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ID0219403000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 194. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957 11047 194. Sitzung Bonn, Freitag, den 22. Februar 1957. Zur Tagesordnung: Peters (SPD) 11048 A Geiger (München) (CDU/CSU) . . . 11048 C Mitteilung über die Erledigung des in der 112. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages verabschiedeten Gesetzes über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten (Drucksachen 1817, 1836) durch die im Gesetz über den Ladenschluß (BGBl. I S. 875) erfolgte Regelung (Drucksache 3226) 11048 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 299, 320, 324 und 325 (Drucksachen 2871, 3223; 3122, 3224; 3155, 3227; 3164, 3225) 11048 D Erste Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksache 3208) 11048 D Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich 11049 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3210) 11049 A Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung 11049 A Beratung der Großen Anfrage der Abg. Ruhnke, Geiger (München), Dr.-Ing Drechsel, Elsner, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1657) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes und des Entwurfs eines Gesetzes über die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (Drucksache 3026) mit der Beratung des Antrags der Abg. Ruhnke, Schwann, Dr. Bartram, Geiger (München), Dr. Gülich, Elsner, Dr. Elbrächter, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Schild (Düsseldorf) u. Gen. betr. Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke (Drucksache 1734), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Atombombenversuche (Drucksache 2576), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Überwachung des Meerwassers auf radioaktive Bestandteile (Drucksache 2597) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Berufung einer unabhängigen Kommission zum Schutze der Bevölkerung vor Radioaktivität (Drucksache 2764) 11049 A Geiger (München) (CDU/CSU), Anfragender 11049 B, 11085 B Dr.-Ing. Balke, Bundesminister für . . . 11051 A, 11088 B, 11089 A Ruhnke (SPD), Antragsteller 11061 A, 11069 B Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Antragsteller 11062 C, 11073 D Dr. Elbrächter (DP), Antragsteller . . 11065 A Dr. Ratzel (SPD), Antragsteller 11065 C, 11079 D, 11080 A, 11088 A, D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 11073 D, 11077 D Euler (FVP) . . . . 11078 A, 11079 D, 11080 A Dr. Reichstein (GB/BHE) 11080 D Elsner (GB/BHE) 11083 B Kurlbaum (SPD) 11087 B Schlick (CDU/CSU) 11087 D, 11088 B Vizepräsident Dr. Jaeger 11089 D Ausschußüberweisungen 11089 D Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes (Drucksache 3228) 11090 C Vizepräsident Dr. Jaeger 11090 D Beschlußfassung 11090 C Nächste Sitzung 11090 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11091 A Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Ackermann 16. 3. Albers 3. 3. Dr. Atzenroth 22. 2. Bals 4. 3. Dr. Bartram 27. 2. Bauer (Wasserburg) 22. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 16. 3. Behrisch 2. 3. Fürst von Bismarck 22. 2. Bock 22. 2. Böhm (Düsseldorf) 22. 2. Brandt (Berlin) 22. 2. Brese 9. 3. Brockmann (Rinkerode) 22. 2. Dr. Brühler 22. 2. Dr. Bucerius 22. 2: Cillien 2. 3. Dr. Conring 22. 2. Corterier 22. 2. Dr. Czaja 6. 3. Dr. Dehler 28. 2. Dr. Deist 22. 2. Demmelmeier 22. 2. Eberhard 28. 2. Erler 22. 2. Frau Finselberger 1. 3. Frau Friese-Korn 22. 2. Frau Dr. Gantenberg 22. 2. Gerns 22. 2. Dr. Gille 22. 2. Dr. Gleissner (München) 22. 2. Gockeln 2. 3. Frau Heise 6. 3. Hepp 2. 3. Hilbert 24. 2. Dr. Höck 28. 2. Höfler 2. 3. Hoogen 22. 2. Hufnagel 22. 2. Abgeordnete(r) bis einschließlich Huth 22. 2. Dr. Jentzsch 22. 2. Kahn-Ackermann 22. 2. Kalbitzer 22. 2. Kalinke 22. 2. Keuning 22. 2. Kiesinger 9. 3. Dr. Köhler 2. 3. Frau Korspeter 2. 3. Krammig 22. 2. Lücke 6. 3. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 22. 2. Lulay 22. 2. Meyer-Ronnenberg 23. 2. Dr. Mocker 22. 2. Morgenthaler 30. 4. Müller-Hermann 22. 2. Neumayer 16. 3. Odenthal 25. 2. Ollenhauer 27. 2. Rademacher 1. 3. Dr. Reif 22. 2. Dr. Rinke 1. 3. Dr. Schild (Düsseldorf) 22. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schmücker 16. 3. Schneider (Hamburg) 2. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 22. 2. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seiboth 22. 2. Dr. Strosche 22. 2. Stücklen 6. 3. Stümer 23. 2. Wagner (Ludwigshafen) 22. 2. Dr. Weber (Koblenz) 23. 2. Wedel 22. 2. Wehking 22. 2. Wehr 6. 3. Winkelheide 22. 2. Wolf (Stuttgart) 4. 3. b) Urlaubsanträge Neuburger 2. 3.
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    Rede von Dr. Willy Reichstein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Gesamtdeutschen Blocks/BHE möchte ich folgende Stellungnahme zu den vorliegenden Anträgen und zu den Gesetzentwürfen abgeben.
    Zum Antrag Drucksache 1734 möchten wir dringend empfehlen, unter Ziffer 3 c), wo verlangt wird, daß die Bundesregierung die Überwachung der Ge-


    (Dr. Reichstein)

    wässer in der Bundesrepublik veranlaßt, hinzuzufügen: „des Bodens, der Flora, der Fauna und der landwirtschaftlichen Produkte", und zwar wegen des Kreislaufs, dem Pflanze, Tier und Mensch unterworfen sind. Es kann also auch von Bedeutung sein, daß man weit mehr als nur die Gewässer beobachtet.
    Zu Ziffer 6 c), wonach besonders Mittel für die experimentelle Kernphysik in den Haushaltsplänen ausgeworfen werden sollen, wünschen wir, daß auch für die Strahlenforschung, die Strahlenbiologie und die Genetik ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, weil wir der Auffassung sind, daß die Bemühungen, die Atomtechnik fortschreitend zu verbessern, parallel gehen müssen mit den Bemühungen, auch den Atomschutz zu vergrößern.
    Zu den vorliegenden Gesetzentwürfen kurz unsere Stellungnahme wie folgt: Die Bundesregierung ist der Meinung, daß das Gesetz im Auftrag des Bundes von den Ländern durchgeführt werden soll. Angeblich entspricht eine solche Konstruktion dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik. Wir sind der Meinung, daß das Problem der Anwendung der Kernenergiekommission kein Exerzierplatz für den Föderalismus sein sollte.

    (Zustimmung beim GB/BHE.)

    Wir haben erhebliche Bedenken, ob eine Bundesauftragsverwaltung mit doch sehr zweifelhaften Weisungsbefugnissen überhaupt in der Lage ist, den im Gesetz liegenden Problemen gerecht zu werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es ist die Frage, ob nicht eine eventuelle materielle Änderung des Gesetzes zwangsläufig zu einer Änderung in den Gesichtspunkten führt, auf welcher Basis es durchgeführt werden soll. Meine Fraktion hat zur Zeit jedenfalls noch keine Neigung, einer etwa gewünschten Grundgesetzänderung zuzustimmen.
    Zum Atomgesetz selbst folgendes. Wir haben gegen fast alle Bestimmungen dieses Gesetzes erhebliche Bedenken. Das Gesetz soll nach seinem Zweck — in § 1 ist es niedergelegt — eine möglichst freie und ungehinderte Entwicklung der Erforschung der Kernenergie ermöglichen, Leben, Gesundheit und Sachgüter schützen. Es ist sehr fraglich, ob dieser Zweck bei der Anwendung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit mit Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis erreichbar ist. Die heutige Argumentation des Herrn Ministers bei der Begründung des Gesetzes hat uns jedenfalls noch nicht von dieser Meinung abbringen können.
    Ich weise darauf hin, daß auch der Bundesrat erhebliche Bedenken hatte. Das kommt darin zum Ausdruck, daß er noch einen Schritt weiterging und wegen der besonderen Art der Dinge, die es hier zu regeln gibt, zumindest eine staatliche Konzession an Stelle der Gewerbefreiheit für notwendig hielt. Gegen die Anwendung des Prinzips der Gewerbefreiheit auf diesem Gebiete sprechen nach unserer Auffassung noch folgende Gesichtspunkte. Die Kernenergie ist in ihrer Wirkung und möglichen Gefährdung völlig unvergleichbar mit den bisher in der Industrie verwendeten Energien. Für die anderen Industriezweige mag das Prinzip der Gewerbefreiheit am Platze sein. Auf diesem Gebiet sind wohlüberlegte Planungen unbedingt erforderlich. Es besteht ,der Zweifel, ob dies bei Aufrechterhaltung des Prinzips der Gewerbefreiheit möglich ist.
    Ein weiteres Problem liegt in den hohen Kosten, die die Energiegewinnung zumindest zur Zeit noch erfordert. Die hohen Kosten würden vermutlich zur Folge haben, daß sich diese Energiequellen in der Hand weniger befinden, wodurch diese eine unerwünschte Monopolstellung lauf diesem Gebiet erreichen würden. Weiterhin bestünde ,die Gefahr — und jede Gefahr ist hier sehr ernst zu nehmen —, daß die unbedingt notwendigen und zur Zeit jedenfalls auch noch außerordentlich kostspieligen Schutzmaßnahmen dauernd in Konflikt geraten würden mit dem an sich verständlichen Wunsch von Betrieben, möglichst viel zu verdienen.
    Die Bestimmung über die Haftung, die der Gesetzentwurf enthält, scheint uns hinsichtlich der dort festgelegten Summen ebenfalls unzureichend zu sein. Es ist auch sehr problematisch, daß das Gesetz eine Ersatzpflicht für den Fall ausschließt, daß der Nachweis der gebotenen Sorgfalt geführt werden kann. Meine Damen und Herren, wer in Großbetrieben der Chemie tätig war — überhaupt kann man das schon auf Grund allgemeiner menschlicher Erfahrung sagen —, weiß doch, daß im Falle einer Katastrophe der Nachweis, ob die gebotene Sorgfalt tatsächlich geübt worden ist, deshalb gar nicht mehr zu führen ist, weil die, die ihn hätten führen müssen, gar nicht mehr leben. Aus diesem Grunde also auch erhebliche Bedenken gegen diese Formulierung.
    Die Schutzmaßnahmen müssen schon auf Grund der Natur dieser neuen Energie viel umfassender sein als die Schutzmaßnahmen, die in allen anderen Zweigen der Industrie erforderlich sind. Das Gesetz selbst läßt in seinen Strafbestimmungen das Ausmaß möglicher bedrohlicher Ereignisse erkennen.

    (Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt den Vorsitz.)

    Ich verweise auf den § 32 Abs. 2, in dem Strafe für einen Täter angedroht wird, der es unternimmt, eine „unübersehbare Zahl von Menschen" zu gefährden. Die Schutzbestimmungen müssen unter allen Umständen einen ausreichenden Schutz des einzelnen Menschen gewährleisten, der in diesen Energiebetrieben arbeitet. Insbesondere muß sichergestellt werden, daß Keimschädigungen und Idamit Schädigungen der Nachkommenschaft vermieden werden. Wie sehr die Öffentlichkeit durch sich widersprechende Auffassungen über dieses Problem beunruhigt ist, wissen Sie alle; das ist hier bereits oft erwähnt worden. Ich erinnere an die Schwierigkeiten, die der Errichtung eines Reaktors in Karlsruhe entgegenstehen. Das beruht aber zum Teil auf der sehr schlechten Übung, daß man wissenschaftliche Erkenntnisse durch die politische Brille betrachtet. Hier ist meine Fraktion der Auffassung, daß eine völlig unabhängige Kommission zu diesen Fragen Stellung nehmen muß und daß die Bundesregierung die Meinung dieser Kommission entsprechend zu würdigen hat.
    Die Probleme der Schädigung und der Schutzmaßnahmen hängen eng zusammen. Bei der Festlegung von Schutzbestimmungen muß insbesondere die Tatsache berücksichtigt werden, daß die Menschen sich bei Experimenten und Forschungen viel leichter manchmal sehr lästigen Schutzmaßnahmen unterwerfen, als ,das bei der alltäglich gewordenen freien Produktion der Fall ist. Auch hier sollten Ratschläge einer unabhängigen Kommission bindend sein.


    (Dr. Reichstein)

    Ich darf in diesem Zusammenhang die Bundesregierung darauf hinweisen, daß nach meiner Kenntnis der Dinge — ich werde jede Korrektur gern zur Kenntnis nehmen - die zur Zeit noch geltende Röntgenverordnung aus dem Jahre 1941 für nichtmedizinische Betriebe als höchstzulässige Wochendosis die Menge von 1,25 Röntgen festgelegt hat. Damit liegen wir nach unseren gesetzlichen Bestimmungen um das Vierfache höher, als es die international geltende Übung ist. Die nach internationaler Ansicht höchste Wochendosis beträgt nämlich 0,3 Röntgen, und auch diese wird von vielen noch als zu hoch angesehen. Ich möchte die Bundesregierung bitten, einmal nachzuprüfen, ob ich mich irre oder ob die gesetzlichen Bestimmungen hier nicht sehr bald geändert werden müssen.
    Andere Kollegen haben schon auf den sehr interessanten medizinischen Forschungsbericht einer Kommission in Großbritannien hingewiesen. Ich will aus Zeitgründen auf sehr interessante Einzelheiten dieses Berichts nicht mehr eingehen, will aber auch das in allen Offenheit sagen: Nach diesem sine ira et studio, wie ich hoffen möchte, abgegebenen Bericht besteht zur Zeit für die Allgemeinheit noch kein Grund zur allgemeinen Beunruhigung wegen Strahlenschäden. Es ist aber allgemeine Pflicht, genau zu kontrollieren, wo und in welchem Maße man Menschen im Interesse einer Energiegewinnung Schäden aussetzt. Der Spielraum, den wir — die Menschheit überhaupt — auf diesem Gebiet haben, sollte nur nach sehr ernster Kontrolle und nach Abwägung aller Probleme ausgenützt werden.
    Es ist bekannt, daß jeder Mensch auch ohne industrielle Nutzung dieser neuen Energieart ständig einer natürlichen Bestrahlung ausgesetzt ist. Die Nahrungsmittel, der Boden, die Gebäude, die Luft, besonders in großen Höhen bei Fliegern, die Durchleuchtung und die Behandlung mit Röntgengeräten, ja, sogar die Leuchtziffern an unseren Armbanduhren bringen — wenn auch nur in sehr geringer Menge — Strahlen in den menschlichen Bereich. Die Natur dieser Strahlen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, ist also nichts Neues, sondern neu ist das Ausmaß, das die Menschen trifft.
    Wir wissen sehr gut, daß die Menschheit für alle Fortschritte oder vermeintlichen Fortschritte der Zivilisation Opfer zu bringen hat. Ich darf Sie nur an die — hier muß man allerdings schon sagen -
    fast Hekatomben von Opfern erinnern, die wir dem Fortschritt in unserem Verkehr Jahr für Jahr zum Opfer bringen, wo 12 000 Menschen jährlich getötet und Hunderttausende verletzt werden. Bei der Anwendung der Kernenergie aber wird man wegen der besonderen Gefährdungsmöglichkeiten den Nutzen und die Verbesserungen unserer Lebensbedingungen auf der einen Seite und das Maß der Gefahren auf der anderen Seite abwägen müssen. Was heute bei den Schutzmaßnahmen gespart würde, müßten spätere Generationen — und zwar ein Vielfaches mehr als das, was heute auszugeben wäre — ausgeben, um nur den Versuch zu machen, die eingetretenen Schäden wieder zu vermindern.
    Es wird nach allgemeiner Auffassung notwendig sein, daß die Zahl der Menschen, die in diesen Energiebetrieben arbeiten, nicht ein bestimmtes Verhältnis zur Zahl der Gesamtbevölkerung überhaupt übersteigt. Es wird sicher unzweckmäßig sein, daß man die Eheschließung zwischen
    Personen. die in diesen Betrieben arbeiten, empfiehlt. Man wird ihnen sogar raten, nicht zu heiraten. Es ist sicher notwendig — der Vorschlag ist auch in der letzten Zeit von einem unserer Wissenschaftler noch einmal gemacht worden —, zumindest für einen ausgewählten Kreis der Bevölkerung so etwas wie einen Strahlenpaß einzurichten.
    Eine besondere Schwierigkeit liegt zweifellos noch bei dem Bemühen, den Abfall, den sogenannten Atommüll, zu beseitigen. Die Reaktoren liefern verschiedene Mengen von Abfallstoffen, die verschieden gefährlich sind, hochaktive Spaltprodukte, die wir gerne wieder der Natur zurückgeben möchten und wo wir doch große Schwierigkeiten überwinden müssen, um das zu bewerkstelligen. Sie wissen, daß heute noch Bergwerke, tiefe Brunnen, der Ozean, ja sogar arktische Gebiete als Ablagerungsorte angesehen werden. Die vor einiger Zeit von dem Herrn Minister geäußerte Ansicht, daß auf diesem Gebiet durch Änderungen der Erkenntnisse oder durch bestimmte chemische Maßnahmen die Abfallbeseitigung vielleicht erleichtert werden könnte, soll uns zu Hoffnungen veranlassen. Zur Zeit ist es aber noch nicht so weit. Auf alle Fälle ist heute noch die Abfallbeseitigung eine sehr kostspielige Angelegenheit, besonders wenn man den auch dabei notwendigen Schutz berücksichtigt.
    Die absolute Notwendigkeit des ausreichenden Schutzes mag jedem, auch dem völligen Laien, ganz klar sein, wenn man weiß, daß durch Strahlenschädigung alle uns bekannten körperlichen Mißbildungen und geistigen Erkrankungen eintreten können.
    Diese hier in sehr kurzer Form zusammengefaßten Gründe erweisen, meine ich, die Notwendigkeit besonders strenger Schutzmaßnahmen und, was genauso wichtig ist, die Notwendigkeit der Einhaltung der Schutzbestimmungen. Es darf keine Gefährdung dieser Schutzbestimmungen dadurch eintreten, daß sie mit Produktionswünschen, mit Wünschen, die Kosten der Produktion zu verringern, um konkurrenzfähig zu bleiben, kollidieren.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wieweit die Industrie solchen Gesichtspunkten unterliegt, wissen Sie alle. Die notwendigen Maßnahmen zur Verhütung der Verunreinigung der Luft unterbleiben, weil sie zu teuer sind. Derselben Gefahr sind wir hier selbstverständlich auch ausgesetzt. Auch mit Rücksicht auf die Notwendigkeit des Schutzes ist zu prüfen, ob eine bessere Verwirklichung des als notwendig anerkannten Schutzes erreicht wird, wenn sich diese Art der Energiebetriebe nicht in privater Hand befindet. Natürlich ist auch bei einem Staatsbetrieb keine absolute Sicherheit gegeben. aber die von mir nur kurz erwähnten Möglichkeiten der Konkurrenz und des Verdienenwollens scheiden dann als eventuelle die Schutzmaßnahmen durchlöchernde Anreize aus.
    Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Kosten für Forschung und Schutz wesentlich höher sein dürften, als in unserem Haushaltsplan festgelegt. Die medizinische Forschung ist zur Zeit dabei, Mittel herzustellen, durch welche die Verträglichkeitsgrenze der Menschen bezüglich Strahleneinwirkungen erhöht wird. Wenn man bei all diesen Forschungen nicht vergißt, daß der Mensch keine Retorte ist, in der man nahezu bedenkenlos komplizierte chemische Vorgänge ablaufen lassen


    (Dr. Reichstein)

    kann, sollte man auch diese Forschung nachdrücklichst unterstützen. Wir können, fußend auf einem Bericht der schon erwähnten englischen Kommission, davon ausgehen, daß die Beurteilung aller heutigen Erkenntnisse relativ ist, weil die Zeit für die Beurteilung solcher komplizierten Vorgänge im Menschen und in der Natur noch sehr kurz ist. Man kann aber wohl unterstellen, daß auch künftige Forschungsergebnisse nicht die Erkenntnis bringen werden, daß die Strahlengefahr geringer ist, als heute angenommen wird.
    Es ist zweifellos ein allgemeiner Wunsch: Wir wollen durch Atome leben, besser leben. Es ist eine besorgte Frage aller Menschen: Werden wir durch Atome sterben? Neue Quellen stehen uns für größeren Wohlstand zur Verfügung. Ihre Ströme können uns aber auch an den Rand eines Abgrundes bringen. Wir Menschen selbst haben die Wahl. Thomas Mann hat in seiner Rede zur Schillergedenkfeier 1955 auf die Wandlungen unseres Zeitalters hingewiesen, bei denen so viele große und edle Gesichtspunkte verlorengegangen, Roheit und Raffgier gestiegen und das intellektuelle und moralische Niveau gefallen seien, — Voraussetzungen, die eine schlechte Gewähr dafür bieten, daß wir nicht in eine dritte Katastrophe stürzen, die alles beenden würde. Denn — wie er sagt — „die Menschheit hat Gefallen daran gefunden, den kosmischen Raum dazu zu benutzen, strategische Bahnen anzulegen und die Sonnenkraft zu äffen, um Energie zu gewinnen". Auch der Bundestag betritt mit der Beratung dieser Gesetzentwürfe einen sonst meist wohl gemiedenen Raum, in welchem sich Weltanschauung und Religion in einem Weltbild berühren. Die großen Naturwissenschaftler haben, der Wahrheit näherkommend, ein Weltbild geschaffen, in welchem kein Platz für menschliche Überheblichkeit mehr ist. Es wird die Hoffnung der Menschheit sein, daß die sogenanten Herren der Welt und auch die verantwortlichen Politiker wenigstens so viel von diesem Weltbild erkennen, daß es sie entmutigt, übermütig und überheblich zu sein. Uns allen aber sollten die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der religiöse Glaube, die sich gerade bei den Fragen, die heute hier zur Debatte standen, so eng berühren, das Bemühen stärken, wieder zur rettenden Ehrfurcht der Menschheit vor sich selbst zurückzufinden.

    (Beifall beim GB/BHE, bei der SPD und bei der FDP.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Elsner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Martin Elsner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte ebensowenig wie meine Herren Vorredner versäumen, mein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, daß diese Debatte erst heute stattfindet und Bundestagsdrucksachen zur Verhandlung anstehen, die schon anderthalb Jahre alt sind. Ich denke dabei besonders an den Antrag Drucksache 1734, der heute wiederholt angesprochen worden ist. Seine Eilbedürftigkeit und auch seine Bedeutung war sicher nicht zu übersehen, denn er trug ja die Unterschrift von 76 Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hohen Hauses. Nicht zuletzt enthielt er, wie bereits ausgeführt, das erste wirkliche Atomprogramm, das in der Bundesrepublik publiziert wurde.
    In diesem Antrag wird unter Punkt 6 c auch die Anwendung radioaktiver Isotope in der Landwirtschaft angesprochen. Ich habe Veranlassung, gerade zu diesem Punkt einige grundsätzliche Ausführungen zu machen, da ich nach den bisherigen Veröffentlichungen und Verlautbarungen der Bundesregierung den Eindruck gewonnen habe, daß man diesem Gebiet nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenkt. Ich denke dabei an die Atomkonferenz in Genf. Zu diesem großen internationalen Gespräch, in dem die Wissenschaftler aller Völker ihre Forschungsergebnisse auf dem Gebiete der friedlichen Anwendung der Kernenergie vorlegten, war von der Bundesregierung leider kein Vertreter zum speziellen Studium der landwirtschaftlichen und der ernährungswirtschaftlichen Fragen delegiert worden, obwohl erst einige Wochen vor dieser Konferenz von dieser Stelle aus Herr Kollege Professor Dr. Carlo Schmid anläßlich der Debatte über die Große Anfrage der SPD besonders auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, jede Möglichkeit dieser großen internationalen Zusammenkunft für die deutsche Entwicklung nutzbar zu machen. Dabei hob er gerade die Belange der Landwirtschaft hervor.
    Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat diese Anregung zum Nachteil der notwendigen Entwicklung in der landwirtschaftlichen Forschung leider nicht aufgegriffen. Gewiß mag vielerorts und vielerseits die Bedeutung dieser Entwicklung nicht richtig erkannt worden sein. Selbst gewisse Fachkreise aus anderen Staaten waren überrascht, zu erfahren, in welchem Maß gerade die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft zu den erfolgreichsten Disziplinen der friedlichen Nutzung der Kernenergie gehören. Die Ausstellung und das halbe Hundert der vorgelegten Arbeiten haben dies klar und unübersehbar dokumentiert.
    Um die Bedeutung dieser Frage herauszuheben, darf ich daran erinnern, daß heute 2,5 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Zur Zeit beträgt der jährliche Bevölkerungszuwachs 30 bis 40 Millionen. In 25 Jahren aber kann die Bevölkerung 3.5 bis 4 Milliarden Menschen zählen. In diesem Blickfeld wird gewiß deutlich, vor welchen Erzeugungsaufgaben die Landwirtschaft in naher Zukunft stehen wird. Wenn heute auch in weiten Gebieten der Erde die landwirtschaftliche Erzeugung schneller wächst als die Bevölkerung, so stehen diesen Gebieten doch große Räume gegenüber, in denen die Entwicklung umgekehrt verläuft, nämlich die Bevölkerung schneller wächst als die Produktion. Ich erinnere hierbei an Japan, Indien, China. In diesen Staaten ist seit langem das Problem Nummer eins das Ernährungsproblem. Wir in der Bundesrepublik haben mit unseren hohen Ernährungsimporten und den klimatisch bedingten Nachteilen gegenüber den großen Erzeugerländern am allerwenigsten Ursache, die Möglichkeiten einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion durch die Anwendung der Kernenergie zu vernachlässigen. Schon im Hinblick auf die europäische Union wird die deutsche Landwirtschaft jedes Mittel einsetzen müssen, um die klimatisch bedingten Nachteile und die der Bodengüte durch höchste und qualitativ feste Leistungen auszugleichen, um wettbewerbsfähig zu werden und es auch zu bleiben, das heißt praktisch, aus der nicht bequemen und auch bei der Landwirtschaft nicht beliebten Lage einer permanenten und hohen Staatssubvention herauszukommen. Schon allein diese Tatsache sollte für die Bundesregierung, für die


    (Elsner)

    Länderregierungen, aber auch für alle berufsständischen Organisationen Grund genug sein, die notwendigen Anstrengungen für die Entwicklung fortschrittlicher Erzeugungsmethoden in der Landwirtschaft zu machen. Wir haben in der Bundesrepublik keine Zeit zu versäumen, um den großen Vorsprung aufzuholen, den andere Länder auf dem Agrarsektor bereits gewonnen haben.
    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige Ausführungen zu der Anwendung der Kernenergie im Rahmen der landwirtschaftlichen Forschung und Praxis. Diese Anwendung beschränkt sich nicht nur auf die Leistungssteigerung in der Produktion, sondern im besonderen Maße kann mit ihr auch der Qualitätsminderung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse bei der Lagerung entgegengewirkt werden. Die Qualitätserhaltung der Erzeugnisse ist von entscheidender Bedeutung im Wettbewerb mit frischen Importerzeugnissen, aber auch im Hinblick auf die bisher sehr erheblichen Lagerungsverluste, die dadurch unterbunden werden können.
    Ich darf hierfür einige Forschungsergebnisse herausgreifen, die die bedeutsamen Erfolge bei zwei Massenkonsumgütern zeigen. Es handelt sich um Milch und Kartoffeln. Kartoffeln, die gleich nach der Ernte mit der richtigen Strahlenmenge behandelt werden, erhalten eine hohe Lagerfähigkeit ohne Auswuchs oder Fäulnis und erleiden keine nennenswerten Lagerungsverluste. Sie behalten ihre Frische, ihre Güte und ihren natürlichen Geschmack bis zum Anschluß an die neue Ernte. Das gleiche gilt für alle übrigen Wurzelgewächse.
    Besonders beachtenswert sind die Erfolge der Kaltsterilisation bei Frischmilch. Das britische Atomforschungsinstitut Harwell hat festgestellt, da eine mit radioaktiven Strahlen behandelte Milch sich mindestens zehn Tage frisch erhält und nichts im Geschmack und in der Güte verliert. Es zieht daraus den Schluß, daß in absehbarer Zeit die Milch nur einmal in der Woche an den Verbraucher geliefert zu werden braucht. In diesem Zusammenhang darf ich feststellen, daß auch bei uns ähnliche Versuche gemacht worden sind. Aus eigener Initiative hat die Kieler Versuchs- und Forschungsanstalt in ihrem physikalischen Institut ein milchwirtschaftliches Isotopenlabor eingerichtet.
    Große Bedeutung gewinnt die Kaltsterilisation für die Konservierung von Gemüse. Besonders die Vereinigten Staaten haben hierbei außerordentlich günstige Ergebnisse erzielt. Es hat sich dabei herausgestellt, daß die verschiedensten Gemüsearten sich für die neuen Konservierungsmethoden eignen.
    Aber auch bei der Vernichtung anderer Feinde der tierischen und pflanzlichen Erzeugnisse hat man bedeutsame Erfolge erzielt. Die radioaktiven Isotope werden bei der Grundlagenforschung in der Landwirtschaft und auch in der Ernährungswirtschaft praktisch zu so vielen Zwecken verwendet, daß im einzelnen hierauf nicht eingegangen werden kann.
    Besonders erfolgreich wurden sie in der Forschung als Spürelemente eingesetzt. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, Vorgänge im organischen und anorganischen Bereich genauestens zu verfolgen. Diese Untersuchungen haben bereits jetzt neue, grundlegende Erkenntnisse vermittelt, die zu besseren Kulturmethoden, zu höheren Erträgen und zu einer höheren Rentabilität der landwirtschaftlichen Erzeugung führen werden. So kann durch die neu gewonnenen Erfahrungen bei der Bodenbearbeitung die Bodenfruchtbarkeit gesteigert werden. Die neuen Untersuchungen über Pflanzenernährung und Pflanzendüngung haben eine Rentabilitätssteigerung der Düngung und damit eine erhebliche Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung gebracht.
    Endlich konnte man auch die Fragen klären, inwieweit bestimmte Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen Gefahren für die menschliche Gesundheit bringen. Gleichzeitig damit wurden die Schädlingsbekämpfungsmethoden und auch die -mittel erheblich verbessert.
    Mit der Markierung durch Isotope hat man in der Tierzucht Aufschluß und neue Erfahrungen über Nährstoffwechsel, Nährstoffausnutzung und Ertragsbildung, insbesondere bei Fleisch, Milch, Wolle und Eiern, sowie über tierische Krankheiten gewonnen.
    Beachtenswert sind die Ergebnisse des Landwirtschaftlichen Radiuminstituts in Rom, das sich mit Forschungen über die biologische Wirkung radioaktiver Strahlen befaßt. Man setzte dort im Versuchsabschnitt Weizensaatgut einer gemischten Neutron-Gammastrahlung aus und säte dieses Saatgut fünf Monate später als im Normalverfahren aus. Der bestrahlte Weizen holte das Wachstum des um fünf Monate früher gesäten Normalweizens in kurzer Zeit auf und war bereits nach 64 Tagen bei gleichem Ertrag erntereif. Bei ähnlichen Versuchen in Schweden brachte bestrahltes Saatgut einen um 10 0/o höheren Ernteertrag.
    Wohl die erstaunlichsten Erfolge sind bei der Züchtung, insbesondere der Pflanzenzüchtung eingetreten. Aus einer großen Zahl von durch radioaktive Strahlung herbeigeführten Erbgutveränderungen ist es in den Vereinigten Staaten gelungen, eine um vieles ertragreichere Erdnußstaude und einen rostresistenten Hafer und Weizen zu züchten. Man befaßt sich zur Zeit im Rahmen eines groß angelegten Forschungsprogramms mit den mutationsauslösenden Wirkungen der radioaktiven Strahlen bei der Züchtung besserer und ertragreicherer Getreide- und Obstsorten und wertvollerer Tierrassen. Die Anfangserfolge lassen außerordentlich große Erwartungen zu.
    In der Bundesrepublik wäre die Möglichkeit zu solchen Versuchsreihen und Forschungen auch gegeben gewesen; denn eine Einfuhr von Isotopen erfolgte bereits, als die eigentliche Kernenergieforschung noch untersagt war. Das wirtschaftliche Interesse war auch vorhanden. Trotzdem erfolgten Arbeitsansätze nur vereinzelt. Es fehlte leider an der Unterstützung solcher Bemühungen durch den Bund und die Länder. Ein entsprechendes Institut mit langjähriger und vielseitiger Erfahrung auf diesem Gebiet wurde sogar geschlossen. Dabei haben all diese Arbeiten nicht nur eine Bedeutung für die Steigerung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, sondern auch hinsichtlich möglicher Gefahren einer Verseuchung durch eingeführte Nahrungs- und Futtermittel.
    Bei aller positiven Würdigung der fortschrittlichen Entwicklung in der praktischen Verwendbarkeit der Kernenergie muß doch mit Nachdruck auf die großen Gefahren hingewiesen werden, die damit zwangsläufig verknüpft sind. Förderungs- und Sicherheitsmaßnahmen des Staates müssen daher Hand in Hand gehen.


    (Elsner)

    Zusammenfassend darf ich noch einmal kurz sagen: Seitens der zuständigen Behörden von Bund und Ländern sollte alles getan werden, um die Arbeiten zur Verwendung der Kernenergie zum Nutzen .der Landwirtschaft voranzutreiben. Dabei kann man auf die bereits vorhandenen Institute und Laboratorien zurückgreifen, indem man dort entsprechende Arbeitsplätze einrichtet. Außerdem sollte von der Bundesregierung für folgende Maßnahmen vordringlich Sorge getragen werden. Erstens: Die für die deutsche Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft wichtigen Probleme in Verbindung mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie bedürfen einer zentralen Bearbeitung und Weitergabe an die interessierten Kreise. Zweitens: Dringend notwendig ist der Aufbau und die Unterhaltung eines Kobalt-60- Bestrahlungsfeldes zur Erzeugung künstlicher Mutationen und die Belieferung der Züchter mit Material. Drittens: Wissenschaftler und Techniker für dieses Spezialgebiet müssen ausgesucht und herangebildet werden. Viertens: Methoden zum Schutze der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft gegen radioaktive Verseuchung, die selbst in Friedenszeiten eintreten kann, müssen erarbeitet werden. Schließlich sind geeignete Fachleute zu den internationalen Kongressen zu entsenden.
    Die großen Erkenntnisse Liebigs und ihre praktische Anwendung waren die Voraussetzungen für die hohen Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft, und erst diese ermöglichten es, die stark wachsende Bevölkerung zu ernähren. Mit den Möglichkeiten, die uns die Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke bietet, werden wir noch einen entscheidenden Schritt weitergehen. Ich bin der Meinung, daß mit der Anwendung der Kernenergie in der Landwirtschaft ein ähnlich bedeutsamer Entwicklungsabschnitt beginnt wie damals mit der praktischen Verwertung der Liebigschen Forschungsergebnisse. Als ich mit den Herren Kollegen dieses Hauses, die der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft angehören, die Atomkonferenz in Genf besuchte, gewannen wir folgende klare Erkenntnis: Die fortschrittliche Entwicklung in der Nutzung der Kernenergie ermöglicht es, der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft Mittel und Wege zu zeigen, um zu hohen und konstanten Erträgen zu gelangen. Daß dies die Existenz aller angeht. braucht nicht besonders betont zu werden. Wir dürfen daher die Erwartung aussprechen, daß die Bundesregierung alles tut, um den Vorsprung, den die anderen Länder gewonnen haben, aufzuholen.

    (Beifall bei der SPD.)