikt geraten würden mit dem an sich verständlichen Wunsch von Betrieben, möglichst viel zu verdienen.
Die Bestimmung über die Haftung, die der Gesetzentwurf enthält, scheint uns hinsichtlich der dort festgelegten Summen ebenfalls unzureichend zu sein. Es ist auch sehr problematisch, daß das Gesetz eine Ersatzpflicht für den Fall ausschließt, daß der Nachweis der gebotenen Sorgfalt geführt werden kann. Meine Damen und Herren, wer in Großbetrieben der Chemie tätig war — überhaupt kann man das schon auf Grund allgemeiner menschlicher Erfahrung sagen —, weiß doch, daß im Falle einer Katastrophe der Nachweis, ob die gebotene Sorgfalt tatsächlich geübt worden ist, deshalb gar nicht mehr zu führen ist, weil die, die ihn hätten führen müssen, gar nicht mehr leben. Aus diesem Grunde also auch erhebliche Bedenken gegen diese Formulierung.
Die Schutzmaßnahmen müssen schon auf Grund der Natur dieser neuen Energie viel umfassender sein als die Schutzmaßnahmen, die in allen anderen Zweigen der Industrie erforderlich sind. Das Gesetz selbst läßt in seinen Strafbestimmungen das Ausmaß möglicher bedrohlicher Ereignisse erkennen.

(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt den Vorsitz.)

Ich verweise auf den § 32 Abs. 2, in dem Strafe für einen Täter angedroht wird, der es unternimmt, eine „unübersehbare Zahl von Menschen" zu gefährden. Die Schutzbestimmungen müssen unter allen Umständen einen ausreichenden Schutz des einzelnen Menschen gewährleisten, der in diesen Energiebetrieben arbeitet. Insbesondere muß sichergestellt werden, daß Keimschädigungen und Idamit Schädigungen der Nachkommenschaft vermieden werden. Wie sehr die Öffentlichkeit durch sich widersprechende Auffassungen über dieses Problem beunruhigt ist, wissen Sie alle; das ist hier bereits oft erwähnt worden. Ich erinnere an die Schwierigkeiten, die der Errichtung eines Reaktors in Karlsruhe entgegenstehen. Das beruht aber zum Teil auf der sehr schlechten Übung, daß man wissenschaftliche Erkenntnisse durch die politische Brille betrachtet. Hier ist meine Fraktion der Auffassung, daß eine völlig unabhängige Kommission zu diesen Fragen Stellung nehmen muß und daß die Bundesregierung die Meinung dieser Kommission entsprechend zu würdigen hat.
Die Probleme der Schädigung und der Schutzmaßnahmen hängen eng zusammen. Bei der Festlegung von Schutzbestimmungen muß insbesondere die Tatsache berücksichtigt werden, daß die Menschen sich bei Experimenten und Forschungen viel leichter manchmal sehr lästigen Schutzmaßnahmen unterwerfen, als ,das bei der alltäglich gewordenen freien Produktion der Fall ist. Auch hier sollten Ratschläge einer unabhängigen Kommission bindend sein.


(Dr. Reichstein)

Ich darf in diesem Zusammenhang die Bundesregierung darauf hinweisen, daß nach meiner Kenntnis der Dinge — ich werde jede Korrektur gern zur Kenntnis nehmen - die zur Zeit noch geltende Röntgenverordnung aus dem Jahre 1941 für nichtmedizinische Betriebe als höchstzulässige Wochendosis die Menge von 1,25 Röntgen festgelegt hat. Damit liegen wir nach unseren gesetzlichen Bestimmungen um das Vierfache höher, als es die international geltende Übung ist. Die nach internationaler Ansicht höchste Wochendosis beträgt nämlich 0,3 Röntgen, und auch diese wird von vielen noch als zu hoch angesehen. Ich möchte die Bundesregierung bitten, einmal nachzuprüfen, ob ich mich irre oder ob die gesetzlichen Bestimmungen hier nicht sehr bald geändert werden müssen.
Andere Kollegen haben schon auf den sehr interessanten medizinischen Forschungsbericht einer Kommission in Großbritannien hingewiesen. Ich will aus Zeitgründen auf sehr interessante Einzelheiten dieses Berichts nicht mehr eingehen, will aber auch das in allen Offenheit sagen: Nach diesem sine ira et studio, wie ich hoffen möchte, abgegebenen Bericht besteht zur Zeit für die Allgemeinheit noch kein Grund zur allgemeinen Beunruhigung wegen Strahlenschäden. Es ist aber allgemeine Pflicht, genau zu kontrollieren, wo und in welchem Maße man Menschen im Interesse einer Energiegewinnung Schäden aussetzt. Der Spielraum, den wir — die Menschheit überhaupt — auf diesem Gebiet haben, sollte nur nach sehr ernster Kontrolle und nach Abwägung aller Probleme ausgenützt werden.
Es ist bekannt, daß jeder Mensch auch ohne industrielle Nutzung dieser neuen Energieart ständig einer natürlichen Bestrahlung ausgesetzt ist. Die Nahrungsmittel, der Boden, die Gebäude, die Luft, besonders in großen Höhen bei Fliegern, die Durchleuchtung und die Behandlung mit Röntgengeräten, ja, sogar die Leuchtziffern an unseren Armbanduhren bringen — wenn auch nur in sehr geringer Menge — Strahlen in den menschlichen Bereich. Die Natur dieser Strahlen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, ist also nichts Neues, sondern neu ist das Ausmaß, das die Menschen trifft.
Wir wissen sehr gut, daß die Menschheit für alle Fortschritte oder vermeintlichen Fortschritte der Zivilisation Opfer zu bringen hat. Ich darf Sie nur an die — hier muß man allerdings schon sagen -
fast Hekatomben von Opfern erinnern, die wir dem Fortschritt in unserem Verkehr Jahr für Jahr zum Opfer bringen, wo 12 000 Menschen jährlich getötet und Hunderttausende verletzt werden. Bei der Anwendung der Kernenergie aber wird man wegen der besonderen Gefährdungsmöglichkeiten den Nutzen und die Verbesserungen unserer Lebensbedingungen auf der einen Seite und das Maß der Gefahren auf der anderen Seite abwägen müssen. Was heute bei den Schutzmaßnahmen gespart würde, müßten spätere Generationen — und zwar ein Vielfaches mehr als das, was heute auszugeben wäre — ausgeben, um nur den Versuch zu machen, die eingetretenen Schäden wieder zu vermindern.
Es wird nach allgemeiner Auffassung notwendig sein, daß die Zahl der Menschen, die in diesen Energiebetrieben arbeiten, nicht ein bestimmtes Verhältnis zur Zahl der Gesamtbevölkerung überhaupt übersteigt. Es wird sicher unzweckmäßig sein, daß man die Eheschließung zwischen
Personen. die in diesen Betrieben arbeiten, empfiehlt. Man wird ihnen sogar raten, nicht zu heiraten. Es ist sicher notwendig — der Vorschlag ist auch in der letzten Zeit von einem unserer Wissenschaftler noch einmal gemacht worden —, zumindest für einen ausgewählten Kreis der Bevölkerung so etwas wie einen Strahlenpaß einzurichten.
Eine besondere Schwierigkeit liegt zweifellos noch bei dem Bemühen, den Abfall, den sogenannten Atommüll, zu beseitigen. Die Reaktoren liefern verschiedene Mengen von Abfallstoffen, die verschieden gefährlich sind, hochaktive Spaltprodukte, die wir gerne wieder der Natur zurückgeben möchten und wo wir doch große Schwierigkeiten überwinden müssen, um das zu bewerkstelligen. Sie wissen, daß heute noch Bergwerke, tiefe Brunnen, der Ozean, ja sogar arktische Gebiete als Ablagerungsorte angesehen werden. Die vor einiger Zeit von dem Herrn Minister geäußerte Ansicht, daß auf diesem Gebiet durch Änderungen der Erkenntnisse oder durch bestimmte chemische Maßnahmen die Abfallbeseitigung vielleicht erleichtert werden könnte, soll uns zu Hoffnungen veranlassen. Zur Zeit ist es aber noch nicht so weit. Auf alle Fälle ist heute noch die Abfallbeseitigung eine sehr kostspielige Angelegenheit, besonders wenn man den auch dabei notwendigen Schutz berücksichtigt.
Die absolute Notwendigkeit des ausreichenden Schutzes mag jedem, auch dem völligen Laien, ganz klar sein, wenn man weiß, daß durch Strahlenschädigung alle uns bekannten körperlichen Mißbildungen und geistigen Erkrankungen eintreten können.
Diese hier in sehr kurzer Form zusammengefaßten Gründe erweisen, meine ich, die Notwendigkeit besonders strenger Schutzmaßnahmen und, was genauso wichtig ist, die Notwendigkeit der Einhaltung der Schutzbestimmungen. Es darf keine Gefährdung dieser Schutzbestimmungen dadurch eintreten, daß sie mit Produktionswünschen, mit Wünschen, die Kosten der Produktion zu verringern, um konkurrenzfähig zu bleiben, kollidieren.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wieweit die Industrie solchen Gesichtspunkten unterliegt, wissen Sie alle. Die notwendigen Maßnahmen zur Verhütung der Verunreinigung der Luft unterbleiben, weil sie zu teuer sind. Derselben Gefahr sind wir hier selbstverständlich auch ausgesetzt. Auch mit Rücksicht auf die Notwendigkeit des Schutzes ist zu prüfen, ob eine bessere Verwirklichung des als notwendig anerkannten Schutzes erreicht wird, wenn sich diese Art der Energiebetriebe nicht in privater Hand befindet. Natürlich ist auch bei einem Staatsbetrieb keine absolute Sicherheit gegeben. aber die von mir nur kurz erwähnten Möglichkeiten der Konkurrenz und des Verdienenwollens scheiden dann als eventuelle die Schutzmaßnahmen durchlöchernde Anreize aus.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Kosten für Forschung und Schutz wesentlich höher sein dürften, als in unserem Haushaltsplan festgelegt. Die medizinische Forschung ist zur Zeit dabei, Mittel herzustellen, durch welche die Verträglichkeitsgrenze der Menschen bezüglich Strahleneinwirkungen erhöht wird. Wenn man bei all diesen Forschungen nicht vergißt, daß der Mensch keine Retorte ist, in der man nahezu bedenkenlos komplizierte chemische Vorgänge ablaufen lassen


(Dr. Reichstein)

kann, sollte man auch diese Forschung nachdrücklichst unterstützen. Wir können, fußend auf einem Bericht der schon erwähnten englischen Kommission, davon ausgehen, daß die Beurteilung aller heutigen Erkenntnisse relativ ist, weil die Zeit für die Beurteilung solcher komplizierten Vorgänge im Menschen und in der Natur noch sehr kurz ist. Man kann aber wohl unterstellen, daß auch künftige Forschungsergebnisse nicht die Erkenntnis bringen werden, daß die Strahlengefahr geringer ist, als heute angenommen wird.
Es ist zweifellos ein allgemeiner Wunsch: Wir wollen durch Atome leben, besser leben. Es ist eine besorgte Frage aller Menschen: Werden wir durch Atome sterben? Neue Quellen stehen uns für größeren Wohlstand zur Verfügung. Ihre Ströme können uns aber auch an den Rand eines Abgrundes bringen. Wir Menschen selbst haben die Wahl. Thomas Mann hat in seiner Rede zur Schillergedenkfeier 1955 auf die Wandlungen unseres Zeitalters hingewiesen, bei denen so viele große und edle Gesichtspunkte verlorengegangen, Roheit und Raffgier gestiegen und das intellektuelle und moralische Niveau gefallen seien, — Voraussetzungen, die eine schlechte Gewähr dafür bieten, daß wir nicht in eine dritte Katastrophe stürzen, die alles beenden würde. Denn — wie er sagt — „die Menschheit hat Gefallen daran gefunden, den kosmischen Raum dazu zu benutzen, strategische Bahnen anzulegen und die Sonnenkraft zu äffen, um Energie zu gewinnen". Auch der Bundestag betritt mit der Beratung dieser Gesetzentwürfe einen sonst meist wohl gemiedenen Raum, in welchem sich Weltanschauung und Religion in einem Weltbild berühren. Die großen Naturwissenschaftler haben, der Wahrheit näherkommend, ein Weltbild geschaffen, in welchem kein Platz für menschliche Überheblichkeit mehr ist. Es wird die Hoffnung der Menschheit sein, daß die sogenanten Herren der Welt und auch die verantwortlichen Politiker wenigstens so viel von diesem Weltbild erkennen, daß es sie entmutigt, übermütig und überheblich zu sein. Uns allen aber sollten die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der religiöse Glaube, die sich gerade bei den Fragen, die heute hier zur Debatte standen, so eng berühren, das Bemühen stärken, wieder zur rettenden Ehrfurcht der Menschheit vor sich selbst zurückzufinden.

(Beifall beim GB/BHE, bei der SPD und bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219403000
Das Wort hat der Abgeordnete Elsner.

Martin Elsner (GB/BHE):
Rede ID: ID0219403100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte ebensowenig wie meine Herren Vorredner versäumen, mein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, daß diese Debatte erst heute stattfindet und Bundestagsdrucksachen zur Verhandlung anstehen, die schon anderthalb Jahre alt sind. Ich denke dabei besonders an den Antrag Drucksache 1734, der heute wiederholt angesprochen worden ist. Seine Eilbedürftigkeit und auch seine Bedeutung war sicher nicht zu übersehen, denn er trug ja die Unterschrift von 76 Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hohen Hauses. Nicht zuletzt enthielt er, wie bereits ausgeführt, das erste wirkliche Atomprogramm, das in der Bundesrepublik publiziert wurde.
In diesem Antrag wird unter Punkt 6 c auch die Anwendung radioaktiver Isotope in der Landwirtschaft angesprochen. Ich habe Veranlassung, gerade zu diesem Punkt einige grundsätzliche Ausführungen zu machen, da ich nach den bisherigen Veröffentlichungen und Verlautbarungen der Bundesregierung den Eindruck gewonnen habe, daß man diesem Gebiet nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenkt. Ich denke dabei an die Atomkonferenz in Genf. Zu diesem großen internationalen Gespräch, in dem die Wissenschaftler aller Völker ihre Forschungsergebnisse auf dem Gebiete der friedlichen Anwendung der Kernenergie vorlegten, war von der Bundesregierung leider kein Vertreter zum speziellen Studium der landwirtschaftlichen und der ernährungswirtschaftlichen Fragen delegiert worden, obwohl erst einige Wochen vor dieser Konferenz von dieser Stelle aus Herr Kollege Professor Dr. Carlo Schmid anläßlich der Debatte über die Große Anfrage der SPD besonders auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, jede Möglichkeit dieser großen internationalen Zusammenkunft für die deutsche Entwicklung nutzbar zu machen. Dabei hob er gerade die Belange der Landwirtschaft hervor.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat diese Anregung zum Nachteil der notwendigen Entwicklung in der landwirtschaftlichen Forschung leider nicht aufgegriffen. Gewiß mag vielerorts und vielerseits die Bedeutung dieser Entwicklung nicht richtig erkannt worden sein. Selbst gewisse Fachkreise aus anderen Staaten waren überrascht, zu erfahren, in welchem Maß gerade die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft zu den erfolgreichsten Disziplinen der friedlichen Nutzung der Kernenergie gehören. Die Ausstellung und das halbe Hundert der vorgelegten Arbeiten haben dies klar und unübersehbar dokumentiert.
Um die Bedeutung dieser Frage herauszuheben, darf ich daran erinnern, daß heute 2,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Zur Zeit beträgt der jährliche Bevölkerungszuwachs 30 bis 40 Millionen. In 25 Jahren aber kann die Bevölkerung 3.5 bis 4 Milliarden Menschen zählen. In diesem Blickfeld wird gewiß deutlich, vor welchen Erzeugungsaufgaben die Landwirtschaft in naher Zukunft stehen wird. Wenn heute auch in weiten Gebieten der Erde die landwirtschaftliche Erzeugung schneller wächst als die Bevölkerung, so stehen diesen Gebieten doch große Räume gegenüber, in denen die Entwicklung umgekehrt verläuft, nämlich die Bevölkerung schneller wächst als die Produktion. Ich erinnere hierbei an Japan, Indien, China. In diesen Staaten ist seit langem das Problem Nummer eins das Ernährungsproblem. Wir in der Bundesrepublik haben mit unseren hohen Ernährungsimporten und den klimatisch bedingten Nachteilen gegenüber den großen Erzeugerländern am allerwenigsten Ursache, die Möglichkeiten einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion durch die Anwendung der Kernenergie zu vernachlässigen. Schon im Hinblick auf die europäische Union wird die deutsche Landwirtschaft jedes Mittel einsetzen müssen, um die klimatisch bedingten Nachteile und die der Bodengüte durch höchste und qualitativ feste Leistungen auszugleichen, um wettbewerbsfähig zu werden und es auch zu bleiben, das heißt praktisch, aus der nicht bequemen und auch bei der Landwirtschaft nicht beliebten Lage einer permanenten und hohen Staatssubvention herauszukommen. Schon allein diese Tatsache sollte für die Bundesregierung, für die


(Elsner)

Länderregierungen, aber auch für alle berufsständischen Organisationen Grund genug sein, die notwendigen Anstrengungen für die Entwicklung fortschrittlicher Erzeugungsmethoden in der Landwirtschaft zu machen. Wir haben in der Bundesrepublik keine Zeit zu versäumen, um den großen Vorsprung aufzuholen, den andere Länder auf dem Agrarsektor bereits gewonnen haben.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige Ausführungen zu der Anwendung der Kernenergie im Rahmen der landwirtschaftlichen Forschung und Praxis. Diese Anwendung beschränkt sich nicht nur auf die Leistungssteigerung in der Produktion, sondern im besonderen Maße kann mit ihr auch der Qualitätsminderung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse bei der Lagerung entgegengewirkt werden. Die Qualitätserhaltung der Erzeugnisse ist von entscheidender Bedeutung im Wettbewerb mit frischen Importerzeugnissen, aber auch im Hinblick auf die bisher sehr erheblichen Lagerungsverluste, die dadurch unterbunden werden können.
Ich darf hierfür einige Forschungsergebnisse herausgreifen, die die bedeutsamen Erfolge bei zwei Massenkonsumgütern zeigen. Es handelt sich um Milch und Kartoffeln. Kartoffeln, die gleich nach der Ernte mit der richtigen Strahlenmenge behandelt werden, erhalten eine hohe Lagerfähigkeit ohne Auswuchs oder Fäulnis und erleiden keine nennenswerten Lagerungsverluste. Sie behalten ihre Frische, ihre Güte und ihren natürlichen Geschmack bis zum Anschluß an die neue Ernte. Das gleiche gilt für alle übrigen Wurzelgewächse.
Besonders beachtenswert sind die Erfolge der Kaltsterilisation bei Frischmilch. Das britische Atomforschungsinstitut Harwell hat festgestellt, da eine mit radioaktiven Strahlen behandelte Milch sich mindestens zehn Tage frisch erhält und nichts im Geschmack und in der Güte verliert. Es zieht daraus den Schluß, daß in absehbarer Zeit die Milch nur einmal in der Woche an den Verbraucher geliefert zu werden braucht. In diesem Zusammenhang darf ich feststellen, daß auch bei uns ähnliche Versuche gemacht worden sind. Aus eigener Initiative hat die Kieler Versuchs- und Forschungsanstalt in ihrem physikalischen Institut ein milchwirtschaftliches Isotopenlabor eingerichtet.
Große Bedeutung gewinnt die Kaltsterilisation für die Konservierung von Gemüse. Besonders die Vereinigten Staaten haben hierbei außerordentlich günstige Ergebnisse erzielt. Es hat sich dabei herausgestellt, daß die verschiedensten Gemüsearten sich für die neuen Konservierungsmethoden eignen.
Aber auch bei der Vernichtung anderer Feinde der tierischen und pflanzlichen Erzeugnisse hat man bedeutsame Erfolge erzielt. Die radioaktiven Isotope werden bei der Grundlagenforschung in der Landwirtschaft und auch in der Ernährungswirtschaft praktisch zu so vielen Zwecken verwendet, daß im einzelnen hierauf nicht eingegangen werden kann.
Besonders erfolgreich wurden sie in der Forschung als Spürelemente eingesetzt. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Vorgänge im organischen und anorganischen Bereich genauestens zu verfolgen. Diese Untersuchungen haben bereits jetzt neue, grundlegende Erkenntnisse vermittelt, die zu besseren Kulturmethoden, zu höheren Erträgen und zu einer höheren Rentabilität der landwirtschaftlichen Erzeugung führen werden. So kann durch die neu gewonnenen Erfahrungen bei der Bodenbearbeitung die Bodenfruchtbarkeit gesteigert werden. Die neuen Untersuchungen über Pflanzenernährung und Pflanzendüngung haben eine Rentabilitätssteigerung der Düngung und damit eine erhebliche Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung gebracht.
Endlich konnte man auch die Fragen klären, inwieweit bestimmte Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen Gefahren für die menschliche Gesundheit bringen. Gleichzeitig damit wurden die Schädlingsbekämpfungsmethoden und auch die -mittel erheblich verbessert.
Mit der Markierung durch Isotope hat man in der Tierzucht Aufschluß und neue Erfahrungen über Nährstoffwechsel, Nährstoffausnutzung und Ertragsbildung, insbesondere bei Fleisch, Milch, Wolle und Eiern, sowie über tierische Krankheiten gewonnen.
Beachtenswert sind die Ergebnisse des Landwirtschaftlichen Radiuminstituts in Rom, das sich mit Forschungen über die biologische Wirkung radioaktiver Strahlen befaßt. Man setzte dort im Versuchsabschnitt Weizensaatgut einer gemischten Neutron-Gammastrahlung aus und säte dieses Saatgut fünf Monate später als im Normalverfahren aus. Der bestrahlte Weizen holte das Wachstum des um fünf Monate früher gesäten Normalweizens in kurzer Zeit auf und war bereits nach 64 Tagen bei gleichem Ertrag erntereif. Bei ähnlichen Versuchen in Schweden brachte bestrahltes Saatgut einen um 10 0/o höheren Ernteertrag.
Wohl die erstaunlichsten Erfolge sind bei der Züchtung, insbesondere der Pflanzenzüchtung eingetreten. Aus einer großen Zahl von durch radioaktive Strahlung herbeigeführten Erbgutveränderungen ist es in den Vereinigten Staaten gelungen, eine um vieles ertragreichere Erdnußstaude und einen rostresistenten Hafer und Weizen zu züchten. Man befaßt sich zur Zeit im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprogramms mit den mutationsauslösenden Wirkungen der radioaktiven Strahlen bei der Züchtung besserer und ertragreicherer Getreide- und Obstsorten und wertvollerer Tierrassen. Die Anfangserfolge lassen außerordentlich große Erwartungen zu.
In der Bundesrepublik wäre die Möglichkeit zu solchen Versuchsreihen und Forschungen auch gegeben gewesen; denn eine Einfuhr von Isotopen erfolgte bereits, als die eigentliche Kernenergieforschung noch untersagt war. Das wirtschaftliche Interesse war auch vorhanden. Trotzdem erfolgten Arbeitsansätze nur vereinzelt. Es fehlte leider an der Unterstützung solcher Bemühungen durch den Bund und die Länder. Ein entsprechendes Institut mit langjähriger und vielseitiger Erfahrung auf diesem Gebiet wurde sogar geschlossen. Dabei haben all diese Arbeiten nicht nur eine Bedeutung für die Steigerung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, sondern auch hinsichtlich möglicher Gefahren einer Verseuchung durch eingeführte Nahrungs- und Futtermittel.
Bei aller positiven Würdigung der fortschrittlichen Entwicklung in der praktischen Verwendbarkeit der Kernenergie muß doch mit Nachdruck auf die großen Gefahren hingewiesen werden, die damit zwangsläufig verknüpft sind. Förderungs- und Sicherheitsmaßnahmen des Staates müssen daher Hand in Hand gehen.


(Elsner)

Zusammenfassend darf ich noch einmal kurz sagen: Seitens der zuständigen Behörden von Bund und Ländern sollte alles getan werden, um die Arbeiten zur Verwendung der Kernenergie zum Nutzen .der Landwirtschaft voranzutreiben. Dabei kann man auf die bereits vorhandenen Institute und Laboratorien zurückgreifen, indem man dort entsprechende Arbeitsplätze einrichtet. Außerdem sollte von der Bundesregierung für folgende Maßnahmen vordringlich Sorge getragen werden. Erstens: Die für die deutsche Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft wichtigen Probleme in Verbindung mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie bedürfen einer zentralen Bearbeitung und Weitergabe an die interessierten Kreise. Zweitens: Dringend notwendig ist der Aufbau und die Unterhaltung eines Kobalt-60- Bestrahlungsfeldes zur Erzeugung künstlicher Mutationen und die Belieferung der Züchter mit Material. Drittens: Wissenschaftler und Techniker für dieses Spezialgebiet müssen ausgesucht und herangebildet werden. Viertens: Methoden zum Schutze der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft gegen radioaktive Verseuchung, die selbst in Friedenszeiten eintreten kann, müssen erarbeitet werden. Schließlich sind geeignete Fachleute zu den internationalen Kongressen zu entsenden.
Die großen Erkenntnisse Liebigs und ihre praktische Anwendung waren die Voraussetzungen für die hohen Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft, und erst diese ermöglichten es, die stark wachsende Bevölkerung zu ernähren. Mit den Möglichkeiten, die uns die Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke bietet, werden wir noch einen entscheidenden Schritt weitergehen. Ich bin der Meinung, daß mit der Anwendung der Kernenergie in der Landwirtschaft ein ähnlich bedeutsamer Entwicklungsabschnitt beginnt wie damals mit der praktischen Verwertung der Liebigschen Forschungsergebnisse. Als ich mit den Herren Kollegen dieses Hauses, die der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft angehören, die Atomkonferenz in Genf besuchte, gewannen wir folgende klare Erkenntnis: Die fortschrittliche Entwicklung in der Nutzung der Kernenergie ermöglicht es, der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft Mittel und Wege zu zeigen, um zu hohen und konstanten Erträgen zu gelangen. Daß dies die Existenz aller angeht. braucht nicht besonders betont zu werden. Wir dürfen daher die Erwartung aussprechen, daß die Bundesregierung alles tut, um den Vorsprung, den die anderen Länder gewonnen haben, aufzuholen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219403200
Das Wort hat der Abgeordnete Geiger (München).

Hugo Geiger (CSU):
Rede ID: ID0219403300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sehr eingehenden und klaren Ausführungen des Herrn Bundesministers zu dem Gesetzentwurf haben meines Erachtens eine gute Grundlage für die Diskussion in der heutigen Generaldebatte geschaffen. Ich bin ihm idafür sehr dankbar. Denn ohne Zweifel ist es darauf zurückzuführen, daß in diesen fünf Stunden, seit denen wir hier sind, die Dinge in einer sehr sachlichen Weise behandelt worden sind. Ich möchte in diesem Sinne fortfahren und will mich außerdem so kurz wie möglich fassen.

(Beifall.)

Ich möchte, an Herrn Kollegen Ruhnke gewendet, sagen, ich stimme ihm zu, wenn er sagt, es müsse vermieden werden, daß die Betätigung auf dem Gebiet der Kernenergie zu neuen Monopolstellungen führt. Ich glaube, niemand von uns würde eine solche Entwicklung begrüßen. Ganz im Gegenteil, es muß dafür Sorge getragen werden, daß hier solche neuen Machtzusammenballungen unmöglich werden. Ich bin der Meinung, daß der Gesetzentwurf selbst hierfür schon gewisse Voraussetzungen schafft, indem er die Art der Bewilligung von Atomanlagen und der Zuteilung von Kernbrennstoffen sehr eingehend und klar reguliert. Im übrigen hat sich auch Herr Minister Balke in demselben Sinne ausgesprochen. Aber, Herr Kollege Ruhnke, genauso wie ich gegen die Monopolstellung einer privaten Stelle innerhalb unserer deutschen Volkswirtschaft bin, bin ich gegen die Monopolstellung des Staates. Eine einseitige staatliche Betätigung auf diesem Gebiet wäre nicht zum Seegen unseres Volkes und unserer Wirtschaft.

(Zuruf von der SPD: Ja, ja!)

Ich darf hier noch einen Gedanken einflechten. Ich habe bei meiner Begründung zur Großen Anfrage darauf hingewiesen, wie sehr wir in der Forschung, in der wirtschaftlichen Nutzung und in der Anwendung der Kernenergie überhaupt noch im Rückstand sind, und habe gesagt, daß wir alle Kräfte zusammennehmen müssen. Ich glaube, daß hier gerade die Privatinitiative berufen ist, ihren Teil an der Einholung dieses Vorsprungs beizutragen. Wir verlangen 'auch von der Privatwirtschaft und von der Privatinitiative in diesem Sinne einen kräftigen Beitrag.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Den sie sich vom Staat bezahlen läßt!)

— Der wird nicht vom Staat bezahlt, die Leute zahlen ihren Beitrag. Selbstverständlich muß auch der Staat seinen Zuschuß geben. Wir werden am schnellsten vorwärtskommen, wenn sich Privatinitiative und Staat die Hände reichen.

(Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, es ist über die Frage des Eigentums an Kernbrennstoffen diskutiert worden. Diese Frage ist nach meiner Meinung gar nicht so bedeutsam. Es kommt vielmehr darauf an, daß wir eine wirksame Kontrolle der Verwendung der Kernbrennstoffe haben. Das ist zehnmal wichtiger als die Regelung der Frage, wem der Kernbrennstoff gehört. Im übrigen werden wir uns über diese Sache j a noch eingehend zu besprechen haben, für den Fall beispielsweise, daß wir durch den Euratom-Vertrag in irgendeiner einseitigen Weise gebunden werden sollten. Wir können die 'Behandlung dieser Frage hier zunächst einmal beiseite stellen, zumal da sich dazu Herr Minister Balke schon sehr eingehend geäußert hat.
Ein weiterer Punkt, der bei der Diskussion meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist die Grundgesetzänderung. Meine Damen und Herren, es ist ja keine Änderung, es ist eine Ergänzung des Grundgesetzes. Im Grundgesetz steht nämlich gar nichts darüber, wer eigentlich die Zuständigkeit hinsichtlich der Kernenergie hat, ob die Zuständigkeit bei den Ländern oder beim Bund liegt oder ob sie zur konkurrierenden Gesetzgebung gehört. Diese Regelung muß eben nachgeholt werden. Im Jahre 1948/49 konnten wir nicht daran denken, daß wir uns einmal mit dieser Sache zu befassen haben würden. Deswegen ist diese Zuständigkeit damals nicht geregelt worden. Ich finde, daß es durchaus


(Geiger [München])

zweckmäßig ist, dieses Gebiet zur konkurrierenden Gesetzgebung zu nehmen. Herr Minister Balke hat auch dazu meines Erachtens sehr treffende und klare Ausführungen gemacht. Ich möchte ihm in diesem Punkte voll zustimmen.
Sehr eingehend sind der Strahlenschutz und die Verwertung der Kernenergie zu friedlichen Zwekken erörtert worden. Meine Damen und Herren, sollen wir von seiten der CDU/CSU dazu noch etwas sagen? Ist hier nicht volle Einmütigkeit unter allen Fraktionen dieses Hohen Hauses festzustellen? Kann das überhaupt eine politische Frage sein? Das ist eine Frage, die abseits jeder Parteipolitik liegt. Ich glaube, keine Fraktion kann hier zum Ausdruck bringen, daß sie in besonderer Weise die Notwendigkeit gesetzlicher Vorschriften auf diesem Gebiet befürwortet. Da können wir uns getrost alle die Hände reichen. Wir sind an dieser Frage samt und sonders ohne Ausnahme in der gleichen Weise interessiert.
Herr Kollege Ruhnke, Sie haben bemängelt, daß in diesem Gesetzentwurf eine 'sehr große Zahl von Rechtsverordnungen vorgesehen ist. Sie haben gesagt, es seien etwa 26 oder vielleicht noch mehr. Ich gebe Ihnen recht: das ist eine große Zahl. Man kann darüber sprechen, ob man diese Zahl nicht vermindern soll. Aber, Herr Kollege Ruhnke, im Grunde genommen ist doch dieses Gesetz ein Rahmengesetz. Darüber sind wir uns einig. Außerdem hatten wir bei der Erarbeitung dieses Gesetzes kein Vorbild. Es gibt gegenwärtig in der ganzen Welt kein Atomgesetz in unserem Sinne, weder in Amerika noch in Großbritannien noch in Frankreich noch in Schweden. Das einzige Land, mit dem wir gegenwärtig sozusagen in Konkurrenz stehen, ist die Schweiz. Dort beschäftigt man sich zur Zeit gleichfalls mit einem Kernenergiegesetz, das gegenwärtig ebenfalls noch in der parlamentarischen Beratung ist. Wir betreten hier tatsächlich ein absolutes Neuland. Deshalb ist es schon zweckmäßig, zunächst ein Rahmengesetz zu schaffen und viele Einzelheiten erst später in Form einer Rechtsverordnung festzulegen. Das hat den weiteren Vorzug, daß wir auf diese Weise die Entwicklung nicht hindern. Im Gegenteil, man kann durch Rechtsverordnung der Entwicklung auf diesem Gebiet viel schneller Rechnung tragen, als wenn das alles in Gesetzesform niedergelegt würde.
Ein Punkt in diesem Gesetzentwurf hat mir und auch anderen Vorrednern nicht recht gut gefallen. Ich meine die Haftungsbestimmungen. Diese Bestimmungen hat man meines Erachtens nicht bis zum Ende durchdacht. Es hat nach meiner Ansicht keinen Sinn, daß der Gesetzgeber einfach sagt: die Haftung wird soundso hoch festgelegt, wenn nicht gleichzeitig der Weg und die Mittel gewiesen werden, wie man eine solche Haftungsverpflichtung perfektuieren kann. Die Haftungssumme ist bei Reaktoren auf 25 Millionen DM festgesetzt und bei Isotopen in gleicher Höhe. Zwischen der Gefährlichkeit eines Reaktors und eines Isotops besteht aber doch ein großer, großer Unterschied. Bei Reaktoren sind tatsächlich Katastrophenschäden denkbar. Solange es Menschen gibt, gibt es Unzulänglichkeiten, gibt es Störungen. Dagegen sind wir niemals gefeit. Aber bei der Verwendung von Isotopen dieselbe Gefahr zu sehen, ist meines Erachtens ein Fehler in der Systematik. Es ist interessant, daß die Deutsche Atomkommission einen anderen Vorschlag gemacht hat. Die Deutsche Atomkommission hat niedrigere Höchsthaftungssummen empfohlen. Nach gewissen Einwirkungen, soweit ich orientiert bin, von seiten des Justizministeriums hat man die Haftungssumme auf 25 Millionen DM pro Risiko erhöht.
Wie kann man denn eine solche Haftungsverpflichtung überhaupt erfüllen? Da gibt es zweierlei Möglichkeiten: Entweder man verlangt von dem Inhaber des Isotops oder des Reaktors ein Depot in Höhe von 25 Millionen DM, oder man veranlaßt ihn, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Das erstere scheidet aus, das ist nicht durchzuführen. Beim zweiten kommen wir - zu dieser Auffassung bin ich nach genauer Beobachtung der Entwicklung gelangt — zu den größten Schwierigkeiten. Eine Schwierigkeit, die gar nicht von der Hand zu weisen ist, liegt vor allem in folgendem. Wenn der Gesetzgeber so hohe Haftungssummen verlangt, wird der Besitzer eines Reaktors oder eines Isotops in einem größeren Umfange belastet, weil er natürlich die entsprechende Prämie für die Deckung des Risikos bei einer Gesellschaft zu bezahlen hat. Denn daß die Versicherungsprämie bei 25 Millionen DM oder gar einer noch höheren Haftungssumme höher sein muß als bei einer niedrigeren Summe, ist eine Selbstverständlichkeit. — Im übrigen muß ich mich doch sehr darüber wundern, daß der Bundesrat, obwohl diese Dinge schon im Fluß waren, von sich aus sogar eine noch höhere Summe empfohlen hat, als im Gesetzentwurf vorgeschlagen ist.

(Abg. Dr. Ratzel: Warum fordern die Amerikaner 65 Millionen Dollar?)

— Dabei müssen wir berücksichtigen, daß die Haftungssumme von 65 Millionen Dollar nur für Reaktoren, aber nicht für Isotope gilt. Für Isotope haben die Amerikaner ganz andere Maßzahlen. Das darf nicht verwechselt werden. Im übrigen möchte ich auch die Zahl von 65 Millionen Dollar noch nachprüfen. Es ist durchaus möglich, daß das ein Spezialfall ist, bei dem ein besonders großes Risiko vorliegt, d. h. der Spezialfall eines Kernreaktors, bei dem man die wissenschaftliche und wirtschaftliche Funktion noch gar nicht voraussehen kann. Diese Dinge müssen wir im Ausschuß sehr eingehend beraten. Sie sind überhaupt noch nicht spruchreif, solange uns nicht die Gutachten vorliegen, die der Herr Minister Balke uns in Aussicht gestellt hat. Besonders die Diskussion im Bundesrat hat die ganze Problematik sehr klar gezeigt, und auf Grund der Äußerung des Bundesrates hat das Bundeskabinett beschlossen, neue Gutachten zu dieser Frage einzuholen.
Nun will ich mich noch den drei uns vorgelegten Anträgen zuwenden.
Das ist zunächst einmal der Antrag betreffend Atombombenversuche, den Herr Kollege Drechsel begründet hat. Ich kann ihm nur zustimmen. Wir sollten diesen Antrag annehmen, und ich würde jeden Schritt der Bundesregierung begrüßen, der auf internationaler Basis getan wird, um eine Einstellung der Atombombenversuche zu erwirken.
Auch dem Vorschlag des Herrn Kollegen Elbrächter bezüglich Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Bestandteile möchte ich zustimmen. Ich bin überhaupt der Meinung, daß man auf diesem Gebiet gar nicht vorsichtig genug sein kann und daß wir jede Möglichkeit ausschöpfen müssen. Vorsorge zu treffen. daß auf diesem Gebiet so wenig wie möglich passiert.
Herr Kollege Ratzel hat sich eingehend mit dem Antrag beschäftigt, in welchem die Berufung einer


(Geiger [München])

unabhängigen Kommission zum Schutze der Bevölkerung vor Radioaktivität vorgeschlagen wird. Herr Kollege Ratzel, ich bin auch damit einverstanden; ich würde diesen Antrag auch unterstützen. Auch hier die Tendenz: es soll alles geschehen, was überhaupt geschehen kann. Nur glaube ich, Herr Kollege — ich weiß, welche Zwiegespräche hier vorhin gerade mit dem Herrn Kollegen Euler geführt worden sind —, man sollte bezüglich der Unabhängigkeit der berufenen Personen nicht — wie soll ich sagen — allzu strenge Maßstäbe anlegen. Sonst müßten wir vielleicht überhaupt die Berufung und Befragung eines Professors, der im öffentlichen Dienst steht und von öffentlichen Geldern lebt, in Frage ziehen und nur völlig unabhängige Personen in einen solchen Kreis berufen. Das wollen wir ja aber nicht, nicht wahr.

(Abg. Dr. Ratzel: Ich meine, der Professor ist unabhängig genug!)

— Ich bin auch der Meinung, daß der Professor unabhängig ist. Aber man sollte, wie gesagt, diesen Gedanken der Unabhängigkeit doch nicht allzu stark hier betonen. Wir müssen doch den guten Willen eines jeden Gutachters unterstellen, müssen unterstellen, daß er die genügende Unabhängigkeit in sich hat. von seinem Gesichtspunkt aus völlig frei zu einer Sache Stellung zu nehmen.
Bevor ich schließe, möchte ich — ich glaube. ich darf das im Namen sämtlicher Damen und Herren dieses Hohen Hauses tun — den Dank an diejenigen Männer und Frauen aussprechen, die in der Deutschen Atomkommission mitgewirkt und dazu beigetragen haben, daß uns heute ein Atomgesetzentwurf vorgelegt worden ist, mit dem wir einmal zukunftweisend die Entwicklung in Deutschland einleiten können.
Nun noch ein Wort bezüglich der Ausschußüberweisung. Es ist dringend nötig, daß dieser Gesetzentwurf in den Ausschüssen so schnell wie möglich behandelt und dem Plenum zur zweiten und dritten Beratung vorgelegt wird. Schon aus diesem Grunde, aber auch ganz allgemein möchte ich den Wunsch äußern, daß wir den Gesetzentwurf dem Atomausschuß — federführend - und nur dem Auschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht —mitberatend — überweisen. Wenn wir so vorgehen, haben wir, glaube ich, eine Garantie dafür, daß es doch noch gelingt, dieses Gesetz, das dringend notwendig ist, damit wir auf diesem Gebiet in Deutschland überhaupt arbeiten können, vor Schluß dieser Legislaturperiode zu verabschieden.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219403400
Meine Damen und Herren, wenn ich die Aufzeichnungen meines Vorgängers auf diesem Platz richtig verstehe, haben die beiden nächsten Redner versprochen, nur zwei bis vier Minuten zu sprechen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kurlbaum.

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0219403500
Herr Präsident! Meine Damen Herren! Die Ausführungen, die insbesondere Herr Dr. Drechsel von der FDP gemacht hat, veranlassen mich, noch ein paar Sätze zu sagen, weil ich den Eindruck habe, daß insbesondere auch unsere wirtschaftspolitische Konzeption auf dem Gebiete der Kernenergiewirtschaft nicht ganz richtig verstanden worden ist. Es ist selbstverständlich, daß sich die SPD der Bedeutung der privaten Initiative und auch der Initiative der Einzelpersönlichkeit auf diesem wichtigen Gebiete durchaus bewußt ist. So gibt es, um nur ein Beispiel zu nennen, das weite Gebiet der gesamten Zulieferindustrie, wo nach unserer Auffassung voraussichtlich ein Leistungswettbewerb durchaus denkbar ist und daher die private Initiative nur von Nutzen sein kann. Es gibt aber auch Gebiete in der zukünftigen Atomwirtschaft, wo die Tendenz eindeutig zu marktbeherrschenden Unternehmungen, wenn nicht gar zu Monopolen geht.

(Sehr richtig! hei der SPD.)

Hier sind wir in der Tat anderer Auffassung. Wir sind der Auffassung, daß wir auf diesen Gebieten, wo schon der Mangel an Finanzierungsmitteln eine Konkurrenz einer Vielzahl von Unternehmungen überhaupt nicht zuläßt, sehr vorsichtig sein müssen.
Die Bundesregierung hat offenbar die Absicht, auch hier die Privatwirtschaft weitgehend in neue marktbeherrschende Stellungen einrücken zu lassen. Wir möchten gar keinen Zweifel darüber lassen, daß es allerdings unsere Auffassung ist, daß wir überall da, wo wir vor die eindeutige Wahl zwischen einem Monopol unter öffentlicher Kontrolle und einem Monopol unter rein privater Kontrolle gestellt werden, der Unternehmensform den Vorzug geben werden, die ihre Tätigkeit im Rampenlicht der Öffentlichkeit vollziehen muß. Das ist ein sehr eindeutiger Standpunkt, und wir werden versuchen, ihn auch bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs durchzusetzen. Wir haben nicht nur — wie ich glaube, berechtigte —Zweifel, daß die Bundesregierung willens ist, dem Drängen bestimmter Industriegruppen in neue marktbeherrschende Stellungen den notwendigen Widerstand entgegenzusetzen, sondern wir befürchten sogar, daß sie ein solches Eindringen in neue marktbeherrschende Stellungen mit einem gewissen Wohlwollen betrachtet. Das ist nicht nur ein Problem auf dem Gebiet der Atomwirtschaft. Wir stehen diesem Problem in der deutschen Wirtschaft allgemein gegenüber. Die Herren, die mit dem Kartellgesetz zu tun haben, wissen sehr genau, daß sich ein entscheidendes Kapitel dieses Gesetzes gerade mit diesem Problem befassen wird. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, meine Herren: Wir werden in den vor uns stehenden Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses die Stellung, die die Koalition gerade zu den marktbeherrschenden Unternehmungen einnehmen wird, überhaupt als Prüfstein dafür ansehen, inwieweit die Koalitionsparteien willens sind, auch in der Wirtschaft zu demokratischen Formen zu gelangen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219403600
Das Wort hat der Abgeordnete Schlick.

Josef Schlick (CDU):
Rede ID: ID0219403700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Heer Abgeordnete Ratzel hat in seinen Ausführungen die rheinland-pfälzische CDU kritisiert, weil sie in einer Stellungnahme die Ausführungen des Professors Bechert in einer, nun, sagen wir einmal, etwas ungehörigen Weise beanstandet habe. Ich glaube, ich habe Sie so richtig verstanden. Damit keine Unklarheit bestehenbleibt, möchte ich sagen, daß die rheinland-pfälzische CDU in dieser Stellungnahme, deren Form ich durchaus nicht verteidigen oder unterstreichen möchte, nicht Professor Bechert als Wissenschaftler angegriffen hat, sondern den Parteipolitiker der SPD, der — ich glaube, das dürfte Ihnen bekannt sein,


(Schlick)

meine Herren — seine Ausführungen über die Gefährlichkeit der Atombombenversuche in von der SPD organisierten Massenversammlungen machte, die Sie ja auch, wie ich erfreulicherweise heute hier hören konnte, für die Erörterung dieser Probleme ablehnen, und der zuletzt selbst klar bekannte, daß er als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei in den Versammlungen der Sozialdemokratischen Partei über dieses Problem rede.
Die rheinland-pfälzische CDU war weiter leider gezwungen, zu den Ausführungen des Herrn Professor Bechert deshalb Stellung zu nehmen, weil er zunächst immer nur von den Gefahren der amerikanischen Atombombenversuche sprach und ihm anscheinend unbekannt geblieben war, daß zu diesem Zeitpunkt die Sowjetunion längst eine ganze Zahl von Atombombenversuchen unternommen hatte.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Die rheinland-pfälzische CDU hat also, Herr Kollege Ratzel, nicht den Wissenschaftler, sondern den Parteipolitiker Bechert angegriffen. Ich bin mit Ihnen durchaus der Meinung, daß es nicht richtig ist, diese Dinge in Massenversammlungen zu behandeln. Es ist bezeichnend, Herr Kollege, daß mit der Beendigung des Kommunalwahlkampfes in Rheinland-Pfalz die Gefahr der radioaktiven Verseuchung anscheinend auch für den Herrn Professor Bechert wesentlich geringer geworden war.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219403800
Herr Abgeordneter Dr. Ratzel!

Dr. Ludwig Ratzel (SPD):
Rede ID: ID0219403900
Ich hätte mich nur gefreut, wenn der Herr Kollege ganz konkret gesagt hätte, worin Herr Professor Bechert zum Ausdruck gebracht hat, daß er nur zu den amerikanischen Atombombenversuchen und nicht zu den russischen Stellung nimmt. Das möchte ich gern konkret wissen.

(Zurufe von der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219404000
Das Wort hat der Abgeordnete Schlick.

Josef Schlick (CDU):
Rede ID: ID0219404100
Zur Aufklärung, Herr Kollege! Der Herr Professor Bechert hat in seinen wiederholten Verlautbarungen zunächst immer ausschließlich von amerikanischen Atombombenversuchen und deren Gefahr im Hinblick auf die radioaktive Verseuchung gesprochen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Das hat uns veranlaßt, den Herrn Professor Bechert daran zu erinnern, daß zu jener Zeit schon zahlreiche sowjetrussische Atombombenversuche stattgefunden haben. Wir haben ihm die Frage vorgelegt, ob eventuell die Sowjetatombomben als weniger gefährlich zu betrachten seien als die amerikanischen. Das ist der Sachverhalt.

(Bravo! in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219404200
Als, wie mir scheint, letzter Redner hat das Wort der Herr Bundesminister für Atomfragen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219404300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dem Dank anschließen, den der Herr Abgeordnete Geiger für diejenigen ausgesprochen hat, die an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben. Der Gesetzentwurf ist ja nicht am Schreibtisch eines Referenten entstanden, sondern unter ,der maßgebenden Mitwirkung der ersten Fachleute der Bundesrepublik, die sich hierfür zur Verfügung gestellt haben. Ich möchte aber auch meinen Dank an die Damen und Herren dieses Hohen Hauses für die heutige Debatte aussprechen, die gezeigt hat, daß man eine der gefährlichsten Entwicklungen der Menschheitsgeschichte sachlich und objektiv erörtern kann.
Einige Worte noch zu den Ausführungen, die hier gemacht worden sind. Ich nehme dabei das Einverständnis des Hauses damit an, daß ich auf Einzelheiten der Anträge und Anfragen heute nicht eingehe. Das wird ja nach den Ausschußberatungen in der zweiten Lesung geschehen.
Zu Karlsruhe ein Wort. Karlsruhe ist kein Bundesunternehmen, sondern ein Privatunternehmen, an dem der Bund mit 30 % beteiligt ist. Er hat also hier keine ausschließliche Bestimmungsgewalt. Daß ich selbst die Entwicklung nicht ganz so optimistisch betrachte, wie es im Anfang der Fall war, ist wohl aus meinen Ausführungen hervorgegangen.
Zur Deutschen Atomkommission. Die Deutsche Atomkommission ist von der Bundesregierung installiert worden. Sie wird berufen vom Bundesatomminister. Vorsitzender ist der jeweilige Bundesminister ,für Atomfragen. Vielleicht würde man heute, wenn man die Kommission neu zu gründen hätte, eine andere Form dafür finden, sie vielleicht gesetzlich verankern; das kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls bitte ich Sie doch, meine Damen und Herren, daran zu denken, wenn von „Unabhängigkeit" gesprochen wird — ich muß das unterstreichen, was Herr Abgeordneter Geiger gesagt hat —: man soll diesen Begriff nicht überstrapazieren. Die Namen und die Personen — —

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Blachstein: Sie sollten ihn in diesem Punkt strapazieren!)

— Nein, wenn man den Begriff überstrapaziert, meine Herren, werden Sie niemanden mehr finden, der uns berät. Keine dieser Beratungskommissionen — und wir haben sehr viele in der Bundesrepublik — kann ohne Finanzierung auskommen. Man muß ja schließlich die Unkosten ersetzen, und das wird von irgendeiner Stelle immer geschehen. Geschieht es von Privaten, wird es heißen, es seien Privatunternehmen, geschieht es von offizieller Seite, dann wird man dem Staat hier unlautere Absichten unterstellen.

(Abg. Schoettle: Aber Herr Minister, das wissen Sie doch auch, daß das nicht so gemeint war!)

— Ich nehme an, Herr Schoettle, daß es nicht so gemeint ist. Ich möchte nur im Interesse all der Damen und Herren in der Bundesrepublik, die sich beratend zur Verfügung stellen, doch sagen: Es soll nicht der Eindruck aufkommen, als ob sie nicht wirklich persönlich unabhängig seien.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219404400
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Herr Dr. Ratzel!

Dr. Ludwig Ratzel (SPD):
Rede ID: ID0219404500
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß mit unserem Antrag und mit der von uns vorgesehenen Festlegung der Unabhängig-


(Dr. Ratzel)

keit einer solchen Kommission dieser Begriff strapaziert wird? Das ist Frage Nummer eins. Frage Nummer zwei: Ist Ihnen bekannt, daß die Mehrheit dieses sogenannten Sonderausschusses einschließlich des Vorsitzenden sehr froh wäre, wenn sie den Status bekäme, den wir in unserem Antrag vorschlagen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0219404600
Erstens einmal bin ich selbst der Meinung, wir sollten mäglichst viel wirklich unabhängige Berater haben. Das erstreben auch wir. Zweitens kann ich mir aber, wenn die Unabhängigkeit einer solchen Kommission in Ihrem Sinne gesichert werden soll, nicht vorstellen, wie denn die Bundesregierung hierzu überhaupt etwas tun kann. Denn wenn die Bundesregierung hier irgendeinen Einfluß ausübt, wäre doch diese Kommission nach Ihrer Ansicht nicht mehr unabhängig. Sie müßte sich also bilden aus freien Wissenschaftlern oder sonstigen unabhängigen Personen ohne Mitwirkung der Bundesregierung.

(Zuruf von der SPD: Wir haben doch einen konkreten Vorschlag gemacht!)

— Über diesen Vorschlag werden wir vielleicht noch in der Ausschußberatung reden. Ich bin ja kein Gegner von unabhängigen Kommissionen.

(Zurufe von der SPD.)

Ich habe nur den Eindruck, meine Damen und Herren, wir haben schon etwas zuviel an Kommissionen, und mir wäre lieber, wir hätten so viel wissenschaftliche Ergebnisse, wie wir brauchen, statt Kommissionsberatungen.
Zum Gesetz habe ich folgendes zu sagen: Dieses Gesetz soll ja wohl nach übereinstimmender Meinung die Verwertung der Kernenergie fördern und nicht hemmen. Ich glaube, danach muß man auch die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes beurteilen. Seien wir uns doch darüber klar: Wenn im Vordergrund ein absoluter Schutz gegen jede nur mögliche Gefahr steht, dann muß man eine gewisse Perfektion des Gesetzes in Kauf nehmen. In der Begründung habe ich folgendes gesagt: Wir müssen einen praktikablen Mittelweg finden, und dazu kann uns nur die Wissenschaft helfen; denn sie muß uns erklären, in welchem Maße wir uns gegen gewisse Gefahren zu schützen haben. Wir wollen ja kein Gesetz machen, das eine friedliche wirtschaftliche Verwertung unmöglich macht. Ich glaube also, auf diesem Gebiet könnten wir uns sehr schnell einigen.
Nun zu der Frage, weshalb keine Blankodefinitionen in dem Gesetz vorgesehen sind! Das würde der Rechtsstaatlichkeit widersprechen; denn der Gesetzgeber kann natürlich keiner anderen Organisation eine Definition der Gegenstände überlassen, die in dem Gesetz behandelt sind.
Ich möchte ganz kurz zusammenfassen, worüber hauptsächlich Klarheit zu schaffen ist. Erstens einmal muß über die Frage der Grundgesetzergänzung Klarheit geschaffen werden. Hier steht zur Debatte, ob die Durchführung des Gesetzes durch eine zentrale Bundesbehörde oder etwas Ähnliches oder in Auftragsverwaltung der Länder erfolgen soll. Aus rein praktischen Erfahrungen und Gründen glaube ich, man sollte sich der Einrichtungen bedienen, die seit 60 oder 70 Jahren in der Bundesrepublik bei der Kontrolle industrieller Verfahren und Betriebe tadellos arbeiten: das ist die Kombination der Gewerbeaufsicht mit Berufsgenossenschaften und Technischen Überwachungsvereinen. Es besteht kein Grund, davon abzugehen.
Die notwendigen Fachleute für die Kontrollen müssen sich sowohl eine zentrale Bundesanstalt wie auch die anderen Organisationen erst verschaffen, und die Zahl der benötigten Fachleute wird dadurch nicht größer oder kleiner werden.
Zur Frage des Eigentums! Selbstverständlich ist dies eine politische Entscheidung dieses Hohen Hauses. Aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß das Eigentum nach dem Gesetzentwurf ja nicht so wie zur Zeit des Manchestertums zu verstehen ist. Allein schon lane Forschungsreaktoren, die aufgestellt werden, sind Hochschulreaktoren und damit Staatseigentum. Es handelt sich also nur um die Frage, ob man für die wirtschaftliche Verwertung insbesondere die sogenannte heiße Chemie hier auch die Chancen privatwirtschaftlicher Betätigung geben soll. Ich glaube, das steht im Einklang mit unserem Wirtschaftssystem.
Zu der Beeinflussung der Eigentumsfrage durch Euratom nur einige Worte! Ich kann hierzu nicht Stellung nehmen, weil der Vertrag über Euratom noch nicht fertig redigiert ist. Bei der Redaktion wird sich herausstellen, welche Definition dem Begriff „spaltbare Stoffe" gegeben wird. Man kann hierzu eine eigene Definition schaffen; man kann sich die Definition der Vereinten Nationen zu eigen machen oder ganz neue Begriffsbestimmungen finden. Es steht jedenfalls fest, gewisse spaltbare Stoffe — z. B. das natürliche Uran, aber auch sehr viele Stoffe, die nur wissenschaftlich interessant sind und z. B. militärisch gar kein Interesse haben — werden zweifellos nicht unter die Definition spaltbare Stoffe fallen, so daß die Lösung der Eigentumsfrage im Sinn des Gesetzentwurfs nach wie vor aktuell bleibt. Die politische Entscheidung wird vom Parlament zu fällen sein.
Dann zur Frage der Strahlenschutzverordnung! Die bisherige Rechtsgrundlage des § 24 der Gewerbeordnung reicht nicht aus, um eine Strahlenschutzverordnung für dieses Gebiet zu erlassen. Wir benötigen hierzu ein Gesetz, eben dieses Atomgesetz. Ich kann nicht beurteilen, ob es parlamentarisch möglich ist, einen Teil des Gesetzes vorauszunehmen, damit eine Strahlenschutzverordnung erlassen werden kann.
Alle diese Fragen zeigen aber doch, wie dringend erforderlich die Verabschiedung dieses Gesetzes aus den verschiedensten Gründen ist. Ich hoffe, meine Damen und Herren, wir werden in gemeinsamer Arbeit zeigen, daß wir in der Lage sind, dieses völlig neue Gebiet sowohl zum Segen der wirtschaftlichen Existenz unseres Volkes als auch im Interesse des Schutzes der Bevölkerung zu bewältigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0219404700
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. Bei Punkt 3 der Tagesordnung ist die Große Anfrage, Buchstabe a, erledigt. Bei b ist strittig, an welche Ausschüsse überwiesen werden soll. Es handelt sich um zwei Gesetze, den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und um das sogenannte Atomgesetz.
Darf ich davon ausgehen, daß bei dem Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes Einigkeit darüber


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

besteht, daß der Rechtsausschuß federführender und der Ausschuß für Atomfragen mitberatenden Ausschuß ist und der Entwurf diesen beiden Ausschüssen überwiesen wird? — Es ist so beschlossen.
Umstritten ist jetzt nur noch die Überweisung des Atomgesetzes selbst. Hier beantragt — nach den Aufzeichnungen hier — die Fraktion der Freien Demokraten die Überweisung an den Ausschuß für Atomfragen als federführenden und an den Rechtsausschuß als mitberatenden Ausschuß; dasselbe hat die Fraktion der CDU/CSU beantragt. Die Fraktion der SPD beantragt, daß der Ausschuß für Atomfragen federführender Ausschuß und die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und innere Verwaltung mitberatende Ausschüsse sein sollen. Weitere Anträge liegen nicht vor.
Ich stelle also fest: daß der Ausschuß für Atomfragen federführend sein soll, ist unstrittig. — Dabei bleibt es.
Dann muß ich über die Beteiligung der mitberatenden Ausschüsse abstimmen lassen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Das erste ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse über den Antrag abstimmen, den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu beteiligen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über den Antrag abstimmen, den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu beteiligen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Die vermuteten Klippen sind überwunden.

(Abg. Schoettle: Sie können froh sein!)

— Nicht über den materiellen Inhalt!

(Abg. Schoettle: Daß da oben kein Sozialdemokrat als Schriftführer sitzt!)

— Herr Kollege Schoettle, ich hatte bei den „Klippen" nicht an den Inhalt gedacht, sondern nur an die Folgen, wenn nicht festzustellen wäre, wo die eindeutige Mehrheit ist.

(Abg. Schoettle: Ich habe nur daran gedacht, wie leicht es ist, im Präsidium Einstimmigkeit zu erzielen!)

— Herr Kollege Schoettle, ich nehme an, daß Sie soeben eine humorige Bemerkung vor sich hin gemacht haben, denn sonst müßte ich offiziell sagen: wir sind alle bemüht, objektiv zu sein. Ich glaube, daß bei all diesen Abstimmungen die Mehrheit feststand. Daß bei Ihnen wie anderswo sehr viele Damen und Herren fehlen, dafür trage ich die Verantwortung nicht.
Für den Antrag unter Buchstabe c ist Überweisung an den Ausschuß für Atomfragen beantragt.
— Kein anderer Vorschlag. Es ist so beschlossen.
Der Antrag unter Punkt d soll an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden. Wird ein anderer Antrag gestellt? — Es ist beschlossen: es bleibt bei dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten.
Zu Punkt e ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen — federführend — und an den Ausschuß für Atomfragen zur Mitberatung beantragt. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Antrag unter Punkt f soll an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens — federführend
— und zur Mitberatung an den Ausschuß für Atomfragen überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit komme ich zu dem heute früh auf die Tagesordnung gesetzten Punkt 4:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache 3228).
Wird in der ersten Lesung das Wort gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die erste Beratung.
Es schließt sich, da kein Widerspruch erfolgt, die zweite Beratung an. Ich rufe in
zweiter Beratung
auf Artikel 1 mit allen Ziffern, die Artikel 2, —
3, — 4, — 5, — 6, — Einleitung und Überschrift.
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen! Gegen drei Stimmen angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ichbitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Ich stelle fest, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes das gestern auf der Grundlage des Ausschußberichts Drucksache 3176 angenommene Vierte Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes als erledigt angesehen werden kann. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist einstimmig so beschlossen.
Ich darf das Einverständnis des Hauses voraussetzen, daß ich das soeben verabschiedete Gesetz dem Bundesrat mit der Überschrift „Viertes Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes" zuleite. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich berufe die nächste, die 195. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 27. Februar, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.