Rede:
ID0219401100

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2194

  • date_rangeDatum: 22. Februar 1957

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  • short_textOriginal String: Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat allerdings dem Herrn bayerischen Ministerpräsidenten gegenüber zu dem Antrag, die Bundesregierung solle für die Einstellung der Atombombenversuche eintreten, eine etwas seltsame Antwort gegeben. Er schreibt nach Bestätigung des Eingangs dieser Stellungnahme des Bayerischen Senats nur einen Satz, und zwar: info_outline

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 194. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957 11047 194. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957. Zur Tagesordnung: Peters (SPD) 11048 A Geiger (München) (CDU/CSU) . . . 11048 C Mitteilung über die Erledigung des in der 112. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages verabschiedeten Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten (Drucksachen 1817, 1836) durch die im Gesetz über den Ladenschluß (BGBl. I S. 875) erfolgte Regelung (Drucksache 3226) 11048 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 299, 320, 324 und 325 (Drucksachen 2871, 3223; 3122, 3224; 3155, 3227; 3164, 3225) 11048 D Erste Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 3208) 11048 D Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 11049 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3210) 11049 A Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung 11049 A Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ruhnke, Geiger (München), Dr.-Ing Drechsel, Elsner, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1657) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und des Entwurfs eines Gesetzes über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 3026) mit der Beratung des Antrags der Abg. Ruhnke, Schwann, Dr. Bartram, Geiger (München), Dr. Gülich, Elsner, Dr. Elbrächter, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1734), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Atombombenversuche (Drucksache 2576), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Bestandteile (Drucksache 2597) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Berufung einer unabhängigen Kommission zum Schutze der Bevölkerung vor Radioaktivität (Drucksache 2764) 11049 A Geiger (München) (CDU/CSU), Anfragender 11049 B, 11085 B Dr.-Ing. Balke, Bundesminister für . . . 11051 A, 11088 B, 11089 A Ruhnke (SPD), Antragsteller 11061 A, 11069 B Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Antragsteller 11062 C, 11073 D Dr. Elbrächter (DP), Antragsteller . . 11065 A Dr. Ratzel (SPD), Antragsteller 11065 C, 11079 D, 11080 A, 11088 A, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 11073 D, 11077 D Euler (FVP) . . . . 11078 A, 11079 D, 11080 A Dr. Reichstein (GB/BHE) 11080 D Elsner (GB/BHE) 11083 B Kurlbaum (SPD) 11087 B Schlick (CDU/CSU) 11087 D, 11088 B Vizepräsident Dr. Jaeger 11089 D Ausschußüberweisungen 11089 D Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache 3228) 11090 C Vizepräsident Dr. Jaeger 11090 D Beschlußfassung 11090 C Nächste Sitzung 11090 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11091 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 16. 3. Albers 3. 3. Dr. Atzenroth 22. 2. Bals 4. 3. Dr. Bartram 27. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 16. 3. Behrisch 2. 3. Fürst von Bismarck 22. 2. Bock 22. 2. Böhm (Düsseldorf) 22. 2. Brandt (Berlin) 22. 2. Brese 9. 3. Brockmann (Rinkerode) 22. 2. Dr. Brühler 22. 2. Dr. Bucerius 22. 2: Cillien 2. 3. Dr. Conring 22. 2. Corterier 22. 2. Dr. Czaja 6. 3. Dr. Dehler 28. 2. Dr. Deist 22. 2. Demmelmeier 22. 2. Eberhard 28. 2. Erler 22. 2. Frau Finselberger 1. 3. Frau Friese-Korn 22. 2. Frau Dr. Gantenberg 22. 2. Gerns 22. 2. Dr. Gille 22. 2. Dr. Gleissner (München) 22. 2. Gockeln 2. 3. Frau Heise 6. 3. Hepp 2. 3. Hilbert 24. 2. Dr. Höck 28. 2. Höfler 2. 3. Hoogen 22. 2. Hufnagel 22. 2. Abgeordnete(r) bis einschließlich Huth 22. 2. Dr. Jentzsch 22. 2. Kahn-Ackermann 22. 2. Kalbitzer 22. 2. Kalinke 22. 2. Keuning 22. 2. Kiesinger 9. 3. Dr. Köhler 2. 3. Frau Korspeter 2. 3. Krammig 22. 2. Lücke 6. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 2. Lulay 22. 2. Meyer-Ronnenberg 23. 2. Dr. Mocker 22. 2. Morgenthaler 30. 4. Müller-Hermann 22. 2. Neumayer 16. 3. Odenthal 25. 2. Ollenhauer 27. 2. Rademacher 1. 3. Dr. Reif 22. 2. Dr. Rinke 1. 3. Dr. Schild (Düsseldorf) 22. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schmücker 16. 3. Schneider (Hamburg) 2. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 22. 2. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seiboth 22. 2. Dr. Strosche 22. 2. Stücklen 6. 3. Stümer 23. 2. Wagner (Ludwigshafen) 22. 2. Dr. Weber (Koblenz) 23. 2. Wedel 22. 2. Wehking 22. 2. Wehr 6. 3. Winkelheide 22. 2. Wolf (Stuttgart) 4. 3. b) Urlaubsanträge Neuburger 2. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Drechsel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat mit Drucksache 2576 bereits am 28. Juni 1956 einen Antrag betreffend die Versuche mit Atombomben eingereicht, den zu begründen ich die Ehre habe. Ich lege Wert auf die nochmalige und ausdrückliche Feststellung des Datums vom Juni 1956, um zu zeigen, daß wir nicht etwa von den inzwischen, besonders in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres sich mehrenden derartigen Vorstellungen verschiedener offizieller und wissenschaftlicher Kreise getrieben worden sind, sondern daß unser Antrag schon vor längerer Zeit durch die Besorgnisse hervorgerufen wurde, die bereits damals auf Grund der Auswirkungen der verschiedenen Versuchsabwürfe von Atombomben in der ganzen Welt eingetreten waren. Ich werde mir erlauben, auf einzelne der anderweitigen ähnlichen Vorstellungen im Laufe meiner Begründung hinzuweisen.
    Wir sind uns bei unserem Antrag im klaren, daß es sich hierbei um ein Problem handelt, welches nicht nur Gesundheit und Bestand der Menschheit überhaupt berührt, sondern auch — man möchte sagen: leider - hochpolitisch ist. Es mag der Einwand kommen, daß es sich für die Bundesrepublik bei einem derartigen Appell um eine von vornherein einseitige Betrachtung des ganzen Problems handeln muß, da wir bekanntlich Atombomben weder herstellen dürfen noch herstellen wollen, also selbst nicht dazu beitragen, bei einem Verzicht auf Versuche mit solchen Waffen mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir Antragsteller meinen aber sehr wohl zu einem solchen Appell berechtigt zu sein angesichts der erschreckenden Feststellungen, die von objektiver Seite und an vielen Orten der Welt erbracht worden sind und die zumindest als ernsthafte Warnungen für die Bevölkerung der gesamten Erde und für die verantwortlichen Staatsführungen angesehen werden sollten. Auch hierauf werde ich noch eingehen.
    Aber zuvor möchte ich ein Argument entkräften, welches uns bereits entgegengehalten worden ist. Ich möchte betonen, daß unser Antrag keineswegs nach einer Richtung geht, d. h. etwa vorwiegend oder ausschließlich nach Osten oder nach dem Westen. Es ist nach dem derzeitigen Stand davon auszugehen, daß Atombombenversuche bisher nur von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, der Sowjetunion und Großbritannien vorgenommen worden sind; also muß sich jeder dieser Staaten angesprochen fühlen.
    Lassen Sie mich wenigstens kurz die Entstehung der Gefährdung durch den Abwurf von Atombomben darstellen. Es gibt wohl keinen Streit — weder auf der politischen noch auf der wissenschaftlichen Ebene — darüber, daß eine Gefährdung des organischen Lebens mit solchen Versuchen verbunden ist. Die Explosion einer Atombombe entwickelt


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    gewaltige radioaktive Strahlungen, die dann, ,gekuppelt mit feinen und feinsten Staubteilchen, in die Atmosphäre geschleudert werden. Dieser radioaktive Staub schlägt sich je nach dem Feinheitsgrad, je nach den atmosphärischen Bedingungen, je nach den Windströmungen usw. in mehr oder weniger großen Entfernungen und Mengen auf der Erdoberfläche nieder. Dementsprechend ist auch die Zeitdauer, in der die Staubmengen herunterkommen, sehr unterschiedlich; sie kann sich unter Umständen auf Jahre erstrecken. Das heißt, daß in solchen Zeiträumen durch weitere Versuche noch Anhäufungen in der Atmosphäre erfolgen, die dann in späterer Zukunft in unbeeinflußbarer und unabsehbarer Folge niedergehen und sich auswirken. Es ist bekannt, daß solche radioaktiven Niederschläge, die von einer Explosion herrühren, auf der ganzen Erdoberfläche nachgewiesen worden sind.
    In der Antwort des Herrn Bundesministers für Atomfragen vorn 20. Juli 1956 auf eine Kleine Anfrage einiger Mitglieder dieses Hauses wird bestätigt, daß eine Erhöhung der Radioaktivität in der Atmosphäre über der Bundesrepublik von Atom- und Wasserstoffbomben herrührt, die Gefahrengrenze jedoch noch nicht erreicht oder gar überschritten worden ist.
    Durch Trinkwasser, pflanzliche und tierische Nahrungsstoffe gelangen die gesundheitsschädlichen Strahlungen in den menschlichen Körper. Als beachtliche und bedenkliche Nebenerscheinung ist noch zu verzeichnen, daß im pflanzlichen, tierischen und menschlichen Organismus solche Strahlungsträger sich in bestimmten Teilen zu akkumulieren vermögen. Es gibt nun verschiedene Strahlenwirkungen, die bei hohen Dosen bis zum Tode führen und andererseits genetische Folgen haben können, die noch viel zuwenig erkannt und erforscht sind, als daß man hinsichtlich der Veränderung der Erbmasse genauere Aussagen machen könnte. Ich kann in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen hinweisen, die Herr Minister Balke vor wenigen Minuten gemacht hat. Man weiß aber jedenfalls genau, daß solche Strahlungen auf das Erbgut — und leider nur ausnahmsweise im günstigen Sinne — einwirken. Nicht zuletzt wird das durch zahlreiche Arbeiten anerkannter amerikanischer Forscher bestätigt. Man weiß ebenfalls genau, daß gegenwärtig auf diesem Gebiet eine Tolerenzdosis noch nicht festlegbar ist. Es liegt mir fern, diese nur ganz kurz geschilderten Gefahren zu übertreiben. Aber wir wollen und sollten uns alle sehr hüten, diese Dinge zu bagatellisieren oder sie gar aus politischen Gründen nicht wahrhaben zu wollen. Ich darf auf eine Äußerung des Herrn Bundesministers für Atomfragen vom 14. November 1956 vor dem Atomausschuß dieses Hauses verweisen, in der er den gleichen Standpunkt eingenommen hat.
    Sie alle, meine Damen und Herren, haben von den unglücklichen japanischen Fischern gelesen, die in eine solche Niederschlagszone einer Atombombenexplosion geraten sind. Das ist auch ein Zeichen dafür, daß man noch nicht einmal übersehen kann, wie weit die akuten Gefahrenzonen sich ausdehnen, geschweige denn, daß man die Auswirkungen überhaupt zu beherrschen vermag.
    Gewiß sind die Orte, wo zur Zeit solche Versuche angestellt werden, verhältnismäßig weit von uns entfernt. Aber was gelten schon irdische Entfernungen bei solchen Kräften, die der Mensch nun zu entfesseln vermag!
    Ich mache ausdrücklich einen Unterschied zwischen dieser Verseuchung durch Atombomben und der Möglichkeit von Strahlenschäden bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie, die man wohl abzuschirmen vermag. Im letzteren Falle bin ich durchaus der Ansicht des Herrn Ministers Balke, daß Wissenschaft und Technik in der Lage sind, mit den dabei auftretenden Schwierigkeiten fertigzuwerden. Wir haben aber gewisse Besorgnisse und Befürchtungen, daß gerade im Hinblick auf die militärischen Notwendigkeiten, die bei den Atombombenversuchen immer vorliegen, doch nicht die gebührende Rücksicht genommen wird. Wie bereits gesagt, sind wir mit diesen Besorgnissen und Befürchtungen durchaus nicht allein. Zahlreiche Atomwissenschaftler der Welt fordern Schutzgesetze gegen die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre durch Kernwaffenversuche.
    Lassen Sie mich bitte einige Beispiele angeben. Im Juli 1956 wurde von dem heute auch schon erwähnten Medical Research Council dem britischen Parlament ein Bericht über die medizinischen Probleme der Kernstrahlen einschließlich der genetischen Aspekte vorgelegt. Dieser Bericht des Medizinischen Forschungsrats in Großbritannien über die Strahlengefährdung der Menschen wurde in erster Linie von der Besorgnis wegen der langfristigen Wirkung der Atomwaffenversuche veranlaßt.
    Im Oktober 1956 schlug Ministerpräsident Bulganin erneut dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Abkommen über die Einstellung der Atombombenversuche aus gleichen Erwägungen vor.
    Der Bayerische Senat faßte am 12. Oktober 1956 den Beschluß, daß die Bayerische Staatsregierung bei der Bundesregierung dafür eintreten solle, das Internationale Rote Kreuz einzuschalten und auf diplomatischem Wege bei den in Frage kommenden Staaten und internationalen Instanzen vorstellig zu werden.
    Der Hessische Landtag forderte am 30. November 1956 einstimmig — ich möchte betonen: einstimmig — die Einstellung der Atombombenversuche.
    Nicht unerwähnt bleibe die Entschließung des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom Oktober 1956, die an die verantwortlichen Staatsmänner aller Länder appelliert.
    Von Wissenschaftlern und Ärzten wird es in aller Öffentlichkeit als Sünde an der Nachkommenschaft bezeichnet, wenn derartige Versuche fortgesetzt werden
    Auch der Herr Präsident des Deutschen Bundestages Dr. Gerstenmaier forderte in einem Vortrag im Juli des vergangenen Jahres eine beschleunigte, international wirksame Begrenzung der Atomexperimente mit dem Ziel des völligen Verzichts auf die weitere Erprobung von Atombomben.
    Gerade in diesen Tagen wird in der Presse von einer Note Japans an Großbritannien berichtet, in der darum ersucht wird, die Versuche mit Wasserstoffbomben, die vom März bis August 1957 bei den Weihnachtsinseln im Stillen Ozean vorgesehen sind, nicht durchzuführen.
    Die Wiedergabe einiger solcher Beispiele und Stimmen aus der ganzen Welt ist keineswegs erschöpfend; sie könnte noch wesentlich erweitert werden.


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    Wenngleich die Strahlenbelastung des menschlichen Organismus bei der Bevölkerung der Bundesrepublik gegenwärtig noch keinen Anlaß gibt, irgendwelche Schreckgespenste an die Wand zu malen, darf doch nicht übersehen werden, daß die Situation leicht und schnell kritisch werden kann. Ich wiederhole, daß wir es zu bezweifeln wagen, ob gerade bei militärischen Versuchen immer an mögliche Folgen für die Gesundheit und den Bestand der Menschheit in allen Teilen der Erde gedacht wird.
    Der bereits erwähnte Bericht, der dem englischen Unterhaus vorgelegt wurde, kommt zu der Schlußfolgerung, daß bei der gegenwärtigen Höhe der Strahlenbelastung keine erkennbare Zunahme einer Häufigkeit von Krankheitsfolgen zu erwarten ist; trotzdem könne man in Anbetracht der unzulänglichen Kenntnisse die Möglichkeit nicht ignorieren, daß wir uns, wenn die Versuchsrate zunehme und vor alien Dingen, wenn größere Zahlen von thermonuklearen Waffen zur Explosion gebracht würden, innerhalb der Lebenszeit einiger schon Geborener Konzentrationshöhen nähern könnten, die bei einer kleinen Zahl von Menschen Krankheitsfolgen haben könnten. Das ist bei der vorsichtigen Formulierung, die von einem solchen Gremium selbstverständlich gewählt wird, meiner Auffassung nach schon eine recht klare und deutliche Warnung. Bei der Debatte im Unterhaus hierüber und über notwendige langwierige und umständliche wissenschaftliche Forschungen, um einen besseren Einblick in die genetischen Auswirkungen zu bekommen, kam mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß man hierzu nicht Bombenexplosionen braucht, die uns der unabwendbaren Gefahr näherbringen und nicht mehr umkehrbare Veränderungen des menschlichen Erbgutes herbeiführen können.
    Die Mitglieder dieses Hauses, die vor einigen Tagen die Vorträge einiger Professoren vor dem Atomausschuß mit angehört haben, werden zweifellos recht nachdenklich geworden sein, als sie die möglichen Folgen solcher Strahlungen auf den menschlichen Körper und für die künftigen Generationen aus sachverständigem Munde dargelegt bekamen. Man kann den Schluß ziehen, daß es heute nicht nur möglich ist, die Menschen durch Atombomben und ähnliche Massenvernichtungswaffen mehr oder weniger rasch und plötzlich auszurotten, sondern ebenso sie durch langsam wirkende, sich über Generationen ausdehnende Schädigungen der Erbanlagen zur Degeneration und zum Aussterben zu bringen. Das sind aber nicht etwa unvermeidliche Entwicklungen; darüber sollte sich die Menschheit immer klar sein. Das eigene Schicksal ist nach wie vor in ihre eigene Hand gegeben.
    Wir sind uns natürlich bewußt, daß eine Forderung nach Einstellung der Versuche mit Atombomben aller Art mit einer umfassenden Kontrolle der Anwendung von Atomwaffen bis zu einem allgemeinen Verzicht hierauf in Zusammenhang steht. Es ist aber unsere Meinung, daß schon jetzt durch Absprachen die Einstellung der Versuche international vereinbart werden könnte. Die Entwicklung dieser schrecklichen Waffen, die nach der Hoffnung der gesamten Menschheit nie zur Anwendung kommen dürfen, ist doch offensichtlich bis zu einem Grade durchgeführt, daß man ohne machtpolitische Einbuße von weiteren Versuchen Abstand nehmen könnte, bis man die Auswirkungen in vollem Umfang übersieht und beherrscht. Nach den letzten Berichten über amerikanische Versuchsanordnungen scheint man in dieser Richtung bereits zu Ergebnissen gekommen zu sein. Wir haben daher auch in unseren Antrag aufgenommen, daß gegebenenfalls Versuche wieder aufgenommen werden können, wenn Voraussetzungen dafür vorliegen. Dem Argument, daß eine Kontrolle über ein Einhalten eines solchen Versuchsverbots unmöglich sei, ist leicht zu begegnen. Nach den bekannten Meßmethoden ist es schon bisher möglich, ziemlich genau nach Zeitpunkt, Ort und Größe Atombombenexplosionen festzustellen.
    Unser Antrag fordert nun von der Bundesregierung, daß sie bei den Vereinten Nationen oder unmittelbar bei den in Frage kommenden Mächten vorstellig wird. Man mag der Auffassung sein, daß ein solcher Appell nach den gegebenen technischen und politischen Voraussetzungen nutzlos ist und keine Beachtung finden wird. Abgesehen davon, daß wir der Bevölkerung unseres Landes gegenüber eine Verantwortung auch für ihr gesundheitliches und menschliches Fortbestehen haben, besteht diese Verantwortung auch der ganzen Menschheit gegenüber. Ein solcher Aufruf an die Welt durch unsere Staatsführung, der möglichst weltweite Unterstützung finden möge, muß also unserer Auffassung nach trotzdem erfolgen. Gerade aus der Erfahrung der letzten Monate wissen wir doch, daß die Weltmeinung ein Faktor ist, der selbst von Großmächten nicht übergangen werden kann. Diese Weltmeinung mit zu bilden ist auch die Bundesregierung durchaus berechtigt und im vorliegenden Fall sogar verpflichtet.
    Ich habe bereits dargelegt, daß zur Zeit nur drei Großmächte an solchen Versuchen beteiligt sind. Mit diesen unterhalten wir diplomatische Beziehungen, so daß Vorstellungen auf dem von uns vorgeschlagenen diplomatischen Wege ohne weiteres erhoben werden können. Obwohl die Bundesrepublik nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist, kann sie sich in dieser Angelegenheit ebenfalls an die Vereinten Nationen wenden. Die Berechtigung und die rechtlichen Voraussetzungen hierzu wurden in der bereits erwähnten Debatte im Bayerischen Senat vom 12. Oktober 1956 nachgewiesen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline

Ich darf die Gelegenheit benutzen, daran zu erinnern, daß die Bundesrepublik als erster Staat der Welt auf die Herstellung von Atombomben verzichtet hat und daß dieser Verzicht auch die Durchführung von Atombombenversuchen umfaßt.
Meine Damen und Herren, das ist keine Antwort, noch weniger eine Stellungnahme zu dem auch vom Bayerischen Senat und heute wiederum von uns vorgetragenen Problem. Darum handelt es sich doch gar nicht. Wir wollen, daß ein Appell an die ganze Welt und an die beteiligten Staaten gerichtet wird. Mit seiner Antwort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen meiner Auffassung nach um die Dinge herumgeredet und das eigentliche Petitum gar nicht erfaßt oder vielleicht nicht erfassen wollen.

(Präsident D. Dr. Gerstenmaier übernimmt den Vorsitz.)



(Dr.-Ing. Drechsel)

Wir möchten von vornherein darauf hinweisen, daß wir uns mit einer solchen Erledigung unseres Antrages bei aller Nüchternheit und Sachlichkeit, die hierbei ohne Zweifel beachtet werden müssen, nicht einverstanden erklären würden.
Abschließend bitte ich das Hohe Haus, unseren Antrag mit allem Ernst und in der Sorge um die Verantwortung für Leben und Gesundheit unseres Volkes aufzunehmen. Ich beantrage namens der Antragsteller Überweisung an den Ausschuß für ,auswärtige Angelegenheiten — federführend — und an den Atomausschuß zur Mitberatung.

(Beifall rechts und in der Mitte.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Zur Begründung des Antrags unter Punkt 3e der Tagesordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Elbrächter.