Rede von
Maria
Michalk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
s geht in dieser Debatte um ein geschichtsträchtiges
hema, ein Thema, das die Menschen immer wieder be-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 150. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2011 18025
Maria Michalk
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rührt. Dass es ein sehr, sehr komplexes Thema ist, hat
die bisherige Debatte schon gezeigt. Das belegen auch
die vier Vorlagen, die Grundlage der heutigen Debatte
sind und die quasi wie vier Adventskerzen auf dem Ad-
ventskranz stehen, der für mich symbolisch für den Ren-
tenangleichungsprozess der letzten 20 Jahre steht.
Unsere heutige Aussprache über die Antwort der
Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD zu
„Zwanzig Jahre Rentenüberleitung“ bietet eine gute Ge-
legenheit – dafür bin ich auch dankbar –, sich zu fragen,
ob das Ziel der Rentenüberleitung erreicht wurde, ob
hier alles gelungen ist und ob das auf dem richtigen
Wege ist.
Zum einen haben wir damals uns alle, übrigens frak-
tionsübergreifend, das politische Ziel gesetzt, einen
nachvollziehbaren und verlässlichen Rahmen für die
Überführung der DDR-Renten in ein total anderes Sys-
tem zu schaffen und diesen Prozess so zu gestalten, dass
es denjenigen, die damals schon Rente bezogen, also den
sogenannten Bestandsrentnern, besser geht. Dieses Ziel
ist erreicht.
Zum anderen musste ein völlig unterschiedliches
Lohnniveau in Ost und West bei der gesetzlichen Alters-
sicherung ausgeglichen werden.
Heute reflektieren wir die Frage, ob die Zusammen-
führung von zwei unterschiedlichen Rentensystemen in
Ost und West richtig angegangen wurde und ob sich der
eingeschlagene Weg bewährt hat.
Werfen wir doch einmal ganz nüchtern einen Blick in
die Geschichte. Als wir am 1. Juli 1990 die Wirtschafts-,
Währungs- und Sozialunion einführten, lagen die Renten
im Osten bei 672 D-Mark. Einen Tag zuvor, am 30. Juni,
lagen sie knapp über 400 D-Mark. Es fand also schon da
eine Angleichung statt. Eine Meisterleistung! In den al-
ten Bundesländern hingegen lag die monatliche Eckrente
bei 1 667 D-Mark. Die Ostrenten hatten also zum 1. Juli
1990 ein Niveau von 40,3 Prozent des Rentenwertes in
der gesetzlichen Rentenversicherung.
In der heutigen Debatte wurde vergessen, zu erwäh-
nen – jedenfalls hat es bis jetzt noch niemand gesagt –,
dass wir vereinbart hatten, bis zum 1. Juli 1993 jeweils
halbjährlich Anpassungen vorzunehmen:
zweimal um 15 Prozent, dann um 11,65 Prozent, um
12,73 Prozent, um 6,1 Prozent und um 14,12 Prozent.
Das sind enorme Steigerungsraten gewesen. Es reichte ja
nicht, das nur politisch zu beschließen, sondern das
musste auch ausfinanziert werden. Nach all diesen An-
passungsschritten hatte die Eckrente am 1. Juli 1993 im
Osten einen Verhältniswert von 72,3 Prozent gegenüber
den Westrenten erreicht. Ist das nicht eine Meisterleis-
tung?!
2008 lag das Rentenniveau Ost bei 88,1 Prozent, ak-
tuell liegt es bei 88,7 Prozent. Wir wissen, dass prognos-
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Vergessen wir nicht: Diese rasche Angleichung in den
rsten Jahren nach der deutschen Einheit ist auch Aus-
ruck wirtschaftlicher Stärke unseres Landes, damals wie
eute. Sonst wäre das finanziell gar nicht möglich gewe-
en. Eine ganze Monatsrente ist aus der Rentenreserve für
ie Finanzierung dieser Angleichungen im Zuge der deut-
chen Einheit genommen worden. Hätte die Reserve da-
als nicht 3,5 Monatsraten betragen, wäre das gar nicht
öglich gewesen. Auch das ist Ausdruck einer ausge-
eichneten politischen Entscheidung der Regierung
elmut Kohl. Für diese Entscheidung sind wir noch heute
ehr, sehr dankbar.
Aufgrund der schwächeren Lohnentwicklung im Os-
n – da sind wir uns einig – hat sich dieser Prozess in
en Folgejahren tatsächlich verlangsamt, und die Men-
chen fragen sich: Wann kommt denn nun endlich die
bsolute Angleichung? Sie von der Opposition haben
vielleicht sind wir daran auch selber ein wenig schuld;
uf alle Fälle hat die Linke es immer forciert – immer
en Eindruck bundesweit verstärkt, dass jede Anglei-
hung für jeden persönlich automatisch mit einer höhe-
n Rentenauszahlung verbunden sein muss. Die heuti-
en Redebeiträge haben aber gezeigt, wie differenziert
as zu sehen ist und dass das in der Tat niemals so eintre-
n kann.
Wir haben die politische Prämisse gesetzt: Wie auch
mer in Zukunft gerechnet, verändert und entschieden
ird, es darf zu keiner Verschlechterung der Situation
r die Bestandsrentner in den neuen Bundesländern
ommen. Dafür setzen wir uns ein.
Die jetzige Regelung – so wie sie angelegt ist – si-
hert zwar einen langsamen, aber kontinuierlichen An-
leichungsprozess. Das ist nicht von der Hand zu wei-
en.
edenfalls ist das nicht schlecht.
Wir müssen außerdem im Hinblick auf die Zukunft
afür sorgen, dass die Angehörigen der heutigen renten-
ahen Jahrgänge – da sind wir uns total einig –, die un-
erschuldet viele Jahre lang arbeitslos waren und damit
in niedrigeres Rentenniveau zu erwarten haben, in je-
em Fall besser als diejenigen Schwestern und Brüder
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gestellt werden, die freiwillig und ganz bewusst keine
Arbeit aufgenommen haben. Geleistete Arbeit muss sich
auch in Zukunft beim persönlichen Rentenniveau aus-
zahlen. Das ist – auch in der aktuellen Diskussion zum
Rentendialog – die Herausforderung.
Vergessen wir nicht: Nach wie vor ist es so, dass die
Beitragseinnahmen in den neuen Bundesländern nicht
die Rentenausgaben decken. Es gibt also nach wie vor
einen enormen Leistungstransfer. Das ist ein weiterer
Beweis für die anhaltende Solidarität in unserem Land.
Es liegen viele Veränderungsvorschläge vor, die sehr
differenziert und widersprüchlich sind – sie werden von
den Fraktionen unterschiedlich bewertet –, von Sachver-
ständigen, Kommissionen, Parteien und Gewerkschaf-
ten. In der Antwort der Bundesregierung auf die Große
Anfrage der SPD ist darauf auch eingegangen worden.
Bisher hat jede Regierung bekräftigt, dass es keine kurz-
fristige Lösung geben kann, die nicht neue Ungerechtig-
keiten schafft.
Letztendlich ist festzustellen, dass dem 1992 gewähl-
ten Weg eine ausgewogene, optimal-solidarische, zu-
kunftsgerechte Programmatik zugrunde liegt, die nicht
ohne Not – jedenfalls so lange nicht, bis man auch mit
den Ländern einen einvernehmlichen und besseren Weg
gefunden hat – aufgegeben werden sollte. Diesen Weg
gibt es bisher noch nicht.
Man muss sich zum Beispiel, wenn man optimiert
– das ist heute schon gesagt worden –, auch fragen:
Wann soll die Hochwertung der Löhne aufhören? Soll
das geschehen, wenn die Branchen für den Osten im
Rahmen ihrer Tarifabschlüsse eine vollständige Anglei-
chung erreicht haben? Wann soll der Stichtag sein? Und
so weiter.
Ich will ganz genau erklären – das ist heute noch nicht
gesagt worden –, warum ich das nicht ohne Not aufge-
ben möchte: In unserer Formel gibt es eine Schutzklau-
sel, nach der in den Jahren, in denen die Lohnentwick-
lung nicht so erfreulich ist – das gab es in den letzten
Jahren –, die Renten im Osten mindestens so steigen wie
im Westen. Diesen Schutzmechanismus können Sie doch
nicht ernsthaft gefährden wollen. Das kann nicht sein.
Ich finde, dass das System, ehrlich gesagt, wirklich ge-
nial ist. Die Lohnbezogenheit ist gerecht und systemim-
manent.
Ich weise auch darauf hin, dass wir die Meisterleistung
hinbekommen haben, 27 Zusatzversorgungssysteme, 5 Son-
derversorgungssysteme und die lohnbezogene bzw. bei-
tragsbezogene gesetzliche Rentenversicherung der DDR
in ein Rentensystem zu überführen.
Es gab außerdem die Auffüllbeträge; auch das gehört
zur Geschichte. Für die Stasibeschäftigten, die in den
Sondersystemen waren und privilegierte Einkommen
hatten – sie haben sich hier und da eingeklagt –, hat das
Bundessozialgericht in dieser Woche Gott sei Dank noch
einmal bestätigt, –
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