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ID0219401800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 194. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957 11047 194. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957. Zur Tagesordnung: Peters (SPD) 11048 A Geiger (München) (CDU/CSU) . . . 11048 C Mitteilung über die Erledigung des in der 112. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages verabschiedeten Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten (Drucksachen 1817, 1836) durch die im Gesetz über den Ladenschluß (BGBl. I S. 875) erfolgte Regelung (Drucksache 3226) 11048 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 299, 320, 324 und 325 (Drucksachen 2871, 3223; 3122, 3224; 3155, 3227; 3164, 3225) 11048 D Erste Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 3208) 11048 D Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 11049 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3210) 11049 A Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung 11049 A Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ruhnke, Geiger (München), Dr.-Ing Drechsel, Elsner, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1657) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und des Entwurfs eines Gesetzes über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 3026) mit der Beratung des Antrags der Abg. Ruhnke, Schwann, Dr. Bartram, Geiger (München), Dr. Gülich, Elsner, Dr. Elbrächter, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1734), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Atombombenversuche (Drucksache 2576), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Bestandteile (Drucksache 2597) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Berufung einer unabhängigen Kommission zum Schutze der Bevölkerung vor Radioaktivität (Drucksache 2764) 11049 A Geiger (München) (CDU/CSU), Anfragender 11049 B, 11085 B Dr.-Ing. Balke, Bundesminister für . . . 11051 A, 11088 B, 11089 A Ruhnke (SPD), Antragsteller 11061 A, 11069 B Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Antragsteller 11062 C, 11073 D Dr. Elbrächter (DP), Antragsteller . . 11065 A Dr. Ratzel (SPD), Antragsteller 11065 C, 11079 D, 11080 A, 11088 A, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 11073 D, 11077 D Euler (FVP) . . . . 11078 A, 11079 D, 11080 A Dr. Reichstein (GB/BHE) 11080 D Elsner (GB/BHE) 11083 B Kurlbaum (SPD) 11087 B Schlick (CDU/CSU) 11087 D, 11088 B Vizepräsident Dr. Jaeger 11089 D Ausschußüberweisungen 11089 D Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache 3228) 11090 C Vizepräsident Dr. Jaeger 11090 D Beschlußfassung 11090 C Nächste Sitzung 11090 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11091 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 16. 3. Albers 3. 3. Dr. Atzenroth 22. 2. Bals 4. 3. Dr. Bartram 27. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 16. 3. Behrisch 2. 3. Fürst von Bismarck 22. 2. Bock 22. 2. Böhm (Düsseldorf) 22. 2. Brandt (Berlin) 22. 2. Brese 9. 3. Brockmann (Rinkerode) 22. 2. Dr. Brühler 22. 2. Dr. Bucerius 22. 2: Cillien 2. 3. Dr. Conring 22. 2. Corterier 22. 2. Dr. Czaja 6. 3. Dr. Dehler 28. 2. Dr. Deist 22. 2. Demmelmeier 22. 2. Eberhard 28. 2. Erler 22. 2. Frau Finselberger 1. 3. Frau Friese-Korn 22. 2. Frau Dr. Gantenberg 22. 2. Gerns 22. 2. Dr. Gille 22. 2. Dr. Gleissner (München) 22. 2. Gockeln 2. 3. Frau Heise 6. 3. Hepp 2. 3. Hilbert 24. 2. Dr. Höck 28. 2. Höfler 2. 3. Hoogen 22. 2. Hufnagel 22. 2. Abgeordnete(r) bis einschließlich Huth 22. 2. Dr. Jentzsch 22. 2. Kahn-Ackermann 22. 2. Kalbitzer 22. 2. Kalinke 22. 2. Keuning 22. 2. Kiesinger 9. 3. Dr. Köhler 2. 3. Frau Korspeter 2. 3. Krammig 22. 2. Lücke 6. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 2. Lulay 22. 2. Meyer-Ronnenberg 23. 2. Dr. Mocker 22. 2. Morgenthaler 30. 4. Müller-Hermann 22. 2. Neumayer 16. 3. Odenthal 25. 2. Ollenhauer 27. 2. Rademacher 1. 3. Dr. Reif 22. 2. Dr. Rinke 1. 3. Dr. Schild (Düsseldorf) 22. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schmücker 16. 3. Schneider (Hamburg) 2. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 22. 2. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seiboth 22. 2. Dr. Strosche 22. 2. Stücklen 6. 3. Stümer 23. 2. Wagner (Ludwigshafen) 22. 2. Dr. Weber (Koblenz) 23. 2. Wedel 22. 2. Wehking 22. 2. Wehr 6. 3. Winkelheide 22. 2. Wolf (Stuttgart) 4. 3. b) Urlaubsanträge Neuburger 2. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinrich-Wilhelm Ruhnke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen der Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei. Gestatten Sie mir, daß ich zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen mache. Wir betreten mit der Erörterung eines Kernenergiegesetzes Neuland; darüber dürfte wohl kein Zweifel bestehen. Wissenschaftler und Techniker haben schon Großes auf diesem Gebiet geleistet. Aber viele Fragen sind noch offen. Die Technik hat der Wissenschaft Erkenntnisse entrissen und in die Praxis umgesetzt, die noch 'gründlicher Forschung bedurft hätten. Dasbedeutet, daß die gesetzliche Regelung dieser Materie außerordentlich schwierige Fragen aufwirft, die wir zu lösen haben.
    Wir von der sozialdemokratischen Fraktion fordern mit Nachdruck, daß die gewaltigen neuen Kräfte in der Natur nicht dazu verwandt werden dürfen, die Monopolstellung von einzelnen oder von Interessengruppen zu stärken, sondern dazu, der Verbesserung des Lebens und der Erleichterung der Arbeitsbedingungen sowie der Vertiefung unseres gesamten kulturellen Lebens zu dienen. Die kontrollierte Kernspaltung und die auf diesem Wege zu gewinnende Kernenergie leiten den Beginn eines neuen Zeitalters für die Menschheit ein. Zwar haben schon bisher Wasserkraft, Dampfkraft und Motorkraft die Muskelkraft des Menschen ersetzt und vervielfältigt, doch wird dies künftig mit Hilfe der Kernenergie in weit höherem Maße geschehen.
    Die zur Verfügung stehende Kernenergie oder Energie überhaupt ist nach menschlichen Begriffen schon unerschöpflich, wenn man von den Lagerstätten von Uran und Thorium ausgeht; die Abhängigkeit der Völker von Bodenfunden aller Art zum Zwecke der Energiegewinnung wird jedoch gänzlich aufhören, sobald die Zusammenfügung der Kernbausteine des Wasserstoffs zu Helium, von der ich schon vorhin gesprochen habe, für die friedliche Ausnutzung gelöst ist. Der sich abzeichnende entscheidende Wandel in der Technik, in der Wissenschaft und in der Wirtschaft verlangt, daß jedes Volk sich rechtzeitig mit den Problemen befaßt, die sich in technischer, wirtschaftlicher und besonders in sozialer und politischer Hinsicht aus den neuen Möglichkeiten ergeben.
    Deutsche Forscher von Albert Einstein bis Otto Hahn haben wichtige Meilensteine in der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung gesetzt. Der Nationalsozialismus und die durch ihn geschehene Vertreibung bester 'geistiger Kräfte, der Zusammenbruch und seine Folgen einschließlich alliierter Verbote auf ,den Gebieten von Forschung und Entwicklung haben dazu geführt, daß Deutschland fast zwei Jahrzehnte der Entwicklung auf dem Gebiete der Atomtechnik versäumt hat. Für ein Volk, das die Hälfte seiner Jahresnahrung gegen Export einführen muß und das so von der Güte seiner Industrieerzeugnisse lebt, ist es unerläßlich, das Versäumte so schnell wie möglich nachzuholen. So hat denn die Sozialdemokratische Partei einen Atomplan '
    aufgestellt und sich bereits eingehend mit den Problemen der Kernenergie in Deutschland befaßt.
    Wir streben nun folgende Ziele an. Die Erzeugung von Elektrizität aus Kernenergie hat in einem solchen Umfang zu erfolgen, daß die deutsche Wirtschaft nicht mehr auf die Einfuhr überteuerter Kohle angewiesen ist, daß der Raubbau in Kohlengruben vermieden und die schädigende Veränderung der Landschaft und Wasserversorgung beim Abbau von Braunkohle eingeschränkt wird.

    (Abg. Dr.-Ing. Drechsel: Noch 25 Jahre warten!)

    — Herr Kollege, einmal muß man aber anfangen!
    — Der Aufbau und Betrieb von Atomkraftwerken wird durch die öffentliche Hand durchgeführt. Ihr Zusammenwirken mit den übrigen Elektrizi-


    (Ruhnke)

    tätserzeugungsunternehmen erfolgt nach langfristig festgesetzten Plänen. Die Entwicklung von Kernkraftmaschinen an Stelle von Dieselmotoren und anderen Verbrennungskraftmaschinen für feste und fahrbare Kraftstationen, für Schiffe und Flugzeuge und andere Verkehrsmittel muß den Platz Deutschlands in der Reihe der Industrievälker sichern. Die Verwendung der radioaktiven Isotope in Medizin, Biologie, Landwirtschaft und Industrie muß so gefördert werden, daß die großen Möglichkeiten für die Gesundheitspflege, für die Züchtung von neuen Pflanzenarten und die Anwendung in technischen Produktionsprozessen auch in Deutschland voll erschlossen werden. Die Forschung im Bereich der Atomwissenschaft muß mit allen Kräften gefördert werden. Dies darf aber nicht andere Gebiete der Wissenschaft irgendwie benachteiligen. Die Ausbildung von Arbeitskräften aller Art, von Arbeitern und Angestellten, in den neuen Energieanlagen und allen Wirtschaftszweigen, die sich mit Kernbrennstoffen befassen, bis zum Forscher und akademischen Lehrer muß energisch gefördert werden.
    Vorhin ist schon über den Strahlenschutz und die Strahlenwirkung gesprochen worden, so daß ich mich hier dessen enthalten kann.
    Kernbrennstoffe können insbesondere durch Unglücksfälle oder Mißbrauch große und fortwirkende Schäden an Leib, Leben und Gütern hervorbringen. Deshalb muß die Allgemeinheit über den Staat und seine Organe schärfste Kontrolle und sorgfältigste Aufsicht auf ,allen Gebieten der Erzeugung und Verwendung von Kernbrennstoffen ausüben. Um dies zu sichern, fordern wir, durch Gesetz ein deutsches Organ für Kernbrennstoffe als Bundeseinrichtung zu schaffen. Die Aufgaben dieses Organs sind Einfuhr, Anreicherung, Verwahrung und Verteilung aller Kernbrennstoffe, ihrer Ausgangsstoffe und Folgeprodukte, die sich bei uns, wie in den Vereinigten Staaten und in England, grundsätzlich im Eigentum des Staates befinden sollen, im Gegensatz zu dem uns vorliegenden Gesetzentwurf. Das Organ soll in Verbindung mit den Ländern die Aufsicht über Mutung und Bergbau ausüben mit der Maßgabe, daß die Bergbauprodukte dem Organ zur Verfügung zustellen sind. Das Organ hat nicht nur die Aufgabe, die unbefugte Verwendung der Kernbrennstoffe zu verhindern, sondern an jeder Stelle die Sicherung der gefährlichen Brennstoffe vor unbefugter Verwendung zu garantieren. Es muß auch in Zusammenarbeit mit anderen geeigneten Stellen, wie der Gewerbeaufsicht, die oberste Kontrolle über die Einrichtungen zum Schutz all derer ausüben, die mit Kernbrennstoffen und Isotopen zu tun haben. Der Versicherungsschutz gegen Atomschäden für die gesamte Bevölkerung ist auf der Grundlage einer Bundesgarantie aufzubauen.
    Wir sind, um noch einmal auf die Eigentumsfrage zurückzukommen, nicht für Staatsmonopole als Selbstzweck. Aber wenn wir zu wählen haben, wählen wir ein Monopol, das direkt oder indirekt einer parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Wir sind gegen weitere Privatmonopole, die direkt oder indirekt auf Kosten insbesondere des Steuerzahlers leben. Wir waren über die Ausführungen des Herrn Ministers Balke in bezug auf die privatwirtschaftliche Betätigung auf diesem Gebiete überrascht. Wir haben nichts von ihm darüber gehört, wie er sich die Zusammenballung einer auf uns zukommenden Macht vorstellt, die eine Gefahr darstellt, wie wir sie bisher noch nicht kannten.
    Man muß bedenken, daß hier nicht eine Wirtschaftliche oder sonstige Macht üblicher Art entsteht, sondern eine solche, die über ein Mittel verfügt, womit sie über Sein oder Nichtsein von Menschen oder eines Staates oder gar aller Staaten entscheidet. Dieser Gesichtspunkt ist für uns maßgebend. Deshalb sind wir der Ansicht, daß Kernbrennstoffe in der Hand des Staates liegen müssen und ihre Verwendung unter Aufsicht des Staates und entsprechender parlamentarischer Kontrolle stehen muß.
    Wir haben Euratom freudig bejaht unter der Voraussetzung, wie Ihnen bekannt ist, daß die Kernbrennstoffe im Eigentum von Euratom oder eines vom Parlament kontrollierten Organs stehen. Wir wissen aus der Presse —andere Nachrichten haben wir darüber nicht —, daß in Paris entsprechende Beschlüsse gefaßt worden sind. Es bleibt uns unverständlich, daß der vorliegende Gesetzentwurf einen ganz anderen Weg gehen will. Er kann in dieser Form nicht bestehenbleiben. Wir sind der Auffassung, daß er grundlegend geändert werden muß.
    Wir wissen, daß die Verwendung von Kernbrennstoffen in jedem Falle erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit mit sich bringt. Davon ist wiederholt gesprochen worden; aber es kann gar nicht genug darüber gesprochen werden. Die Öffentlichkeit muß beruhigt werden und erkennen, daß wir die Dinge sehr wohl überblicken und bereit sind, alles zu tun, damit nicht irgendwelche gefährlichen Dinge aufkommen.
    Soweit es sich um Stoffe handelt, die für die explosive Freisetzung von Kernenergie in Frage kommen, übertrifft ihre potentielle Sprengwirkung bekanntlich bei weitem die der herkömmlichen Explosivstoffe. Aber auch andere Kernbrennstoffe können bei Verwendung in entsprechenden Vorrichtungen, insbesondere durch Kernstrahlungen, durch radioaktive Abfälle und Nebenprodukte die allgemeine Sicherheit und die öffentliche Gesundheit gefährden. Deshalb kann — da stimmen wir dem Entwurf zu — die Verwendung von Kernbrennstoffen nur besonders qualifizierten Personen unter angemessenen Sicherheitsvorkehrungen und hoheitlicher Überwachung gestattet werden. Darüber hinaus aber müssen Kernbrennstoffe einem von der allgemeinen Güterordnung abweichenden rechtlichen Sonderregime unterworfen werden, das verhindert, daß sie überhaupt in die Hände anderer als zu ihrer Verwendung zugelassener Personen gelangen.
    Lassen Sie mich nun etwas zu den Ausführungen des Herrn Ministers über die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung sagen. Sie haben mich ebensowenig wie die Begründung in dem Gesetzentwurf davon überzeugen können, daß hier wirklich ein Grund zur Grundgesetzänderung vorhanden ist. Da meine Fraktion die gegebene Begründung nicht als stichhaltig anerkennen kann, lehnt sie die Einfügung eines Art. 74 Nr. 11 a und eines Art. 87 c in das Grundgesetz ab. Es ist klar, daß gerade die mit der Kernenergie zusammenhängenden Fragen nach überregionaler Regelung drängen; aber eine solche Lösung, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, ist für die natürliche und rechtliche Sicherheit unbefriedigend. Die Vielzahl von Genehmigungsbehörden birgt die große Gefahr in sich, daß in der Praxis starke Abweichungen vorkommen. Merkwürdigerweise wird ausgerechnet für die geplante Auftragsverwaltung, die


    (Ruhnke)

    da konstruiert worden ist und unserer Verfassungsstruktur in besonderem Maße entsprechen soll, eine Verfassungsänderung für erforderlich gehalten, während diejenigen Lösungsversuche, die bisher als verfassungswidrig kritisiert worden sind, eine Verfassungsänderung nicht erforderlich gemacht hätten. Das ist eine sehr eigenartige Situation, die sicherlich eines gewissen Reizes nicht entbehrt. Das in der Bundesauftragsverwaltung liegende Zugeständnis an den Föderalismus schafft einen guten Nährboden für eine blühende Atombürokratie, wobei noch zu fragen ist, ob man überhaupt in der Lage ist, in allen diesen Behörden geeignete Persönlichkeiten mit entsprechender Vorbildung einzusetzen.
    Nun komme ich zu dem Strahlenschutz — über den hier schon so viel gesprochen worden ist — nach § 15 des Entwurfs. Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber wir sind der Überzeugung, daß dem Plan, den Strahlenschutz im Verordnungswege zu regeln, wohl einige Bedenken gegenüberstehen. Wir glauben, daß hier nähere Bestimmungen in das Gesetz eingebaut werden müssen. Es ist bekannt, daß eine Strahlenschutzverordnung in den Schubladen des Ministeriums liegt. Wir glauben aber, daß Strahlenschutzbestimmungen zu den wichtigsten Dingen gehören, die wir in allernächster Zeit regeln müssen. Auch die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen in so zahlreichen Fällen, wie wir es hier sehen, erregt unser Bedenken.
    Zum System der Genehmigungen ist zu sagen, daß es für jeden an einer Verwaltungsvereinfachung Interessierten ein Schock sein muß, den Regierungsentwurf durchzulesen und all diese Genehmigungen — ich glaube, es sind 26 an der Zahl — vor sich zu sehen, die von den Behörden des Bundes und der Länder in Zukunft erteilt werden sollen. Andere Entwürfe haben gezeigt, daß das ganze Genehmigungssystem auf das Wesentliche reduziert werden kann.
    Die radioaktive Bestrahlung ist in aller Munde. Hiroschima und Nagasaki haben eben der Welt gezeigt, welche furchtbare Wirkung die Auslösung einer Atombombe hervorruft. Die heute produzierte H-Bombe ist ein Produkt der Hölle. Ihre Wirkung kann das Ende der Welt oder von Teilen von ihr bedeuten. Deshalb redet die Welt ständig von der Einstellung der atomaren Rüstung. Aber bisher ist es nur ein Lippenbekenntnis geblieben, und wir sind auf diesem Gebiete nicht weitergekommen. Wir haben zu erklären, daß wir fanatische Anhänger der friedlichen Verwendung der Kernenergie sind,

    (Beifall bei der SPD)

    und wir 'bekennen uns als ebenso fanatische Gegner der Herstellung und Anwendung von Atomwaffen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wir alle!)

    — Sehr schön.
    Kernenergie kann, wie schon gesagt, zum Segen der Menschheit werden. In der Hand von Verbrechern aber kann sie das Ende all unseres Lebens bedeuten. Deshalb muß der Gesetzgeber hier andere Maßstäbe anlegen als sonst. Die friedliche Verwendung der Kernbrennstoffe muß deshalb der Zentralpunkt des Gesetzes sein. Dann müssen jegliche Sicherung zum Schutz der Menschen, die sich mit der Kernenergie befassen, und darüber hinaus Sicherungen für alle Menschen, für den Boden, für das Wasser, für die Pflanzenwelt, für die Tierwelt geschaffen werden. Bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie liegen sicherlich Gefahren aller Art vor. Darüber ist auch heute schon sehr viel gesprochen worden. Aber sie können doch auf ein Mindestmaß verringert werden, wenn .alles Erdenkliche getan wird, um sie zu vermeiden. Deshalb sollten wir unser besonderes Interesse darauf einstellen, ein Gesetz zu schaffen, das diese Gefahren auf ein Mindestmaß eindämmt. Mißbräuchliche Verwendung der Kernenergie und sonstiger atomarer Brennstoffe muß für immer ausgeschlossen sein.
    In allen Vorschriften des Entwurfs, die eine Genehmigung vorsehen, heißt es, daß die genehmigende Behörde die persönliche Zuverlässigkeit des Antragstellers zu prüfen hat. Lassen Sie mich dazu etwas sagen. Wir haben gegen die Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit an sich nichts. Nur haben wir das sehr schwere Bedenken, daß dies im Ermessen der Exekutive liegt.
    In der Begründung des Gesetzentwurfs sagt der Referent:
    An die Zuverlässigkeit müssen ganz besonders
    hohe Anforderungen gestellt werden; denn der
    reibungslose Betrieb einer einschlägigen Anlage hängt in so hohem Maße von der strikten
    Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ab, daß
    Personen von diesen Anlagen unbedingt ferngehalten werden müssen, die nicht die Gewähr
    bieten, daß sie die zum Schutz der Allgemeinheit erlassenen Vorschriften unter allen Umständen einhalten werden. Als zuverlässig können auch nur Personen angesehen werden, die
    die Gewähr bieten, daß sie die Anlage und die
    ihnen darin zugänglichen Stoffe nicht zu
    staatsfeindlichen Zwecken verwenden werden. Nun fragt man sich aber: Kann man diese persönliche Zuverlässigkeit, die offensichtlich die politische Zuverlässigkeit mit umfassen soll, einem Menschen an der Nasenspitze ansehen? Diese Bestimmung gibt der zuständigen Genehmigungsbehörde einen immens weiten Ermessensspielraum. Wer ist denn so zuverlässig, daß man von ihm mit Sicherheit erwarten kann, er werde die ihm zugänglichen Stoffe nicht zu irgendwelchen gesetzwidrigen Zwekken verwenden? Wird dazu der Nachweis einer nichtkommunistischen Großmutter erforderlich sein? Ist dazu ein Fragebogen ,auszufüllen, oder wie sieht es damit aus?
    Wer die Zulassungspraxis der amerikanischen Atomenergiebehörden verfolgt hat, muß doch sehr große Bedenken haben. Erinnert sei an den Fall Oppenheimer, an zahlreiche ähnliche Fälle, an den Fall der Gewerkschaft der elektrotechnischen Arbeiter, die summa summarum als unzuverlässig abgelehnt worden sind. Wir glauben, hier unbedingt eine Sicherung vorschalten zu müssen, durch die vermieden wird, daß die Exekutive nach freiem Ermessen von der Betätigung in der Atomtechnik praktisch ausschließen kann, wen sie will. Diese Bestimmung über die Zuverlässigkeit kann, wenn sie entsprechend angewandt wird, z. B. so weit gehen, daß Firmen von der Betätigung im Bereich der Atemtechnik ausgeschlossen werden können, die in ihrem Betrieb Arbeiter beschäftigen, welche irgendeiner Gewerkschaft angehören, die sich angeblich mißliebig gemacht hat. Die Entscheidung in diesem Punkt gehört nicht in die Hand der Exekutive. Diese kann in der Beziehung kaum kontrolliert werden, weil sie ja immer wieder von ihrem Ermessen Gebrauch machen kann.


    (Ruhnke)

    Nun enthält der Gesetzentwurf Definitionen, die in der Welt bisher nicht bekannt sind, wie über die Gewinnung von Plutonium oder Uran 233 aus solchen Stoffen, die diese Kernbrennstoffe in geringeren Mengen als zu einem Millionstel ihres Gewichts enthalten, über Uran und uranhaltige Stoffe, die so rein sind, daß . . . usw. Es erscheint hier das Merkmal der Kernreinheit, das im Atomernergierecht völlig neu ist. Wir können dazu nur sagen. daß die Naturwissenschaftler schon wissen werden, was sie da gemacht haben. Aber vom Standpunkt der praktischen Jurisprudenz, die sich später mit dem Text herumschlagen muß, sehen die Definitionen doch wesentlich anders aus. Die Definition z. B. der Kernbrennstoffe spielt ja eine Rolle nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die Amtsgerichte und die Landgerichte, die auf Grund der Strafbestimmungen des Gesetzes eines Tages einen Rechtsgenossen verurteilen sollen, welcher Kernbrennstoffe entgegen der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 2 befördert oder — nach Nr. 3 — außerhalb der staatlichen Verwahrung verwahrt. Man stelle sich vor, daß Herr Meier vor das erweiterte Schöffengericht in X gebracht wird unter der Anklage, ein Stück Metall, das in seinem Besitz gefunden worden ist, sei kernreines Uran, das ja im Sinne des Gesetzes Kernbrennstoff ist und von ihm nicht außerhalb der staatlichen Verwahrung verwahrt werden dürfte.
    Nun liegt dort also auf dem Richtertisch ein Metallklumpen. Daneben steht der Angeklagte. Das erweiterte Schöffengericht hat sich nunmehr zu überzeugen, daß dieses Stück Metall tatsächlich kernreines Uran ist, wie der Gesetzentwurf vorschreibt. Das wird nur möglich sein an Hand einer Flut von teuren Gutachten, und SachverständigenGegengutachten gibt es bekanntlich auch. Hier wird sich also etwas entwickeln, das wir wohl nicht verantworten können.
    Nun steht letzten Endes der Richter vor der Aufgabe, von sich aus zu sagen, ob das Stück nun kernrein ist oder nicht. Sehen kann er das nicht, riechen kann er das auch nicht. Also was soll er tun? Die einzige Möglichkeit, es objektiv festzustellen, wäre, daß man einen „Kriminalreaktor" zur Prüfung von Uran auf Kernreinheit baut, um irgendwie herauszubekommen, ob hier wirklich kernreines Uran, ,also Kernbrennstoff im Sinne dieses Gesetzes, vorliegt.
    Nun ist die Fähigkeit eines Materials, „in einer geeigneten Anlage eine sich selbst tragende Kettenreaktion aufrechtzuerhalten", nicht nur ein qualitative, die von der Kernreinheit des Materials abhängt, sondern auch eine quantitative. Es kommt auf die Menge ,an. Mit einem halben oder einem Kilogramm ist unter Umständen gar nichts anzufangen. Wie in solchen Fällen festgestellt werden soll, ob es sich um Kernbrennstoff handelt oder nicht, werden uns die Physiker noch sagen müssen.
    Merkwürdig in der Definition ist, daß nicht wie in allen anderen Atomgesetzen, die wir auf der Welt kennen, eine Blankettdefinition aufgestellt wird, die durch die Tätigkeit irgendeines Fachorgans im Einzelfall ausgefüllt werden kann. Man kann sich durchaus denken, daß morgen oder übermorgen irgendwie die Möglichkeit besteht, Neptunium oder irgendeinen anderen Stoff in großen Mengen zu produzieren, von dem festgestellt wird, daß er spaltbar ist, daß er also zu Kernbrennstoffzwecken Verwendung finden kann. Dann müßte die Gesetzgebung wieder geändert werden, und Bundesrat und Bundestag müssen von Fall zu Fall tätig werden, um immer wieder neue Bestimmungen in das Gesetz einzuarbeiten.
    Das wäre nicht erforderlich, wenn man die Möglichkeit schüfe, durch ein besonderes Gremium oder durch den Minister jeweils Bestimmungen zu erlassen, in denen festgestellt wird, welche Stoffe als Kernbrennstoffe gelten. So ist es in anderen Staaten geregelt, und eine solche Möglichkeit sollte auch bei uns geschaffen werden.
    In dem Gesetzentwurf erregt ferner folgender Umstand unsere Bedenken. Die Definition der Kernbrennstoffe mit ihren feinen Gewichtsverteilungen scheint jegliche Möglichkeit zur Umgehung zumindest durch kapitalkräftige Leute zu eröffnen. Wenn man einen Stoff hat, in dem ein Millionstel des Gewichts aus Plutonium oder aus Uran 233 besteht, und wenn es sich dabei um einen flüssigen Stoff handelt, braucht man doch nur zwei Liter Wasser hinzuzugießen, und das Merkmal des Gewichtsanteils und damit die Eigenschaft, Kernbrennstoff im Sinne des Gesetzes zu sein, ist nicht mehr vorhanden, weil das Uran 233 oder Plutonium nicht mehr ganz ein Millionstel des Gesamtgewichts ausmacht.
    Der Gesetzentwurf scheint hier zu sehr an die metallischen Kernbrennstoffe zu denken. Es sei auf das Büchlein der VDEW „Atomenergie — Wege zur friedlichen Anwendung" aufmerksam gemacht, in dem sich Dr. Schulten mit Kernbrennstoffen befaßt, die durchaus nicht metallisch sind. Er spricht einmal von keramischen Spaltstoffelementen und zum anderen von flüssigen Spaltstoffen, die in Form von Lösungen oder von Suspensionen in Reaktoren verwandt werden können.
    An diese Möglichkeit scheint der Gesetzentwurf nicht gedacht zu haben Bei einem keramischen Kernbrennstoffelement ist z. B. in einer nichtmetallischen Verbindung, sagen wir, Urankarbid, etwas Uran 235 oder eine andere spaltbare Substanz enthalten. Es wird versucht, solche Stoffe mit anderen Keramiksubstanzen zusammenzusintern — sagt Dr. Schulten —, um durch eine solche Kombination von verschiedenen chemischen Verbindungen möglichst gute mechanische und thermische Eigenschaften zu erzielen.
    Man könnte sich denken, daß dieser Prozeß des Zusammensinterns auch unternommen werden kann, um Kernbrennstoffe nicht in die staatliche Verwahrung geben zu müssen. Denn durch das Zusammensintern ändern sich die Gewichtsverhältnisse innerhalb der Gesamtmenge des Stoffs, und eine keramische Substanz, die an sich Kernbrennstoff im Sinne des Gesetzes sein würde, könnte durch Zusammensintern mit einem anderen keramischen Stoff durchaus diese Eigenschaft verlieren. Es fehlt dann in der Praxis nur noch ein geschickter Chemiker, der die Stoffe, wenn sie verwendet werden sollen, wieder — wenn man so sagen kann — auseinandersintert, und die ganze Einrichtung der Verwahrung erübrigt sich dann.
    Noch deutlicher wird das bei den flüssigen Kernbrennstoffen, den Lösungen usw. Das Gewichtsverhältnis kann hier sehr schnell geändert werden. Wenn man zu einer Lösung einen Guß Wasser hinzugießt, ist das Mischungsverhältnis ein anderes; es ist kein Kernbrennstoff im Sinne des Gesetzes mehr, wenn dadurch der Gehalt an Plutonium unter ein Millionstel herabgesetzt wird. Die zwei Liter Wasser aus der Lösung auszudampfen oder sonstwie wieder zu entfernen, wenn man den Stoff verwenden will, ist bekanntlich kein Kunststück.


    (Ruhnke)

    Diese Definition in ihrem Perfektionismus öffnet also der Umgehung Tür und Tor. Unter Umständen werden die staatlichen Depots leer bleiben, weil den Stoffen durch entsprechendes Vergällen der Charakter von Kernbrennstoffen jederzeit vorübergehend genommen werden kann und damit die Notwendigkeit der Überführung in die staatliche Verwahrung entfällt. Man kann sich zum mindesten denken, daß die Chemiker Mittel und Wege finden, an Hand dieser exakten und perfektionistischen Definition der Kernbrennstoffe im Gesetz die Stoffe, die sie interessieren, so zu behandeln, daß sie vorübergehend nach der Definition nicht den Charakter von Kernbrennstoffen haben, aber, wenn sie verwendet werden sollen, in den Zustand versetzt werden können, in dem sie spaltbar sind. Das ist eine Möglichkeit — eine sehr ernste Möglichkeit! —, auf die hingewiesen werden sollte.

    (möglicherweise auftretenden Praktiken auf den Fersen bleiben und jederzeit durch Richtlinienfestsetzung oder durch sonstige Feststellungen die neu auftretenden Erscheinungen der Umgehung unter Kontrolle halten. Wir vermissen in dem Gesetzentwurf auch eine klare Begriffsbestimmung für radioaktive Isotope. Es wäre interessant zu hören, warum man eine solche Begriffsbestimmung nicht vorgenommen hat. Herr Minister Balke hat von den Haftungssummen gesprochen, die im Gesetzentwurf eingebaut worden sind. Ich will mich wegen ,der vorgeschrittenen Zeit in dieser Frage kurz fassen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß nach unserer Ansicht der eingesetzte Höchstbetrag von 25 Millionen lächerlich ,gering ist, wenn man bedenkt, daß die amerikanischen Versicherungsfirmen allein 65 Millionen Dollar, ,also mehr als das Zehnfache, zu übernehmen bereit sind und daß man diese Summe dort noch als zu gering betrachtet. Der Herr Minister hat schon recht damit, daß man natürlich dort und hier noch keine festen Sätze annehmen kann, weil gar keine Unterlagen dafür vorliegen. Aber wenn man den Fall berücksichtigt, daß es, was in der Welt Gott sei Dank bisher noch nicht geschehen ist, zu einer Riesenkatastrophe kommen würde, dann könnte es, glaube ich, kein verantwortungsbewußter Parlamentarier auf sich nehmen, in einem solchen Falle nicht genügende Sicherungen geschaffen zu haben. Ich habe der „Deutschen Zeitung und Wirtschafts-Zeitung" entnommen, daß der A tompool der westdeutschen Versicherungsgesellschaften endlich im Entstehen ist, wohl auch deshalb, weil die internationale Konkurrenz drängt. Englische Versicherer, vor allem Lloyds, haben erklärt, sie seien bereit, private Atomreaktoren und Atomkraftwerke im Inund Ausland etwa bis zum Doppelten der Versicherungssumme, bis 50 Millionen Dollar zu versichern. Meine Fraktion wird sich auf jeden Fall dafür einsetzen, daß bei den Höchstsätzen und bei den Einzelbestimmungen über die Haftung der Regierungsentwurf wesentlich geändert wird. Ich sagte schon: Die Erfahrungen des Auslandes bestätigen, daß bisher kaum etwas passiert ist; aber das darf uns nicht daran hindern, daß wir uns dieser Sache mit besonderem Ernst widmen. Wir haben nun aus der Presse erfahren, daß bei den Verhandlungen in Brüssel die Patentfrage eine besondere Rolle gespielt hat. Wir sind erstaunt, daß im Gesetzentwurf über Patente überhaupt nichts gesagt wird. Wir wissen, daß die atomtechnischen Patente eine Lebensfrage auch für Euratom sein werden. Bei den früheren Entwürfen, die wir kennen, lag es wohl so, daß sie mit der Pariser Konvention nicht in Einklang zu bringen waren. Es wird aber sicher andere Möglichkeiten geben, den Bedürfnissen und Erfordernissen hinsichtlich der atomtechnischen Patente gerecht zu werden. Hier ist es auch so wie in der grundsätzlichen Frage: wir wissen nicht, wie die Bestimmungen für Euratom aussehen, wie der Vertrag aussieht, der dort abgeschlossen worden ist, und wir können uns deshalb wegen vieler Bestimmungen, die hier im Gesetzentwurf stehen, noch kein endgültiges Bild machen. Wir glauben, daß der Gesetzentwurf gemäß den Bestimmungen für Euratom erheblich umgearbeitet werden muß. Wir sind in dieser Beziehung nicht so optimistisch wie der Herr Atomminister und sind über die Ausführungen, die er in bezug auf Euratom gemacht hat, erstaunt. (Abg. Dr. Menzel: Er kennt den Vertrag eben auch noch nicht!)


    (Abg. Dr. Menzel: Sehr wahr!)

    — Ja, das ist wohl möglich. Aber wenn der Vertrag schon abgeschlossen ist und wenn darin z. B. die Eigentumsfrage in dem Sinne gelöst ist, wie wir es uns denken, dann sind wir darüber erstaunt, daß der Herr Minister sich heute weiter auf den rein privatwirtschaftlichen Standpunkt gestellt hat.
    Wir wissen, daß Euratom am 1. Januar 1958 in Kraft tritt. Ich sagte schon, daß das Gesetz Euratom angepaßt werden muß. Ich weiß nicht, wie sich die Entwicklung nach diesem Gesetz weiter gestalten wird. Aber eins ist für uns klar — und das möchte ich zum Schluß meiner Ausführungen sagen —: Wir brauchen unbedingt ein Gesetz über den Strahlenschutz, und wir müssen zum mindesten zu gleicher Zeit, wenn nicht vorweg, Bestimmungen über den Strahlenschutz erlassen, damit endlich auf diesem Gebiet eine gewisse Beruhigung in der Bevölkerung eintritt.
    Ich beantrage namens meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Atomfragen — federführend — sowie zur Mitberatung an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Angelegenheiten der inneren Verwaltung.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Ruhnke, im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Atomfragen und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Sie beantragen jetzt Überweisung auch Ian die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Angelegenheiten der inneren Verwaltung.

(Abg. Ruhnke: Ja!)

— Das sind vier Ausschüsse. Gut, dann müssen wir nachher darüber abstimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Drechsel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier eine weitere wissenschaftliche oder akademische Vorlesung über die ganze Problematik der Kernenergie zu halten. Die Mitglieder


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    des Hauses sind schon reichlich strapaziert worden, und es werden nur einige wenige in der Lage sein, all die Probleme überhaupt zu erfassen. Aber einige Worte seien mir gestattet.
    Zunächst einmal zu der Anfrage betreffend den Karlsruher Reaktor. Diese Anfrage liegt seit September 1955 vor. Herr Kollege Geiger hat sie begründet. Es scheint mir nur nicht klar zum Ausdruck gekommen zu sein — das betrifft dann auch die weitere Anfrage —, daß hier ein Versäumnis vorliegt, das sich auch bei dem Projekt Karlsruhe sehr nachteilig .ausgewirkt hat, nämlich die mangelnde Behandlung dieser Probleme in aller Öffentlichkeit, z. B. auch in diesem Hause. Was soll die Bevölkerung der Bundesrepublik eigentlich denken, wenn ihre Abgeordneten immer vermeiden, hier über diese Dinge zu reden, und dann allgemein in den einzelnen Orten von Aufklärern Vorträge gehalten werden, wobei man eben zu so widerspruchsvollen Ansichten kommt, wie sie Herr Kollege Ratzel schon angeführt hat. Ich meine: Wenn sich das Hohe Haus vorher mit den Problemen befaßt hätte, wie es die Absicht der Antragsteller — ich gehöre auch zu den Unterzeichnern des Antrags Drucksache 1734 vom Oktober 1955 und der Großen Anfrage Drucksache 1657 vom September 1955 — gewesen ist, wären sicherlich manche Schwierigkeiten, auch für das Projekt Karlsruhe, vermieden worden, und der Herr Minister hätte es jetzt nicht nötig, immer wieder in Optimismus zu machen und zu sagen: Es wird schon alles in Ordnung kommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Ich erinnere mich an den Gründungsvertrag von
    Karlsruhe, der am 9. Juli 1956 abgeschlossen wurde.
    Dabei wurden große Worte gesprochen, etwa daß
    jetzt das deutsche Atomzeitalter beginne und daß nunmehr aller Vorsprung der anderen Staaten eingeholt werde. Heute fragen wir, ob überhaupt die Planung auf dem Papier fertig ist und ob überhaupt die Grundstücksfrage geklärt worden ist. Wir wissen, daß man wohl eine Straße durch das Grundstück gebaut hat, daß man dieser Straße auch schon den Namen eines ganz bedeutenden Gelehrten gegeben hat; aber es ist noch gar nicht sicher, ob diese Straße nicht letzten Endes in irgendwelchen Tabakfeldern enden wird. Wir haben in der Vorplanung wohl Mittel ausgegeben, ohne dabei jedoch zu dem entsprechenden Ergebnis zu kommen. Das Karlsruher Projekt ist seit anderthalb Jahren in aller Leute Mund. Die Münchener — hier muß man wirklich die Bayern loben; ich bin kein Bayer, deshalb tue ich es ganz besonders gern — haben nicht soviel über diese Dinge gesprochen und sind jetzt schon in ihrer ganzen Planung und in dem ganzen Bau wesentlich weiter, als es das Karlsruher Projekt ist, bei dem wir uns, wie gesagt, noch mit Kleinigkeiten herumschlagen müssen. Was also zu diesen beiden Anfragen in erster Linie zu bemerken ist, ist, daß hier eine Verzögerung, eine Verzögerung auch in der parlamentarischen Behandlung, eingetreten ist.
    Zunächst einmal haben wir sie ein Vierteljahr überhaupt auf Eis gelegt, owohl sich der hohe Bundestag in seiner Geschäftsordnung eine Bestimmung gegeben hat, um zu verhindern, daß Große Anfragen und solche Anträge lange Zeit nicht behandelt werden. Das Parlament hat offensichtlich auch die Beachtung seiner eigenen Geschäftsordnung in diesen Fällen nicht für notwendig gehalten. Herr Bundesminister Strauß hat sich — daß muß man hier feststellen und den Tatsachen entsprechend bekräftigen — von der Regierung aus bereits im Februar 1955 bereit erklärt, zu dem Antrag und der Großen Anfrage Stellung zu nehmen. Das Verschulden für die weitere Verzögerung trifft also meiner Auffassung nach nur die schlechte Organisation der im Altestenrat oder irgendwo in unseren eigenen Gremien tätigen Männer, die vielleicht aus Gründen, die daneben in Betracht kommen, bewußt die Dinge 'hintangestellt haben, weil die Regierung mit ihrer Konzeption noch nicht so weit war und den eigenen Gesetzentwurf nicht vorlegen konnte. Sie wäre also auf den Gesetzentwurf einer kleinen Fraktion dieses Hauses angewiesen gewesen, die noch nicht einmal der Koalition angehörte. Das ist ja unangenehm für eine Regierung, und es ist auch verständlich, daß sie mit einer solchen Verzögerung an derartige Probleme herangeht.
    Den Sinn dieser Anfrage hat Herr Kollege Ruhnke dargelegt. Ich möchte darüber hier nichts weiter ausführen. Auf eine Sache möchte ich allerdings doch noch eingehen, obwohl Herr Minister Balke verständlicherweise gesagt hat, er wolle auf die Vergangenheit und auf diese schwere Geburt seines Gesetzes nicht mehr weiter zu sprechen kommen. Aber mir müssen Sie schon gestatten, Ihnen die Daten noch einmal in das Gedächtnis zurückzurufen.
    Als Ausgangspunkt wird immer der 5. Mai 1955 genannt, der Tag, an dem die Pariser Verträge unterschrieben worden sind. Es ist aber klar, und für die Bundesregierung mußte es ganz besonders klar sein, daß das nun nicht etwa ein plötzlicher Termin war. Vielmehr mußte man vorher Vorbereitungen treffen, um zu diesem Termin bestehende Gesetze der Alliierten Hohen Kommission rechtzeitig ablösen zu können. Es wäre also sehr wohl möglich gewesen, sich schon Wochen und Monate vorher mit diesen Fragen zu beschäftigen, die nun auch gerade in das heute aktuelle Thema hineinfallen. Das ist nicht geschehen. Damals war der Herr Bundeswirtschaftsminister der zuständige Minister. Er hat es unserer Kentnis nach im Laufe eines Jahres auf sieben bis acht Gesetzentwürfe gebracht, die aber alle in den Schubladen seiner Referenten stekkengeblieben sind.
    Am 6. Oktober 1955 wurde Herr Minister Strauß als Atomminister eingesetzt, und am 25. Oktober 1955 hat Herr Strauß dann Vertretern aller Fraktionen erklärt, daß seine Atomkommission, die nunmehr in die Gesetzesvorbereitung eingreifen solle, bis zum 15. November vollständig da sei und daß dann der Gesetzentwurf der Regierung noch vor Weihnachten 1955 vorgelegt werden würde. Derartige Terminzusagen haben wir im Laufe der Zeit wiederholt zu hören bekommen. Aber sie sind nicht eingehalten worden. Mit zweimonatiger Verspätung wurde die Atomkommission konstituiert, und nach Auskunft des Ministeriums sollte das Gesetz nunmehr im Februar 1956 ins Kabinett kommen, um noch vor Ostern 1956 dem Bundesrat vorgelegt zu werden.
    Das ist die Vorgeschichte. Und was ist nun geschehen? Am 14. Dezember 1956 erfolgte endlich die Zuleitung an den Bundestag. Ich glaube daher, daß der Vorwurf einer erheblichen Verspätung und Verzögerung zu Recht besteht. Vorstellungen, daß man hier sehr verzögernd und zu nachlässig gearbeitet habe, sind nicht etwa nur von den Abgeordneten erhoben worden, die diese Anfrage und die Anträge unterschrieben und sich mit besonderer Liebe und besonderem Fleiß für die Dinge eingesetzt haben, sondern solche Vorstellungen sind auch


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    von Wissenschaft, Technik und zahlreichen offiziellen Stellen erhoben worden, immer wieder mit der Forderung, 'möglichst rasch zu ,arbeiten, um in der Bundesrepublik die atomwirtschaftliche Entwicklung aufzuholen und den Vorsprung der übrigen Welt einzuholen.
    Wie notwendig dies ist, ist hier bereits vorgetragen worden. Herr Minister Balke hat die zwei wesentlichen Probleme, die uns bedrängen, bereits dargelegt: einmal, daß die Amerikaner sich — meiner Auffassung nach mit vollem Recht — weigern, Kernbrennstoffe nach der Bundesrepublik zu liefern, wenn nicht nach deutschem Recht eine genügende gesetzliche Grundlage für die Kontrollen und Sicherheitsvorschriften geschaffen ist, die die Amerikaner verlangen — die ,auch wir verlangen müssen —, und zum zweiten, daß durch diese Verzögerung nunmehr in der Bevölkerung eine Beunruhigung wegen der Sicherheitsvorschriften für den Schutz vor den Strahlenschäden eingetreten ist und wir infolge einer nicht unerheblichen Verwendung strahlender Stoffe, der Isotope, doch immerhin Gefahrenquellen im eigenen Hause haben, die wir durch Vorschriften verstopfen müssen, um die Bevölkerung vor Schäden zu bewahren.
    Ich frage mich immer wieder: Warum ist eigentlich der Entwurf der Freien Demokratischen Partei, den wir im Februar 1956 eingereicht haben, nicht wenigstens zur Grundlage der Aussprache im Atomausschuß gemacht worden? Man wäre sich dann sicher schon über viele Probleme klargeworden, die wir nun erst jetzt zu erörtern haben, und man hätte sich auch schließlich bei gutem Willen auf Grund dieser Vorlage zu einem Gesetzentwurf durchringen können, der dann heute schon in Kraft getreten wäre. Das ist meine Überzeugung, nach wie vor.
    Ich erinnere auch daran, daß wir mit unserem Entwurf in diesem Hause wohl eine gute Aufnahme bei den Sprechern aller Fraktionen gefunden haben, daß wir aber eine ganz harte Kritik von dem damals noch zuständigen Atomminister Strauß erfahren mußten.
    Da gestatten Sie mir nun, auf Grund dieser Vorgänge jetzt auch einige Kritik an der Regierungsvorlage zu äußern. Einige Punkte dieser Kritik sind heute schon vorgetragen worden. Zunächst möchte ich dem Herrn Kollegen Ruhnke zustimmen. Auch wir vermögen nicht einzusehen, warum bei der Ordnung dieser Dinge, die im Zusammenhang mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie stehen, nun tatsächlich eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist. Ich glaube behaupten zu können, daß wir den Beweis erbracht haben, daß man die Verwaltungsorganisation, die zweifellos erforderlich ist, heute schon, ohne eine Änderung des Grundgesetzes, aufbauen kann — ein entsprechender Vorschlag ist in unserem Entwurf gemacht — und daß trotzdem die Erfüllung der sachlichen Erfordernisse gesichert ist. Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß man eine Änderung des Grundgesetzes überhaupt nur dann ins Auge fassen und vornehmen darf, wenn sie wirklich unerläßlich ist. Man sollte eine Verfassung nicht laufend zu ändern versuchen. Sie wird dadurch unstabil. Wir vermögen also nicht anzuerkennen, daß bei dieser Problematik eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich ist, und würden — hier schließe ich mich der Auffassung, die Herr Kollege Ruhnke geäußert hat, an — einer solchen Änderung des Grundgesetzes nicht zustimmen können.
    Der Streit geht doch eigentlich auf der organisatorischen Seite in erster Linie darum, ob man nun, wie es jetzt die Regierungsvorlage vorsieht, mit Auftragsverwaltung der Länder arbeiten soll oder ob man, wie die SPD sagt, ein „Organ" — ich glaube, so war die Bezeichnung — bilden soll, wir sagen es etwas deutlicher: eine Bundesanstalt errichten soll, die dann die Dinge in die Hand nehmen und ordnen sollte.
    Herr Minister Strauß hat im April 1956, als unser Gesetz in diesem Hause diskutiert wurde, geäußert, daß unser Vorschlag auf Errichtung einer Bundesanstalt, wie wir ihn in der Gesetzesvorlage gebracht hatten, verfassungsrechtlich bedenklich sei. Es ist sehr bezeichnend, daß jetzt in der Begründung der Regierungsvorlage drei Wege aufgezeichnet sind, wie man die Verwaltung, die notwendig ist, aufbauen könne. Dort ist auch genannt, daß man den Weg der Errichtung einer solchen Bundesanstalt durchaus wählen könne, man neige aber aus sachlichen Gründen einer anderen Konzeption zu. Die Ablehnung der Bundesanstalt wird jedoch nicht mehr juristisch begründet.
    Sicherlich läßt sich über die Form der Organisation streiten. Wir sind der Auffassung, die Bundesanstalt — oder, wie die SPD sagt, das „Organ" — ist der richtige Weg. Wir werden uns wohl darüber aussprechen müssen. Ich fürchte allerdings, daß bei der Konzeption der Regierungsvorlage die zentrale Ausrichtung mangelt, daß die gleichmäßige Behandlung der Antragsteller, die Durchführung der Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen, die doch in allen Ländern und auf allen Ebenen gewährleistet sein muß, nicht gesichert ist. All dies wäre mit einer Bundesanstalt wesentlich leichter zu handhaben. Sie haben vorgesehen, daß in diesen Ländern besondere Gremien zur Beratung der nach Ihren Vorschlägen sehr maßgebenden Länderinstanzen gebildet werden müssen. Sie wissen aber selber — der Herr Minister wird mir das sicher zugeben müssen —, daß es schon außerordentlich schwer ist, für die Bundesinstanzen die notwendigen Fachleute, die auch über die entsprechende Zeit verfügen, zusammenzubekommen, um eine solche Kommission überhaupt zu besetzen. Wenn der Weg der Regierungsvorlage beschritten wird, werden wir also zu einer erheblichen Behörden- und Kommissionsfülle kommen müssen, mit zahlreichen Genehmigungsvorschriften, die, das scheint mir die Hauptgefahr zu sein, durchaus nicht alle einheitlich vorhanden sein werden, weil die Länder — die Erfahrungen haben wir ja alle — gerne nach ihren eigenen Gesichtspunkten arbeiten werden, wenn sie durch die Vorlage der Regierung dazu in die Lage versetzt werden. Das, was in der Begründung der Regierungsvorlage steht — daß ein möglichst unkompliziertes Genehmigungssystem gewählt werden solle —, scheint mir in der Praxis in das Gegenteil verkehrt worden zu sein. Weitere Einzelheiten will ich mir jetzt ersparen; wir werden darüber noch im Ausschuß sprechen können.
    Herr Kollege Ruhnke hat auch die wenig präzise Bestimmung angeführt, nach der die Genehmigungen erteilt werden sollen. Da stimme ich ihm absolut zu. Es scheint eine schlechte Formulierung im Gesetz zu sein, denn wer entscheidet z. B. über die Zuverlässigkeit? Wenn im Gesetz steht, daß zum Transport von Kernbrennstoffen die Genehmigungsbehörde sich von der persönlichen und politischen Zuverlässigkeit des Spediteurs, des


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    Kraftfahrers und des Beifahrers und anderer vielleicht beteiligter Personen überzeugen müsse, so scheint mir das sehr weitgehend zu sein, wenn man noch daran denkt, daß die zuständige Genehmigungsbehörde in diesem Fall die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ist, die sich eigentlich mit ganz anderen Dingen zu befassen hätte als mit der Beurteilung der Zuverlässigkeit irgendwelcher Personen bei einem solchen Transport. Die Frage ist auch: wer urteilt schließlich in letzter Instanz? Denn wenn man solche Bestimmungen der Genehmigung einführt, muß man auch irgendeine Berufung gegen die Entscheidungen zulassen. Letzten Endes würde wahrscheinlich immer das Bundesverwaltungsgericht zuständig sein. Insofern, Herr Kollege Ruhnke, bin ich also mit Ihnen einig.
    Aber jetzt unterscheiden wir uns in einem grundsätzlichen Punkt. Das ist die Frage des Privateigentums, der privaten Betätigungsmöglichkeit, die wir für unerläßlich halten, wenn man den Fortschritt sichern und den Vorsprung der anderen Staaten aufholen will. Die Begründung des Gesetzes spricht ja auch von einer möglichst freien und ungehinderten Entwicklung der Forschung und der Nutzung der friedlichen Kernenergie, wobei die Privatinitiative nicht ausgeschlossen werden soll. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich die Ausführungen des Herrn Ministers Balke gerade zu diesem Problem mit großer Freude zur Kenntnis genommen habe. Sie entsprechen absolut dem, was wir uns unter dieser Gesetzgebung vorstellen und was hinsichtlich der privaten Initiative erforderlich ist. Ich hoffe allerdings mit einigen anderen Mitgliedern dieses Hohen Hauses, daß wir nicht dadurch enttäuscht werden müssen — ich sage „enttäuscht werden müssen" —, daß nach Abschluß des Euratom-Vertrags, den wir in seinen Einzelheiten noch nicht kennen, in der Konzeption, in der grundsätzlichen Auffassung, und vielleicht noch im Gesetzestext selber Änderungen notwendig sind. Denn offensichtlich sieht der EuratomVertrag eine andere Regelung vor, als sie hier im Gesetzestext festgelegt ist. Ich gestehe, daß wir unsere Zustimmung zu dem Euratom-Vertrag sehr stark davon abhängig machen müssen und werden, welche Regelung gerade in der Eigentumsfrage vorgesehen wird.
    Die SPD macht immer geltend, man könne die private Initiative oder das Privateigentum deshalb nicht zulassen, weil damit die Gefahr der Monopolbildung verbunden sei oder auch der Schutz der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet sei. Meiner Auffassung nach ist das eine falsche Sicht. Wer sagt Ihnen denn eigentlich, daß mit der Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke eine Monopolbildung verbunden ist? Das ist doch zunächst einmal eine Behauptung, die durch nichts zu beweisen ist.
    Sie gehen offensichtlich immer davon aus, daß man im Zuge der friedlichen Nutzung der Kernenergie nur Großkraftwerke errichten kann, daß man vielleicht einmal, weil die Erzeugung von Elektrizität aus Kernenergie billiger ist als aus Kohle oder Wasserkraft, die allgemeine Stromversorgung auf der Basis der Kernenergie betreibt. Zunächst einmal liegt diese technische Möglichkeit in weiter Ferne. Zum zweiten ist gerade die Stromversorgung der Bevölkerung und eines Teils der Industrie Sache der öffentlichen Hand, in deren Besitz sich nicht nur die Kraftwerke, sondern auch das Versorgungsnetz befinden. Im übrigen wird ein Privater schon deshalb nicht auf den Gedanken kommen, ein Atomkraftwerk für die allgemeine Stromversorgung zu errichten, weil er nicht das nötige Geld hat. Eine Monopolstellung kann also von privater Seite auf diese Weise nicht erworben werden.
    Sie wissen aber genauso gut wie ich, daß Konstruktionen für Kleinkraftwerke mit einer Leistung von wenigen tausend Kilowatt in Arbeit sind und daß diese Arbeiten offensichtlich auch schon zu gewissen Ergebnissen geführt haben. Sie billigen einem privaten Unternehmen zu, daß es sein eigenes Kraftwerk auf der Basis des Dampfkessels baut; wollen Sie ihm dann die Errichtung eines Kleinkraftwerks auf Atomkraftbasis nicht zubilligen?
    Sie könnten mir entgegenhalten, das würde möglicherweise zu einer Zusammenballung der Industrie führen. Das ist meines Erachtens sicherlich nicht der Fall. Nach meinen Erinnerungen bestand bei Ihnen einst die Befürchtung, daß bei Verwendung der Elektrizität nur noch Großbetriebe existieren könnten. Tatsächlich hat die Elektrizität jedoch im Gegenteil eine Streuung, eine Förderung der Klein- und Mittelbetriebe möglich gemacht, indem sie die Energieversorgung der Betriebe auch in abgelegenen Gegenden gestattet.
    Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Auch wir sind gegen Monopole; aber wir sind der Auffassung, daß man eine unerwünschte Monopolbildung durch Gesetze, die wir zum Teil haben und die sich zum Teil in Vorbereitung befinden, ohne weiteres verhindern kann. Die Frage des privaten Eigentums hängt damit gar nicht zusammen.
    Was in diesem Zusammenhang über den Schutz der Bevölkerung gesagt worden ist, scheint mir auf einer Verwechslung der Begriffe von Eigentum und Sicherheit zu beruhen. Glauben Sie denn, daß in staatlichen Betrieben weniger Unfälle vorkommen als in privaten Betrieben oder daß in staatlichen Betrieben die Vorschriften des Feuerschutzes oder der Unfallverhütung besser eingehalten werden als in Privatbetrieben? Es handelt sich doch einfach darum — damit sind wir vollkommen einverstanden, und das wollen wir unter allen Umständen fördern —, daß die entsprechenden Kontrollvorschriften erlassen und Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden müssen, die verhindern, daß Unfälle vorkommen. Das muß in jedem Betrieb geschehen, gleichgültig, ob es sich um einen staatlichen oder einen privaten Betrieb handelt; es hat gar nichts mit der Frage des Eigentums zu tun. Wenn man der Meinung ist, daß man mit einer entsprechenden Lösung der Eigentumsfrage Unfälle verhindern könnte, dann sollte man sämtliche Personenkraftwagen und Krafträder in Staatseigentum überführen, um auf diese Weise den Unfallgefahren auf der Straße entgegenzutreten. Das scheint mir also kein Argument zu sein.
    Weitere Einzelheiten hat Herr Kollege Ruhnke schon ausgeführt. Auch ich bin der Auffassung, daß die vorgesehene Definition der Kernbrennstoffe etwas unglücklich ist. Sie führt nur dazu, daß man diese Bestimmung umgeht und daß dann grundsätzlich gleichartige Stoffe scheinbar nicht mehr unter das Gesetz fallen. Ich halte auch hier die von uns vorgeschlagene Lösung für wesentlich elastischer und mehr den Tatsachen entsprechend. Wir hatten vorgesehen, daß eine Kommission feststellen soll, was Kernbrennstoffe sind; das Ergebnis dieser Feststellung sollte jeweils veröffentlicht


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    werden. Das scheint mir der richtigere Weg zu sein.
    Ich stimme Herrn Kollegen Ruhnke zu, daß in dieses Gesetz unbedingt Vorschriften über Patentfragen hineingehören. Es muß im Gesetz eine Bestimmung gegen Patentsperren, die den Fortschritt behindern, enthalten sein.
    Über die vielen Behörden, die nach dem Vorschlag der Bundesregierung erforderlich sind, habe ich bereits einige Bemerkungen gemacht. Wir haben die Fachkommissionen, wir haben die Bundesanstalt für gewerbliche Wirtschaft, wir haben die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und wir haben die zehn obersten Landesbehörden. Allerdings müssen wir dabei einen besonderen Mangel feststellen: die Konstituierung der für uns maßgeblichen Kommission erfolgt beim Herrn Bundesminister für Atomfragen. Wir stimmen hier dem Gedanken zu, daß man eine solche Kommission möglichst selbständig halten muß, daß es nicht von dem Willen des Ministers abhängig sein darf, wer berufen werden soll und wann die Kommission gehört werden soll. Die Fachkommission ist nur eine Art Beirat, den wir bei verschiedenen Ministerien kennen. Sie sollte eine Kommission sein, die herausgehoben ist, die Selbständigkeit, die auch ein Initiativrecht hat und die nicht von dem — verzeihen Sie, wenn ich das sage — guten Willen des Ministers abhängig ist. Ich glaube, wenn wir diesen in unserer Gesetzesvorlage vorgesehenen Weg gingen, dann würden viele der Bedenken, die Herrn Kollegen Ratzel zu dem Gedanken der Bildung einer unabhängigen Kommission auf dem Gebiet des Strahlenschutzes veranlaßt haben, hinfällig geworden sein. Wir müssen diese Kommission frei halten, wir müssen ihren Mitgliedern die Möglichkeit geben, ihre Ansichten zu äußern und der Öffentlichkeit bekanntzugeben, ohne daß dies immer über das Ministerium zu gehen braucht; selbstverständlich muß dies in der objektiven Form geschehen, wie dies bei einer solchen Stelle zu erwarten ist. Ich bin deshalb an sich kein Anhänger des Vorschlags der SPD, eine neue Kommission zu bilden. Ich meine, wir haben schon genügend Kommissionen. Wir sollten uns eher Gedanken darüber machen, wie man diese Kommissionen so ausgestalten kann, daß das gesichert ist, was der SPD bei ihrem Antrag hauptsächlich vorgeschwebt hat. Man sollte aber nicht immer wieder zu neuen Kommissionen und zu neuen Organisationen kommen; das ist so eine deutsche Eigenart, die offensichtlich besonders auf diesem Gebiet wuchert.
    Die Frage, die auch angeschnitten worden ist, bezüglich der Haftungsbestimmungen und der Versicherungsvorschriften ist sehr kompliziert. Darüber sind wir uns alle im klaren. Wir werden hier in unserem Ausschuß noch besondere Aussprachen haben müssen. Es ist aber vor übertriebenen Haftungsbestimmungen zu warnen, die dann unter Umständen die Arbeiten auf dem Gebiete der Verwendung von Isotopen in Medizin und Wissenschaft unnötig und für die Allgemeinheit nachteilig beeinflussen. Wir dürfen mit solchen Bestimmungen nicht den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt behindern.
    Ein gutes Beispiel für den Perfektionismus, den wir hier wieder einmal treiben, scheint mir die große Zahl von Strafvorschriften zu sein, die in das Gesetz aufgenommen werden sollen. Ich bin kein Jurist, ich will deshalb hier nicht urteilen. Aber mir scheint so, als ob ein solch großer Band von Strafvorschriften in ein solches mehr technisches Gesetz nicht hineingehört. Man sollte vielleicht auf andere Strafbestimmungen hinweisen.
    Damit will ich meine Kritik an der Regierungsvorlage beenden. Es hätte mich natürlich gereizt, sie noch fortzusetzen, vielleicht in der Form, wie es Herr Minister Strauß mit den 13 Punkten machte; aber ich glaubte, darauf verzichten zu sollen. Wir sind verpflichtet, alles zu tun, daß wir schnell zu einem Gesetz kommen. Sie können versichert sein, daß von meiner Fraktion alles geschehen wird, um zu einer baldigen Verabschiedung beizutragen.
    Bei der Kürze der Zeit, die diesem Bundestag noch zur Verfügung steht, muß man erwägen, unter Umständen die Strahlenschutzvorschriften vorweg zu verabschieden, damit das Ministerium die vordringlichen Verordnungen für den Strahlenschutz erlassen kann. Damit können wir nicht zu lange warten.
    Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen. Es wäre für alle Beteiligten, für uns, für das Ministerium, für die Technik und Wissenschaft, für diejenigen, die sich draußen nun praktisch mit den Dingen befassen sollen, wesentlich besser gewesen, wenn diese Debatte schon vor etwa einem Jahr stattgefunden hätte. Die Versäumnisse sind nicht mehr einzuholen. Wir wollen an der Ausarbeitung des Gesetzes mitarbeiten, damit wir nicht durch Eigenentwicklungen auf allen Gebieten vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wir müssen den Vorsprung der anderen Länder baldigst aufholen.
    Gerade mit Rücksicht darauf, daß die Verabschiedung des Gesetzes sehr dringend ist, bitte ich zu überlegen, ob man nicht davon absehen sollte, zu viele Ausschüsse mit der Beratung des Gesetzentwurfes zu befassen. Die Beteiligung des Rechtsausschusses ist notwendig, da in der Regierungsvorlage eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen ist und auch andere rechtliche Fragen zu erörtern sind. Es scheint mir aber ausreichend zu sein, daß im übrigen nur der Atomausschuß damit befaßt wird. Wir würden dann nur zwei Ausschüsse behelligen. Besondere Fragen können vom Atomausschuß gegebenenfalls mit den Mitgliedern anderer Ausschüsse erörtert werden. Schließlich besteht ja über die Fraktionen die Querverbindung zu allen Ausschüssen.
    Mein Vorschlag geht also dahin, dem Antrag nicht zu folgen, daß auch noch der Wirtschaftspolitische Ausschuß und, wenn ich recht verstanden habe, der Innenpolitische Ausschuß beteiligt werden. Nach meinem Vorschlag soll der Atomausschuß federführend und der Rechtsausschuß mitberatend sein.

    (Beifall rechts.)