Rede von
Arnold
Vaatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Dr. Strengmann-Kuhn, ich habe eine Frage, und
war: Würden Sie es auch für notwendig erachten, einen
leichen rentenmäßigen Ausgleich an Frauen in der
undesrepublik Deutschland zu zahlen, die vor 1974 ge-
chieden worden sind?
Man müsste genauer schauen, an welchen Stellen die
ngleichbehandlung erfolgt.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18023
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
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Das müsste man im Einzelnen nachprüfen.
Ich habe Sie aufgefordert, einen Vorschlag vorzulegen.
Sie regieren im Moment. Der Bundesrat hat gefordert,
dass für diese Gruppe ein Vorschlag vorgelegt werden
soll.
Dem haben Sie sich bisher verweigert. Sie sagen, dann
müsste man auch für die Leute, die vor 1974 geschieden
worden sind, eine Regelung treffen. Wenn Sie dieser
Meinung sind, dann machen Sie es, wenn nicht, dann
treffen Sie wenigstens eine Regelung für die zwischen
1974 und 1992 Geschiedenen. Wir haben einen Vor-
schlag vorgelegt. Den können Sie gerne ablehnen, aber
dann machen Sie einen eigenen Vorschlag. Helfen Sie
dieser Gruppe, solange sie noch lebt.
Das Gleiche gilt für die Flüchtlinge. Auch dazu sage ich:
Sie müssen unsere Vorschläge nicht eins zu eins über-
nehmen. Wichtig ist, dass diesen Menschen endlich ge-
holfen wird. Tun Sie bitte irgendetwas, um den Flücht-
lingen und Geschiedenen zu helfen.
Ein weiterer Bereich, in dem die Regierung bisher
nichts tut, obwohl es im Koalitionsvertrag steht, ist die
Schaffung eines einheitlichen Rentenwerts in Ost und
West. Das war in der Tat ein ziemliches Rumgeeiere ge-
rade eben. Allerdings muss ich sagen: Bei der SPD ist
das nicht viel anders. Auch von der SPD gibt es keinen
konkreten Vorschlag, wie ein einheitliches Rentenrecht
in Ost und West hergestellt werden kann. Es gibt einen
Vorschlag der Linken, einen der FDP und einen von uns.
Bei den beiden großen Parteien heißt es immer nur: Es
ist kompliziert, und es muss alles abgewogen werden. –
Unsere Position ist klar. Wir wollen möglichst schnell
die Ungleichbehandlung abschaffen. Wir wollen glei-
ches Recht für alle in Ost und West.
Das heißt vor allen Dingen, den Rentenwert Ost auf das
Niveau des Rentenwerts West anzuheben, und zwar
nicht schrittweise bis 2016, wie es die Linke will, oder
bis 2019, wie es die SPD wohl beabsichtigt, sondern in
einem Schritt und möglichst schnell.
Gleiches Rentenrecht für alle heißt aber auch, dass es
in Zukunft keine Aufwertung der Ostentgeltpunkte mehr
gibt. Wer im Osten 3 000 Euro verdient, erwirbt dann
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er Einwand, dass die Löhne im Durchschnitt im Osten
eringer sind, zieht meines Erachtens nicht mehr. Wenn
an sich die Zahlen des Tarifarchivs des WSI anschaut
es ist gewerkschaftsnah, wie man weiß –, dann stellt
an fest, dass das Tarifniveau im Osten mittlerweile bei
6,6 Prozent des Tarifniveaus im Westen liegt. In vielen
arifverträgen ist mittlerweile eine gleiche Bezahlung in
st und West vereinbart. Das ist also in großen Teilen
ar nicht mehr das Problem. Wenn man sich die Ursa-
hen genauer anschaut, warum der Durchschnitt gerin-
er ist – dabei hilft die Tabelle, die in der Antwort auf
ie Große Anfrage enthalten ist –, dann sieht man, dass
as unter anderem daran liegt, dass es im Westen mehr
eiche gibt, was das Niveau im Westen erhöht. Das ist
ein Grund für Handlungsbedarf. Auf der anderen Seite
ibt es einen größeren Niedriglohnbereich in Ostdeutsch-
nd. Das ist richtig. Aber einen Niedriglohnbereich gibt
s auch im Westen. Wer dort 1 000 Euro verdient, sollte
enselben Rentenanspruch erwerben. Ich weiß nicht,
arum jemand, der in Frankfurt am Main 1 000 Euro
erdient, einen geringeren Rentenanspruch erwerben
oll als jemand, der in Ostdeutschland lebt.
Was man tun muss, ist, an die Ursachen heranzuge-
en. Wir brauchen endlich einen flächendeckenden ein-
eitlichen gesetzlichen Mindestlohn in Ost und West.
ir brauchen darüber hinaus mehr branchenspezifische
indestlöhne. Ein Grund für die geringeren Löhne im
sten ist, dass sich die Arbeitgeber vom Acker machen.
ie Tarifflucht muss beendet werden,
um Beispiel dadurch, dass man es erleichtert, Tarifab-
chlüsse für allgemeinverbindlich zu erklären, und durch
ndere Maßnahmen. Es ist ein Fehler, dass es immer
och Tarifverträge gibt, in denen Ost und West unter-
chiedlich behandelt werden.
uch da wäre ein Aufruf der Politik an die Gewerk-
chaften und die Arbeitgeber notwendig. Man sollte auf
leiche Abschlüsse in Ost und West dringen, trotz der
arifautonomie.
Eine wichtige Frage ist: Was ist mit den Rentnerinnen
nd Rentnern, die jetzt Rente beziehen? Wir sind der
einung, dass es weder eine Abschaffung der Aufwer-
ng für die Vergangenheit geben sollte noch einen Auf-
chlag, wie ihn die Linke fordert. Ein solcher Aufschlag
18024 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
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würde nämlich neue Ungerechtigkeiten verursachen,
und das Ganze würde 6 Milliarden Euro kosten – 6 Mil-
liarden Euro, die unseres Erachtens besser und sozialer
verwendet werden könnten, zum Beispiel für eine Ga-
rantierente, die gezielt im unteren Einkommensbereich
stützt. Das ist etwas anderes als das, was die Linken for-
dern, die auch den Besserverdienenden zusätzlich etwas
geben wollen. Wir wollen gezielt im unteren Einkom-
mensbereich für bessere Renten in Ost und West sorgen.
Damit bin ich bei dem zentralen Problem im Osten,
nämlich der drohenden Altersarmutswelle. Hier zeigt die
Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der
SPD und auch auf unsere im Sommer gestellte Anfrage
zur Altersarmut, dass Altersarmut im Osten zwar noch
geringer ist als im Westen, die Betonung liegt aber auf
„noch“. Die Entwicklung sieht so aus, dass sich der An-
stieg der Altersarmut im Osten jetzt schon beschleunigt.
Bald ist der Zeitpunkt erreicht – vielleicht ist er jetzt
schon gekommen; die Zahlen sind ja von 2009/2010 –,
dass die Altersarmut im Osten größer als die im Westen
ist. Die Zahl der von Altersarmut Betroffenen im Osten
wird massiv ansteigen, weil immer mehr Menschen in
Rente gehen, die lange Arbeitslosigkeitskarrieren hinter
sich haben.
Ich möchte noch etwas zur Zuschussrente sagen, weil
das ganz wichtig ist und dabei auch ostdeutsche Aspekte
eine Rolle spielen. Der Grundgedanke der Zuschussrente
ist gar nicht so schlecht – es gibt durchaus Ähnlichkeiten
mit der grünen Garantierente –: Ein Mindestniveau für
alle, die lange eingezahlt haben, zu schaffen, ist sicher-
lich richtig, und die Integration in die gesetzliche Ren-
tenversicherung ist ebenfalls richtig. Da darf man durch-
aus sagen: Der Grundgedanke ist richtig.
Es gibt in einem weiteren Punkt eine Übereinstim-
mung mit der Bundesregierung; ich meine die Rente
nach Mindesteinkommen. Dazu hat sich die Regierung
kritisch geäußert. Das sehen wir genauso. Die Rente
nach Mindesteinkommen, wie sie die SPD vorschlägt
und die Linke bis vor kurzem vorgeschlagen hat, ist
nicht tauglich. Sie ist nicht zielgenau, nicht effektiv, weil
eine Aufstockung im Wesentlichen unterhalb des Exis-
tenzminimums stattfindet. Sie ist völlig intransparent.
Weil sie nicht zielgenau ist, ist sie auch noch relativ
teuer – bei schwachen Wirkungen. Diese „Rente nach
Murks“ gehört in die Mottenkiste. Da ist sogar die Zu-
schussrente von von der Leyen besser.
Bei der Zuschussrente ist zwar der Grundgedanke
richtig, aber es ist eine ganz schwache Kopie der grünen
Garantierente. Ich will das in der verbleibenden Zeit bei-
spielhaft an drei Punkten erläutern:
Erstens. Die Hürde von 45 Versicherungsjahren ist
viel zu hoch. Damit erreicht man keinen Menschen, der
von Altersarmut bedroht ist.
Mit der von Ihnen vorgenommenen Aufteilung in
35 Jahre und 45 Jahre Beitragszahlung sagen Sie: Kinder-
erziehung ist gut; Bildung und Langzeitarbeitslosigkeit
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