Rede:
ID0219400900

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2194

  • date_rangeDatum: 22. Februar 1957

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 194. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957 11047 194. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957. Zur Tagesordnung: Peters (SPD) 11048 A Geiger (München) (CDU/CSU) . . . 11048 C Mitteilung über die Erledigung des in der 112. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages verabschiedeten Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten (Drucksachen 1817, 1836) durch die im Gesetz über den Ladenschluß (BGBl. I S. 875) erfolgte Regelung (Drucksache 3226) 11048 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 299, 320, 324 und 325 (Drucksachen 2871, 3223; 3122, 3224; 3155, 3227; 3164, 3225) 11048 D Erste Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 3208) 11048 D Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 11049 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3210) 11049 A Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung 11049 A Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ruhnke, Geiger (München), Dr.-Ing Drechsel, Elsner, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1657) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und des Entwurfs eines Gesetzes über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 3026) mit der Beratung des Antrags der Abg. Ruhnke, Schwann, Dr. Bartram, Geiger (München), Dr. Gülich, Elsner, Dr. Elbrächter, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1734), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Atombombenversuche (Drucksache 2576), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Bestandteile (Drucksache 2597) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Berufung einer unabhängigen Kommission zum Schutze der Bevölkerung vor Radioaktivität (Drucksache 2764) 11049 A Geiger (München) (CDU/CSU), Anfragender 11049 B, 11085 B Dr.-Ing. Balke, Bundesminister für . . . 11051 A, 11088 B, 11089 A Ruhnke (SPD), Antragsteller 11061 A, 11069 B Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Antragsteller 11062 C, 11073 D Dr. Elbrächter (DP), Antragsteller . . 11065 A Dr. Ratzel (SPD), Antragsteller 11065 C, 11079 D, 11080 A, 11088 A, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 11073 D, 11077 D Euler (FVP) . . . . 11078 A, 11079 D, 11080 A Dr. Reichstein (GB/BHE) 11080 D Elsner (GB/BHE) 11083 B Kurlbaum (SPD) 11087 B Schlick (CDU/CSU) 11087 D, 11088 B Vizepräsident Dr. Jaeger 11089 D Ausschußüberweisungen 11089 D Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache 3228) 11090 C Vizepräsident Dr. Jaeger 11090 D Beschlußfassung 11090 C Nächste Sitzung 11090 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11091 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 16. 3. Albers 3. 3. Dr. Atzenroth 22. 2. Bals 4. 3. Dr. Bartram 27. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 16. 3. Behrisch 2. 3. Fürst von Bismarck 22. 2. Bock 22. 2. Böhm (Düsseldorf) 22. 2. Brandt (Berlin) 22. 2. Brese 9. 3. Brockmann (Rinkerode) 22. 2. Dr. Brühler 22. 2. Dr. Bucerius 22. 2: Cillien 2. 3. Dr. Conring 22. 2. Corterier 22. 2. Dr. Czaja 6. 3. Dr. Dehler 28. 2. Dr. Deist 22. 2. Demmelmeier 22. 2. Eberhard 28. 2. Erler 22. 2. Frau Finselberger 1. 3. Frau Friese-Korn 22. 2. Frau Dr. Gantenberg 22. 2. Gerns 22. 2. Dr. Gille 22. 2. Dr. Gleissner (München) 22. 2. Gockeln 2. 3. Frau Heise 6. 3. Hepp 2. 3. Hilbert 24. 2. Dr. Höck 28. 2. Höfler 2. 3. Hoogen 22. 2. Hufnagel 22. 2. Abgeordnete(r) bis einschließlich Huth 22. 2. Dr. Jentzsch 22. 2. Kahn-Ackermann 22. 2. Kalbitzer 22. 2. Kalinke 22. 2. Keuning 22. 2. Kiesinger 9. 3. Dr. Köhler 2. 3. Frau Korspeter 2. 3. Krammig 22. 2. Lücke 6. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 2. Lulay 22. 2. Meyer-Ronnenberg 23. 2. Dr. Mocker 22. 2. Morgenthaler 30. 4. Müller-Hermann 22. 2. Neumayer 16. 3. Odenthal 25. 2. Ollenhauer 27. 2. Rademacher 1. 3. Dr. Reif 22. 2. Dr. Rinke 1. 3. Dr. Schild (Düsseldorf) 22. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schmücker 16. 3. Schneider (Hamburg) 2. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 22. 2. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seiboth 22. 2. Dr. Strosche 22. 2. Stücklen 6. 3. Stümer 23. 2. Wagner (Ludwigshafen) 22. 2. Dr. Weber (Koblenz) 23. 2. Wedel 22. 2. Wehking 22. 2. Wehr 6. 3. Winkelheide 22. 2. Wolf (Stuttgart) 4. 3. b) Urlaubsanträge Neuburger 2. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinrich-Wilhelm Ruhnke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 1734 trägt das Datum des 3. Oktober 1955, und es ist zweifellos eine unerfreuliche Aufgabe, einen Antrag zu begründen, der schon 16 Monate alt ist und in gewissen Punkten überholt sein muß. Er ist damals entstanden, als es noch kein Atomministerium gab. Ich glaube, in dem Antrag ist auch das erste Atomprogramm aufgezeichnet, das in der Bundesrepublik aufgestellt wurde. Eine Freude haben wir Antragsteller wenigstens gehabt, daß der später bestellte Atomminister im Dezember 1955 ein Fünfpunkteprogramm aufgestellt hat, und wir konnten feststellen, daß dieses Fünfpunkteprogramm mit unserem Antrag völlig übereinstimmt.
    Nun ist, wie gesagt, inzwischen eine Reihe von Gesichtspunkten, die damals erstmalig aufgegriffen wurden, nicht mehr aktuell. So beantragten wir damals in Ziffer 1 auch die Vorlage eines Kernenergiegesetzes, und es entbehrt nicht eines gewissen Reizes, daß heute, nach 16 Monaten, die Vorlage dieses Gesetzes auf der gleichen Tagesordnung wie unser Antrag vom Oktober 1955 steht. Daß wir mit einer schnelleren Vorlage dieses Gesetzes gerechnet haben, ist wohl klar und bedarf keiner Begründung.
    Nun lassen Sie mich zu Ziffer 2 noch bemerken, daß die Frage der Koordinierung der Ressortzutsändigkeiten in der Bundesregierung mit der Errichtung des Bundesministeriums für Atomfragen an sich geklärt sein müßte. Eigentümlicherweise aber war dieser Fragenkomplex vor ein paar Wochen nicht vollkommen geklärt; denn am 12. Januar 1957 ist im Bundesanzeiger eine gemeinsame Bekanntmachung erschienen, wonach nunmehr der Bundesminister für Atomfragen auch die aus dem Gesetz Nr. 22 der alliierten Hohen Kommissare verbleibenden Befugnisse der Bundesregierung mit Wirkung vom 1. Januar 1957 übernommen hat. Bis zum 1. Januar 1957 war nämlich nach diesem noch geltenden Gesetz der Alliierten der Bundesminister für Wirtschaft für die Überwachung von Stoffen, Einrichtungen und Ausrüstungen auf dem Gebiete der Kernenergie zuständig.
    Wie die Abgrenzung auf dem Gebiete des Strahlenschutzes erfolgt, erscheint uns heute noch nicht klar; denn für den Arbeitsschutz auf dem Gebiete der Atomtechnik und der radioaktiven Stoffe ist auch nach dem neuesten Organisations- und Stellenplan der Bundesregierung das Referat III c 7 des Arbeitsministeriums zuständig. In dieser Abteilung werden ja auch die Fragen der Gewerbeordnung bearbeitet. Es besteht außerdem kein
    Zweifel darüber, daß die Materie dieses Strahlenschutzes, insbesondere die medizinische Verwendung radioaktiver Substanzen, erheblich über diesen Zuständigkeitsbereich hinausgeht. Nach Meinung der Antragsteller sollte die Bundesregierung auch hier vollkommene Klarheit schaffen und den deutschen Wissenschaftlern und Technikern und der Industrie von seiten der Verwaltung einen berufenen Gesprächspartner gegenüberstellen; dies um so mehr, als der Strahlenschutz in der Öffentlichkeit sehr stark beachtet wird.
    Nun komme ich zu Ziffer 3 des Antrags und muß hier gleich anschließen, daß die damaligen gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer und der Bevölkerung hauptsächlich im Umgang mit radioaktiven Isotopen völlig unzulänglich sind; denn radioaktive Isotope werden ja in der Bundesrepublik seit Jahren gehandelt, und es gibt keine ausreichenden Vorschriften. Zahlreiche Mitglieder dieses Hohen Hauses haben sich mehrfach — und zwar seit Beginn des Jahres 1955 — mit diesem Problem befaßt, und dank ihrer Initiative sind unseres Wissens gewisse Vorarbeiten auf Grund des § 20 der Gewerbeordnung begonnen worden. Was aber im Hinblick auf das vorliegende Gesetz geschehen ist, ist nicht bekannt. Bekannt ist lediglich, daß eine Strahlenschutzverordnung fertiggestellt sein soll, wie ja auch Herr Minister Balke vorhin andeutete.
    Das unter Ziffer 3 b angeführte Gesetz vom 8. August 1955 ist ebenfalls von den Antragstellern des zur Beratung anstehenden Antrags als Initiativgesetz eingebracht worden. Leider haben sich, nachdem dieses Gesetz in Kraft getreten ist, die Arbeiten entgegen unserer Erwartung außerordentlich verzögert. Die Ursachen der Verzögerung sind uns bekannt; neben Ressortstreitigkeiten waren es Schwierigkeiten, entsprechende Meßgeräte zu beschaffen, und die nachherige Bestellung im Ausland führte zu langen Lieferfristen. Wie wir jetzt aus dem Bericht des Atomministeriums für das Jahr 1956 ersehen konnten, sind anscheinend zehn Wetterstationen mit derartigen Geräten ausgerüstet worden. Ob sie voll arbeiten, ist uns nicht bekannt. Es würde uns auch sehr interessieren, hier zu hören, wie weit die Arbeiten nunmehr — 19 Monate nach Verabschiedung des Gesetzes — gediehen sind und welche Ergebnisse dabei erzielt worden sind. Wir glauben auch, daß bei der Durchführung der Überwachung der Gewässer und der bodennahen Luftschichten auf radioaktive Verseuchung bedacht werden muß, daß den Trägern solcher Einrichtungen, die eine Gefährdung verursachen, nachträglich Auflagen gemacht werden müssen.
    Zu Ziffer 4 des Antrags möchte ich feststellen, daß es zwischenzeitlich zu dem Standardvertrag mit den USA und zu einem Vertrag mit Großbritannien gekommen ist.
    Was hinsichtlich der Ziffern 4 b, 4 c und 4 d geschehen ist, ist nicht allgemein bekannt; vielleicht kann Herr Bundesminister Balke dazu einiges ausführen.
    Zu Ziffer 5 des Antrags ist noch zu sagen, daß die Frage des Nachwuchses und der Ausbildung vorhandener Fachkräfte von allen Seiten als vordringlich und bedeutsam anerkannt worden ist. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß nicht nur an die Ausbildung der Studenten gedacht ist, sondern in erster Linie auch an die Weiterbildung von Technikern, Chemikern, Medizinern, Biologen usw. Das


    (Ruhnke)

    dürfte natürlich in erster Linie Sache der Länder
    sein, bedarf jedoch der Unterstützung des Bundes.
    Wichtig sind die Verhandlungen bezüglich der Ziffer 5 b. Hinsichtlich der Einrichtung neuer Lehrstühle ist bisher wenigstens einiges geschehen. Zu diesem Punkt werden wir aber bei anderer Gelegenheit noch vieles zu sagen haben.
    Der nächste Punkt des Antrags stellt die Maßnahmen heraus, die einer finanziellen Förderung bedürfen. Wir haben uns zwischenzeitlich mit den Plänen des Bundesministeriums für Atomfragen befaßt. Aber es war das eigentliche Anliegen der Antragsteller, daß kurzfristig ein entsprechender Finanzierungsplan vorgelegt wird, der einen längeren Zeitraum umfaßt. Wir haben von Herrn Minister Balke vorhin gehört, welche gewaltigen Kapitalinvestitionen notwendig sind, um auf diesem Gebiete einigermaßen vorwärtszukommen. Es wäre sicherlich richtig, wenn in dieser Hinsicht beschlossen würde, daß seitens des Atomministeriums ein Finanzierungsplan aufgestellt wird, der sich über mehrere Jahre erstreckt. Wir wissen alle, daß für die Entwicklung der Kernenergie auf allen Gebieten Investitionen gemacht werden müssen und daß das bisher Erdenkliche an Mitteln weit überschritten wird. Es ist notwendig, daß sich das Parlament ein Bild davon macht, wie hoch diese Mittel für die Bundesrepublik sein werden.
    Bezüglich der Ziffer 6 unseres Antrags müssen wir uns darüber im klaren sein, daß die Forschungen auf dem Gebiete der theoretischen und der experimentellen Kernphysik, der Chemie sowie hinsichtlich der Anwendung radioaktiver Isotope in Medizin, Landwirtschaft und Technik noch lange nicht abgeschlossen sind. Gerade für diese Gebiete sind ausreichende Mittel notwendig, damit wir künftig eine solche Situation, wie wir sie zur Zeit haben, vermeiden. Wir können uns das volkswirtschaftlich einfach nicht leisten. Wir dürfen nicht noch weitere Jahre nachhinken, sondern müssen dafür Sorge tragen, daß es einer Gruppe wissenschaftlicher Fachleute möglich ist, n u r für die Zukunft zu arbeiten. Insbesondere dürften Vorarbeiten für sogenannte schnelle Reaktoren für die friedliche Nutzung der Kernverschmelzung vordringlich sein. Die Pressenachricht über die Erfindung, die in Rußland angeblich gemacht worden ist, hat uns ja wohl alle in Erstaunen gesetzt. Ob sie richtig ist, wird die Zukunft lehren. Da wäre schon wieder etwas entdeckt, was alles Bisherige weit übertrifft und was ganz neue Wege auf diesem Gebiet weist.
    Der letzte Punkt des Antrags brachte schon vor 16 Monaten das Interesse der Mitglieder dieses Hauses an einer umgehenden Unterrichtung über den Stand der laufenden und künftigen internationalen Verhandlungen auf dem Gebiete der Kernenergie zum Ausdruck. Leider sind wir — darüber ist von dieser Stelle schon gesprochen worden — auf diesem Gebiet nicht weitergekommen; wir sind nicht unterrichtet worden! Wir stehen noch heute, obwohl der Euratom-Vertrag fertiggestellt worden ist, auf schwankendem Boden; dem Parlament sind die Bestimmungen des Vertrags nicht bekannt. Ganz zweifellos haben sie aber eine besondere Bedeutung. Wir werden ja noch bei der Diskussion über den Gesetzentwurf über diese Dinge zu sprechen haben. Ich glaube auch, daß nunmehr eine Unterrichtung durch die Bundesregierung erfolgen wird. Wenn sie auch verspätet ist, so wird doch immerhin eine Hoffnung, die wir immer in uns getragen haben, erfüllt werden.
    Ich beantrage die Überweisung des Antrags Drucksache 1734 an den Ausschuß für Atomfragen.

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel zur Begründung des Antrags Drucksache 2576.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Walter Drechsel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei hat mit Drucksache 2576 bereits am 28. Juni 1956 einen Antrag betreffend die Versuche mit Atombomben eingereicht, den zu begründen ich die Ehre habe. Ich lege Wert auf die nochmalige und ausdrückliche Feststellung des Datums vom Juni 1956, um zu zeigen, daß wir nicht etwa von den inzwischen, besonders in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres sich mehrenden derartigen Vorstellungen verschiedener offizieller und wissenschaftlicher Kreise getrieben worden sind, sondern daß unser Antrag schon vor längerer Zeit durch die Besorgnisse hervorgerufen wurde, die bereits damals auf Grund der Auswirkungen der verschiedenen Versuchsabwürfe von Atombomben in der ganzen Welt eingetreten waren. Ich werde mir erlauben, auf einzelne der anderweitigen ähnlichen Vorstellungen im Laufe meiner Begründung hinzuweisen.
    Wir sind uns bei unserem Antrag im klaren, daß es sich hierbei um ein Problem handelt, welches nicht nur Gesundheit und Bestand der Menschheit überhaupt berührt, sondern auch — man möchte sagen: leider - hochpolitisch ist. Es mag der Einwand kommen, daß es sich für die Bundesrepublik bei einem derartigen Appell um eine von vornherein einseitige Betrachtung des ganzen Problems handeln muß, da wir bekanntlich Atombomben weder herstellen dürfen noch herstellen wollen, also selbst nicht dazu beitragen, bei einem Verzicht auf Versuche mit solchen Waffen mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir Antragsteller meinen aber sehr wohl zu einem solchen Appell berechtigt zu sein angesichts der erschreckenden Feststellungen, die von objektiver Seite und an vielen Orten der Welt erbracht worden sind und die zumindest als ernsthafte Warnungen für die Bevölkerung der gesamten Erde und für die verantwortlichen Staatsführungen angesehen werden sollten. Auch hierauf werde ich noch eingehen.
    Aber zuvor möchte ich ein Argument entkräften, welches uns bereits entgegengehalten worden ist. Ich möchte betonen, daß unser Antrag keineswegs nach einer Richtung geht, d. h. etwa vorwiegend oder ausschließlich nach Osten oder nach dem Westen. Es ist nach dem derzeitigen Stand davon auszugehen, daß Atombombenversuche bisher nur von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, der Sowjetunion und Großbritannien vorgenommen worden sind; also muß sich jeder dieser Staaten angesprochen fühlen.
    Lassen Sie mich wenigstens kurz die Entstehung der Gefährdung durch den Abwurf von Atombomben darstellen. Es gibt wohl keinen Streit — weder auf der politischen noch auf der wissenschaftlichen Ebene — darüber, daß eine Gefährdung des organischen Lebens mit solchen Versuchen verbunden ist. Die Explosion einer Atombombe entwickelt


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    gewaltige radioaktive Strahlungen, die dann, ,gekuppelt mit feinen und feinsten Staubteilchen, in die Atmosphäre geschleudert werden. Dieser radioaktive Staub schlägt sich je nach dem Feinheitsgrad, je nach den atmosphärischen Bedingungen, je nach den Windströmungen usw. in mehr oder weniger großen Entfernungen und Mengen auf der Erdoberfläche nieder. Dementsprechend ist auch die Zeitdauer, in der die Staubmengen herunterkommen, sehr unterschiedlich; sie kann sich unter Umständen auf Jahre erstrecken. Das heißt, daß in solchen Zeiträumen durch weitere Versuche noch Anhäufungen in der Atmosphäre erfolgen, die dann in späterer Zukunft in unbeeinflußbarer und unabsehbarer Folge niedergehen und sich auswirken. Es ist bekannt, daß solche radioaktiven Niederschläge, die von einer Explosion herrühren, auf der ganzen Erdoberfläche nachgewiesen worden sind.
    In der Antwort des Herrn Bundesministers für Atomfragen vorn 20. Juli 1956 auf eine Kleine Anfrage einiger Mitglieder dieses Hauses wird bestätigt, daß eine Erhöhung der Radioaktivität in der Atmosphäre über der Bundesrepublik von Atom- und Wasserstoffbomben herrührt, die Gefahrengrenze jedoch noch nicht erreicht oder gar überschritten worden ist.
    Durch Trinkwasser, pflanzliche und tierische Nahrungsstoffe gelangen die gesundheitsschädlichen Strahlungen in den menschlichen Körper. Als beachtliche und bedenkliche Nebenerscheinung ist noch zu verzeichnen, daß im pflanzlichen, tierischen und menschlichen Organismus solche Strahlungsträger sich in bestimmten Teilen zu akkumulieren vermögen. Es gibt nun verschiedene Strahlenwirkungen, die bei hohen Dosen bis zum Tode führen und andererseits genetische Folgen haben können, die noch viel zuwenig erkannt und erforscht sind, als daß man hinsichtlich der Veränderung der Erbmasse genauere Aussagen machen könnte. Ich kann in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen hinweisen, die Herr Minister Balke vor wenigen Minuten gemacht hat. Man weiß aber jedenfalls genau, daß solche Strahlungen auf das Erbgut — und leider nur ausnahmsweise im günstigen Sinne — einwirken. Nicht zuletzt wird das durch zahlreiche Arbeiten anerkannter amerikanischer Forscher bestätigt. Man weiß ebenfalls genau, daß gegenwärtig auf diesem Gebiet eine Tolerenzdosis noch nicht festlegbar ist. Es liegt mir fern, diese nur ganz kurz geschilderten Gefahren zu übertreiben. Aber wir wollen und sollten uns alle sehr hüten, diese Dinge zu bagatellisieren oder sie gar aus politischen Gründen nicht wahrhaben zu wollen. Ich darf auf eine Äußerung des Herrn Bundesministers für Atomfragen vom 14. November 1956 vor dem Atomausschuß dieses Hauses verweisen, in der er den gleichen Standpunkt eingenommen hat.
    Sie alle, meine Damen und Herren, haben von den unglücklichen japanischen Fischern gelesen, die in eine solche Niederschlagszone einer Atombombenexplosion geraten sind. Das ist auch ein Zeichen dafür, daß man noch nicht einmal übersehen kann, wie weit die akuten Gefahrenzonen sich ausdehnen, geschweige denn, daß man die Auswirkungen überhaupt zu beherrschen vermag.
    Gewiß sind die Orte, wo zur Zeit solche Versuche angestellt werden, verhältnismäßig weit von uns entfernt. Aber was gelten schon irdische Entfernungen bei solchen Kräften, die der Mensch nun zu entfesseln vermag!
    Ich mache ausdrücklich einen Unterschied zwischen dieser Verseuchung durch Atombomben und der Möglichkeit von Strahlenschäden bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie, die man wohl abzuschirmen vermag. Im letzteren Falle bin ich durchaus der Ansicht des Herrn Ministers Balke, daß Wissenschaft und Technik in der Lage sind, mit den dabei auftretenden Schwierigkeiten fertigzuwerden. Wir haben aber gewisse Besorgnisse und Befürchtungen, daß gerade im Hinblick auf die militärischen Notwendigkeiten, die bei den Atombombenversuchen immer vorliegen, doch nicht die gebührende Rücksicht genommen wird. Wie bereits gesagt, sind wir mit diesen Besorgnissen und Befürchtungen durchaus nicht allein. Zahlreiche Atomwissenschaftler der Welt fordern Schutzgesetze gegen die radioaktive Verseuchung der Atmosphäre durch Kernwaffenversuche.
    Lassen Sie mich bitte einige Beispiele angeben. Im Juli 1956 wurde von dem heute auch schon erwähnten Medical Research Council dem britischen Parlament ein Bericht über die medizinischen Probleme der Kernstrahlen einschließlich der genetischen Aspekte vorgelegt. Dieser Bericht des Medizinischen Forschungsrats in Großbritannien über die Strahlengefährdung der Menschen wurde in erster Linie von der Besorgnis wegen der langfristigen Wirkung der Atomwaffenversuche veranlaßt.
    Im Oktober 1956 schlug Ministerpräsident Bulganin erneut dem Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Abkommen über die Einstellung der Atombombenversuche aus gleichen Erwägungen vor.
    Der Bayerische Senat faßte am 12. Oktober 1956 den Beschluß, daß die Bayerische Staatsregierung bei der Bundesregierung dafür eintreten solle, das Internationale Rote Kreuz einzuschalten und auf diplomatischem Wege bei den in Frage kommenden Staaten und internationalen Instanzen vorstellig zu werden.
    Der Hessische Landtag forderte am 30. November 1956 einstimmig — ich möchte betonen: einstimmig — die Einstellung der Atombombenversuche.
    Nicht unerwähnt bleibe die Entschließung des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom Oktober 1956, die an die verantwortlichen Staatsmänner aller Länder appelliert.
    Von Wissenschaftlern und Ärzten wird es in aller Öffentlichkeit als Sünde an der Nachkommenschaft bezeichnet, wenn derartige Versuche fortgesetzt werden
    Auch der Herr Präsident des Deutschen Bundestages Dr. Gerstenmaier forderte in einem Vortrag im Juli des vergangenen Jahres eine beschleunigte, international wirksame Begrenzung der Atomexperimente mit dem Ziel des völligen Verzichts auf die weitere Erprobung von Atombomben.
    Gerade in diesen Tagen wird in der Presse von einer Note Japans an Großbritannien berichtet, in der darum ersucht wird, die Versuche mit Wasserstoffbomben, die vom März bis August 1957 bei den Weihnachtsinseln im Stillen Ozean vorgesehen sind, nicht durchzuführen.
    Die Wiedergabe einiger solcher Beispiele und Stimmen aus der ganzen Welt ist keineswegs erschöpfend; sie könnte noch wesentlich erweitert werden.


    (Dr.-Ing. Drechsel)

    Wenngleich die Strahlenbelastung des menschlichen Organismus bei der Bevölkerung der Bundesrepublik gegenwärtig noch keinen Anlaß gibt, irgendwelche Schreckgespenste an die Wand zu malen, darf doch nicht übersehen werden, daß die Situation leicht und schnell kritisch werden kann. Ich wiederhole, daß wir es zu bezweifeln wagen, ob gerade bei militärischen Versuchen immer an mögliche Folgen für die Gesundheit und den Bestand der Menschheit in allen Teilen der Erde gedacht wird.
    Der bereits erwähnte Bericht, der dem englischen Unterhaus vorgelegt wurde, kommt zu der Schlußfolgerung, daß bei der gegenwärtigen Höhe der Strahlenbelastung keine erkennbare Zunahme einer Häufigkeit von Krankheitsfolgen zu erwarten ist; trotzdem könne man in Anbetracht der unzulänglichen Kenntnisse die Möglichkeit nicht ignorieren, daß wir uns, wenn die Versuchsrate zunehme und vor alien Dingen, wenn größere Zahlen von thermonuklearen Waffen zur Explosion gebracht würden, innerhalb der Lebenszeit einiger schon Geborener Konzentrationshöhen nähern könnten, die bei einer kleinen Zahl von Menschen Krankheitsfolgen haben könnten. Das ist bei der vorsichtigen Formulierung, die von einem solchen Gremium selbstverständlich gewählt wird, meiner Auffassung nach schon eine recht klare und deutliche Warnung. Bei der Debatte im Unterhaus hierüber und über notwendige langwierige und umständliche wissenschaftliche Forschungen, um einen besseren Einblick in die genetischen Auswirkungen zu bekommen, kam mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß man hierzu nicht Bombenexplosionen braucht, die uns der unabwendbaren Gefahr näherbringen und nicht mehr umkehrbare Veränderungen des menschlichen Erbgutes herbeiführen können.
    Die Mitglieder dieses Hauses, die vor einigen Tagen die Vorträge einiger Professoren vor dem Atomausschuß mit angehört haben, werden zweifellos recht nachdenklich geworden sein, als sie die möglichen Folgen solcher Strahlungen auf den menschlichen Körper und für die künftigen Generationen aus sachverständigem Munde dargelegt bekamen. Man kann den Schluß ziehen, daß es heute nicht nur möglich ist, die Menschen durch Atombomben und ähnliche Massenvernichtungswaffen mehr oder weniger rasch und plötzlich auszurotten, sondern ebenso sie durch langsam wirkende, sich über Generationen ausdehnende Schädigungen der Erbanlagen zur Degeneration und zum Aussterben zu bringen. Das sind aber nicht etwa unvermeidliche Entwicklungen; darüber sollte sich die Menschheit immer klar sein. Das eigene Schicksal ist nach wie vor in ihre eigene Hand gegeben.
    Wir sind uns natürlich bewußt, daß eine Forderung nach Einstellung der Versuche mit Atombomben aller Art mit einer umfassenden Kontrolle der Anwendung von Atomwaffen bis zu einem allgemeinen Verzicht hierauf in Zusammenhang steht. Es ist aber unsere Meinung, daß schon jetzt durch Absprachen die Einstellung der Versuche international vereinbart werden könnte. Die Entwicklung dieser schrecklichen Waffen, die nach der Hoffnung der gesamten Menschheit nie zur Anwendung kommen dürfen, ist doch offensichtlich bis zu einem Grade durchgeführt, daß man ohne machtpolitische Einbuße von weiteren Versuchen Abstand nehmen könnte, bis man die Auswirkungen in vollem Umfang übersieht und beherrscht. Nach den letzten Berichten über amerikanische Versuchsanordnungen scheint man in dieser Richtung bereits zu Ergebnissen gekommen zu sein. Wir haben daher auch in unseren Antrag aufgenommen, daß gegebenenfalls Versuche wieder aufgenommen werden können, wenn Voraussetzungen dafür vorliegen. Dem Argument, daß eine Kontrolle über ein Einhalten eines solchen Versuchsverbots unmöglich sei, ist leicht zu begegnen. Nach den bekannten Meßmethoden ist es schon bisher möglich, ziemlich genau nach Zeitpunkt, Ort und Größe Atombombenexplosionen festzustellen.
    Unser Antrag fordert nun von der Bundesregierung, daß sie bei den Vereinten Nationen oder unmittelbar bei den in Frage kommenden Mächten vorstellig wird. Man mag der Auffassung sein, daß ein solcher Appell nach den gegebenen technischen und politischen Voraussetzungen nutzlos ist und keine Beachtung finden wird. Abgesehen davon, daß wir der Bevölkerung unseres Landes gegenüber eine Verantwortung auch für ihr gesundheitliches und menschliches Fortbestehen haben, besteht diese Verantwortung auch der ganzen Menschheit gegenüber. Ein solcher Aufruf an die Welt durch unsere Staatsführung, der möglichst weltweite Unterstützung finden möge, muß also unserer Auffassung nach trotzdem erfolgen. Gerade aus der Erfahrung der letzten Monate wissen wir doch, daß die Weltmeinung ein Faktor ist, der selbst von Großmächten nicht übergangen werden kann. Diese Weltmeinung mit zu bilden ist auch die Bundesregierung durchaus berechtigt und im vorliegenden Fall sogar verpflichtet.
    Ich habe bereits dargelegt, daß zur Zeit nur drei Großmächte an solchen Versuchen beteiligt sind. Mit diesen unterhalten wir diplomatische Beziehungen, so daß Vorstellungen auf dem von uns vorgeschlagenen diplomatischen Wege ohne weiteres erhoben werden können. Obwohl die Bundesrepublik nicht Mitglied der Vereinten Nationen ist, kann sie sich in dieser Angelegenheit ebenfalls an die Vereinten Nationen wenden. Die Berechtigung und die rechtlichen Voraussetzungen hierzu wurden in der bereits erwähnten Debatte im Bayerischen Senat vom 12. Oktober 1956 nachgewiesen.