Protokoll:
17150

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 150

  • date_rangeDatum: 16. Dezember 2011

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:26 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/150 Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ben), weiterer Abgeordneter und der Frak- Inhaltsverzeichnis Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Tagesordnungspunkt 29: tion der SPD: Sofortige Ost-West-An- gleichung von pauschal bewerteten Versicherungszeiten beim Erwerb von Entgeltpunkten für die Rentenversiche- rung vornehmen (Drucksache 17/6487) . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Bund-Länder-Arbeits- gruppe zur Korrektur der Überleitung von DDR-Alterssicherungen in bundes- deutsches Recht (Drucksache 17/7034) . . . . . . . . . . . . . . . Iris Gleicke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär 18004 B 18005 B 18006 A 18007 C 18008 D 18009 D 18010 D 18011 D 18013 B 18015 A 18015 A 18015 B Deutscher B Stenografisch 150. Sitz Berlin, Freitag, den 16 I n h a l Zusatztagesordnungspunkt 9: Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: zu den Ergebnissen des Klimagipfels in Durban . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b c 17991 A 17991 B 17995 D 17997 B 17998 D 17999 D 18001 A 18002 C a) Beratung der Großen Anfrage der Abge- ordneten Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, weiterer undestag er Bericht ung . Dezember 2011 t : Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zwanzig Jahre Rentenüberleitung – Perspektiven für die Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts in Deutsch- land (Drucksachen 17/5540, 17/7393) . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Iris Gleicke, Anette Kramme, Silvia Schmidt (Eisle- ben), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD: Einsetzung einer Bund- Länder-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines „Rentenüberleitungsabschlussge- setzes“ und zur Einrichtung eines „Här- tefallfonds“ (Drucksache 17/6486) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Iris Gleicke, Anette Kramme, Silvia Schmidt (Eisle- 18014 D 18014 D BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . . 18017 A 18018 D II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . Tagesordnungspunkt 30: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2011 (Drucksache 17/7711) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Roland Claus, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Staatsmi- nister für Ostdeutschland bestellen (Drucksachen 17/5522, 17/6242) . . . . . . . Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Iris Gleicke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Behrens (Börde) (CDU/CSU) . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: a) Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion b H D In S D P M P T A N A N z in (D D S G D H N A L A N R re S n A A 18019 B 18019 C 18021 B 18022 B 18022 D 18024 D 18026 C 18028 C 18029 B 18030 D 18032 B 18032 D 18033 A 18034 B 18035 D 18036 C 18036 D 18037 A 18038 B 18039 C 18040 B 18041 D 18043 B 18044 C 18045 D 18046 D DIE LINKE: Mietrecht sozial gerecht weiterentwickeln (Drucksache 17/4837) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Katrin Kunert, Katja Kipping, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Mindeststandards bei der Angemessenheit der Kosten der Unter- kunft und Heizung (Drucksache 17/7847) . . . . . . . . . . . . . . . eidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . r. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . go Egloff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . aniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ichael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 32: ntrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von otz, Nicole Maisch, Tabea Rößner, weiterer bgeordneter und der Fraktion BÜND- IS 90/DIE GRÜNEN: Grundrechte schüt- en – Datenschutz und Verbraucherschutz sozialen Netzwerken stärken rucksache 17/8161) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . erold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . r. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . alina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 euabdruck einer zu Protokoll gegebenen ede zur Beratung des Antrags: Menschen- chte und Demokratie in den Staaten des üdkaukasus fördern (149. Sitzung, Tagesord- ungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18048 B 18048 B 18048 C 18049 C 18051 B 18052 B 18052 D 18053 D 18055 B 18056 A 18057 A 18057 B 18058 A 18060 D 18062 B 18063 C 18064 D 18065 A 18065 D 18066 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 17991 (A) ) )(B) 150. Sitz Berlin, Freitag, den 16 Beginn: 9.0
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18065 (A) ) )(B) Anlagen auch mit Nichtregierungsorganisationen. Mücke, Jan FDP 16.12.2011 rechten im Südkaukasus vorgelegt haben. Auch wir Grü- nen beschäftigen uns intensiv mit den Staaten im Süd- kaukasus. Ich selbst bereiste in den letzten beiden Jahren alle drei Länder und führte ausführliche Gespräche so- wohl mit offiziellen Vertreterinnen und Vertretern als Lindner, Christian FDP 16.12.2011 Dr. Lotter, Erwin FDP 16.12.2011 Anlage 1 Liste der entschuldigte A G w s T rä d g m Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.12.2011 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 16.12.2011 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 16.12.2011 Breil, Klaus FDP 16.12.2011 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 16.12.2011 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 16.12.2011 Ehrmann, Siegmund SPD 16.12.2011 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 16.12.2011 Freitag, Dagmar SPD 16.12.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 16.12.2011 Golze, Diana DIE LINKE 16.12.2011 Hempelmann, Rolf SPD 16.12.2011 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16.12.2011 Höferlin, Manuel FDP 16.12.2011 Höger, Inge DIE LINKE 16.12.2011 Holmeier, Karl CDU/CSU 16.12.2011 Knoerig, Axel CDU/CSU 16.12.2011 Kolbe, Manfred CDU/CSU 16.12.2011 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 16.12.2011 Lange, Ulrich CDU/CSU 16.12.2011 Dr. Lauterbach, Karl SPD 16.12.2011 Lay, Caren DIE LINKE 16.12.2011 N N N P S D S S W W W W Z Z A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten nlage 2 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Menschenrechte und Demokratie in den Staaten des Südkaukasus fördern (149. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN): Europa und besonders auch Deutschland idmen der Region Südkaukasus zu wenig Aufmerk- amkeit. Der Kaukasus wird im Allgemeinen nur als ransitstrecke für Pipelines wahrgenommen. Oder er ge- t in die Schlagzeilen, wenn es richtig kracht, wie bei er kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Geor- ien und Russland im August 2008. Deshalb freue ich ich, dass die Linken einen Antrag zu den Menschen- ešković, Wolfgang DIE LINKE 16.12.2011 ietan, Dietmar SPD 16.12.2011 ink, Manfred SPD 16.12.2011 oß, Joachim SPD 16.12.2011 chlecht, Michael DIE LINKE 16.12.2011 r. Schwanholz, Martin SPD 16.12.2011 taffeldt, Torsten FDP 16.12.2011 üßmair, Alexander DIE LINKE 16.12.2011 ellenreuther, Ingo CDU/CSU 16.12.2011 erner, Katrin DIE LINKE 16.12.2011 icklein, Andrea SPD 16.12.2011 olff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 16.12.2011 apf, Uta SPD 16.12.2011 immermann, Sabine DIE LINKE 16.12.2011 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 18066 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 (A) ) )(B) Zunächst zur Außenpolitik. Bereits im Mai 2009 ha- ben die Mitgliedstaaten der EU im Rahmen der Europäi- schen Nachbarschaftspolitik, ENP, das an die regionalen Bedingungen angepasste Programm der Östlichen Part- nerschaft, ÖP, aufgelegt. Das übergeordnete Ziel dieser Partnerschaft lautet, durch die Förderung von Marktwirt- schaft und Demokratie die östlichen Nachbarstaaten der EU nachhaltig zu stabilisieren. Mithilfe der jetzt aufge- legten Neuausrichtung sollen mittels einer stärkeren Konditionalisierung von EU-Hilfen demokratische Re- formprozesse gestärkt werden. Bei Nichteinhaltung von Menschenrechts- und Demokratiestandards sollen EU- Finanzhilfen gekürzt werden und möglicherweise auch Sanktionen greifen. Das heißt umgekehrt, dass die Um- setzung der Reformschritte durch die Partnerländer durch eine zielgerichtete Erhöhung der EU-Unterstüt- zung belohnt wird. „Die Menschen in den Partnerstaaten müssen direkt vom politischen Wandel in ihrem Land profitieren“, so antwortete die Bundesregierung in unserer Kleinen An- frage zur Neuausrichtung der Europäischen Nachbar- schaftspolitik. Wir fordern daher die Stärkung der Zu- sammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Ich beginne mit Georgien. Ich stimme den Kollegin- nen und Kollegen der Linksfraktion in einem Punkt zu: Die Menschenrechtslage in Georgien hat sich in den letzten Jahren leider verschlechtert. Wir bewerten die au- toritären Tendenzen des Saakaschwili-Regimes sehr kri- tisch. Die Bereitschaft des Präsidenten Saakaschwili, für seinen Machterhalt auf repressive Mittel zurückzugrei- fen, erregt große Besorgnis. Die Schere zwischen Arm und Reich ist größer geworden. Die Regierung ignoriert die sozialen Fragen weitgehend. Anzuerkennen sind die Erfolge, die Saakaschwili in der Korruptionsbekämp- fung erzielt hat. So liegt Georgien jetzt auf Platz 68, nachdem es 2005 noch auf Platz 130 von 178 bewerteten Ländern lag. Aber dieser Erfolg kann nicht davon ablen- ken, dass soziale Mindeststandards und Umverteilungs- instrumente fehlen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 17 Prozent, und etwa 30 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Wir fordern die Bundesre- gierung auf, sich gegenüber der georgischen Regierung für mehr Vielfalt in der politischen Landschaft und vor allem auch für die Freilassung aller politischen Gefange- nen einzusetzen. Die Lage der Binnenflüchtlinge ist noch immer unbe- friedigend. 60 Millionen Euro erhält Georgien im Zeit- raum 2011 bis 2013 aus dem Nachbarschafts- und Part- nerschaftsinstrument der EU. Diese Mittel sollen nach Auskunft der Bundesregierung unter anderem für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Binnenver- triebenen aufgewendet werden. Armenien, das kleinste der drei südkaukasischen Staa- ten, kämpft nicht erst seit der Wirtschaftskrise 2008 ums wirtschaftliche Überleben. Die Industrie ist unterentwi- ckelt, investiert wurde vor allem im Bausektor, die Ab- hängigkeit von Überweisungen aus der Diaspora ist immens. Ebenso verhindern Nepotismus, Korruption – Armenien nimmt nach Transparency International im Jahr 2010 Platz 134 von 178 ein – und ein ineffizientes Steuersystem eine positive Wirtschaftsentwicklung. Der Ombudsmann für Menschenrechte beklagt eklatante Men- s P S L s G u K w E g G A D s fr C z ra s g s v s D P e a E E d E a s J M m g a M A (C (D chenrechtsverletzungen wie Folter, Misshandlungen auf olizeiwachen, in Gefängnissen und der Psychiatrie. eine Berichte führen leider kaum zu Veränderungen. Aserbaidschan ist das größte und bevölkerungsreichste and des Südkaukasus. Die aserbaidschanische Wirt- chaft hängt an der Erdöl- und Erdgasindustrie. Das ist der rund für eine beeindruckende Wirtschaftsentwicklung nd positive Außenwirtschaftsdaten. Die Kolleginnen und ollegen von der Linksfraktion loben Aserbaidschan, eil die Regierung viel Geld in Sozialprogramme pumpt. s ist sicher richtig, dass die Armut in Aserbaidschan auf- rund der Einnahmen aus Öl und Gas geringer ist als in eorgien oder Armenien, aber sehr viel Geld fließt in die ufrüstung, allein 2010 sind es knapp 1,5 Milliarden US- ollar. Präsident Ilham Alijew regiert autokratisch. Die tarke Einschränkung von Medien- und Versammlungs- eiheit in Aserbaidschan beeinträchtigt die demokratische hancengleichheit. Die seit langem verzögerte Umset- ung von eigens unterschriebenen Vorgaben des Europa- tes, insbesondere hinsichtlich der Medienfreiheit, muss charf kritisiert werden. Eine ganze Reihe führender Mit- lieder von Oppositionsparteien sowie weitere Aktivisten itzen in Untersuchungshaft. Blogger werden bedroht und erfolgt. Daher schließe ich mich den Forderungen des Aus- chusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des eutschen Bundestages an und setze mich innerhalb der arlamentarischen Versammlung des Europarates dafür in, gegenüber Aserbaidschan darauf hinzuwirken, sich n die selbst auferlegten Standards als Mitglied des uroparates zu halten und umfassende Maßnahmen zur inhaltung der Europäischen Konvention zum Schutz er Menschenrechte und Grundfreiheiten einzuleiten. in wichtiger Schritt wäre in diesem Zusammenhang vor llem, Christoph Strässer, dem Beauftragten für politi- che Gefangene im Europarat, endlich – nach über zwei ahren Wartezeit – ein Visum für seine Fact-finding- ission in Aserbaidschan zu erteilen. „Die Menschen in den Partnerstaaten im Südkaukasus üssen von den Reformen profitieren.“ Lassen Sie uns emeinsam daran arbeiten, unter dem Dach einer neu usgerichteten Europäischen Nachbarschaftspolitik den enschen vor Ort eine Perspektive zu geben. nlage 3 Amtliche Mitteilungen Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundes- tages in der Ostseeparlamentarierkonferenz 18. Jahrestagung der Ostseeparlamentarierkonferenz vom 30. August bis 1. September 2009 in Nyborg, Däne- mark – Drucksachen 17/2112, 17/7417 Nr. 2 – – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundes- tages in der Ostseeparlamentarierkonferenz 19. Jahrestagung der Ostseeparlamentarierkonferenz vom 29. bis 31. August 2010 in Mariehamn, Aland In- seln, Finnland – Drucksachen 17/6866, 17/7417 Nr. 3 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18067 (A) (C) )(B) – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Euro- päischen Versammlung für Sicherheit und Verteidigung/ Versammlung der Westeuropäischen Union Tagung der Versammlung vom 9. bis 10. Mai 2011 in Paris – Drucksachen 17/7147, 17/7548 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Euro- päischen Versammlung für Sicherheit und Verteidigung/ Versammlung der Westeuropäischen Union Tagung der Versammlung vom 30. November bis 2. De- zember 2011 in Paris – Drucksachen 17/7148, 17/7548 Nr.2 – Rechtsausschuss Drucksache 17/1492 Nr. A.11 Ratsdokument 8155/10 Drucksache 17/7091 Nr. A.3 Ratsdokument 13003/11 Finanzausschuss Drucksache 17/7713 Nr. A.7 EP P7_TA-PROV(2011)0436 Haushaltsausschuss Drucksache 17/2580 Nr. A.5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 – Drucksache 17/7234, 17/7702 Nr. 1 – Finanzausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die aktualisierten Stabilitäts- und Konver- genzprogramme 2010/2011 der EU-Mitgliedstaaten – Drucksachen 17/ 7059, 17/7417 Nr. 6 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/7423 Nr. A.8 Ratsdokument 14048/11 Innenausschuss Drucksache 17/6985 Nr. A.11 Ratsdokument 13201/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.9 Ratsdokument 14287/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.10 Ratsdokument 14357/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.11 Ratsdokument 14358/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.12 Ratsdokument 14359/11 Drucksache 17/7549 Nr. A.1 Ratsdokument 14917/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.4 EP P7_TA-PROV(2011)0443 Drucksache 17/7918 Nr. A.2 Ratsdokument 16049/11 (D Ratsdokument 10561/10 Drucksache 17/3955 Nr. A.6 Ratsdokument 15285/10 Drucksache 17/4927 Nr. A.14 Ratsdokument 5129/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.19 Ratsdokument 11775/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.20 Ratsdokument 11779/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.22 Ratsdokument 12726/11 Drucksache 17/7549 Nr. A.4 Ratsdokument 15188/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.8 Ratsdokument 15527/11 Verteidigungsausschuss Drucksache 17/6407 Nr. A.21 Ratsdokument 10212/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.52 Ratsdokument 12663/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.33 Ratsdokument 10400/11 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 17/5302 Nr. A.10 Ratsdokument 7226/11 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/2994 Nr. A.51 Ratsdokument 12603/10 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 17/4598 Nr. A.23 Ratsdokument 18247/10 Drucksache 17/6985 Nr. A.72 EP P7_TA-PROV(2011)0331 150. Sitzung Inhaltsverzeichnis ZP 9 Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Klimagipfels TOP 29Rentenüberleitungsrecht TOP 30Stand der Deutschen Einheit 2011 TOP 31Mietrecht TOP 32Grundrechtsschutz in sozialen Netzwerken Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715000000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zur 150. Plenarsitzung in der
laufenden Legislaturperiode, die hoffentlich die letzte in
diesem Jahr sein wird.

Wir beginnen mit dem vereinbarten Zusatzpunkt 9:

Abgabe einer Regierungserklärung durch den
Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit

zu den Ergebnissen des Klimagipfels in Dur-
ban

Hierzu liegt ein gemeinsamer Entschließungsantrag
der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung 90 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit Dr. Norbert Röttgen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord d d h m g m re n re s d b a re s s u re F d g v F neten der FDP)


Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! In den Morgenstunden des vergangenen Sonntags,
des dritten Advents, ist die bislang längste Klimakonfe-
renz nach nächtelangen Verhandlungen zu Ende gegan-
gen. Circa 20 000 Personen waren akkreditiert. Über
zwei Wochen wurde verhandelt. Gerade wegen der Auf-
merksamkeit, die diese Konferenz weltweit bekommen
hat, möchte ich betonen, dass die Konferenz nicht die ei-
gentliche Sache ist und dass man die Konferenz nicht
nur aus sich heraus bewerten darf, wenn man dem
Thema gerecht werden möchte.

Die Konferenz ist nicht die Sache selbst. Die Sache
selbst ist der Klimaschutz. Auch mit den Ergebnissen

(C (D ung . Dezember 2011 0 Uhr ieser Konferenz – im Abschlussdokument ist es ausrücklich festgehalten – hinken wir dem Problem hinterer. Klimaschutz findet statt, er entwickelt sich dynaisch. Aber die Maßnahmen, die einzelne Staaten etroffen haben, die Maßnahmen, die die Staatengeeinschaft getroffen hat, sind in der Summe nicht ausichend. Wir tun immer noch zu wenig. Es gibt immer och eine erschreckende Lücke, die auch auf der Konfenz von denen glaubwürdig dargestellt wurde, die chon heute die Opfer sind. Wir haben dies auch hier in er Debatte vor der Konferenz ausgeführt. Es ist kein Pathos, es ist keine rhetorische Übertreiung, sondern für die Menschen aus Grenada und aus nderen kleinen Inselstaaten, die abzusaufen drohen, den Land, deren Heimat, deren Lebensgrundlage über chwemmt und zerstört zu werden droht, für die Menchen in den am wenigsten entwickelten Ländern, die nter mehr Dürre, weniger Wasser und daraus resultienden Konflikten zu leiden haben, ist Klimawandel eine rage von Leben und Tod. Klimawandel ist eine Frage er Zerstörung von Heimat, der Zerstörung von Lebensrundlagen. Klimawandel ist zunehmend eine Quelle on Konflikten und eine wesentliche Ursache von lüchtlingsströmen. Es gibt Solidarität, da jeder Mensch die gleiche Würde hat. Das ist unser Bild vom Menschen, das dem Grundgesetz zugrunde liegt. Darum ist uns das Schicksal der Menschen an anderen Orten dieses Planeten nicht egal. Es ist eine Frage von humanitärer Solidarität, dass wir uns gerade als Industrieland für den Klimaschutz einsetzen. Aber es gibt auch keine Insel der Glückseligen bei der Globalisierung. Vielmehr kommen die Probleme alle zu uns. Die klimatischen Folgen kommen zu uns und erreichen uns. Auch die Flüchtlingsströme erreichen uns. Das ist eine elementare Frage der Gerechtigkeit in unserer Zeit, in doppelter Hinsicht. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, weil die Menschen auf dem Planeten, die am wenigsten – im Grunde nichts – zum Problem des Klimawandels beitragen, am stärksten betroffen sind. Die, von 17992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 Bundesminister Dr. Norbert Röttgen )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )

denen ich eben gesprochen habe, sind keine Verursacher
– so gut wie nicht –, aber sie sind die Betroffenen.

Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit in der Per-
spektive, die die Menschen und die Menschheit haben.
Ich glaube, dass die Vorstellung realistisch ist, dass die
Atmosphäre ein begrenzter Deponieraum für die Auf-
nahme von Treibhausgasen wie CO2 ist. Wenn wenige
Länder durch ihre Entwicklung, durch ihre Art des Le-
bens und Wirtschaftens diesen Deponieraum auffüllen,
dann schneiden wir Milliarden Menschen von der Per-
spektive einer persönlich, wirtschaftlich und individuell
guten Entwicklung ab.

Es geht um die Frage nach globaler Gerechtigkeit, die
aber immer ein menschliches Gesicht hat. Es geht also
um die Abwehr einer fundamentalen Bedrohung für die
Menschen und die Menschheit. Parallel dazu geht es um
die enormen wirtschaftlichen Chancen.

Das ist nicht nur ein defensiver Ansatz, etwas zu ver-
hindern, sondern wenn man die Begrenzung der natürli-
chen Lebensgrundlagen und des Deponieraumes in ein
intelligentes, zukunftsfähiges, nachhaltiges System des
Wirtschaftens einführt, dann entsteht dort auch ein ganz
neuer Wettbewerb, und dann werden diejenigen, die sich
kulturell und technologisch darauf einstellen, die wirt-
schaftlichen Gewinner dieses Jahrhunderts werden. Es
geht um enorme wirtschaftliche Chancen. Man darf sa-
gen, dass wir diese wirtschaftlichen Chancen nutzen
wollen. Das ist ausdrückliches Ziel unserer Politik, für
Deutschland und für Europa in ganz besonderer Weise.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Weil die fundamentale Bedrohung wie die fundamen-
tale Chance und die neue Orientierung von Wirtschaft,
Wettbewerb und Modernisierung so bestehen, haben wir,
die Deutschen und die Europäer, hart verhandelt. Wir ha-
ben uns den Forderungen, Europa solle in jedem Falle
eine zweite Verpflichtungsperiode des Kioto-Protokolls
eingehen – sie sind auch in diesem Haus gestellt worden –,
nicht angeschlossen, mit einem Risiko.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein Fehler!)


– Herr Trittin sagt: „Das war ein Fehler.“ Nein, es war
kein Fehler. Es war ein Risiko, und zwar das Risiko, dass
die Region Europa, die als einzige Region weltweit
wirklich entschlossen und bereit ist, Verpflichtungen
einzugehen, am Ende noch den Schwarzen Peter be-
kommt, wenn man sich nicht einigt. Dieses diplomati-
sche, außenpolitische Risiko sind wir eingegangen. Wir
sind es übrigens mit großer Unterstützung auch der na-
tionalen und internationalen Umwelt- und Klimaschutz-
verbände eingegangen, weil es ein Scheitern gewesen
wäre, wenn wir uns damit zufriedengegeben hätten, dass
sich nur einige wenige Länder, dass sich nur Europa ver-
pflichtet.

Die Europäische Union und einige zusätzliche Länder
wie Norwegen und die Schweiz decken circa 15 Prozent
der globalen Treibhausgasemissionen ab. Mit einem Re-
gelungsregime, das nur 15 Prozent der Verursacher und
der Verursachung erfasst, können wir nicht 100 Prozent

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(C (D es Problems lösen. Es ist, wie ich gerade ausgeführt abe: Wir müssen 100 Prozent lösen. Mali, Grenada und ndere haben nichts davon, wenn wir 15 Prozent lösen. arum waren sie bei diesem Ansatz an unserer Seite. Es ar genau richtig, diesen Ansatz zu wählen und dieses isiko einzugehen: um der Sache willen. Im Nachhinein können wir erleichtert – manche lücklich – sagen: Es hat sich ausgezahlt. Wenn wir icht so hart verhandelt hätten, wenn wir weich gewesen ären und gesagt hätten: „Wir haben mehr Angst um un er internationales Standing als um die Sache“, dann hätn wir niemals das erreicht, was erreicht worden ist. Dam ist es schon ein bisschen bizarr, dass diejenigen, die ns eine weiche Verhandlungsposition empfohlen haben, tzt die Ergebnisse als unzureichend kritisieren. Das ist ine besondere Form von Unglaubwürdigkeit, die man inmal ansprechen muss. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo war denn Herr Rösler?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as haben die Bundesregierung und die Europäische
nion gemeinsam so verhandelt und auch aufrechterhal-
n.

Ich komme damit zu der Rolle, die Europa auf dieser
onferenz gespielt hat und die ich hervorheben möchte.
ir debattieren in unserer Zeit fast nur über Europa. Eu-
pa hat auf dieser Konferenz etwas gezeigt, was aus
einer Sicht, nebenbei bemerkt, der tiefste Grund für all

nsere Euro-politischen und europapolitischen Debatten
t: Wir haben zusammengehalten. Europa agierte ge-

chlossen. Europa hat mit einer Stimme gesprochen.
eil das so war, war Europa der prägende, konstruktive

art auf dieser Konferenz. Ich glaube, diesen Erfolg
ann man mit großem Glück feststellen.

Europa hat diese Konferenz positiv, konstruktiv ge-
rägt, weil wir unter polnischer Ratspräsidentschaft zu-
ammen mit der Kommission und den Mitgliedsländern
eschlossen agiert haben, weil wir glaubwürdig sind
Europa hat nicht in erster Linie von anderen etwas ver-
ngt, sondern Europa hat gesagt, andere Länder, insbe-

ondere die Schwellenländer, müssen zu dem bereit sein,
u dem wir selbstverständlich auch bereit sind – und
eil wir entschieden waren, nicht alles mitzumachen,
nd eine klare Position vertreten haben.

Ich habe die polnische Ratspräsidentschaft und die
ommission erwähnt, Dänemark, das die kommende

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1715000100
Das alles

ind unsere engsten Partner neben anderen Ländern, aber
h möchte auch hier betonen, dass es auf dem Gebiet
er Klimapolitik eine engste, vertrauensvollste und
uchtbarste Zusammenarbeit insbesondere auch mit
em Vereinigten Königreich gibt. Auf diesem Gebiet ha-
en wir eine besonders enge und wirkungsvolle Partner-
chaft.

Ein Teil und ein wesentliches Element dieser europäi-
chen Strategie, die wir hatten und die funktioniert hat,
eben der Geschlossenheit war, dass wir erstmalig eine

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 17993

Bundesminister Dr. Norbert Röttgen


(A) )


)(B)

strategische Partnerschaft Europas mit den am wenigsten
entwickelten Ländern dieser Welt und mit den sogenann-
ten kleinen Inselstaaten, AOSIS, entwickelt haben, ein-
gegangen sind und auch zur Geltung gebracht haben.
Ohne diese Partnerschaft, ohne das politische und mora-
lische Gewicht dieser Länder und Europas wäre der Er-
folg nicht erreicht worden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir hätten es alleine nicht geschafft. Nur zusammen
mit so kleinen und unter machtpolitischen Gesichtspunk-
ten bedeutungslosen Ländern, die aber eine authentische
Stimme der Betroffenheit und des ehrlichen Engage-
ments haben, wurde dieser Erfolg erreicht, weil die soge-
nannten BASIC-Staaten China, Indien, Brasilien und
auch Südafrika, das die Präsidentschaft innehatte, von
deren Stimme und von deren Anklage – „Ihr lasst uns im
Stich“ – beeindruckt waren.

Darum möchte ich hier sagen – ich glaube, dass wir
darin übereinstimmen; es war ja auch eine Delegation
des Bundestages dort –: Diese strategische Partnerschaft
wird über den Tag dieser Konferenz hinaus Bedeutung
haben. Sie muss sie haben; denn sie ist ein ganz wesent-
licher Ertrag, den wir mit unserer internationalen Klima-
diplomatie erreicht haben. Wir werden diese Partner-
schaft weiter pflegen und einsetzen, weil sie weiterhin
erfolgreich und notwendig sein wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte auf die einzelnen wichtigsten Ergebnisse
der Konferenz eingehen, sie darstellen und natürlich
auch bewerten. Das, was aus meiner Sicht, aus deutscher
Sicht, aus europäischer Sicht den Erfolg schlechthin aus-
macht, ist, dass es nunmehr ein globales Klimaschutzab-
kommen für alle Länder geben wird. Es war das zentrale
Ziel unserer Verhandlungen, dass es ein Regelungssys-
tem gibt, ein – wir kennen die Redewendung aus den
Kopenhagener Vorverhandlungen und Verhandlungen –
bindendes Rechtsinstrument für alle. Das ist eine funda-
mentale Neuordnung der internationalen Klimapolitik.

Sie war bislang davon geprägt, dass es die Verpflich-
tungen einiger weniger Industrieländer gibt, aus denen
sich immer mehr Industrieländer zurückgezogen haben.
Wir alle haben das inakzeptable Verhalten von Kanada
jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, nicht nur die Ankün-
digung wahrzumachen, an einer zweiten Periode nicht
teilzunehmen, sondern auch aus der bestehenden völker-
rechtlichen Verpflichtung der laufenden Verpflichtungs-
periode auszusteigen. Das heißt, es gibt immer weniger
Industrieländer, die tatsächlich zu etwas bereit sind, und
immer mehr Länder, die als Maximum freiwillige Maß-
nahmen ergreifen, aber nicht bereit sind, sich vertraglich
zu verpflichten.

Mit diesem Ordnungsrahmen, mit dieser Rechtsord-
nung aus einer vergangenen Zeit werden und würden wir
das Problem nicht in den Griff bekommen, sondern wir
brauchen diejenigen, die schon heute und immer mehr
große Emittenten von CO2 sind. Das sind die Schwellen-
länder. China mit einer Bevölkerung von 1 200 Millio-
nen Menschen hat schon heute eine Pro-Kopf-Emission

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(C (D n Treibhausgasen von annähernd 7 Tonnen, wir liegen ei knapp 10 Tonnen. Das zeigt die Dynamik der Enticklung bei den CO2und anderen Treibhausgasemis ionen. Wenn es nicht gelungen wäre, etwa ein Land wie hina in diesen Prozess, in diesen Rechtsrahmen einzuinden, dann hätten wir keine Chance auf eine wirklich irksame Klimaschutzpolitik gehabt. China hat sich dagegen gewehrt, in ein Regime von erpflichtungen hineingenommen zu werden. Sie haben ich dagegen gewehrt, gemeinsam mit anderen Staaten das Boot einzusteigen. Ich habe auf der Versammlung ppelliert: Kommen Sie mit in das Boot! Wir müssen lle in das eine gemeinsame Boot einsteigen. Genau das t das Ergebnis, das wir am Sonntag früh um 4 Uhr ericht haben. Ein Riesenerfolg für die internationale limadiplomatie! Ein einziges globales Klimaschutzabommen wird kommen. 2015 wird es angenommen weren. Das ist der große Erfolg dieser Konferenz. Daneben wird es die zweite Verpflichtungsperiode im ioto-Protokoll geben. Auch das ist gut. Wir wollten sie mer und ausdrücklich. Das ist das Vorbildsystem mit laren Verpflichtungen, mit Verfahren, mit Transparenz, it Institutionen. Das durfte nicht untergehen. Das ha en wir gerettet. Es wird die zweite Verpflichtungseriode geben. Es gibt den Ansatz „Verhandeln und Handeln“. Wir erden über dieses Abkommen bis 2015 verhandeln üssen. Es wird dann die Umsetzungsphase und die Rafikationsphase geben. Das dauert; das ist keine Frage, as kann man nicht bestreiten. Darum haben wir darauf estanden – das wurde in letzten Stunden noch in den erhandlungstext aufgenommen –, dass es neben dem erhandlungsstrang auch Handeln geben muss, und war sofort. Darum wird es einen Arbeitsplan dafür geen, dass das Ambitionsniveau gesteigert wird, dass es ehr nationale Maßnahmen für Klimaschutzpolitik ge en soll. Verhandeln und Handeln zugleich, das war imer die deutsche und europäische Position. Wir haben ie durchgesetzt, weil sie notwendig ist. Die Klimafinanzierung ist ein ganz wichtiger Beich; denn die armen Länder, von denen ich gesprochen abe, sind auf Unterstützung angewiesen. Etwa bei Anassungsmaßnahmen, bei Technologiemaßnahmen, bei em, was man Kapazitätsbildung nennt, brauchen sie unere Unterstützung. Dafür wird – das ist nunmehr klar, as war vor der Konferenz nicht klar – der Globale Kliafonds ab 2012 arbeitsfähig sein. Er ist in Cancún be chlossen worden. Er wird nunmehr nach Durban ab em nächsten Jahr arbeitsfähig sein. Die deutsche Bundesregierung konnte in Abstimung mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche usammenarbeit und Entwicklung und dem Bundesumeltministerium ankündigen, dass die Arbeitsfähigkeit tzt tatsächlich zum Ausdruck kommt. Darum konnten ir 40 Millionen Euro für Startmaßnahmen und Sofortaßnahmen in Aussicht stellen. 17994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 Bundesminister Dr. Norbert Röttgen )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Ulrich Kelber [SPD]: Neu und zusätzlich!)


(A) )

Wir wollen, dass dieser Fonds sofort mit Leben gefüllt
wird, damit er wirksam werden kann.


(Ulrich Kelber [SPD]: Neu und zusätzlich oder Umwidmung?)


Diese Zusage hat jedenfalls auf dieser Versammlung
starken Widerhall, insbesondere bei Entwicklungslän-
dern, gefunden. Es war eine gute Nachricht, dass jetzt
nicht nur etwas auf dem Papier steht, sondern dies auch
mit Leben gefüllt wird. Das ist ganz wichtig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deutschland hat auf dieser Konferenz angekündigt,
sich als Sitzstaat für diesen Fonds zu bewerben. Das
drückt unser weiteres Engagement in diesem Bereich
und den Wunsch aus, dabei zu sein, führend zu sein, eine
Gastgeberrolle, eine Förderrolle einzunehmen. Wir wer-
den starke Konkurrenz um diesen Sitz haben, aber wir
sind auch eine starke Bewerbung. Ich weiß nicht, wie es
ausgeht. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich
Deutschland mit einem guten Angebot bewirbt. Auch
die Resonanz ist ermutigend.

Auch Klimafinanzierung, Anpassungsfinanzierung
und Klimaschutzmaßnahmen sind elementar. Es geht um
eine elementare Frage der Glaubwürdigkeit der Industrie-
länder: Wenn Industrieländer Versprechungen machen
und sie nicht einhalten, gefährden sie die eigene Glaub-
würdigkeit, gefährden wir, dass sich andere Länder auf
diesen Entwicklungspfad begeben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Darum ist es selbstverständlich, dass die Bundesregie-
rung ihre Verpflichtungen erfüllt. Die Fast-Start-Finan-
zierung, die wir in Kopenhagen verabredet haben, macht
für Deutschland bis 2012 1,26 Milliarden Euro aus.


(Ulrich Kelber [SPD]: Neu und zusätzlich, nicht umwidmen, wie Sie es machen!)


– Genauso ist es: neue und zusätzliche Mittel. Es gibt
bislang neue und zusätzliche Mittel in Höhe von knapp
800 Millionen Euro. Wir werden auf Heller und Pfennig
– bislang haben wir etwas übererfüllt – 1,26 Milliarden
Euro neue, zusätzliche Mittel bereitstellen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Im Haushalt nicht erkennbar!)


Wir erfüllen unsere Versprechungen. Das gehört zum
Selbstverständnis der Bundesregierung und Deutsch-
lands.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Der Haushalt sagt die andere Wahrheit!)


– Das mag Ihnen nicht gefallen. Ich verstehe das nicht;
denn es geht darum, dass Deutschland seine Verpflich-
tungen erfüllt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nein, es ist einfach die Unwahrheit! Das hat mit „Gefallen“ nichts zu tun! Es ist einfach die Unwahrheit!)




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(C (D Mit der Unwahrheit sollten Sie vorsichtig sein. (Ulrich Kelber [SPD]: Wir können das im Haushalt nachgucken!)


h sage Ihnen: 1,26 Milliarden Euro neue, zusätzliche
ittel. Bitte überlegen Sie, wann Sie einem Kollegen

ieses Hauses Unwahrheit vorwerfen. Prüfen Sie diesen
orwurf bitte nach!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das haben wir mehrfach geprüft!)


ann erwarte ich eine Stellungnahme von Ihnen, ob das
nwahr ist oder wahr.

1,2 Milliarden Euro für Fast Start: Das ist nicht alles,
as wir tun. Darin erschöpfen sich unsere Maßnahmen
icht. Im vergangenen Jahr waren es 1,2 Milliarden
uro. In diesem Jahr werden es 1,8 Milliarden Euro für
ie Klimafinanzierung sein. Wir reden nicht nur, wir
andeln. Es gibt keinen Grund, das in Zweifel zu ziehen.
ir können sagen: Wir sind dabei, auch wenn es darum

eht, arme Länder zu unterstützen. Das ist ein gemeinsa-
es Engagement der Bundesregierung, insbesondere des
ntwicklungshilfeministeriums und des Umweltministe-
ums. Das sind in aller Regel gemeinsam finanzierte
aßnahmen.

Von dem einen Rechtsregime über die Klimafinanzie-
ng bis zum sofortigen Handeln, dieses Ergebnis ist
egweisend. Es ist substanziell. Es ist nicht ausreichend.
s schließt die Lücke nicht. Es ist zu wenig. Aber es
äre unvertretbar gewesen, es links liegen zu lassen,

tatt es anzunehmen. Wir müssen schrittweise vorange-
en. Darum ist es ein Erfolg im Schrittweisevorangehen.

Deutschland ist in diesem Prozess führend, ohne be-
ormundend zu sein. Wir wissen auch, dass wir nicht al-
in auf der Welt sind. Bei manchen Ratschlägen, die
an jetzt erhält, habe ich den Eindruck, dass das nicht

llen klar ist. Deutschland ist nicht allein auf der Welt,
nd wir sollten uns nicht so aufführen, als gäbe es nur
eutschland auf diesem Planeten. Wir sind Partner, und
ir wirken mit in internationalen Systemen: der Euro-
äischen Union und den Vereinten Nationen. Mit diesem
elbstverständnis sollten wir auch nach außen auftreten.

Wir können nach außen mit dem Selbstverständnis
uftreten, dass wir auch zu Hause etwas tun, dass wir zu
ause die Chancen, die in der wirtschaftlich-technologi-

chen Entwicklung liegen, wahrnehmen. Wir haben die
elegenheit genutzt, in Durban über die Energiewende
Deutschland zu reden, mit höchster internationaler
ufmerksamkeit und Interesse, mit Respekt dafür, was

in führendes Industrieland auf diesem Gebiet tut, sich
ämlich selber für eine Transformation der Energiever-
orgung zu entscheiden, weg von der großen zentralen
ersorgung mit wenig Wettbewerb und konventionellen
echnologien hin zu einem dezentralen Wettbewerb und
euen Technologien mit erneuerbaren Energien und
nergieeffizienz. Mit höchster Aufmerksamkeit und ho-
er Kooperationsbereitschaft anderer europäischer Län-
er haben wir zum Beispiel das Projekt SARI beschlos-
en, ein Unterstützungsprojekt für die Entwicklung von

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 17995

Bundesminister Dr. Norbert Röttgen


(A) )


)(B)

erneuerbaren Energien in Südafrika mit Norwegen, Dä-
nemark, dem Vereinigten Königreich und anderen Län-
dern, weil auch andere Länder zunehmend sehen, dass
dies der richtige Weg der Entwicklung ist. Industriepoli-
tisch, innovationspolitisch und ökologisch ist das der
Zukunftsweg. Dafür stehen wir, und darum wollen wir
diesen Weg. Wir werden diesen Weg zum Erfolg führen,
mit allen Akteuren in Deutschland und darüber hinaus.
Wir wollen diesen Dialog der Akteure. Wir wollen das
Handeln der Akteure.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte abschließend betonen, dass Klimaschutz-
politik ein Gesamtansatz der Bundesregierung ist.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Weiß Herr Rösler das schon?)


– Es mag Ihnen nicht gefallen, es ist aber gut für
Deutschland, dass dies gemeinsam vertreten wird und
sich auch darstellen lässt. Im Entwicklungshilfeministe-
rium sind Umwelt und Entwicklung gewissermaßen das
Leitmotiv.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ja, so ist es. Das mag Ihnen aus oppositionellen Grün-
den nicht gefallen. Das ist aber so. Das ist auch die
Wahrnehmung von Deutschland in der Welt. Ich habe
sowieso den Eindruck, dass bei Ihnen die provinzielle
Wahrnehmung der Dinge immer weiter zunimmt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Der Weltpolitiker!)


Sie sollten einmal von außen auf Deutschland schauen.
Dann erhalten Sie ein etwas realistischeres Bild. Sie soll-
ten nicht immer nur in Ihrer kleinkarierten Oppositions-
rhetorik verharren und so über die Welt reden, wie sie in
Ihren Vorstellungen existiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Geht es mal eine Nummer kleiner?)


Ich finde, man sollte sich auch als Opposition ein bis-
schen über deutsche Erfolge freuen können.


(Ulrich Kelber [SPD]: Der Weltenretter! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, Sie wollten uns eine politische Vorlesung halten! Warum so nervös?)


Wir sollten uns darüber freuen, dass wir mit Grenada
und Mali zusammengewirkt und auf dieser Konferenz
neue Programme zur Klimaanpassung in Höhe von
15 Millionen Euro ins Leben gerufen haben.

Der Bundesaußenminister hat im Sommer dieses Jah-
res das Thema Klimawandel und internationale Sicher-
heit in den Weltsicherheitsrat unter deutschem Vorsitz
eingeführt. Erstmalig hat der Weltsicherheitsrat aner-
kannt, dass der Klimawandel die politische, wirtschaftli-
che und gesellschaftliche Stabilität gefährden kann.

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(C (D limawandel ist auch eine Frage der internationalen Siherheit, der Energiesicherheit, der Wassersicherheit, der ersorgungssicherheit und der Ernährungssicherheit. iesen Konnex hergestellt und in die UN-Politik eingeracht zu haben, ist ein ausdrückliches Verdienst des Auenministers. Er war damit erfolgreich, weil anerkannt orden ist, dass es diesen Zusammenhang gibt. Diesen usammenhang müssen wir sehen, weil der Klimawanel die Stabilität vieler Länder bedroht. Klimapolitik ist Weltordnungspolitik. Daran werden ir in Europa geschlossen weiterarbeiten. Dazu sind wir ine strategische Partnerschaft eingegangen. Wir werden en Rio-Gipfel im Frühjahr nächsten Jahres gestalten, nd zwar wieder in der Weise, die ich eben geschildert abe. Wir werden die Petersberg-Konferenz wieder urchführen, eine international anerkannte Konferenz, u der die Bundeskanzlerin nach der Kopenhagener onferenz eingeladen hat. Daran werden die Länder teilehmen, die für diesen Prozess wichtig sind. Deutschland ist Partner auf diesem Gebiet, und eutschland ist Vorreiter auf diesem Gebiet, um die Leensgrundlagen von uns, der Menschheit zu erhalten, us Solidarität mit denjenigen, die Opfer sind. Das ist erbunden mit der Wahrnehmung enormer wirtschaftliher Chancen. In diesem Zusammenwirken unterschiedcher Ziele und Güter liegt die Motivation und die Stragie unserer Klimapolitik; denn wir wissen, dass alle zuerst die Armen und dann die noch Reichen – viel zu erlieren haben, aber wir wissen auch, dass wir viel zu ewinnen haben. Ich glaube, das verdient die Anstrenung aller. Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715000200

Ich eröffne die Aussprache.

Matthias Miersch ist der erste Redner für die SPD-
raktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1715000300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

icht nur weil Weihnachten ist, sondern auch weil ich
st davon überzeugt bin, Herr Bundesminister, richte
h am Anfang ein Dankeschön an das Verhand-
ngsteam, an all die Beamtinnen und Beamten, die seit
onaten für die Bundesrepublik Deutschland an dem in-
rnationalen Prozess beteiligt gewesen sind. Ich glaube,
iese müssen in den Mittelpunkt gerückt werden. Sie ha-
en die Kleinarbeit gemacht. Insofern vielen Dank für
iese Arbeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch an dieser Stelle Dank an alle Kollegen, die den
eutschen Bundestag in Durban repräsentiert haben.

17996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Matthias Miersch


(A) )


)(B)

Deswegen, Herr Bundestagspräsident, ein Appell von
dieser Seite. Sie haben beschlossen, zukünftig nur noch
Fraktionsreisen, aber keine offiziellen Delegationsreisen
zu internationalen Regierungskonferenzen zuzulassen.
Ich glaube, das Präsidium ist gut beraten, diesen Be-
schluss zu überdenken; denn es sind letztlich Parla-
mente, die über Beschlüsse der Regierungen abzustim-
men haben, es sind Parlamente, die für einen guten Weg
werben müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Damit ist es mit der Gemeinsamkeit, Herr Bundes-
umweltminister, aber auch schon vorbei. Wenn Sie von
einem großen, wegweisenden Erfolg dieser Klimakonfe-
renz sprechen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Groß sind
die Herausforderungen, aber klein sind die Antworten,
die dort gegeben worden sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Gegenteil: Ich glaube, Schönrederei hilft hier
überhaupt nicht weiter. Sie verdunkelt und sie verkleis-
tert die eigentlichen Herausforderungen, die die Staaten-
gemeinschaft und auch die Bundesrepublik Deutschland
zu bestehen haben. Was ist das für ein Ergebnis, dass
man sich darauf verständigt, bis 2015 zu verhandeln,
dann möglicherweise eine Vereinbarung zu erzielen, wo-
bei man nicht weiß, welche Rechtsverbindlichkeit sie ei-
gentlich haben soll, nach der die ausgehandelten Be-
schlüsse dann 2020 in Kraft treten sollen? Das ist kein
großer Erfolg. Das ist nichts, was sich angesichts der
großen Herausforderungen als solcher darstellen lässt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: „Der grüne
Klimafonds ist beschlossen worden, und er ist arbeitsfä-
hig“, dann sollten Sie auch sagen – das gehört zur Wahr-
heit dazu –, über welche Mittel dieser Klimafonds bis-
lang verfügt: über keinen einzigen Dollar, über keinen
einzigen Euro!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sagen: Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre
Verpflichtungen erfüllt. Allerdings erleben wir seit Ko-
penhagen einen Glaubwürdigkeitsverlust: Uns wird,
auch auf internationaler Ebene, vorgeworfen, dass die
Fast-Start-Zusagen nicht eingehalten worden sind; denn
es sind keine zusätzlichen Gelder geflossen, sondern
man hat das Ganze über Verschiebebahnhöfe zustande
gebracht. Lieber Herr Röttgen, Sie haben meine Anfrage
von Mittwoch dieser Woche hinsichtlich der 40 Millio-
nen Euro noch nicht beantwortet, auch heute nicht. Ich
hoffe sehr, dass die Zusage, die Sie dort gemacht haben,
bedeutet, dass tatsächlich zusätzliches, neues Geld be-
reitgestellt wird. Wir werden da genau hinschauen, lie-
ber Herr Röttgen.

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(C (D Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus Durban ann man eine große Schlussfolgerung ziehen: nicht ehr auf Konferenzen dieser Art zu setzen. Sie sind ichtig, weil sie eine Plattform bieten, auf der alle Läner auf Augenhöhe verhandeln können. Aber von diesen onferenzen wird – da bin ich sicher – nie die Dynamik usgehen, die wir brauchen, um die Herausforderungen es Klimawandels tatsächlich bewältigen zu können. as wir brauchen, ist eine Mehrwegestrategie, eine Stragie, die genau diejenigen einlädt, die mit uns voran chreiten wollen. Insofern lautet unser Vorschlag, zu eier weiteren Konferenz einzuladen mit den Staaten der uropäischen Union, Patenschaften mit anderen Staaten ieser Welt einzugehen, etwa mit Inselstaaten, aber auch it Schwellenländern wie Brasilien oder Südafrika. Da ei sollte vereinbart werden, wie man vorangehen kann, elche Vorteile man aus solchen Patenschaften ziehen ann. Ein weiterer Weg ist das Setzen auf die Europäische nion. An dieser Stelle ein Appell: Es ist dringend notendig, dass wir in den nächsten Monaten zusammen it der dänischen Ratspräsidentschaft das unkonditio ierte 30-Prozent-Minderungsziel ganz unmissverständch festschreiben. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


nsonsten fällt uns der Emissionshandel auf die Füße.

Zu der Mehrwegestrategie gehört auch – da ist der
mweltminister wieder der Norbert Röttgen: das Pathos,
ie großen Worte und die Taten –, national Vorbild zu
ein. Die Bundeskanzlerin ist im Moment nicht anwe-
end.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Nein!)


Sie sitzt auf einem anderen Platz.


(Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat sich nur von Herrn Rösler weggesetzt! – Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Bundeskanzlerin, wenn der Bundesumwelt-
inister sagt, die Bundesregierung verfolge eine Gesamt-

trategie, dann kann ich dem nur entgegnen: Beenden Sie
as Trauerspiel der Auseinandersetzung zwischen Wirt-
chaftsministerium und Umweltministerium hinsicht-
ch der Effizienzrichtlinie, das wir in den letzten Wo-
hen hier verfolgen konnten!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


utzen Sie Ihre Richtlinienkompetenz! Machen Sie hier
irklich die Tür auf! Es ist die Effizienz, die Vorbild ge-
en kann. Es ist die Effizienz, die gerade die deutsche
irtschaft beflügeln kann; denn es werden die Maschi-

en der Zukunft sein, die weniger Energie verbrauchen.
sofern ist es umso unverständlicher, dass sich ein Bun-

eswirtschaftsminister hinstellt und gegen verbindliche
ffizienzziele votiert. Herr Bundeswirtschaftsminister,
eenden Sie diese Blockadehaltung!

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 17997

Dr. Matthias Miersch


(A) )


)(B)


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute noch!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube,
eins muss uns klar sein: Wir haben die Finanzkrise, und
wir haben die Klimakrise. Beide Krisen müssen gemein-
sam betrachtet werden. Denn diejenigen, die in Wirt-
schaft von morgen investieren, werden auch den Anfor-
derungen in Sachen Energie und Klima gerecht.
Deswegen sind wir als Bundesrepublik Deutschland gut
beraten, einen Schritt weiter zu sein und uns weder auf
die Bremser bei Schwarz-Gelb noch auf die Bremser auf
dem internationalen Parkett zu berufen. Wir haben seit
1998 das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das eine Er-
folgsgeschichte ist. Wir haben bei den CO2-Emissionen
mächtige Fortschritte gemacht. Wir können daran an-
knüpfen. Aber dazu braucht man eine Bundesregierung,
die sich nicht blockiert, sondern handelt.

Deswegen: Dieses Zukunftsfeld muss jetzt beackert
werden. Fangen Sie an! Geben Sie ein Vorbild! Dann
werden auf internationaler Ebene die Staaten auf die
Bundesrepublik Deutschland schauen. Dann wollen sie
nicht in der Ecke stehen und werden dem Erfolg, den wir
in diesem Bereich erzielen können, auch nacheifern. In
diesem Sinne lade ich Sie herzlich dazu ein, mit uns zu-
sammen eine zukunftsgerechte Wirtschafts- und Ener-
giepolitik zu denken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva BullingSchröter [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715000400

Das Wort erhält nun der Kollege Michael Kauch für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1715000500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die UN-

Konferenz von Durban hat die Erwartungen klar über-
troffen.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der FDP ist jetzt alles durcheinander, ja?)


– Liebe Frau Künast, Sie sollten ruhig sein.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


Anders als die Sozialdemokraten, die sich bei diesen
Verhandlungen verantwortungsvoll verhalten haben, ha-
ben die Grünen in Interviews hier in Deutschland und
auf der Konferenz die deutsche Verhandlungsposition
permanent hintertrieben. Das hat nichts mit Solidarität
bei einer nationalen Aufgabe in solchen Verhandlungen

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(C (D u tun. Sie sind dem Bundesumweltminister bei den Verandlungen auf der Konferenz permanent in den Rücken efallen. Das war nicht in Ordnung. Deshalb sollten Sie, ebe Frau Künast, und Ihre Fraktion hier ganz ruhig ein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dolchstoßlegende!)


Wir haben es geschafft, dass ein einheitlicher Rechts-
hmen für alle Länder vereinbart wurde. Die Schwarz-
eiß-Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwick-
ngsländern entfällt. Alle werden sich gemäß ihrer his-
rischen und zukünftigen Verantwortung sowie ihren
ähigkeiten an dem entsprechenden Abkommen beteili-
en. Hieraus ergibt sich der Vorteil, dass Länder, deren
irtschaft sich dynamisch entwickelt wie die Volksrepu-

lik China, die inzwischen 7 Tonnen CO2 pro Kopf emit-
ert, anders behandelt werden als Länder wie Indien, das
ur 1,5 Tonnen CO2 pro Kopf emittiert, aber eben auch
nders als beispielsweise die Länder der Europäischen
nion. Jedes Land wird sich an diesem Abkommen ge-
äß seiner historischen und zukünftigen Verantwortung

owie seinen Fähigkeiten beteiligen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass durch ein sol-
hes Klimaabkommen, das nicht mehr auf irgendwelche
lockzugehörigkeit setzt, Wettbewerbsgleichheit zwi-

chen Industriestandorten hergestellt wird, wenn jeder
ach seiner Verantwortung und seinen Fähigkeiten ver-
flichtend einbezogen wird. Das spiegelt auch die neue
eltordnung wider, in der wir uns bewegen. Wir haben

iele Zentren statt wenige Blöcke. Es gibt neue Spieler
uf der internationalen Bühne – das hat man in Durban
anz klar gesehen –: Die großen Schwellenländer Brasi-
en, Südafrika, Indien und China spielen zunehmend
ine größere Rolle in den Verhandlungen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte Ihnen aber schon vor zehn Jahren auffallen können!)


as spiegelt auch die wirtschaftliche Dynamik wider,
ie es in Teilen der ehemaligen Dritten Welt inzwischen
ibt.

Deshalb war die Verhandlungsstrategie der Bundesre-
ierung absolut richtig: hart zu sein und zu sagen, dass
ir nicht alles mitmachen. Die Grünen haben uns ja im
egensatz dazu aufgefordert, auf jeden Fall irgendein
bkommen abzuschließen und unbedingt an Kioto fest-

uhalten, egal was die anderen tun. Genau das haben wir
icht getan, und deshalb sind wir erfolgreich gewesen.
ur mit dieser harten Linie konnten wir uns in den Ver-
andlungen durchsetzen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir müssen aber auch die-
nigen benennen, die nicht mitmachen. Japan, Russland
nd zuletzt Kanada haben schon vor der Konferenz er-
lärt: Egal was ihr hier verhandelt – wir machen bis
020, wenn ein neues globales Abkommen in Kraft tritt,
icht mit. Dazu muss man ganz deutlich sagen: Das

17998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Michael Kauch


(A) )


)(B)

müssen wir als Europäer benennen und deutlich machen.
Man kann nicht in anderen Verhandlungen Interessen
wahrnehmen und sich dann wegducken, wenn man sel-
ber vor Aufgaben steht und Verantwortung übernehmen
muss. Das müssen wir uns im Hinblick auf andere inter-
nationale Prozesse merken. Wenn Kanada sich aus der
Verantwortung stiehlt und sagt „Es ist uns völlig egal,
was mit dieser Welt passiert, Hauptsache, unserer Öl-
schieferindustrie geht es gut“, müssen wir den Kana-
diern deutlich machen, dass sie mit Konsequenzen an
anderer Stelle rechnen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Welche?)


Das Bedeutsamste in Durban war die neue Allianz der
EU mit Afrika, mit den ärmsten Staaten und den Insel-
staaten. Die Gruppe der G 77 mit China ist erstmals of-
fen aufgebrochen. Das gibt neue Chancen und hat eine
Strahlkraft über die Klimaverhandlungen hinaus. Auch
in anderen außenpolitischen Prozessen können wir nut-
zen, dass es neue Allianzen mit Brasilien, Mexiko und
Südafrika gibt. Deshalb ist Durban ein gutes Zeichen für
die Klimapolitik, aber eben auch für eine neue starke
Rolle der EU in der jetzt bestehenden außenpolitischen
Welt.

Wie haben wir es geschafft, diese Allianz zu bilden?
Die Grünen haben uns gesagt: Wir müssen nur auf das
30-Prozent-EU-Klimaziel gehen, und alles wird gut. –
Nein, wir als deutsche Abgeordnete haben mit der Ver-
handlungsführerin der Gruppe der 77, also mit den Ent-
wicklungsländern, gesprochen. Die Aussage der Ver-
handlungsführerin – Originalton – war: „Das spielt
überhaupt keine Rolle.“ Denn wir sind hier momentan in
einer Debatte um ein Fundament der Klimapolitik. Wir
können uns dann über die Zahlen unterhalten, wenn wir
uns auf 2015 zubewegen. – Oder wir diskutieren über
die Zahlen aus innereuropäischen Gründen. Es gibt viele
gute Gründe, das Klimaziel aus diesen Gründen anzuhe-
ben. Aber so zu tun, als sei dies das entscheidende
Moment bei den Verhandlungen gewesen, ist völlig ab-
wegig. Das entscheidende Moment für diese Klimaver-
handlungen war, dass Europa Vertrauen vermittelt hat,
dass wir es mit der Klimafinanzierung ernst meinen. Das
ist die Botschaft von Durban: Klimafinanzierung ist das
Moment für Kooperationsbereitschaft unserer Allianz-
partner.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb war es absolut richtig, was die Bundesregie-
rung gemacht hat. Bundesminister Niebel hat während
der Konferenz 120 Millionen Euro für die Energie-
kooperation mit dem südlichen Afrika zugesagt. Bundes-
minister Röttgen hat 40 Millionen Euro für den Green Cli-
mate Fund zugesagt. Das hat Vertrauen geschaffen. Die
Entwicklungsländer hat an unsere Seite gebracht, dass
man sich auf Europa und auf Deutschland verlassen
kann. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Klimazusam-
menarbeit mit den Entwicklungsländern in Zukunft stär-
ken. Jeder Euro, den wir hier investieren, bringt nicht
nur für das Klima viel mehr als jede letzte Maßnahme in

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(C (D eutschland selbst, sondern hat den Zusatzeffekt, dass ir Kooperationsbereitschaft in der Welt bekommen. eshalb ist die internationale Klimafinanzierung im Inresse des Klimas und auch der Arbeitsplätze der deut chen Industrie. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, deshalb hat die FDP den
unsch von Bundesminister Niebel unterstützt, zusätz-

ch 100 Millionen Euro aus Haushaltsresten an den
lean Technology Fund der Weltbank zu überweisen.
ir wollten damit insbesondere Indien stärken, das in

iesen Verhandlungen eine ausgesprochen wichtige
olle spielt. Ich bedauere es sehr, dass der Bundesminis-
r der Finanzen nicht zu überzeugen war, dies bis zum
eutigen Kassenschluss zu tun.


(Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Aha!)


mso wichtiger ist es, dass wir in den nächsten Runden,
enn wir uns über die Zukunft des Energie- und Klima-
nds unterhalten, eine absolute Priorität auf die interna-

onale Klimafinanzierung legen. Wenn die Einnahmen
Energie- und Klimafonds geringer ausfallen und wir

eshalb die Ausgaben kürzen müssen, dann müssen wir
ine klare Priorität auf die internationalen Mittel setzen.
as muss gegebenenfalls zulasten nationaler Programme
ehen. Es ist aber im Interesse des internationalen Kli-
aprozesses, dass Deutschland hier einen klaren
chwerpunkt setzt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Abschließend: Wir dürfen uns nicht nur auf den UN-
rozess verlassen. Wir müssen auch darauf achten, dass
ir Bottom-up-Klimaschutz betreiben. Mexiko, China,
rasilien und Südafrika haben zunehmend fortschrittli-
he nationale Gesetzgebungen im Bereich Klimaschutz.
as müssen wir unterstützen. Deswegen wird diese Bun-
esregierung auf dem Weg voranschreiten, hier mit den
chwellenländern zusammenzuarbeiten, insbesondere
ann, wenn die Vereinigten Staaten sich weiterhin einem
olchen Prozess verweigern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715000600

Für die Fraktion Die Linke erhält nun Gesine Lötzsch

as Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715000700

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten

amen und Herren! Der renommierte Kieler Klimafor-
cher Mojib Latif stellt zu den Ergebnissen von Durban
st: Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen hat sich

eit 1990 nicht verringert, sondern er ist um 40 Prozent
estiegen. Sein Fazit – Zitat –:

… es gab Klimaschutz nur auf dem Papier, aber
nicht real.

er Mann hat recht.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 17999

Dr. Gesine Lötzsch


(A) )


)(B)


(Beifall bei der LINKEN)


Minister Röttgen, Sie sind stolz auf einen angekün-
digten Vertrag, der erst 2020 in Kraft treten soll. Was
aber beschlossene Verträge wert sind, haben wir leider
nur einen Tag nach der Klimakonferenz in Durban erle-
ben müssen: Kanada hat sich aus dem Kioto-Protokoll
verabschiedet. Kanada hatte – ebenso wie Russland und
Japan – schon im vergangenen Jahr angekündigt, an der
Verlängerung des Abkommens nicht mitwirken und sie
auch nicht unterzeichnen zu wollen.

Die Kioto-Restgruppe besteht nun im Wesentlichen
aus den EU-Ländern, Norwegen, der Ukraine, der
Schweiz, Australien und Neuseeland. Diese Länder ver-
ursachen aber nur 15 Prozent der globalen Emissionen.
Allein China und die USA erzeugen ein Vielfaches.

Mit dem Ausstieg vor dem Jahresende drückt sich
Kanada davor, hohe Geldstrafen zahlen zu müssen. Und
was sagt die Bundesregierung zum skandalösen Ausstieg
Kanadas? Von Gelassenheit war die Rede. Ich frage
mich: Woher kommt diese Gelassenheit? Es wäre doch
zumindest angebracht gewesen, dass der Außenminister
den kanadischen Botschafter in das Auswärtige Amt ein-
bestellt und die Entscheidung kritisiert.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich frage mich, Herr Westerwelle: Was machen Sie ei-
gentlich den ganzen Tag?

Viele Menschen in unserem Land finden die Ent-
scheidung Kanadas empörend – und die Bundesregie-
rung reagiert gelassen. Man kann es auch Gleichgültig-
keit nennen. Das geht nicht, Herr Röttgen! Sie haben es
doch selbst in Ihrer Rede gesagt: Es geht um das Leben
von Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die von
der Klimakatastrophe schon jetzt direkt betroffen sind.
Da ist Gelassenheit wirklich völlig fehl am Platze.


(Beifall bei der LINKEN)


Ab 2020 soll es nun einen Green Climate Fund geben.
Das ist eine richtige, längst überfällige Initiative. Doch
noch ist völlig unklar, woher das Geld kommen soll. Zu-
sagen von Ministern, die dem Haushaltsausschuss, dem
ich angehöre, nichts vorgelegt haben, sind – wie Sie alle
wissen – völlig wertlos. Herr Kauch, ich habe keinen
Antrag Ihrer Fraktion – wie Sie hier versucht haben, der
Öffentlichkeit weiszumachen – im Haushaltsausschuss
gesehen. Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit!


(Beifall bei der LINKEN – Michael Kauch [FDP]: Das stimmt überhaupt nicht! Das geht nur über das BMF!)


Im Entschließungsantrag von SPD und Grünen wird
nun gefordert, dass der Fonds zum größten Teil aus öf-
fentlichen Mitteln finanziert werden solle, dass aber
auch der internationale Schiffs- und Flugverkehr einen
Beitrag leisten solle. Ich frage mich: Warum sollen in
den Fonds nicht hauptsächlich diejenigen einzahlen, die
die Hauptverursacher der Klimakrise sind – die Ölkon-
zerne, die Stromkonzerne und die Rüstungskonzerne?


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D a, Kriege sind die größten von Menschen verursachten mweltkatastrophen überhaupt. Da ist es doch nur anemessen, die Rüstungsindustrie wirklich einmal zur asse zu bitten. Die Beschlüsse seien „ein löchriger Rettungsschirm rs Klima. Damit kann das 2-Grad-Ziel nicht erreicht erden“, sagte der Vorsitzende des BUND. Das Klimaproblem scheint unlösbar, weil sich Regiengen gegenseitig blockieren. Aber für meinen Ge chmack wird viel zu wenig über die Konzerne gesprohen, die ohne Rücksicht auf das Klima ihre Profite ichern wollen und dafür ihre Regierungen einspannen, ie es offensichtlich gerade bei Kanada geschehen ist. as zeigt das eigentliche Problem: Das kapitalistische irtschaftsmodell lebt doch davon, dass es Luft, Wasser, ohstoffe exzessiv verbraucht, ohne Rücksicht auf Verste. (Judith Skudelny [FDP]: Sie leben doch auch davon! Entschuldigung!)


(Beifall bei der LINKEN)


apitalismus und Klimaschutz sind offensichtlich nicht
iteinander vereinbar.


(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Vorwärts immer, rückwärts nimmer!)


arum brauchen wir andere Gesellschaftskonzepte,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


onzepte, die nicht auf Massenverbrauch und Umwelt-
erstörung programmiert sind.

Herr Röttgen, je langsamer der internationale Prozess
erläuft, desto wichtiger ist die Rolle Deutschlands. Um
ine wirkliche Vorbildrolle übernehmen zu können,
uss bei uns in der Bundesrepublik wesentlich mehr

eschehen. Die Halbierung des CO2-Ausstoßes und ein
0-prozentiger Anteil erneuerbarer Energien beim
tromverbrauch bis 2020 müssen das Ziel sein.

Meine Damen und Herren, das Energiesystem in der
undesrepublik braucht eine neue Grundlage: erneuer-
ar, demokratisch und sozial. Ich möchte mich dabei al-
rdings nicht nur auf die Aktivitäten der Bundesregie-
ng verlassen. Meine feste Überzeugung ist: Die soziale
nergiewende braucht mindestens so viel außerparla-
entarische Bewegung und Energie wie der Kampf ge-

en die Nutzung der Atomkraft. Die Linke ist dabei. Pa-
ken wir es an!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715000800

Christian Ruck ist der nächste Redner für die CDU/

SU.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1715000900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

lle waren vor der Klimakonferenz von Durban vor dem

18000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Christian Ruck


(A) )


)(B)

klimapolitischen Abgrund. Es gab wenig Aussicht auf
einen verlässlichen Prozess für ein globales Klima-
schutzabkommen. Der Fortgang des Kioto-Protokolls
war unklar. Es gab verhärtete Fronten im internationalen
Dialog zwischen Industrieländern und Schwellen- und
Entwicklungsländern. Durban drohte auf ganzer Linie zu
scheitern. Damit drohte auch ein Abriss des globalen
Klimaschutzprozesses. Vor diesem Hintergrund kann
man wirklich nur feststellen, dass Durban trotz aller Un-
kenrufe ein Erfolg war.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Klimaschutz bleibt auf Kurs, wenngleich auf einem
beschwerlichen. Wir haben weiterhin die Chance, die
globale Klimakatastrophe abzuwenden, und der Klima-
schutz bleibt auf der Agenda der Völkergemeinschaft.

Das, was in Durban erreicht wurde, ist jedenfalls viel
mehr als von uns allen befürchtet. Das war auch – wenn
die Mitglieder der Opposition ehrlich sind – der Tenor
unserer Ausschussberatungen: International wurde das
erreicht, was international derzeit möglich ist.

Mich freuen vor allem drei Punkte, die auf der Konfe-
renz in Durban eine Rolle gespielt haben:

Erstens. Es freut mich in der Tat, dass die Trennungs-
linie zwischen Industrieländern auf der einen Seite und
Entwicklungs- und Schwellenländern auf der anderen
Seite – sie lehnten bisher jegliche verbindliche Minde-
rungsverpflichtungen ab – nicht mehr existiert. In der
FAZ wurde davon gesprochen, dass sich die Weltkarte
des Klimaschutzes verändert hat. Die Schwellenländer,
vor allem auch China, haben verstanden, dass sie Verant-
wortung für das Klima haben.

Das wirklich Neue an dieser Konferenz ist, dass alle
Konferenzteilnehmer bis 2015 eine Vereinbarung mit
Rechtskraft beschließen wollen. Das heißt, wir haben
zum ersten Mal alle Emittenten in einem Boot. Nur so
macht es Sinn, dass wir an eine zweite Verpflichtungspe-
riode des Kioto-Protokolls herangehen. Ansonsten wäre
dauerhaft festgeschrieben worden, dass Klimaschutz nur
eine Sache der wenigen ist und die anderen aus der Ver-
antwortung entlassen sind.

Der zweite Punkt – auch das wurde schon angespro-
chen – ist die konstruktive Rolle Deutschlands und der
EU, von Kommissarin Hedegaard sowie Bundesminister
Röttgen und seinem Team. Sie haben die entscheidende
Führungsrolle in Durban übernommen. Deswegen ist
Durban auch ein Erfolg für die europäische und die deut-
sche Klimaschutzpolitik. Allen Skeptikern zum Trotz hat
sich die EU als handlungsfähig erwiesen, sie hat sogar
die Koalition des Verantwortungsbewusstseins ange-
führt. Sie war der Motor einer neuen Dynamik, und zwar
deshalb, weil Europa mit einer Stimme gesprochen hat.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem Bundesum-
weltminister Norbert Röttgen und seinem Team für sei-
nen persönlichen, hartnäckigen Einsatz für realistische,
aber auch verbindliche Ziele zu danken. Deutschland
bleibt im internationalen Klimaschutz die treibende und
führende Kraft. Dafür von meiner Seite, von unserer
Seite vielen Dank an die Verhandlungsdelegation!

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(C (D Herr Miersch, ich möchte ausdrücklich auch denen in er Delegation der Parlamentarier danken, die sich ebenlls in vielen Gesprächen mit großem Aufwand und roßem Engagement um einen Erfolg in Durban gekümert haben. Es ist wichtig, dass parlamentarische Dele ationen auf diesen Konferenzen vertreten sind. Desween habe ich die Bitte an den Präsidenten des Deutschen undestages, dass solche Konferenzen permanent von eutschen Abgeordneten aus diesem Hause besucht weren können. Diese Delegationen spielen bei der Übereugungsarbeit gerade im Verhältnis zu den Schwellennd Entwicklungsländern eine ganz wichtige Rolle. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der dritte Punkt. Es freut mich persönlich, dass es ge-
ngen ist, eine neue Allianz mit den Entwicklungslän-

ern zu schließen. Die Entwicklungsländer sind natür-
ch Opfer, aber sie sind teilweise auch Täter. Die neue
oalition aus EU, kleinen Inselstaaten und progressiven
ntwicklungsländern hat für einen neuen Schwung in
urban gesorgt. Sie war letztendlich der Schlüssel zum
rfolg der Verhandlungen; denn durch sie wurde ein mo-
lischer Druck auf die Bremserstaaten aufgebaut, der

ringend notwendig war.

Die Allianz ist nicht vom Himmel gefallen. Sie war
as Ergebnis einer langwierigen und intensiven vertrau-
nsbildenden Vorarbeit vor allem der EU und Deutsch-
nds. Diese Allianz gilt es zu halten und auszubauen.
ir gelten als ehrliche Makler, als nicht kolonialbehaf-
t, mit einem ehrlichen Interesse an den Menschen, ih-
r Zukunft und an der Umwelt. Wir gelten auch als
ngjährig verlässliche Partner.

Ich möchte auf die Zahlenspielereien eingehen, die
ie, Herr Kelber – und auch Herr Miersch –, immer bis
um Exzess betreiben.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ganz vorsichtig!)


n Ihnen stelle ich auch den Unterschied zwischen ei-
em Politiker und einem Buchhalter fest, und Sie sind
och dazu ein schlechter Buchhalter. Ich habe Ihnen
chon beim letzten Mal vorgerechnet, wie die Gelder für
ast Start zustande kommen, aber Sie glauben es einfach
icht. Deswegen sage ich es Ihnen noch einmal;


(Ulrich Kelber [SPD]: Ich habe die Zahlen schon ins Internet gestellt! Machen Sie das doch auch!)


ielleicht glauben Sie mir mehr als dem BMZ. 894 Mil-
onen Euro war der Sockelbetrag; dazu kommen
95 Millionen Euro vonseiten des BMZ zusätzlich


(Ulrich Kelber [SPD]: Neu und zusätzlich?)


nd 365 Millionen vom BMU zusätzlich. Das macht zu-
ammen mehr als 1,6 Milliarden Euro.


(Ulrich Kelber [SPD]: Neu und zusätzlich oder nur zusätzlich?)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18001

Dr. Christian Ruck


(A) )


)(B)

Ich bitte Sie: Nehmen Sie es einmal zur Kenntnis, oder
gehen Sie selber ins BMZ, suchen die Zahlen und rech-
nen nach. Dann müssten auch Sie auf diese Zahlen kom-
men.

Dieser Aufwuchs der ODA-Mittel und auch die Mit-
tel für Umwelt- und Klimaschutz müssen steigen. Dafür
kämpfen wir Entwicklungspolitiker. Der Aufwuchs der
ODA-Mittel muss vor allem auch in den Klima- und
Umweltschutz gehen: für Technologietransfer, für den
Schutz von Wäldern und Sumpfgebieten, für Agrarmaß-
nahmen, zum Beispiel für eine robustere Landwirtschaft,
für den Schutz der Korallenriffe und vieles andere mehr.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715001000

Herr Kollege Ruck, darf der Kollege Kelber eine Zwi-

schenbemerkung machen?


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1715001100

Herr Kelber, das wird auch nichts bringen, aber ich

lasse Ihre Zwischenfrage zu, sonst sagen Sie wieder, ich
hätte Angst vor Ihrem Zahlenwerk. – Bitte.


Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1715001200

Sie sagen ja immer, die Tatsache, dass ich nicht rech-

nen könne, hätte ich wahrscheinlich meinem Mathema-
tikstudium zu verdanken. Würden Sie aber folgende
Zahlen akzeptieren, vorgelegt von Brot für die Welt und
Germanwatch? Überschrift: „Der deutsche Beitrag zur
Fast-Start-Zusage von Kopenhagen: Alter Wein in neuen
Schläuchen“. Weiter heißt es: Demnach kommen über
den Zeitraum 2010 bis 2012 nur 152 Millionen Euro
– das entspricht 12 Prozent der genannten Zahlen – an
„frischem“ Geld zusammen. Eklatantestes Beispiel:
500 Millionen Euro, die die Bundesregierung bereits für
den Waldschutz zugesagt hat, werden bei Fast Start er-
neut verrechnet.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Nur zweimal statt dreimal?)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1715001300

Ich akzeptiere die Zahlen nicht. Herr Kelber, ich sage

es Ihnen noch einmal: 894 Millionen Euro beträgt der So-
ckelbetrag; das ist hoffentlich einvernehmlich. 895 Mil-
lionen Euro beträgt der Beitrag des BMZ; das sind sowohl
Mittel für internationale als auch für bilaterale Projekte.
Hinzu kommen 365 Millionen Euro des BMU.

Es ist so, dass manche Mittel, zum Beispiel für den
Waldschutz, gleichzeitig Mittel zum Schutz der Biodi-
versität sind. Das können Sie dem BMZ und uns aber
nicht vorwerfen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Neu und zusätzlich!)


– Ja, das sind neue und zusätzliche Mittel.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die schaffen Arbeitsplätze! Die können Sie gleich dreimal rechnen!)


Herr Kelber, tun Sie mir einfach einen Gefallen: Gehen
Sie zum BMZ, und machen Sie genau das Gleiche, was
ich gemacht habe: Zählen Sie die Mittel für die einzel-

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(C (D en Projekte zusammen. Wenn Sie Mathematiker sind, ann kann es ja nicht am Zusammenzählen liegen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Denken Sie mal an die Hypo Real Estate!)


ann werden auch Sie sehen, dass unsere Zahlen stim-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich sprach über die Partnerschaft mit Entwicklungs-
nd Schwellenländern. Diese Partnerschaft ist keine Ein-
ahnstraße. Ich komme auf den Fall Brasilien zurück,
eil das ein wirklich starkes Stück ist. Mit Brasilien
flegen wir eine jahrzehntelange und kostspielige Zu-
ammenarbeit im Tropenwaldbereich. Die geplante Ent-
aldungsgesetzgebung wäre im schlechtesten Fall mit

iner Freisetzung von 28 Milliarden Tonnen CO2 ver-
unden. Das ist das Dreißigfache dessen, was die Bun-
esrepublik Deutschland im Jahr ausstößt. 28 Milliarden
onnen CO2, das wäre ein Schlag ins Gesicht – für uns
nd für den internationalen Klimaschutz. Wir müssen im
eutschen Bundestag natürlich über Kanada sprechen,
ir müssen aber auch über Brasilien sprechen; denn mit

iner solchen Gesetzgebung macht Brasilien die Rio-
lus-20-Konferenz zu einer Farce. Deshalb müssen auch
ir Bundestagsabgeordnete mit den Brasilianern ein

rnstes Wort sprechen.

Auf der Konferenz in Durban wurde Arbeit eingefor-
ert und Arbeit verteilt: für ein zweites Kioto-Protokoll,
r das beschlossene Aktionsprogramm, für einen ver-

esserten Waldschutz und für den sofortigen Beginn der
rbeit an einem globalen Klimaschutzabkommen. Wir

ls Abgeordnete müssen uns dabei dauerhaft und aktiv
inbringen und dürfen auch eine kritische Auseinander-
etzung mit Bremserstaaten nicht scheuen. Auch ich
alte das Verhalten der Kanadier für einen Skandal.
enn man zuerst die Klimaschutzziele dermaßen ekla-
nt verfehlt – statt minus 6 plus 35 Prozent – und dann
och sagt: „Bevor ich Strafe zahlen muss, mache ich
ich vom Acker“, dann passt das nicht zu einer Nation,

ie mit den Entwicklungsländern Geschäfte mit den na-
rlichen Ressourcen macht, und es passt nicht in diese
eit, in der Kanada den Anspruch erhebt, eine Führungs-
ation zu sein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715001400

Herr Kollege Ruck, darf die Kollegin Bulling-

chröter eine Zwischenfrage stellen?


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1715001500

Nein, jetzt nicht mehr. Ich bin nämlich bei meinem

tzten Punkt angelangt.

Klimaverhandlungen sind wichtig. Wir wissen, dass
ie zäh sind, langsam vorangehen, vor allem im UNO-
ontext, und dass wir deswegen selber handeln müssen,
m andere mitziehen zu können. Genau das tun wir. Un-
ere Energiewende und der damit verbundene gesell-
chaftliche Kraftakt finden vor den Augen der Weltöf-
ntlichkeit statt. Er entscheidet über den Erfolg der

18002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Christian Ruck


(A) )


)(B)

Klimawende, auch international. Alle schauen darauf,
wie wir diese Energiewende gestalten und in welcher Art
und Weise wir wirtschaften.

Dass Deutschland mit seiner Energiepolitik interna-
tionalen Vorbildcharakter hat, hat Durban eindrucksvoll
gezeigt. Das globale Interesse ist groß in Bezug auf un-
sere Energiepolitik und unsere Energietechnologie ge-
rade in den Bereichen der dezentralen Energieversor-
gung, der Wasserversorgung, der Elektromobilität, der
Gebäude- und der Effizienztechnologien, aber auch in
Bezug auf neue Werkstoffe und die Art und Weise, wie
wir diese Energiewende juristisch und administrativ or-
ganisieren. Wir werden zeigen, dass unsere Ener-
giewende kein bloßer Versuch und kein Experimentier-
feld mit offenem Ausgang ist, sondern ein Erfolgsmodell
und damit Deutschlands Exportschlager des 21. Jahrhun-
derts. Wir müssen zeigen, dass diese Energiewende ver-
sorgungssicher und bezahlbar ist, dass sie neue Impulse
für Wachstum und Arbeitsplätze gibt, ja dass es sogar
ein großer Wettbewerbsnachteil für die Konkurrenzfä-
higkeit anderer Länder ist, wenn sie sich dieser Ener-
giewende nicht anschließen. Dieser Dominoeffekt ist ge-
nau das, was wir erreichen wollen, und ist vielleicht
noch viel wertvoller als mühsame und zähe UN-Ver-
handlungen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daran, dass diese Energiewende gelingt, arbeitet die
christlich-liberale Koalition mit vollem Einsatz. Wir
kämpfen für den raschen Ausbau der erneuerbaren Ener-
gien, und dies mit großem Erfolg. 20 Prozent unserer
Stromproduktion erfolgt auf der Basis erneuerbarer
Energien. Wir kämpfen um einen zügigen Netzausbau
und die Gewährleistung der Netzstabilität. Wir kämpfen
um ein Lastmanagement, um den Ausbau der Stromspei-
cherung sowie um Forschung und Entwicklung im Be-
reich der Energiepolitik.

Natürlich müssen wir auch auf die Bezahlbarkeit der
Energiewende achten. Es wäre ein Schuss ins eigene
Knie, wenn wir eine Energiewende machten, die außer
uns keiner bezahlen könnte. Deswegen geht es auch und
vor allem um Energieeffizienz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bin durchaus bereit, meine Damen und Herren von
der Opposition, über Energieeffizienz im europäischen
Kontext zu reden. Wir brauchen im europäischen Kon-
text mehr Energieeffizienz. Wir haben wichtige Gesetze
vor uns, die uns mehr Energieeffizienz bescheren kön-
nen, zum Beispiel im KWK-Bereich und im Mietrechts-
bereich.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715001600

Herr Kollege, Sie müssen jetzt bitte zum Schluss

kommen.


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1715001700

Jawohl. – Entscheidend ist, dass die Welt auf

Deutschland schaut. Wir müssen beweisen, dass Klima-

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(C (D chutz Zukunftspolitik und Wachstumslokomotive ist, nd zwar nicht nur für das Industrieland Deutschland, ondern auch für die globale Wirtschaft. Wenn uns dies elingt, dann gibt es vor allem einen Gewinner: das lima dieser Welt. Vielen Dank. Das Wort hat nun Renate Künast für die Fraktion ündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der egierungserklärung bin ich etwas ratlos und frage: Was ollte das eigentlich, Herr Röttgen? (Josef Göppel [CDU/CSU]: Das war eindeutig klar!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715001800
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715001900

t es sozusagen eine moderne Art des Debriefings, dass
an sich eine Woche danach in Ermangelung anderer
hemen, auf die sich diese Koalition einigen könnte,
chlicht und einfach selber lobt, obwohl es inhaltlich
icht angebracht ist?


(Josef Göppel [CDU/CSU]: Sie waren gar nicht dabei!)


lso, ich bin ratlos an dieser Stelle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


s ist bemerkenswert, Herr Röttgen, wie Sie sich selber
elobt haben. Dabei gehört zur Wahrheit auch: Die Bun-
eskanzlerin hatte den ganzen Verhandlungsprozess
chon aufgegeben, bevor das Verhandeln überhaupt be-
onnen wurde. Sie sind hingefahren und haben als Erstes
eine ganz moderne Verhandlungsstrategie und eine in-
ressante Variante, um jemanden zu gewinnen – China
den Hintern getreten


(Josef Göppel [CDU/CSU]: Das war höchst erfolgreich!)


nd haben sich am Ende dies als erfolgreiche Verhand-
ngsstrategie ans Revers geheftet und behauptet, Sie hät-
n quasi dieses große internationale Bündnis geschmie-
et. Wahr ist: Man hat erstens zu spät angefangen, und
weitens hieß der Schmied nicht Röttgen, sondern die
chmiedin war die EU-Kommissarin Hedegaard.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Josef Göppel [CDU/CSU]: Da waren Sie noch im Berliner Wahlkampf!)


Es ist sicherlich eine gute Strategie, sich gemeinsam
it den Schwellenländern und den am wenigsten entwi-

kelten Staaten dieser Welt gegen diejenigen zu stellen,
ie nicht willens sind, sich zu bewegen. Aber dann frage
h einmal: Wo war eigentlich – außer der Beschreibung,
as für tolle Hechte Sie alle in Durban waren – der Satz
ber das, was man zu tun gedenkt? Dazu hat keiner et-
as gesagt. Von den Koalitionsrednern höre ich nur: Wir
aren ganz toll! Aber wie will man das Eisen mit diesen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18003

Renate Künast


(A) )


)(B)

ganzen Staaten denn jetzt weiter schmieden? Was sind
denn die Angebote?

Wir haben – Herr Kelber hat es gerade noch einmal
gesagt – durch die heutigen Redebeiträge eins gelernt,
nämlich dass die Gelder dreifach oder doch mindestens
zweifach angeboten werden. So kann man natürlich eine
wundersame Geldmehrung machen – einmal ganz abge-
sehen davon, dass vieles von dem, was Sie anbieten,
noch lange nicht im Haushalt steht.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das ist doch ein Blödsinn! Sie haben keine Ahnung!)


Wenn es aber ans Eingemachte geht, höre ich hier keinen
einzigen Satz, wie Sie denn das Eisen schmieden wollen.
Die am wenigsten entwickelten Länder, viele afrikanische
Länder könnten Sie beglücken, indem Sie keine Rechen-
tricks machen, sondern deutlich machen: Deutschland
sagt Ja zu einer Agrarreform. Weg mit den Exportsubven-
tionen! Wir werden nicht mehr auf Kosten anderer wirt-
schaften.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Doch dazu habe ich von Ihnen an dieser Stelle kein Wort
gehört.

Die richtige Antwort könnte auch sein, jetzt das ambi-
tionierte europäische Klimaschutzziel auf minus 30 Pro-
zent bis 2020 zu setzen. Die richtige Antwort könnte
auch sein, den Green Climate Fund jetzt mit Geld auszu-
statten, anstatt mit Rechentricks zu arbeiten.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Sie haben keine Ahnung, Frau Künast!)


Die richtige Antwort könnte auch sein, Klimaschutzini-
tiativen mit anderen zusammen zu starten. Die richtige
Antwort könnte auch sein, zu überlegen, wie und an wel-
chen Stellen wir mit China zusammenarbeiten können.


(Judith Skudelny [FDP]: Das tun wir doch!)


Herr Ruck, es war ein toller Satz,


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Danke!)


dass man mit Brasilien ein ernstes Wort reden müsse,
weil sie die Wälder dort roden. Ich sage Ihnen eins: Mit
dieser Großmannssucht des reichen weißen Mannes
kommen Sie in Brasilien bestimmt ganz weit.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Sie können ja Däumchen drehen, Frau Künast! – Judith Skudelny [FDP]: Was für ein dämliches Geschwätz!)


– Welche Kinderstube haben Sie denn?


(Judith Skudelny [FDP]: Eigentlich eine ganz gute!)


Wenn Sie mit den Brasilianern ernsthaft reden wollen,
dann müssen Sie auch etwas bringen. Ja, wir wollen,
dass Brasilien den Amazonas-Wald nicht rodet. Aber Sie
müssen an dieser Stelle endlich einmal aufhören, der
Waldwirtschaft in den Hintern zu kriechen.


(Otto Fricke [FDP]: So viel zur Kinderstube!)


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(C (D agen Sie doch: Wir sorgen dafür, dass in Deutschland nd in Europa nur noch FSC-zertifiziertes Holz verbaut ird. Dann können Sie denen erklären, was sie mit ihm Wald machen sollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sagen Sie doch: Wir machen eine Agrarreform und
eiben sie in Europa an.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Sie haben doch keine Ahnung! Sie können sich doch nicht hier hinstellen und so ahnungslos daherplappern!)


ir wollen nicht mehr, dass da unten Wälder für den
nbau von Soja gerodet werden, den wir dann hier ver-
ttern. Ich weiß, warum Sie so reagieren: Sie merken

ämlich, dass man nicht nur das allgemeine Wortgeklin-
el machen kann, sondern dass man zu Hause auch lie-
rn muss. Man muss zu Hause den Mut haben, Verhal-
ns- und Politikänderungen durchzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will gerne noch hinterherschicken: Herr Röttgen
at hier ja eine warme Rede gehalten.


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Was ist denn eine „warme“ Rede?)


ie können, ohne Zweifel, immer schön reden, Herr
öttgen. Sie haben gesagt, man müsse zu Hause die
hancen für die wirtschaftliche Entwicklung nutzen.
as haben Sie sicherlich nicht in unsere Richtung ge-

agt, denn wir wussten das schon; wir sagen ja ständig,
ass Klimaschutz auch eine wirtschaftliche Chance und
ine Chance für Arbeitsplätze ist. Sie haben es in Rich-
ng Ihrer Koalitionsfraktionen gesagt. Wenn Sie das

ber in diese Richtung sagen, dann muss ich hinterher-
chicken: Unterhalten Sie uns endlich nicht mehr mit
em Spiel von Röttgen und Rösler: Der eine so herum,
er andere so herum.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


eden Tag trifft man sich mit Energiekonzernen – einmal
ie, einmal Sie. Man ist nicht einmal in der Lage, sich
emeinsam mit denen zu treffen, weil Sie nicht den
auch einer gemeinsamen Position haben.

Sie reden im Spiegel über die Vision eines Pro-Kopf-
udgets an CO2. Wenn wir dann aber beim BMU nach-
agen, erfahren wir dort, das sei eher hypothetisch ge-
eint. Hypothesen haben wir auch, säckeweise.


(Judith Skudelny [FDP]: Ja, das wissen wir doch!)


ir brauchen aber Taten an dieser Stelle.


(Otto Fricke [FDP]: Dann sollten Sie mit Ihrem Wortbeitrag zum Ende kommen!)


Sie sind eh schon am Ende; Sie existieren gar nicht
ehr.

18004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Renate Künast


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke [FDP]: Warum reagieren Sie dann auf mich?)


– Weil ich höflich bin, Herr Fricke.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie müssen zu Hause Ihre Hausaufgaben machen und
vorangehen, wenn Sie die wirtschaftlichen Chancen
wirklich nutzen und den anderen zeigen wollen, dass
sich technologische Entwicklung lohnt.

Zum Beispiel Energieeffizienz. Herr Röttgen, Sie sa-
gen dazu, das sei die intelligenteste Form der Energie-
politik. Dann dürfen Sie nicht mehr zulassen, dass Herr
Rösler die EU-Effizienzrichtlinie blockiert. Wir brau-
chen sie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Durch ihre Umsetzung könnten bis zu 120 000 neue Ar-
beitsplätze geschaffen werden.

Ich komme zum Schluss. – Energetische Gebäudesa-
nierung: So, wie Sie dieses Thema angehen, schaffen wir
es nicht einmal in 100 Jahren. Wann einigen Sie sich
endlich? Wann schafft es die Kanzlerin, die Ausnahmen
im Emissionshandel, auch im europäischen Emissions-
handel, zu eliminieren? Darüber könnten wir Geld be-
kommen. Warum schicken wir die Gigaliner auf die
Straße statt den Güterverkehr auf die Schiene? Warum
blockiert Deutschland das Weißbuch Verkehr?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Wer blockiert?)


Warum bauen wir mithilfe der Gelder aus dem Emissions-
handel neue Kohlekraftwerke? Ich sage eines ganz klar:
Klimaverhandlungen werden in potenziell guten neuen
Bündnissen fortgeführt, wenn Deutschland selber einen
Innovationsschub hat. Aber das kann Schwarz-Gelb
nicht, zumindest nicht der gelbe Teil, und der schwarze
hat auch keinen Mut.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715002000

Birgit Homburger ist die nächste Rednerin für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt die Rede zur Bewerbung bei der DBU?)



Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1715002100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

haben heute Morgen die Möglichkeit, hier über die Er-
gebnisse von Durban zu diskutieren. Liebe Frau Künast,
mich wundert nichts mehr. Ihnen kann man nichts recht

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(C (D achen. Sie sind immer unzufrieden. Es ist egal, was ir machen, es passt Ihnen nicht. (Ulrich Kelber [SPD]: Aber egal, was Sie machen, Sie machen es auch falsch!)


etzt man das Thema auf die Tagesordnung, dann rekla-
ieren Sie, dass es auf die Tagesordnung gesetzt wurde.
ie wären die Erste gewesen, die uns kritisiert hätte, hät-
n wir heute Morgen nicht darüber diskutiert. Ich sage
nen: Das Thema ist wichtig genug, um es im Deut-

chen Bundestag zu behandeln.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Natürlich war Durban ein Erfolg; denn es wurde ein
ahrplan zu einem Rechtsabkommen mit allen Ländern
ereinbart. Die Grundlage dieses Erfolgs war eine
chlagkräftige Allianz zwischen der EU, den kleinen In-
elstaaten, den ärmsten Ländern und progressiven afri-
anischen und lateinamerikanischen Ländern. Der Red-
er der SPD hat hier heute Morgen erklärt, das sei
chlicht nichts. Dann erklären Sie uns doch bitte einmal,
as Ihre Alternative gewesen wäre. Glauben Sie, Sie
ätten die anderen Länder dazu gebracht, auf dieser Kli-
akonferenz mehr zu vereinbaren als das, was jetzt ver-

inbart wurde? Das glauben Sie doch selber nicht.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie können nicht
ermanent alles, was erreicht wird, konterkarieren und
blehnen und dann sagen, dass wir das Weltklima mit
aßnahmen allein in Deutschland retten. Das wird nicht
nktionieren. Deswegen ist es richtig, dass diese Bun-

esregierung so agiert hat, wie sie agiert hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen, dass es nicht bei Klimadiplomatie bleibt.
as Wichtigste ist, dass jetzt etwas passiert. Das haben
ehrere Redner gesagt; da sind wir uns vollkommen ei-

ig. Deshalb ist es wichtig, dass die Bereitschaft von
ändern wie Mexiko, Brasilien oder auch China, sich
limapolitisch zu engagieren, jetzt von uns unterstützt
ird. Sie muss unbedingt aufrechterhalten werden.
iebe Frau Künast, Sie werden diese Bereitschaft sicher-
ch nicht aufrechterhalten, indem Sie Länder wie Brasi-
en, die sich wirklich anstrengen, hier im Deutschen
undestag verbal verhauen. So werden Sie nicht weiter-
ommen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir die Ge-
präche bilateral weiterführen, nicht nur zwischen der
U und diesen Ländern, sondern auch zwischen der
undesrepublik Deutschland und diesen Ländern. Wir
ollen, dass es mit diesen Ländern bilaterale Koopera-
onen insbesondere in projektbezogenen technischen
ragen gibt. Das wird dazu führen, dass dort das Be-
usstsein für die Notwendigkeit von Klimaschutz ge-

tärkt wird. Es zeigt aber auch die Ernsthaftigkeit, mit
er wir uns um die Zusammenarbeit mit diesen Ländern
emühen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal, das
iese Bundesregierung aussendet.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18005

Birgit Homburger


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben in Durban Zeit gewonnen. Wir wollen,
dass durch pragmatische, projektbezogene und dezen-
trale Schritte zur Emissionsreduktion jetzt etwas pas-
siert. Ich möchte deutlich sagen: Ich finde es sehr erfreu-
lich, dass die Bundesregierung nicht nur geredet,
sondern auch gehandelt hat. Der Bundesminister für
wirtschaftliche Zusammenarbeit hat während der Konfe-
renz in Durban 120 Millionen Euro für Solarprojekte im
südlichen Afrika zugesagt. Er hat eine weitere Zusage
für Förderung durch das BMZ für ein solarthermisches
Kraftwerk in Marokko gemacht.


(Ulrich Kelber [SPD]: Alles aus längst verplanten Mitteln! Das ist vergammelter Wein in alten Schläuchen!)


Das zeigt, dass diese Bundesregierung handelt, dass sie
die Sache ernst nimmt und dass sie diesen Prozess weiter
intensiviert und unterstützt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715002200

Frau Kollegin Homburger, darf die Kollegin Höhn

eine Zwischenfrage stellen?


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1715002300

Bitte sehr.


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715002400

Frau Kollegin Homburger, Sie sind in den letzten Mo-

naten ja nicht mehr in Erscheinung getreten, wenn es um
Umwelt- und Klimathemen ging. Heute reden Sie dazu.
Könnte ein Grund dafür sein, dass Sie sich um die Nach-
folge von Herrn Brickwedde bei der Deutschen Bundes-
stiftung Umwelt in Osnabrück bewerben wollen?


(Dr. Thomas Gebhart [CDU/CSU]: Das ist jetzt wirklich unangemessen! – Michael Kauch [FDP]: Peinlich! – Otto Fricke [FDP]: Ach! So ein Quatsch! – Weitere Zurufe von der FDP: Oh! Oh! – Was soll denn das jetzt?)



Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1715002500

Sehr geehrte Frau Höhn, das ist eine peinliche Frage,

die Ihre Denke vollkommen offenlegt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie sind offensichtlich der Meinung, dass hinter jedem
politischen Engagement ein persönlicher Vorteil stecken
muss.


(Otto Fricke [FDP]: So scheint das bei den Grünen zu sein!)


Das trifft auf mich nicht zu. Das trifft auch auf die FDP
nicht zu. Ich kann Sie beruhigen: Das interessiert mich
nicht. Dies ist keine Bewerbungsrede. Dass ich hier und
heute zu diesem Thema spreche, ist der Tatsache ge-
schuldet, dass wir in der FDP-Bundestagsfraktion

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(C (D (Gerd Bollmann [SPD]: Ihr müsst wohl noch Stimmen auszählen!)


er Auffassung sind, dass klimapolitische Fragestellun-
en nicht nur im Umweltausschuss des Deutschen Bun-
estages zu behandeln sind, sondern dass es auch eine
emeinsame Strategie der auswärtigen Politik, der Wirt-
chaftspolitik, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und
er Umweltpolitik geben muss. Das kommt hier zum
usdruck.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zur Erreichung der Klimaschutzziele kann aus unse-
r Sicht auch der Mittelmeer-Solarplan einen Beitrag
isten. Es handelt sich hierbei um ein Kernprojekt der
U, mit dem potenzielle erneuerbare Energien rund um
as Mittelmeer erschlossen werden sollen. Dieses Pro-
kt dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der
iversifizierung der Energiequellen und der Unabhän-
igkeit von fossilen Rohstoffen.

In diesem Zusammenhang sind wir der Auffassung,
ass dem Desertec-Projekt eine zentrale Bedeutung zu-
ommt. Wir sind froh, dass die Bundesregierung dieses
rojekt durch Gespräche in den entsprechenden Ländern
ankiert. Mit diesem Projekt können nämlich nicht nur
lima- und energiepolitische Ziele erreicht werden, son-
ern das Projekt hat auch eine wirtschaftspolitische Be-
eutung, nicht nur für die Länder in Nordafrika, die da-
n teilnehmen, sondern auch für die Solarwirtschaft in
eutschland.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


An dieser Stelle, meine sehr verehrten Damen und
erren, eine Bemerkung zur Kollegin Lötzsch.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja, bitte?)


h bin der tiefen Überzeugung: Nur wenn wir es schaf-
n, umweltpolitische Zielsetzungen und wirtschafts-

olitische Zielsetzungen in Übereinstimmung zu brin-
en, und zwar so, dass es beiden Seiten hilft,


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau! Beiden!)


erden wir bei der Klimaschutzstrategie Erfolg haben.
or diesem Hintergrund ist die Rede, die Sie heute Mor-
en unter der Überschrift „Wege zum Kommunismus“
ehalten haben, mit Sicherheit nicht hilfreich gewesen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Um die neue Energiepolitik, die wir im Deutschen
undestag beschlossen haben, umzusetzen, braucht es
ine Beschleunigung des Netzausbaus in Deutschland. Es
raucht einen Zubau neuer und effizienter fossiler Kraft-
erke. Es braucht den weiteren Ausbau der erneuerbaren
nergien, nicht nur in Deutschland, sondern auch in an-
eren Ländern, in denen bessere Bedingungen vorherr-
chen. Es braucht eine Verknüpfung von Umweltpolitik,

irtschaftspolitik, Entwicklungszusammenarbeit und
uswärtiger Politik. Diese Verknüpfung werden wir her-
tellen, um die Klimaschutzziele zu erreichen, gleichzei-

18006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Birgit Homburger


(A) )


)(B)

tig aber auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein und wei-
terhin zu bleiben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715002600

Das Wort erhält jetzt der Kollege Frank Schwabe für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1715002700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

denke, man kann feststellen – das können wir, glaube
ich, übereinstimmend tun, auch diejenigen Mitglieder
des Deutschen Bundestages, die in Durban waren –: Es
hat durchaus Bewegung gegeben, und wir haben eine an-
dere Weltlage, auch im Bereich der Klimapolitik.
Enorme Bewegung gibt es bei vielen kleineren Ländern,
aber auch bei vielen Schwellenländern wie Brasilien,
Mexiko, China und Indien. Angesichts ihrer sehr
schwierigen Rolle finde ich, dass sogar die USA ver-
sucht haben, sich relativ konstruktiv zu verhalten. Ich
will ausdrücklich sagen: Ich sehe durchaus Hoffnungen
und Chancen in diesem Prozess.

Trotzdem müssen wir festhalten, dass der UN-Prozess
nicht ausreichend ist. Er ist aber notwendig. Deswegen
muss er erhalten bleiben. Da der UN-Prozess notwendig
ist, muss man gemeinschaftlich ein klares Wort zu Ka-
nada sagen. Ich verstehe in der Tat nicht, warum der
Bundesumweltminister, aber auch die Bundeskanzlerin
an der Stelle so leisetreterisch und windelweich sind. Bei
aller diplomatischen Zurückhaltung: Das, was Kanada
hier tut, ist ein starkes Stück, und ich finde, dass es wich-
tig wäre, die richtigen Reaktionen in Richtung Kanada
zu senden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Europäische Kommission legt gerade eine neue
Kraftstoffqualitätsrichtlinie vor, weil die Kanadier ihr
schmutziges Öl, aus Teersand und Ölschiefer gewonnen,
nach Europa entsenden wollen. Es ist wichtig, dass wir
als Bundesrepublik Deutschland hier eine klare Haltung
einnehmen. Deswegen habe ich die Haltung der Bundes-
republik Deutschland ausdrücklich abgefragt. Die Ant-
wort habe ich ganz frisch auf den Tisch bekommen. Sie
lautet:

Zum vorgelegten Entwurf der Europäischen Kom-
mission … gibt es noch keine abgestimmte Haltung
der Bundesregierung.


(Ulrich Kelber [SPD]: Na toll!)


Das ist also die Reaktion Deutschlands auf die Politik,
die Kanada betreibt. Ich glaube, es wäre dringend not-
wendig, dass sich die Bundesrepublik Deutschland klar
auf die Seite der Europäischen Kommission stellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der s k a re s e e h A J b S V G k la S D 2 d s li R d s d a s n B d A re V h b U D s a W re U (C (D LINKEN und des Abg. Josef Göppel [CDU/ CSU])


Es gab in Durban ganz zweifellos zaghafte Fort-
chritte. Das bewerte ich durchaus so. Es war allerdings
eine Heldensaga, wie der Bundesumweltminister sie
ufführt. Ich weiß nicht, ob Sie etwas übernächtigt wa-
n, als Sie von einem großen, wegweisenden Erfolg ge-

prochen haben. Sie haben aber auch heute wieder von
inem Riesenerfolg geredet. Ich glaube, es könnte auch
twas kleiner gehen.

Es ist nichts anderes gelungen, als dass wir vereinbart
aben, möglicherweise im Jahre 2015 ein internationales
bkommen zu haben, das wir eigentlich schon sechs

ahre vorher in Kopenhagen haben wollten. Wir werden
is zum Jahr 2020 ein jahrelanges Nichtstun der großen
chwellenländer und der USA erleben. Die rechtliche
erpflichtung ist vollkommen unklar. Wir haben kein
eld im Klimafonds und sind auch beim Waldschutz
einen Schritt weitergekommen. Das ist leider die Bi-
nz von Durban.

Herr Minister, eine solche Regierungserklärung, wie
ie sie heute abgegeben haben, hat Vor- und Nachteile.
er Vorteil ist, dass man viel Zeit bekommt – über
0 Minuten – und viel erzählen kann. Man muss aller-
ings innerhalb der Bundesregierung immer alles ab-
timmen, was man hier sagen will. Am Ende wird deut-
ch, dass man nichts zu sagen hat, weil man in dieser
egierung eben nichts abgestimmt bekommt. Ich glaube,
as ist auch bei Ihrer wieder einmal sehr philosophi-
chen, letztlich aber inhaltsleeren Rede deutlich gewor-
en.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der UN-Prozess ist notwendig, aber er reicht nicht
us; darin sind wir uns einig. Wir brauchen jetzt eine ent-
chiedene Rolle der Europäischen Union und der einzel-
en Staaten der Europäischen Union. Wir brauchen
ündnisse mit anderen Ländern auf der Welt. Dazu, wie
as gelingen soll, haben Sie keinen Satz gesagt.

Vor zwei Wochen haben wir hier im Rahmen einer
ktuellen Stunde eine Debatte über die Weltklimakonfe-
nz geführt. Ich habe damals auf die Debatte über eine
erschärfung des Reduktionsziels auf 30 Prozent inner-
alb der Europäischen Union Bezug genommen. Sie ha-
en heute keinen Satz zum 30-Prozent-Ziel gesagt, Herr
mweltminister.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das war zu konkret!)


abei wissen Sie doch ganz genau, dass wir als Europäi-
che Union bis zum 1. Mai des Jahres 2012 ein Ziel
dressieren müssen.


(Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch einmal zu, Herr Röttgen!)


as ist denn die Haltung des Ministers und der Bundes-
gierung dazu? Welches Ziel soll die Europäische
nion bis zum 1. Mai des nächsten Jahres adressieren?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18007

Frank Schwabe


(A) )


)(B)

Wir erleben einen Preisverfall innerhalb der Europäi-
schen Union. Der CO2-Preis liegt gerade einmal bei
6,50 Euro. Vor zwei Wochen lag er noch bei etwas über
8 Euro, jetzt sind wir bei 6,50 Euro angelangt. Das heißt,
wir werden in der Europäischen Union in den nächsten
Jahren und Jahrzehnten keine ambitionierte Klima-
schutzpolitik sehen. Wir werden kein Geld im Haushalt
haben. Ich weiß gar nicht, was der Finanzminister dazu
sagt. Sie gehen in Ihren Finanzplanungen von einem
Preis von 17 Euro aus, momentan liegt er bei 6,50 Euro.
Was heißt das denn eigentlich für den Bundeshaushalt?

Herr Umweltminister, Sie haben von einer fruchtba-
ren, engen Zusammenarbeit mit Großbritannien, Däne-
mark und anderen geredet. Chris Huhne, der Minister für
Energie und Klimawandel in Großbritannien, will sich
dafür einsetzen, dass sich die Europäische Union sehr
schnell auf ein 30-Prozent-Ziel festlegt, möglichst wäh-
rend der Ratspräsidentschaft Dänemarks im ersten Halb-
jahr des nächsten Jahres. Was ist denn die Haltung des
Bundesumweltministers und der Regierung dazu? Es
wäre doch wichtig gewesen, das hier heute anzuspre-
chen.

Es gibt jetzt eine Initiative von Unternehmen inner-
halb der Europäischen Union, von Shell, Alstom, Philips
und anderen, die einen Brief an Barroso geschrieben ha-
ben, in dem sie dringend anmahnen, das europäische Re-
duktionsziel anzuheben. Auch dazu gibt es keine Hal-
tung des Bundesumweltministers. Heute hätten Sie in
über 20 Minuten die Zeit gehabt, dazu klare Aussagen zu
treffen.

Ich will Ihnen zum Abschluss ein Zitat vorlesen. Es
lautet:

Als nächsten Schritt schlagen wir vor, dass die EU
ihre Emissionen bis 2020 um 30 % gegenüber 1990
reduziert. … Wir können es uns nicht leisten zu
warten, bis andere sich bewegen.

Was glauben Sie, von wem dieses Zitat war? Es war ein
Zitat von Sigmar Gabriel, damals Bundesumweltminis-
ter. Er hat es vor fünf Jahren bei der Weltklimakonferenz
in Nairobi gesagt, als er sich für das 30-Prozent-Ziel in
der EU eingesetzt hat. Sie, Herr Bundesumweltminister,
schaffen es nicht einmal, dieses Ziel vor dem Plenum
des Deutschen Bundestages zu erwähnen und seine Er-
reichung zu fordern. Das ist zu wenig.

Philosophisch über Dinge zu reden, ist gut; das kann
man machen. Am Ende geht es aber um Taten statt
Worte. Daran werden wir Sie messen. Solange es diese
Taten nicht gibt, werden wir Sie entsprechend kritisie-
ren.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Er schafft es noch nicht einmal, zuzuhören! Demonstrative Ignoranz des Ministers! Das ist unglaublich!)


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(C (D Thomas Gebhart ist der nächste Redner für die CDU/ SU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715002800


Dr. Thomas Gebhart (CDU):
Rede ID: ID1715002900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Es gibt in diesen Tagen unterschiedliche Bewertun-
en des Ergebnisses der Klimakonferenz in Durban.
ies mag bei dem einen oder anderen mit der Absicht

usammenhängen, die dahintersteckt. Es hängt aber si-
herlich vor allem mit dem Maßstab zusammen, anhand
essen diese Ergebnisse von jemandem bewertet wer-
en.

Aber eines ist doch völlig klar: Wenn man dieses Er-
ebnis sieht und es an den Erwartungen, die wir vor der
onferenz hatten, und an dem, was realistischerweise
achbar war, misst – wir müssen sehen, es sind über

90 Länder am Verhandlungstisch, und es gilt das Ein-
timmigkeitsprinzip –, kann man sagen, dass dieses Er-
ebnis definitiv ein Fortschritt ist. Es ist ein Erfolg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


s ist vor allem deswegen ein Fortschritt, weil neben ei-
er Reihe von Beschlüssen, die gefasst worden sind, die
rundlage für weltweite Vereinbarungen über die Men-
enbegrenzungen der Treibhausgasemissionen geschaf-
n wurde. Es ist ein Fahrplan vereinbart worden, ein
ahrplan hin zu einem weltweiten Abkommen.

Warum ist genau dieser Punkt, also das weltweite Ab-
ommen, am Ende so entscheidend und so wichtig? Es
t deswegen so wichtig, weil der Klimaschutz ein klas-

isches globales Problem ist. Ein einzelnes Land wie
eutschland, Frankreich, Italien und selbst die Europäi-

che Union insgesamt können dieses Problem alleine
icht lösen. Was wir brauchen, sind weltweite Antwor-
n. Die Staaten müssen miteinander kooperieren. Wir
rauchen weltweite Lösungen und ein weltweites Ab-
ommen.

Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass dieses Ab-
ommen früher als 2020 in Kraft treten kann; das ist
och klar.


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Natürlich!)


ber entscheidend ist, dass es eine Perspektive gibt und
ass der Prozess weitergeht und eben nicht abbricht.
ntscheidend ist, dass alle im Boot sind. Genau deswe-
en sollten wir dieses Ergebnis von Durban jetzt nicht
leinreden, sondern wir sollten es anerkennen als das,
as es tatsächlich ist, nämlich einen maßgeblichen Fort-

chritt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben mit anderen Delegationen viele Gespräche
eführt. Es ist in allen Gesprächen deutlich geworden,
ass das Ansehen Deutschlands in diesen internationalen
limaschutzverhandlungen enorm hoch ist. Die Rolle

18008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Thomas Gebhart


(A) )


)(B)

Deutschlands wird positiv gesehen. Ich denke, das wird
hier auch parteiübergreifend niemand bestreiten wollen.

Deutschland und die Europäische Union haben zu
diesem Ergebnis maßgeblich beigetragen. Es war vor al-
lem die Strategie, eine Allianz mit den afrikanischen
Staaten und mit den kleinen Inselstaaten zu bilden, die
Bewegung in die Verhandlungen gebracht hat, die auch
weit über diese Konferenz hinaus positive Auswirkun-
gen haben und neue Möglichkeiten und Optionen schaf-
fen wird. Daran hat auch unser Umweltminister Norbert
Röttgen einen maßgeblichen Anteil. Ich denke, es ist an
dieser Stelle mehr als gerechtfertigt, ihm für seinen Ein-
satz vor und während der Konferenz wie auch all denje-
nigen, die in der Delegation mitgewirkt haben, Danke
schön zu sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, so unverzichtbar diese
Verhandlungen und Konferenzen unter dem Dach der
Vereinten Nationen sind, so klar ist auch: Wir werden
auf diesem Weg alleine die Probleme nicht lösen. Viel-
mehr muss ein zweiter Punkt hinzukommen: technologi-
sche Innovationen.

Warum ist dieser Punkt so wichtig? Er ist deswegen
so wichtig, weil wir Klimaschutz letzten Endes nur dann
erfolgreich schaffen können, wenn wir ihn mit Wohl-
stand, Wachstum und Entwicklung in Einklang bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Schlüssel, um beides miteinander zu verbinden, liegt
in technologischen Innovationen, neuen Technologien
wie Effizienztechnologien und erneuerbaren Energien
und vielem mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


An dieser Stelle hat Deutschland eine besondere
Rolle. Wir bauen unsere Energieversorgung um, und
zwar hin zu einer stärker nachhaltigen Energieversor-
gung. Viele in der Welt beobachten zurzeit sehr genau,
was in Deutschland geschieht. Sie beobachten, wie wir
diesen Umbau organisieren und die neuen Technologien
voranbringen.

In allen Gesprächen mit anderen Delegationen ist
auch deutlich geworden, dass das Interesse anderer Län-
der an dem, was wir im Moment in Deutschland machen,
riesig ist. Vor dem Hintergrund dieser Gespräche mit an-
deren Delegationen bin ich mehr denn je überzeugt: Je
besser uns in Deutschland dieser Umbau jetzt gelingt,
desto attraktiver wird dieser Weg auch für andere Län-
der. Je besser wir bei uns im eigenen Land zeigen, dass
Klimaschutz und eine starke Wirtschaft keine Gegen-
sätze sind, sondern dass mithilfe neuer Technologien das
eine das andere unterstützt und mitunter sogar bedingt,
desto mehr tragen wir zum Klimaschutz bei, und zwar
am Ende weltweit.

Für Deutschland als Vorreiter liegen in diesem Be-
reich und in diesen Fragen gewaltige Herausforderun-
gen. Aber die Chancen sind mindestens genauso groß.

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(C (D Ich will noch einen Punkt aufgreifen. Der Klimachutz ist ohne jeden Zweifel sehr wichtig. Aber wer in en Gesprächen mit Delegationen anderer Länder erfahn hat, dass heute schon viele Länder mitunter stark von en Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, für en ist klar, dass der Klimaschutz zwar wichtig ist, dass ber die Anpassung an die Folgen des Klimawandels geauso wichtig ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Vertreter aus Bangladesch haben uns geschildert, dass
ie Menschen heute schon von der Küste ins Landesin-
ere umziehen müssen, weil die Folgen des Klimawan-
els den Menschen dort große Probleme bereiten. Auf
idschi ist es genauso. In afrikanischen Ländern machen
en Menschen zunehmend Dürre und Hitze zu schaffen.
s wurde uns berichtet, was es bedeutet, wenn im
ommer Rekordtemperaturen von 50 Grad Celsius herr-
chen. Es wurde uns berichtet, was dies für das alltägli-
he Leben bedeutet.

Dies ist bereits Realität. Deswegen gilt: Klimaschutz
t wichtig und notwendig, aber genauso notwendig ist
n vielen Stellen die Anpassung an die Folgen des Kli-
awandels. Deswegen sollten wir am Ende beide Wege

ehen und beides konsequent voranbringen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715003000

Ich erteile der Kollegin Eva Bulling-Schröter für die

raktion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715003100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In

urban wurde wieder einmal ein Fahrplan verab-
chiedet, aber – wie die Zeitung Die Welt schrieb – los-
efahren ist niemand. Ich möchte der Bundesregierung
icht die gute Laune verderben; aber was ist eigentlich
0 Jahre nach der Klimarahmenkonvention die Bilanz
ternationaler Klimapolitik? Für fünf Jahre gab es mit

em Kioto-Abkommen ein Einsparziel, aber diese Ver-
inbarung wurde gleich nach der Verabschiedung durch-
chert. So gab es Zugeständnisse an Russland bezüglich

er Anrechnung der Wälder, und es waren die USA, die
ich ganz aus dem Klimaschutz verabschiedet haben.

Wenn das Ziel des Kioto-Protokolls 2012 erreicht
ird, dann wird der Minderungsbeitrag gerade einmal
Prozent der weltweiten Emissionen ausmachen. Ich
de noch nicht einmal über die Schlupflöcher, zum Bei-

piel über CDM, also die anrechenbaren Klimaschutz-
rojekte in Entwicklungsländern. Diese sind noch gar
icht berücksichtigt. Im selben Zeitraum, also seit 1990,
ind die globalen Emissionen um fast 40 Prozent gestie-
en. Ich wiederhole es, damit auch alle es mitbekom-
en: Das Ergebnis aller UN-Klimaverhandlungen be-

teht darin, global einen Beitrag von maximal 1 Prozent

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18009

Eva Bulling-Schröter


(A) )


)(B)

Minderung in 20 Jahren zu leisten. Gleichzeitig beträgt
die reale Steigerung 40 Prozent. Der internationale Kli-
maprozess ist gescheitert. Das Ergebnis von Durban än-
dert daran nichts.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Ich möchte aber den Sinn von UN-Klimagipfeln ex-
plizit nicht infrage stellen. Wir brauchen diese Beratun-
gen. Im Detail haben die Verhandlerinnen und Verhand-
ler der EU und auch Deutschlands gute Arbeit geleistet.
Aber die Formel „mehr war nicht drin“ zeigt doch, dass
Klimaschutz offensichtlich an die Grenzen des Gesell-
schaftssystems stößt. Es ist tatsächlich so, wie Herr
Minister Röttgen neulich formuliert hat: Die Klimaver-
handlungen sind im Kern Wirtschaftsverhandlungen. Ich
sage: Sie sind ein Ringen um die globale Verteilung von
Wachstumschancen. Aber nicht nur das: Sie sind auch
ein Ringen darum, in welcher Weltregion von welchen
Konzernen und mit welchen Schranken zukünftig Profit
gemacht werden kann.

Es nützt nichts, wenn wir nur auf China oder die USA
schauen. Wir müssen vor der eigenen Haustüre kehren;


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


denn Unternehmen aus Deutschland verlagern seit Jahr-
zehnten ihre Industrie in Entwicklungs- und Schwellen-
länder. Diese Länder produzieren nun für unsere Märkte.
Zudem haben die Industrieländer seit der Industriealisie-
rung die Atmosphäre mit Klimakillern aufgefüllt: für
den Wohlstand eines Teils der Bevölkerung, für Firmen-
kassen, für einen zweifelhaften Konsum, für irrwitzige
Verkehrskonzepte und für größenwahnsinnige Infra-
strukturprojekte. Dafür wurde der globale Süden ausge-
beutet, und er wird es noch: für Rohstoffe – dafür wer-
den Kriege geführt – und billige Arbeitskräfte.

Es ist doch kein Wunder, dass sich die Schwellenlän-
der nicht vorschreiben lassen, wie sie sich entwickeln
sollen. Auch sie wollen Chancen, und das ist verständ-
lich. Ich halte es für ziemlich verlogen, wenn Luxus-
karossen und Panzer in alle Welt exportiert werden und
man dann den Leuten sagt: Wir wollen, dass ihr euch
nachhaltig entwickelt.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist vor allem dann unglaubwürdig, wenn gleichzei-
tig Palmöl, Agrosprit, Unmengen von Soja oder Seltene
Erden aus Konfliktgebieten importiert werden, um so
weitermachen zu können wie bisher. Der brasilianische
Regenwald wird abgeholzt, weil es bei uns eine Beimi-
schungspflicht gibt. Meine Frage ist: Wie gedenken wir
damit weiter umzugehen? Ich meine, diese Beimi-
schungspflicht muss abgeschafft werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich frage mich: Ist dieses globalisierte profit- und
wachstumsorientierte System jemals in der Lage, sich zu
mäßigen? Es klappt ja nicht einmal bei den Finanzmärk-
ten. Welche Hoffnung soll ich da haben? Das auszuba-
den haben – Kollegen haben es geschildert – Menschen
in Afrika, im Tschad, auf den Fidschi-Inseln. Es gibt
viele Menschen, deren Land demnächst unter Wasser

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(C (D teht. Sie werden verhungern; auch Tiere werden verungern. Das alles, was hier passiert, kann uns nicht egal ein. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ir sind verantwortlich, und wir haben diese Verantwor-
ng zu tragen.

Wir haben mit betroffenen Menschen gesprochen.
eine Kollegin Gesine Lötzsch hat gesagt: In Durban
urde allenfalls der Verhandlungsprozess gerettet, nicht

ber das Klima. – Da hat sie recht. Wir müssen den Zu-
ammenhang der verschiedenen globalen Krisen sehen;
enn sie haben dieselbe Ursache.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715003200

Frau Kollegin.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715003300

Ich sage: Es ist der ungezügelte Kapitalismus; wir

üssen da etwas tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich kann an dieser Stelle niemand außer der Lin-
en klatschen; das ist für Sie ein Reizwort.

Aber ich bin ein optimistischer Mensch und habe
ach wie vor die Hoffnung, dass diese Welt zu retten ist,
ass sie eben nicht untergeht und dass wir das 2-Grad-
iel noch erreichen. Dafür müssen wir gemeinsam etwas
n, und zwar jetzt. Ich sage immer: Es gibt stets Alter-

ativen. Diese Alternativen müssen wir angehen – im In-
resse der Menschen auf anderen Kontinenten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715003400

Hermann Ott ist der nächste Redner für die Fraktion

ündnis 90/Die Grünen.


Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715003500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

t gut, dass in Durban doch noch ein Ergebnis zustande
am, dazu noch, wie es der Zufall wollte, am 11. Dezem-
er, also genau an dem Tag, an dem 14 Jahre zuvor das
ioto-Protokoll angenommen worden ist. Ich kann mich
och gut daran erinnern und auch daran, wie ich die
anzlerin, damals noch Umweltministerin, wissen-

chaftlich beraten durfte. Was damals in Kioto galt, das
ilt heute immer noch.

Wenn man in 100 Jahren auf unser Jahrzehnt zurück-
lickt, dann werden viele der Krisen, die uns heute in
tem halten, nicht viel mehr als eine Fußnote der Ge-

chichte sein. Aber was die Menschen in 100 Jahren
rennend interessieren wird, das ist die Frage, ob wir es
eschafft haben, die menschheitsgefährdende Aufhei-
ung unseres Planeten zu verhindern. Das ist der Maß-
tab, an dem unsere Politik gemessen werden wird.

18010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Hermann E. Ott


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich bin davon überzeugt, dass wir es schaffen können,
eine gefährliche Störung unseres Klimasystems zu ver-
hindern. Doch wir brauchen dazu den festen politischen
Willen und die nötige Klugheit. Diese Klugheit ist in
Durban etwas aufgeblitzt: Es war gut, den Schulter-
schluss mit den Ärmsten der Welt zu suchen, um die
USA, Indien und China in die Enge zu treiben. Es wäre
klug, diese Lektion nicht zu vergessen.

Nicht vergessen sollte man auch, dass die Europäi-
sche Union nur im Zusammengehen mit den Ärmsten,
mit den Gefährdetsten dieser Welt etwas bewegen kann.
Da reicht es nicht, auf den Klimafonds zu verweisen, der
zwar eingerichtet worden ist, aber bisher ohne Geld da-
steht. Die Deutsche Bank Research hat ihren Bericht
über Durban mit dem Titel überschrieben: „Die Welt ent-
scheidet sich für Anpassung“. Das ist die fatale Logik
seit Kopenhagen: keine Minderung, aber dafür das In-
aussichtstellen von Finanzierung. Geld gegen Leben, das
darf es nicht geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU])


Vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass das Ein-
zige, was am Ende zählt, die Taten sind, nicht die Worte.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Energiewende in
Deutschland und in Europa richtig gestalten. Herr
Röttgen – ich beziehe mich auf das, was Sie eben gesagt
haben –, kein einziger der Umweltverbände hat die Bun-
desregierung dafür gelobt, dass sie nicht für eine
CO2-Reduktion um 30 Prozent, sondern nur um 20 Pro-
zent eingetreten ist. Das Gegenteil ist der Fall: Alle Um-
weltverbände haben 30 Prozent gefordert. Es ist eine
Schande, dass die Bundesregierung das nicht getan hat.
Wenn Sie Härte beweisen wollen, Herr Röttgen, dann
tun Sie das bitte gegenüber Ihrem Kollegen Herrn Rösler
oder wer auch immer ab morgen Wirtschaftsminister in
diesem Lande ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine Damen und Herren, die Klimakonferenz in
Durban hat auch gezeigt, dass die Strategie der unter-
schiedlichen Geschwindigkeiten die richtige ist. Daran
muss jetzt angeknüpft werden. Nach den Erfahrungen
von Kopenhagen, Cancún und jetzt Durban scheint es
mir sinnvoll zu sein, einen Prozess parallel zu den Ver-
handlungen im Rahmen der Vereinten Nationen einzulei-
ten, eine Allianz der Ambitionierten zu gründen, wenn
man so will. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist al-
lerdings, dass diese Gruppe nicht versucht, Unwillige ins
Boot zu ziehen, nicht die ewigen Zweifler, Nörgler und
Bremser. Es müssen zwar alle irgendwann ins Boot, aber
eben nicht alle zur gleichen Zeit. Wenn diese Bedingung
missachtet wird, muss diese Gruppe ebenso scheitern
wie alle anderen Bemühungen zuvor.

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(C (D Herr Röttgen, wenn ich das, was Sie eben sagten, och einmal zuspitzen darf: Wer verlangt, dass 2015 alle roßen Verschmutzer wieder mit im Boot sind, wer die ustimmung der anderen zur Bedingung des eigenen andelns macht, der will in Wirklichkeit nicht, dass 015 ein Abkommen geschlossen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ie werden dann wahrscheinlich nicht mehr im Amt
ein. Ich bitte Sie aber darum: Leiten Sie jetzt die ent-
prechenden Prozesse ein, damit wir dann vernünftig die
erhandlungen weiterführen können!


(Holger Krestel [FDP]: Ha! Ha!)


Meine Damen und Herren, die Klimakonferenz in
urban hat ein Fundament gelegt, das nur tragfähig sein
ann, wenn wir es konsequent ausbauen. Lassen Sie uns,
m ein Bild der Vorweihnachtszeit zu gebrauchen, nicht
ur schöne Adventslieder singen – so schön das gestern
uch im Paul-Löbe-Haus war –, sondern lassen Sie auch
aten folgen! Lassen Sie uns die Apfelbäumchen pflan-
en! Lassen Sie uns alles dafür tun, dass der Klimawan-
el in 100 Jahren nur als ehemalige Bedrohung in den
eschichtsbüchern auftaucht und nicht das Leben unse-
r Enkel und Urenkel zur Hölle macht!

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715003600

Josef Göppel ist der nächste Redner für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1715003700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

eden derer, die in Durban dabei waren, unterschieden
ich doch etwas von den Reden derer, die nicht in Dur-
an waren. Wer den Verhandlungsprozess verfolgt hat,
er hat die existenzielle Not gespürt, die viele Länder
ewegte und die letztlich auch zum Aufbrechen der alten
löcke geführt hat. Der alte Block der G 77 ist von der
ealität überholt werden. Die afrikanischen Länder und
ie Inselstaaten haben sich daraus gelöst, weil sie ge-
erkt haben, dass ein Land wie China ihre Interessen

icht mehr vertritt.

In meinen Augen ist der größte Erfolg der Konferenz
Durban, dass es eine neue Allianz zwischen den afri-

anischen Ländern, den Inselstaaten und Europa gibt.
as ist vorbereitet worden. Hier hat die deutsche Ver-
andlungsführung eine gute Rolle gespielt.

In meinen Augen hat sich in Durban noch ein Zweites
ezeigt: Die Nichtregierungsorganisationen sind zu ei-
em echten Faktor in den Verhandlungen geworden. Man
ann geradezu von einem Dreieck aus offiziellen Delega-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18011

Josef Göppel


(A) )


)(B)

tionen, Nichtregierungsorganisationen und Medien spre-
chen. Dieses Dreieck hat im Zusammenspiel eine Ver-
handlungsdynamik entwickelt, die letztlich das Scheitern
verhindert hat. Das ist ein Erfolg für sich. Gleichwohl
heißt das noch lange nicht, dass wir uns damit jetzt zufrie-
dengeben können.

Ich habe jetzt zum achten Mal eine Klimakonferenz
miterlebt, am Anfang unter Umweltminister Trittin,
dann unter Sigmar Gabriel und jetzt eben unter Norbert
Röttgen. Jeder Minister hat auf seine Weise in seiner je-
weiligen Amtszeit dafür gesorgt, dass Deutschland eine
drängende Rolle einnimmt. Ich finde, es ist wichtig, dass
wir als deutsches Parlament über Partei- und Koalitions-
grenzen hinweg in dieser Frage einheitlich in eine Rich-
tung arbeiten.

In diesem Zusammenhang, Herr Bundestagspräsi-
dent, habe ich eine Bitte: Ich finde es nicht gut, dass der
Ältestenrat gesagt hat, dass die Genehmigung für die
Teilnahme einer begleitenden Parlamentarierdelegation
an einer Klimakonferenz zum letzten Mal ausgesprochen
wurde. Gerade die Beteiligung der Abgeordneten neben
dem Verhandlungsapparat der Beamten ist eine wichtige
Hilfe und Ergänzung für die Positionierung unserer Bun-
desregierung. Das hat man in Durban ganz besonders ge-
spürt. Deswegen sollten wir diese gute Tradition auch
fortsetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Guter Klimaschutz stärkt unser Land. Wir hatten zum
Beispiel ein Gespräch mit der Delegation von Uruguay.
Auf die Frage an den Umweltminister von Uruguay, was
ihm und seinem Land am meisten nützen würde, kam
prompt die Antwort: Geben Sie uns deutsche Technik. –
Das ist das Entscheidende.

Die Frage von Oppositionskollegen, wie es weiter-
geht, ist die richtige Frage. Ich möchte Sie in dem Zu-
sammenhang aber auf den vor wenigen Tagen erfolgten
Beitrag von Minister Röttgen aufmerksam machen. Da-
rin legt er dar, wie er sich den Masterplan zur weiteren
Umsetzung der Energiewende in Deutschland vorstellt.
Dabei geht es darum, dass die erneuerbaren Energien
eine Größenordnung erreichen, die auch eine Qualitäts-
veränderung bedeutet. Wenn die Erneuerbaren einen An-
teil von über 20 Prozent an der Stromversorgung haben,
kommt diesem Bereich mehr Verantwortung zu. Ich er-
wähne in dem Zusammenhang ein flexibles und nachfra-
georientiertes Angebot sowie die Entwicklung von Spei-
chertechnologien.

Ich finde, es ist wichtig, dass wir Deutsche die tech-
nologische Herausforderung annehmen. Meine Kollegen
Thomas Gebhart und Christian Ruck haben hier schon
gesagt, dass die anderen Länder das deutsche Experi-
ment beobachten und mit einer gewissen Faszination da-
rauf schauen, dass sich ein so starkes Industrieland wie
Deutschland vollkommen auf den Pfad hin zu einer koh-
lenstofffreien Energieversorgung begibt. Das ist eine He-
rausforderung für unser Land, zugleich aber auch eine
Riesenchance für die wirtschaftliche Entwicklung

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(C (D eutschlands im Hinblick auf seine Stärke auf den Weltärkten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Minister Röttgen at in diesem Konzept für einen Masterplan ganz deutch zum Ausdruck gebracht, dass er für die Anhebung es europäischen Reduktionszieles auf 30 Prozent sowie r die rasche Zustimmung Deutschlands zur Energieefzienzrichtlinie eintritt. Genau diese beiden Dinge brauhen wir auch. ie Redner der Opposition haben recht, wenn sie sagen, ass unser Energieund Klimafonds bei einem Preis von ,50 Euro für ein Emissionszertifikat in sich zusammenllt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


s kommt entscheidend darauf an, wo die Europäische
nion die Grenze ansetzt.

Wir haben in Durban sicher eine Atempause bekom-
en und haben die Weichen in die richtige Richtung ge-

tellt. Aber wir müssen jetzt innerhalb unseres Landes
nd innerhalb der Europäischen Union unter Beweis
tellen, dass wir diesen Weg entschlossen weitergehen.

Ich durfte, wie gesagt, zum achten Mal bei einer der-
rtigen Konferenz dabei sein und möchte meinen per-
önlichen Eindruck wiedergeben. Zum ersten Mal habe
h gespürt, dass die Europäische Union bei einer sol-

hen Weltkonferenz das Gesetz des Handelns befolgte
nd die Entwicklung bestimmte. Das wünsche ich mir
uch im nächsten Jahr in Katar. Die Entschlossenheit un-
eres Bundesumweltministers lässt daran keinen Zwei-
l.

Ich möchte auch den Oppositionskollegen, die eben
ier gesprochen haben und in Durban dabei waren, dafür
anken, dass sie die persönliche Leistung des deutschen
undesumweltministers und seinen Anteil am Verhand-
ngserfolg anerkannt haben. Diese Einigkeit stärkt ins-

esamt den Klimaschutz – und damit auch unser Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1715003800

Das Wort hat nun der Kollege Ulrich Kelber für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1715003900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! In der Debatte vor der UN-Klimaschutzkonferenz in
urban hat die SPD die schwarz-gelbe Klima-, Energie-
nd Umweltpolitik heftig kritisiert, namentlich die Rolle
er Bundeskanzlerin, des Bundeswirtschaftsministers
nd auch des Bundesumweltministers.

Wir haben damals angesprochen, dass es falsch ist,
hne Position zu den Klimaschutzzielen der Europäi-
chen Union dorthin zu fahren. Und in der Tat: Bis Mai

18012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Ulrich Kelber


(A) )


)(B)

wird der Deutsche Bundestag jetzt entscheiden müssen.
Das heißt, das Drücken vor einer Antwort auf die Frage,
ob die Europäische Union die Emission von Treibhaus-
gasen um 30 Prozent reduzieren soll oder nicht, wird bei
Schwarz-Gelb nicht mehr durchgehen können.

Wir haben uns darüber beschwert, dass die nationalen
Fördermittel für erneuerbare Energien im Wärmebe-
reich, für Energieeffizienz und für neue Technologien
erst heruntergefahren und jetzt teilweise wieder hochge-
fahren worden sind. Dieses Hü und Hott hat natürlich
zur Folge gehabt, dass niemand investiert hat, weil sich
niemand darauf verlassen konnte, ob die Zuschüsse
kommen. Hier brauchen wir eine verlässlichere Politik.

Unser Hauptkritikpunkt – der vorhin bereits zu einer
Auseinandersetzung zwischen uns geführt hat, Herr
Bundesumweltminister – betrifft die Nichteinhaltung
von Zusagen. Dies ist mir so wichtig, dass ich es – neben
der Zwischenfrage von vorhin an Sie, Herr Dr. Ruck –
noch einmal erwähnen will: Die Bundesrepublik
Deutschland hat eine Zusage gemacht, 0,7 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe und insbe-
sondere die Armutsbekämpfung dort auszugeben.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Unter Ihrer Regierung!)


– Unter unserer Regierung; und Sie haben es mit über-
nommen und bekräftigt.

Wenn wir dann im Jahr 2009 auf einer Konferenz als
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Bundes-
kanzlerin Merkel, sagen: „Wir werden zusätzliches, fri-
sches, neues Geld einsetzen zur Bekämpfung des Klima-
wandels“, dann ist es unmoralisch, das mit dem Geld zu
verrechnen, das man für die Armutsbekämpfung bereits
zugesagt hatte. Das ist unsere Kritik.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist auch nicht in Ordnung, wenn die Bundeskanzle-
rin im Jahr 2008 auf einer Konferenz sagt: „Ich gebe für
die Erhaltung der Artenvielfalt, der Biodiversität eine
Zusage von 500 Millionen Euro“, und ein Jahr später auf
einer Konferenz sagt: „Ich werde zusätzliches frisches
Geld geben“, und dann diese 500 Millionen Euro mit der
neuen Zusage verrechnet. Auch das ist unredlich. Das ist
unwahrhaftig. Deswegen werden wir das auch in Zu-
kunft eine Lüge nennen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Anders bewerten wir das Verhalten und die Rolle der
Bundesregierung in Durban. Sie haben eine Unterstüt-
zung der dänisch-deutschen Initiative durch die SPD er-
halten. Wir haben es auch unterstützt, eine harte Linie
gegenüber den Verweigererstaaten wie USA, Kanada
und China zu fahren. Wir haben uns insbesondere ge-
freut, dass der Vorschlag, den wir als SPD in der Debatte
vor Durban gemacht haben – das Thema „Allianzen bil-
den“ –, dort in hervorragender und vorbildlicher Weise
aufgenommen wurde. Darin war Gemeinsamkeit enthal-
ten.

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(C (D Wir unterscheiden uns etwas in der Bewertung. Ja, urban ist ein Fortschritt gegenüber Kopenhagen und uch ein kleiner Fortschritt gegenüber Mexiko. Herr undesumweltminister, es ist aber keineswegs ein groer, wegweisender Durchbruch; es ist kein historischer urchbruch, und es ist kein fundamentaler Wechsel in er Klimaschutzpolitik. Das alles waren Ihre Worte. Verdammt noch mal, geht s einmal eine Nummer kleiner? Nicht immer das eigene andeln so überhöhen! Nicht alles, was aus dem Bunesumweltministerium kommt, ist ein Jahrtausendwerk. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen!)


Es handelt sich nach wie vor nur um die vage Absicht,
in Weltklimaabkommen zu beschließen. Es ist eine
agwürdige Verbindlichkeit. Auch haben wir das Ganze
it dem hohen Preis erkauft, dass in Zukunft die wissen-

chaftliche Basis gefiltert wird, die in der Vergangenheit
ins zu eins an die Öffentlichkeit gegangen ist. Deswe-
en ist es so wichtig, bei dem zu bleiben, was tatsächlich
assiert ist, und nicht bei den Leuten den Eindruck zu er-
ecken, es sei mehr passiert. Schüler, die auf der Tri-
üne sitzen, hören jetzt seit zehn Jahren – seit sie in
rem Leben vielleicht manchmal Nachrichten hören –
mer: Das war der Durchbruch bei den internationalen

limaverhandlungen.


(Otto Fricke [FDP]: Im Zweifel werden sie nicht mehr in der Schule sein!)


atsache ist aber, dass wir nicht vorankommen. Man
acht die Leute mürbe, wenn man ihnen zu viel ver-

pricht.

Ich glaube, der erfolgversprechendste Ansatz – das
aben wir in Durban gesehen – ist die Frage der Allian-
en; das hatten wir vor wenigen Wochen hier in der De-
atte bereits erwähnt. Diese Allianzen müssen wir vo-
ntreiben. Sie müssen allerdings zu dauerhaften und
efergehenden Allianzen werden; eine einmalige Alli-
nz auf einer Klimakonferenz reicht nicht aus.

Deswegen machen wir den Vorschlag, den Dialog der
20 Staaten fortzusetzen, ihn allerdings zu ergänzen, und
war um eine Klimaschutzallianz der 64 Staaten. Die
ald 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union plus Is-
nd, Norwegen, Schweiz und Türkei holen sich 32 Part-
erstaaten unter den Entwicklungs- und Schwellen-
ndern Afrikas und Lateinamerikas ins Boot. Das
eschieht mit einer klaren Finanzierung von Fast-Start-
itiativen – also Anpassung an den Klimaschutz –, mit

inem Emissionshandel innerhalb dieser Initiative, der
en Finanztransfer regelt, und mit einem tiefgehenden
issens- und Technologietransfer. Gleichzeitig ver-

flichten sich alle auf Begrenzung oder Senkung der
missionen. Damit hätten wir ein echtes Vorbild, wie es
nktionieren kann.

Wir müssen uns tatsächlich überlegen, den Grenzaus-
leich als Druckmittel zu nutzen. Ich glaube, die Formel
Klimaschutz gleich Innovation gleich wirtschaftlicher

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18013

Ulrich Kelber


(A) )


)(B)

Erfolg“ stimmt; aber sie stimmt nicht immer gleichzeitig
in allen Branchen. Wir erleben, dass insbesondere in
Nordamerika in manchen Branchen versucht wird, mit
Ökodumping Wettbewerb zu machen. Da müssen wir sa-
gen: Wer 2015 nicht Unterzeichner einer international
verpflichtenden Vereinbarung werden will, wird damit
rechnen müssen, dass er dadurch auch im internationalen
Handel wirtschaftliche Nachteile hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen brauchen wir einen Grenzausgleich, also
Importzölle auf Waren aus solchen Ländern und einen
Grenzausgleich für Exporte in solche Länder, damit wir
2015 nicht noch einmal ein Weiter-so auf einer inter-
nationalen Klimaschutzkonferenz akzeptieren müssen,
damit wir uns nicht nur auf den UN-Prozess verlassen
müssen, sondern die mutigen, weitsichtigen Staaten vo-
rangehen und damit neuen Druck in die internationalen
Klimaschutzverhandlungen bringen können. Dann kön-
nen die nächsten Verhandlungen ein größerer Erfolg
werden, als es die Konferenz in Durban war.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715004000

Der Kollege Andreas Jung hat das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1715004100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte zunächst einmal einen Dank an die Bundes-
regierung aussprechen: Die Bundesregierung, insbeson-
dere Bundesumweltminister Norbert Röttgen als Leiter
der Verhandlungen in Durban,


(Ulrich Kelber [SPD]: Der ist gar nicht mehr da!)


hat deutlich gemacht: Auch wenn es derzeit große He-
rausforderungen innerhalb der Europäischen Union zu
bewältigen gibt und wir den Kampf um den Euro zu füh-
ren haben, hat der Klimaschutz nicht an Bedeutung ver-
loren. Im Gegenteil: Der Klimaschutz bleibt wichtig; er
ist eine entscheidende Frage und hat in der Politik der
Bundesregierung und der Koalition Priorität, weil es hier
um Lebensgrundlagen, aber auch um wirtschaftliche
Fragen geht. Deshalb ist es richtig, dass unterstrichen
wurde: Für uns hat die Klimapolitik einen hohen Stellen-
wert. Dafür hat man sich vor der Konferenz in Durban
eingesetzt; es wurde in Durban deutlich gemacht. Dafür
ein herzliches Dankeschön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Kauch [FDP])


Es ist im Rahmen der Debatte gesagt worden: Schön-
färberei hilft uns nicht weiter. – Dem stimme ich zu; aber
ich will hier eindeutig sagen: In dieser Debatte und in

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(C (D urban ist in keiner Weise Schönfärberei betrieben woren. Die Einschätzungen von Minister Röttgen sowie er Vertreter der Bundesregierung und der Koalition wan doch realistisch. Einerseits sagt man: Das, was ericht wurde, ist nicht das, was notwendig gewesen äre; es ist nicht die Antwort auf die Herausforderunen, nicht das, was wir erreichen wollen, nämlich dass lle Partner – die USA, China, die großen Schwellenläner und die Industriestaaten – sagen: Wir stehen in der erantwortung, bekennen uns zu den Minderungszielen nd sind bereit, sie schon jetzt umzusetzen. Dafür hat die undesregierung mit der Europäischen Union gekämpft nd geworben, aber es konnte jetzt noch nicht erreicht erden; das ist wahr. Es war realistisch, vorher zu sagen: ir werden es in Durban nicht erreichen. Das ist das ine. Andererseits freuen wir uns darüber, dass festgestellt erden kann: Das, was auf dieser Konferenz erreicht erden konnte, was möglich war, ist erreicht worden. as Scheitern lag vor und während der Konferenz in urban buchstäblich in der Luft; aber es konnte abgeendet werden. Es ist erreicht worden, dass wichtige chritte vereinbart wurden und man zum ersten Mal geagt hat: Wir alle – auch die USA und China – kommen nter einem Dach zusammen und wollen bis 2015 dieses bkommen aushandeln. Das ist erst die halbe Miete das wissen wir –, aber es ist ein entscheidender Schritt. sofern geht von diesem Gipfel in Durban ein wichtiges ignal aus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Blumenthal [FDP])


Es wird immer wieder die Koalition der Willigen an-
emahnt. Das Neue an dieser Konferenz ist doch, dass es
der Tat gelungen ist, eine Koalition aus der Europäi-

chen Union und den wenigen engagierten Partnern in
en Industriestaaten sowie denjenigen, die besonders un-
r dem Klimawandel leiden – die Staaten in Afrika und
ie Inselstaaten, bei denen es buchstäblich um die Frage
es Überlebens geht –, zu schmieden. Man hat gemein-
am gesagt: Wir nehmen euch – die Amerikaner, die
hinesen, diejenigen, die bremsen und nicht mitmachen
ollen – in die Pflicht. Erst das hat den moralischen
ruck erzeugt, der es ermöglicht hat, dass es am Ende
tsächlich zu diesem Schritt kam.

Manchmal werden diese Gipfel, die Verhandlungen
nter dem Dach der UN, infrage gestellt: Ist das über-
aupt das richtige Format? Kommen wir da überhaupt
eiter? Wahr ist: Wir kommen auch hier zu langsam vo-
n. Aber alle anderen Alternativen wären nicht besser.
erade diejenigen innerhalb der G 20, die geholfen ha-
en, den Druck zu erzeugen, waren nicht dabei. Es ist
nsere gemeinsame Überzeugung, dass es zu diesem
chwierigen Weg unter dem Dach der UN keine Alterna-
ve gibt. Deshalb müssen wir ihn weitergehen.

Schönfärberei hilft nicht weiter – das behauptet hier
uch keiner –, schlechtreden hilft noch weniger weiter,
chlechtreden schadet. Deswegen habe ich mich über
en einen oder anderen Beitrag gewundert. Einerseits
urde gesagt, ihr wart zu denen, die nicht mitmachen
ollten, zu nett, andererseits wurde gesagt, zu denen, die

18014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Andreas Jung (Konstanz)



(A) )


)(B)

nicht mitmachen wollten, wart ihr zu hart. Frau Künast
hat das mit Blick auf China gesagt. Nein, der richtige
Weg ist, dass wir nach Durban den Partnern in allen
Staaten, die mitmachen müssen, sagen: Wir brauchen
euch, wir wollen Verantwortung übernehmen, ohne euch
geht es nicht. Das werden wir zu einem wichtigen Punkt
in der Klimapolitik im Verhältnis zu den anderen Staaten
machen; denn niemand, bei dem der Klimaschutz außen
vor bleibt, kann eine Führungsrolle beanspruchen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte an dieser Stelle speziell zu Frau Künast
eine Bemerkung machen. Sie hat das Plenum offensicht-
lich leider schon verlassen.


(Michael Kauch [FDP]: „Leider“ kann man bestreiten!)


So ausdauernd ist also ihr angemahntes Engagement für
den Klimaschutz. Frau Künast hat sich, was ich bemer-
kenswert fand, gleich zweimal mit einem „Hintern“ aus-
einandergesetzt. Das zeigt, dass sie offensichtlich eher
nach hinten schaut.


(Lachen des Abg. Michael Kauch [FDP])


Wir schauen aber eher nach vorne. Deshalb unterstrei-
chen wir unsere Vorreiterrolle auch in Zukunft.


(Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Dazu gehört, die Glaubwürdigkeit durch Erreichen unse-
rer Minderungsziele zu erhalten.

Es wird eine Klimapolitik mit unterschiedlichen Ge-
schwindigkeiten angemahnt. Die machen wir in Deutsch-
land bereits, egal was die anderen Partner machen. Wir
bekennen uns zu den unbedingten Klimazielen. Wir ha-
ben unser Minderungsziel auf 40 Prozent aufgestockt.
Das ist mehr – der Vergleich wurde gemacht –, als wir in
der Großen Koalition durchsetzen konnten.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nix! Wir haben es euch in der Großen Koalition untergejubelt!)


Die Große Koalition hatte sich auf 40 Prozent verstän-
digt, aber bedingt, dass heißt, nur wenn die anderen mit-
machen. Wir setzen uns ein unbedingtes Ziel. Aus mei-
ner Sicht ist es jetzt notwendig, dass wir gerade nach
diesem Gipfel für ein 30-Prozent-Ziel werben, um einen
zusätzlichen Impuls zu geben. Wir Deutschen sind Vor-
reiter. Wir sind nicht zögerlich – das muss man in dieser
Debatte klar feststellen –, und so werden wir internatio-
nal wahrgenommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Mein letzter Punkt betrifft die Finanzierung des Kli-
maschutzes. Es ist wahr, dass sich unsere Glaubwürdig-
keit daran misst, dass die Zusagen eingehalten werden.
Es war richtig, dass die Bundeskanzlerin in Kopenhagen
diese Zusage gemacht hat. Es ist dort definiert worden,
was „zusätzlich“ heißt, nämlich Mittel für den Klima-
schutz über das bisherige Niveau hinaus bereitzustellen.
Diese Zusage wird eingehalten.

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(C (D (Ulrich Kelber [SPD]: Die neue Zusage? Neu und zusätzlich?)


arauf wird der Bundestag drängen. Wir haben dafür ge-
orgt, dass die Einnahmen aus dem Emissionshandel in
ollem Umfang in den Energie- und Klimafonds fließen.
amit haben wir im Übrigen die Möglichkeit, den Fonds
it Mitteln auszustatten, die nicht der Steuerzahler zahlt,

ondern die Industrie, die CO2 ausstößt.


(Frank Schwabe [SPD]: Die zahlen doch gar nichts mehr!)


iesen Weg müssen wir weitergehen.

Es gilt, den Emissionshandel weiterzuentwickeln. Wir
üssen auch den Flug- und den Schiffsverkehr in den
missionshandel einbeziehen, damit diejenigen, die CO2
usstoßen, auch tatsächlich bezahlen. Ich finde, dass wir
it unserer Klimapolitik den richtigen Weg beschreiten,

uch die Bundesregierung wird diesen Weg weiter be-
chreiten. Dabei hat sie die volle Unterstützung der
DU/CSU-Bundestagsfraktion.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715004200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den gemeinsa-
en Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und
ündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8154. Wer

timmt für diesen Entschließungsantrag? –


(Ulrich Kelber [SPD]: Da steht das mit den 30 Prozent drin, Herr Jung! Ich dachte, Sie sind dafür! – Gegenruf des Abg. Andreas Jung [Konstanz] [CDU/CSU]: Da stehen aber auch noch andere Sachen drin! – Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Das hat sich gerade aber ganz anders angehört!)


er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschlie-
ungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch Bünd-
is 90/Die Grünen, SPD und Linke. Dagegen haben ge-
timmt CDU/CSU- und FDP-Fraktion.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 a bis d auf:

a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme,
Gabriele Hiller-Ohm, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD

Zwanzig Jahre Rentenüberleitung – Perspek-
tiven für die Schaffung eines einheitlichen
Rentenrechts in Deutschland

– Drucksachen 17/5540, 17/7393 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Iris

(Eisleben)

SPD

Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeits-
gruppe zur Vorbereitung eines „Rentenüber-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18015

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

leitungsabschlussgesetzes“ und zur Einrich-
tung eines „Härtefallfonds“

– Drucksache 17/6486 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Iris

(Eisleben)

SPD

Sofortige Ost-West-Angleichung von pauschal
bewerteten Versicherungszeiten beim Erwerb
von Entgeltpunkten für die Rentenversiche-
rung vornehmen

– Drucksache 17/6487 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald,
Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Korrektur
der Überleitung von DDR-Alterssicherungen
in bundesdeutsches Recht

– Drucksache 17/7034 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Verabredet ist es, hierzu eineinhalb Stunden zu debat-
tieren. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die
Fraktion der SPD die Kollegin Iris Gleicke.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1715004300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Das Renten-Überleitungsgesetz ist eine Erfolgs-
geschichte.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!)


Es hatte für die ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner
eine positive Wirkung, und das wirkt bis heute fort.
Wenn man sich anschaut, dass das Rentenniveau in Ost-
deutschland bei immerhin 88 Prozent des Westniveaus
liegt, während die Löhne und Einkommen in Ost-
deutschland noch deutlich hinterherhinken – da sind wir
gerade einmal bei knapp 83 Prozent –, dann kann man
diese positive Wirkung feststellen.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Die eigenen Leute klatschen nicht!)


as Renten-Überleitungsgesetz war eine große solidari-
che Leistung der Beitragszahlerinnen und Beitragszah-
r in Ost und in West. Auch das muss an diesem heuti-
en Morgen so gesagt werden.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Unterschiede des Rentensystems Ost zum Ren-
nsystem West werden in Ostdeutschland nach 21 Jah-
n aber zunehmend als ungerecht empfunden. Dass wir

lle das als Problem ansehen, wird dadurch deutlich,
ass in den Wahlprogrammen aller im Bundestag vertre-
nen Parteien die Angleichung der Rentensysteme Ost
nd West als Aufgabe für diese Legislaturperiode be-
annt wird. Man könnte meinen, wir seien uns einig.
etzt, kurz vor Weihnachten, nach der Hälfte dieser Le-
islatur, diskutieren wir mal wieder darüber. Aber, eine
chöne Bescherung wird es auch heute nicht geben; denn
iese Bundesregierung ist ganz offenkundig keinen
chritt weiter. Sie schreibt in ihrem Jahresbericht zum
tand der deutschen Einheit 2011: Die Vereinheitlichung
t eine komplexe Aufgabe. Wir prüfen unter verschiede-
en Gesichtspunkten, wie die rechtlichen Regelungen
r eine noch festzulegende Methode der Vereinheitli-

hung der Rentensysteme konkret ausgestaltet werden
önnen. Ein konsensfähiger Vorschlag muss die unter-
chiedlichen Interessenlagen aller Beteiligten berück-
ichtigen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Sehr gut!)


a klasse. Der Befund ist ja nicht falsch. Das sagen auch
ir schon seit Jahren.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die SPD hat ja auch keinen Vorschlag!)


h frage Sie nun: Wie lange wollen Sie denn eigentlich
och prüfen? Sie sind meilenweit davon entfernt, in die-
er Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in
st und West einzuführen, wie es in Ihrem eigenen Ko-

litionsvertrag steht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Allerdings!)


un, wir wissen ja, dass das nicht die einzige Aufgabe
t, die für diese Bundesregierung zu komplex ist.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das war jetzt aber polemisch!)


Für mich ist die Überwindung der unterschiedlichen
entensysteme eine der zentralen Fragen, die in unserem
and einer politischen Lösung bedürfen. Die Rufe nach
iner schnellen Angleichung sind sehr verständlich, man
arf es sich aber nicht zu einfach machen; denn – das
issen wir alle – der Teufel steckt im Detail.

18016 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Iris Gleicke


(A) )


)(B)


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Nun bin ich aber gespannt!)


Eine Haurucklösung würde sehr schnell auf eine reale
Benachteiligung der Ostdeutschen hinauslaufen. Ich
sage heute Morgen hier ganz klar: Wer fordert, den Ren-
tenwert Ost sofort auf das Westniveau anzuheben,
schafft eben auch sofort den Ausgleich für das Lohnge-
fälle zwischen Ost und West, den sogenannten Hochwer-
tungsfaktor, ab, und das wäre eine Rentenkürzung für
die kommenden ostdeutschen Rentnergenerationen. Wir
wollen das nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Aha!)


Solange im Osten – je nach Branche – zwischen
15 und 30 Prozent weniger verdient wird als im Westen,
muss am rentenrechtlichen Hochwertungsfaktor bei den
Ostgehältern festgehalten werden; denn sonst hieße es
nichts anderes, als dass die heutige Benachteiligung bei
den Einkommen auch in 20, 30 oder 40 Jahren, wenn die
Menschen in Rente gehen, fortwirken würde. Wir brau-
chen hier eine sachgerechte Lösung. Deshalb orientieren
wir uns bei der Rentenangleichung am Zeitpunkt des
Auslaufens des Solidarpakts II; das ist im Jahr 2019. Bis
zu diesem Zeitpunkt aber müssen wir alle Anstrengun-
gen unternehmen, um gemeinsam mit Arbeitgebern und
Gewerkschaften endlich die Einkommensunterschiede
zwischen Ost und West zu beseitigen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Dazu brauchen wir – ich glaube, darüber sind wir uns ei-
nig – auch Maßnahmen für eine größere Tarifbindung
der Unternehmen. Dann bedürfte es nämlich nicht mehr
der Aufwertung der Ostlöhne, und es würden keine
neuen Ungerechtigkeiten geschaffen. Keine neuen Un-
gerechtigkeiten zu schaffen, muss das Ziel sein.


(Beifall bei der SPD)


Das wäre übrigens auch ein ganz wichtiger Beitrag,
um das Problem der drohenden Altersarmut im Osten
einzudämmen. Ich weiß, dass Altersarmut nicht allein
ein ostdeutsches Problem ist; das ist ganz klar. Aber
durch die nach wie vor bestehenden Lohnunterschiede
ist Ostdeutschland nun einmal besonders betroffen. Aber
auch bei diesem Thema finden sich nur ablehnende For-
mulierungen in Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage.
Das ist unerträglich.


(Beifall bei der SPD)


Die Bundesregierung hat sich in der langen Beant-
wortungszeit nicht einmal die Mühe gemacht, die auch
in Fachkreisen diskutierten Modelle zur Beseitigung der
Altersarmut wie das Hauser-Konzept wenigstens einer
Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen. Nicht einmal
dazu sind Sie in der Lage! Wir müssen uns heute hinset-
zen und das Thema Altersarmut besprechen. Wir haben
gestern über die Rente mit 67 geredet. Auch da ist dieses
Thema aufgekommen. Wir müssen unsere Hausaufga-

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(C (D en machen. Aber diese Bundesregierung macht einfach ar nichts. Wir wollen, dass Menschen, die lange geareitet haben – ob in Ostoder in Westdeutschland –, im lter eben nicht in die Grundsicherung fallen, sondern ine vernünftige Rente bekommen. Jenseits der Frage der Angleichung der Rentensysme und der Bekämpfung von Altersarmut gibt es aber och offene Rentenüberleitungsfragen. Dabei geht es um erschiedene Betroffenengruppen, von Diplomchemiern bis zu Krankenschwestern, von DDR-Geschiedeen – meistens Frauen – bis zu Eisenbahnern und etlihen anderen. Nachdem all diese Fragen zum Teil öchstrichterlich ausgeurteilt sind, kommen wir zu der berzeugung, dass diese Fälle rentenrechtlich nicht ehr gelöst werden können. Deshalb schlagen wir Ihnen ine sozialpolitische Lösung vor. Wir fordern ein Rennüberleitungsabschlussgesetz, dessen Grundlage ein ärtefallfonds ist. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll orschläge zur Ausgestaltung dieses Härtefallfonds – zu einer finanziellen Ausstattung und zum Umfang der ransferleistungen – formulieren, aber auch die Härten efinieren. Damit kann jenen ostdeutschen Rentnerinnen nd Rentnern geholfen werden, die auf Grundsicherung Alter angewiesen sind und bis heute nicht umfassend on der Rentenüberleitung erfasst werden. Wir sind der einung, dass das eine sachgerechte Lösung wäre. Es gibt aber eine Gerechtigkeitslücke, die wir sofort chließen können. Wir wollen, dass ab sofort pauschal ewertete Versicherungszeiten beim Rentenanspruch in st und West gleich berücksichtigt sind. Das können eiten der Kindererziehung, Zeiten der Pflege von Anehörigen oder Zeiten des Zivilund Wehrdienstes sein. s ist durch nichts zu rechtfertigen, dass die Mutter eines eute in Erfurt geborenen Babys eine geringere Anerennung ihrer Kindererziehungszeiten erfährt als die utter eines heute in Köln geborenen Babys, wenn die eiden Frauen in 30 Jahren in Rente gehen. s ist ebenso wenig zu rechtfertigen, dass die Pflege eies Angehörigen im Osten weniger wert sein soll als die flege eines Angehörigen im Westen. Meine Damen und Herren, es geht um die Anerkenung von Lebensleistungen der Ostdeutschen, bei denen s zwei Jahrzehnte nach der deutschen Einheit keinen nterschied mehr geben darf. Unsere Vorschläge liegen uf dem Tisch. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Für die Bundesregierung ergreift der Parlamentari che Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel das Wort. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18017 )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715004400

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu-
nächst möchte ich mich bei der SPD für die positive
Einschätzung der Wirkungen des Renten-Überleitungs-
gesetzes bedanken. In aller Höflichkeit darf ich als Re-
gierungsmitglied aber darauf hinweisen, dass in zehn der
letzten zwölf Jahre die SPD den Arbeits-, den Sozial-
und damit den Rentenminister – das waren vier Minister,
wenn ich mich richtig erinnere – gestellt hat


(Iris Gleicke [SPD]: Die CDU hat doch mit ihren ostdeutschen Ministerpräsidenten blockiert!)


und dass wir jetzt zwei Jahre in der Regierung sind. Sie
hätten also zehn Jahre Zeit gehabt, die entsprechenden
Weichenstellungen vorzunehmen. Das ist aber nicht ge-
schehen.

Sie sind um den heißen Brei herumgeschlichen wie
eine Katze, die sich nicht herantraut. Daraus ergibt sich,
dass die Materie offensichtlich schwieriger ist, als es oft
dargestellt wird. Sie haben es heute recht differenziert
dargestellt. Aber zu glauben, dass durch einen Arbeits-
kreis alles gelöst werden kann, klingt doch nach dem
Motto: Und weil ich nicht mehr weiterweiß, gründe ich
einen Bundes-Arbeitskreis. – Nützlicher wäre es, wenn
Sie auch Ihre Ministerpräsidenten an den Tisch bekom-
men würden, um zu einer vernünftigen, gemeinsamen
Lösung zu kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Machen Sie doch einmal einen Vorschlag! Sie regieren auch schon sechs Jahre!)


Es war in den 90er-Jahren die christlich-liberale Ko-
alition, die die fundamentale Weichenstellung vorge-
nommen hat,


(Iris Gleicke [SPD]: Und sie damals schon zu Grabe getragen hat!)


und es ist eine christlich-liberale Koalition, die in der jet-
zigen Zeit diese rentenpolitische Entwicklung mit Au-
genmaß und Vernunft begleitet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Was damals auf den Weg gebracht wurde, war – Sie
haben es freundlicherweise ja auch angedeutet – ein ge-
nialer Weg.


(Iris Gleicke [SPD]: Rudolf Dreßler sei Dank!)


Sicher sind heute Zuschauerinnen und Zuschauer am
Fernseher, die selber die ganze Situation erlebt haben.


(Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Die haben jetzt schon ausgemacht!)


Ich weiß von vielen, wie sie es empfunden haben. Da-
mals wurde es als eine Steigerung der Lebensqualität
über Nacht empfunden. Ich war dabei, als Helmut Kohl
zur CDU/CSU-Bundestagsfraktion kam und diesen Vor-
schlag gemacht hat. Damals gab es auch einige Kritiker.
Diesen Kritikern hat der Kanzler frank und frei gesagt:
Die älteren Menschen in der DDR haben so lange in Un-

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(C (D eiheit gelebt. Die Zeit, die sie noch leben, sollen sie etas besser leben können. ahinter hat sich die christlich-liberale Koalition der daaligen Zeit gestellt, und das hat sich als richtig erwie en. Damals waren bei weitem nicht alle an Bord, die eute so positiv über diesen Weg reden. Ich erinnere ich an einen gewissen Lafontaine, der damals im Vorld in unerträglicher Weise gegen all dies angekämpft at. Damals war er noch in führender Position bei der PD. Sie von der Linken werden ja gleich nach mir reen. Ihr „Vorzeigeexemplar“ ist wahrscheinlich aus dieen Gründen – weil man ihm das sonst vielleicht einmal esagt hätte – heute nicht hier erschienen. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist peinlich!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn ich mich richtig erinnere, dann sind die Linken
ie Nachfolgepartei der PDS, deren Vorgänger die SED
ewesen ist. Heute kann man nur noch einmal sagen
und auch das muss in die Annalen der Rentenpolitik

ingefügt werden –: Wenn in der DDR die Rentnerinnen
nd Rentner besser behandelt worden wären, dann hät-
n wir viele der Probleme, die wir heute haben, nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Man hört es mir vielleicht nicht an, aber meine Mutter
t eine Sächsin.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


h habe in der Verwandtschaft mitbekommen, wie be-
cheiden die Rentnerinnen und Rentner in der DDR le-
en mussten. Wenn sie nicht einem bestimmten Sonder-
ersorgungssystem angehört haben, haben sie in äußerst
escheidenen Verhältnissen gelebt. Wenn jemand mehr
ekommen hat, wusste man, aus welchen Gründen das
o war. Es ist auch bekannt, dass viele Rentnerinnen und
entner in der DDR nach Renteneintritt noch gearbeitet
aben.

Sie sollten sich mit Ihren Forderungen etwas zurück-
alten. Wenn ich höre, was alles geschehen soll, wenn
h höre, dass die Umsetzung Ihrer Forderungen 6 Mil-
arden Euro kosten würde, dann muss ich sagen, dass
ies nicht im Interesse der Staatsfinanzen, nicht im Inte-
sse der wirtschaftlichen Entwicklung wäre und nicht

u einer weiteren Senkung der Arbeitslosigkeit führen
ürde.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es würde die Binnennachfrage sehr befördern!)


s wäre auch nicht im Interesse der Rentnerinnen und
entner und der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler
diesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Herr Fuchtel, Sie müssen einen Vorschlag unterbreiten!)


18018 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Parl. Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel


(A) )


)(B)

Wir haben 25 Millionen Renten, über 20 Millionen
Rentnerinnen und Rentner und 29 Millionen Sozialversi-
cherungspflichtige. Daher bedarf es einer sehr sorgfälti-
gen Abwägung jedes einzelnen Schrittes. Dies ist nicht
einfach. Es geht nicht nur um das Gefälle zwischen den
Renten in Ost und West, sondern auch um das Gefälle
zwischen Nord und Süd. Es geht um den Unterschied
zwischen Ballungsraum und ländlichem Raum. All das
spielt eine Rolle. Wenn man sich auf den Weg macht,
diese Probleme zu lösen, sollen keine neuen Ungerech-
tigkeiten entstehen. Deswegen ist die Aufgabe nicht so
leicht zu bewältigen, wie manche in der Opposition be-
haupten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wann kommt der Vorschlag, Herr Fuchtel?)


Der gegenwärtige Stand der Bearbeitung der Bundes-
regierung fußt auf verschiedenen Prüfungen, zum Bei-
spiel auf der Prüfung der Fragen, welche Auswirkungen
der demografische Wandel auf den Arbeitsmarkt hat und
wie sich das Lohngefüge entwickeln wird. All das muss
bei einer Lösung berücksichtigt werden und darf nicht
vernachlässigt werden.


(Iris Gleicke [SPD]: Die Löhne stagnieren schon seit Jahren! Das ist das Problem! Sie tun nichts!)


Ich bezweifle, dass Sie in diesem Bereich viel bessere
Informationen haben als die Bundesregierung. Wir alle
sind noch dabei, uns zu sortieren; dies dauert eine ge-
wisse Zeit.

Unser Ziel ist es, eine Lösung zu finden, die den un-
terschiedlichen Erwartungen und Interessen in Ost und
West bei Jung und Alt gleichermaßen gerecht wird. Ich
appelliere daher an die Bereitschaft, in nächster Zeit
noch stärker einen Konsens zu suchen, der den gesamt-
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt.


(Abg. Hans-Joachim Hacker [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ich lasse heute keine Zwischenfrage zu; denn die meis-
ten, die Zwischenfragen stellen – das ist meine Erfah-
rung als langjähriger Abgeordneter –, sind dann freitags
um 14 Uhr nicht mehr im Plenum, wenn die Kollegen
hier noch sitzen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich bitte daher um Verständnis, dass ich heute keine
Zwischenfragen zulasse.

Ich möchte nochmals an Sie appellieren, dass wir ver-
suchen, mit allen Ministerpräsidenten eine Lösung zu
finden. Wenn wir das erreichen, brauchen wir höchst-
wahrscheinlich keinen Arbeitskreis.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Ach, noch ein Arbeitskreis?)


Anfang der 90er-Jahre und zu Beginn des neuen Jahr-
hunderts hat das Vertrauen in die Rente sehr gelitten. Wir
haben in den letzten Jahren erreicht, dass das Vertrauen

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(C (D ieder aufgebaut wurde. Wir müssen alles tun, dass diees Vertrauen erhalten bleibt und nicht wieder Probleme ufkommen. Das haben die Rentnerinnen und Rentner icht verdient, das haben die Arbeitnehmerinnen und rbeitnehmer nicht verdient. Deswegen ist unser Ziel, iese Frage im Konsens zu lösen. Die Perspektiven hinsichtlich der Rente sind sehr gut. ie aktuelle Rücklage ermöglicht eine Beitragssenkung. den nächsten Jahren wird es eine Rentenerhöhung ge en, die im Osten höher ausfallen wird als im Westen. ir sind also in einer guten Situation. Der Arbeitsmarkt t in guter Verfassung und bietet die Chance, dass auch Ostdeutschland die Löhne steigen. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen juristischen der sachlichen Zwang, der uns vom bisherigen Weg abringen müsste. Wichtig ist, dass wir diesen Weg im Inresse der Erledigung dieser Sache gemeinsam und kon equent beschreiten. Das ist mein Appell am heutigen ag und wohl auch der Sinn der Debatte. Dann für den Freitagnachmittag eine Kurzinterven on. – Bitte schön. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Anwesenheitspflicht bis zum Schluss des Plenums! – Maria Michalk [CDU/CSU]: Jawohl! Bis 15 Uhr mindestens! Das werden wir heute kontrollieren!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715004600


Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1715004700

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär

uchtel, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede über die Katze
esprochen, die um den heißen Brei schleicht. Ich
laube, wir haben in Ihrer Rede ein bildhaftes Beispiel
rlebt,


(Iris Gleicke [SPD]: Einen Kater! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was denn für ein bildhaftes Beispiel?)


ie eine Katze bzw. – genauer gesagt – ein Kater um den
eißen Brei schleichen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich würde Ihnen gerne eine Frage stellen. In Ihrem
oalitionsvertrag steht ganz klar, dass Sie in dieser Le-
islaturperiode eine Lösung dieses Problems finden wol-
n. Das nehmen wir positiv zur Kenntnis, weil wir das
enauso sehen. Wir wissen auch – das hat Frau Gleicke
eschildert –, wie schwierig der Weg war und dass wir in
en ersten Jahren große Fortschritte erreicht haben.
ber: Wenn Sie sagen, dass es in Deutschland unter-

chiedliche Lohnniveaus gibt, dass das so ist und auch so
leiben wird und dass man die Situation in Ost und West
eswegen nicht schablonenhaft darstellen kann – es gibt
ämlich auch im Osten starke Lohndifferenzierungen –,


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja! – Maria Michalk [CDU/CSU]: Ja! Und in Nord und Süd!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18019

Hans-Joachim Hacker


(A) )


)(B)

dann müssen Sie den Betroffenen und uns hier und heute
erklären, ob es noch zu rechtfertigen ist, dass der Ren-
tenwert eines Entgeltpunktes im alten Bundesgebiet ein-
heitlich ungefähr 27 Euro beträgt –


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Na, na! Die 47 Cent nicht vergessen!)


– ja, Herr Rehberg, die will ich nicht vergessen; ich habe
ja gesagt: ungefähr 27 Euro – und dass es im Osten, bei
allen Unterschieden bei Tarifen und Löhnen, einen abge-
werteten Rentenwert eines Entgeltpunktes gibt.


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Der wird doch nicht abgewertet! So ein Quatsch!)


Durch die Rentenpolitik, die Sie betreiben, würden
diese Unterschiede verewigt werden, weil im Osten we-
gen der dortigen Strukturschwäche auf lange Zeit im
Durchschnitt geringere Löhne als im Durchschnitt des
Bundesgebietes gezahlt werden.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Aber mit Aufwertung! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Aber das ist doch keine Abwertung! Ganz im Gegenteil!)


Ich möchte Sie fragen – darauf hätte ich gerne eine Ant-
wort von Ihnen –, wie Sie die Unterschiede beim Ren-
tenwert eines Entgeltpunktes noch rechtfertigen können.


(Beifall bei der SPD – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Aber er liegt schon höher als die Durchschnittswerte! Das hat Frau Gleicke zu Recht gesagt! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Richtig! Frau Gleicke, der erzählt etwas anderes als Sie! – Gegenruf der Abg. Iris Gleicke [SPD]: Still da hinten!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715004800

Zur Erwiderung, Herr Staatssekretär.

H
Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1715004900


Fast wäre ich geneigt, Wilhelm Busch zu zitieren, der
einmal gesagt hat:

Wer durch des Argwohns Brille schaut,
sieht Raupen selbst im Sauerkraut.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Das ist unerträglich! Das Thema hat keine Jokes verdient!)


Meine Damen und Herren, die Koalition hat den Mut
gehabt, die Zusammenführung der Rentensysteme in den
Koalitionsvertrag hineinzuschreiben. Dieser Mut hat
vorhergehenden Koalitionen gefehlt.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist nicht wahr! Das Thema hatten wir auch schon in der Großen Koalition! – Gegenruf des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ja! Ihr habt aber nichts gemacht! – Gegenruf der Abg. Iris Gleicke [SPD]: Das ist „Überholen, ohne einzuholen“!)


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(C (D arauf können wir aufbauen. Natürlich ist es unser Ziel, dieser Frage eine Lösung zu finden, sobald wir einen onsens erzielt haben. Diesen Konsens kann aber nicht llein die Koalition herstellen, sondern er muss darüber inausreichen. Ich kann den Ball nur an Sie zurückspien: Wenn Sie all das, was Sie gerade angesprochen haen, wollen, dann arbeiten Sie mit uns zusammen an dieem Konsens. Das Wort hat die Kollegin Dr. Martina Bunge. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! er Koalitionsvertrag dieser Bundesregierung sieht in unkt 8 eindeutig vor, „in dieser Legislaturperiode ein inheitliches Rentensystem in Ost und West“ einzufühn. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja, und? Ist die Legislaturperiode heute zu Ende, oder was?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715005000

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715005100

is heute liegt nichts vor.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Legislaturperiode ist ja noch nicht rum! – Maria Michalk [CDU/CSU]: Ach, ist bei Ihnen heute schon Schluss mit der Legislaturperiode?)


erter Herr Staatssekretär Fuchtel, so werden Sie keine
inisterpräsidenten an den Tisch bekommen, die mit Ih-

en beraten.

Wenn man den Medien glauben kann, soll heute noch
twas verkündet werden. Aber ich bin doch sehr über-
scht, Herr Fuchtel, dass Sie darauf abgestellt haben,

ass Sie bisher nur zwei Jahre Zeit hatten. Sie tun ja so,
ls ob Sie neu in der Politik sind.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie haben das Renten-Überleitungsgesetz mit auf den
eg gebracht. In der letzten Legislaturperiode haben Sie

ier Jahre Zeit gehabt, sich damit zu beschäftigen. Also
anz so neu, wie Sie jetzt tun, starten Sie ja nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Wenn man den Medienberichten glauben kann, dann
ird Herr Staatssekretär Bergner heute noch etwas ver-
ünden – wahrscheinlich in der nächsten Debatte als
stbeauftragter der Bundesregierung.


(Iris Gleicke [SPD]: Eine halbe Seite Bericht!)


enn das, was bisher schon durchgesickert ist, wahr ist,
ass nämlich in Sachen Rentenüberleitung nichts vorge-
gt wird, sondern nur irgendeine unlogische Lösung für
ie Rentenangleichung gefunden wurde,

18020 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Martina Bunge


(A) )


)(B)


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie haben dafür gesorgt, dass die Ostrenten so schlecht sind! Sie und Ihre Partei!)


dann ist das eine Unverfrorenheit und eine Ignoranz der
Probleme, die mich fast sprachlos macht.


(Beifall bei der LINKEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Na, dann ist ja gut!)


Wenn ich die Betroffenen sehe, die älter und älter wer-
den, kann ich nur wütend werden, verehrter Herr Kol-
lege Rehberg.


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU – Uwe Schummer [CDU/CSU]: Das haben Sie lange einstudiert!)


Dass nichts zur Korrektur der Rentenüberleitung Ost ge-
tan werden soll, empfinden wir als einen Skandal.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Kanzlerin hat von einer Liste geredet, auf der all
die Probleme stehen, die zu lösen sind. Damit sind bei
den Betroffenen natürlich Hoffnungen geschürt worden.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Die haben Sie geschürt!)


– Sie vor allen Dingen auch, Frau Michalk. – Einige
Unionsabgeordnete und die FDP-Abgeordneten haben
einen Handlungsbedarf konstatiert.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ja!)


Die heutige Absage ist in diesem Sinne schäbig und eine
tolle Bescherung; das ist ja die letzte Debatte zu diesem
Thema vor dem Weihnachtsfest.

Lassen Sie mich kurz begründen, weshalb ich die Idee
zur Angleichung der Rentenwerte, die herumgeistert, für
völlig unlogisch halte:

Zwischen einer Höherbewertung und einer Anglei-
chung besteht unseres Erachtens überhaupt kein direkter
Zusammenhang.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist ja der größte Unsinn! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Der größte Unsinn, den es gibt! Stellen Sie sich einmal in Düsseldorf hin und erzählen das da!)


Die Höherbewertung ist ein Mittel, um die niedrigen
Osteinkommen wenigstens für die Rentenberechnung
anzugleichen und im Prinzip eine gleiche Tätigkeit mit
gleichem Lohn zu bewerten.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Bei Ihrer Regierung wären die Rentner Ost jetzt bei 10 Prozent!)


Erst wenn die Rente berechnet wird, kommt der Renten-
wert ins Spiel. Das ist unter Umständen erst zehn, zwan-
zig Jahre später der Fall.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ja und?)


Nun frage ich mich: Wieso soll es gerecht sein,
gleichbewertete Arbeit – die niedrigen Osteinkommen

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(C (D erden für die Entgeltpunkte theoretisch höher bewertet – nterschiedlich zu bewerten, wenn die Rente berechnet ird, indem der Rentenwert eines Entgeltpunktes im Osn nur 24,37 Euro und im Westen 27,47 Euro beträgt? o, bitte schön, ist hier die Logik? (Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist der Sinn der Rentenüberleitung! Hätten wir die Ostrentner von Anfang an schlechter stellen sollen? – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Die Logik erkläre ich Ihnen gleich!)


ber man kann ja hoffen, dass die Zeit dieser Regierung
icht mehr lange währt und sich neue Chancen eröffnen.

Es ist gut, dass durch die Große Anfrage der SPD
eute, nach knapp 20 Jahren Renten-Überleitungsgesetz,
ine Bestandsaufnahme vorliegt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ie haben zwei Anträge und die Fraktion Die Linke hat
inen Antrag vorgelegt, in denen eine gewisse Positions-
estimmung vorgenommen und gesagt wird, wer was
ie lösen will.

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD,
aben in Ihrem ersten Antrag von einem Rentenüberlei-
ngsabschlussgesetz und einem Härtefallfonds gespro-

hen. Damit soll erreicht werden, dass die Menschen, die
urch die Rentenüberleitung dazu genötigt wären, zum
rundsicherungsamt zu gehen, das nicht tun müssen.
as ist eine noble Geste.

Liebe Kollegin Gleicke, zu all den weiteren Proble-
en, die es noch gibt und die Sie vorhin erwähnt haben,
ndet sich dort aber nichts. Wo bleibt zum Beispiel die
erechtigkeit für die Beschäftigten des Gesundheits-
nd Sozialwesens, für die in der DDR Geschiedenen, für
ie Ballettmitglieder, für die in der Braunkohleverede-
ng Tätigen, für diejenigen, die Familienangehörige

flegen, für Handwerker und ihre mithelfenden Famili-
nangehörigen, für diejenigen, die einen zweiten Bil-
ungsweg einschlugen, und für ins Ausland mitgereiste
hegatten? Wo bleibt die Anerkennung freiwilliger Bei-
äge? Dazu steht nichts in Ihrem Antrag.

Gucken Sie sich bitte einmal Ihre Begründung an. Sie
tellen nur auf den Ersatz der Grundsicherung und den
ärtefallfonds ab. Ich finde, das ist missdeutbar. Wenn

s so ist, wie Sie heute gesagt haben, dann würde ich
ich freuen, wenn Sie einer Arbeitsgruppe einen solch

mfassenden Auftrag geben würden. Aber der müsste
rst einmal formuliert werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich denke, wir können all die Probleme, die zum Bei-
piel auch die wissenschaftliche, die medizinische, die
ädagogische, die künstlerische und die technische Intel-
genz hat, nicht auf Ewigkeit ungelöst lassen. Sie haben
as Nachsehen gegenüber Ihren Berufskolleginnen und -
ollegen West, wenn sie nur etwa die Hälfte an Alter-
einkünften erhalten.

Genauso problematisch ist es bei den Eisenbahnern
nd den Postlern. Hier ist die historisch begründete Ver-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18021

Dr. Martina Bunge


(A) )


)(B)

sorgung verlustig gegangen. Wir müssen uns diese Kom-
plexe insgesamt ansehen; denn es gibt auch neue Pro-
bleme, sogenannte Mix-Biografien: 20 Jahre in der
DDR, 20 Jahre in Gesamtdeutschland. Damit stehen
neuartige Probleme der Nichtanerkennung ins Haus. Ich
finde, es ist legitim, dass sich die Betroffenen nicht da-
mit abfinden, dass ihr gelebtes Leben nicht anerkannt
wird. Wir von den Linken finden, Biografien müssen ak-
zeptiert werden. Deshalb brauchen wir eine umfassende
Korrektur der Rentenüberleitung Ost. Das ist in unserem
Antrag als Arbeitsauftrag an eine Arbeitsgruppe formu-
liert.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich würde mich freuen, wenn viele, die so denken wie
wir, daran mitwirken könnten. Das wird garantiert nicht
in dieser Legislaturperiode sein. Aber angesichts der Er-
eignisse der letzten Tage mit ihren Offenbarungen kön-
nen wir auf das Jahr 2012 gespannt sein. Vielleicht dau-
ert das alles nicht mehr so lange, und es gibt neue
Chancen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715005200

Der Kollege Dr. Heinrich Kolb hat jetzt für die FDP-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1715005300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Bunge, mit Blick auf das Jahr 2011 bietet
es sich an, Erich Kästner zu zitieren.


(Iris Gleicke [SPD]: Was ist denn heute mit euch los? Ihr zitiert so oft, weil euch nichts einfällt!)


Er hat gesagt:

„Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“ fragt man all-
jährlich.
Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefähr-
lich.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das wird immer besser! – Gegenruf des Abg. Otto Fricke [FDP]: So sind wir!)


Deswegen möchte ich Ihnen zu Optimismus raten. Rich-
ten Sie den Blick nach vorne. Ich kann Ihnen, insbeson-
dere was die Zukunft der schwarz-gelben Bundesregie-
rung anbelangt, sagen: Machen Sie sich da keine
falschen Hoffnungen! Wir arbeiten gut zusammen und
werden das bis zum Ende der Legislaturperiode in 2013
weiter tun.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Interessierte Beobachter wissen, dass die FDP die An-
gleichung des Rentenrechts in Ost und West seit Jahren
für überfällig hält. Ich sage hier ganz deutlich: Ich kann
nur schwer nachvollziehen, dass sich manche so schwer-

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(C (D n, diese offene Frage der deutschen Teilung jetzt zu bentworten. Eine fundierte und sachliche Begründung, en das interessiert, hat der Sachverständigenrat schon seinem Gutachten 2008/2009, Frau Kollegin Gleicke, eliefert. Darin wurde darauf hingewiesen, dass sich die Anleichung der Löhne zunehmend verlangsamt und dass s eine zunehmende Heterogenität der regionalen Enthnungsstrukturen in beiden Gebietsständen Ost und est gleichermaßen gibt und dass die verteilungspoliti chen Effekte, die daraus resultieren, nur schwer zu veritteln sind. Der Vorschlag, den der Sachverständigenrat amals gemacht hat, ist mit dem FDP-Antrag identisch, en unsere Fraktion wenige Monate zuvor in den Deutchen Bundestag eingebracht hatte. Ich glaube, dass weiterhin Druck besteht und dass der ruck mit Blick auf das Gutachten des Bundesrechungshofes vom April 2010 ständig größer wird. Darin eißt es: Es besteht die Gefahr, dass die Gruppe der Bechäftigten, die in den neuen Bundesländern auf Westiveau bezahlt wird, so groß ist, dass die unterschiedlichen egelungen im Rentenrecht mit dem ursprünglichen weck, dass Durchschnittsverdiener Ost und Durchchnittsverdiener West einen ähnlich oder gleich hohen entenertrag erhalten sollen, nicht mehr vereinbar sind. Aber – das will ich hier sehr deutlich sagen – die Anleichung, die wir wollen, als stichtagsbezogene, besitztandswahrende Umstellung, darf – das muss ich an die dresse der Kollegen der Linken sagen – keine Rosinenickerei sein, Frau Kollegin Bunge. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie haben gesagt: Eine Höherbewertung wollen wir
icht, sondern nur der Rentenwert soll angepasst wer-
en. – Das wird so nicht funktionieren.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch!)


Nein, das wird es nicht. Das wäre weder gerecht noch
ürde es funktionieren. Sie wissen auch, dass die daraus
lgende Belastung der Rentenkasse, die man auch nicht

bersehen darf, mit 6 Milliarden Euro pro Jahr eine Di-
ension hat, die den vorhandenen Rahmen deutlich

prengt.

Nein, es ist so: Es gibt diese Unzufriedenheit in unse-
m Land. Die Rentner in den neuen Bundesländern ver-

tehen nicht, warum der Rentenwert Ost niedriger ist.
ie Versicherten in den alten Bundesländern verstehen
agegen nicht das Prinzip der Lohnhochwertung 20 Jahre
ach der deutschen Wiedervereinigung. Deswegen gibt
s Notwendigkeiten anzupassen und Unterschiede in der
ntlohnung zu beseitigen. Hoch- und Niedriglohnge-
iete gibt es, wie gesagt, sowohl im Osten als auch im
esten. Wir stehen zu unseren Initiativen aus der letzten

egislaturperiode, und wir stehen auch zu den Aussagen
es Koalitionsvertrages.

Das will ich aber an die Adresse der Linken richten,
eil sie sich ständig als Rächer und Retter der Entrechte-
n und Enterbten aufspielen: Ohne die deutsche Einheit
nd die Anpassung des Rentenrechts hätte kein Rentner

18022 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

in den neuen Bundesländern auch nur annähernd den Le-
bensstandard erreichen können, den er heute hat. Auch
das muss man bei aller Kritik deutlich feststellen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich weise es auch genauso entschieden zurück, dass
Sie immer wieder unsere Rentenüberleitung als Renten-
strafrecht brandmarken. Nein, es ist angemessen und
richtig, dass Privilegien für SED- und Stasiangehörige
beschränkt werden, weil es zu unerträglichen Ergebnis-
sen geführt hätte, wenn wir auf entsprechende Maßnah-
men in der Gesetzgebung verzichtet hätten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Iris Gleicke [SPD]: Das hat die alte Volkskammer gemacht!)


Ich will jetzt nicht die Redezeit überziehen. Es hat auch
niemand eine Zwischenfrage gestellt, was schade ist.


(Otto Fricke [FDP]: Die trauen sich nicht mehr!)


Deswegen will ich die verbleibenden 15 Sekunden nut-
zen, Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einem
arbeitsmarkt- und sozialpolitisch anstrengenden und ar-
beitsreichen Jahr eine ruhige Zeit und gute Erholung
zwischen den Jahren zu wünschen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das wünschen wir Ihnen vor allen Dingen! Gottes Segen für Sie!)


– Nutzen Sie die Zeit. Wir werden sie auch nutzen, Frau
Kollegin Lötzsch. Machen Sie sich darüber keine Ge-
danken. – Dann werden wir uns hoffentlich bei bester
Gesundheit im Jahr 2012 erneut an die Arbeit machen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715005400

Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es wird jetzt, mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereini-
gung, Zeit, endlich einen rentenpolitischen Schlussstrich
zu ziehen. Deswegen habe ich durchaus große Sympa-
thie für die Vorschläge der SPD,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ein Rentenüberleitungsabschlussgesetz – das könnte
man vielleicht noch ein bisschen knackiger fassen – zu
verabschieden.


(Iris Gleicke [SPD]: Das stimmt! Daran soll es nicht scheitern!)


Auch der Härtefallfonds ist keine schlechte Idee.

Wir Grünen sind bekanntlich nicht der Meinung, dass
es umfassende Änderungen beim Rentenüberleitungsge-

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(C (D etz geben sollte. Aber es gibt einige wenige Gruppen, ei denen immer noch Handlungsbedarf besteht. Daber hinaus sollte nach Wegen gesucht werden, um in inzelfällen gezielt helfen zu können. Dabei könnte ein olcher Härtefallfonds tatsächlich sinnvoll sein. Ein bisschen skeptisch bin ich allerdings, was die Einchtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe angeht. Das rinnert mich ein bisschen an das Motto „Wenn ich nicht ehr weiterweiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis“. err Fuchtel ist nicht der Einzige, der gleich diese Asso iation hatte. So etwas verzögert möglicherweise eine bschließende Lösung. Aber das ist nur ein Detail für die msetzung. Im Grundsatz ist die Idee der SPD durchaus ut. Aus den Gruppen, bei denen wir Handlungsbedarf seen, möchte ich zwei herausgreifen. Bei beiden verweiert die Bundesregierung bisher eine Lösung. Die eine ruppe sind Geschiedene, die vor 1992 geschieden woren sind. Bei dieser Gruppe gibt es eine Ungerechtigkeit egenüber der Situation im Westen. Zu dieser Gruppe, ie sehr geringe Rentenansprüche hat, gehören insbesonere Frauen. Hier muss unbedingt geholfen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben dazu einen konkreten Vorschlag vorgelegt
es muss aber nicht unbedingt dieser sein –, den wir
ber Steuern finanzieren wollen, weil es rentenrechtlich
icht mehr möglich ist, fiktiv einen Versorgungsaus-
leich durchzuführen. Machen Sie gegebenenfalls bitte
inen anderen Vorschlag.

Die zweite wichtige Gruppe sind die Flüchtlinge aus
er DDR, die auch, zumindest zu einem großen Teil,
urch die Wiedervereinigung benachteiligt sind. Das
alte ich für einen Skandal. Es gab eine lange und breite
ebatte darüber, dass man dieser Gruppe unbedingt hel-
n sollte. Auch dazu gab es einen gemeinsamen Vor-

chlag von SPD und Grünen, der bei der Bundesregie-
ng nicht auf Wohlgefallen gestoßen ist. Auch an dieser

telle möchte ich sagen: Machen Sie bitte einen eigenen
orschlag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715005500

Herr Kollege Strengmann-Kuhn, Herr Kollege Vaatz

ürde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. – Bitte
chön, Herr Vaatz.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1715005600

Herr Dr. Strengmann-Kuhn, ich habe eine Frage, und

war: Würden Sie es auch für notwendig erachten, einen
leichen rentenmäßigen Ausgleich an Frauen in der
undesrepublik Deutschland zu zahlen, die vor 1974 ge-

chieden worden sind?


(BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Man müsste genauer schauen, an welchen Stellen die

ngleichbehandlung erfolgt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18023

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Die sind nach dem gleichen Recht geschieden worden!)


Das müsste man im Einzelnen nachprüfen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist Ihnen bekannt, oder?)


Ich habe Sie aufgefordert, einen Vorschlag vorzulegen.
Sie regieren im Moment. Der Bundesrat hat gefordert,
dass für diese Gruppe ein Vorschlag vorgelegt werden
soll.


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Man kann doch keine separate Politik Ost an dieser Stelle machen! Das geht doch nicht!)


Dem haben Sie sich bisher verweigert. Sie sagen, dann
müsste man auch für die Leute, die vor 1974 geschieden
worden sind, eine Regelung treffen. Wenn Sie dieser
Meinung sind, dann machen Sie es, wenn nicht, dann
treffen Sie wenigstens eine Regelung für die zwischen
1974 und 1992 Geschiedenen. Wir haben einen Vor-
schlag vorgelegt. Den können Sie gerne ablehnen, aber
dann machen Sie einen eigenen Vorschlag. Helfen Sie
dieser Gruppe, solange sie noch lebt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Das Gleiche gilt für die Flüchtlinge. Auch dazu sage ich:
Sie müssen unsere Vorschläge nicht eins zu eins über-
nehmen. Wichtig ist, dass diesen Menschen endlich ge-
holfen wird. Tun Sie bitte irgendetwas, um den Flücht-
lingen und Geschiedenen zu helfen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Ein weiterer Bereich, in dem die Regierung bisher
nichts tut, obwohl es im Koalitionsvertrag steht, ist die
Schaffung eines einheitlichen Rentenwerts in Ost und
West. Das war in der Tat ein ziemliches Rumgeeiere ge-
rade eben. Allerdings muss ich sagen: Bei der SPD ist
das nicht viel anders. Auch von der SPD gibt es keinen
konkreten Vorschlag, wie ein einheitliches Rentenrecht
in Ost und West hergestellt werden kann. Es gibt einen
Vorschlag der Linken, einen der FDP und einen von uns.
Bei den beiden großen Parteien heißt es immer nur: Es
ist kompliziert, und es muss alles abgewogen werden. –
Unsere Position ist klar. Wir wollen möglichst schnell
die Ungleichbehandlung abschaffen. Wir wollen glei-
ches Recht für alle in Ost und West.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt vor allen Dingen, den Rentenwert Ost auf das
Niveau des Rentenwerts West anzuheben, und zwar
nicht schrittweise bis 2016, wie es die Linke will, oder
bis 2019, wie es die SPD wohl beabsichtigt, sondern in
einem Schritt und möglichst schnell.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Gleiches Rentenrecht für alle heißt aber auch, dass es
in Zukunft keine Aufwertung der Ostentgeltpunkte mehr
gibt. Wer im Osten 3 000 Euro verdient, erwirbt dann

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(C (D enselben Rentenanspruch wie jemand, der im Westen 000 Euro verdient. Das halten wir für gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist für viele eine Verschlechterung! Das muss man wissen!)


er Einwand, dass die Löhne im Durchschnitt im Osten
eringer sind, zieht meines Erachtens nicht mehr. Wenn
an sich die Zahlen des Tarifarchivs des WSI anschaut
es ist gewerkschaftsnah, wie man weiß –, dann stellt
an fest, dass das Tarifniveau im Osten mittlerweile bei

6,6 Prozent des Tarifniveaus im Westen liegt. In vielen
arifverträgen ist mittlerweile eine gleiche Bezahlung in
st und West vereinbart. Das ist also in großen Teilen
ar nicht mehr das Problem. Wenn man sich die Ursa-
hen genauer anschaut, warum der Durchschnitt gerin-
er ist – dabei hilft die Tabelle, die in der Antwort auf
ie Große Anfrage enthalten ist –, dann sieht man, dass
as unter anderem daran liegt, dass es im Westen mehr
eiche gibt, was das Niveau im Westen erhöht. Das ist
ein Grund für Handlungsbedarf. Auf der anderen Seite
ibt es einen größeren Niedriglohnbereich in Ostdeutsch-
nd. Das ist richtig. Aber einen Niedriglohnbereich gibt

s auch im Westen. Wer dort 1 000 Euro verdient, sollte
enselben Rentenanspruch erwerben. Ich weiß nicht,
arum jemand, der in Frankfurt am Main 1 000 Euro
erdient, einen geringeren Rentenanspruch erwerben
oll als jemand, der in Ostdeutschland lebt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was man tun muss, ist, an die Ursachen heranzuge-
en. Wir brauchen endlich einen flächendeckenden ein-
eitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Ost und West.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ir brauchen darüber hinaus mehr branchenspezifische
indestlöhne. Ein Grund für die geringeren Löhne im
sten ist, dass sich die Arbeitgeber vom Acker machen.
ie Tarifflucht muss beendet werden,


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Und die Gewerkschaften? Was machen die, Herr Strengmann-Kuhn?)


um Beispiel dadurch, dass man es erleichtert, Tarifab-
chlüsse für allgemeinverbindlich zu erklären, und durch
ndere Maßnahmen. Es ist ein Fehler, dass es immer
och Tarifverträge gibt, in denen Ost und West unter-
chiedlich behandelt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


uch da wäre ein Aufruf der Politik an die Gewerk-
chaften und die Arbeitgeber notwendig. Man sollte auf
leiche Abschlüsse in Ost und West dringen, trotz der
arifautonomie.

Eine wichtige Frage ist: Was ist mit den Rentnerinnen
nd Rentnern, die jetzt Rente beziehen? Wir sind der
einung, dass es weder eine Abschaffung der Aufwer-
ng für die Vergangenheit geben sollte noch einen Auf-

chlag, wie ihn die Linke fordert. Ein solcher Aufschlag

18024 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

würde nämlich neue Ungerechtigkeiten verursachen,
und das Ganze würde 6 Milliarden Euro kosten – 6 Mil-
liarden Euro, die unseres Erachtens besser und sozialer
verwendet werden könnten, zum Beispiel für eine Ga-
rantierente, die gezielt im unteren Einkommensbereich
stützt. Das ist etwas anderes als das, was die Linken for-
dern, die auch den Besserverdienenden zusätzlich etwas
geben wollen. Wir wollen gezielt im unteren Einkom-
mensbereich für bessere Renten in Ost und West sorgen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damit bin ich bei dem zentralen Problem im Osten,
nämlich der drohenden Altersarmutswelle. Hier zeigt die
Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der
SPD und auch auf unsere im Sommer gestellte Anfrage
zur Altersarmut, dass Altersarmut im Osten zwar noch
geringer ist als im Westen, die Betonung liegt aber auf
„noch“. Die Entwicklung sieht so aus, dass sich der An-
stieg der Altersarmut im Osten jetzt schon beschleunigt.
Bald ist der Zeitpunkt erreicht – vielleicht ist er jetzt
schon gekommen; die Zahlen sind ja von 2009/2010 –,
dass die Altersarmut im Osten größer als die im Westen
ist. Die Zahl der von Altersarmut Betroffenen im Osten
wird massiv ansteigen, weil immer mehr Menschen in
Rente gehen, die lange Arbeitslosigkeitskarrieren hinter
sich haben.

Ich möchte noch etwas zur Zuschussrente sagen, weil
das ganz wichtig ist und dabei auch ostdeutsche Aspekte
eine Rolle spielen. Der Grundgedanke der Zuschussrente
ist gar nicht so schlecht – es gibt durchaus Ähnlichkeiten
mit der grünen Garantierente –: Ein Mindestniveau für
alle, die lange eingezahlt haben, zu schaffen, ist sicher-
lich richtig, und die Integration in die gesetzliche Ren-
tenversicherung ist ebenfalls richtig. Da darf man durch-
aus sagen: Der Grundgedanke ist richtig.

Es gibt in einem weiteren Punkt eine Übereinstim-
mung mit der Bundesregierung; ich meine die Rente
nach Mindesteinkommen. Dazu hat sich die Regierung
kritisch geäußert. Das sehen wir genauso. Die Rente
nach Mindesteinkommen, wie sie die SPD vorschlägt
und die Linke bis vor kurzem vorgeschlagen hat, ist
nicht tauglich. Sie ist nicht zielgenau, nicht effektiv, weil
eine Aufstockung im Wesentlichen unterhalb des Exis-
tenzminimums stattfindet. Sie ist völlig intransparent.
Weil sie nicht zielgenau ist, ist sie auch noch relativ
teuer – bei schwachen Wirkungen. Diese „Rente nach
Murks“ gehört in die Mottenkiste. Da ist sogar die Zu-
schussrente von von der Leyen besser.

Bei der Zuschussrente ist zwar der Grundgedanke
richtig, aber es ist eine ganz schwache Kopie der grünen
Garantierente. Ich will das in der verbleibenden Zeit bei-
spielhaft an drei Punkten erläutern:

Erstens. Die Hürde von 45 Versicherungsjahren ist
viel zu hoch. Damit erreicht man keinen Menschen, der
von Altersarmut bedroht ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit der von Ihnen vorgenommenen Aufteilung in
35 Jahre und 45 Jahre Beitragszahlung sagen Sie: Kinder-
erziehung ist gut; Bildung und Langzeitarbeitslosigkeit

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(C (D ind schlecht. – Bei der Arbeitslosigkeit unterteilen Sie in ute Arbeitslosigkeit und schlechte Arbeitslosigkeit. Das t eine weitere Stigmatisierung der Langzeitarbeitslosen nd bedeutet eine Spaltung der Gesellschaft. Insbesonere die Menschen im Osten werden nicht verstehen, dass ie diese Zuschussrente wegen Langzeitarbeitslosigkeit öglicherweise nicht erhalten. Da muss dringend nach ebessert werden. Zweitens. Ein weiterer Punkt, der im Rentendialog ine wichtige Rolle gespielt hat, ist, dass die Zuschussnte das Äquivalenzprinzip aufhebt. Es wäre wichtig, afür zu sorgen, dass jemand, der mehr Beiträge zahlt, sgesamt eine höhere Rente bekommt. Man kann sich n Vorbildern im Ausland orientieren, etwa an der Gantierente in Schweden, man kann aber auch nach eutschland selber schauen: Bei Hartz IV gibt es mit em Erwerbstätigenfreibetrag eine ähnliche Lösung. erartiges könnte man bei der Zuschussrente – bei der rünen Garantierente ist es bereits mit enthalten – becksichtigen. Drittens. Insbesondere für den Osten ist wichtig, dass ine Neuregelung auch für die jetzigen Rentnerinnen nd Rentner gilt und nicht erst für die zukünftigen. Es ilt, einen Zusammenhang zu dem Renten-Überleitungsesetz zu sehen. Für uns ist die Garantierente ein Mittel, m zumindest den Ärmsten im Osten zu helfen. Wir saen: Wir können nicht in jedem Einzelfall Ungerechtigeiten abbauen. Aber uns ist wichtig, dass diejenigen, ie eine geringe Rente haben, durch die grüne Garantiente geschützt werden. Herr Strengmann-Kuhn. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715005700
Wir Grünen werden nicht nachlassen und werden

eiter Druck machen für ein einheitliches Rentenrecht
Ost und West und für einen besseren Schutz vor Al-
rsarmut, der in Ostdeutschland besonders wichtig ist.

Ich hoffe, dass Sie von den Koalitionsfraktionen und
er Regierung unsere Vorschläge mit in die nächsten
ochen nehmen, noch einmal darüber nachdenken und

ielleicht im nächsten Jahr aktiv werden. Die Hoffnung
tirbt ja bekanntlich zuletzt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715005800

Die Kollegin Maria Michalk hat jetzt das Wort für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1715005900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

s geht in dieser Debatte um ein geschichtsträchtiges
hema, ein Thema, das die Menschen immer wieder be-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18025

Maria Michalk


(A) )


)(B)

rührt. Dass es ein sehr, sehr komplexes Thema ist, hat
die bisherige Debatte schon gezeigt. Das belegen auch
die vier Vorlagen, die Grundlage der heutigen Debatte
sind und die quasi wie vier Adventskerzen auf dem Ad-
ventskranz stehen, der für mich symbolisch für den Ren-
tenangleichungsprozess der letzten 20 Jahre steht.

Unsere heutige Aussprache über die Antwort der
Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD zu
„Zwanzig Jahre Rentenüberleitung“ bietet eine gute Ge-
legenheit – dafür bin ich auch dankbar –, sich zu fragen,
ob das Ziel der Rentenüberleitung erreicht wurde, ob
hier alles gelungen ist und ob das auf dem richtigen
Wege ist.

Zum einen haben wir damals uns alle, übrigens frak-
tionsübergreifend, das politische Ziel gesetzt, einen
nachvollziehbaren und verlässlichen Rahmen für die
Überführung der DDR-Renten in ein total anderes Sys-
tem zu schaffen und diesen Prozess so zu gestalten, dass
es denjenigen, die damals schon Rente bezogen, also den
sogenannten Bestandsrentnern, besser geht. Dieses Ziel
ist erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zum anderen musste ein völlig unterschiedliches
Lohnniveau in Ost und West bei der gesetzlichen Alters-
sicherung ausgeglichen werden.

Heute reflektieren wir die Frage, ob die Zusammen-
führung von zwei unterschiedlichen Rentensystemen in
Ost und West richtig angegangen wurde und ob sich der
eingeschlagene Weg bewährt hat.

Werfen wir doch einmal ganz nüchtern einen Blick in
die Geschichte. Als wir am 1. Juli 1990 die Wirtschafts-,
Währungs- und Sozialunion einführten, lagen die Renten
im Osten bei 672 D-Mark. Einen Tag zuvor, am 30. Juni,
lagen sie knapp über 400 D-Mark. Es fand also schon da
eine Angleichung statt. Eine Meisterleistung! In den al-
ten Bundesländern hingegen lag die monatliche Eckrente
bei 1 667 D-Mark. Die Ostrenten hatten also zum 1. Juli
1990 ein Niveau von 40,3 Prozent des Rentenwertes in
der gesetzlichen Rentenversicherung.

In der heutigen Debatte wurde vergessen, zu erwäh-
nen – jedenfalls hat es bis jetzt noch niemand gesagt –,
dass wir vereinbart hatten, bis zum 1. Juli 1993 jeweils
halbjährlich Anpassungen vorzunehmen:


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


zweimal um 15 Prozent, dann um 11,65 Prozent, um
12,73 Prozent, um 6,1 Prozent und um 14,12 Prozent.
Das sind enorme Steigerungsraten gewesen. Es reichte ja
nicht, das nur politisch zu beschließen, sondern das
musste auch ausfinanziert werden. Nach all diesen An-
passungsschritten hatte die Eckrente am 1. Juli 1993 im
Osten einen Verhältniswert von 72,3 Prozent gegenüber
den Westrenten erreicht. Ist das nicht eine Meisterleis-
tung?!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


2008 lag das Rentenniveau Ost bei 88,1 Prozent, ak-
tuell liegt es bei 88,7 Prozent. Wir wissen, dass prognos-

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(C (D ziert wird, dass nach den aktuellen Rentenanpassungen st 90 Prozent erreicht werden – wenn die 90-Prozentarke nicht sogar ganz erreicht wird. Niemand kommt n der positiven Feststellung vorbei: Einen deutlicheren eweis für die gemeinsame innere Solidarität hat es och nie in unserem Land gegeben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Und nirgendwo sonst!)


Vergessen wir nicht: Diese rasche Angleichung in den
rsten Jahren nach der deutschen Einheit ist auch Aus-
ruck wirtschaftlicher Stärke unseres Landes, damals wie
eute. Sonst wäre das finanziell gar nicht möglich gewe-
en. Eine ganze Monatsrente ist aus der Rentenreserve für
ie Finanzierung dieser Angleichungen im Zuge der deut-
chen Einheit genommen worden. Hätte die Reserve da-
als nicht 3,5 Monatsraten betragen, wäre das gar nicht
öglich gewesen. Auch das ist Ausdruck einer ausge-

eichneten politischen Entscheidung der Regierung
elmut Kohl. Für diese Entscheidung sind wir noch heute

ehr, sehr dankbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Sie hätten die deutsche Einheit besser aus Steuern finanzieren sollen und nicht von den Beitragszahlern!)


Aufgrund der schwächeren Lohnentwicklung im Os-
n – da sind wir uns einig – hat sich dieser Prozess in
en Folgejahren tatsächlich verlangsamt, und die Men-
chen fragen sich: Wann kommt denn nun endlich die
bsolute Angleichung? Sie von der Opposition haben
vielleicht sind wir daran auch selber ein wenig schuld;

uf alle Fälle hat die Linke es immer forciert – immer
en Eindruck bundesweit verstärkt, dass jede Anglei-
hung für jeden persönlich automatisch mit einer höhe-
n Rentenauszahlung verbunden sein muss. Die heuti-

en Redebeiträge haben aber gezeigt, wie differenziert
as zu sehen ist und dass das in der Tat niemals so eintre-
n kann.

Wir haben die politische Prämisse gesetzt: Wie auch
mer in Zukunft gerechnet, verändert und entschieden

ird, es darf zu keiner Verschlechterung der Situation
r die Bestandsrentner in den neuen Bundesländern

ommen. Dafür setzen wir uns ein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die jetzige Regelung – so wie sie angelegt ist – si-
hert zwar einen langsamen, aber kontinuierlichen An-
leichungsprozess. Das ist nicht von der Hand zu wei-
en.


(Iris Gleicke [SPD]: Das stagniert seit zehn Jahren!)


edenfalls ist das nicht schlecht.

Wir müssen außerdem im Hinblick auf die Zukunft
afür sorgen, dass die Angehörigen der heutigen renten-
ahen Jahrgänge – da sind wir uns total einig –, die un-
erschuldet viele Jahre lang arbeitslos waren und damit
in niedrigeres Rentenniveau zu erwarten haben, in je-
em Fall besser als diejenigen Schwestern und Brüder

18026 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Maria Michalk


(A) )


)(B)

gestellt werden, die freiwillig und ganz bewusst keine
Arbeit aufgenommen haben. Geleistete Arbeit muss sich
auch in Zukunft beim persönlichen Rentenniveau aus-
zahlen. Das ist – auch in der aktuellen Diskussion zum
Rentendialog – die Herausforderung.

Vergessen wir nicht: Nach wie vor ist es so, dass die
Beitragseinnahmen in den neuen Bundesländern nicht
die Rentenausgaben decken. Es gibt also nach wie vor
einen enormen Leistungstransfer. Das ist ein weiterer
Beweis für die anhaltende Solidarität in unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es liegen viele Veränderungsvorschläge vor, die sehr
differenziert und widersprüchlich sind – sie werden von
den Fraktionen unterschiedlich bewertet –, von Sachver-
ständigen, Kommissionen, Parteien und Gewerkschaf-
ten. In der Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der SPD ist darauf auch eingegangen worden.
Bisher hat jede Regierung bekräftigt, dass es keine kurz-
fristige Lösung geben kann, die nicht neue Ungerechtig-
keiten schafft.

Letztendlich ist festzustellen, dass dem 1992 gewähl-
ten Weg eine ausgewogene, optimal-solidarische, zu-
kunftsgerechte Programmatik zugrunde liegt, die nicht
ohne Not – jedenfalls so lange nicht, bis man auch mit
den Ländern einen einvernehmlichen und besseren Weg
gefunden hat – aufgegeben werden sollte. Diesen Weg
gibt es bisher noch nicht.

Man muss sich zum Beispiel, wenn man optimiert
– das ist heute schon gesagt worden –, auch fragen:
Wann soll die Hochwertung der Löhne aufhören? Soll
das geschehen, wenn die Branchen für den Osten im
Rahmen ihrer Tarifabschlüsse eine vollständige Anglei-
chung erreicht haben? Wann soll der Stichtag sein? Und
so weiter.

Ich will ganz genau erklären – das ist heute noch nicht
gesagt worden –, warum ich das nicht ohne Not aufge-
ben möchte: In unserer Formel gibt es eine Schutzklau-
sel, nach der in den Jahren, in denen die Lohnentwick-
lung nicht so erfreulich ist – das gab es in den letzten
Jahren –, die Renten im Osten mindestens so steigen wie
im Westen. Diesen Schutzmechanismus können Sie doch
nicht ernsthaft gefährden wollen. Das kann nicht sein.
Ich finde, dass das System, ehrlich gesagt, wirklich ge-
nial ist. Die Lohnbezogenheit ist gerecht und systemim-
manent.

Ich weise auch darauf hin, dass wir die Meisterleistung
hinbekommen haben, 27 Zusatzversorgungssysteme, 5 Son-
derversorgungssysteme und die lohnbezogene bzw. bei-
tragsbezogene gesetzliche Rentenversicherung der DDR
in ein Rentensystem zu überführen.

Es gab außerdem die Auffüllbeträge; auch das gehört
zur Geschichte. Für die Stasibeschäftigten, die in den
Sondersystemen waren und privilegierte Einkommen
hatten – sie haben sich hier und da eingeklagt –, hat das
Bundessozialgericht in dieser Woche Gott sei Dank noch
einmal bestätigt, –

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(C (D Frau Kollegin! – dass die Deckelung der Renten nach dem Durch chnittsverdienst eines DDR-Bürgers nicht zu beanstanen ist. Es gibt also viele Punkte, die wir noch weiter diskueren werden. Viel ist bereits getan worden. Wir nehmen ber die Aufgabe mit ins neue Jahr. (Zuruf von der LINKEN: Das machen Sie jedes Jahr!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715006000
Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1715006100

h wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715006200

Die Kollegin Silvia Schmidt hat jetzt das Wort für die

raktion der SPD.


(Beifall bei der SPD)



Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1715006300

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ehr verehrte Frau Michalk, Sie haben völlig recht: Es
t eine großartige Leistung gewesen – eine historische
eistung –, die wir da vollbracht haben. Zur Tatsache,
ass dieser Solidartransfer immer noch stattfindet: Ich
laube, dass das die Rentner in den neuen Bundeslän-
ern durchaus wissen und dafür dankbar sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Auf der anderen Seite – das haben wir ja in unseren
nträgen geschrieben – gibt es durch das Renten-Über-
itungsgesetz durchaus neue Ungerechtigkeiten, auf die
h eingehen möchte.

Sehr geehrter Herr Fuchtel, Sie haben vorhin gesagt:
ir sind jetzt zwei Jahre an der Regierung. – Wir haben

inmal gemeinsam regiert. Olaf Scholz hat damals den
ändern – sprich: den CDU-Ländern –


(Iris Gleicke [SPD]: So ist es! Herr Fuchtel, hören Sie mal zu!)


inen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Der wurde
amals von den CDU-Ländern einfach abgelehnt. Das
uss man auch zur Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der SPD – Iris Gleicke [SPD]: Genau das! Das ist die Wahrheit!)


Der Minister Sellering und der Minister Böhmer ha-
en ebenfalls Anträge in den Bundesrat eingebracht;
uch das muss man zur Kenntnis nehmen. Das waren
ute Anträge. Auch diese Anträge wurden dort abge-
hnt.

Zur Großen Anfrage will ich weiter nichts sagen. Wir
ennen die Antworten im Grunde alle; das wissen wir

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18027

Silvia Schmidt (Eisleben)



(A) )


)(B)

schon seit mehreren Jahren. Das Ganze ist eine Zusam-
menfassung – aber das war es dann auch.

Herr Strengmann-Kuhn, Sie haben gefragt, wieso die
Länder mit ins Boot sollen. Darauf werde ich später kurz
eingehen. Ich zum Beispiel war Mitarbeiterin im medizi-
nischen Bereich, das heißt, ich war Angehörige des öf-
fentlichen Dienstes. Mit Blick auf den öffentlichen
Dienst sind die Länder verpflichtet, ihren Anteil zu leis-
ten, unter anderem für das mittlere medizinische Perso-
nal.

Eine weitere Anmerkung. Es wurden bereits die
Flüchtlinge aus der DDR bzw. die Altübersiedler ange-
sprochen. Ich möchte daran erinnern, dass wir im Aus-
schuss – ich habe die Drucksache jetzt nicht im Kopf;
Ottmar Schreiner hat das vorgetragen – dazu einen An-
trag mit vorbereitet haben. Dieser Antrag wurde von den
Regierungsfraktionen abgelehnt. Auch da haben wir
schon Vorschläge gemacht.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe gesagt, dass das ein gemeinsamer Vorschlag war!)


Sie kritisieren, dass die Tarife in Ost und West unter-
schiedlich sind; hier möchte ich nur die Pflegeberufe an-
sprechen: 8,50 Euro und dagegen 7,50 Euro. Sie haben
aber dabei einen Punkt außer Acht gelassen: Selbst wenn
man im Osten dasselbe verdient wie im Westen, muss
man in den neuen Bundesländern dafür länger arbeiten.
Das ist ein weiterer wesentlicher Punkt.

Der Kollege Strengmann-Kuhn hat gestern in der
Debatte über die Rente mit 67 richtig gesagt: Es muss
mehr Ehrlichkeit in die Politik hinein. Vor allem brau-
chen die Menschen ein langfristiges Vertrauen. Dafür
müssen wir sorgen. – Das ist richtig.

Das erwarten auch die Rentnerinnen und Rentner in
den neuen Bundesländern. Diese Ehrlichkeit gehört ein-
fach dazu. Das ist für uns alle eine ernsthafte und sehr
schwierige Aufgabe – das ist uns durchaus bewusst. Wir
von der SPD-Fraktion wollen uns dieser Aufgabe stellen
und die ersten Schritte in diese Richtung gehen.


(Beifall bei der SPD)


Ich erinnere noch einmal daran: Das Angleichungsge-
bot von Art. 30 Abs. 5 Satz 3 des Einigungsvertrages gilt
für uns alle. Es ist schon von mehreren Rednern erwähnt
worden: Gerade in den letzten Jahren ist die Anglei-
chung der Löhne und Gehälter zum Stillstand gekom-
men. Das sind die neuen Grundlagen, mit denen wir es
zu tun haben. Wir wissen das alle. Wir wissen auch, dass
das Lohnniveau im Osten und im Westen immer noch
unterschiedlich ist. Wir wissen auch, dass im Osten im-
mer noch 40 Prozent im Niedriglohnbereich tätig sind
und sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen befin-
den. Das heißt, die fehlende Tarifanbindung in den
neuen Bundesländern ist immer noch ein schweres Pro-
blem. Wir müssen jetzt weitere Schritte tun, um die Er-
reichung des Ziels der Angleichung zwischen Ost und
West voranzutreiben und den Einigungsvertrag zu erfül-
len.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D arauf warten die Menschen jetzt bereits seit über 0 Jahren. Wir führen nachher die Debatte zum Stand er deutschen Einheit. Ich glaube, da wird noch einmal arauf eingegangen. Wie gesagt: Wir haben für die Rentenüberleitung das este getan – darauf können alle in diesem Haus stolz ein –, aber es sind durchaus soziale Härten entstanden. s geht uns, den Sozialdemokraten, nicht darum, die Priilegien des ehemaligen staatsund parteinahen Persoals wieder einzuführen. Es geht um die sozialen Härten, ie es abzufedern gilt. Lassen Sie mich in dieser vorweihnachtlichen Runde in paar Beispiele nennen; ich weiß, dass viele Abgeordete manchmal nicht die Zeit haben, sich damit auseinnderzusetzen: Da gibt es die 77-jährige ehemalige Krankenschwesr mit einer Rente von 700 Euro, am Rande der Grund icherung. Sie hat ihr ganzes Leben hart gearbeitet und t von den Folgen der deutschen Einheit enttäuscht. Wir issen, dass der Steigerungssatz von 1,5 Prozent hier icht berücksichtigt ist. Wir alle wissen auch: Es gibt usreichend Urteile dazu; das ist uns bewusst. Zudem gibt es den Wissenschaftler. Im Vergleich zu enen, die sofort nach der Einheit pensioniert wurden, nd denen, die in den alten Bundesländern einen ähnlihen Karriereverlauf hatten, hat er heute monatlich bis u 500 Euro weniger Rente. Ist das gerecht? Ich denke: ein, das ist nicht gerecht. Hier geht es um eine Gerechgkeitsfrage. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


an kann sie nur außerhalb des Rentenrechts lösen.

Auch die Beschäftigten der Braunkohlenveredlung
spenhain – bei Halle – sind zu nennen.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Leipzig!)


ie hatten großes Vertrauen in die Fürsorge des Staates.
ie mussten unter unglaublichen Arbeitsbedingungen ar-
eiten und große Gesundheitsschädigungen in Kauf neh-
en. Eine abschlagsfreie Bergmannsrente ist seit 1996

icht mehr möglich. Immerhin werden den ehemaligen
eschäftigten der stillgelegten Betriebsteile der DDR-
arbochemie nun von der Bundesknappschaft Berg-
annrenten mit geringem Abschlag gezahlt. Es bleibt
eiter die Frage, warum es keine Gleichstellung der
ergleute unter Tage gegeben hat oder geben kann.
eine Kollegen Anton Schaaf und Wolfgang Tiefensee
hren mit den Betroffenen und der Bundesknappschaft

ute Gespräche. Auch hier steht die Politik in der Pflicht,
u handeln.

Ferner gibt es die Diplomchemiker und -physiker. Sie
urden einfach aus dem Geltungsbereich der Alters-
ersorgung für die technische Intelligenz herausgehal-
n, weil man die Bestimmungen dem Wortlaut nach

usgelegt hat, ohne die Praxis in den Betrieben zu be-
cksichtigen.

18028 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Silvia Schmidt (Eisleben)



(A) )


)(B)

Und da gibt es den ehemaligen Abteilungsleiter der
DDR-Chemiebetriebe aus Halle, der in seiner Abteilung
mit Ingenieuren zusammengearbeitet hat. Die Ingenieure
hatten keine Versorgungszusage, aber erhalten heute
trotzdem die Rente für die technische Intelligenz. Der
ehemalige Abteilungsleiter – schon zu DDR-Zeiten ein
Sozialdemokrat, der sich gegen die Diktatur gewehrt hat –
erhält diese Rente nicht. Ich muss sagen: Seine Rente ist
für einen Akademiker mit 835 Euro netto relativ gering;
die Ingenieure mit Fachschulabschluss erhalten deutlich
mehr. Das kann es nicht sein. Der ehemalige Abteilungs-
leiter erwartet keinen Revolutionsbonus; er erwartet Ge-
rechtigkeit. Das ist ein Punkt, mit dem wir uns beschäfti-
gen müssen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Vielleicht noch ein Beispiel: die mithelfenden Famili-
enangehörigen in den landwirtschaftlichen Betrieben;
das sind die Unternehmen, die noch ziemlich lange
selbstständig waren. Da gibt es die unterschiedlichsten
Fälle. So erhält eine ältere Frau, die einen schweren Dia-
betes hat und deren Bein amputiert worden ist, 100 Euro
Rente. Sie hat keinen Anspruch auf Grundsicherung, da
sie ein Eigenheim hat. Leider steht das Eigenheim im
Osten, in einer ländlichen Region; die Frau wird es nicht
los. Sie lebt vom Pflegegeld und von diesen 100 Euro.
Das kann es nicht sein; das nenne ich soziale Härte. Hier
sollen und müssen wir reagieren. Das ist keine Anerken-
nung der Lebensleistung; eine Anerkennung sähe anders
aus. Die Betroffenen erwarten jedoch eine Anerkennung.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Leider kann ich aus zeitlichen Gründen nicht darauf
eingehen, was der Bundesrechnungshof gesagt hat. Ich
warne davor, die Diskussion nach dem Motto zu führen:
Später gibt es mal höhere Renten. Die Menschen im Os-
ten erleben die Diskussion hier im Deutschen Bundestag
und auch in der Presse als Hohn; denn die Rente ist das
einzige Einkommen der Rentnerinnen und Rentner in
den neuen Bundesländern. Sie haben keine zusätzlichen
Einkommen.


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Richtig!)


Ich bitte Sie, das immer wieder zu bedenken.

Es ist das Ziel der SPD, die Situation zu verbessern.
Deswegen haben wir unsere Anträge eingebracht, etwa
den, in dem wir die Einsetzung einer Bund-Länder-Ar-
beitsgruppe fordern. Denn auch die Länder müssen ein-
bezogen werden; nur so können Kriterien entwickelt
werden. Wir brauchen eine konkrete Datenlage. Das ist
eine Grundvoraussetzung. In unserer Großen Anfrage
haben wir bereits nachgefragt. Antworten gab es keine,
Zahlen auch nicht. Da muss man also noch einmal ganz
genau hinschauen.

Ich komme zu meiner letzten Anmerkung. Die Zu-
schussrente wurde immer wieder angesprochen. Ich
kann nur sagen: Das wollen wir mit unserem Härtefall-
fonds natürlich nicht. Eine Zuschussrente bei 35 Bei-
tragsjahren bzw. 45 Pflichtversicherungsjahren und einer
privaten Vorsorge – ich kann mir nicht vorstellen, dass

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(C (D mand so lange gearbeitet hat und keine ausreichende ente hat. Frau Kollegin Schmidt. Ja, einen kleinen Moment. – Wer eine ausreichende ente hat, braucht nicht unbedingt eine Zuschussrente. as sind Almosen. Das finde ich generell unanständig. Ich bedanke mich, wünsche Ihnen ein frohes Weihachtsfest und vor allen Dingen einen guten Rutsch in as neue Jahr. Ich freue mich auf Sie. Danke. Miriam Gruß hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715006400
Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1715006500

(Beifall bei der SPD)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715006600


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1715006700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Es ist mehrfach schon gesagt worden: Es besteht
andlungsbedarf, und es ist 20 Jahre nach der Wieder-
ereinigung an der Zeit, die deutsche Einheit nun auch

Rentenrecht zu vollziehen. Die jetzige Situation ist
in Überbleibsel im Sozialrecht, das noch an die Teilung
eutschlands erinnert. Aber wir leben in einer Gesell-

chaft. Es ist deswegen notwendig, dass Ungerechtigkei-
n beseitigt werden und gleiches Recht für alle gilt, un-

bhängig davon, in welchem Teil des Landes man lebt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Unterschiede in der Rentenberechnung stoßen bei
en Menschen – in Ost wie in West – immer häufiger auf
nverständnis. Nach der gegenwärtigen Rechtslage
ürden noch auf unabsehbare Zeit unterschiedliche Ren-
nsysteme in Ost und West bestehen. Das war aber nie
as Ziel, das kann es auch heute nicht sein; denn diese
rennung ist mittlerweile willkürlich, da es sowohl in
en neuen als auch in den alten Bundesländern Hoch-
nd Niedriglohngebiete gibt. Es stößt bei den Bürgerin-
en und Bürgern auf Unverständnis, wenn aus demsel-
en in einem Erwerbsleben erzielten Einkommen unter-
chiedlich hohe Renten resultieren, je nachdem, ob man

Osten oder im Westen Deutschlands lebt.

Die Förderung eines bestimmten Gebiets innerhalb
nseres Landes ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Für
ns ist die Frage einer Rentenangleichung deshalb nicht
allererster Linie die Frage von Ost und West, sondern

ine Frage der Gerechtigkeit insgesamt. Hier gilt es, die
st-West-Brille abzusetzen und im Sinne der Bürgerin-
en und Bürger zu einem neuen, gemeinsamen Ansatz
u kommen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18029

Miriam Gruß


(A) )


)(B)


(Beifall bei der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Das ist der Abschied von der Angleichung der Lebensverhältnisse!)


Dazu haben wir Liberale einen konkreten Vorschlag, den
auch der Sachverständigenrat unterstützt.


(Pascal Kober [FDP]: So ist es!)


Ziel eines einheitlichen Rentenrechts muss sein, dass
die Renten auf vergleichbaren Werten beruhen. Wir wol-
len eine Vereinheitlichung des Rentenrechts in Deutsch-
land mit einem einheitlichen Rentenwert, einheitlichen
Entgeltpunkten und einheitlicher Beitragsbemessungs-
grenze.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Wann?)


Zu einem bestimmten Stichtag würden sich nach unse-
rem Vorschlag alle Renten entsprechend der Entwick-
lung eines einheitlichen Rentenwertes anpassen. Alle zu
diesem Stichtag der Umstellung bestehenden Rentenan-
sprüche bzw. Anwartschaften in Ost und West bleiben in
ihrem Wert erhalten.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist unser Vorschlag! Aber wann?)


Jeder Euro Rentenbeitrag bringt dann ab dem Stichtag
im gesamten Bundesgebiet den gleichen Rechtsanspruch.
Die jährlichen Rentenanpassungen fallen dann in Ost
wie in West gleich hoch aus. Gleiches Rentenrecht für
alle ist ein wesentlicher Beitrag zur Überwindung noch
bestehender trennender Elemente zwischen den Bürge-
rinnen und Bürgern im Osten und Westen unseres Lan-
des.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum macht ihr das dann nicht?)


Mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es nun
höchste Zeit, uns für die wirkliche Vollendung der deut-
schen Einheit einzusetzen. Wir als FDP-Fraktion bleiben
am Ball.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715006800

Jetzt spricht Matthias Birkwald für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715006900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der

Angleichung der ostdeutschen Renten auf das Westni-
veau folgt die Linke zwei Grundsätzen:

Erstens. Gleiche Rente für gleiche Lebensleistung.

Zweitens. Bei der Angleichung der ostdeutschen Ren-
ten auf das Westniveau geht es um Leistungsgerechtig-
keit und nicht um Almosen.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Von Gerechtigkeit kann bisher keine Rede sein. Auch 1 Jahre nach der Einheit erhalten Ostdeutsche nach 5 Jahren Arbeit mit einem durchschnittlichen Verdienst napp 140 Euro weniger Rente als Westdeutsche. Das arf nicht so bleiben. Damit muss endlich Schluss sein. (Beifall bei der LINKEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Was haben Sie da für eine komische Rechnung aufgemacht?)


Nicht nur diese Bundesregierung, sondern alle Bun-
esregierungen in den vergangenen 20 Jahren haben nur
ine Hinhaltepolitik gegenüber den ostdeutschen Rent-
erinnen und Rentnern betrieben. CDU, CSU und FDP
aben in ihrem Koalitionsvertrag eine Regelung noch in
ieser Wahlperiode versprochen. Das steht auf Seite 84.

März des vergangenen Jahres hat der CDU-Bundes-
usschuss dieses Versprechen wieder einkassiert. Wei-
re eineinhalb Jahre später, im Oktober dieses Jahres,

rdreistete sich die Bundesregierung, auf die Große An-
age der SPD zu antworten – ich zitiere –:

Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.

it vermeintlicher Gründlichkeit können Sie, meine Da-
en und Herren von den Regierungsfraktionen, das

icht mehr erklären.

In der Sächsischen Zeitung von heute steht:

Ostbeauftragter will Rentenangleichung verschie-
ben.

h zitiere:

Die Bundesregierung will offenbar ihr Vorhaben
aus dem Koalitionsvertrag aufgeben, noch bis 2013
ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein-
zuführen.


(Iris Gleicke [SPD]: Hört! Hört!)


Ihr Ostbeauftragter, Christoph Bergner (CDU), will
nach SZ-Informationen heute im Bundestag dafür
plädieren, in dieser Wahlperiode keine Eingriffe in
das Rentenrecht vorzunehmen.
Das jetzige System habe sich bewährt, kein Alter-
nativmodell sei überzeugend, heißt es in Bergners
Umgebung.

Herr Staatssekretär, sagen Sie doch bitte einmal in
ieser Debatte und nicht in der folgenden etwas zu die-
em Thema.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


ie können es auch gleich zugeben: In dieser Wahlpe-
ode wird es nichts mehr mit der Rentenangleichung.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung! Die Wahlperiode ist noch nicht zu Ende!)


ie wollen die Menschen in Ostdeutschland schlicht und
infach für dumm verkaufen. Das ist nicht nur arrogant,
as ist ein vereinigungspolitischer Skandal.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maria Michalk 18030 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 Matthias W. Birkwald )


(A) )

[CDU/CSU]: Das müssen gerade Sie sagen!
Schämen Sie sich!)

Meine Damen und Herren von Union und FDP, es ist
keineswegs so, dass sich die rentenpolitische Ungerech-
tigkeit von allein verflüchtigte, weil sich, wie von un-
sichtbarer Hand geleitet, die Löhne und Gehälter im
Osten an die im Westen anglichen. Das gibt die Bundes-
regierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage selbst
unumwunden zu. Ich zitiere:

In welchem zeitlichen Rahmen sich die Einkom-
mensverhältnisse in den neuen Ländern an die Ein-
kommensverhältnisse in den alten Ländern anglei-
chen, kann heute nicht verlässlich bestimmt werden.

Sie wissen also, was Sache ist.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir können es nicht festlegen, wie früher die SED-Regierung, die die Löhne festgelegt hat!)


Trotzdem tun Sie nichts. Sie setzen faktisch auf eine bio-
logische Lösung und darauf, dass sich die Betroffenen in
Ostdeutschland aufgrund ihres hohen Alters bald nicht
mehr werden wehren können.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Wir führen doch nicht die Tarifverhandlungen! Dummes Geschwätz!)


Mit Verlaub, meine Damen und Herren von CDU und
CSU, das ist alles, nur nicht christlich.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie missachten damit die Würde der Ostdeutschen. Hö-
ren Sie endlich auf, Ihre anhaltende Feindseligkeit ge-
genüber der verblichenen DDR an den heutigen Rentne-
rinnen und Rentnern auszulassen. Das ist doch schäbig.


(Beifall bei der LINKEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen! – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Jetzt wird es aber unverschämt! Was soll denn das? – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Die Nachfolgepartei der SED, die die Rentner mit billigsten Minirenten abgespeist hat, redet so!)


Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten,
Sie fordern mit Ihrem Antrag für einige wenige versiche-
rungsrechtliche Zeiten eine Angleichung an das Westni-
veau. Sicher, Kindererziehungszeiten, die Pflege von
Angehörigen, Wehr- und Zivildienst und die Beschäfti-
gung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung
in Ost und West im Rentensystem einheitlich zu behan-
deln, ist völlig richtig; aber es ist alles andere als ausrei-
chend. Die Verkäuferin, der Fließbandarbeiter oder Kö-
chinnen und Köche zum Beispiel haben für ihre Arbeit
in Halle, Suhl und Dresden dieselbe Gleichbehandlung
verdient.


(Beifall bei der LINKEN – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben in der DDR schon sehr wenig verdient!)


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(C (D arum will die Linke eine Angleichung für alle. Deshalb uss die Angleichung der Ostrenten aus Sicht der Lin en ein zentrales Thema einer entsprechenden Bundänder-Arbeitsgruppe zur Rentenüberleitung sein. Meine Damen und Herren, aus Sicht der Linken muss ine Ost-West-Angleichung bei den Renten drei zentrale edingungen erfüllen: Erstens. Sie muss eine deutliche materielle Verbesseng für alle heutigen Rentnerinnen und Rentner zwi chen Rügen und dem Vogtland bringen. Zweitens. Die Umrechnung und die Hochwertung der stlöhne und -gehälter auf das Westniveau müssen beiehalten werden; das ist sehr wichtig. Drittens brauchen wir die Angleichung möglichst chnell. Wir Linke wollen gemeinsam mit Verdi, der olkssolidarität, dem Sozialverband Deutschland sowie eiteren Verbänden und Gewerkschaften, – Herr Kollege! – dass die Angleichung bis 2016 abgeschlossen wird. Herr Kollege! Das erreichen wir mit einem steuerfinanzierten und tufenweise steigenden Zuschlag. Es hilft nichts, Herr Kollege. Ihre Redezeit ist zu nde. Denn es gilt: Der Rentner in Magdeburg ist nicht we iger wert als die Rentnerin im westfälischen Münster. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715007000
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715007100
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715007200
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715007300

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715007400
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715007500


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715007600

Eckhardt Rehberg hat jetzt das Wort für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1715007700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abge-

rdneten! Herr Birkwald, Sie haben sich schon gestern
isqualifiziert, als Sie suggeriert haben – leider sind
ournalisten darauf hereingefallen –, dass eine Tabelle
r über 65-jährige Männer mit 35 Versicherungsjahren –
enn Sie sich alle Tabellen für Ost und West anschauen,
ann stellen Sie fest, dass es immer Sprünge beim Ren-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18031

Eckhardt Rehberg


(A) )


)(B)

tenwegfallalter gegeben hat – etwas mit der Lebenser-
wartung zu tun hat. Dies hat nichts, aber auch gar nichts
mit der Lebenserwartung zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Einer der großen Erfolge der deutschen Einheit ist, dass
in zwei Jahrzehnten die Lebenserwartung von Männern
und Frauen im Osten um sechs Jahre gestiegen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Einige haben hier gesagt, die Rentner im Osten müss-
ten genau so viel wert sein wie die Rentner im Westen.
Aber das Entscheidende ist nicht die Eckrente, sondern,
was bei den Rentnerinnen und Rentnern im Portemon-
naie ankommt. Seite 18 der Antwort der Bundesregie-
rung auf die Große Anfrage der SPD ist zu entnehmen,
dass 80 Prozent der Ehepaare aus den alten Ländern und
78 Prozent der Ehepaare in den neuen Ländern eine
Rente von 1 500 bis 3 000 Euro beziehen. Das heißt, das,
was wir seit 1990 machen und vereinbart haben, trägt
und kommt im Portemonnaie der Rentnerinnen und
Rentner an. Das ist das Entscheidende.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715007800

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Birkwald zulassen?


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1715007900

Nein.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist aber disqualifizierend jetzt!)


Herr Kollege Birkwald, ich habe heute viel Zeit. Wenn
Sie heute auch um 15 bzw. 16 Uhr noch hier im Plenum
sitzen, dann herzlich gerne, aber sonst nicht.

Eine weitere Anmerkung zu Ihren Ausführungen,
Herr Birkwald. Ich habe eben die Durchschnittsbeträge
genannt, die fast 80 Prozent der Ehepaare erhalten. Bei
den Renten für alleinstehende Männer und Frauen im
unteren Bereich gibt es übrigens keine Kluft zwischen
Ost und West. Meine Großmutter hat 1983 in der DDR
eine Mindestrente in Höhe von 270 DDR-Mark bekom-
men. Herr Birkwald, Sie haben offenbar nicht erlebt, wie
auf irgendwelchen Parteitagen in der DDR Almosen ver-
teilt wurden. Heute können die Rentnerinnen und Rent-
ner sicher sein, am Wohlstand und am wirtschaftlichen
Erfolg zu partizipieren. Zu DDR-Zeiten waren sie auf
Almosen der SED angewiesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN: Sie müssen aber auch sagen, wie hoch die Mieten waren!)


Ich finde es sehr erfreulich, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, dass wir uns in einem Punkt einig
sind. Frau Gleicke, wenn ich Sie richtig verstanden habe,
dann sind Sie der Meinung, dass die Höherbewertung
wegfallen muss, wenn es einen einheitlichen Rechtskreis
Rente Ost/West gibt. Sie haben aber nicht die Frage be-
antwortet, wie man zu einem gesamtdeutschen Renten-
wert kommt. Wenn man die vier Grundrechenarten der

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(C (D athematik anwendet und aus dem Rentenwert Ost und em Rentenwert West einen einheitlichen Wert macht, ann stellt man fest, dass der Rentenwert West sinken üsste. Das kann nicht sein. Gerade wir, die beiden gro en Volksparteien, können uns das politisch nicht leisten. in neuer gesamtdeutscher Rentenwert muss dem aktueln Rentenwert West entsprechen. Eine andere politische ösung wird es nicht geben. Man darf diese Debatte icht separatistisch führen und nur Ostdeutschland im lick haben. Man muss es gesamtdeutsch lösen. Ein nächstes Thema. Die Ministerpräsidenten der Läner und einige Sozialministerinnen wie Frau Schwesig ind an dieser Stelle schon wichtig. Sie aber kommen daer, schlaumeiern herum und suggerieren den Leuten, die entenangleichung könne kommen, obwohl im Koalionsvertrag von Schwerin steht, dass die ganze Operaon vollzogen werden müsse, ohne dass einer benachteigt wird. Bei den Kautelen Rentenangleichung Ost/West, derelbe Rentenwert und Höherbewertung vergessen viele olgendes – das muss man einmal sagen –: Die heutigen rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Osten werden evorteilt. Betrachten Sie zum Beispiel den branchenbeogenen Mindestlohn in der Zeitarbeit, der im Augenlick bei 7,01 Euro liegt. Wenn der mit 14,7 Prozent höergewertet wird, dann kommt man auf 8,04 Euro und amit über den branchenbezogenen Mindestlohn West on 7,89 Euro, zahlt aber nur auf 7,01 Euro den Renteneitrag, obwohl man später eine höhere Leistung erhält. In dieser gesamtdeutschen Rentendebatte muss man irerweise auch noch sagen, dass aktuell 14 Milliarden uro an Beiträgen von West nach Ost transferiert weren. All dies muss ich gemeinsam betrachten, wenn ich ich diesem Problem nähern will und nicht nur im Osn – zwischen Rostock und Aue –, sondern auch im esten – zwischen Flensburg und München – keinen be achteiligen will. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Diese Operation ist nicht so einfach, wie manche mei-
en. Kollege Strengmann-Kuhn, man kann über Ihren
nsatz durchaus diskutieren.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Annäherung!)


Natürlich, das ist richtig. Es gibt aber auch einen ande-
n Ansatz, den man zum Beispiel nehmen könnte. Wir

ehen, dass das System mit der Höherbewertung der
öhne von 1990 nicht nur in den 90er-Jahren sehr erfolg-
ich war. Wir sind im Augenblick bei 14,7 Prozent; wir
aren letztes Jahr bei fast 19 Prozent. Wir werden mit der

rwarteten Rentenanpassung zum 1. Juli des nächsten
ahres – West: 2,3 Prozent, Ost: 3,2 Prozent – wahr-
cheinlich auf einen Unterschiedsbetrag von 89,5 Prozent
wischen Ost und West kommen und also um 0,8 Prozent-
unkte abbauen.

Ich will damit Folgendes sagen: Das, was wir in den
0er-Jahren gemeinsam vereinbart haben, ist – ich habe

18032 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Eckhardt Rehberg


(A) )


)(B)

das am Anfang anhand der Renteneinkommen, die wir
dadurch erreicht haben, bewiesen – ein sehr tragfähiges
System. Ich bin der Kollegin der SPD, Frau Gleicke,
durchaus dankbar, dass sie 2019 als eine Zielzahl ge-
nannt hat. Man kann möglicherweise den Weg gehen,
den Höherbewertungsbetrag von 14,7 Prozent in gleiche
Jahresscheiben bis 2019 aufzuteilen, auf 0 Prozent abzu-
werten und gleichzeitig in den gleichen Jahresscheiben
die 89,5 Prozent, die wir im nächsten Jahr erwarten, bis
2019 aufzuwerten. Auch das wäre eine Möglichkeit.


(Iris Gleicke [SPD]: Auch Stufenpläne wären möglich!)


Aber ich füge hinzu: Es wird auch dann nicht so sein,
dass es keine Benachteiligten geben würde. Jede Lö-
sung, die wir haben könnten, wird – jedenfalls aus mei-
ner Sicht – an der einen oder anderen Stelle Benachteili-
gungen hervorrufen.

Insofern kommt es schon darauf an, dass wir die vor-
handenen gemeinsamen Ansätze, dieses Ziel zu errei-
chen – ich bin an dieser Stelle erfreut, was CDU/CSU,
FDP, Grüne und SPD betrifft –, auch gemeinsam verfol-
gen. Ich möchte aber gleichzeitig deutlich machen: Wer
eine Lösung finden will, der darf nicht nur Ost-West
oder nur Nord-Süd betrachten. Vielmehr reicht Deutsch-
land aus meiner Sicht von der Ost- und Nordsee bis zu
den Alpen und von der französischen bis zur polnischen
Grenze. Wer das bei diesem Thema außer Betracht lässt
und in Berlin anders redet als in Düsseldorf, der wird
dieses Problem nicht lösen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715008000

Zu einer Kurzintervention der Kollege Birkwald.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715008100

Herr Kollege Rehberg, Sie haben ja eben wieder die

falsche Behauptung aufgestellt, dass ich mit Zahlen ar-
beite, die nicht korrekt seien.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Zahlen sind korrekt, die Rechnung ist falsch!)


Diese Zahlen – das sage ich gerne noch einmal – hat die
Bundesregierung geliefert. Sollten sie nicht korrekt sein,
richtet sich das gegen die Bundesregierung.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein! Gegen Sie, weil Sie nicht richtig rechnen!)


Ich trage sie Ihnen noch einmal vor, damit Sie jetzt
– ich hatte gedacht, dass Sie vielleicht schon gestern
Abend einmal die Gelegenheit genutzt hätten –, eine
Chance haben, auf Seite 53 des Anhangs der Antwort
der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Linken
zu blicken. Weil wir uns jetzt um Ostrenten kümmern,
geht es jetzt um die langjährig versicherten geringverdie-
nenden Männer in den neuen Ländern, deren Lebenszeit
seit 2001 gesunken ist. Diejenigen, die zwischen der
Hälfte und drei Viertel des Durchschnittes verdient ha-

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(C (D en, haben nach dem 65. Lebensjahr im Jahr 2001 noch 2,9 Jahre Rente bezogen, 2002 waren es 13,2 Jahre, 003 waren es 13,5 Jahre, 2004 waren es 12,8 Jahre, 005 waren es 12,7 Jahre, 2006 waren es 12,1 Jahre, 007 waren es 11,5 Jahre, 2008 waren es 9,8 Jahre, 2009 aren es 9,5 Jahre und 2010 waren es 9,1 Jahre. Das ind reale Zahlen. Es geht um geringverdienende Mäner im Osten, die gearbeitet haben, die gelebt haben, (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die verstorben sind!)


ie Rente bezogen haben, die verstorben sind. Diese
ahlen stehen hier schwarz auf weiß. Die einfache Leis-
ng, 65 dazu zu addieren, weil es sich ausschließlich um

ie handelt, die nach dem 65. Geburtstag noch Rente be-
ogen haben, werden Sie wohl schaffen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So etwas Unglaubliches!)


Ich halte fest: Bei denjenigen Männern in den neuen
ändern, die zwischen der Hälfte und drei Viertel des
urchschnittsverdienstes erhalten haben, also bei Nied-
gverdienern, ist die Lebenszeit von 77,9 auf 74,1 Jahre
esunken; das sind 3,8 Jahre bzw. 4,9 Prozent.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Mein Gott, wie lange reden Sie denn jetzt?)


ei denen, die weniger als die Hälfte des Durchschnitts-
erdiensts hatten, sind es 2,6 Jahre; das sind 3,2 Prozent.
ie Lebenszeit dieser Gruppe ist von 82,5 auf 79,9 Jahre
esunken.

Jetzt frage ich Sie, ob Sie dies endlich zur Kenntnis
ehmen – dann könnte die Debatte hier vor Weihnachten
ersöhnlich enden – oder ob Sie die Zahlen der Bundes-
gierung anzweifeln. Dann kritisieren Sie bitte die Bun-

esregierung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Unglaublich!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715008200

Herr Rehberg zur Antwort, bitte.


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1715008300

Herr Kollege Birkwald, ich lese Ihnen noch einmal

ie Überschrift vor. Es geht um Tabelle 11-01: Renten-
ezugsdauern und -höhen von Altersrentenwegfällen mit
indestens 36 Versicherungsjahren.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 35!)


35. – Das heißt, Sie nehmen eine ganz kleine Gruppe
eraus, die über 65-Jährigen, die mindestens 35 Versi-
herungsjahre haben, die also sozialversicherungspflich-
g beschäftigt waren. Sie berücksichtigen damit zum
eispiel nicht den öffentlichen Dienst, keine Personen,
ie in Versorgungswerken bei der Post, der Bahn oder
o auch immer waren. Ich will Ihnen entgegenhalten,
ass diese Statistik zwar richtig ist, aber nichts mit der
ebenserwartung zu tun hat. Zur Berechnung der Le-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18033

Eckhardt Rehberg


(A) )


)(B)

benserwartung benötigt man die Daten einer gesamten
Bevölkerungsgruppe. Ihnen sind da leider Journalisten
auf den Leim gegangen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die sind tatsächlich gestorben!)


Ich möchte Ihnen zum Abschluss eine Frage stellen.
Es ist übrigens komisch, dass die Lebenserwartung bei
Frauen nicht gesunken ist. Dazu gibt es einen interessan-
ten Kommentar in der Leipziger Volkszeitung; ich rate
Ihnen, diesen zu lesen. Sie als Linke, die die Interessen
im Osten angeblich so stark vertreten, müssen sich eine
andere Frage stellen: Wo haben diejenigen, die mit 65,
70 oder 75 sterben, den Großteil ihres Arbeitslebens ver-
bracht? Sie haben in der Braunkohle bei der Wismut und
bei der Chemie in Bitterfeld unter unzumutbaren Bedin-
gungen gearbeitet. Diese Frage müssen Sie sich stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das war disqualifizierend!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715008400

Patrick Kurth hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715008500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Genau auf das Beispiel Bitterfeld wollte ich ein-
gehen. Auch ich wollte einen Beitrag zum Zahlenspiel
hier leisten. Der Durchschnittsmann hatte in den 80er-
Jahren in Bitterfeld-Wolfen eine Lebenserwartung von
weniger als 60 Jahren.


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das war der existierende Sozialismus! Richtig!)


Wir sprechen jetzt hier über Rentner. Ich kann Ihnen
sagen: Es gibt aktuelle Umfragen, bei denen die Men-
schen in Deutschland nach ihren Befürchtungen gefragt
werden. Sehr weit oben bei den Antworten steht Furcht
vor einer Ideologisierung der Gesellschaft. Eine Ideolo-
gisierung der Debatte haben wir gerade erlebt. Herr
Birkwald, Sie haben einen hervorragenden Beitrag dazu
geleistet, dass die Furcht davor sich vermehrt. Sie ideo-
logisieren hier ein sehr kompliziertes Thema. Die Zu-
sammenführung von zwei völlig unterschiedlichen So-
zialsystemen nach der Wiedervereinigung war und ist
eine der größten Herausforderungen bei der Gestaltung
des Einigungsprozesses.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie ist einer der größten Erfolge der letzten 20 Jahre; das
muss man festhalten. Hier wird dieses Thema miss-
braucht und suggeriert, die Renten hätte sich im Osten
sogar verringert. Eine Partei, die im Wahlkampf im östli-
chen Gebiet unseres schönen Landes erklärt, dass die
Rente zu niedrig sei, und im Westen unseres Landes er-
klärt, dass die Ossis durch die Höherwertung bevorteilt
würden, braucht über Gesamtdeutschland überhaupt
nicht zu reden.

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(C (D Herr Birkwald, Sie haben einen fürchterlichen Beitrag eleistet, indem Sie einer großen Mehrheit in diesem ause vorgeworfen haben, es gebe hier eine Feindschaft ur DDR. Wo leben wir denn? Sie sind ein ehemaliges itglied der DKP. Es sagt etwas über Ihren Charakter us, wenn Sie so über uns reden, und nicht über die Kolition. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie waren bestimmt mal in der Jugendorganisation der FDP! Na und?)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Situation der Rentnerinnen und Rentner in der
hemaligen DDR hat sich so sehr verbessert wie bei fast
einer anderen Bevölkerungsgruppe. Von den erbärmli-
hen Rentenhöhen in der DDR sind wir weit, weit ent-
rnt. Das war eine herausragende Kraftanstrengung al-
r Menschen in diesem Land. Auch darauf können wir

tolz sein.

Richtig ist natürlich, dass wir in Sachen Rente noch
icht am Ende des Weges sind, sondern das Ziel der
entenangleichung verfolgen. Die Mammutaufgabe, die
ielen Interessen unter einen Hut zu bringen, betrifft
icht allein die Rentnerinnen und Rentner, sondern alle
ersicherten und Steuerzahler. Bei manchen Vorschlä-
en – das gilt auch für den Schaufensterbeitrag, den wir
ben gehört haben – muss man sich allerdings fragen, ob
ie, wenn wir sie umsetzen würden, tatsächlich den ost-
eutschen Rentnerinnen und Rentner zugutekommen
ürden.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ja! So ist es!)


ie Frage, was als erster Schritt zu tun ist, versuchen Sie
u beantworten. Die Frage, was als zweiter Schritt zu tun
t, vernachlässigen Sie aber, nämlich die Höherwertung.

In einer Debatte zum Thema Rente muss auch ange-
prochen werden: Die Ungleichheiten, die heute beste-
en, beruhen nicht nur auf dem Rentensystem an sich,
ondern natürlich auch auf der unterschiedlichen Lohn-
ntwicklung. Wenn wir nur auf das Thema Rentenrecht
kussieren und dort die Stellschraube justieren, dann

acken wir das Problem nicht an der Wurzel. Sie wollen
ur an der Rentenschraube drehen. Wir gehen das Pro-
lem an der Wurzel an.

Wir wollen und müssen dafür sorgen, dass sich die
irtschaftliche Entwicklung im Osten weiter verstetigt.
ir wollen die Unterschiede zwischen Ost und West auf
irtschaftlicher Ebene ausgleichen. Das ist nach 40 Jah-
n Misswirtschaft sehr, sehr schwierig. Vor allen Din-

en in den letzten Jahren sind wir aber vorangekommen.
h will sagen: Wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg.
ie Arbeitslosenzahlen sind so niedrig wie noch nie seit
er Wende.


(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Aber nicht bei Vollzeitkräften!)


Die Wirtschaftsleistung holt weiter auf. Die Innova-
onsfähigkeit ist sehr hoch. Genau das sind doch die Vo-

18034 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Patrick Kurth (Kyffhäuser)



(A) )


)(B)

raussetzungen, die wir brauchen, wenn die Löhne stei-
gen und die Renten, natürlich auf wirtschaftlichem
Wege, angeglichen werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Am Ende will ich sagen: Wenn wir dafür sorgen wol-
len, dass die Menschen mehr Geld in der Tasche haben,
indem wir die kalte Progression abbauen, sodass sie zum
Beispiel privat vorsorgen können, dann kann es nicht
richtig sein, eine kleine steuerpolitische Maßnahme zum
Abbau der kalten Progression im Bundesrat zu blockie-
ren oder in Karlsruhe dagegen zu klagen. Das geht nicht.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715008600

Herr Kollege.


Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715008700

Leisten Sie hier einen Beitrag!

Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksam-
keit.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715008800

Der Kollege Peter Weiß hat jetzt das Wort für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1715008900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Soeben hat zwischen dem Kollegen Rehberg und
dem Kollegen Birkwald eine Diskussion stattgefunden,
die hier schon gestern stattgefunden hat. Es ist unglaub-
lich, dass es Herr Birkwald, nachdem ihm gestern meh-
rere Kollegen angeraten haben, die entsprechenden Un-
tersuchungen noch einmal nachzulesen, bis zum
heutigen Tag immer noch nicht geschafft hat, dies zu
tun, und er immer noch seine falschen Behauptungen
aufrechterhält.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist die sozialistische Rechthaberei, die er betreibt!)


Um das noch einmal klar zu sagen: Die Statistik, die
Herr Birkwald zitiert, ist eine Aufstellung der Rentenbe-
zugsdauer bereits verstorbener Rentnerinnen und Rent-
ner;


(Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Genau!)


„Rentenwegfälle“ heißt, diese Damen und Herren sind
verstorben. Sie sagt nichts über die Rentnerinnen und
Rentner aus, die immer noch munter leben und in
Deutschland Rente beziehen.

Ich zitiere aus einer Untersuchung der Deutschen
Rentenversicherung Bund zur Lebenserwartung aus dem
Jahr 2008. Zusammenfassend kommen die Forscher zu
dem Ergebnis:

Die Mortalitätsanalyse für Männer auf Grundlage
der Daten des Forschungsdatenzentrums der Ren-



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(C (D tenversicherung … zeigt, dass die Lebenserwartung im Alter 65 und älter in allen Entgeltgruppen also in allen Verdienstgruppen – zunimmt und sich die Sterblichkeit im Zeitraum von 1994 bis 2006 um über 26 % verringert. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 1994 bis 2006! Es interessiert aber 2001 bis 2010!)


as heißt, in allen Entgeltgruppen steigt die Lebenser-
artung. Das ist eine erfreuliche Nachricht. Was Herr
irkwald erzählt, ist schlichtweg die Unwahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Alte Zahlen, Herr Weiß! 2001 bis 2010: Darum geht es!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss die-
er Debatte will ich noch einmal das festhalten, was Frau
ollegin Gleicke zu Beginn der Debatte gesagt hat. Die
entenüberleitung im Zusammenhang mit der Verwirkli-
hung der deutschen Einheit war und ist die größte so-
ialpolitische Leistung Deutschlands in seiner jüngeren
eschichte, auf die wir gemeinsam stolz sein können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ätten wir die Rentnerinnen und Rentner in der ehemali-
en DDR nur mit den Ansprüchen, die sie erworben ha-
en, in das vereinte Deutschland übernommen, dann
ürden sie alle heute am Hungertuch nagen und könnten
on ihrer Rente nie und nimmer leben.

Deswegen ist es eine großartige Leistung, dass wir es
it der Vereinheitlichung des Rentenrechts geschafft ha-

en, dass die Rentnerinnen und Rentner, die in der ehe-
aligen DDR gerade einmal 30 bis 40 Prozent ihres

urchschnittlichen Arbeitseinkommens als Rente erhal-
n haben, also eine Minirente, im ersten Jahr nach der
ereinigung bereits auf 35 Prozent einer Westrente
ochgewertet wurden und heute rund 89 Prozent einer
estrente erhalten. Diese Steigerung der Rentenansprü-

he in den neuen Bundesländern ist eine der großen Soli-
arleistungen der Deutschen, die wir an diesem Tag, an
em wir auf 20 Jahre Rentenüberleitung zurückschauen,
ürdigen und anerkennen sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist ja nicht so, dass sich die Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer und die Rentnerinnen und Rentner im
esten jeden Tag erfreut darüber geäußert hätten, dass

ie diese Solidarleistung erbringen, aber sie haben sie er-
racht. Ich glaube, deswegen ist der heutige Tag ein Tag,
n dem wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
Deutschland, die mit ihren Beiträgen zu dieser großar-
gen Solidarleistung beigetragen haben, ein herzliches
ankeschön sagen sollten. Danke, deutsche Arbeitneh-
erinnen und Arbeitnehmer, für diese großartige Soli-

arleistung in den letzten 20 Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Migranten bekommen keinen Dank von Ihnen! Das ist ja auch wieder bezeichnend!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18035

Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)

Nun muss man in dieser Debatte noch einmal sagen:
In der Tat behandeln wir Arbeitnehmer Ost und Arbeit-
nehmer West – das ist die Methodik des Renten-Überlei-
tungsgesetzes – nicht gleich. Ich nenne Ihnen ein Bei-
spiel: Wenn im Westen jemand einen Jahresverdienst
von 34 000 Euro hat, dann erwirbt er mit seinen Beiträ-
gen einen Entgeltpunkt in der Rentenversicherung. Im
Osten reichen bereits 26 900 Euro Jahresverdienst, um
einen Entgeltpunkt in der Rentenversicherung zu be-
kommen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dafür muss er aber auch zwei Jahre arbeiten!)


Das ist eine Höherwertung. Das heißt, wir stellen ihn
rentenrechtlich besser, und zwar gerade deswegen, weil
er in einer Region lebt, in der durchschnittlich weniger
als im Westen verdient wird. Das wird leider von vielen
verschwiegen.

Beim Rentenwert, das heißt beim Zahlbetrag, mit
dem diese Entgeltpunkte multipliziert werden, gibt es al-
lerdings noch einen Unterschied, der aber mittlerweile
zusammengeschmolzen ist. Der Rentenwert Ost beträgt
fast 90 Prozent vom Rentenwert West. Die Methodik des
Renten-Überleitungsgesetzes war: Wenn sich die Löhne
angleichen, dann entfällt die Höherwertung und dann
werden auch die Rentenwerte Ost und West gleich. Das
war die Idee.


(Iris Gleicke [SPD]: So ist es! Das ist der Mechanismus!)


Das heißt, unser gemeinsames Ziel war von Anfang
an und ist auch heute – wir sollten das hier nicht ausei-
nanderdiskutieren –: Wir wollen ein gleiches Renten-
recht in Ost und West. Gleiche Entgelte bewirken die
gleiche Rente in Ost und West: Das ist unser gemeinsa-
mes Ziel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Aber Sie singen doch das Lied des Standortvorteils des Minilohns!)


– Frau Kollegin Gleicke, wir haben uns das schon in der
Großen Koalition – das ist gerade zwei Jahre her – vor-
genommen. Wir haben festgestellt, dass der Anpas-
sungsprozess zwischen Ost und West ins Stocken gera-
ten ist


(Iris Gleicke [SPD]: So ist es! – Kirsten Lühmann [SPD]: Richtig!)


und das eigentliche Ziel des Renten-Überleitungsgeset-
zes, dass beide Werte gleich sind, möglicherweise nicht
erreicht werden kann.


(Zustimmung der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Der Kollege Rehberg hat vorhin ausgeführt: Gott sei
Dank ist der Angleichungsprozess zwischen Ost und
West wieder in Gang gekommen. Die Rentenwerte glei-
chen sich wieder an. Nächstes Jahr sind wir wieder einen
Schritt weiter.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag!)



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(C (D Nein. – Deswegen muss man sich sehr genau überleen, ob man die Höherwertung der Entgeltpunkte Ost bschafft, aber für alle in Deutschland den gleichen Rennwert anwendet, weil sich nämlich diejenigen, die bei ieser Operation etwas dazugewinnen, nicht bedanken erden, aber diejenigen, die dabei etwas verlieren weren, sehr wohl zu Protesten aufrufen werden. (Iris Gleicke [SPD]: Man muss nicht verlieren! Man kann Bestandsschutz machen!)


ir sollten eine Lösung finden, bei der möglichst viele
ich sage: möglichst alle – mit der Rentenangleichung

wischen Ost und West gut fahren und mit uns als Ge-
etzgeber zufrieden sein werden. Das muss unser Ziel
ein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst einmal was machen!)


Wenn man heute Knall auf Fall sofort gleiche Entgelt-
unkte Ost und West einführen würde, würden sich viele
entnerinnen und Rentner wundern, dass dabei nicht
ehr, sondern weniger für sie herauskommt. Das wollen
ir nicht. Eckhardt Rehberg hat deutlich gesagt: Wir
ollen nicht, dass Rentnerinnen und Rentner im Osten
der im Westen Deutschlands durch die Angleichung ei-
en Verlust erleiden.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollte auch nicht sein! – Iris Gleicke [SPD]: Das ist nicht das, was in unserem Antrag steht! Das ist Unsinn!)


Wenn wir das machen, was die Linken wollen, dann
ürde jemand, der im Osten das Gleiche verdient wie je-
and im Westen, automatisch eine höhere Rente als je-
and im Westen bekommen. „Vielen Dank“, sagen dann

ie Rentnerinnen und Rentner im Westen, und sie fra-
en: Wenn ich mit dem gleichen Verdienst im Osten eine
öhere Rente bekomme, wo ist dann die Gerechtigkeit?


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Richtig! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können sie in den Osten gehen!)


eswegen ist der Prozess der Angleichung, den wir
urchführen müssen, so schwierig.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715009000

Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit verlängern?

er Kollege Birkwald will Sie etwas fragen.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1715009100

Gut. Wenn er es immer noch nicht verstanden hat,

ann lese ich es ihm gerne noch einmal vor.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715009200

Gut. Wiederholung ist die Mutter der Weisheit.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715009300

Herr Kollege Weiß, wir machen das jetzt an einer an-

eren Stelle fest. Sie haben eben behauptet, dass das
urchschnittliche Jahresarbeitsentgelt 34 000 Euro be-

18036 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)

trüge und jemand dafür in der Rentenversicherung einen
Entgeltpunkt bekäme.

Ich habe jetzt bei der Rentenversicherung nachge-
schaut. Da steht: Durchschnittliches Jahresarbeitsentgelt
2010: 31 144 Euro, 2011: 30 268 Euro und 2012 – das ist
natürlich wie für 2011 geschätzt, weil die Daten noch
nicht vorliegen können –: 32 446 Euro. Sie haben die
Zahl von 34 000 Euro genannt. Deswegen bitte ich Sie,
zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie das mit den Zahlen
nicht so richtig gut können.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Maria Michalk [CDU/CSU]: Was ist das denn für ein Besserwisser? – Zuruf von der FDP: Das sind die echten Höhepunkte der Debatte!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715009400

Herr Kollege, bitte.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1715009500

Also, damit der Kollege Birkwald zufrieden ist, Herr

Präsident, erlaube ich mir, ihm jetzt mit den Zahlen zu
antworten, die wir aus dem letzten Jahr, 2010, haben.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Also wieder mit alten Zahlen!)


2010 hat ein Versicherter im Westen mit einem Jahres-
verdienst von 32 000 Euro einen Entgeltpunkt im Wes-
ten erworben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war das, was ich gesagt habe!)


Ein Versicherter im Osten mit einem Jahresgehalt von
26 900 Euro hat einen Entgeltpunkt im Osten erworben.


(Iris Gleicke [SPD]: So ist es!)


Das heißt, sein Verdienst ist höher gewertet worden als
der im Westen, damit die Differenz der Löhne zwischen
Ost und West ausgeglichen wird. Das ist das, was ich ge-
sagt habe, zu dem ich stehe, was auch richtig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn es ein echtes Problem gibt, dann ist es die Tat-
sache in Ost und West, dass jemand mit geringen Ver-
diensten trotz eines langen Arbeitslebens möglicher-
weise keine auskömmliche Rente erhält. Genau deswegen
haben wir uns in der Koalition zu einem Regierungsdia-
log entschlossen, um ein Modell zu entwickeln, mit dem
wir Geringverdienern, die lange gearbeitet und in die
Rentenversicherung eingezahlt haben, ein Rentenniveau
sichern wollen, das es möglich macht, seinen Lebens-
abend ohne einen Antrag beim Grundsicherungsamt zu
verbringen. Diese Problemstellung will die Koalition in
der Tat angehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir
können stolz sein auf das Erreichte, was die Rentenan-
gleichung anbelangt. Wir haben noch einen Weg vor uns.
Wir sollten ihn so gestalten, dass es keine Verlierer – we-
der im Osten noch im Westen – gibt, sondern dass wir al-
len Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland eine
wirklich gute Zukunft garantieren können.

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(C (D Ich wünsche den Rentnerinnen und Rentnern und Ihen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein gesegnetes eihnachtsfest und Gottes Segen für das neue Jahr. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 17/6486, 17/6487 und 17/7034 an die der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offenichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so bechlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 30 a und b auf: a)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715009600
gierung

Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand
der Deutschen Einheit 2011
– Drucksache 17/7711 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Roland Claus,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Staatsminister für Ostdeutschland bestellen
– Drucksachen 17/5522, 17/6242 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Behrens (Börde)

Daniela Kolbe (Leipzig)

Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Frank Tempel
Wolfgang Wieland

Zum Jahresbericht der Bundesregierung liegen ein
ntschließungsantrag der Fraktion der SPD und ein Ent-
chließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Auch
ierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir
o.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
arlamentarischen Staatssekretär Christoph Bergner.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18037

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A)


)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1715009700


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir im vergange-
nen Jahr anlässlich des 20. Jahrestages der deutschen
Einheit einen umfänglichen Jubiläumsbericht, wie ich
ihn fast nennen möchte, vorgelegt haben, haben wir uns
nach Gesprächen mit Parlamentariern unterschiedlicher
Fraktionen entschlossen, in diesem Jahr den Bericht
straffer zu fassen und uns im Rahmen der Berichterstat-
tung auf aktuelle Handlungsnotwendigkeiten bzw. auf
notwendige Handlungsstrategien zu konzentrieren.

Dabei ist klar, dass das, was mit Blick auf die Zukunft
gesagt werden muss, vor dem Hintergrund einer außer-
ordentlich erfolgreichen Entwicklung erfolgt. Die Trans-
formation Ostdeutschlands in eine Marktwirtschaft ist
abgeschlossen. Die Unternehmen in Ostdeutschland sind
heute wettbewerbsfähig. Die allgemeinen Lebensbedin-
gungen gleichen denen in Westdeutschland weitgehend.

In einer gutachterlichen Stellungnahme von Professor
Rüdiger Pohl heißt es: Die wirtschaftlichen Lebens-
bedingungen der Menschen in Ostdeutschland entspre-
chen heute weitgehend denen in Westdeutschland. Das
betrifft die Verfügbarkeit und Qualität von Produkten,
die Infrastruktur, den Umweltschutz, Wohnraum, medi-
zinische Versorgung, Alterssicherung und Bildungsange-
bote.

Diese Feststellung ist in einem Gutachten enthalten,
das vorgelegt wurde, als wir uns auf Einladung der ko-
reanischen Regierung in Seoul befanden. Es ist der drin-
gende Wunsch der koreanischen Regierung gewesen,
von der deutschen Einheit zu lernen und deshalb ein
deutsch-koreanisches Konsultationsgremium zu Fragen
der deutschen Einheit zu gründen. Ich sage das nur des-
halb, weil das deutsche Erfolgsmodell offenbar so inte-
ressant ist, dass man es von außen durchaus als ein Bei-
spiel für die Lösung ähnlicher Probleme betrachtet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


So viel gewissermaßen als Hintergrund der Erfolge,
auf die wir verweisen können und auf die wir auch stolz
sein sollten.

Nun komme ich zu den aktuellen Handlungserforder-
nissen, die noch vorhanden sind, und den Handlungsstra-
tegien, die damit verbunden sind. Die vollständige Kon-
vergenz, insbesondere die des Produktionsniveaus, ist
noch nicht erreicht. Wir haben viele infrastrukturelle und
andere Projekte abgeschlossen. Das Bruttoinlandspro-
dukt pro Kopf der ostdeutschen Bevölkerung liegt noch
immer circa 25 Prozent unter dem der westdeutschen. In
einigen Anträgen, die von den Oppositionsfraktionen
eingebracht wurden, wird zu Recht darauf verwiesen,
dass sich diese Quote über einen relativ langen Zeitraum
kaum verändert hat. Die entscheidende und wichtige
Frage, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben, lau-
tet: Wie interpretieren wir diese Lücke von 25 Prozent,
und wie gehen wir mit ihr um? Diese Frage hat eine

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(C (D rundsätzliche Bedeutung, die bis hin zur Rentendiskusion, die beim vorherigen Tagesordnungspunkt geführt urde, reicht. Ist diese Produktivitätslücke zwischen Ost nd West vergleichbar mit den Unterschieden zwischen en westlichen Bundesländern, beispielsweise zwischen amburg und Schleswig-Holstein – der Wert von Hamurg liegt deutlich über dem von Schleswig-Holstein –, der ist diese Lücke Ausdruck eines Aufholbedarfes, en wir immer noch haben? Ich glaube, wir sind uns hier im Hause einig, dass iese Lücke immer noch Ausdruck eines Aufholbedarfes t, den wir managen wollen. Wenn dem so ist – jetzt omme ich zur Rentendiskussion –, dann müssen wir ststellen, dass die Rentenentwicklung an die Lohn nd Gehaltsentwicklung gekoppelt ist. Es gilt immer och Art. 30 des Einigungsvertrages, in dem es heißt, ass mit der Angleichung der Löhne und Gehälter die enten angeglichen werden sollen. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist aber keine endgültige Antwort!)


Moment! – Deswegen habe ich eine große Skepsis ge-
enüber den Empfehlungen des Sachverständigenrates,
ie aus meiner Sicht – übrigens auch ein Vorschlag der
rünen – den Eindruck erwecken, als ob der Unter-

chied von 25 Prozent ein sozusagen natürlicher Unter-
chied wäre, wie wir ihn auch zwischen den westdeut-
chen Ländern finden. Insofern hat mich die Sächsische
eitung durchaus richtig zitiert. Ich sehe den Haupt-
chwerpunkt der Arbeit darin, die Angleichung der
öhne und Gehälter zu erreichen, damit wir auf diesem
ege die Angleichung auch der Renten erhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


as ist für mich der zentrale Ansatzpunkt.

Ich will noch einmal sagen, dass sich bei manch ei-
em, der beim einheitlichen Rentenwert das Pathos der
eutschen Einheit bemüht – das trifft keinen hier im
ause –, feststellen lässt, dass sein Problem nicht der
iedrigere Rentenwert, sondern die Höherbewertung der
stdeutschen Einkommen ist. Wegen dieser Diskussion
estehe ich darauf, dass in der Frage des Vorrangs im
inne des Einigungsvertrages zu handeln ist. Wie immer
ir Termine in der Zukunft, wie sie Frau Gleicke ge-
annt hat, festlegen, ist eine ganz andere Frage. Dies ist
in wichtiger Aspekt, der aus meiner Sicht Beachtung
erdient.

Damit ist eine andere Frage verbunden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715009800

Herr Kollege, Sie müssen allmählich zum Ende kom-

en.

D
Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1715009900

Das ist bei der Komplexität der Fragestellung außer-

rdentlich misslich. Ich habe gehofft, dass mir Fragen
estellt werden; dann hätte ich auf diese Weise mehr dar-
tellen können. Herr Präsident, ich will bloß noch stich-
)

18038 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Parl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner


(A) )


)(B)

punktartig vortragen, damit wenigstens die Logik meiner
Gedanken zum Ausdruck kommt.

Wenn es noch immer eine Produktivitätslücke von
25 Prozent gibt, dann müssen wir analysieren, welche
Ursachen diese Produktivitätslücke hat. An dieser Stelle
müssen wir mit unserer Förderpolitik ansetzen.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind zwei verschiedene Dinge!)


Die Treiber der Entwicklung sind andere als in den 90er-
Jahren; damals lag das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
im Osten Deutschlands bei 43 Prozent des westdeut-
schen Werts. Ich nenne als Stichwort die Kleinteiligkeit
der ostdeutschen Wirtschaft und die gesamten damit ver-
bundenen Besonderheiten.

Meine Damen und Herren, da ich mich genötigt gese-
hen habe, auf die Rentendiskussion einzugehen, habe ich
leider nicht die Gelegenheit, die Dinge im Gesamtzu-
sammenhang darzustellen; aber ich will wenigstens noch
an meine Eingangsworte anknüpfen. Ich habe deutlich
gemacht, dass wir es mit einer Erfolgsgeschichte zu tun
haben, um deren Vollendung es uns jetzt im Einzelnen
geht.

Ich vergleiche diese Vorweihnachtstage mit der Situa-
tion in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1988, die ich
mit meiner Familie in der ehemaligen DDR erlebt habe.
Da fällt es mir nicht schwer, davon zu reden, dass die
letzten 20 Jahre ein gewaltiger Erfolg waren, und Ihnen
allen aus voller Überzeugung eine gesegnete Weihnacht
zu wünschen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Du meine Güte!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715010000

Das Wort hat nun Iris Gleicke für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1715010100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Euro-Krise und die Debatte darüber, was die Politik ge-
gen die Finanzmärkte ausrichten kann, überschatten so
gut wie alles. Da kommt der Aufbau Ost fast etwas ver-
schämt und so gut wie unbemerkt daher. Dazu passt,
dass der Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand
der Deutschen Einheit 2011 am letzten Sitzungstag in
der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten quasi abge-
frühstückt wird. Die Rede, die wir gerade gehört haben,
verstärkt diesen Eindruck bei mir noch.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das war der glühende Höhepunkt des Jahres!)


Bloß nicht zu viel Aufmerksamkeit, nicht zu viel Öf-
fentlichkeit; es gibt schließlich immer weniger zu vertei-
len. Das ist das stille Eingeständnis dieser Bundesregie-
rung, sich vom Aufbau Ost längst verabschiedet zu
haben.

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(C (D (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist völliger Käse!)


Meine Damen und Herren, wer Ihr Märchenbuch auf-
chlägt, findet dort romantische Lyrik von einzigartiger
edeutungslosigkeit. Da ist der Aufbau Ost nunmehr an
iner besonderen Wegmarke angekommen und ist die
ervollkommnung der deutschen Einheit auf bestem
ege.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wo ist denn eigentlich der ehemalige Minister für den Aufbau Ost, der Herr Tiefensee? Der hat daran kein Interesse mehr, oder was?)


h finde es ja in Ordnung, die Erfolge zu würdigen; aber
an muss schon bei der Wahrheit bleiben, und damit
eine ich die ganze Wahrheit. Zu dieser Wahrheit ge-

ört, dass die ostdeutsche Wirtschaftskraft seit Jahren
ei 73 Prozent des Westniveaus stagniert. Zur Wahrheit
ehört auch, dass das Produktivitätsniveau ebenfalls seit
ahren bei 80 Prozent des Westniveaus verharrt. Im Ver-
leich zu den strukturell schwächeren westdeutschen
ändern, zu denen der Osten nach Ihrer Lesart längst
ufgeschlossen hat, ist der Produktivitätsabstand sogar
och größer geworden.

Dabei ist ganz zu schweigen vom ostdeutschen Ar-
eitsmarkt, der dem in den westdeutschen Ländern nach
ie vor hinterherhinkt. Natürlich sind die Aussichten auf
em Arbeitsmarkt besser geworden. Natürlich ist die Ar-
eitslosenquote zurückgegangen; aber man ist eben noch
ngst nicht auf Augenhöhe mit dem Westen. Die Ar-
eitslosigkeit im Osten ist fast doppelt so hoch, und die
angzeitarbeitslosigkeit dort ist verfestigt. Dazu findet
ich in Ihrem Bericht kein einziges Wort.


(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


ie setzen offenbar darauf, dass die demografische Ent-
icklung den weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit
ewerkstelligen wird. Ich finde das zynisch.


(Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ja, sehr zynisch!)


Im Osten müssen die Menschen nach wie vor un-
leich höhere Hürden für den Einstieg in den ersten Ar-
eitsmarkt überwinden, weil sie zum Teil schon 10, 15,
0 Jahre lang arbeitslos sind. Statt zu handeln, kürzen
ie eiskalt die Eingliederungshilfen für Langzeitarbeits-
se: im kommenden Jahr um 600 Millionen Euro, und
Jahr 2013 werden es 800 Millionen Euro sein.

Reden wir einmal über die Angleichung der Löhne;
ie hat auch in der vorherigen Debatte eine Rolle ge-
pielt.


(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Das tut auch weh! Das kann ich mir vorstellen!)


ie Ostdeutschen können auch davon ein Lied singen. Je
ach Branche sind die Löhne um 15 bis 30 Prozent unter
estniveau. Das ist eben kein Standortvorteil Ost, son-

ern die Hauptursache für die Abwanderung aus Ost-
eutschland, und das führt mittlerweile zu einem drama-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18039

Iris Gleicke


(A) )


)(B)

tischen Fachkräftemangel. Wann kapieren Sie das
eigentlich?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie spielen nach wie vor das alte Lied von der Be-
scheidenheit und der Zurückhaltung auf der Arbeitneh-
merseite; dann werde schon irgendwie alles gut werden.
Wir haben aber keine Lust mehr auf dieses Lied. So
geht’s nicht weiter. Wo bleibt Ihr Einsatz für eine höhere
Tarifbindung? Wo bleibt Ihr Einsatz für anständige
Löhne in Ostdeutschland?


(Beifall bei der SPD)


Jetzt wollen Sie von der CDU ja so eine Art Mindest-
lohn light erfinden. Sie nennen das „Einführung von
Lohnuntergrenzen“.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: War ja klar!)


Diese sollen aber nach Branchen und Regionen unter-
schiedlich gestaltet werden. Wenn das wirklich so kom-
men würde, was der liebe Gott und die Opposition in
diesem Hause verhindern mögen, dann würden die Ost-
deutschen wieder in die Röhre gucken, dann würden die
Unterschiede zwischen Ost und West selbst bei Mindest-
löhnen zementiert. Das ist definitiv nicht hinzunehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Meinen Sie, wir könnten das im Bundestag beschließen?)


Wo bleibt hier eigentlich, Herr Lindner, der Wert der
Arbeit? Entscheidet allein der Ort in unserem Land über
den Preis, über den Wert, über Gewinner oder Verlierer?
Bedeutet Regensburg oben und Finsterwalde unten? Ist
der ostdeutsche Zeitarbeiter, die ostdeutsche Pflegekraft
oder der ostdeutsche Ingenieur auch 21 Jahre nach der
deutschen Einheit immer noch nicht ganz so viel wert in
diesem Land? Es ist doch unser gemeinsames Land.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Wer hat denn die Ostminister gestellt?)


Das ist nicht das Land, das Sie in Ihrem Bericht be-
schreiben. Ich hätte mir eher eine ehrliche Bestandsauf-
nahme gewünscht. Ich hätte ein paar Hinweise zur Ent-
wicklung der Einkommen und der Renten wirklich gut
gefunden, stattdessen Vertröstungen bis zum Sankt-Nim-
merleins-Tag, stattdessen viel heiße Luft und Zucker-
guss.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715010200

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage zur

Verlängerung Ihrer Redezeit?


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1715010300

Aber gerne.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715010400

Bitte.

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(C (D Frau Kollegin, Sie sind ja eine große Verfechterin der eutschen Einheit, wie ich gerade festgestellt habe. Wie eurteilen Sie es denn – dazu hätte ich gerne eine Meiung von Ihnen –, dass der Mann, der aus Leipzig komend die deutsche Einheit im Herzen getragen hat, nämch unser ehemaliger Bundesverkehrsminister iefensee, heute an dieser Debatte nicht teilnimmt, was h sehr schade finde? Ist das nur Zeitmangel, oder ist as Desinteresse? Und: Was sind die herausragenden eistungen von Wolfgang Tiefensee für die deutsche inheit gewesen? (Roland Claus [DIE LINKE]: Wieso ist euer Minister nicht da? – Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Wo ist Herr Friedrich?)

Dr. Thomas Feist (CDU):
Rede ID: ID1715010500


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1715010600

Herr Kollege, Ihre Zwischenfrage macht eigentlich

eutlich, auf welchem Niveau Sie dieses Thema disku-
eren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


uch die Zwischenrufe von Herrn Lindner machen das
brigens sehr deutlich. Meine Großmutter hat immer ge-
agt: Getroffene Hunde bellen.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Ich habe nicht gebellt!)


h sehe in Ihren Reihen sehr viele Lücken. Auch viele
er ehemals ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen auf
rer Seite sind nicht hier.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Bei Ihnen ist das doch ein Witz! – Maria Michalk [CDU/ CSU]: Der war aber der zuständige Minister! Sie haben immer die Ostminister gestellt! – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Herr Schwanitz fehlt auch!)


sofern ist es so: Wer mit dem Finger auf andere zeigt,
uf den zeigen vier Finger zurück. Insofern sollten Sie
ich ganz einfach schämen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU)


ass Sie offensichtlich nicht in der Lage sind, eine ver-
ünftige Debatte zu führen, sondern hier nur Klamauk
eranstalten und solche Zwischenfragen stellen.


(Beifall bei der SPD – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Setzen! Fünf!)


Für den Ausblick – jetzt kommen wir noch einmal zu
em Bericht zum Stand der Deutschen Einheit – bzw. für
ie Antwort auf die Frage, wie es weitergehen soll mit
em Aufbau Ost, ist auf den insgesamt 110 Seiten gerade
inmal eine halbe Seite Platz. Ich kann ja verstehen, dass
nen das peinlich ist. Niemand erwartet Wunder von Ih-

en. Niemand erwartet Patentrezepte und niemand ein in
llen Regionen wirksames Allheilmittel. Gerade für die
ntwicklung Ostdeutschlands gilt das gute Wort Willy

18040 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Iris Gleicke


(A) )


)(B)

Brandts: Lieber kleine Schritte als große Sprünge. – Sie
machen aber einfach gar nichts. Sie haben den Aufbau
Ost von der Tagesordnung genommen. Der Osten ist Ih-
nen egal.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch von der CDU/CSU – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das ist so ein Unsinn! Das ist schlechter Klamauk!)


Das zeigt sich an einer nur noch mühsamen und we-
nig verlässlichen Förderpolitik. Das zeigt sich an den
brutalen und unverschämten Kürzungen auch beim Stadt-
umbau Ost und beim Programm „Soziale Stadt“, übri-
gens von besagtem Minister Tiefensee mit eingeführt
und viele Jahre gefördert. Sie kürzen all das zusammen.
So jedenfalls geht Aufbau Ost nicht. So wird das nichts
mit der Vollendung der deutschen Einheit.

Die Ostdeutschen können auf das Erreichte stolz sein.
Von einer wirklichen Angleichung der Lebensverhält-
nisse sind wir aber nach wie vor entfernt. Diese Bundes-
regierung hat sich von diesem Ziel verabschiedet. Sie
setzen die gesamtdeutsche Solidarität zugunsten partiku-
larer Interessen wissentlich aufs Spiel. Das ist eine
Schande.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715010700

Das Wort hat nun Patrick Kurth für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Gott sei Dank! Das ist einer, der etwas vom Thema versteht!)



Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715010800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Frau Gleicke, Sie können das wirklich deut-
lich konstruktiver. Das war kein Beitrag, der uns weiter-
gebracht hat.


(Iris Gleicke [SPD]: Das hat Sie getroffen! Ich habe es gemerkt!)


– Nein, das ging am Thema vorbei.

In diesem Jahr wurde der alljährliche Bericht zur
Deutschen Einheit an einem ganz besonderen Tag he-
rausgebracht, am 9. November, also genau 22 Jahre nach
dem Mauerbau.


(Iris Gleicke [SPD]: Nach dem Mauerfall!)


– Entschuldigung! Nach dem Mauerfall natürlich. – In
diesen 22 Jahren hat der Osten enorm aufgeholt: Die In-
frastruktur ist auf dem neuesten Stand, bei der Wirt-
schaftskraft wurde enorm aufgeholt, die Lebenserwar-
tung und der Wohlstand sind gestiegen.

Die Arbeitslosigkeit – lange das größte Sorgenkind
und zeitweise doppelt so hoch wie im Westen – ist stark
zurückgegangen, insbesondere in den letzten zwei Jah-
ren. Mein Heimatland Thüringen hat kürzlich das größte
Bundesland überhaupt – Nordrhein-Westfalen – bei der

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(C (D rbeitslosigkeit eingeholt bzw. überholt. Auch so etwas uss man als Thüringer hier einmal sagen dürfen. Was nicht so oft ausdrücklich genannt wird, ist die ngeheure Flexibilität, die den Osten auszeichnet. Die enschen haben sich in kürzester Zeit einem völlig euen System angepasst, neue Berufe erlernt, neue Sprahen gelernt und Umzüge in Kauf genommen. Eine moerne Gesellschaft verändert sich. Darin unterscheidet ich der Osten vielleicht ein wenig von manchen Regioen im Westen, wo wir mit grüner Besitzstandswahrung, it, na ja, einer gewissen Wohlstandsdestruktivität und um Teil mit einer erheblichen Fortschrittsverweigerung icht richtig vorankommen. Gerade bei den baulichen Gegebenheiten im Osten das gilt für den Autobahnbau, Bahnhofsbauten usw. – t es so, dass die Planungsund Verwaltungsvorgänge owie Ähnliches sehr schnell vonstattengingen. Peter öhlinger zum Beispiel hat in Jena gemeinsam mit othar Späth den Grundstein für die Goethe-Galerie gegt, ohne dass der Bauantrag von der eigenen Verwalng bestätigt worden war. Auch das zeigt Flexibilität; a ist man nach vorne gegangen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Iris Gleicke [SPD]: Rechtsverstöße!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Diese Flexibilität und dieser Einfallsreichtum sind
eute gefragt, gerade in Zeiten der Krise. Da kann man
om Osten lernen und profitieren.

Trotzdem haben wir noch große Herausforderungen
u bewältigen. Die Wirtschaftskraft muss weiterhin in
en Fokus genommen werden. Wir haben eine kleintei-
ge Wirtschaftsstruktur. Richtig ist, dass der Osten von
leinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist.
ie Konzernzentralen – damit oftmals übrigens die For-

chungsabteilungen und die sehr guten Arbeitsplätze für
ochqualifizierte – befinden sich im Westen. Das ist

chwierig. Ich finde, da muss der Staat auch eine ge-
isse Verantwortung übernehmen, wenn die Konzerne
as an der Stelle so nicht leisten können. Natürlich ist es,
sgesamt gesehen, auch kein großer Beitrag, dass sich

ie Deutsche Bahn als einziger DAX-Konzern im Osten
efindet. Sie ist nämlich hier in Berlin vom Potsdamer
latz an den Nordbahnhof gezogen. Das ist schwierig
nd nicht hinzunehmen.

Darin liegt aber auch eine Chance. Die kleinen Unter-
ehmen sind beispielsweise viel flexibler als große. Sie
aben ihre Strukturen sehr schnell modernisiert, sind sehr
endig und auch innovativ. Überhaupt ist das Netzwerk
on außeruniversitären Forschungseinrichtungen gerade

Osten sehr stark. Die Ingenieure aus aufgelösten ehe-
aligen Kombinaten haben sich in wirtschaftsnahen For-

chungsinstitutionen etabliert. Das sind kleine, sehr
chnelle „Kampfeinheiten“ – wenn man so möchte –, die
en Mittelständlern, die keine Forschungsleistung erbrin-
en können, unwahrscheinlich viel helfen.

Auf einer Konferenz des Verbandes Innovativer Un-
rnehmen wurde kürzlich gesagt – ich wusste das gar
icht; vielleicht wissen Sie es auch nicht –: Kleine Un-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18041

Patrick Kurth (Kyffhäuser)



(A) )


)(B)

ternehmen im Osten mit weniger als 50 Mitarbeitern ha-
ben deutschlandweit die größte Innovationskraft bei
Marktneuheiten. – Marktneuheiten kommen also zum
überwiegenden Teil von kleinen Unternehmen im Osten
mit weniger als 50 Mitarbeitern. Das fand ich außeror-
dentlich erstaunlich. Ich wusste das nicht; dazu sage ich
aber: Herzlichen Glückwunsch!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich fand sehr wichtig, was
diese Bundesregierung umgestellt hat. Sie stellte von ei-
nem reinen Ressortdenken „Aufbau Ost“ – dabei ging es
vor allen Dingen um Bauen, nur im Osten – auf ein Den-
ken in Richtung einer gesamtdeutschen Herausforderung
um. Das ist es ja auch. Wir haben ein demografisches
Problem in Gesamtdeutschland. Das wird zuerst den Os-
ten betreffen, und zwar viel stärker und intensiver als
Westdeutschland. Insofern muss die Bundespolitik na-
türlich darauf reagieren.

Wir haben in diesem Zusammenhang mehrere Kon-
zepte vorgelegt: So wurden gemeinsam mit den ostdeut-
schen Ländern Handlungskonzepte erarbeitet und in
diesem Herbst herausgebracht. Wir haben den Demo-
grafiebericht vorgelegt. Das ist ein sehr wichtiger Be-
richt, an dem alle Ressorts mitgearbeitet haben. Anfang
nächsten Jahres wird die Demografiestrategie der Bun-
desregierung herauskommen.

Damit haben wir – was ich sehr wichtig finde – Fol-
gendes erreicht: erstens eine Abkehr von der bisherigen
staatlichen Reaktion auf die Folgen der älter werdenden
Gesellschaft, zweitens die Einbeziehung aller Fachberei-
che und drittens eine Betrachtung der Problematik im
gesamtdeutschen Kontext. Das ist eine ganz erheblich
andere Weichenstellung, als sie in den Jahren zuvor un-
ter den mittlerweile unbekannten Ostministern Tiefensee
und Schwanitz erfolgt ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir setzen nicht auf Rück-
bau, sondern wir setzen jetzt auf Modernisierung. Wir
setzen darauf, dass das verkehrliche Leben auch in aus-
gedünnten und überalterten Regionen aufrechterhalten
wird. Wir setzen insbesondere darauf, dass die Dezentra-
lität der Energieversorgung gewährleistet werden kann
und entsprechend aufgebaut wird. Mit diesem Konzept
wird die Sicherung der privaten und öffentlichen Infra-
struktur in allen Regionen gelingen. Das ist eine riesige
Herausforderung. Wir stellen uns dieser Herausforde-
rung.

Vorhin haben wir über das Lohnniveau gesprochen.
Ich möchte es noch einmal deutlich machen: Der Osten
hat ein erheblich niedrigeres Lohnniveau als der Westen.
In Thüringen verdient man am wenigsten, muss dafür
aber statistisch gesehen am längsten arbeiten. Das ver-
stehen wir nicht. Auf der anderen Seite sind wir in Thü-
ringen sehr arbeitsfreudige Menschen.

Eines ist aber außerordentlich wichtig: Wenn wir als
Koalition beispielsweise einen Plan zur Entlastung eben-
dieser kleinen und mittleren Einkommen vorlegen und

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(C (D agen: „Wir wollen den Mittelstandsbauch und die kalte rogression eingrenzen und bekämpfen, ir wollen das umsetzen, was in Ihrem Wahlprogramm ur kalten Progression steht“, und das im Bundestag bechließen, dann freuen wir uns darauf, beim Aufbau Ost emeinsam voranzugehen und auch im Bundesrat in Beug auf die Steuersenkung im nächsten Jahr eine überiegende Mehrheit zu erzielen. Der BKM ist gerade da, darum will ich ganz schnell agen – auch wenn ich eigentlich keine Zeit mehr habe –: uch dem BKM sei gedankt für die Aufbauund Aufareitungsleistung. Wir geben erhebliche Summen für die ufarbeitung aus. Der Bundesrat hat ein ganz schwieriges Signal an den esten ausgesendet. Als wir das Stasi-Unterlagengesetz erlängert haben, haben die Ostländer auf Drängen der PD dagegen gestimmt. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Trauerspiel!)


(Iris Gleicke [SPD]: Großer Gott!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Westen haben das SPD-regierte Hamburg und das
PD-mitregierte Baden-Württemberg dafür gestimmt.
h sage Ihnen: Das ist ein sehr schwieriges Signal. Wol-
n wir einen Schlussstrich ziehen unter die DDR-Fol-
en?


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


ann reden wir nämlich ganz schnell auch über den So-
darpakt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715010900

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Patrick Kurth (FDP):
Rede ID: ID1715011000

Davor will ich warnen. Überlegen Sie wirklich, wie

ie politisch wo handeln und wo nicht. An dieser Stelle
aben Sie falsch gehandelt.

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten. Auf eine gute
usammenarbeit im nächsten Jahr!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715011100

Das Wort hat nun Dietmar Bartsch für die Fraktion

ie Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715011200

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Wir haben in dieser Woche – kurz vor Weihnachten –
ehr spannende Debatten zur Europapolitik und zur Fi-
anzpolitik gehabt. Wir haben alle gemeinsam feststel-
n können, dass die Bundesregierung all diese Dinge
icht im Griff hat und dass sie nicht weiß, welchen Kurs
ie einschlagen soll.

18042 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Dietmar Bartsch


(A) )


)(B)

Heute, beim Bericht zum Stand der deutschen Einheit
2011, ist zu konstatieren: Diese Bundesregierung kann
auch deutsche Einheit nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was Herr Bergner hier geboten hat, war wirklich eine
Luschenrede. Damit repräsentiert er die Ostdeutschen
keinesfalls.

Der Jahresbericht, den Sie vorlegen, ist immer noch
sehr umfangreich. Er ist sehr spät eingereicht worden,
und er ist vor allen Dingen ausgesprochen einseitig. Die
Defizite werden entweder überhaupt nicht benannt, oder
sie werden so dargestellt, als wenn das Ganze trotz einer
sehr weisen Politik der Bundesregierung so sein müsste.

Ich kann nur eines ganz klar sagen: Das erinnert mich
fatal an Erfolgsbilanzen und Erfolgsgeschichten, die ich
mir vor 1989 hin und wieder anhören musste.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Darin kennen Sie sich aber nicht so gut aus!)


Die Linke widerspricht dieser selbstgefälligen Dar-
stellung entschieden. Ich will Ihnen auch ganz klar ohne
Wenn und Aber sagen: Wir ignorieren überhaupt nicht
die positiven Entwicklungen. Davon gibt es eine ganze
Menge. Das ist auch die Gelegenheit, den Ostdeutschen
und den Westdeutschen Danke zu sagen für den solidari-
schen Beitrag, den sie geleistet haben.

Ein Blick auf die Infrastruktur in Ostdeutschland
zeigt, dass sie sich wirklich sehen lassen kann. Wir kön-
nen alle gemeinsam stolz sein auf das Erreichte;


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Aber?)


aber es ist – das ist klar und eindeutig – kein Verdienst
der Bundesregierung.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Aber, aber, aber! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es ist ein Verdienst der Linken, oder was?)


Um Ihnen ein anderes Beispiel zu nennen: In dem Be-
richt steht, dass die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder
in den neuen Ländern besser sind. Das ist doch wunder-
bar. Warum können wir nicht den Westdeutschen einmal
die Gelegenheit geben, auf Ostniveau gehoben zu wer-
den?


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Das haben wir doch vor!)


Warum schaffen wir es nicht, dass das auch in den alten
Ländern durchgesetzt wird? Da können Sie doch nicht
das Gegenteil machen, also die ostdeutschen Länder fi-
nanziell strangulieren und ihnen so die Möglichkeit neh-
men, das zu finanzieren. Entscheidend ist: Die Defizite,
die es gibt, existieren auch wegen der Politik dieser Bun-
desregierung und ihrer Vorgängerin. Die Menschen in
den neuen Ländern werden auch nach gut 20 Jahren

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(C (D eutscher Einheit bei vielen Fragen hingehalten. Sie haen natürlich das Gefühl, dass dies die klassische CDUolitik des Aussitzens ist. Wir können doch klar und deutlich feststellen: Die Lüke zwischen Ost und West bei der ökonomischen Leisngskraft und bei den Lebensverhältnissen ist weiterhin rheblich. Ich will Ihnen einige Fakten nennen – darauf urde eingegangen –: Die Erwerbslosenquote betrug im ovember 2011 in den alten Ländern 5,5 Prozent, in den euen Ländern 10,2 Prozent; das ist immer noch nahezu as Doppelte. Wenn man zudem feststellt, dass der Anteil es Niedriglohnsektors in den neuen Ländern doppelt so roß ist wie in den alten Ländern, dann wird der Skandal eutlich. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ uss doch wenigstens in Deutschland gelten, aber es gilt icht; das ist die Realität. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie schreiben in dem Bericht, dass die Arbeitslosen-
ahl in den neuen Ländern unter 1 Million liegt. Wenn
ie sich das Ausmaß der Abwanderung aus dem Osten
nd die Zahl der Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich
or Augen führen, dann erkennen Sie, dass man auf die-
es Ergebnis wirklich nicht stolz sein kann. Es ist in der
ealität so, dass das Lohnniveau in den neuen Ländern
mer noch bei 80 Prozent des Niveaus in den alten

ändern liegt. Das ist nicht zu akzeptieren. Es bleibt da-
ei – ich habe es eben gesagt –: Gleicher Lohn für glei-
he Arbeit.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir hatten gerade die große Debatte zu den Renten.
err Bergner, das, was Sie hier gesagt haben, heißt im
lartext: Sie wollen keine Veränderung. Sie sagen: Die
ohnentwicklung ist nun einmal so; wir machen nichts. –
h kann Ihnen nur sagen: In Ihrem Koalitionsvertrag

teht, dass die Angleichung der Renten in dieser Legisla-
r vollzogen werden soll. Nichts dergleichen passiert.
s ist immer noch so, dass es ungleiche Renten bei glei-
her Lebensleistung gibt. Es kann nicht sein, dass die
öhe der Rente vom Geburtsort abhängig ist. Das wer-
en wir nicht akzeptieren. Sie werden von uns immer
ieder Anträge dazu im Bundestag vorgelegt bekom-
en, damit diese Ungerechtigkeit zwischen Ost und
est endlich aufhört.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Rüdiger Veit [SPD])


Auf der Besuchertribüne sitzen ein paar Gäste aus
orpommern. Sie könnten ganz viel darüber erzählen,
ie es dort aussieht: Viele Menschen wandern ab, weil

ie keine Chance erhalten. Das würde jetzt aber zu weit
hren.

Die Linke fordert einen Mentalitätswechsel und einen
urswechsel in der Politik für Ostdeutschland.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: „Mentalitätswechsel“! Das ist ja nicht zu viel verlangt! Das können wir bis Weihnachten noch erreichen!)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18043

Dr. Dietmar Bartsch


(A) )


)(B)

Machen Sie endlich Ihre Wahlversprechen von 2009
wahr! Sie müssen den Osten zur Chefsache machen. Sie
können hier nicht mit irgendeinem Staatssekretär agieren,
der lediglich hin und wieder luschig vorträgt. Stattdessen
brauchen wir einen Staatsminister für Ostdeutschland.
Wenn Sie dafür keinen Kompetenten von der Linken neh-
men, dann nehmen Sie zumindest einen Kompetenten aus
Ihren Reihen, damit hier endlich etwas passiert.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie müssen erkennen, dass der Aufbau Ost als Nach-
bau West gescheitert ist. Wir brauchen einen Wechsel in
der Politik. Ein selbsttragender Aufschwung ist möglich;
eine nachhaltige Entwicklung Ostdeutschlands ist mög-
lich. Wir haben doch in den neuen Ländern auf vielen
Feldern wirklich einen Erfahrungsvorsprung. Sogar Sie,
Herr Kurth, haben den einen oder anderen Vorsprung ge-
nannt, zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien oder
im Gesundheitswesen. Der Begriff „Poliklinik“ ist in-
zwischen auch vielen Westdeutschen bekannt; da kann
man einiges lernen. Auch im Bereich der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf und nicht zuletzt bei der Moder-
nisierung von schrumpfenden Städten kann man im Os-
ten einiges lernen. Mit einem zwinkernden Auge kann
ich auch sagen – die Bundeskanzlerin würde das sofort
bestätigen –: Wir haben einen kleinen Vorsprung, was
Sprachkompetenz in Russisch und Polnisch betrifft.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sollten ihn wirklich einmal nutzen, gerade auch für
den Aufbau in den neuen Ländern.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich kann die Bundesregierung nur auffordern, zielori-
entierter etwas für den Osten zu tun und den grundge-
setzlichen Auftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse zu
schaffen, endlich umzusetzen. Denn wir können mit sehr
großem Selbstbewusstsein sagen: Wenn man etwas für
den Osten tut, dann tut man auch etwas für den Westen
und für unser gesamtes Land.

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und einen gu-
ten Rutsch.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715011300

Das Wort hat nun Stephan Kühn für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715011400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Be-

richt zum Stand der deutschen Einheit ist ein Bericht
ohne Neuigkeiten und Ideen, der uns jedes Jahr routine-
mäßig vorgelegt wird. Auf vielen Seiten werden die
Zahlen einfach nur aktualisiert. Mit vorweihnachtlicher
Stimmung wird der Bericht dann noch schnell im Ple-
num abgearbeitet.

Routine können wir uns angesichts der Herausforde-
rungen und der Probleme, die im Osten Deutschlands
weiterhin bestehen, einfach nicht leisten.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


ir brauchen einen Minister, der sich sichtbar und hörbar
r das Thema Aufbau Ost engagiert und Ideen einbringt.
as setzt übrigens seine Teilnahme an solchen Debatten
oraus. Stattdessen legt er uns einen Bericht vor, in dem
ersucht wird, den Aufbau Ost als reine Erfolgsge-
chichte darzustellen und Probleme einfach zu glätten. In
er Pressemitteilung zum Bericht heißt es zum Beispiel:

Der Bericht belegt, dass das ostdeutsche Brutto-
inlandsprodukt weiterhin ansteigt und sich dem
BIP-Niveau im Westen annähert.

enn man sich die entsprechende Grafik zur Pressekon-
renz anschaut, dann wird deutlich: Seit 1996 gibt es

ei der Annäherung eine Stagnation. Das muss man ehr-
ch benennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es gibt zweifelsfrei wirtschaftliche Erfolgsgeschich-
n; der Wachstums- und Jobmotor erneuerbare Energien
t zum Beispiel eine. Diese werden aber durch die Poli-
k der Bundesregierung gefährdet. In der Pressemittei-
ng zum Bericht werden die erneuerbaren Energien lo-

end erwähnt:

Es gilt, die Chance aus der Energiewende für den
ostdeutschen Arbeitsmarkt zu ergreifen und die
Vorreiterrolle der Neuen Länder bei Umwelttechno-
logien weiter auszubauen.

as hören wir aber von Wirtschaftsminister Rösler? Er
ill die Solarförderung massiv kürzen


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist dringend notwendig! – Ulrich Petzold [CDU/ CSU]: Ein sehr guter Vorschlag!)


nd den Zubau von erneuerbaren PV-Anlagen im nächs-
n Jahr bei 1 Gigawatt deckeln. Letztes Jahr gab es ei-
en Zubau von 7 Gigawatt, dieses Jahr sind es 6,5 Giga-
att. Wenn die Deckelung kommt, bedeutet das: Die
stdeutsche Solarindustrie wird in die Knie gezwungen,
nd Arbeitsplätze werden massiv gefährdet.


(Zuruf von der CDU/CSU: 7 Milliarden Euro kostet das an Subventionen!)


Bericht lobt man sich dafür, dass diese Branche ins-
esamt 85 000 Arbeitsplätze sichert.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Besonders am heutigen Tag trägt die Solarbranche einen großen Anteil an der Wertschöpfung in Deutschland!)


wischen Tun und Handeln gibt es eine riesige Diffe-
nz. Das wird hier deutlich.

Die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirt-
chaft wird durch falsche Prioritäten beim Infrastruktur-
usbau behindert.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Den Wind, der notwendig ist, machen Sie am Rednerpult!)


18044 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Stephan Kühn


(A) )


)(B)

Eine Studie der TU Dresden hat sich mit der Anbindung
der deutschen Städte an den Schienenpersonenfernver-
kehr beschäftigt. 80 Städte wurden untersucht. Schaut
man sich an, wie es bei den ostdeutschen Städten aus-
sieht, dann stellt man fest, dass Magdeburg als erste ost-
deutsche Stadt auf Platz 53 liegt und auf den letzten zehn
Plätzen – also 70 bis 80 – viele ostdeutsche Städte: Jena,
Dresden, Rostock, Chemnitz und Cottbus.

An dem neuen Investitionsrahmenplan, den uns Herr
Ramsauer in den letzten Tagen vorgelegt hat, wird deut-
lich: Daran wird sich in den nächsten Jahren nichts än-
dern. Das Geld geht nach Bayern. Regionen, die wirt-
schaftlich stark sind und aus Gründen des Wettbewerbs
auf den Fernverkehr und einen funktionierenden Güter-
verkehr angewiesen sind, bleiben weiter abgeschlagen.

In der Region Chemnitz leben 1 Million Menschen.
Seit fünf Jahren haben wir die Situation, dass dort kein
einziger Fernverkehrszug mehr hält, weil die Infrastruk-
tur nicht ausgebaut ist: keine durchgehende Elektrifizie-
rung der Sachsen-Franken-Magistrale, der Mitteldeutsch-
land-Verbindung. Auch auf der Strecke Dresden–Berlin
ist der Ausbau auf durchgehend Tempo 200 km/h nicht
gesichert. All das wird auf die lange Bank geschoben. Das
verhindert, dass die Regionen wettbewerbsfähig sind.

Aus den richtigen Erkenntnissen, die im Bericht dar-
gestellt werden, folgen keine politischen Schlussfolge-
rungen; denn wenn man die Bedeutung der Städtebauför-
derung lobt, dann müsste man die erfolgte Kürzung
zurücknehmen. Das tut man aber nicht.


(Iris Gleicke [SPD]: So ist das!)


In anderen Redebeiträgen wurde im Zusammenhang
mit dem Thema Forschung und Entwicklung auf die Un-
ternehmensstruktur hingewiesen, die dafür sorgt, dass
nur 5 Prozent der Forschung in Industrieunternehmen im
Osten Deutschlands stattfinden. Diese Erkenntnis ist
nicht neu. Da stellt sich die Frage: Wie bekommen wir
Innovations-, Wissens- und Technologietransfer bei-
spielsweise von den Hochschulen in die kleinen und mit-
telständischen Unternehmen und schaffen so regionale
Wertschöpfung und sichern damit den Mittelstand?


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Die HightechStrategie der Bundesregierung! Sie macht das ganz hervorragend!)


Gerade die Fachhochschulen sind ein „schlafender
Riese“. Ich will das in Zahlen verdeutlichen. Während
ostdeutsche Universitäten pro Professor 80 000 Euro
Drittmittel einwerben, sind es bei den Fachhochschulen
nur 12 000 Euro. Wenn man überlegen würde, wie man
Fachkräfte in der Region halten will und wie man richtig
in die Infrastruktur investiert, dann müsste man dieses
Potenzial erkennen und bei den ostdeutschen Fachhoch-
schulen etwas tun. Das tun Sie aber nicht.

Sie legen uns regelmäßig Berichte vor. Angesprochen
wurde das Handlungskonzept „Daseinsvorsorge im de-
mografischen Wandel zukunftsfähig gestalten“, in dem
viel versprochen wurde. Die fünf ostdeutschen Länder
und die Bundesregierung waren daran beteiligt. Bei die-
sem Konzept ist es genau so wie bei dem Bericht, über

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(C (D en wir jetzt reden: Die Situation wird beschrieben, und enn man schaut, ob Lösungen präsentiert werden, stellt an fest, dass man über den Status von Modellprojekten icht hinausgeht. Die Frage, wie die soziale und techniche Infrastruktur künftig an den demografischen Wanel angepasst und umgebaut werden soll und wie das zu nanzieren ist, lässt dieser Bericht offen. Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Ich komme zum Schluss. – So ist es auch mit dem Be cht zum Stand der Deutschen Einheit. Legen Sie uns endlich einen Bericht vor, in dem die robleme ehrlich benannt werden, in dem sie nicht ausespart werden. Bringen Sie konkrete Lösungsvorchläge, und ruhen Sie sich nicht auf Erfolgen aus. Herzlichen Dank. Das Wort hat nun Manfred Behrens für die CDU/ SU-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten olleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen nd Herren! Die deutsch-deutsche Wiedervereinigung egt nunmehr 21 Jahre zurück. Die Bilanz, die anlässlich es 20. Jubiläums im vergangenen Jahr gezogen wurde, t mir noch sehr gut in Erinnerung. Der Einigungsprozess ist gekennzeichnet durch viele eilensteine auf unterschiedlichen Gebieten. Ein sehr ichtiges und viel diskutiertes Teilgebiet ist die Wirt chaft. Hier muss man ganz deutlich anmerken, dass die inanzkrise seit 2008 die Angleichung von Ost und West ben nicht unterbrochen hat. Im vergangenen Jahr bechtete ich an dieser Stelle davon, dass die Wirtschaftsistung der neuen Bundesländer seit der Wiedervereiniung von 43 auf 73 Prozent des Westniveaus gestiegen t. Inzwischen hat sich die Wirtschaftsleistung weiter ngeglichen: Inzwischen kann ein Wert von nahezu 0 Prozent verzeichnet werden. Das kontinuierliche irtschaftswachstum ist sehr erfreulich. Noch erfreuli her ist die Tatsache, dass das Wachstum krisensicher nd krisenresistent ist. Die positiven Entwicklungen in Deutschland lassen ich aber nicht nur auf den Wirtschaftssektor begrenzen. uch der wichtige Bereich des Arbeitsmarktes kann mit ehr guten Werten glänzen. Nach der Wiedervereinigung Jahr 1990 waren 30 Prozent der Menschen in den euen Ländern ohne Arbeit. Inzwischen sank der Wert uf 10 Prozent in den neuen Ländern und auf 6,5 Prozent eutschlandweit. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18045 Manfred Behrens )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715011500
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715011600

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715011700

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Manfred Behrens (CDU):
Rede ID: ID1715011800

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(A) )

In meinem Wahlkreis, in der Börde und im Jerichower
Land, liegt die Quote aktuell bei 7 bzw. 9 Prozent.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wie macht ihr das nur?)


Die Tendenz ist erfreulicherweise weiter sinkend; denn
der deutsche Arbeitsmarkt hat sich als robust gegen Kri-
sen erwiesen.

Sachsen-Anhalt betreffend wird aktuell die Infra-
struktur stark verbessert. Die Bundesautobahn A 2 vom
Ruhrgebiet über Magdeburg nach Berlin gilt als bedeu-
tende Ost-West-Achse.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Der Investitionsrahmenplan hat doch aber für die nächste Legislaturperiode geringere Zahlen, Herr Kollege! Das ist doch richtig gestoppt worden! – Gegenruf des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/ CSU]: Hören Sie dem Kollegen einmal zu!)


Diese sogenannten autobahnnahen Gewerbeflächen


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Da geht er nicht drauf ein!)


erhöhen nicht nur das Warenangebot für Bewohner in
der Region, sondern bieten den Menschen auch Arbeit
und Zukunft. Ich freue mich ganz besonders darüber,
dass die Nordverlängerung der Bundesautobahn A 14
von Magdeburg nach Schwerin nunmehr realisiert wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Von Leipzig nach Schwerin! – Hans-Joachim Hacker [SPD]: Erster Spatenstich, Herr Kollege! Sehr gut, aber nicht durchfinanziert!)


Der Ausbau der A 14 ist für die Menschen in der Börde
und im angrenzenden Jerichower Land und auch in der
Altmark von größter Bedeutung; denn die Verkehrspro-
gnose, die vom Bundesministerium in Auftrag gegeben
wurde, besagt, dass auf der A 14 abschnittsweise bis zu
39 000 Fahrzeuge täglich fahren werden.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo soll denn der Verkehr herkommen? – Gegenruf des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Aus Sachsen!)


Diese Tatsache wird den Menschen zugutekommen.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welchen Menschen denn?)


Denn der enge Zusammenhang zwischen Infrastruktur-
ausstattung und regional-wirtschaftlicher Entwicklung
ist bekannt. Die sogenannten autobahnnahen Gewerbe-
flächen werden das Beschäftigungswachstum in den
Branchen Logistik, Verkehr und Großhandel deutlich an-
kurbeln.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Ergebnis dürfte damit die Arbeitslosigkeit in Sach-
sen-Anhalt nachhaltig sinken.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Aber in Sachsen auch!)



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(C (D Stimmt, auch in den anderen neuen Ländern. Aber wir den hier von der A 14. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Die geht auch durch Sachsen!)


Zudem können neue Wirtschaftsstandorte entstehen
nd potenzielle Investoren angelockt werden. Seitens
er Politik wurde an dieser Stelle ein wichtiger Beitrag
eleistet, um durch eine verbesserte Infrastruktur neue
ukunftsmöglichkeiten entstehen zu lassen.

Die deutsche Einheit wurde 1990 vollzogen. Seither
ächst die Bevölkerung in Ost und West zusammen. Das
eschieht keinesfalls immer geräusch- oder problemlos,
ber es geschieht, und die Politik hilft, unterstützt und
estaltet.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Genau!)


ir sind auch 21 Jahre nach der deutsch-deutschen Wie-
ervereinigung an einem geeinten, wirtschaftlich stabi-
n und lebenswerten Deutschland interessiert.

Ich wünsche Ihnen frohe Festtage und ein erfolgrei-
hes 2012.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715011900

Das Wort hat nun Daniela Kolbe für die SPD-Frak-

on.


(Beifall bei der SPD)



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1715012000

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

ollegen! Alle Jahre wieder, das ist nicht nur der Titel
ines schönen Weihnachtsliedes, sondern beschreibt
uch ein bisschen die Haltung, mit der diese Bundesre-
ierung den Bericht zum Stand der deutschen Einheit
rmuliert hat. Ich habe ihn mehrfach gelesen. Es han-

elt sich um uninspiriertes und weitestgehend oberfläch-
ches Geschreibe auf über 100 Seiten. Wenn man zum
usblick in dem Bericht kommt und hofft, dass es nun
teressant wird, findet man eine Dreiviertelseite; das ist

icht wirklich viel. Ich lese ein Viertel des Ausblicks aus
em Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deut-
chen Einheit vor:

Die in Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes er-
wähnte Herstellung gleichwertiger Lebensverhält-
nisse in Deutschland bleibt das Ziel. Gleichwertig-
keit bedeutet aber gerade nicht Gleichheit: Trotz
weit fortgeschrittener Einheit werden und dürfen
regionale Unterschiede in Wirtschaft und Gesell-
schaft bestehen bleiben.

as ist also der Ausblick der Bundesregierung.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Richtig!)


Sie sagen „richtig“. – Ich interpretiere das Grundgesetz
nders. Nach meiner Auffassung muss die Politik mit al-
r Kraft daran arbeiten, gleichwertige Lebensverhält-
isse herzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


18046 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Daniela Kolbe (Leipzig)



(A) )


)(B)

Das, was Sie den Ostdeutschen präsentieren, ist schon
ein merkwürdiger Ausblick. Im Bericht spiegelt sich
Ihre Haltung generell wider. Die Quintessenz lautet: Im
Osten ist alles super. Wo es nicht super ist, hat die Bun-
desregierung eine einfache Lösung, oder sie findet sich
mit der Ungleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ab. –
Dieser Bericht ist aus meiner Sicht nichts anderes als die
Verabschiedung von jeglicher Kraftanstrengung für den
Aufbau Ost. Das ist keine frohe Botschaft, sondern eine
verheerende Nachricht für die Menschen im Osten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch eine merkwürdige Haltung zur Realität zeichnet
den gesamten Bericht aus. Alles ist gut. Die Langzeitar-
beitslosigkeit und das Lohnniveau kommen gar nicht
bzw. nur ganz knäpplich vor, genauso wie viele andere
große Probleme in den neuen Ländern. Ob Altersarmut
in Ostdeutschland zum Problem werden könne, könne
man nicht sagen. Ich habe folgende Rückfrage an Sie,
Herr Bergner, und auch an den Minister: Wollen Sie die
Ostdeutschen veralbern?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Schröder hat die sieben Jahre lang veralbert!)


Ich jedenfalls habe mich nach dem Lesen dieses Berichts
veralbert gefühlt. Es war kein Problem, auf fünf Seiten
unseres Entschließungsantrags mehr Substanz hinzube-
kommen als auf den über 100 Seiten Ihres Berichts.

Wir müssen weiterhin Kraftanstrengungen unterneh-
men, um die kniffligen Probleme zu lösen, die sich stel-
len. Die Lösung des kniffligen Rentenproblems haben
Sie offensichtlich komplett aufgegeben. Aber auch im
Bereich des Arbeitsmarkts sehe ich schwarz. Dabei ha-
ben wir es im Osten mit einem wirklich kniffligen Pro-
blem zu tun.

Einerseits sind wir konfrontiert mit einer verfestigten
Langzeitarbeitslosigkeit und mit Menschen, die Brüche
in ihren Biografien haben und nicht ohne Weiteres wie-
der in Erwerbstätigkeit kommen können; darunter sind
viele Ingenieure, teilweise mit gebrochenem Selbstwert-
gefühl. Andererseits sehen wir uns mit einem Fachkräf-
temangel ohnegleichen konfrontiert. Er wird schon jetzt
sichtbar, und er wird noch deutlich gravierender werden.
Dieses Thema wird auch für die Wirtschaft zu einer Zu-
kunftsfrage werden; es wird zu einer Existenzfrage für
zahlreiche ostdeutsche Betriebe werden.

Ja, dieses Thema findet sich auch im Bericht wieder,
allerdings nur unter dem Aspekt der Kooperationsförde-
rung und der Nutzung von ausländischen Fachkräften.
Natürlich sind beides wichtige Aspekte, und es gibt auch
gute Ansätze, zum Beispiel in der Lausitz, wo kleine und
mittlere Betriebe explizit zum Beispiel in der Frage des
Altersdurchschnitts ihrer Beschäftigten beraten werden
und wo es Kooperationen gibt, damit Betriebe gemein-
sam Fachkräfte weiterbilden und in der Region halten
können. Aber glauben Sie wirklich, dass bei dem gegen-
wärtigen Lohnniveau in den neuen Ländern Fachkräfte

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(C (D nd junge Leute gehalten werden können? Glauben Sie irklich, dass man bei diesem Lohnniveau Menschen us dem Ausland anwerben kann, die dann im Osten eutschlands bleiben? Das habe ich auch Minister riedrich gefragt; denn das Thema Lohnniveau wird bei er Fachkräftedebatte überhaupt nicht erwähnt. Einen usammenhang zwischen Lohnniveau und Fachkräfteangel im Osten Deutschlands hat der Minister jedoch erneint. Er hat gesagt, ein solcher bestünde in diesem all nicht. Das ist wirklich ein ganz toller Aufbau-Ostinister! Aus meiner Sicht brauchen wir Kreativität, Kraft, Enagement und pfiffige Ideen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dafür brauchen wir ja nicht die SPD! – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Gegenrufe von der CDU/CSU: Sehr gut! Richtig!)


Wir brauchen jedenfalls nicht einen Minister Friedrich,
er uns erzählt, dass das Lohnniveau im Osten überhaupt
ein Problem darstelle. Er ist eine absolute Fehlbeset-
ung.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Doch, aus meiner Sicht ist er eine absolute Fehlbeset-
ung.


(Beifall bei der SPD)


an sollte die Ostdeutschen einmal fragen, was sie von
errn Friedrich als Aufbau-Ost-Minister halten.

Kreativität, Kraft und Engagement wären nötig, damit
ie neuen Länder ein Vorbild für die alten Länder wer-
en können. Denn Fachkräftemangel und demografi-
cher Wandel sind ja auch schon dort in Ansätzen sicht-
ar. Doch bei dieser Regierung: komplette Fehlanzeige!
h kann nur noch einmal sagen, dass dieser Bericht über

en Stand der Deutschen Einheit ein Bericht über den
otalausfall dieser Regierung beim Thema Aufbau Ost
t.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715012100

Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-

gen Arnold Vaatz für die CDU/CSU-Fraktion das
ort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1715012200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Die Entwicklung in Ostdeutschland kann nur
ann als mangelhaft betrachtet werden, wenn man zwei
esentliche Vergleichsebenen außer Acht lässt. Die erste
bene ist die des Vergleichs mit unseren früheren sozia-
stischen Brüdern und Schwestern in Osteuropa, mit der
ortigen sozialen Differenzierung, den dortigen Wachs-
mszahlen, den dortigen Löhnen und den dortigen Per-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18047

Arnold Vaatz


(A) )


)
spektiven. Die zweite Ebene ist die des Vergleichs mit
der Situation, in der wir 1990 gestartet sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ohne Berücksichtigung dieser beiden Vergleichsebenen
bleibt alles, was wir hier besprechen, Makulatur.

Meine Damen und Herren, es ist uns unterstellt wor-
den, der Osten sei uns egal. Ich spreche für meine Kolle-
gen, die auf der rechten Seite des Parlaments sitzen: So-
fern sie aus Ostdeutschland kommen, haben sie ihren
Entschluss, in die Politik zu gehen, gefällt, weil sie lei-
denschaftlich daran interessiert waren, dass die deutsche
Einheit glückt. Und dabei bleiben wir auch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es schon noch ein paar andere!)


– Ich unterstelle auch Ihnen nicht, dass Sie ohne diese
Emotion gekommen sind.

Was uns aber möglicherweise unterscheidet, ist unser
Staatsverständnis. Für uns als christliche Demokraten ist
Ostdeutschland eben nicht ein im Wald verirrtes Kind,
das durch einen allwissenden Staatsminister in die rich-
tige Richtung geführt werden muss.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird jetzt aber doch peinlich!)


Vielmehr besteht Ostdeutschland aus Menschen, die
Kraft, Initiative, Selbstbewusstsein und Perspektiven ha-
ben. Diese Perspektiven wollen wir freilegen, und zwar
nicht, indem wir an die Stelle der Menschen treten, son-
dern indem wir dem menschlichen Handeln in Ost-
deutschland Rahmenbedingungen geben, durch die sich
eine menschliche Perspektive entfalten kann. Das ist in
den letzten Jahren hervorragend gelungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Noch eine kurze Bemerkung zum Ton


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Ihrem Ton!)


und zur Atmosphäre dieser Auseinandersetzung über
den Bericht zum Stand der Deutschen Einheit. Die Men-
schen in Ostdeutschland erwarten aus diesem Haus ein
Signal, dass man ihre enormen Anstrengungen, ihre Fle-
xibilität und ihre teilweise vorhandene Verzichtsbereit-
schaft anerkennt, dass man also sagt: Das, was ihr in den
letzten Jahren geleistet habt, ist außergewöhnlich und
verdient höchste Anerkennung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie
brauchen die Regierung ja nicht zu loben, aber dieser
Zungenschlag muss eine solche Debatte dominieren und
darf keine Randerscheinung sein.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Das ist doch der Punkt: Wenn wir die Entwicklung in
Ostdeutschland vorantreiben wollen, dann müssen wir in

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(C (D rster Linie den Willen der Ostdeutschen anerkennen, an er Gestaltung einer vernünftigen Zukunft mitzuwirken, n dem eigenen Lebensstandard und an der eigenen Inastruktur zu arbeiten und für die eigenen Kinder zu soren. Wenn uns das nicht gelingt, wenn wir hier immer in iner Nabelschau verharren und in Larmoyanz versinken nd uns gegenseitig Fehler vorwerfen, die bisher keine eite vollständig ausmerzen konnte – jeder, der an dieem Pult steht, muss zugeben, dass wir eine Reihe von ehlern gemacht haben –, dann werden wir das Ziel, stdeutschland für sich selbst zu interessieren und die enschen dort zu motivieren, so viele der Probleme wie öglich mit eigener Kreativität selbst zu lösen, nicht erichen. So ist die Situation. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dagmar Ziegler [SPD]: Das machen wir schon! Keine Sorge!)


Leider ist meine Redezeit fast abgelaufen. Im Laufe
er Debatte habe ich einige Minuten meiner Redezeit
erloren, sodass ich jetzt nicht alle Punkte behandeln
ann wie geplant.

Ich möchte Ihnen aber – mit Ihrer Genehmigung, Herr
räsident – noch einen letzten Satz sagen. Es ist unred-
ch, wenn Sie sagen, dass in den letzten Jahren, beson-
ers im letzten Jahr, in Ostdeutschland eine Stagnation
ingetreten ist und in Westdeutschland alles besser ge-
ufen ist.


(Iris Gleicke [SPD]: Punkt!)


s ist im Gegenteil so: Ostdeutschland ist aus der Krise,
ie seit 2008 im Gange ist, im Großen und Ganzen bes-
er hervorgegangen


(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


ls die Regionen in Westdeutschland. Im Übrigen ist es
zwischen in vielen Bereichen auch so,


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Dritter Satz! Zählen kann er auch nicht!)


ass die Situation in Ostdeutschland, zum Beispiel hin-
ichtlich Langzeitarbeitslosigkeit, Löhne usw., der in
estdeutschland entspricht. Wir haben nicht nur in Ost-

eutschland, sondern mittlerweile auch in Westdeutsch-
nd strukturell schwache Gebiete.


(Iris Gleicke [SPD]: Nun ist aber gut!)


aher wird diese Differenzierung zwischen Ost und
est in der Tat zunehmend der Vergangenheit angehö-
n. Wir sollten uns überlegen, wie wir unsere gesamte
örderpolitik und Gesellschaftspolitik auf den Umstand
instellen, dass wir inzwischen zusammengewachsen
ind.


(Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Ich wünsche Ihnen, meine sehr verehrten Damen und
erren, ein schönes Weihnachtsfest und einen guten
utsch ins neue Jahr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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18048 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011


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Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715012300

Kollege Vaatz, jetzt könnten Sie sich aber bei mir für

meine außerordentliche Nachsicht bedanken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/7711 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Wir kommen nun zu den Entschließungsanträgen der
Fraktionen der SPD und der Linken. Interfraktionell ist
vereinbart, über die Entschließungsanträge auf Wunsch
der einbringenden Fraktionen abweichend von der Ge-
schäftsordnung sofort abzustimmen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann verfahren wir so.

Zunächst zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8152.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt.

Nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8153.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
antrag ist mit den Stimmen der vier Fraktionen gegen die
Stimmen der Linken abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 30 b. Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Innenausschus-
ses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
„Staatsminister für Ostdeutschland bestellen“. Der Aus-
schuss empfiehlt im seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 17/6242, den Antrag der Fraktion Die Linke
auf Drucksache 17/5522 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von vier Fraktionen gegen die Stimmen der
Linken angenommen.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 31 a und b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun
Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Dietmar Bartsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Mietrecht sozial gerecht weiterentwickeln

– Drucksache 17/4837 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Federführung strittig

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Kunert, Katja Kipping, Dr. Kirsten Tackmann,

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(C (D weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Mindeststandards bei der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung – Drucksache 17/7847 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Innenausschuss Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre azu keinen Widerspruch. Dann haben wir das so bechlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin eidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutsch nd ist überwiegend ein Mieterland. Von den insgesamt ber 40 Millionen Wohnungen hierzulande sind derzeit 4 Millionen Mietwohnungen. Der größte Teil der Beölkerung – nach meiner Überzeugung wird dieser Anil weiter wachsen – realisiert sein Wohnbedürfnis nicht ls selbstnutzender Eigentümer, sondern als Mieter. Vermieter und Mieter müssen sich nicht immer möen. Aber sie sind keine natürlichen Gegner. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das sieht in Ihren Anträgen aber anders aus!)


(Beifall bei der LINKEN)

Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715012400

ie sind wirtschaftlich und rechtlich aufeinander ange-
iesen. Deshalb sollten sie auch durch das Gesetz
leichgestellte Vertragspartner sein.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sie machen mit Ihren Anträgen das Gegenteil!)


as bestehende Mietrecht war dazu bisher durchaus
weckmäßig. Nun ist es allerdings ein wenig in die Jahre
ekommen.

Nicht nur vor der Wohnungswirtschaft, sondern auch
or der Gesellschaft als Gesamtheit stehen die Aufga-
en, flächendeckend, das heißt in Ballungsräumen und
schrumpfenden Regionen, eine bedarfsgerechte Ver-

orgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum
ozialverträglich sicherzustellen, die notwendige energe-
sche Sanierung des Wohnungsbestandes unverzüglich
nd konsequent in Angriff zu nehmen und Wohnungs-
eubau und -bestand auf ein Niveau zu bringen, das den
rfordernissen der demografischen Entwicklung gerecht
ird.

Dazu ist eine Weiterentwicklung des Mietrechts erfor-
erlich, die auf der Erkenntnis basiert, dass nicht die
ieter allein diese großen gesellschaftlichen Herausfor-

erungen meistern können, sondern dass, gerade weil es
ich um gesellschaftliche Herausforderungen handelt,
ie Gesellschaft als Ganzes und damit auch Vermieter
nd Staat stärker in die Verantwortung genommen wer-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18049

Heidrun Bluhm


(A) )


)(B)

den müssen. Die Zeiten, in denen sich Politiker auf die
bequeme Position „Der Wohnungsmarkt in Deutschland
ist gut, und den Rest regelt der Markt“ zurückziehen
konnten, sind definitiv vorbei.


(Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Früher wurden die Wohnungen ja immer zugeteilt, nicht wahr? – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Reden Sie mal zu Ihren Anträgen! Das sind doch alles Allgemeinplätze!)


Wir haben deshalb Anträge zur Weiterentwicklung
des Mietrechts und zu Mindeststandards bei der Ange-
messenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung vor-
gelegt, mit denen einerseits vermieden werden soll, dass
die zunehmenden finanziellen Belastungen einseitig an
das Ende der Verbraucherkette verlagert, also eins zu
eins an die Mieterinnen und Mieter durchgereicht wer-
den, und mit denen andererseits auch Vermieter und
Staat entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft
angemessen beteiligt werden können.

Unsere Forderungen, die im vorgelegten Antrag zur
Weiterentwicklung des Mietrechts enthalten sind, zielen
darauf ab, dass erstens Mieterinnen und Mieter über die
Qualifizierung der Mietspiegel die Mietentwicklung in
ihrer Region wirklich nachvollziehen können, also auch
Bestandsmieten zukünftig in den Mietspiegel einbezo-
gen werden, dass zweitens speziell in nachgefragten Re-
gionen keine Mietsteigerungen ohne entsprechende
Wohnwertsteigerung hingenommen werden müssen,
dass drittens Wohnen rechtlich gesichert und nicht zu ei-
nem Armutsrisiko wird und dass viertens die Lasten aus
der notwendigen energetischen Sanierung über die Mo-
dernisierungsumlage gerecht und wirtschaftlich ange-
messen verteilt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu reichen im Übrigen 5 Prozent Umlage, gemes-
sen an den Abschreibungs- und Lebenszyklen der Mo-
dernisierungsgüter, vollkommen aus, zumal die Moderni-
sierungskosten nach etwa neun Jahren durch die
Mieterinnen und Mieter bezahlt sind. Mir ist kein Fall be-
kannt, in dem ein Vermieter nach dieser Zeit die Miete in
Höhe dieser Modernisierungsumlage gemindert hätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag
zu den Kosten der Unterkunft wollen wir sicherstellen,
dass alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem
sozialen Status menschwürdig wohnen können und nicht
aus ihren Wohnungen bzw. Quartieren verdrängt wer-
den, nur weil sie Hartz IV beziehen. Bezieherinnen und
Bezieher von Sozialleistungen dürfen nicht wegen zu ge-
ringer Transferleistungen zum Umzug gezwungen wer-
den oder schlechtere Wohnbedingungen hinnehmen
müssen. In Report Mainz wurde am vergangenen Diens-
tag ja darüber berichtet.

Wir wollen verhindern, dass Hartz-IV-Beziehende nur
in ganz bestimmten Wohnvierteln wohnen und dadurch
vielleicht eine Gettoisierung entsteht. Daher schlagen
wir in unserem Antrag unter anderem ein Verfahren vor,
das bundesweit Anwendung finden sollte und durch das

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(C (D icht von Kommune zu Kommune je nach Kassenlage nterschiedliche Regelungen getroffen werden. Weil das Wohnen ein Existenzrecht ist, ist es ein so ohes gesellschaftliches Gut, dass es in die Verantworng der öffentlichen Daseinsvorsorge gehört (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Natürlich!)


nd entsprechend geschützt und geregelt werden muss.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Aber klar doch!)


Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wün-
che Ihnen auch im Sinne dieses Themas ein besinnli-
hes Weihnachtsfest.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Lang lebe die DDR!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715012500

Das Wort hat nun Jan-Marco Luczak für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: So, jetzt kommt die richtige Antwort aus Berlin!)



Dr. Jan-Marco Luczak (CDU):
Rede ID: ID1715012600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Frau Bluhm, ich dachte zuerst, Sie kom-
en gar nicht mehr zu Ihrem Antrag, nachdem Sie mit
uter Allgemeinplätzen in das Thema eingeführt haben.
um Schluss haben Sie wenigstens noch ein paar Worte
azu verloren. Das ist an dieser Stelle aller Ehren wert.

Die Linke konfrontiert uns in dieser Legislaturperiode
es Öfteren mit Anträgen zum Mietrecht. Im Prinzip
eht es dabei immer um das Gleiche, nämlich darum, das
ietrecht sozial gerecht auszugestalten. Das ist ohne

rage ein absolut anerkennenswertes Ziel. Auch und ge-
de die christlich-liberale Koalition hat sich diesem Ziel

erschrieben; denn in unserem Land gibt es in der Tat
4 Millionen Mietwohnungen, und für viele Mieter hat
as Thema wirklich eine existenzielle Bedeutung. Des-
egen ist der Erhalt eines ausgewogenen und sozialen
ietrechts für uns, die Union, eine bare Selbstverständ-

chkeit, und ich sage auch: Wir brauchen die Linke
icht, um uns daran zu erinnern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN: Doch!)


Wenn wir uns den Antrag der Linken einmal genau
nschauen, dann stellen wir sehr schnell fest, dass hier
on einer sozial gerechten oder gar ausgewogenen Rege-
ng in keiner Weise gesprochen werden kann. Es

ommt sogar noch schlimmer: Wirtschaftlicher Unver-
tand kommt noch obendrauf.

Ich nenne zum Beispiel die qualifizierten Mietspiegel,
ie Sie hier flächendeckend einführen wollen. Ich habe
berhaupt nichts dagegen. Sie können durchaus ein
ichtiger Beitrag dazu sein, dass die Mieterinnen und

18050 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Jan-Marco Luczak


(A) )


)(B)

Mieter ein Bewusstsein etwa für die energetische Be-
schaffenheit ihres Wohnraums entwickeln. Qualifizierte
Mietspiegel sind aber bereits nach geltendem Recht
– nach § 558 d Bürgerliches Gesetzbuch – ohnehin mög-
lich. Sie haben in Ihrem Antrag in keiner Weise darge-
legt, wieso die gesetzliche Regelung, die wir schon jetzt
haben, hier nicht ausreichen soll.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die kennen sie nicht!)


Deswegen muss man einmal feststellen: Ihrem Antrag
fehlt es insoweit völlig an Substanz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Pascal Kober [FDP])


Viel wichtiger ist aber: Ich frage mich bei dieser For-
derung nach flächendeckenden Mietspiegeln in Ihrem
Antrag, ob Sie das System der Mieterhöhungsmöglich-
keiten im BGB überhaupt verstanden haben;


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nein!)


denn Mietspiegel dienen dazu, eine ortsübliche Ver-
gleichsmiete festzustellen. Bis zu dieser ortsüblichen
Vergleichsmiete kann ein Vermieter die Miete unter be-
stimmten Voraussetzungen erhöhen. Das heißt, Miet-
spiegel sind gewissermaßen ein Begründungsmittel für
Mieterhöhungen.

Sie wollen die Mietspiegel nun flächendeckend ein-
führen. Das ist so weit auch in Ordnung. Gleichzeitig
wollen Sie aber, dass die Nettokaltmiete nur bei einer
Wohnwertverbesserung erhöht werden kann, also unab-
hängig vom Mietspiegel.


(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Ja!)


Wozu brauchen wir dann eigentlich noch Mietspiegel?
Sie wollen sie einerseits flächendeckend einführen, an-
dererseits beseitigen Sie aber den Anwendungsbereich.
Hier kann ich nur feststellen: Offenbar wissen Sie nicht
so recht, wovon Sie hier reden.

Mit diesen nicht zu Ende gedachten Forderungen geht
es noch weiter: Die Linke will gesetzlich festschreiben,
dass die Höhe der Wohnkosten für angemessenen Wohn-
raum höchstens 30 Prozent des Nettoeinkommens eines
Mieterhaushalts betragen darf.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sehr guter Vorschlag!)


Offensichtlich ist die Linke noch immer nicht in unserer
sozialen Marktwirtschaft angekommen, sonst würden
Sie nämlich wissen, dass die Preise hier nicht staatlich
dekretiert, sondern vom Markt im Wege von Angebot
und Nachfrage gebildet werden, und das soll bei uns
auch so bleiben.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Die wollen die DDR wiederhaben!)


Neben dieser grundsätzlichen Kritik: Was passiert ei-
gentlich, wenn ein Mieter plötzlich weniger Nettoein-
kommen hat, weil er zum Beispiel freiwillig Teilzeit ar-
beiten möchte oder weil die Steuern erhöht werden?
Wird die Miete dann automatisch qua Gesetz nach unten

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(C (D ngepasst? Das kann ja wohl kaum Ihr Ernst sein. Damit ürden Sie das vertragliche Gleichgewicht völlig aus en Fugen bringen und letztlich das Prinzip der Privataunomie aushebeln. Das wird es mit der Union an dieser telle nicht geben; das kann ich Ihnen sagen. Aber es geht noch weiter. Neben dieser konkreten renze wollen Sie auch eine generelle Obergrenze von 0 Prozent des bundesdurchschnittlichen Nettohausaltseinkommens einführen. Das Nettohaushaltseinkomen beträgt im Bundesdurchschnitt etwa 2 900 Euro, 0 Prozent davon sind 870 Euro. Nach Ihrem Antrag äre es so, dass eine 250 Quadratmeter große, luxuriös usgestattete Wohnung in bester Innenstadtlage maximal 70 Euro kosten dürfte. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen eht, aber ich glaube, jeder merkt, dass das völlig an der ealität vorbeigeht. Die Höhe einer Miete hängt selbstverständlich von anz unterschiedlichen Faktoren ab: von der Lage, der röße, der Ausstattung und von vielem mehr. Das alles u negieren, das alles gleichzumachen, ist Sozialismus ur. Das ist die kalte Enteignung von Vermietern und beeutet die Verletzung ihres verfassungsrechtlich gechützten Eigentums. Dieses sozialistische Weltbild lehen wir ab! Ein weiterer Punkt – auch das muss man einmal sehen –: ie wollen mit Ihrem Antrag letztlich Mieter schützen. atsächlich erreichen Sie aber genau das Gegenteil. Sie chreiben in Ihrem Antrag, dass Sie es zulassen wollen, ass Vermieter die Miete entsprechend der Inflation eröhen dürfen, und zwar unbegrenzt. Das verwundert ich schon etwas. Ich weiß nicht, ob Sie Folgendes zur enntnis genommen haben: Tatsächlich ist es so, dass ie Mietsteigerungen in den letzten 15 Jahren unterhalb er Inflationsrate lagen. Das bedeutet, mit dem von nen geforderten Inflationsausgleich begrenzen Sie ietsteigerungen nicht. Im Gegenteil: Mieten werden tärker steigen als bisher. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Ich glaube, ich stimme doch zu!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ie Mieterinnen und Mieter in Deutschland werden sich
ei solchen Fürsprechern bedanken.

Zur Umlage der Modernisierungskosten. Sie schlagen
or, dass diese Umlage auf 5 Prozent begrenzt werden
oll. Momentan liegt die Grenze bei 11 Prozent. Zur
ahrheit gehört – auch das muss man zur Kenntnis neh-
en –, dass 11 Prozent am Markt häufig überhaupt nicht

urchsetzbar sind. Das mag in Berlin und in den Innen-
tadtlagen von München funktionieren, aber zum Bei-
piel in weiten Teilen der neuen Bundesländer können
ie das am Markt gar nicht durchsetzen. Dort sind die
ermieter froh, dass die Wohnungen überhaupt vermie-
t sind. An eine Erhöhung der Miete ist hier in keiner
eise zu denken.

Was würde denn passieren, wenn wir die Umlage
eiter begrenzen würden? Tatsächlich würde es weniger
vestitionen in privaten Wohnraum geben. Wir würden

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18051

Dr. Jan-Marco Luczak


(A) )


)(B)

den privaten Wohnraum dem Verfall aussetzen. Die Fol-
gen einer solchen Mietpolitik konnte man 1990 in den
neuen Bundesländern beobachten. Ich weiß nicht, wie es
Ihnen geht: Ich jedenfalls will zu diesem Zustand nicht
zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich könnte jetzt noch – damit komme ich zum Schluss –
viele Punkte ansprechen. Da gibt es noch so manchen
Unsinn: die Zumutbarkeit von Modernisierungsmaßnah-
men oder die Vermeidung von Obdachlosigkeit nach ei-
ner Kündigung. Wenn Sie einmal ins Gesetz geschaut hät-
ten – das soll bekanntlich die Rechtsfindung fördern –,
dann hätten Sie festgestellt, dass das bereits geltendes
Recht ist. Insofern sind das populistische Forderungen,
oder Sie wissen es einfach nicht besser. Wenn Sie mich
fragen, so ist beides ziemlich peinlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zum Schluss. Die christlich-liberale Koalition hat ei-
nen in seinen wirtschaftlichen Konsequenzen durch-
dachten Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem genau das er-
reicht wird, was Sie mit Ihrem Antrag verfehlen: Er ist
sozial ausgewogen, er befördert energetische Sanierun-
gen und dient daher dem Klimaschutz, und er führt nicht
zu einer einseitigen Benachteiligung. Wir haben einen
guten Gesetzentwurf und Sie einen schlechten Antrag.
Deswegen lehnen wir ihn ab.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715012700

Das Wort hat nun Ingo Egloff für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ingo Egloff (SPD):
Rede ID: ID1715012800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es ist bereits das zweite Mal, dass wir uns über
die Frage der Mietrechtsänderung vor dem Hintergrund
der energetischen Gebäudesanierung unterhalten, ohne
dass das Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung
weiter vorangekommen ist. Ich wünsche mir, dass der
Gesetzentwurf endlich in den Ausschüssen vorliegt und
wir dann im Rahmen von Anhörungen klären können,
wie die Sachlage am Markt insgesamt ist und wie wir ei-
nen Ausgleich zwischen den Rechten von Mietern und
Vermietern erreichen können.

Die Ausgangslage ist klar: Wenn wir die Klimaziele
erreichen wollen, kommen wir in Deutschland ohne
energetische Gebäudesanierung nicht aus. Darum gilt es,
hier die Balance zwischen den Klimazielen einerseits
und der Frage sozial angemessener Mieten andererseits
zu halten. Das wird die Aufgabe der vor uns liegenden
Gesetzesänderung sein.

Der vorliegende Antrag der Linken versucht nun,
diese Frage aufzugreifen, wenn auch meiner Meinung
nach mit untauglichen Mitteln. Hier gilt einmal mehr der
Grundsatz: Gut gedacht ist noch nicht gut gemacht!

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(C (D (Oliver Luksic [FDP]: Ausnahmsweise haben Sie recht!)


ie schießen mit Ihren Forderungen deutlich über das
iel hinaus und würden, wenn das umgesetzt würde, ei-
es nicht erreichen, dass nämlich die energetische Ge-
äudesanierung überhaupt noch stattfindet.

Selbstverständlich muss man über die Frage nachden-
en, ob angesichts der gegenüber bisheriger Modernisie-
ng deutlich teureren energetischen Gebäudesanierung

ie Umlegung von 11 Prozent pro Jahr noch angemessen
t oder ob man nicht auf 9 Prozent heruntergehen
üsste. Die in Ihrem Antrag vorgeschlagene Grenze von

Prozent erscheint mir am Ende nicht praktikabel und
ürde auch nicht zum Ziel führen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie fordern weiter, dass die Miete für angemessenen
ohnraum höchstens 30 Prozent des Nettoeinkommens

etragen darf. Eine generelle Obergrenze soll durch das
undesdurchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen be-
timmt werden. Bei allem Verständnis dafür, dass man
en Anteil des Einkommens, der für die Miete verwen-
et wird, begrenzen sollte, halte ich die Regelung, die
ie vorgeschlagen haben, schlicht und ergreifend für
icht praktikabel. Wer überprüft das denn für die jewei-
ge Wohnlage? Welche Bürokratie muss man dafür auf-
auen? Was ist angemessener Wohnraum? Das alles ist
icht geklärt, und der von Ihnen vorgelegte Vorschlag ist
icht realisierbar.

Zu der Frage, wie das Ganze bei teuren Innenstadtla-
en aussieht, hat der Kollege von der CDU/CSU zu
echt ausgeführt, dass das, was man mit der generellen
egrenzung der Höhe der Wohnkosten auf 30 Prozent
es Durchschnittseinkommens erreicht, alles andere als
ozial gerecht ist. Wenn man schon über Mietobergren-
en nachdenkt, dann sollte man vielleicht die Idee des
eutschen Mieterbundes überdenken, der bei Neuver-
ietungen fordert, dass die Neuvertragsmiete maximal

0 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen
arf und Mieterhöhungen auf maximal 15 Prozent in vier
ahren statt wie bisher auf 20 Prozent in drei Jahren be-
renzt werden sollten. Das erscheint mir viel praktika-
ler als die von den Linken aufgestellte Forderung.

Im Übrigen gilt: Nur wenn wir mehr Wohnungen
auen und mehr Wohnungen auf dem Markt haben, wird
ich der Markt auch bei den Mietkosten entspannen. Das
aben wir in Hamburg von 1991 bis 2001 festgestellt, als
5 000 Wohnungen gebaut worden sind, mit dem Erfolg,
ass die Mieten gesunken sind. Die nachfolgende CDU-
egierung hat diese Wohnungsbaupolitik leider einge-

tellt. Daraufhin sind die Mieten wieder entsprechend
estiegen.

Insgesamt scheinen Sie zu ahnen, dass die Maßnah-
en wahrscheinlich nicht fruchten würden und kein Ver-
ieter mehr bereit wäre, etwas zu tun. Daher bekommt

r nach Ihrem Antrag einmal eben schnell einen Rechts-
nspruch auf öffentliche Förderung. Weil man es sich
infach machen will, wird verlangt, dass es auskömmli-

18052 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Ingo Egloff


(A) )


)(B)

che öffentliche Förderprogramme geben soll. Man muss
aber dann auch sagen, wie das zu finanzieren ist.

Ich finde, dieser Antrag ist ein Schnellschuss.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er ist ein Fehlschuss!)


Er wird dem Problem nicht gerecht. Wir werden im Rah-
men der Diskussion über den hoffentlich bald vorliegen-
den Gesetzentwurf der Regierung diese Fragen zu klären
haben und dann versuchen, einen sozialen Ausgleich
hinzubekommen.

Der zweite Antrag findet auch nicht unsere Zustim-
mung. Die SPD-Fraktion will keine Pauschalierung der
Kosten für Unterkunft und Heizung. Das haben wir in ei-
nem Antrag vom 1. Dezember 2010 sehr deutlich zum
Ausdruck gebracht. Wir wollen nicht an dieser Regelung
herumschrauben, sondern wir wollen, dass die Pauscha-
lierung verschwindet. Deswegen findet auch das nicht
unsere Zustimmung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715012900

Das Wort hat nun Stephan Thomae für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Stephan Thomae (FDP):
Rede ID: ID1715013000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

Kollegen! Herr Kollege Egloff, ich kann Ihnen mitteilen,
dass der Referentenentwurf für die Mietrechtsnovelle
der Regierung vorliegt. Er ist zurzeit in der Verbändeab-
stimmung. Wie Sie wissen, wird sich Ende des ersten
Quartals 2012 das Kabinett damit befassen, und dann
werden wir den Entwurf im Ausschuss beraten können.
Haben Sie also noch ein klein wenig Geduld: noch ein
paarmal schlafen, dann werden wir ihn auch im Aus-
schuss beraten können.

Einstweilen müssen wir uns heute mit den Vorschlä-
gen der Linken und Grünen zum Thema beschäftigen.
Ich kann erahnen, dass die Grünen vielleicht für vieles,
was wir im Referentenentwurf vorgesehen haben, Sym-
pathie haben werden.


(Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie auch von uns abgeschrieben!)


Denn einige Punkte, die Sie vorgeschlagen haben, wer-
den Sie auch bei uns finden.

Erstens geht es zum Beispiel darum, dass energeti-
sche Sanierungsmaßnahmen vom Mieter grundsätzlich
zu dulden sind, weil wir die energetischen Sanierungen
erleichtern wollen.

Zweitens werden wir regeln, dass Mieter Modernisie-
rungsmaßnahmen künftig nicht mehr mit dem Einwand
einer finanziellen Härte aufhalten können. Die finan-

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(C (D ielle Härte muss vielmehr im Wege der Kostenumlage ach § 559 BGB geltend gemacht werden. Wir werden drittens regeln, dass der Klimaschutz in er Interessenabwägung zwischen Vermieter und Mieter ei der Duldung von Modernisierungsmaßnahmen eine olle spielen wird. Da Sie den Referentenentwurf schon kennen, werden ie also eine ganze Reihe von Punkten in unserem Enturf wiederfinden. Über einen Punkt aber besteht Dissens. Den möchte h jetzt ansprechen. Die Absenkung der Modernisiengsumlage von 11 auf 9 Prozent werden Sie bei uns icht finden. Ich will Ihnen auch sagen, weshalb. Aus nserer Sicht hat sich diese 11-Prozent-Regelung beährt. Sie stellt einen angemessenen Ausgleich zwi chen Mieterund Vermieterinteressen dar. Eine Absenung – das hat der Kollege Egloff gerade angesprochen – t in unseren Augen und sollte auch in Ihren Augen das lsche Signal zur falschen Zeit sein, weil der Anreiz änke, solche Modernisierungsmaßnahmen durchzufühn, wenn der Vermieter mehr Zeit für die Refinanzieng der Maßnahme in Kauf nehmen müsste. Ich komme zum Antrag der Linken. Sie schlagen soar eine 5-Prozent-Regelung vor. Schon Kollege Egloff at Ihnen erklärt, dass Sie wohl selber nicht daran glauen, dass das praktikabel und vorstellbar ist. In Ihrem Antrag bin ich noch über einen anderen unkt gestolpert. Sie fordern, die ersatzlose Räumung er Wohnung solle nicht zulässig sein, wenn dem gekünigten Mieter die Obdachlosigkeit drohe. Das klingt zuächst einmal ganz sozial. Aber wie viel Zeit soll der ieter eigentlich haben, eine neue Wohnung zu suchen nd dann auch zu finden? Das ist eine Steilvorlage dafür, ass der Mieter einfach behaupten kann, er könne keine ohnung finden und deshalb könne ihm nicht gekündigt erden. Deswegen werden wir Ihrem Antrag leider nicht ustimmen können. Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute um neuen Jahr. Vielen Dank. Das Wort hat nun Daniela Wagner, Fraktion Bünd is 90/Die Grünen. Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! err Kollege Thomae, Duldung von Modernisierungsaßnahmen ja, aber nicht die Mitfinanzierung um jeden reis. Wir legen schon Wert darauf, dass das nicht immer öglich sein wird. Lassen Sie mich gleich zum Antrag der Linken komen. Wir begrüßen grundsätzlich die Zielsetzungen die es Antrages, weil auch wir die Gefahr sehen, dass unter em durchaus ehrenwerten Ziel der energetischen Geäudesanierung und des altersgerechten Umbaus ein Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18053 Daniela Wagner )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715013100
Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715013200

(A) )

kommensschwache Haushalte verdrängt werden und so-
ziale Entmischung in vielen Stadtteilen zunehmend die
Folge ist. Aber, liebe Kollegin Bluhm, wenn die Rege-
lungen dazu führen, dass Vermieterinnen und Vermieter
am Ende des Tages sogar noch draufzahlen müssen,
dann führt das zu einem Sanierungs- und Neubaustopp
und verschärft sogar die Situation. Sie wissen so gut wie
ich: Wohnungsmangel treibt die Mietpreise in die Höhe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich finde, Sie ignorieren bei Ihren Vorschlägen auch,
dass das Mietrecht bundesweite Geltung hat und keines-
wegs nur auf den beliebten Wohnungsmärkten im Groß-
raum München oder im Rhein-Main-Gebiet Anwendung
findet. Angesichts schrumpfender Wohnungsmärkte in
einigen Regionen sind viele Vermieter froh, wenn sie
überhaupt noch Mieterinnen und Mieter finden und ihre
Investitionen kostendeckend finanzieren können. Dort
wird zum Großteil schon gar nicht mehr saniert.

Sie schreiben auch, dass Sie „eine ausreichende In-
vestitionsmotivation für die Vermieter“ schaffen wollen.
Genau das kann ich bei Ihren Forderungspunkten nicht
erkennen. Außerdem genügen uns die Vorschläge für die
energetische Gebäudesanierung inhaltlich nicht. Wir fin-
den es gerade bei diesem Thema wichtig, dass die so-
ziale und die ökologische Frage zusammengedacht wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Mieten an Einkommen zu knüpfen, ist meiner
Meinung nach unmöglich. Wer vermietet dann an wirk-
lich arme Leute? Arme Leute fallen komplett hinten run-
ter.

Sie fordern die flächendeckende Einführung eines
qualifizierten Mietspiegels. Das kann man machen.
Wichtiger finde ich aber, dass man einen ökologischen
Mietspiegel hat und dass die energetische Gebäudebe-
schaffenheit mindestens als Vergleichsvariable in die
ortsübliche Vergleichsmiete aufgenommen wird. Das ist
wichtiger als die Frage, ob es sich um einen qualifizier-
ten Mietspiegel handelt, den viele Kommunen zudem
gar nicht werden bezahlen können, weil er zu teuer ist.
Dann müssten wir uns überlegen, wie wir den Kommu-
nen helfen.

Lassen Sie mich noch einen Satz zu dem Thema der
Übertragung der Zuständigkeiten auf die Bundesländer
sagen. Das ist keine Angelegenheit der Bundesländer.
Die ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln, ist Auf-
gabe der Kommunen. Wir sind der Meinung, man sollte
dafür nicht mehr die letzten vier, wie es im Moment der
Fall ist, sondern die letzten sechs Jahre heranziehen. Das
wirkt auch dämpfend auf die Mietpreisspirale.

Wir sind der Meinung, die Kappungsgrenze sollte von
20 Prozent auf 15 Prozent gesenkt werden. Bei der Mo-
dernisierungsumlage habe ich mich ein bisschen über
Sie gewundert: Sie haben noch im Sommer in der Miet-
rechtsdebatte gefordert, diese Umlage von 11 Prozent

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(C (D uf 9 Prozent abzusenken: Vielleicht erinnern Sie sich; as war in der Zeit des Berliner Wahlkampfs. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!)


etzt fordern Sie eine Absenkung auf 5 Prozent. Man hat
en Eindruck, dass sie an Ostern ganz abgeschafft wer-
en soll.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


as wird so nicht funktionieren. Deswegen sagen wir:
ezielte Absenkung auf 9 Prozent – die 11 Prozent sind
der Tat nicht mehr angemessen –, dafür Konzentration

uf energetische Gebäudesanierung und altersgerechten
mbau.

Staatliche Förderung als verbindlicher Rechtsan-
pruch würde ich so nie befürworten. Staatliche Förde-
ng muss vor allen Dingen an Bedingungen geknüpft

ein. Je mehr Steuergelder in einem Gebäude stecken,
esto besser muss der energetische Standard und desto
iedriger müssen die Mietnebenkosten sein. Ein ver-
indlicher Rechtsanspruch für alle führt jedenfalls aus
einer Sicht nicht zu diesem Ziel.

Ich finde, Sie haben ansonsten ganz interessante Vor-
chläge unterbreitet, die man durchaus diskutieren kann.
assen Sie mich noch ein Wort zu den KdU sagen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715013300

Aber bitte kurz.


Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715013400

Sehr kurz. – Man sollte sich durchaus einmal das Bie-

felder Modell anschauen. Danach trägt die Stadt als
limabonus in Stufen die höhere Nettokaltmiete mit und
finanziert diese Mehrausgaben über Einsparungen bei
usgaben für Mietnebenkosten. Damit werden Woh-
ungswechsel wegen der KdU zwar nicht gänzlich ver-
ieden, aber in ihrer Anzahl zumindest deutlich redu-

iert. Das könnte ein Schritt in die richtige Richtung
ein.

Auch ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachts-
st, hoffentlich ohne vorweihnachtliche Mieterhöhungs-

egehren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715013500

Das Wort hat nun Paul Lehrieder für die CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1715013600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Liebe Frau Bluhm, ich muss die Links-
artei schon einmal darauf hinweisen, dass die Zeiten
er Zuweisung von Wohnraum vorbei sind – seit 21 Jah-
n.

18054 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Paul Lehrieder


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Früher wurden Ein- oder Zweiraumwohnungen – der
eine oder andere weiß es noch – zugewiesen. Da war der
Staat der Allmächtige und hat bestimmt, wer wann wo
zu welchen Konditionen wohnen darf. Das hat nicht
funktioniert. Wir sind froh, dass wir einen freien Miet-
markt haben – natürlich müssen wir auch hier soziale
Aspekte zur Geltung bringen –, auf dem privates Kapital
Wohnungen schafft und die energetische Sanierung fi-
nanziert, um diese Wohnungen aufzuwerten. Das ließe
sich staatlicherseits überhaupt nicht machen.

Ihre Anträge gehen leider in die völlig falsche Rich-
tung. Mit dem Antrag „Mindeststandards bei der Ange-
messenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung“ und
Ihren damit verbundenen Forderungen zur Änderung der
Regelungen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung
im SGB II verblüffen Sie einmal mehr mit mangelnden
Rechtskenntnissen. Ihrer Ansicht nach sollen der Um-
fang der Kosten der Unterkunft und Heizung sowie die
Anforderungen an kommunale Satzungen festgelegt
werden und zudem Maßnahmen zur Vermeidung von
Zwangsumzügen gesetzlich geregelt werden.

Meine Damen und Herren von den Linken, Sie ver-
kennen schlichtweg, dass die meisten Ihrer Anliegen im
neuen Recht der Kosten der Unterkunft und Heizung be-
reits berücksichtigt worden sind, guter kommunaler Pra-
xis entsprechen oder bereits Teil der Überlegungen im
Gesetzgebungsverfahren waren und aus guten Gründen
abgelehnt worden sind.

Die Satzungslösung nach § 22 Abs. 2 SGB II, um die
es heute geht, wurde in das Gesetzespaket zur Neu-
ermittlung der Regelsätze aufgenommen und verab-
schiedet. Dies war aufgrund der enormen Belastung der
Sozialgerichte und der extrem hohen Zahl an Wider-
spruchsverfahren auch dringend erforderlich. Allein
2010 gab es 900 000 Widerspruchsverfahren zu Hartz-IV-
Bescheiden, wovon sich etwa ein Viertel mit der Thema-
tik der Kosten der Unterkunft beschäftigte. So befasst
sich das Bundessozialgericht in jedem dritten Fall mit
den Kosten der Unterkunft. Dieser Anteil dürfte in den
unteren Instanzen sogar noch darüberliegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Vergangen-
heit wurden die Kosten der Unterkunft in ihrer tatsächli-
chen Höhe getragen, solange sie angemessen waren. Al-
lerdings gab es hierzu bis dato keine gesetzliche
Definition. Die Beurteilung der Angemessenheit war
von einer Vielzahl von Faktoren, zum Beispiel der An-
zahl der Haushaltsangehörigen, ihrem Gesundheitszu-
stand oder dem örtlichen Mietniveau abhängig.

Ein weiteres Problem resultierte aus dem Anspruch
auf Einzelfallgerechtigkeit, die für jede der knapp
3,5 Millionen Bedarfsgemeinschaften in Deutschland
eine Einzelfallprüfung erforderlich machte. Dieses Sys-
tem krankt an seiner Bürokratie. Im Steuerrecht ist es
doch seit Jahrzehnten anerkanntes Recht und völlig un-
strittig, mit Pauschalen zu arbeiten. Dies machen wir
dort nicht nur bei den Werbungskosten, sondern auch in
dem äußerst sensiblen Bereich des Existenzminimums,
dem Grundfreibetrag.

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(C (D Beobachten wir doch beispielsweise die absurden uswüchse für den Fall, dass eine Familie mit Gas soohl heizt als auch kocht: Dann muss das Kochgas als estandteil des Regelsatzes beim Heizgas als Teil der eizkosten angerechnet werden. Gar nicht mehr vermitlbar wird es jedoch, wenn die Leistungsbezieher mit trom heizen. Läuft der Verbrauch über einen Zähler, ann muss im Zweifel eine Erstattung zu viel geleisteter orauszahlungen in Heizkosten und allgemeine Stromosten umgerechnet werden. Im Zweifel muss dann eine achzahlung in Höhe von 10 Euro vom Sachbearbeiter achgerecht zwischen der Behörde und dem Leistungsmpfänger aufgeteilt werden. Um diesen Problemen zu entgehen, haben wir uns ntschieden, den Ländern, Kreisen und kreisfreien Städn durch § 22 a SGB II die Möglichkeit zu geben, durch re Kommunalvertretungen für ihr Gebiet eine Satzung u erlassen, in der Grenzwerte für die regional angemesenen Unterkunftsund Heizkosten festgelegt werden. ierdurch überlassen wir die Entscheidung denjenigen ntscheidungsträgern, die ganz nah am Bürger sind und ine sachgerechte und ortsspezifische Lösung aufgrund res Wissens über die Wohnsituation und über die Leisngsempfänger finden können. Gleichzeitig schaffen wir einen Paradigmenwechsel om Richterrecht zum materiellen Recht und entlasten ie zuständigen Richter, indem wir sie mit den Einzelfallntscheidungen über die Angemessenheit nicht mehr alinlassen. Überdies werden die erlassenen Satzungen on den zuständigen Landessozialgerichten überprüft. amit stellen wir sicher, dass die Vorgaben des Bundeserfassungsgerichts, insbesondere im Urteil vom 9. Feruar 2010, hinsichtlich des Existenzminimums eingealten werden. Frau Bluhm, Sie müssen mir schon zuhören, wenn Sie nträge stellen. Lassen Sie sich nicht ablenken! (Beifall bei der CDU/CSU – Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Ich kann beides!)


Vielleicht ersparen wir uns den einen oder anderen
hnlichen Antrag von Ihrer Seite in Zukunft, wenn Sie
tzt aufpassen.

Das Ziel dieser Pauschalisierung ist eben nicht eine
eistungskürzung, sondern die Einsparung von Verfah-
ns- und Verwaltungskosten und damit ein höheres Maß

n Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Im Übrigen
leibt die individuelle Härtefallregelung durch die Sat-
ungslösung unberührt, sodass im Einzelfall auch Kos-
n über die Pauschale hinaus gewährt werden können.

Nur nebenbei bemerkt: Eine bundeseinheitliche
echtsverordnungsermächtigung gab es bereits früher
§ 27 Nr. 1 SGB II. Jedoch ist der Erlass einer solchen

echtsverordnung einvernehmlich von den Bundeslän-
ern vor dem Hintergrund der regionalen Vielfalt des
ohnungsmarktes als nicht zweckmäßig abgelehnt wor-

en. Nehmen Sie als Beispiel die Stadt Regen im Bayeri-
chen Wald. Da sind das Mietniveau und die Mietkondi-
onen ganz andere als in München. Es ist auch in Berlin
in bisschen anders als in Frankfurt/Oder oder in Görlitz.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18055

Paul Lehrieder


(A) )


)(B)

Da müssen wir schon ein bisschen aufpassen, damit wir
hier nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Lin-
ken, ich bitte Sie, zu bedenken, dass es aufgrund der Ver-
abschiedung des Gesetzes durch den Bundesrat im April
noch keinerlei Erfahrungswerte mit der Satzungslösung
gibt. Wenn Sie also heute diese Regelungen bereits kriti-
sieren, dann ist das so, als ob Sie ein Buch kommentie-
ren, bevor Sie es überhaupt einmal gelesen haben. Wir
sollten den Kommunen also Zeit lassen, dass sie von der
Möglichkeit Gebrauch machen, die Kosten der Unter-
kunft und Heizung durch Satzungsregelungen zu bestim-
men.

Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest,
den Freundinnen und Freunden von der Linkspartei auch
ein paar schöne – wie heißt das so schön? – geflügelte
Jahresendfiguren. Alles Gute! Viel Spaß unterm Weih-
nachtsbaum und ein gutes Jahr 2012!

Herzlichen Dank.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715013700

Das Wort hat nun Michael Groß für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Michael Groß (SPD):
Rede ID: ID1715013800

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kol-
lege Egloff ist ja schon auf die Anträge der Linken ein-
gegangen. Ich möchte mich ein bisschen auf das konzen-
trieren, was die Koalition macht. Eine Mietrechtsreform
ist sicherlich nicht unbedingt das Weihnachtsgeschenk,
auf das wir warten, jedenfalls nicht Ihre Mietrechtsre-
form.

Es ist heute schon mehrfach festgestellt worden, dass
Wohnen mehr ist, als nur eine Unterkunft zu haben, und
es hier auch um die Fragen von Chancengleichheit
und -gerechtigkeit geht. Ich möchte gerne noch einmal
darstellen, was das bedeutet.

Wir haben einen Brief einer Rentnerin aus einer Stadt
in Nordrhein-Westfalen bekommen – das ist kein Einzel-
fall –, in dem sie berichtet, dass sie nach einer Moderni-
sierungsmaßnahme statt 360 Euro 520 Euro zahlen soll.
Das ist eine Steigerung um fast 50 Prozent, die ihr durch
den Vermieter angedroht werden. Dabei hat sie nur eine
Rente von 1 000 Euro. Sie können sich vorstellen, was
dann zum Leben übrig bleibt. Es stellt sich schon die
Frage, ob nicht die Politik in der Verantwortung steht,
dies zu regulieren. Aus meiner Sicht ist klar, wer hier des
Schutzes bedarf. Es handelt sich, wie gesagt, auch nicht
um einen Einzelfall.

Die Argumentation „Sparen durch Sanieren“ kann
auch ein Trugschluss sein. Berechnungen besagen, dass
eine Modernisierung, also zum Beispiel eine energeti-
sche Sanierung, um die 2,50 Euro pro Quadratmeter an

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(C (D ietsteigerung nach sich ziehen kann, aber durch die anierung vielleicht nur 50 Cent kompensiert werden. as heißt, es werden immer mehr Anteile des Einkomens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufge ehrt. Die Kosten von 2 Euro pro Quadratmeter, die er igentlich zum Leben braucht, verbleiben beim Mieter. Schnitt werden 30 Prozent des Einkommens für das ohnen und 15 Prozent für die Mobilität ausgegeben. h glaube, es ist an der Zeit, deutlich zu sagen: Wenn ir Mieter und Arbeitnehmer schützen wollen, müssen ir dafür sorgen, dass dieser Anteil nicht steigt. Zwischen Ordnungsrecht und Anreizen muss ein verünftiges Verhältnis geschaffen werden. Im Bereich ohnen werden 80 Prozent der Investitionen von Privan vorgenommen. Deshalb kommt es darauf an, gute ahmenbedingungen für private Investitionen zu schafn, aber eben auch – das ist uns wichtig – die soziale Si herung des Wohnens zu garantieren. Der Vorschlag der PD-Fraktion, die Quote, inwieweit die Kosten für die nergetische Gebäudesanierung auf die Mieten umgelegt erden können, von 11 auf 9 Prozent zu senken, ist ein uter Kompromiss. Wir können heute feststellen: Mit den Plänen der chwarz-gelben Koalition kommen zukünftig vermehrt osten auf die Mieter zu. Das schwarz-gelbe Motto für ie energetische Sanierung lautet: Je teurer die Moderniierung, desto höher die Miete, umso mehr kostet das ohnen. – Eine Mieterhöhung darf aber nicht rein von en Kosten der Sanierung abhängen. Sie sollte stattdesen davon abhängig sein, wie viel Energieund Heizkosn eingespart werden können. Die klimapolitischen Ziele sind klar. Wir müssen die anierungsquote erhöhen. Wir wollen insbesondere viele nergieeffiziente und kostengünstige Maßnahmen in der reite umsetzen – und das am Einsparpotenzial orientien. Unser Ziel ist annähernde Warmmietenneutralität. ier müssen die staatlichen Förderprogramme greifen. nsere Forderung an die Bundesregierung – das zustänige Ministerium ist nicht mehr vertreten – ist ganz klar: tellen Sie mehr Geld für die energetische Gebäudesaierung zur Verfügung und beenden Sie die Blockadealtung gegenüber den Bundesländern im Vermittlungsusschuss. Bei der energetischen Sanierung von Wohngebäuden ollen wir für Mieterschutz sorgen. Dazu gehören er chwingliche Wohnungen und ein sozialökologischer astenausgleich zum Beispiel durch Einführung einer ntsprechenden Komponente beim Wohngeld, mit der ber insbesondere Energieeinsparung belohnt werden uss. Klimaschutz ist wichtig. Die Lasten müssen fair verilt werden. Das ist und bleibt eine Frage der Gerechtigeit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall des Abg. Gustav Herzog [SPD])


18056 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011


(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715013900

Das Wort hat nun Pascal Kober für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und bei der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1715014000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke,
in Ihrem Antrag, in dem es um die Kosten der Unter-
kunft und Heizung geht, fordern Sie umfangreiche Ver-
besserungen für die Bezieher der Grundsicherung für
Arbeitsuchende im Bereich des Wohnens. Ich möchte
das eine oder andere herausgreifen.

Sie fordern beispielsweise:

Bei unvermeidbarem Wohnungswechsel sind den
Leistungsbeziehenden die doppelten Mietzahlun-
gen im Umzugsmonat und die mittelbaren und un-
mittelbaren Umzugskosten zu erstatten sowie Bei-
hilfen für Erstausstattungen der Wohnungen
einschließlich der Haushaltsgeräte zu gewähren.


(Christian Lindner [FDP]: Lächerlich! – Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Wer soll das sonst bezahlen?)


Bei unvermeidbarem Wohnungswechsel sind den
Leistungsbeziehenden die Kosten für die Schön-
heitsreparaturen bzw. Renovierungsmaßnahmen für
die zu räumende Wohnung zu erstatten.


(Zuruf von der FDP: Wahnsinn!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, in Ihrem
gesamten Antrag geht es um höhere Leistungen für diese
Menschen.


(Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Konsequent!)


Sie beantworten sogar ausnahmsweise, wer das alles be-
zahlen soll. Sie sagen nämlich: Die Bundesbeteiligung
muss entsprechend erhöht werden. Ich möchte Sie an der
Stelle einmal fragen, wie Sie eigentlich insgesamt Ihren
gedachten bzw. gewünschten Sozialstaat finanzieren
wollen. Schon heute ist der Bund an der Gesamtver-
schuldung der Bundesrepublik anteilig mit 64 Prozent
beteiligt. Bei den Ländern sind es 30 Prozent, bei den
Kommunen 6 Prozent.

Irgendwann müssen Sie die Frage beantworten, wie
hoch nach Ihren Vorstellungen die Staatsquote in unse-
rem Land und der Anteil der Sozialausgaben am Ge-
samthaushalt des Bundes sein sollen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: 80 Prozent!)


Vor kurzem haben wir den Bundeshaushalt für das
kommende Jahr beschlossen. Allein für die drei Haus-
halte Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bun-
desfamilienministerium und Bundesgesundheitsministe-
rium werden wir 147,8 Milliarden Euro ausgeben. Wir
geben über 48 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes
für Soziales aus. Dabei ist noch nicht einmal eingerech-
net, was die Länder und die Kommunen zusätzlich in
diesem Bereich aufbringen.

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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich kann ir sehr viele Fälle – ich kenne auch einzelne Fälle – orstellen, wo es tatsächlich im Bereich des Wohnens zu ärten kommt, die wir alle bedauern. (Heidrun Bluhm [DIE LINKE]: Das sind keine Einzelfälle!)


llerdings müssen Sie die Frage beantworten, wie Sie
iesen Einzelfällen begegnen wollen,


(Ingrid Remmers [DIE LINKE]: Dann können die Kosten ja nicht so hoch sein, wenn es nur Einzelfälle sind!)


hne dass die Leistungen des Sozialstaates ins Unendli-
he explodieren. Die Antwort auf diese Frage sind Sie
isher in Ihrer gesamten Sozialpolitik schuldig geblie-
en. Ich bitte Sie, darüber einmal nachzudenken. In einer
ozialen Marktwirtschaft muss das Soziale eben auch er-
irtschaftet werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ieses Verhältnis sollten Sie einmal bedenken.

Insgesamt möchte ich an dieser Stelle aber auch ein-
al all jenen in unserem Land danken, die all diese Leis-
ngen mit ihren Steuergeldern erwirtschaften.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


enn in diesem Land ist es in der Tat so, dass wir Soli-
arität üben mit den Menschen, die auf Hilfe angewiesen
ind. Da ist es gerade vonseiten der Politik einmal ange-
racht, diesen Menschen einen herzlichen Dank auszu-
chten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gern geschehen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715014100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
rucksache 17/4837 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse zu überweisen. Die Federführung ist
doch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der
DP wünschen Federführung beim Rechtsausschuss, die
inke wünscht Federführung beim Ausschuss für Ver-
ehr, Bau und Stadtentwicklung.

Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungs-
orschlag der Fraktion Die Linke, also Federführung
eim Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
er stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer

timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Überweisungs-
orschlag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
DP gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der
rünen abgelehnt.

Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvor-
chlag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, also Fe-
erführung beim Rechtsausschuss. Wer stimmt für die-
en Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist mit den

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18057

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse


(A) )


)(B)

gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenom-
men. Damit liegt die Federführung also beim Rechtsaus-
schuss.

Die Vorlage auf Drucksache 17/7847 soll an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen
werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Damit rufe ich den Tagesordnungspunkt 32 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Konstantin von Notz, Nicole Maisch, Tabea
Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grundrechte schützen – Datenschutz und Ver-
braucherschutz in sozialen Netzwerken stär-
ken

– Drucksache 17/8161 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Konstantin von Notz für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Ta-
gesordnungspunkt in diesem Jahr: der Datenschutz.

Uns war es wichtig, eines der drängendsten Themen
unserer Zeit noch in diesem Jahr zu behandeln. Es ist ein
Thema, von dem heute praktisch jeder und jede betrof-
fen ist. Wer in diesen Tagen über den Datenschutz
spricht, der sollte auch einen Ausgangsbefund offenle-
gen. Unser Befund deckt sich dabei weitgehend mit dem
der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Län-
der: Es gibt eine anhaltende, teilweise geradezu revolutio-
näre Durchtechnisierung unseres Alltags. Die Technik
hält viele Vorteile und Annehmlichkeiten bereit, die
auch wir, die wir hier sitzen, alle nutzen. Die vermehrte
Nutzung schafft aber eben auch eine stark zunehmende
Abbildbarkeit und Interpretation der Menschen und ihres
Verhaltens.

Das geschieht aus zwei Richtungen. Die Menschen
werden im Hinblick auf ihre Privatsphäre geradezu in
die Zange genommen. Neben dem Staat, der aus Sicher-
heitsinteressen das Netz der Überwachbarkeit immer en-
ger zieht, wollen große Konzerne den gläsernen Konsu-
menten. Wer Persönlichkeit, Vorlieben, Verhalten und
Ähnliches einschätzen kann, der kann eben auch Kauf-
entscheidungen, Konsummotivation und Bedürfnisse ge-
zielter beeinflussen. Genau das ist das Geschäftsmodell

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(C (D ieler sozialer Netzwerke. Deswegen ist die Politik hier infach in der Pflicht, etwas zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Nutzung dieser Informationen und deren Offenle-
ung durch Dritte sind massive Eingriffe in das Recht
uf informationelle Selbstbestimmung und das Persön-
chkeitsrecht der Menschen. Deswegen steht es in der
erantwortung des Gesetzgebers – in unserer Verantwor-
ng –, hier steuernd einzugreifen. Ziel muss dabei die
icherung von Freiheitsräumen, die gleichberechtigte
arktteilnahme, das selbstbestimmte Handeln der Nut-

erinnen und Nutzer und die freie Kommunikation der
enschen sein.

Gesetzlicher Datenschutz ist angesichts dieser Ent-
icklungen unsere verfassungsrechtlich vorgegebene
aueraufgabe. Sie, meine Damen und Herren der Koali-
on, verschweigen gerne die ständige Rechtsprechung
us Karlsruhe im Hinblick auf die Drittwirkung der
rundrechte und unsere gesetzlichen Schutzpflichten,
om Lüth-Urteil von 1958 bis zum Versicherungsurteil
on 2006.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts,
ndreas Voßkuhle, hat ausdrücklich vor den Risiken der
enutzung von sozialen Netzwerken gewarnt. Ich zi-
ere:

Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass das Bun-
desverfassungsgericht in den nächsten Jahren ge-
fordert sein wird, die Bedeutung und Reichweite
der Grundrechte in einer Welt der digitalen Vernet-
zung neu zu bestimmen.

Wenn er das so konstatiert, ist das doch für uns als
esetzgeber ein Alarmsignal.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


a ist es ein Armutszeugnis, wenn ein Bundesinnen-
inister kürzlich in einem Kommentar im Handelsblatt

u Protokoll gibt, es gebe keinerlei Handlungsbedarf,
nd die Verbraucherschutzministerin durch das Öffent-
chmachen privater Handlungen in Form ihres einsamen
ustritts bei Facebook nur ihre Untätigkeit dokumen-
ert.

Datenschutz ist auch keineswegs ein Innovationshin-
ernis, obwohl das häufig auf der rechten Seite des Hau-
es behauptet wird. Das Gegenteil ist der Fall: Daten-
chutz wird zum zentralen Vertrauensfaktor der IT-Wirt-
chaft, wie es zum Beispiel der ehemalige BITKOM-
räsident, Herr Professor Scheer, klar festgestellt hat.
ie Rechtssicherheit kommt eben auch den Unterneh-
en zugute.

Das alles ignorieren Sie von der Koalition seit Jahren.
s reicht eben nicht, wohlklingende Sätze in einen Ko-
litionsvertrag zu schreiben. Man muss es auch umset-
en. Das tun Sie aber nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


18058 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Dr. Konstantin von Notz


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Ich kann Ihnen schon sagen, was jetzt in dieser De-
batte kommen wird: Sie werden selbst keine inhaltlichen
Antworten haben und keinen Gestaltungsanspruch zei-
gen.


(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP])


– Darauf freue ich mich schon. – Stattdessen werden Sie
auf die europäische Debatte verweisen, an der Sie aber
auch nicht aktiv teilnehmen, obwohl wir Sie seit Jahren
dazu auffordern.

Wir legen hier heute ganz konkret drei zentrale Ele-
mente unseres Konzepts vor: Pseudonyme Nutzungs-
möglichkeiten müssen erhalten bleiben. Wir brauchen
die Vorabinformation und -einwilligung. Wir brauchen
den Datenschutz ab Werk.

Die Reform des Datenschutzes muss jetzt gestaltet
werden. Sie haben dafür weder ein Konzept noch einen
Kompass, weder auf der deutschen noch auf europäi-
scher Ebene.

Ganz herzlichen Dank und ein frohes Weihnachtsfest.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715014200

Das Wort hat nun Stephan Mayer für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1715014300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen!

Sehr geehrte Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege von
Notz, nachdem Sie vermeintlich schon wissen, was von-
seiten der Regierungskoalition kommt, werden Sie jetzt
etwas verblüfft sein,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wir haben da eine Ahnung! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich lasse mich gern überraschen!)


wenn ich zunächst einmal feststelle, dass Sie mit dem
Antrag, den Sie heute vorlegen, teilweise durchaus rich-
tig liegen, was die Analyse der Problemstellungen und
Herausforderungen anbelangt. Ich möchte Ihnen durch-
aus zugestehen, dass Sie den Finger bei den Themen in
die Wunde legen, die derzeit den Datenschutz nicht nur
in Deutschland, sondern auch in Europa und der Welt
betreffen.

Sie stellen die Frage, wie verhindert werden kann,
dass Daten in die Hände von Unbefugten gelangen.
Auch die Gefahr der Profilbildung sprechen Sie durch-
aus zu Recht an. Es ist eine Aufgabe dieses Hauses, uns
damit zu beschäftigen, wie wirklich effektiv kontrolliert
werden kann, dass Daten, die der Nutzer löschen will,
wirklich gelöscht werden. Wir müssen uns auch mit der
Frage beschäftigen, inwiefern das deutsche Datenschutz-
recht zum Beispiel auf soziale Netzwerke, die ihren Sitz
nicht in Deutschland, sondern im Ausland haben, an-
wendbar ist; hier geht es um das Problem der Durchsetz-
barkeit.

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(C (D Herr Kollege von Notz, jetzt komme ich zu dem Beich, in dem ich Ihnen nicht zustimmen kann: Sie ma hen meines Erachtens den großen Fehler, zu glauben diesem Glauben hängen Sie wohl an –, man könne iese Probleme und Herausforderungen nur mit gesetzeberischem Handeln in den Griff bekommen; darauf onzentrieren Sie sich einseitig. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Aber der Bundestag macht Gesetze!)


ir sollten hier den Grundsatz der Subsidiarität beach-
n und uns darauf verständigen, dass es in allererster Li-
ie die Aufgabe sein muss, Regelungen zu schaffen oder
orgaben zu machen, die niedrigschwelliger als gesetz-
eberische Vorgaben sind.

Herr Kollege von Notz, Sie machen meines Erachtens
uch einen gravierenden Fehler, wenn Sie sich in Ihrem
ntrag ausschließlich auf die Gewährleistung des Grund-
chtes auf informationelle Selbstbestimmung konzen-
ieren und dabei vollkommen außer Acht lassen, dass es
eim Umgang im Internet auch um andere Grundrechte
eht. Es geht um Kommunikationsfreiheit, Meinungsfrei-
eit, um Berufsfreiheit und auch um das Grundrecht der
llgemeinen Handlungsfreiheit.

Das Bundesverfassungsgericht hat sehr gut daran ge-
n, den Grundsatz der praktischen Konkordanz aufzu-

tellen. Der Grundsatz der praktischen Konkordanz gibt
ns vor, dass wir unser gesetzgeberisches Handeln so
ornehmen sollen, dass man möglichst allen Grundrech-
n, auch wenn sie teilweise divergierend sind, zu einer
rößtmöglichen Ausbreitung verhilft. Mit den Forderun-
en in Ihrem Antrag werden Sie dem Anspruch auf einen
öglichst schonenden Ausgleich aller möglichen
rundrechte nicht gerecht.

Wir sollten uns nicht einseitig auf gesetzgeberisches
andeln verlegen. Sie haben den Präsidenten des Bun-
esverfassungsgerichts zitiert. Ich möchte Ihnen den
inweis geben, dass Sie ihn in Ihrem Antrag falsch zi-
ert haben. Herr Professor Voßkuhle hat nicht die Nut-
ung von Facebook mit einer gefahrgeneigten Tätigkeit
leichgestellt. Er spricht in dem erwähnten Interview im
ocus von einer risikogeneigten Tätigkeit, aber nur inso-
eit, als dass gewährleistet sein muss, dass Daten von
utzern gelöscht werden, wenn die Nutzer dies wollen.
r stellt also nicht die Nutzung von Facebook mit einer
siko- oder gefahrgeneigten Tätigkeit gleich, sondern
ur den speziellen Bereich der Kontrolle über das Lö-
chen entsprechender Daten.

Es wäre meines Erachtens zu einfach und zu anti-
uiert, wenn man der Denkweise nachhängen würde,
ass man den zugegebenermaßen vorhandenen Heraus-
rderungen, die bei der Nutzung des Internets auftreten,

ur mit Verboten und Einschränkungen begegnen kann.
ielmehr erfordert moderner Datenschutz aus meiner
icht eine flexible und anpassungsfähige Strategie.

Die Antworten können in Abhängigkeit von den kon-
reten Angeboten der Unternehmen durchaus variieren.
as ist abhängig davon, ob es sich um VZ-Netzwerke

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18059

Stephan Mayer (Altötting)



(A) )


)(B)

oder um Facebook handelt. Für die christlich-liberale
Koalition bedarf es deshalb eines Dreiklangs, um in Zu-
kunft effektiven Datenschutz zu sichern, wobei ich beto-
nen möchte, dass für mich der Subsidiaritätsgedanke in-
nerhalb des Dreiklangs ganz entscheidend ist; sprich:
Man sollte eine Vorgabe der zweiten oder dritten Stufe
erst dann vornehmen, wenn die auf der ersten Stufe nicht
tauglich ist.

Das erste Element dieses Dreiklangs ist eine Stärkung
der Eigenverantwortung und der Sensibilisierung der
Nutzer für personenbezogene Daten. Es muss unser Ziel
sein, dazu beizutragen, dass die Medienkompetenz der
Bevölkerung gesteigert wird.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist immer richtig!)


Die Bürger müssen informiert sein und selbstbestimmt
handeln können, wenn es darum geht, wem sie ihre Da-
ten anvertrauen. Die Vermittlung der Medienkompetenz
kann dabei durch Schulen erfolgen. Deswegen sind die
Länder einzubeziehen. Das kann auch durch Volkshoch-
schulen und andere Bildungsträger erfolgen.

Ich möchte sehr lobend hervorheben, dass die Euro-
päische Union im Februar jedes Jahres Aktionstage
durchführt, zum Beispiel den „Safer Internet Day“. Da-
mit werden eine bewusste Auseinandersetzung mit den
Chancen und Herausforderungen des Internets und ein
bewusster Umgang mit den eigenen Daten gefördert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es klatscht ja sonst niemand! Da müssen wir das machen!)


Ein ganz wesentlicher Bestandteil des Paketes im ers-
ten Element muss die Stiftung Datenschutz sein.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann kommt die?)


Anders als in Ihrem Antrag formuliert, Herr Kollege von
Notz, sind wir in der christlich-liberalen Koalition auf
einem ausgesprochen positiven und guten Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf einem sehr langen Weg!)


Wir befinden uns in sehr konstruktiven Gesprächen. Ich
darf Ihnen an dieser Stelle auch zusagen: Die Stiftung
Datenschutz wird kommen,


(Gerold Reichenbach [SPD]: Das sagen Sie seit zwei Jahren!)


und zwar im Jahr 2012. Es wird eine gute Stiftung sein,
schon allein deshalb, weil zwei ihrer Hauptziele sein
werden, dass zum einen der Selbstdatenschutz der Bür-
gerinnen und Bürger verbessert wird und dass zum ande-
ren die Bildung der Bevölkerung im Bereich des Daten-
schutzes gestärkt wird.

Aber es reicht nicht aus, sich nur auf den Bereich der
Steigerung des Bildungsniveaus und des Selbstdaten-

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(C (D chutzes zu konzentrieren, sondern es bedarf als zweites lement einer stärkeren Betonung von freiwilligen elbstverpflichtungen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


ir brauchen freiwillige Selbstverpflichtungen, weil sie
us meiner Sicht eine schnellere Reaktion auf neue tech-
ische Entwicklungen gewährleisten und wesentlich
chneller und flexibler sein können als die Gesetzge-
ung.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eines Gesetzgebers unwürdig!)


rundsatz freiwilliger Selbstverpflichtungen muss im-
er sein, dass zunächst einmal die Datenvermeidung

nd die Datensparsamkeit im Vordergrund stehen. Hier
t lobend hervorzuheben, dass es seit dem 10. Februar
009 Grundsätze für sichere soziale Netze in der Euro-
äischen Union gibt. Man muss erwähnen, dass VZ-
etzwerke – entgegen dem Duktus, der Ihren Antrag
rägt – diese Selbstverpflichtung unterzeichnet haben,


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das mag ja sein!)


ber auch Facebook, das Sie immer angreifen und in die
efensive drängen wollen, und Google.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Ministerin ist ausgetreten!)


In dieser Selbstverpflichtung werden zum Beispiel
orgaben für altersangemessene Angebote gemacht,
ber auch für eine selbstbestimmte Nutzung durch ziel-
erichtete Information der Nutzer über den Schutz ihrer
aten und die Warnung vor möglichen Konsequenzen
res Verhaltens. Diese Selbstverpflichtung wird in re-

elmäßigen Abständen durch die EU-Kommission eva-
iert und fortentwickelt. Die Ergebnisse der letzten
valuation wurden am 30. September dieses Jahres vor-
estellt. Man hat sich sehr stark darauf kapriziert, dass
ie getesteten Websites durchaus auch altersgerechte In-
rmationen für Kinder und Jugendliche zur Verfügung

tellen. Ich glaube, gerade die Minderjährigen müssen
Fokus stehen. Ihnen müssen altersangemessene An-

itungen und Lernmaterialien an die Hand gegeben wer-
en, und es muss eine schnelle Beantwortung der einge-
ichten Fragen gewährleistet sein. Die durchgeführte
valuation hat aber durchaus auch Defizite zum Vor-
chein gebracht, insbesondere bei Voreinstellungen zum
atenschutz. Auch der altersgerechte Schutz von Ju-
endlichen ist verbesserungsbedürftig. Deswegen ist es
chtig, dass diese Selbstverpflichtung fortgeschrieben
ird.

Eine solche Selbstverpflichtung gibt es nicht nur auf
uropäischer Ebene, sondern auch auf deutscher Ebene:
en Verhaltenskodex für Betreiber von Social Communi-
es bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Multimedia
iensteanbieter e. V. Diese stammt vom 11. März 2009.
ier werden umfangreich Fragen des Datenschutzes, des

ugendschutzes und Konsequenzen, die sich aus der
ichteinhaltung von Verhaltensregeln in den sozialen
etzwerken ergeben, geregelt. Bedauerlicherweise – das

18060 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Stephan Mayer (Altötting)



(A) )


)(B)

möchte ich durchaus konstatieren – ist Facebook dieser
Selbstverpflichtung bisher noch nicht beigetreten.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Ich bin aber erfreut darüber, dass seit wenigen Monaten
im Bundesinnenministerium intensive und konkrete Ge-
spräche über einen nachträglichen Beitritt von Facebook
zu dieser Selbstverpflichtung und über eine Fortschrei-
bung dieses Verhaltenskodexes laufen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gratuliere!)


Es ist das erklärte Ziel, dass die Gespräche bis zum Start
der CeBIT im März des kommenden Jahres abgeschlos-
sen sind und Facebook diesem Verhaltenskodex und die-
ser Selbstverpflichtung dann hoffentlich beitritt.

Die beiden von mir jetzt aufgeführten Selbstver-
pflichtungen zeigen exemplarisch, in welcher Form sie
ein wesentlicher und wichtiger Baustein bzw. ein geeig-
netes Instrument für einen effektiven Datenschutz sein
können. Ich möchte aber auch nicht verhehlen, dass ins-
besondere die Evaluation der Grundsätze für sichere so-
ziale Netze in der EU ergeben hat, dass der Schutz durch
Selbstverpflichtungen und durch eine Steigerung der
Selbstverantwortung der Nutzer im Netz allein nicht er-
reicht werden kann, sondern es selektiv durchaus auch
einer stärkeren europäischen und vielleicht auch nationa-
len Gesetzgebung im Bereich des Datenschutzes bedarf.
Das ist das dritte Element unseres Dreiklangs. Man muss
durchaus auch gesetzgeberische Veränderungen vorneh-
men. Ich möchte aber in aller Deutlichkeit betonen, dass
das deutsche Datenschutzrecht im europäischen Ver-
gleich mit Sicherheit höchsten Ansprüchen genügt. Viel-
leicht weist es sogar weltweit neben dem Datenschutz-
recht von Spanien die höchste Qualität auf.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Selbstverpflichtung, sondern Gesetze!)


Wichtig ist, dass gesetzliche Regelungen nicht einsei-
tig sind, sondern auch andere Rechtspositionen berück-
sichtigt und gewürdigt werden. In diesem Zusammen-
hang ist zu erwähnen, dass im Rahmen des 6. IT-Gipfels
der Bundesregierung am Montag der vergangenen Wo-
che in München viele Fragen des Datenschutzes disku-
tiert wurden. Im Rahmen dieses IT-Gipfels ist deutlich
zum Ausdruck gebracht worden, dass der Datenschutz
und die Datensicherheit in Deutschland gut aufgehoben
sind und Deutschland in diesen Bereichen, was das tech-
nische Know-how anbelangt, mit Sicherheit Vorreiter ist.

Vor diesem Hintergrund halte ich zahlreiche Forderun-
gen in Ihrem Antrag für vollkommen überzogen und für
unverhältnismäßig. Das betrifft zum Beispiel die von Ih-
nen vorgeschlagene Verschärfung des § 28 Abs. 3 b des
Bundesdatenschutzgesetzes. Sie sprechen sich gegen das
Kopplungsverbot aus. Ein komplettes Verbot der Kopp-
lung würde mit Sicherheit einen schwerwiegenden Ein-
griff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12
Abs. 1 des Grundgesetzes zur Folge haben.

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(C (D Auch die von Ihnen angemahnte Erarbeitung eines llgemeinen Güteund Auditierungsgesetzes ist mit Siherheit sehr fragwürdig. Ich muss ehrlich konstatieren: usgerechnet die Grünen, die den Gesetzgeber sonst imer mit Argusaugen betrachten, insbesondere wenn er gulierend in die Rechte der Bürger eingreift, hängen em Grundgedanken nach, dass man hier nur mit gesetzeberischen Änderungen zum Durchbruch und zu Erebnissen kommen kann. Das ist der grundsätzliche Fehr Ihres Antrags. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen sich selbst überflüssig!)


Wir hingegen setzen auf den bereits erwähnten Drei-
lang: erstens die Selbstverantwortung der Nutzer sowie
ie Bildung und Ausbildung der Bevölkerung im Sinne
ines sinnvollen und vernünftigen Umgangs im und mit
em Internet stärken, zweitens Selbstverpflichtungen
wischen dem Staat und der Wirtschaft eingehen und
rst drittens, wenn es gar nicht mehr anders geht, sowohl
uf europäischer als auch auf nationaler Ebene gesetzge-
erisch tätig werden. Das ist ein wesentlich angemesse-
erer, modernerer und flexiblerer Ansatz, den wir Ihrem
ntrag entgegensetzen. Ich kann nur appellieren, Ihrem
ntrag die Zustimmung zu verweigern.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715014400

Das Wort hat nun Gerold Reichenbach für die SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD)



Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1715014500

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
oalition, seit zwei Jahren hören wir, dass die Verbrau-

herschutzministerin und der Innenminister – genauso
ie sein Vorgänger – gute Gespräche führen, mit deren

rfolgreichem Abschluss sie demnächst rechnen. Seit
wei Jahren hören wir, dass Sie auf einem guten Weg
ind. Ich sage Ihnen als jemand, der selber wandert:


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


enn ich mich auf einem Weg so verirrt hätte, dass ich
ach zwei Jahren noch immer nicht am Ziel bin, dann
ürde ich mir Gedanken machen, das aber nicht als gu-
n Weg bezeichnen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schauen Sie sich doch einmal die Realität an. Vor we-
igen Tagen hat die unabhängige Bewertungsgesell-
chaft Xamit in einer Studie festgestellt: 2011 haben
urchschnittlich 82 von 100 deutschsprachigen Webauf-
itten gegen das Datenschutzrecht verstoßen. Allein
eim nichtdatenschutzkonformen Einsatz von Webstatis-
ken haben wir einen Zuwachs von 12 Prozent zu ver-
eichnen. Gerade vor diesem Hintergrund enthält der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18061

Gerold Reichenbach


(A) )


)(B)

Antrag der Grünen einige wichtige Forderungen zum
Datenschutz im Internet, insbesondere zum Datenschutz
in sozialen Netzwerken, wichtige Forderungen, die im
Übrigen auch die SPD seit langem erhebt und die gerade
letzte Woche durch die Kampagne des Bundesverbandes
der Verbraucherzentralen erneut proklamiert wurde.

Fast jeder kennt die Situation im Internet: Man
möchte einen Dienst – zum Beispiel für Internetshop-
ping – nutzen, muss aber erst einmal seine persönlichen
Daten angeben. Teilweise muss man sogar viele persön-
liche Daten angeben, um überhaupt das komplette Ange-
bot einer Seite einsehen zu können. Wenn man aber den
Dienst nur einmal nutzen oder sich nur einen Überblick
verschaffen will und danach den Nutzeraccount löschen
möchte, wird es schwierig. Automatische Löschfunktio-
nen sind oft nicht vorgesehen. Den Diensteanbieter zu
kontaktieren, ist schwierig und oft mit dem mehrfachen
Schreiben von E-Mails verbunden. Aber auch nach der
vermeintlich erfolgten Löschung kann man sich nicht si-
cher sein – das wissen wir inzwischen –, dass alle Daten
wirklich unwiderruflich gelöscht sind. Oft wird bloß das
Konto deaktiviert. Daten einzugeben, ist also leicht, die
Herrschaft über die Daten zu behalten, dafür umso
schwieriger.

Auch wenn man selbst aktiv keine Daten eingibt, wer-
den das Surfverhalten, die Seiten und die Inhalte, die
man besucht, mittels Cookies, also kleiner Textdateien,
die auf der Festplatte gespeichert werden, aufgezeichnet
und ausgewertet. Kaum jemand ließe sich gefallen, all
seine Daten angeben zu müssen, wenn er sich in einem
realen Klamottenladen nur einen Überblick über das An-
gebot verschaffen will. Niemand ließe sich gefallen, dass
der Ladenbesitzer heimlich notiert, wie lange der ein-
zelne Kunde in seinem Laden bleibt und welche Sachen
er sich ansieht, oder gar eine biometrische Gesichtser-
kennung durchführt, um weitere Daten über seinen Kun-
den erheben zu können. Wir wären zu Recht empört,
wenn dies automatisch ohne unser Wissen und ausdrück-
liches Einverständnis geschehen würde. Aber genau das
ist im Internet gang und gäbe; das ist Alltag.

Deshalb fordern wir: Auch beim Surfen und Bestellen
im Internet und bei der Nutzung von sozialen Netzwer-
ken muss der Nutzer, ohne dass er Computer-Freak ist
oder Chat-technische Spezialkenntnisse hat, Herr über
seine Daten bleiben und über deren Preisgabe selber ent-
scheiden können.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht bei alldem nicht nur um das Löschen von Ac-
counts. Es geht generell um datenschutzfreundliche Pri-
vatsphärenvoreinstellungen bei Produkten und Diensten.
Insbesondere bei sozialen Netzwerken besteht ein erheb-
liches Risiko bei der Preisgabe persönlicher Daten. In
sozialen Netzwerken werden Kommentare gepostet, Fo-
tos hochgeladen, Freunde getaggt, also mit Namen mar-
kiert, und vieles mehr, ohne dass man genau weiß, was
damit im Hintergrund geschieht. Das ist ein Risiko für
die eigenen Daten, aber auch für die Daten Dritter.

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(C (D Voraussetzung für selbstbestimmtes und verantwortlihes Verhalten im Internet, gerade in sozialen Netzweren, sind daher Transparenz und das Wissen darum, was it den Daten geschieht. Deswegen müssen die Inforationspflichten der Diensteanbieter verschärft werden. s darf nicht erst durch Skandale herauskommen, was Hintergrund mit Daten passiert. Ich denke an das Bei piel Facebook, und es waren doch nicht die Grünen, die egen Facebook hetzten, es ist doch Ihre eigene CSUinisterin, die ständig Facebook auf den Lippen führt nd fast jeden Tag in der Zeitung anklagt. Ein weiterer wichtiger Schritt zu mehr Datenschutz t – das haben die Verbraucherzentralen deutlich geacht – die gesetzliche Festschreibung der Prinzipien privacy by default“ und „privacy by design“. Es geht lso um Voreinstellungen oder um ein Design, bei dem er persönliche Datenschutz von vornherein, ohne komliziertes Häkchen-Setzen oder -Verändern, garantiert ird. Bei all diesen Punkten ist die Regierungskoalition isher nicht willens oder nicht in der Lage, Schritte für en Verbraucherschutz im Internet zu unternehmen. Sie eschränkt sich auf nebulöse Ankündigungen (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Die sind ganz konkret!)


nd Drei-Säulen-Theorien. Jüngster Beleg, Herr Kollege,
ar Ihr Abstimmungsverhalten in der Sitzung der En-
uete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“
m Montag, in der Sie alle konkreten Vorschläge zum Da-
n- und Verbraucherschutz im Internet abgelehnt haben.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Traurig, aber wahr! – Zuruf von der FDP: Was war denn mit dem digitalen Bargeld?)


Die SPD unterstützt darum die Forderungen des vor-
egenden Antrags der Grünen. Aber leider, liebe Kolle-
innen und Kollegen, ist dieser Antrag in einigen Punk-
n noch ein wenig unausgereift und widersprüchlich.
um einen stellen Sie fest, dass der europäische Rechts-
hmen nicht ausreiche, zum anderen fordern Sie aber,

ass sofort etwas zu tun sei. Das ist ungefähr so, wie
chon einmal in ein leeres Schwimmbecken zu springen,
ur weil man den Hausmeister vorher aufgefordert hat,
asser einzulassen.

Viel wichtiger ist es, der Bundesregierung bei den lau-
nden Verhandlungen zur europäischen Datenschutz-
chtlinie genau auf die Finger zu schauen. Die Bundesre-
ierung hat bereits zugestanden, dass das eine bindende
erordnung werden soll. Deswegen ist es schon interes-
ant, zu sehen, ob die Bundesregierung in den Verhand-
ngen darauf dringt, dass die Vorgaben des Bundesver-
ssungsgerichts auch auf europäischer Ebene Geltung

rlangen, oder ob sie auch jetzt wieder – wie schon früher
n anderer Stelle – eher willfährig den Interessen der
irtschaft folgt.

Darum lassen Sie uns die Bundesregierung bei ihrem
ersuch, die europäische Datenschutzrichtlinie auf deut-
che Standards zu bringen – wenn sie diesen Versuch

18062 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Gerold Reichenbach


(A) )


)(B)

denn unternimmt –, unterstützen und sie dabei vorantrei-
ben, und lassen Sie uns national dort tätig werden, wo
das europäische Recht längst weiter als das nationale
Recht ist, nämlich bei der seit einiger Zeit überfälligen
Umsetzung der E-Privacy-Richtlinie. Dabei geht es
darum, dass die eben beschriebenen „Verfolgungs-
Cookies“ nicht ohne ausdrückliches Wissen des jeweili-
gen Surfers darüber, was mit seinen Daten passiert, und
ohne sein Einverständnis gesetzt werden können.

Der Bundesrat hat – übrigens unter Beteiligung einer
ganzen Reihe von CDU-geführten Bundesländern – ei-
nen vernünftigen Vorschlag dafür vorgelegt. Die Bun-
desregierung hat diesen abgelehnt und angekündigt, dass
sie im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes – also
dort, wo es zu regeln ist – einen Vorschlag machen
würde. Was ist passiert? Nichts. Sie sind ja auf einem
guten Weg und haben sich verirrt. Deswegen werden wir
als SPD-Fraktion Ihnen bei diesem konkreten Punkt Ge-
legenheit geben, diesen guten Weg zu Ende zu gehen. In-
sofern brauchen wir nicht auf Europa zu warten. Wir
werden Ihnen einen Gesetzesvorschlag unterbreiten, wie
diese europäische Richtlinie ganz konkret umgesetzt
werden kann. Dann haben Sie einen Regelungsteil, bei
dem Sie nicht mit Ihrer Drei-Säulen-Theorie kommen
müssen, sondern ganz konkret handeln können. Dazu
gibt es Vorschläge, Vorschläge des Bundesrates und eine
Richtlinie auf europäischer Ebene, die Sie seit über ei-
nem Dreivierteljahr nicht umgesetzt haben. Eigentlich
hätten Sie schon im Mai dieses Jahres zu Potte kommen
müssen. Nun werden wir Ihnen dabei helfen. Dann wer-
den wir sehen, ob diese Regierung Datenschutz im Inter-
net wirklich ernst nimmt oder ob es bei dieser Nebulosi-
tät bleibt.

Ich freue mich auf ein schönes neues Jahr, in dem wir
dieses Thema weiter diskutieren werden. Ihnen und all
denen, die jetzt noch am Fernseher zuschauen, frohe
Weihnachten und ein gutes neues Jahr!

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715014600

Das Wort hat nun Erik Schweickert für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Erik Schweickert (FDP):
Rede ID: ID1715014700

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute mit
einem Zitat beginnen:

Das Internet ist das erste von Menschenhand er-
schaffene Ding, das der Mensch nicht versteht. Es
ist das größte Experiment in Anarchie, das es je-
mals gab.

Dieses Zitat stammt nicht von einem betagten Panik-
macher, sondern von Ex-Google-Chef Dr. Eric Schmidt.
Im Internet sind die sozialen Netzwerke, die Social Net-
works, für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu ei-

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(C (D er wichtigen Kommunikationsplattform geworden. Insesondere in diesem Bereich hat die Digitalisierung dazu eführt, dass das Verhalten von Internetnutzern regisiert und diese Daten – auch für längere Zeiträume – gepeichert werden können. Den damit verbundenen Risien wie dem Missbrauch der Daten gilt es zu begegnen nd den Datenschutz entsprechend effizient zu gestalten, amit es in diesem Bereich nicht zu einem großen Expement kommt. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Sie stimmen also zu?)


Auf der einen Seite müssen wir zur Kenntnis nehmen
nd akzeptieren – auch als Verbraucherschützer –, dass
anch mündiger Verbraucher sein Grundrecht auf infor-
ationelle Selbstbestimmung bewusst so auslebt, dass

s eher einem Akt der Entäußerung entspricht; einige ge-
en ihre eigenen Daten freimütig preis. Beispielsweise
erden bei YouTube jede Minute Videos mit einer
änge von insgesamt 48 Stunden hochgeladen, jeden
ag werden mehr als 200 Millionen Fotos bei Facebook
ingestellt. Auf der anderen Seite beobachten wir, dass
s viele User von Social Networks gibt, die eine hohe
ompetenz in dem Bereich haben. Die Studie der
ITKOM vom November dieses Jahres zeigt: 77 Pro-
ent der User passen aktiv die Grundeinstellungen ihrer
enutzerkonten an, 9 Prozent entscheiden sich bewusst,
ie Voreinstellungen der Netzwerke zu übernehmen.

Wir als Politiker müssen dieses informationelle Selbst-
estimmungsrecht akzeptieren, auch bei denen, die es
her exhibitionistisch ausleben, und wir müssen uns um
ie kümmern, denen die entsprechende Kompetenz fehlt,
eispielsweise Kinder und Personen, die nicht besonders
ternetaffin sind.

Die Grünen fordern in ihrem Antrag Dinge, die es be-
its gibt und die daher obsolet sind. Sie wollen etwas re-

eln, das heute geltendes Recht ist. Das Erheben und
utzen personenbezogener Daten nichtregistrierter Nut-

er ist schon heute rechtswidrig. Ich bin auch der Mei-
ung, dass die Differenzierung zwischen privat und ge-
chäftlich genutzten Netzwerken völlig an der Realität
orbeigeht.

Wir müssen den Verbraucher für das Thema Daten-
chutz sensibilisieren. Das trägt zur Effizienzsteigerung
es Datenschutzes bei. Wenn die Verbraucher über die
öglichen Gefahren Bescheid wissen, wissen sie auch,
elche Folgen mit der unbedarften Weitergabe von
aten verbunden sind. Wir müssen unser Augenmerk

uf Datensparsamkeit richten. Wir können nicht davon
usgehen, dass jeder Nutzer gleich gut informiert ist.

Wir Liberale setzen in diesem Bereich mehr auf die
elbstregulierung.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn „mehr“? Ausschließlich! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nein! Nein!)


Ja, Herr von Notz.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lindner will regulieren?)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18063

Dr. Erik Schweickert


(A) )


)(B)

– Ganz ruhig bleiben. – Für einen effizienten Daten-
schutz ist es wichtig, dass die Verpflichtung zu regulato-
rischen Eingriffen im privatrechtlichen Bereich nur bei
fühlbar gestörten Ungleichgewichten zwischen den Un-
ternehmen und den Verbrauchern erfolgen darf. Deshalb
steht die FDP für die Stiftung Datenschutz.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie schaffen sie nicht! Sie stehen nur dafür!)


Wir als christlich-liberale Koalition gehen dieses Pro-
blem an und warten nicht wie Sie, sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen von den Grünen, sieben Jahre. Wir tra-
gen es nicht wie eine Monstranz vor uns her und machen
dann nichts. Das von Ihnen geforderte Gütesiegel ist eine
gute Idee; das haben Sie bei uns abgeschrieben.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Plagiat!)


Sie haben die Möglichkeit, es über die Einrichtung einer
Stiftung Datenschutz zu unterstützen. Die Stiftung Daten-
schutz könnte dieses Gütesiegel in Zukunft vergeben.

Was müssen wir tun? Wir müssen den Betreibern um-
fassende Transparenz- und Informationspflichten aufer-
legen und das Ganze mit klarem Menschenverstand tun;
denn Eingriffe in die Privatautonomie bedürfen unseres
Erachtens immer einer erhöhten Rechtfertigung. Wir
müssen auch gesetzliche Vorgaben machen, wenn erheb-
liche Verletzungen des Persönlichkeitsrechtes festzustel-
len oder zu befürchten sind, also zum Beispiel in Bezug
auf die Wirksamkeit der Einwilligung der Betroffenen
hinsichtlich der Tragweite, der Freiwilligkeit und der In-
formiertheit. Außerdem spielen Themen wie Profilbil-
dung und Data-Mining eine Rolle; hier müssen wir tätig
werden.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann mal los!)


Aber, Herr von Notz: In Zeiten des Cloud Computing,
der Virtualisierung, des grenzüberschreitendem Daten-
verkehrs und der Digitalisierung werden uns nationale
Alleingänge nicht viel helfen; denn der Großteil dieser
Server steht nicht bei uns.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für eine These? – Gerold Reichenbach [SPD]: Schon mal etwas von Auftragsdatenverarbeitung gehört?)


Vor ein paar Wochen war zu hören – Sie haben es an-
gesprochen –, dass eine neue Datenschutzverordnung
die Datenschutzrichtlinie ablösen soll. Das hätte für un-
ser nationales Bundesdatenschutzgesetz zur Folge, dass
dieses dann keine Anwendung mehr finden würde. Hier
geht es darum – das ist die Aufgabe, die die Bundes-
regierung zu erledigen hat –, darauf zu drängen, dass un-
ser gutes Datenschutzniveau auch auf europäischer
Ebene Eingang findet, sodass es nicht zu einem Absin-
ken des guten Niveaus des Verbraucherschutzes und des
Datenschutzes in Deutschland kommt.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


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(C (D diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, gen wir eine Verbesserung des Sanktionsregimes der ufsichtsbehörden an. Wer sich nicht an die daten chutzrechtlichen Vorgaben hält und daraus einen wirtchaftlichen Vorteil generiert, der muss zur Kasse geben werden. In diesem Sinne: Lassen Sie uns im nächsten Jahr geeinsam über diesen Antrag diskutieren und dafür sor en, dass wir auf europäischer Ebene zu einer guten Reelung kommen. Ich darf Ihnen heute als letzter Redner r die FDP-Bundestagsfraktion schöne Weihnachten nd einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen. Herzlichen Dank. Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun Kollegin alina Wawzyniak für die Fraktion Die Linke. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her n! Wir sprechen heute über einen gelungenen Antrag er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Datenchutz in sozialen Netzwerken. Dieser Antrag wird unere Zustimmung finden. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn nun los?)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715014800

(Beifall bei der LINKEN)

Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715014900

r spiegelt in vielen Punkten die Positionen wider, die
ie Vertreterinnen und Vertreter von SPD, Grünen und
inken auch in der Projektgruppe „Datenschutz“ der En-
uete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“
ertreten haben. Insofern hätten wir uns sogar einen ge-
einsamen Antrag vorstellen können; denn wir sind an

er Sache orientiert. Der Netzpolitik hätte das sicherlich
utgetan.


(Beifall bei der LINKEN – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU], an das BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN gewandt: Oh ja! Macht doch gemeinsame Sache mit den Linken!)


Eine Studie des Branchenverbandes BITKOM belegt,
ass sich 48 Prozent der Deutschen in sozialen Netzwer-
en befinden. 65 Prozent von ihnen fehlen Informatio-
en zum persönlichen Datenschutz. Das heißt, es gibt bei
en Bürgerinnen und Bürgern ein Problembewusstsein.
em müssen wir uns stellen.

Ich nehme noch einmal Bezug auf die Projektgruppe
Datenschutz“ der Enquete-Kommission „Internet und
igitale Gesellschaft“. Es hat sich gezeigt – das ist hier
chon erwähnt worden –: Die Koalition will dieses
hema nicht angehen. Sie sieht keinen Handlungsbedarf.
as groß angekündigte Rote-Linien-Gesetz ist verscho-
en worden.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Gerold Reichenbach [SPD]: Auf einem guten Weg!)


18064 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011

Halina Wawzyniak


(A) (C)


)(B)


Sie berufen sich stattdessen auf halbgare Selbstver-
pflichtungen. Das Dilemma mit den Selbstverpflichtun-
gen hat Markus Beckedahl vor einiger Zeit auf netzpoli-
tik.org schön zusammengefasst:

Aus Sicht von Facebook und Google sind solche
Vereinbarungen praktisch: Die Politik ist auf lange

4 300 Wörtern. Das sind zwölf Textseiten. Die Daten-
schutzbestimmungen sind darin noch nicht einmal ent-
halten. Ich bitte Sie: Wer soll das wirklich vorher lesen?

Ich will kurz einen letzten Punkt ansprechen. Auch im
Hinblick auf den Arbeitnehmerdatenschutz ergeben sich
erhebliche Probleme. Die Grünen haben es in ihrem An-
Zeit in der Illusion verfangen, etwas getan zu ha-
ben, die Unternehmen müssen sich nicht wirklich
bewegen und die Durchsetzbarkeit ist gleich null.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Tatsächlich besteht Handlungsbedarf. Das zeigt dieser
Antrag sehr deutlich. Sie können sich auch nicht hinter
der Behauptung verstecken, das deutsche Datenschutz-
recht sei gar nicht anwendbar. Ich sage Ihnen: Wo ein
Wille ist, ist auch ein Weg. Das kann auch ein kurzer
Weg sein, auf dem man sich nicht verirrt.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Es sei denn, man läuft in die falsche Richtung!)


Trotz der existierenden Datenschutzgesetze ist den
Nutzerinnen und Nutzern unklar, was mit ihren Daten
passiert, wo sie verarbeitet werden und an welche Fir-
men sie weitergegeben werden. Die Erstellung von Nut-
zerprofilen durch die Anbieter von sozialen Netzwerken
ist völlig intransparent. Wie solche Personenprofile er-
stellt werden und wozu sie verwendet werden, ist völlig
unklar. Klar ist einzig und allein: Es geht um zielgerich-
tete Werbung. Ich sage Ihnen: In einem Vertragsverhält-
nis, in dem die Nutzerinnen und Nutzer zwar nicht mit
Geld, aber quasi mit ihren persönlichen Informationen
bezahlen, ist es unzumutbar, dass die Nutzerinnen und
Nutzer nicht wissen, was mit ihren Daten passiert.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir als Linke – das gilt auch für mich persönlich –
möchten die sozialen Netzwerke nicht mehr missen. Wir
wollen die Nutzerinnen und Nutzer der sozialen Netz-
werke auch überhaupt nicht einschränken. Wir sagen
sehr deutlich: Wer möchte, soll Bikini- und Sauffotos bei
Facebook hochladen, wie er lustig ist. Aber der Nutzer
und die Nutzerin müssen vorher darüber informiert wer-
den, dass beispielsweise Facebook diese Bilder im Zwei-
fel für Werbezwecke verwendet. Die Nutzerinnen und
Nutzer müssen wissen, was in den Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen steht, und diese müssen in verständ-
licher Sprache formuliert sein. Sie müssen auch wissen,
dass sie, selbst wenn sie ihren Account löschen, gegebe-
nenfalls gar nicht mehr alles löschen können und ihre
Rechte an den Bildern abtreten.

Betrachten wir jetzt einmal Facebook. Die Nutzungs-
bedingungen von Facebook haben einen Umfang von

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(D ag aufgeschrieben: 50 Prozent der Personalverantwortchen recherchieren in sozialen Netzwerken. 23 Millioen Menschen sind auf Facebook aktiv, 10 Prozent davon it komplett öffentlichen Profilen; das sind 2,3 Millio en Menschen. Ich sage Ihnen: Arbeitgeber geht es überaupt nichts an, wie ich ein Fußballergebnis kommenere, welche Weihnachtsgeschenke ich mir wünsche, it wem ich befreundet bin und welche Lieblingsserien h habe. Auch deshalb sind Regelungen nötig. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es wird ja keiner gezwungen, auf Facebook zu posten! Bleibt doch einfach draußen! Ist doch ganz einfach!)


Ich empfehle noch einmal den Bericht der Projekt-
ruppe „Datenschutz und Persönlichkeitsrechte“ der En-
uete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“
nd vor allen Dingen die Sondervoten der drei Fraktio-
en.

Weil Weihnachten ist, wünsche ich Ihnen einen guten
utsch, frohe Weihnachten und Frieden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gerold Reichenbach [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1715015000

Ich schließe die letzte Aussprache dieses Jahres.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 17/8161 an die in der Tagesordnung aufge-
hrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

erstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ha-
en wir das auch so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
ung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 18. Januar 2012, 13 Uhr, ein.

Nachdem ich so viele Weihnachts- und Jahreswün-
che gehört habe, will ich mich dem besonders herzlich
nschließen. Ich wünsche Ihnen allen fröhliche Weih-
achten, einen heiteren Jahreswechsel und dass wir uns
esund und munter und in bester Laune im neuen Jahr
iedersehen. Alles Gute für Sie!

Die Sitzung ist geschlossen.