Rede von
Georg
Kurlbaum
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen Herren! Die Ausführungen, die insbesondere Herr Dr. Drechsel von der FDP gemacht hat, veranlassen mich, noch ein paar Sätze zu sagen, weil ich den Eindruck habe, daß insbesondere auch unsere wirtschaftspolitische Konzeption auf dem Gebiete der Kernenergiewirtschaft nicht ganz richtig verstanden worden ist. Es ist selbstverständlich, daß sich die SPD der Bedeutung der privaten Initiative und auch der Initiative der Einzelpersönlichkeit auf diesem wichtigen Gebiete durchaus bewußt ist. So gibt es, um nur ein Beispiel zu nennen, das weite Gebiet der gesamten Zulieferindustrie, wo nach unserer Auffassung voraussichtlich ein Leistungswettbewerb durchaus denkbar ist und daher die private Initiative nur von Nutzen sein kann. Es gibt aber auch Gebiete in der zukünftigen Atomwirtschaft, wo die Tendenz eindeutig zu marktbeherrschenden Unternehmungen, wenn nicht gar zu Monopolen geht.
Hier sind wir in der Tat anderer Auffassung. Wir sind der Auffassung, daß wir auf diesen Gebieten, wo schon der Mangel an Finanzierungsmitteln eine Konkurrenz einer Vielzahl von Unternehmungen überhaupt nicht zuläßt, sehr vorsichtig sein müssen.
Die Bundesregierung hat offenbar die Absicht, auch hier die Privatwirtschaft weitgehend in neue marktbeherrschende Stellungen einrücken zu lassen. Wir möchten gar keinen Zweifel darüber lassen, daß es allerdings unsere Auffassung ist, daß wir überall da, wo wir vor die eindeutige Wahl zwischen einem Monopol unter öffentlicher Kontrolle und einem Monopol unter rein privater Kontrolle gestellt werden, der Unternehmensform den Vorzug geben werden, die ihre Tätigkeit im Rampenlicht der Öffentlichkeit vollziehen muß. Das ist ein sehr eindeutiger Standpunkt, und wir werden versuchen, ihn auch bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs durchzusetzen. Wir haben nicht nur — wie ich glaube, berechtigte —Zweifel, daß die Bundesregierung willens ist, dem Drängen bestimmter Industriegruppen in neue marktbeherrschende Stellungen den notwendigen Widerstand entgegenzusetzen, sondern wir befürchten sogar, daß sie ein solches Eindringen in neue marktbeherrschende Stellungen mit einem gewissen Wohlwollen betrachtet. Das ist nicht nur ein Problem auf dem Gebiet der Atomwirtschaft. Wir stehen diesem Problem in der deutschen Wirtschaft allgemein gegenüber. Die Herren, die mit dem Kartellgesetz zu tun haben, wissen sehr genau, daß sich ein entscheidendes Kapitel dieses Gesetzes gerade mit diesem Problem befassen wird. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, meine Herren: Wir werden in den vor uns stehenden Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses die Stellung, die die Koalition gerade zu den marktbeherrschenden Unternehmungen einnehmen wird, überhaupt als Prüfstein dafür ansehen, inwieweit die Koalitionsparteien willens sind, auch in der Wirtschaft zu demokratischen Formen zu gelangen.