Protokoll:
5143

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 143

  • date_rangeDatum: 13. Dezember 1967

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:58 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 143. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1967 Inhalt: Nachrufe auf die Abg. Hussong und Merten 7361 A, 7361 C Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 7362 A Zur Tagesordnung Frehsee (SPD) . . . . . . . . . 7367 D Fragestunde (Drucksache V/2371) Fragen des Abg. Matthöfer: Abmeldung eines Fernsehgeräts — Fernseh-Rundfunkgenehmigung Bornemann, Staatssekretär . . . . 7363 A Matthöfer (SPD) . . . . . . . . 7363 B Fragen des Abg. Dr. Ritz: Eigenheime im Eigentum einer natürlichen Person mit nicht mehr als zwei Wohnungen Dr. Schornstein, Staatssekretär . . . 7364 A Dr. Ritz (CDU/CSU) . . . . . . . 7364 B Frage des Abg. Strohmayr: Errichtung einer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Hochschule in Augsburg Dr. von Heppe, Staatssekretär . . 7364 C Strohmayr (SPD) 7365 A Moersch (FDP) 7365 B Wagner (CDU/CSU) . . . . . 7365 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 7365 D Dr. Müller (München) (SPD) . . . 7366 B Ertl (FDP) 7366 D Fragen des Abg. Schmidhuber: Darlehen an private Unternehmer zur Finanzierung von Einzelprojekten der Luft- und Wasserreinigung . . . . . 7367 A Frage des Abg. Geldner: Mißtrauen in Ost- und Südosteuropa gegenüber der Bundesrepublik Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 7367 A Geldner (FDP) . . . . . . . . 7367 C Vogt (CDU/CSU) . . . . . . . . 7367 C . Genscher (FDP) . . . . . . . . 7367 D Ertl (FDP) . . . . . . . . . . 7368 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 7368 C Fragen des Abg. Vogt: Errichtung eines Europäischen Jugendwerks — Einladung an die Mitgliedstaaten der Sechsergemeinschaft und des Europarates nach Bonn Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 7369 A Vogt (CDU/CSU) 7369 A Liehr (SPD) 7369 B Moersch (FDP) 7369 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 Fragen des Abo. Dorn: Bericht über den Prozeß gegen die aus Deutschland entführten Süd-Koreaner — Schritte der Bundesregierung zu ihrer Rückführung Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 7369 D, 7371 C Dorn (FDP) 7369 D, 7371 D Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 7370 A, 7372 B, 7373 A Genscher (FDP) . . . 7370 B, 7373 C Busse (Herford) (FDP) . . 7370 D, 7373 B Dr: Staratzke (FDP) . . . . . . . 7371 A Moersch (FDP) . . . . . . . . 7371 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . . 7372 C Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) . 7372 D, 7373 B Fragen des Abg. Dr. Müller (München) : Verbot des Gebrauchs der deutschen Sprache durch einen örtlichen amerikanischen Kommandeur Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 7373 D Dr. Müller (München) (SPD) 7374 A Frage des Abg. Geldner: Etwaige Bemühungen um Öffnung des Grenzübergangs Höll im Lkr. Waldmünchen Benda, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 7374 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 7374 C Frage des Abg. Dr. Kempfler: Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit an ausländische, in der Bundesrepublik approbierte Ärzte auf deren Antrag zwecks Behebung des Ärztemangels 7374 D Fragen des Abg. Büttner: „Schwarzbuch der deutschen Kripo" — Wirtschaftsstraftäter Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 7375 A, B Büttner (SPD) 7375 D Zur Geschäftsordnung Genscher (FDP) 7376 A Scheel, Vizepräsident 7376 A Aktuelle Stunde Notwendigkeit einer Rückführung der aus der Bundesrepublik entführten SüdKoreaner Dorn (FDP) 7376 B Dr. Kopf (CDU/CSU) . . . . . 7386 D Busse (Herford) (FDP) . . . . . 7377 B Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 7377 D, 7379 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 7378 C Dr. Müller (München) (SPD) . . . 7379 D Wagner (CDU/CSU) . . . . . . 7380 B Dr. Klepsch (CDU/CSU) . 7381 A, 7383 A Porzner (SPD) . . . . . . . . . 7381 D Genscher (FDP) . . . . 7382 B, 7383 A Dr. Klepsch (CDU/CSU), Erklärung nach § 36 GO . . . . . . . . 7383 A Genscher (FDP), Erklärung nach § 36 GO . . . . . . . . 7383 A Dr. Wörner {CDU/CSU) . . . . . 7383 B Ollesch (FDP) . . . . . . . . . 7383 D D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . . 7384 C, 7387 C, 7388 D Hirsch (SPD) . . . . . . . . 7384 C Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . . 7385 B Neumann (Berlin) (SPD) . . . . . 7386 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 7386 C Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär, nach Art. 43 GG . . 7387 D, 7389 D Zoglmann (FDP), nach § 48 Abs. 1 GO 7389 A Zur Geschäftsordnung Rasner (CDU/CSU) 7390 A Genscher (FDP) . . . . . . . 7390 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 7390 C Antrag betr. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Abg. Dr. Wörner, Dr. Häfele, Baron von Wrangel, Dichgans, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Stark [Nürtingen] u. Gen. und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache V/2343) Dr. Wörner (CDU/CSU) 7390 D Moersch (FDP) 7391 D Baron von Wrangel (CDU/CSU) . 7394 D Dr. Luda (CDU/CSU) 7395 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 7395 C, D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 III Mündlicher Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit gem. § 113 Abs. 1 GO, in Verbindung mit Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache V/2364) Frau Wessel (SPD) . . . . . . . 7396 A Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 7398 C Folger (SPD) 7399 B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 7399 B D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . . 7399 C Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes (Drucksache V/2291) — Erste Beratung — Katzer, Bundesminister 7400 A Müller (Remscheid) (CDU/CSU) . 7405 B Folger (SPD) 7408 B Schmidt (Kempten) (FDP) 7410 B Diebäcker (CDU/CSU) 7414 A Frau Freyh (SPD) . . . . . . 7415 C Moersch (FDP) . . . . . . . 7416 D Müller (Berlin) (CDU/CSU) . . . 7417 C Porten (CDU/CSU) 7418 B Jaschke (SPD) 7419 A Frau Blohm (CDU/CSU) 7419 D Behrendt (SPD) . . . . . . . 7420 A Horstmeier (CDU/CSU) 7421 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (CDU/CSU) (Drucksache V/2234) Ziegler (CDU/CSU) 7422 C Seidl (SPD) 74 24 C Schmidt (Kempten) (FDP) 7425 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Dezember 1960 gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen und zu dem Protokoll vom 18. Dezember 1962 über die Errichtung einer Schlichtungs- und Vermittlungskommission (Drucksache V/1583); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache V/2336) — Zweite und dritte Beratung — 7426 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 16. Juli 1966 zwischen der EWG und der Republik Nigeria sowie dem Internen Durchführungsabkommen (Drucksache V/1610); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache V/2352), Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksache V/2531) — Zweite und dritte Beratung — 7427 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. September 1966 mit dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Grenzübergänge der Eisenbahnen (Drucksache V/2189); Schriftlicher Bericht .des Verkehrsausschusses (Drucksache V/2355) — Zweite und dritte Beratung — 7427 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abg. Kühn [Hildesheim], Meis, Prinz von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. von Nordenskjöld u. Gen.) (Drucksache V/2243) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 7427 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes (SPD) (Drucksache V/2309) — Erste Beratung — Dr. Reischl (SPD) . . . . . . . 7427 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 17. November 1965 zur Änderung des Art. 4 des Abkommens vom 22. November 1928 über Internationale Ausstellungen in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 10. Mai 1948 (Drucksache V/2354) — Erste Beratung — . . . . . 7429 A Entwurf eines Gesetzes über eine Statistik der Einkommen- und Körperschaftsteuererklärungen (Drucksache V/2360) — Erste Beratung — Schulte (SPD) 7429 C Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Entwicklungshilfe über den Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Entwicklungspolitik (Umdruck 285, Drucksache V/2349 [neu]) 7429 D Schriftlicher Bericht des Innenausschusses über den von den Abg. Schoettle, Windelen, Dr. Emde u. Gen. eingebrachten Antrag betr. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über den von den Abg. Gscheidle, Brück (Köln), Dorn u. Gen. eingebrachten Antrag betr. Verwaltungsvereinfachung durch Datenverarbeitung (Drucksachen V/1655, V/1933, V/2381) . . 7429 D Mündlicher Bericht des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht: Antrag des Bundes der Deutschen auf Feststellung, daß die §§ 18, 19, 20, 34, 35, 36 und 39 des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 verfassungswidrig seien (Drucksache V/2339) 7430 A IV Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses über den Vorschlag der EWG für eine Richtlinie des Rats über Zusatzstoffe in der Tierernährung (Drucksachen V/2011, V/2358) 7430 A Schriftlicher Bericht des Gesundheitsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Werbung für Arzneispezialitäten und über die Packungsbeilage (Drucksachen V/1894, V/2363) 7430 B Antrag der Fraktion der SPD betr. Bericht Bundeskriminalamt (Drucksache V/2350) Hübner (SPD) . . . . . . . . . 7430 C Antrag betr. Rückführung deutscher Wissenschaftler (Abg. Dr. Martin, Dr. Huys, Dichgans, Frau Geisendörfer u. Gen.) (Drucksache V/2179 [neu]) 7431 C Antrag betr. Verkehrsausbau in den Gemeinden (Abg. Lemmrich, Rawe u. Gen.) (Drucksache V/2203) 7431 D Antrag betr. Richtlinien für Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden (Abg. Dr. Hammans, Rösing, Porten, Müser, Baier u. Gen. und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache V/2282) 7431 D Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehem. Flugplatzes Köln-Ostheim (Drucksache V/2311) 7432 Nächste Sitzung 7432 Anlagen 7433 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7361 143. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung. Es ist zu lesen: 141. Sitzung, Seite 7200 D, dritte Zeite von unten statt Millionen: Milliarden. 141. Sitzung, Seite 7226 D, Zeile 4 statt Versuchsbeschluß: Versuchsbeschuß. 142. Sitzung, Seite 7318 B, Zeile 4 statt jeweils; insgesamt. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 15. 12. Frau Albertz 15. 12. Arendt (Wattenscheid) 13. 12. Bading * 13. 12. Baier 15. 12. Bals 15. 12. Bauer (Würzburg) ** 14. 12. Berlin 15. 12. Dr. Besold 13. 12. Blachstein 15.12. Börner 14. 12. Cramer 17.12. Dr. Dittrich * 15. 12. Draeger ** 13. 12. Frau Dr. Elsner 15. 12. Fläming ** 13. 12. Gerlach * 15. 12. Gewandt 15. 12. Gibbert 16. 12. Dr. h. c. Güde 15. 12. Haage (München) 15. 12. Frau Herklotz ** 13. 12. Hilbert ** 13. 12. Hölzle 16.12. Illerhaus * 13. 12. Jahn (Marburg) 13. 12. Kahn-Ackermann ** 13. 12. Frau Klee 13. 12. Klinker * 13. 12. Frau Korspeter 23. 12. Kriedemann * 13. 12. Dr. Kübler 31. 12. Kühn (Hildesheim) 15. 12. Kunze 31. 12. Lenz (Brühl) 31. 12. Dr. Lindenberg 15. 12. Lücker (München) * 13. 12. Mauk * 13. 12. Missbach 15. 12. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 12. Müller (Aachen-Land) * 15. 12. Paul 31. 12. Raffert 16. 12. Ramms 13. 12. Riegel (Göppingen) 16. 12. Rollmann 15. 12. Prinz zu Sayn-Wittgenstein- Hohenstein 20.12. Frau Schanzenbach 20. 12. Schwabe 13. 12. Dr. Schwörer 13. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Spitzmüller 15. 12. Dr. Starke (Franken) 15. 12. Steinhoff 31. 12. Tallert 21. 1. 1968 Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell ** 12. 12. Dr. Wahl 16. 12. Weimer 15. 12. b) Urlaubsanträge Hörmann (Freiburg) 20. 12. Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Freiherr von Gemmingen (FDP) zu Punkt 15 der Tagesordnung. Die FDP begrüßt die Äußerungen der Bundesregierung und der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, die Entwicklungshilfe auch in Zukunft nach entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen, nicht nach außenpolitischen Gesichtspunkten auszurichten. Wir Freien Demokraten möchten nochmals darauf hinweisen, wie wichtig eine kontinuierlich durchgeführte Entwicklungshilfe ist. Es ist erforderlich, daß die Entwicklungshilfe aus den Wechselfällen der Außenpolitik herausgehalten wird. Damit soll allerdings nicht gesagt sein, daß die Entwicklungshilfe nicht als Mittel dazu dienen kann, Freunde für die Bundesrepublik im Ausland zu gewinnen. Zu Punkt 2 des Antrages der FDP-Fraktion möchte ich bemerken, daß der Ausschuß über die von uns gewählte Formulierung noch hinausgegangen ist. Die FDP hat den Antrag zu diesem Punkt gestellt, um der Bundesregierung im Falle von Verhandlungen über die Bildung eines 3. Europäischen Entwicklungsfonds einen entsprechenden politischen Rückhalt zu geben. Die FDP ist nämlich der Ansicht, daß die Wirtschaft der Bundesrepublik an den zu vergebenden Aufträgen nicht in dem Verhältnis zur Höhe des deutschen Finanzanteils beteiligt gewesen sei. Erfreulicherweise hat sich der Ausschuß dafür ausgesprochen, auch auf eine Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen bei Ausschreibungen im Rahmen des laufenden 2. Europäischen Entwicklungsfonds hinzuwirken. Auf Grund der veränderten Konjunkturlage ist der Hinweis auf die für die Bundesrepublik ungünstigen Wettbewerbsbedingungen zu begrüßen und mit der Hoffnung verbunden, daß seitens der Bundesregierung eine baldige Abhilfe geschaffen wird. Zu Punkt 3 ist zu sagen, daß die FDP die fehlende Übersicht über die deutsche Personalplanung für den Einsatz in internationalen Organisationen bemängelt. Eine Straffung der Personalpolitik in diesem Bereich ist dringend erforderlich. Das Verhältnis der deutschen personellen Beteiligung liegt 7434 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 bei den meisten Organisationen unter dem Prozentsatz, den die Bundesregierung auf Grund ihrer Beitragsleistungen von jährlich rund 1/2 Milliarde DM für rund 130 internationale Organisationen beanspruchen könnte. Um die Zersplitterung der Planung zu überwinden, eine schnellere Vakanzbekanntgebung zu erreichen, die Personalfluktuation und die erforderliche Personalreserve zu übersehen, ist die Errichtung einer zentralen Koordinierungsstelle notwendig. Eine derartige Stelle kann wiederum nur dann mit Aussicht auf Erfolg arbeiten, wenn sich auch Länder und Gemeinden zur Mitarbeit zusammenfinden und insbesondere die Betreuung und Eingliederung zurückkehrender Beamter in die Hände nehmen. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 7. Dezember 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/2333 Frage 3) : Hält es die Bundesregierung für zulässig, daß im Rahmen eines vom Bund unterstützten Demonstrativbauprogramms in Bad Kreuznach ein gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen (Heimstätte) mit 12 Bauherrn die Kaufeigenheim- und Bewerberverträge bei Vertragsabschluß im Jahre 1965, als einige der Häuser bereits weitgehend fertiggestellt waren und demnach ein Überblick über die Baukosten bestand, eine Kaufsumme von 86 000 DM vereinbart hatte und am 4. Oktober 1967 auf Grund einer vorläufigen Abrechnung, wobei kein Einzelnachweis über die Kosten geführt wird, 99 253 DM als Übernahmepreis verlangt? Gerade bei Eigentumsmaßnahmen müssen nach meiner Meinung die Baukosten vorsichtig kalkuliert werden, damit die Bewerber nicht durch unvorhergesehene Kostenüberschreitungen vor Belastungen gestellt werden, die für sie nicht mehr tragbar sind. Diese Feststellung gilt ganz allgemein, besonders aber auch für Demonstrativbauvorhaben, die ebenso wie andere Bauvorhaben unter der Verantwortung des Landes durchgeführt werden. Nach meinen Feststellungen hat in dem von Ihnen genannten Fall bei Kaufvertragsabschluß nur eine Vorkalkulation von voraussichtlich 86 000,- DM zugrunde gelegen. In dem Bewerbervertrag soll ausdrücklich darauf hingewiesen worden sein, daß sich die Kalkulation ändern könne. Die Vorkalkulation wurde 1963 aufgestellt, das Bauvorhaben im Frühjahr 1964 ausgeschrieben und das Haus, auf das die in der Frage angegebenen Zahlen zutreffen, im Februar 1966 bezogen. Der Bauträger hat im einzelnen dargelegt, worauf die Mehrkosten von rund 13 000,— DM beruhen: 1. Das an sich schon sehr große Grundstück wurde infolge von Grenzkorrekturen bei der amtlichen Vermessung um 120 qm vergrößert, wodurch sich die Grundstücks- und Erschließungskosten um insgesamt 6917,83 DM erhöhten. 2. Die Baunebenkosten haben sich um 3556,89 DM verteuert, darunter die Finanzierungskosten um 2828,15 DM, die Betreuungsgebühren um 431,17 DM und die Kosten für Behördenleistungen um 282,18 DM. Die Erhöhung der Finanzierungskosten beruhte im wesentlichen darauf, daß der Bewerber erst 1 Jahr nach Baugebinn den Vertrag abschloß und somit vorher eine Zwischenfinanzierung notwendig war. 3. Die reinen Baukosten erhöhten sich ebenfalls um 3665,63 DM. Ursache hierfür waren nicht voraussehbare Tieferfundierungen, aber auch kleinere Wertverbesserungen, z. B. an der Heizung und Antenne. Die endgültigen reinen Baukosten sind dennoch mit 539,36 DM pro qm Wohnfläche sehr günstig. Den Kostenerhöhungen von über 14 000,— DM stehen Kostenminderungen von über 880,— DM gegenüber, so daß sich für diesen einmaligen Fall im Demonstrativvorhaben Bad Kreuznach eine effektive Erhöhung von 13 253,17 DM ergibt. Der Übernahmepreis vom 4. 10. 1967 basiert im Gegensatz zu Ihrer Information nicht auf einer vorläufigen Abrechnung ohne Einzelnachweis der Kosten, sondern auf der endgültigen Schlußabrechnung, die detailliert im August 1967 aufgestellt und der zuständigen Landestreuhandstelle zur Prüfung vorgelegt worden ist. Da keine Beanstandungen erfolgten, wurden die Schlußraten der Landes- und Bundesmittel ausgezahlt. Nach Angaben des Bauträgers hat die Schlußabrechnung den Kaufanwärtern zur Einsichtnahme zur Verfügung gestanden. Sollten Sie noch weitere Einzelheiten wünschen, bin ich gerne bereit, weitere Erhebungen anstellen zu lassen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Höcherl vom 6. Dezember 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache. zu V/2333 Frage 77) : Hält es die Bundesregierung für richtig, daß das Land Rheinland-Pfalz beabsichtigt, unter Verwendung von Bundesmitteln im Raum Nahbollenbach (Nahe) neben zwei bereits bestehenden Aussiedlungen eine dritte zu errichten, obwohl die beiden dort bereits ansässigen Siedler der Überzeugung sind, daß das dort vorhandene und einer Siedlungsgesellschaft gehörende Land dringend zur Aufstockung ihres eigenen Bedarfs benötigt wird? Die Siedlungsmaßnahmen werden von den Ländern in eigener Verantwortung durchgeführt. Es ist deshalb nicht möglich, daß der Bund darüber entscheidet, in welcher Weise anfallendes Siedlungsland im Einzelfall zu verwerten ist. Eine solche Entscheidung kann nur von den im Land zuständigen Stellen auf Grund eingehender Prüfung getroffen werden. Dabei sind vor allem zu berücksichtigen die für eine ausreichende Existenz notwendige Betriebsgröße, der tatsächliche Umfang der für eine Aufstockung geeigneten Flächen, die Zahl der für ein solches Aufstockungsland in Frage kommenden Bewerber und deren Wirtschafts- und Kreditfähigkeit. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7435 Im übrigen darf ich bemerken, daß es sich nach der von mir bei dem Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten des Landes RheinlandPfalz eingeholten Auskunft um 2 im Jahre 1958 errichtete Neusiedlerstellen handelt, von denen die eine heute bereits 30 ha Eigenland und 8 ha Zupachtland, insgesamt 38 ha, umfaßt, während die andere 29,77 ha Eigenland und 4,65 ha Zupachtland = 34,42 ha ausweist. Darüber hinaus werden die beiden Stellen voraussichtlich in absehbarer Zeit im Zuge eines beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens auf je 40 bis 45 ha Wirtschaftsfläche vergrößert werden. Die Siedlungsgesellschaft (Landsiedlung Rheinland-Pfalz GmbH) verfügt noch über einen Landvorrat von 35 ha, der von ,der Gemeinde Nahbollenbach an ,die Landsiedlung verkauft worden ist. Auf dieser Fläche soll eine Neusiedlerstelle für einen Heimatvertriebenen errichtet werden, der schon seit vielen Jahren sich um eine ausreichende Siedlerstelle beworben hat und jetzt einen Betrieb von 10 ha bewirtschaftet und über entsprechendes Eigenkapital (60 000 DM) verfügt.
Gesamtes Protokol
Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514300000
Meine sehr verehrten Kollegen! Ich habe die traurige Pflicht, dem Hohen Hause Kenntnis vom Tode zweier seiner Mitglieder zu geben.

(Die Abgeordneten erheben sich.)

Unser Kollege Rudolf Hussong ist am 10. Dezember 1967 nach längerer Krankheit im Alter von 64 Jahren in Saarbrücken gestorben.
Rudolf Hussong wurde am 17. April 1903 in Eschweilerhof bei Kirkel an der Saar geboren. Nach dem Besuch der Volksschule arbeitete er zunächst im Bergbau, im Baufach und in der Hüttenindustrie. Zwischen 1928 und 1932 besuchte er die Volkshochschule und studierte drei Semester an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Berlin.
Schon 1918 gehörte er den freien Gewerkschaften an und seit 1923 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Als Jugendsekretär der Sozialdemokratischen Partei wirkte er in Saarbrücken, Görlitz und Dortmund.
Während der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus verdiente Rudolf Hussong seinen Unterhalt als Kohlenarbeiter und Kraftfahrer. Bei Kriegsausbruch wurde er Soldat. 1945 geriet er in sowjetische Gefangenschaft, aus der er 1947 wegen schwerer Krankheit entlassen wurde. Nach seiner Genesung setzte sich Rudolf Hussong tatkräftig für den politischen Aufbau ein. Im Saarländischen Ministerium für Arbeit und Sozialwesen war er seit 1948 für die politische Wiedergutmachung und für Kriegsgefangenenfragen verantwortlich. Kollege Hussong gehörte von 1949 bis 1951 dem Gemeinderat in Kirkel und von 1956 bis 1961 als Abgeordneter dem Saarländischen Landtag an.
In den Deutschen Bundestag wurde Rudolf Hussong 1961 gewählt. Als Mitglied der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vertrat er den Wahlkreis Saarbrücken Stadt. Er war ordentliches Mitglied des Ausschusses für Arbeit und stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Kriegs- und Verfolgungsschäden.
Der Familie unseres verstorbenen Kollegen und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands spreche ich die Anteilnahme des Hauses aus.
Am 12. Dezember 1967 verstarb unser Kollege Hans Merten im Alter von 59 Jahren nach schwerer Krankheit in Bad Godesberg.
Hans Merten wurde am 1. September 1908 in Wiesbaden geboren. Er studierte an den Universitäten Marburg und Berlin Theologie. Bis Kriegsausbruch wirkte er als Pfarrer am Evangelischen Johannisstift in Berlin-Spandau, später in Gemeinden der Neumark und in Hessen. Kurz nach Übernahme der letzten Pfarre wurde Hans Merten zur Wehrmacht eingezogen und nahm an den Feldzügen in Polen, Frankreich und Rußland teil.
Nach Kriegsende widmete sich Hans Merten der Betreuung der Kriegsgefangenen. Nach zweimaliger Flucht aus der Kriegsgefangenschaft in Polen und der Tschechoslowakei war er in ein amerikanisches Kriegsgefangenenlager in Hessen geraten, wo er Lagerpfarrer wurde. Ende 1945 entlassen, baute er im Auftrag des Evangelischen Hilfswerks zunächst einen Kriegsgefangenendienst auf, den Or später auf die seelsorgerische, kulturelle und soziale Betreuung der Internierten und Heimkehrer ausweitete. Als erfahrener und engagierter Fachmann wurde Merten 1949 Leiter der Geschäftsstelle der westdeutschen Länder für Kriegsgefangenen- und Heimkehrerfragen und übernahm noch im selben Jahr im Bundesvertriebenenministerium das Referat für Kriegsgefangene und Heimkehrer.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Hans Merten als Mitglied der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands seit 1951 an. Er wurde 1951 in einer Nachwahl für den hessischen Wahlkreis Waldeck-Wolfhagen-Hofgeismar in das Parlament gewählt. Zuletzt vertrat er den Wahlkreis Gießen.
Im Bundestag war die Kriegsgefangenenfürsorge nur einer der Bereiche, mit denen sich Hans Merten intensiv befaßte. Hervorgetreten ist er als einer der Wehrexperten seiner Fraktion und als stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses von 1957 bis 1963. Im 5. Bundestag war Hans Merten stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik sowie des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung. Seit 1965 gehörte er dem Europäischen Parlament an, wo er als Mitglied mehrerer Ausschüsse mit Sachverstand und Leidenschaft an der Planung europäischer Politik beteiligt war.
7362 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Vizepräsident Scheel
Ich spreche der Familie des verstorbenen Kollegen und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands die Anteilnahme des Hauses aus.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat am 8. Dezember 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schlager, Picard, Dr. Klepsch und Genossen betr. Überprüfung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes an der Universität Gießen durch den hessischen Verfassungsschutz — Drucksache V/2357 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2379 verteilt.
Der federführende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben bei dem
Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rats zur Festsetzung der ab 1. Oktober 1967 geltenden Höchstbeträge der Erstattung bei der Erzeugung für Zucker, der In der chemischen Industrie verwendet wird — Drucksache V/2199 —
von einer Stellungnahme abgesehen, da der vorliegende Verordnungsvorschlag überholt ist.
Der federführende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben die nachfolgenden Verordnungen ohne besondere Bemerkungen zur Kenntnis genommen:
Verordnung Nr. 755/67/EWG vom 26. Oktober 1967 über die Abweichung von Artikel 16 der Verordnung Nr. 160/66/EWG in bezug auf bestimmte Waren der Tarifnr. 18.06 B des Gemeinsamen Zolltarifs
Verordnung Nr. 791/67/EWG vom 31. Oktober 1967 über den Pauschbetrag für nicht raffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wird
Verordnung Nr. 853/67/EWG vom 14. November 1967 zur Änderung der Verordnung Nr. 47/64/EWG über die Festsetzung der Koeffizienten zur Errechnung der Abschöpfungsbeträge für die in Anhang II der Verordnung Nr. 14/64/EWG genannten Erzeugnisse
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in den Niederlanden dienstlich verwendet werden
— Drucksache V/2359 —
an den Innenausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im Januar erfolgen wird.
Verordnung des Rates über den Zugang zum Markt im Binnenschiffsgüterverkehr
— Drucksache V/2373 —
an den Verkehrsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im April erfolgen wird
Verordnung des Rates über den Zollwert der Waren — Drucksache V/2374
an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im April erfolgen wird
Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über
1. die zollamtliche Überwachung der Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden,
2. die vorübergehende Verwahrung dieses Zollguts
Richtlinie ,des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über das Zollagerverfahren
Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Zahlungsaufschub für Zölle, Abgaben gleicher Wirkung und Abschöpfungen
— Drucksache V/2375 —
an den Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat, die voraussichtlich im April erfolgen wird.
Verordnung Nr. 916/67/EWG des Rates vom 28. November 1967 zur Verschiebung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 408/67/EWG
Verordnung Nr. 917/67/EWG des Rates vom 28. November 1967 über die dritte Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 281/67/EWG zur Festsetzung der Höchstbeträge der Erstattung bei der Erzeugung für Zucker, der in der chemischen Industrie verwendet wird
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden.
Zu den in der Fragestunde der 142. Sitzung des Deutschen Bundestages am 8. Dezember 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Schlager, Drucksache Nachtrag zu V/2333 Nrn. 87, 88 und 89 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Lücke vom 7. Dezember 1967 eingegangen. Sie lautet:
In dieser Angelegenheit liegt inzwischen von Ihnen und anderen Kollegen eine Kleine Anfrage vor. Unter diesen Umständen möchte ich davon ausgehen, daß Sie auf die Beantwortung Ihrer Fragen in der Fragestunde verzichten. Ich werde bemüht sein, die Kleine Anfrage so rasch als möglich zu beantworten.
Zu den in der Fragestunde der 141. Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. Dezember 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Böhm, Drucksache V/2333 Nrn. 67, 68 und 69 **) ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 7. Dezember 1967 eingegangen. Sie lautet:
1. Die Meldung des „Donaukurier" vom 28. November 1967, daß beabsichtigt sei, in der Gemarkung der Gemeinde Gaimersheim ein Korpsdepot zu errichten, trifft zu. Das Depot soll einem Vorschlag des Landratsamtes Ingolstadt entsprechend auf einem Gelände etwa 2 km südwestlich von Gaimersheim im sogenannten Hochholz errichtet werden, Mit den Bauarbeiten wird voraussichtlich im Jahre 1968 begonnen werden.
2. Die Planungsbehörden des Freistaates Bayern haben im Rahmen des Anhörungsverfahrens gemäß § 1 (2) Landbeschaffungsgesetz eingehend geprüft, ob dem Vorhaben der Bundeswehr andere öffentliche Planungen oder zivile Interessen entgegenstehen. Einwendungen sind jedoch weder während dieses Verfahrens noch später bei der zuständigen Wehrbereichsverwaltung bzw. bei der mit dem Grunderwerb befaßten Oberfinanzdirektion München geltend gemacht worden. Die Bayerische Staatskanzlei hat dem Vorhaben am 29. August 1961 zugestimmt.
3. Nachdem bei der Durchführung des Anhörungsverfahrens von keinem der Betroffenen, denen die militärischen Planungen bekannt waren, Einwendungen erhoben worden sind, bestand und besteht für die Bundesregierung kein Anlaß zu der Annahme, daß diese Planungen unerwünschte Auswirkungen auf die regionalwirtschaftliche Entwicklung haben könnten.
Meine Damen und Herren, Herr Frehsee hat mich gebeten, vor Eintritt in die Tagesordnung zur Tagesordnung sprechen zu dürfen.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0514300100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Montag und Dienstag der kommenden Woche wird der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel über die Anträge Großbritanniens, Irlands, Norwegens und Dänemarks auf Aufnahme in die Europäischen Gemeinschaften beraten. Die Fraktionen sind, wie die vielen Fragen zur Fragestunde, die hier von Sprechern aller Fraktionen eingebracht worden sind, beweisen, der Überzeugung, daß es sich bei diesen Verhandlungen um solche von entscheidender politischer Bedeutung handelt und daß sich der Bundestag zu diesen Verhandlungen äußern sollte. Die Öffentlichkeit erwartet sicherlich in dieser Situation ein Wort des Deutschen Bundestages.
Die Fraktionen der Regierungskoalition haben deswegen einen Antrag betreffend EWG-Beitrittsverhandlungen auf Drucksache V/2382 eingebracht. Die Koalition bittet, Herr Präsident, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen und ihn am Freitag nach der Fragestunde aufzurufen.
*) Siehe 142. Sitzung, Seite 7278 B **) Siehe 141. Sitzung, Seite 7225 D
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7363

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514300200
Sie haben den Antrag gehört. Wird widersprochen? — Es wird dem Antrag nicht widersprochen. Ich darf unterstellen, daß damit dem Antrag des Herrn Kollegen Frehsee zugestimmt wird.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Fragestunde
— Drucksachen V/2371, zu V/2371 —
Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen, und zwar zu den Fragen 1 und 2 des Herrn Abgeordneten Matthöfer:
Bis wann muß ein Fernsehteilnehmer sein Gerät abmelden, wenn er die Zahlung der Gebühr für den nächsten Monat vermeiden will?
Wie lange muß ein Fernsehteilnehmer, der sein Gerät von einem Händler ohne Fernseh-Rundfunkgenehmigung für Vorführzwecke kauft, auf die Zustellung der Genehmigungsurkunde in der Regel warten?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514300300
Will ein Fernsehteilnehmer bei Abmeldung seines Fernsehgerätes die Zahlung der Gebühr für den nächsten Monat vermeiden, so muß er den Verzicht auf die Genehmigung dem zuständigen Postamt bis zum 16. des Monats mitteilen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514300400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0514300500
Verstehe ich richtig, Herr Staatssekretär, daß ein Rentner, dessen Fernsehgerät am 16. abends irreparabel wird, nicht nur für weitere sechs Wochen die Fernsehgebühr, sondern auch die Rundfunkgebühr für ein wahrscheinlich nicht vorhandenes Radio zahlen muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514300600
So ist die geltende Vorschrift.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0514300700
Halten Sie das für billig, Herr Staatssekretär?
Bornemann, Staatssekretär im Bundesministerium für das. Post- und Fernmeldewesen: Die Vorschrift muß den Verwaltungserfordernissen angepaßt sein. Die Genehmigungen werden jeweils monatlich erteilt. Die Gebühren sind im voraus zahlbar, und die Vorbereitungen zur Einziehung der Gebühren setzen selbstverständlich eine gewisse Zeit voraus, in der die Quittungen vorbereitet werden müssen. Ich glaube nicht, daß sich diese Frist wesentlich verkürzen läßt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514300800
Die zweite Frage, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514300900
Von der Antragstellung bis zur Zustellung der Genehmigungsurkunde vergehen, wenn der Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt ist, im allgemeinen etwa sieben bis zehn Tage.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514301000
Herr Abgeordneter Matthöfer zu einer Zusatzfrage.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0514301100
Das bedeutet, Herr Staatssekretär, daß der betreffende Fernsehteilnehmer, da normalerweise nicht vorauszusetzen ist, daß er sein Gerät nicht benutzt, daß er es gewissermaßen illegal benutzt, benutzen muß.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514301200
Ich glaube nicht, daß man sagen kann, daß er es benutzen muß. Aber es ist wohl anzunehmen, daß eine ganze Anzahl von Fällen vorkommt, in denen das Gerät ohne Genehmigung betrieben wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514301300
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0514301400
Sind Sie in Anbetracht der vorhergehenden Frage nicht mit mir der Meinung, Herr Staatssekretär, daß es wirklich zweckmäßig wäre, sich einmal zu überlegen, ob all diese Vorschriften noch den Erfordernissen des Lebens entsprechen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514301500
Es wird geprüft, ob nicht der Einlieferungsschein über die Gebühr für den ersten Monat als vorläufige Genehmigung ausgestaltet werden kann, wenn gleichzeitig mit der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Genehmigung diese Gebühr unter Verwendung des amtlichen Formblatts eingezahlt wird. Bedenken gegen ein solches Verfahren bestehen vor allem deswegen, weil damit auch solche Personen eine — allerdings zeitlich befristete — Genehmigung erhalten, denen eine endgültige Genehmigung unter Umständen nicht erteilt werden könnte, weil sie z. B. noch keine Tonrundfunkgenehmigung haben oder der Deutschen Bundespost noch rückständige Fernsehrundfunkgebühren schulden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514301600
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Es sind die Fragen 3 und 4 des Abgeordneten Dr. Ritz:
Gibt es eine gesetzliche Vorschrift, nach der ein Eigenheim im Eigentum einer natürlichen Person mit nicht mehr als zwei Wohnungen von der Definition des § 9 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes dann ausgeschlossen ist, wenn dazu ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb gehört?
Sind seit Inkrafttreten des Zweiten Wohnungsbaugesetzes Eigenheime im Sinne des § 9 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes mit öffentlichen Mitteln auch dann gefördert worden, wenn kleine landwirtschaftliche Betriebe dazugehörten?
7364 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514301700
Herr Präsident! Ich darf die beiden Fragen im Zusammenhang beantworten.
Herr Abgeordneter, Ihre erste Frage darf ich wie folgt beantworten. Die Eigenheimdefinition des § 9 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes besagt, daß es sich um ein Wohngebäude handeln muß, daß nicht mehr als zwei Wohnungen enthält, von denen eine Wohnung für den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. Diese Begriffsbestimmung schließt nicht aus, daß zu dem Gebäude ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb gehören kann. Selbst wenn es sich nicht um ein Eigenheim in diesem strengen Sinn der Definition handelt, ist nach § 67 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes im Rahmen der Wohnungsbauförderung auch der Wohnteil der landwirtschaftlichen Siedlung, der nicht mehr als zwei Wohnungen enthält, als Eigenheim förderungsfähig, sofern die Voraussetzungen im übrigen vorliegen, d. h. sofern mindestens eine Wohnung von dem Eigentümer oder seinen Angehörigen bewohnt wird. Dies gilt namentlich für entsprechende Wohnungen eines landwirtschaftlichen Betriebes in einem Gebäude, das außer dem Wohnteil auch sonstige landwirtschaftliche Betriebsteile — Stallungen, Scheune und dergleichen — umfaßt.
Die zweite Frage darf ich wie folgt beantworten: In der Regel werden Ein- und Zweifamilienhäuser als Teil landwirtschaftlicher Betriebe aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Vollerwerbs- oder Nebenerwerbsstellen gefördert. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Antragsteller aus Kreisen der Landwirtschaft kommen. Hinzu kommt, daß diese Mittel eine Vollfinanzierung der Siedlerstelle umfassen und in ihren Konditionen insgesamt günstiger sind. Daß ein Bewerber an Stelle dieser günstigeren Mittel öffentliche Wohnungsbaumittel zur Förderung seines Ein- oder Zweifamilienhauses beantragt, erscheint deshalb unwahrscheinlich, ist jedoch nicht ausgeschlossen. Wegen Fehlens einer Statistik kann Genaueres hierüber nicht gesagt werden. Auch eine Rückfrage beim Land Niedersachsen hat nicht zu Feststellungen geführt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514301800
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Ritz.

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0514301900
Herr Staatssekretär, darf ich den ersten Teil Ihrer Antwort so auslegen, daß auch Landwirte mit entsprechend niedrigem Einkommen nach dem Wohngeldgesetz lastenzuschußberechtigt sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514302000
Ja, nach unserer Ansicht sind sie berechtigt, Lastenzuschuß oder eventuell sogar, sofern die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind, Mietzuschuß in Anspruch zu nehmen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514302100
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0514302200
Herr Staatssekretär, würde dann nach Ihrer Auffassung eine Aussage des niedersächsischen Sozialministers nicht zutreffen, wonach nach § 6 des Wohngeldgesetzes landwirtschaftliche Betriebe ausdrücklich nicht einbezogen sind, und würden Sie darauf hinwirken, daß hier eine eindeutige Auslegung dahin gehend erfolgt, daß eben auch Landwirte bei entsprechend niedrigem Einkommen lastenzuschußberechtigt sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514302300
im Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau: Mir ist bekannt, daß in Niedersachsen gewisse Zweifel in dieser Frage aufgetreten sind. Das ist auch im Landtag erörtert worden. Wir stehen zur Zeit mit dem zuständigen Ministerium in Niedersachsen in Verhandlungen, um die Frage zu klären.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514302400
Wir kommen jetzt zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Strohmayr auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung die Errichtung einer Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Hochschule in Augsburg nicht fördern will, weil der Wissenschaftsrat dem Vorhaben ablehnend gegenüberstehen soll?
Herr Strohmayr ist anwesend. Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514302500
Nach einem Beschluß des Bayerischen Landtags soll in Augsburg eine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildungsstätte errichtet werden. Zur Zeit berät der Gründungsausschuß über die strukturellen Einzelheiten. Die zuständige Bayerische Landesregierung hat bisher bei der Bundesregierung keinen Antrag auf Mitfinanzierung der Investitionen für diese Einrichtung gestellt. Die Frage einer Finanzierung von Neugründungen wissenschaftlicher Hochschulen durch den Bund wird zudem erst bei den Verhandlungen über ein mögliches neues Bund-Länder-Abkommen entschieden. Bisher bestand für die Bundesregierung daher kein Anlaß, eine Entscheidung über die finanzielle Beteiligung des Bundes zu treffen.
Es ist richtig, daß sich der Wissenschaftsrat in seinen „Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bis 1970" dafür ausspricht, die bereits begonnenen Neugründungen, zu denen Augsburg nicht zählt, zügig fortzuführen, vor 1970 aber keine weiteren Neugründungen einzuleiten. Die Planung in Augsburg bezeichnet der Wissenschaftsrat „im einzelnen als noch nicht ausgereift". Er gibt zu bedenken, ob einerseits ein Bedarf an einer weiteren wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildungsstätte besteht und andererseits — angesichts des Mangels an Hochschullehrern speziell in der Betriebswirtschaft — die neue Hochschule personell ausgestattet werden könnte. Die Bundesregierung hält diese Bedenken für gewichtig. Damit will sie aber nicht ausschließen, daß Augsburg zu einem späteren Zeitpunkt als geeigneter Standort für eine wissenschaftliche Hochschule mit noch zu bestimmender Fachrichtung in Frage kommen kann.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7365

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514302600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Strohmayr.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0514302700
Ihren Ausführungen kann ich also entnehmen, daß selbst dann, wenn das Gutachten des Wissenschaftsrats negativ sein sollte, trotzdem seitens der Bundesregierung die Möglichkeit einer Mitfinanzierung für die Wiso in Augsburg besteht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514302800
Herr Abgeordneter, wir sind an die Empfehlungen des Wissenschaftsrats nicht gebunden. Es sind für uns Empfehlungen und keine Entscheidungen. Wir haben uns aber bisher unterschiedslos an diese Empfehlungen gehalten, vor allem wenn sie uns wie in diesem Fall — ich habe das angedeutet — begründet zu sein scheinen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514302900
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Strohmayr.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0514303000
Herr Staatssekretär, verstehen Sie dann die Äußerung des Herrn bayerischen Innenministers anläßlich einer Tagung des Komitees der Wiso, daß eine Mitfinanzierung von seiten des Bundes sehr problematisch sei, da der Wissenschaftsrat ein negatives Urteil über die Gründung der Wiso abgegeben habe?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514303100
Ich kenne diese Äußerung nicht im einzelnen, Herr Abgeordneter. Sie kann sich auch nur, wie ich schon sagte, auf die Mitfinanzierung von Investitionen richten, für die bisher noch kein Antrag gestellt worden ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514303200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514303300
Herr Staatssekretär, halten Sie es für sinnvoll, daß ein einzelnes Bundesland Hochschulplanungen vornimmt, ohne daß überhaupt eine Absprache unter gesamtstaatlichen Gesichtspunkten erfolgt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514303400
Herr Abgeordneter, wir sind sehr dafür, daß solche Absprachen erfolgen und daß sich der Wissenschaftsrat, der ja einen eigenen Ausschuß für diese Neugründungen hat, rechtzeitig, vor den Beschlüssen über die Errichtung, mit diesen Planungen befaßt.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514303500
Herr Staatssekretär, halten Sie es für nützlich, daß die Bundesregierung die bayerische Staatsregierung darauf aufmerksam macht, daß irgendwelche Neugründungen von Hochschulen so lange nicht besonders zweckmäßig sind, wie nicht Klarheit über den Inhalt der Studien- und Hochschulreform besteht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514303600
Das halte ich in dieser Form nicht für notwendig, da ja in das Verwaltungsabkommen, das jetzt zur Verlängerung ansteht, auf übereinstimmenden Wunsch des Bundes und der Länder ein entsprechender Hinweis auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates für die Gründung neuer Hochschulen und neuer Fakultäten aufgenommen worden ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514303700
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0514303800
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß das Gutachten des Wissenschaftsrates, in dem zugegebenermaßen hinsichtlich der Errichtung der Wiso in Augsburg negative Tendenzen enthalten sind, als vorläufiges Gutachten bezeichnet ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514303900
Ja, das ist richtig, Herr Abgeordneter. Das ist keine endgültige Entscheidung. Es wird nur die Fragestellung, die mit der Errichtung aufgeworfen wird, angedeutet. Damit schließt der Wissenschaftsrat nicht aus, daß eine nähere gründliche Prüfung zu anderen Ergebnissen führen könnte.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514304000
Eine weitere Zusatzfrage, bitte!

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0514304100
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung etwas darüber aussagen, wann voraussichtlich mit einer neuerlichen abschließenden Stellungnahme des Wissenschaftsrates in dieser Frage zu rechnen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514304200
Da bin ich überfragt, Herr Abgeordneter. Zur Zeit ist der Wissenschaftsrat dabei, ein sehr schwieriges und langwieriges Gutachten über die medizinischen Ausbildungsstätten zu verabschieden; diese Verabschiedung wird Anfang nächsten Jahres erfolgen. Dann kommen die ganzen Empfehlungen und Planungen für die Jahre nach 1970 im Hinblick auf die auf uns zukommende Studentenlawine und die anderen Fragen. Ich kann also nicht sagen, wann diese Frage, an der Ihnen gelegen ist, aufgegriffen wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514304300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0514304400
Herr Staatssekretär, können Sie uns etwas darüber sagen, welche Unterlagen dem Wissenschaftsrat für die Findung seines Urteils für dieses neuartige Projekt vorgelegen haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514304500
Zu der Struktur der Hochschule in Augsburg lag und liegt, soweit ich weiß, bisher gar keine Denkschrift vor. Über den Stand der Planung für Augsburg wurde
7366 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Staatssekretär Dr. von Heppe
der Wissenschaftsrat vom Bayerischen Staatsministerium für Unterrichtung und Kultus mündlich unterrichtet. Für die Beurteilung der Ausbildungskapazität und des Potentials an Hochschullehrern in Betriebswirtschaft — das. ist der ausgesprochene Engpaß — lagen dem Wissenschaftsrat vor: die Stellenpläne der Kultusministerien, die Habilitiertenkartei des Hochschulverbandes und die Statistik über die Studentenzahlen. Danach reichte die Ausbildungskapazität 1966 für 4490 Studienanfänger in diesem Fach pro Jahr aus; die tatsächliche Zahl der Studienanfänger beträgt aber zur Zeit rund 7200. In der Wirtschaftswissenschaft haben somit wesentlich mehr Studenten ihr Studium begonnen, als es von der Ausbildungskapazität her gerechtfertigt gewesen wäre. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, das Personal bis 1970 um insgesamt 154 Lehrpersonen zu erweitern. Damit würde die Kapazität der Studienmöglichkeiten für dieses Fach auf 5170 Studienanfänger pro Jahr erhöht.
Weitere Neugründungen — jedenfalls vor 1970 — lehnt der Wissenschaftsrat ganz allgemein ab. Nach seiner Auffassung muß zuvor die Gesamtproblematik wirtschaftswissenschaftlicher Ausbildungsstätten im einzelnen untersucht werden. Dazu gehört in erster Linie die Frage, ob nicht die wirtschaftswissenschaftliche Hochschulausbildung nur deshalb gewählt wird, weil es an entsprechenden anderen Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb der wissenschaftlichen Hochschulen fehlt. Dies ist auch der Haupteinwand, den der Wissenschaftsrat gegen die Errichtung einer wirtschaftswissenschaftlichen Hochschule in Augsburg zur Zeit hat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514304600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0514304700
Herr Staatssekretär, wird man in die in Gang befindlichen Überlegungen hinsichtlich der bevorstehenden Neustrukturierung der Universitäten — also der Spaltung in Fachhochschulen, die mehr der praxisnahen Berufsausbildung dienen — auch ein Projekt wie die Wiso Augsburg einbeziehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514304800
Diese Überlegungen sind nicht speziell für Augsburg im Gange. Sie werden aber ganz allgemein dahin gehend angestellt, ob nicht für diesen Fachbereich Hochschulen außerhalb der Ebene der wissenschaftlichen Hochschulen eingerichtet werden müssen. Das wird sehr gründlich geprüft.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514304900
Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Müller (München).

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0514305000
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob dem Wissenschaftsrat vor der Beratung über eine Verwaltungs- und Sozialhochschule in Augsburg ein Gutachten über eine Medizinische Akademie in Augsburg vorgelegen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514305100
Das ist mir nicht im einzelnen bekannt, Herr Abgeordneter. Ich weiß jedoch, wie ich vorhin schon andeutete, daß der Wissenschaftsrat ein eingehendes Gutachten über die medizinischen Ausbildungskapazitäten und das medizinische Studium insgesamt vorbereitet. Nach einem Beschluß des Bayerischen Landtages von 1962 sollte in Augsburg ursprünglich eine Medizinische Akademie errichtet werden. Dieses Projekt hat dann der Bayerische Landtag, soweit ich weiß., 1966 zugunsten einer Wirtschaftswissenschaftlichen Hochschule aufgegeben.
Wir müssen jetzt, meine ich, Herr Abgeordneter, zunächst diese Empfehlungen des Wissenschaftsrates über die gesamte Medizin abwarten, um zu sehen, ob und wo ein weiterer Bedarf an medizinischen Ausbildungsstätten besteht. Wenn er bejaht wird, könnte er erst für die Zeit nach 1970 bejaht werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514305200
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0514305300
Herr Staatssekretär, würden Sie es für möglich halten, daß, wenn der Bayerische Landtag auf seinem Beschluß von 1962 stehengeblieben wäre, der Bund heute bereits an der Finanzierung einer Medizinischen Akademie in Augsburg beteiligt wäre?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514305400
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, die Sachlage wäre genau die gleiche.

(Abg. Moersch: Ulm haben wir ja!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514305500
Eine Zusatzfrage, Kollege Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514305600
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Antworten entnehmen, daß dieses Projekt vor 1970 gar keine Aussicht hat, ernsthaft geprüft zu werden, und daß auch entsprechende Vorlagen nicht vorliegen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514305700
Eine Prüfung vorher ist nicht ausgeschlossen. Eine Realisierung und Mitfinanzierung kommt vor 1970 nicht in Betracht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514305800
Eine weitere Zusatzfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514305900
Herr Staatssekretär, darf ich weiter aus Ihren Antworten entnehmen, daß es vielleicht nützlicher wäre, zunächst eine Prüfung, und zwar gemeinsam von Bund und Land, vorzunehmen, bevor man in der Öffentlichkeit über Möglichkeiten der Errichtung solcher wissenschaftlichen Ausbildungsstätten diskutiert?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7367

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514306000
Das würde ich in der Tat für sehr wünschenswert halten, Herr Abgeordneter.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514306100
Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministeriums. Die Fragen 6 und 7 stellt Herr Abgeordneter Schmidhuber. — Der Abgeordnete Schmidhuber ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Frage 18 stellt Herr Abgeordneter Geldner.
Welche wesentlichsten Gründe sind für das Mißtrauen bestimmend, das nach Ansicht der Bundesregierung in den Ländern Ost- und Südosteuropas gegenüber der Bundesrepublik Deutschland immer noch sehr groß ist?
Das Wort zur Beantwortung hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514306200
Der Bundesminister des Auswärtigen hat kürzlich in der Verteidigungsdebatte darauf hingewiesen, daß Mißtrauen gegenüber Deutschland nicht nur in Osteuropa anzutreffen ist. An diesem Mißtrauen — dem Erbe des Dritten Reiches — werden wir noch geraume Zeit zu tragen haben. Das Mißtrauen ist vor allem in denjenigen osteuropäischen Staaten noch lebendig, die unter dem nationalsozialistischen Rassen- und Machtwahn am schmerzlichsten gelitten haben. Dies ist verständlich.
Wir dürfen außerdem nicht vergessen, daß dieses Mißtrauen im Zeichen des Kalten Krieges besonders wachgehalten worden ist. Es kann auch nicht verkannt werden, daß in manchen Ländern heute noch Kräfte wirksam sind und zum Ausdruck kommen, denen weniger an sachlicher denn an propagandistischer Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik Deutschland gelegen ist.
Allerdings muß dabei auch berücksichtigt werden, daß gewisse politische Erscheinungen in der Bundesrepublik, wie beispielsweise das Auftreten der Nationaldemokratischen Partei, einen oft möglicherweise durchaus willkommenen Vorwand liefern, einen Vorwand, der von der Bundesregierung mit einiger Besorgnis verfolgt wird.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß, um dieses Mißtrauen abzubauen, wohl zwei Dinge — wenn man es auf eine kurze Formel bringen will — erforderlich sind: einmal ein sehr nachdrückliches und systematisches Bemühen um eine friedliche, geordnete demokratische innere Entwicklung der Bundesrepublik, zum andern eine konsequente Fortsetzung der Politik der friedlichen Verständigung und der Aussöhnung auch mit den ost- und südosteuropäischen Ländern.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514306300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0514306400
Herr Staatssekretär, sehen Sie in früheren Äußerung des Herrn Staatssekretärs Guttenberg, die etwa lauten, daß die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Rumänien eine Aufweichung des Ostblocks zur Folge hätte, eine Erklärung dafür, daß dadurch das Mißtrauen in den Ostblockstaaten noch gestärkt worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514306500
Mir ist eine solche Äußerung des Herrn von Guttenberg nicht bekannt, jedenfalls nicht in diesem Wortlaut. Ich kann im Moment auch gar nicht sagen, in welchem Zusammenhang und zu welchem Zeitpunkt sie gefallen ist. Ich kann nur sagen: Heute werden die Vertreter der Bundesregierung in diesen Fragen eine einheitliche Meinung vertreten. Ich habe keinen Zweifel, daß es auch der Kollege von Guttenberg tut. Was in früheren Auseinandersetzungen unter anderen Voraussetzungen möglicherweise gesagt worden sein sollte, kann für die Bewertung der heutigen Situation schlecht ein Maßstab sein.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514306600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogt.

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0514306700
Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß die Bemühungen der Sowjetunion, die Bundesrepublik Deutschland zu isolieren, insbesondere die letzte Note der Sowjetunion, ein wesentlicher Grund dafür sind, daß weiterhin Mißtraden in den Ländern Ost- und Südosteuropas gegen Deutschland gesät wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514306800
Herr Kollege Vogt, ich habe bereits darauf hingewiesen, daß es natürlich in Osteuropa und auch in der Sowjetunion Kräfte und Vorstellungen gibt, die unseren Bemühungen um einen friedlichen Ausgleich und eine friedliche Verständigung in anderer Weise begegnen, als es unserem Wunsch und unseren Zielen entspricht. Da hilft nur, sich mit sehr viel Geduld nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und konsequent an dem festzuhalten, was in Regierungserklärungen bei anderen Gelegenheiten von dieser Bundesregierung gesagt worden ist, in der Erwartung, daß diejenigen, die eine solche Sprache gegenüber der Bundesrepublik führen, sich im Laufe der Zeit immer mehr isolieren und immer unglaubwürdiger werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514306900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514307000
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung eigentlich der Tatsache bewußt, daß das ständige Gerede von Mitgliedern der Bundesregierung von der angeblichen Bedrohung der demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik durch rechtsradikale Strömungen Propagandamaterial für die Propaganda gegen die Bundesrepublik Deutschland liefert?
7368 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514307100
Ich teile diese Auffassung nicht, Herr Kollege Genscher. Es hat doch keinen Sinn, daß wir uns etwas vormachen. Die Bundesregierung wird auf Erscheinungen, von denen sie der Meinung ist, daß sie bedenklich sind und dem Ansehen der Bundesrepublik im Innern und Äußeren schaden, hinweisen und hinweisen müssen, gerade um deutlich zu machen, daß sie die Gefahren, die darin liegen, erkennt und den Willen hat, sich mit diesen Gefahren im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten auseinanderzusetzen..Ich halte das für eine Notwendigkeit.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514307200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514307300
Wollen Sie damit sagen, Herr Staatssekretär, daß auch Sie oder, besser gesagt, die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit die Meinung teilen, daß die demokratische Grundordnung in der Bundesrepublik ernsthaft. bedroht sei?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514307400
Ich kann auf diese Frage, wenn sie so gestellt wird, nicht für die ganze Bundesregierung sprechen, sondern nur meine Meinung dazu sagen. Ich bin dieser Meinung nicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514307500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514307600
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß auch in den ost- und südosteuropäischen Staaten ein Unterschied besteht zwischen der offiziellen Darstellung und freundschaftlichen Gefühlen der Bevölkerung?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514307700
Durchaus. Ich habe bereits in meiner ersten Antwort darauf hingewiesen, Herr Kollege Ertl. Es gibt Kräfte, denen daran gelegen ist, die Auseinandersetzung mit der Bundesrepublik Deutschland propagandistisch zu führen. Aber diese Kräfte sind nicht in jedem Fall zu identifizieren mit der gesamten Bevölkerung, nicht einmal — so kann man wohl sagen — in allen Fällen mit allen in diesen Ländern jeweils führenden Kräften.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514307800
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514307900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in diesen Ländern auch Kräfte auf seiten unserer Verbündeten mithelfen, eine zum Teil nicht sehr freundliche Stimmung uns gegenüber zu erzeugen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514308000
Ich kann nur schwer erkennen, Herr Kollege Ertl, was Sie mit Ihrer Frage meinen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514308100
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514308200
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß es die unabweisbare Pflicht der Bundesregierung ist, ohne jede Rücksicht darauf, was etwa durch die kommunistische Propaganda aus ihren Stellungnahmen gemacht wird, rechtsradikale Kräfte in diesem Lande beim Namen zu nennen und die Öffentlichkeit auf diese Gefährdung aufmerksam zu machen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514308300
Ich bin dieser Meinung, weil ich das für ein notwendiges Verfahren ansehe, mit dem wir zum Ausdruck bringen, daß wir diese Dinge nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn niemand kann bestreiten, daß das Anwachsen gewisser rechtsradikaler und antidemokratischer Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland eine Frage ist, der man durch bloßes Schweigen sicherlich weder innenpolitisch noch in ihren außenpolitischen Wirkungen in angemessener Form gerecht werden kann.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514308400
Zweite Zusatzfrage, Kollege Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514308500
Herr Staatssekretär, halten Sie es für richtig, daß das Mißtrauen, von dem gesprochen worden ist, welches man noch in Ost- und Südosteuropa vorfindet, zum Teil auch darin begründet liegt, daß die dortigen Völker durch eine sehr einseitige Informationspolitik und das Abschneiden der Informationsquellen aus dem Westen keine exakten und richtigen Vorstellungen von unserer rechtsstaatlichen und freiheitlichen Ordnung haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514308600
Sicherlich ist es für die Bundesrepublik sehr schwierig, sich in diesen Ländern in geeigneter Form selber darzustellen, und die Gefahr, daß das Bild der Bundesrepublik verzerrt und verzeichnet wird, ist natürlich dort besonders groß. Deswegen legen wir ja besonderen Wert darauf, ungeachtet der Frage formaler diplomatischer Beziehungen möglichst eingehende kulturelle und sonstige Beziehungen zu diesen Ländern zu bekommen, einfach um die Gelegenheit zu finden, in angemessener, geeigneter und, wie wir hoffen, auch möglichst überzeugender Form ein eigenes, objektives Bild von der Bundesrepublik Deutschland, ihrer inneren Struktur, ihren inneren Zuständen zu geben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514308700
Wir .kommen zur Beantwortung der Fragen 19 und 20 des Herrn Abgeordneten Vogt:
Haben die Erwägungen der Bundesregierung, für den Spätherbst dieses Jahres Vertreter der Mitgliedstaaten der Sechsergemeinschaft und der Mitgliedstaaten der Beratenden Versammlung des Europarates nach Bonn einzuladen, um über die Möglichkeiten der Errichtung eines Europäischen Jugendwerks zu beraten, konkrete Formen angenommen?
Ist eine solche in Frage 19 erwähnte Einladung inzwischen ergangen?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7369
Vizepräsident Scheel
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514308800
Die Erwägungen der Bundesregierung, für den Spätherbst dieses Jahres Vertreter der Mitgliedstaaten der Sechsergemeinschaft und der Mitgliedstaaten der Beratenden Versammlung des Europarats nach Bonn einzuladen, um über die Möglichkeiten der Errichtung eines Europäischen Jugendwerks zu beraten, haben insoweit konkrete Formen angenommen, als zwischen den unmittelbar beteiligten Ressorts ein vorläufiges Programm für die geplante Konferenz abgestimmt worden ist. Sobald dieses Programm in einer Besprechung aller beteiligten Ressorts, die für Januar 1968 vorgesehen ist, geprüft worden ist, können die Einladungen ergehen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514308900
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Vogt.

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0514309000
Herr Staatssekretär, ist vorher mit den anderen Ländern Verbindung aufgenommen worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514309100
Mit den anderen Ländern in dieser Frage, nicht, Herr Kollege Vogt. Es ging ja zunächst einmal darum, den eigenen Standpunkt, die eigenen Überlegungen zu klären, Dieser Prozeß ist nicht nur im Gange, sondern, wie ich Sie meiner ersten Antwort zu entnehmen bitte, unmittelbar vor dem Abschluß.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514309200
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Liehr.

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0514309300
Herr Staatssekretär, können Sie etwas über die Resonanz sagen, die die Bemühungen der Bundesregierung um die Errichtung eines Europäischen Jugendwerks gefunden haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514309400
Die allgemeine Resonanz ist wohlwollend, Herr Kollege Liehr. Wie weit das Wohlwollen geht, wird in den konkreten Verhandlungen festzustellen sein.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514309500
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Liehr.

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0514309600
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht auch, daß man im Laufe der Jahre — die Forderung nach Errichtung eines europäischen Jugendwerks ist ja keineswegs neu — nun endlich zu konkreteren Vorstellungen kommen sollte, statt nur von einem allgemeinen Wohlwollen zu sprechen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514309700
Herr Kollege Liehr, das ist das Ziel der Bemühungen der Bundesregierung, zu einer Konferenz mit einem konkreten Programm einzuladen, in der der Versuch gemacht
werden soll, zu einem ganz konkreten Ergebnis zu kommen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514309800
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514309900
Herr Staatssekretär, ist die Kritik, die in der Frage des Kollegen Liehr mitschwang, etwa dadurch begründet, daß zwischen dem Familienministerium und dem Auswärtigen Amt in die-, ser Frage keine besondere Harmonie besteht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514310000
Disharmonien sind nicht hörbar — muß man hier wohl sagen —
geworden, Herr Kollege Moersch. Die Vorgänge, von denen ich hier berichten kann, sind ein Zeichen für .die Harmonie, die dieses Ergebnis zwischen den beiden Häusern ermöglicht hat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514310100
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen 21 und 22 des Herrn Abgeordneten Dorn:
Hat die Bundesregierung durch ihren nach Seoul entsandten Beobachter bereits einen Bericht über den Prozeß gegen die aus Deutschland entführten Süd-Koreaner erhalten?
Hält die Bundesregierung nicht jetzt, wo die Gefahr von Todesurteilen und Vollstreckungen der in Frage 21 erwähnten Urteile besteht, sofort energische Schritte für erforderlich, um ihren Anspruch auf Rückführung der unter Verletzung des deutschen Rechts aus unserem Lande entführten Süd-Koreaner durchzusetzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514310200
Ich beantworte die beiden Fragen getrennt.
Die Antwort auf die erste Frage des Kollegen Dorn lautet: Ja. Dieser Bericht ist am 11. Dezember abends, also vorgestern abend, eingegangen. Er wird zur Zeit geprüft.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514310300
Zusatzfrage.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0514310400
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie die Differenz zwischen Ihrer Aussage in der Sendung „Monitor" am 17. November dieses Jahres, in der Sie behaupteten, Herr Professor Dr. Grünwald sei als offizieller Prozeßbeobachter der Bundesregierung nach Seoul entsandt, er sei bereits dort, und der Feststellung, daß Herr Professor Grünwald erst am 1. Dezember abgereist .ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514310500
Das kann nur auf einem Informationsirrtum beruhen, Herr Kollege Dorn. Als diese Sendung aufgenommen wurde, bin ich offensichtlich von der Erwartung ausgegangen, daß Herr Professor Grünwald die Reise bereits angetreten habe. Der Auftrag an ihn erging ja verhältnismäßig kurzfristig, und es war damals, als ich diese Erklärung an anderer Stelle abgab, nicht vorherzusehen, daß die Vorbereitungen dieser Reise etwas länger dauern würden, als zunächst vorgesehen war.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514310600
Eine weitere Zusatzfrage.
7370 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0514310700
Herr Staatssekretär, sind Sie aber nicht mit mir der Meinung, daß durch diese Zeitverzögerung insofern eine ganz bedauerliche Entwicklung eingetreten ist, als Professor Grünwald sich von den ganzen Vorbereitungen des Prozesses und den Vorverhandlungen und Vorvernehmungen nicht an Ort und Stelle ein eigenes Bild hat machen können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514310800
Nein, diese Auffassung teile ich nicht, Herr Kollege Dorn. An Vorverhandlungen und Vorbereitungen dieses Prozeses hätte Herr Professor Grünwald ohnehin nicht teilnehmen können. Es ist richtig, daß er erst nach Beginn des Prozesses dort eingetroffen ist. In der Zwischenzeit haben aber Angehörige unserer Botschaft die Prozeßbeobachtung vorläufig für Herrn Professor Grünwald übernommen und ihm so berichten können, ,daß die Beobachtung dann von ihm lückenlos fortgesetzt werden konnte.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514310900
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514311000
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, daß ein Bericht vorliegt und daß er geprüft wird. Wie lange Zeit wird die Prüfung in Anspruch nehmen, und wann wird der Bundestag über das Ergebnis unterrichtet werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514311100
Das kann ich im Augenblick nicht auf den Tag genau sagen. Aber das Amt ist schon auf Grund der Entwicklung der Dinge selbstverständlich daran interessiert, die Prüfung schnell abzuschließen und schnell einen Bericht darüber zu geben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514311200
Zusatzfrage, Abgeordneter Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514311300
Herr Staatssekretär, würden Sie mir einräumen, daß die Wertung des Professors Grünwald, das Verfahren sei korrekt, schon deshalb nicht zutreffen kann, weil bekanntlich Teil des Verfahrens auch die Art der Ergreifung eines Beschuldigten ist und 'diese Art der Ergreifung sicher nicht korrekt war?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514311400
Herr Professor Grünwald hat eine Wertung in dieser Form auch nicht abgegeben. Die Meldungen darüber, auf die Sie sich offenbar beziehen, Herr Kollege Genscher, veranlassen mich, hier zu sagen, daß es einer Bitte von Herrn Professor Grünwald entspricht, in dieser sehr kurzen, vereinfachenden und damit dem gesamten Sachverhalt nicht gerecht werdenden Form eine Wertung ihm nicht in den Mund zu legen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514311500
Frau Kollegin DiemerNicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514311600
Herr Staatssekretär, Sie sagten, die Reise von Herrn Professor Grünwald habe sich unerwartet verzögert. War aber nicht mit diesen Verzögerungen — gegebenenfalls auf Grund der bekannten Gesundheitsvorschriften — zu rechnen, konnte nicht eine Beauftragung von Herrn Professor Grünwald entsprechend früher, unter Einrechnung dieses Risikos einer Verzögerung, erfolgen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514311700
Ich bin über den gesamten Gang der vorbereitenden Überlegungen und Bemühungen in den Einzelheiten unterrichtet, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus. Sicherlich kann man nachträglich sagen, daß das eine oder andere vielleicht noch besser hätte klappen können. Aber ich glaube, das ist nicht die entscheidende Frage und kann nicht die entscheidende Frage sein. Das, was für die Bundesregierung wichtig war und ist, eine sachkundige und fachkundige gründliche Stellungnahme eines Beobachters über den gesamten Prozeßverlauf zu bekommen, eine Bewertung, die Grundlage für ihre weiteren Überlegungen sein kann, ist jedenfalls erfolgt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514311800
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514311900
Herr Staatssekretär, nachdem Sie hier bestätigt haben, daß auch Herr Professor Grünwald das Verfahren insgesamt nicht als ordnungsgemäß bezeichnen kann, darf ich Sie fragen: Zu welcher Wertung geben seine Berichte dann Anlaß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514312000
Herr Kollege Genscher, ich habe — und ich bitte, meine Antwort nicht so zu interpretieren — nicht das Gegenteil von „korrekt" gesagt. Die Bewertung, die Herr Grünwald vorgenommen hat, wird nach Abschluß der Prüfung seines Berichtes dem Hause zur Verfügung stehen. Ich bin gern bereit, dann im Auswärtigen Ausschuß über Einzelheiten zu berichten. Ich bitte, doch zunächst einmal der Bundesregierung die Gelegenheit zu geben, diese Prüfung abzuschließen. Das, was ich Ihnen soeben in bezug auf die Verwendung des Ausdrucks „korrekt" gesagt habe, bezieht sich rauf eine einzelne Bemerkung, die Herr Professor Grünwald in Zusammenhang mit seinem Gesamtbericht gemacht hat und die ich nur deshalb hier herausgegriffen habe, weil Sie sich auf diesen Punkt besonders bezogen haben. Damit kann ich aber der gesamten Auswertung des Berichtes — und dafür bitte ich um Verständnis — noch nicht vorgreifen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514312100
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0514312200
Herr Staatssekretär, sind die soeben auch von Ihnen angesprochenen Zeitungsmeldungen, wonach auch Professor Grünwald sinngemäß erklärt haben soll, der Prozeß in Seoul
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7371
Busse (Herford)

habe sich fair und ordentlich abgewickelt, irgendwie vom Auswärtigen Amt beeinflußt worden, oder worauf führen Sie solche Nachrichten zurück?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514312300
Da bin ich wirklich überfragt, Herr Kollege Busse. Ich bin beim besten Willen nicht in der Lage zu sagen, aus welchen Quellen alle möglichen Zeitungsmeldungen entstehen. Woher diese kommt, weiß ich jedenfalls nicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514312400
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0514312500
Dann will ich konkret so fragen: Hat das Auswärtige Amt in dieser Angelegenheit, also diesen Komplex betreffend, Nachrichten an die Presse herausgegeben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514312600
Soweit ich das habe nachprüfen und feststellen können, nein.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514312700
Herr Kollege Dr. Staratzke zu einer Zusatzfrage.

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0514312800
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von der Prüfung dieser Sache. Können Sie mir sagen, ob diese Prüfung noch bei Lebzeiten der Angeklagten stattfinden wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514312900
Damit können Sie sicher rechnen, Herr Kollege Staratzke. — Bei allem Verständnis für solche Fragen muß ich doch meinerseits um Verständnis dafür bitten: Dieser Bericht ist vorgestern in den Abendstunden hier eingegangen.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus.)

— Nein, das reicht nicht, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus. Darin ist eine Menge an Hinweisen, an Tatsachen, an Wertungen enthalten, die nicht innerhalb eines Tages abschließend so geprüft werden können, daß man hier endgültig Stellung nehmen kann. Es kommt hinzu, daß zu einer vollständigen Bewertung wahrscheinlich auch der mündliche ergänzende und wohl auch ausführlichere Bericht abgewartet werden soll, den Herr Professor Grünwald unmittelbar nach seiner Rückkehr geben wird. Diese Rückkehr wird in den nächsten Tagen erwartet.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514313000
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514313100
Herr Staatssekretär, könnten Sie Verständnis dafür haben, daß die gesamte Öffentlichkeit für irgendeine Art von Verzögerung der Prüfung wenig Sinn haben wird, da ja offensichtlich die Aburteilung und möglicherweise auch die Hinrichtung der Angeklagten in einem ganz anderen Tempo vor sich gehen als in dem Tempo, in dem normalerweis die Prüfung erfolgt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514313200
Herr Kollege Moersch, ich habe Verständnis für jede Besorgnis in der Öffentlichkeit in dieser Frage; aber es besteht kein Anlaß zu dem Vorwurf, daß bei der Bundesregierung irgend etwas verzögert werde.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514313300
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 22 durch den Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514313400
Der Strafprozeß gegen die zehn in Deutschland wohnhaften südkoreanischen Staatsangehörigen hat am 9. November 1967 begonnen. Am 6. Dezember 1967 hat der Staatsanwalt seine Strafanträge gestellt. Mit dem Urteilsspruch war erst für heute zu rechnen. Sie werden in den Nachrichten gehört haben, was das Ergebnis ist.
Gegen das Urteil können sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen, über die vor dem Berufungsgericht verhandelt wird. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, über die der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß zunächst einmal der rechtskräftige Abschluß des gesamten Verfahrens abgewartet werden sollte, bevor weitere Schritte unternommen werden sollten. Die Bundesregierung hat — und ich lege Wert darauf, das hier noch einmal festzustellen — bisher alles getan, um bei der koreanischen Regierung keine Zweifel zu lassen, daß sie ungeachtet der Frage des weiteren Ausgangs des Verfahrens an der Erfüllung ihrer Rückstellungsforderung festhält.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514313500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0514313600
Herr Staatssekretär, darf ich aus dieser Äußerung entnehmen, daß die Bundesregierung mit weiteren Maßnahmen in dieser Sache abwarten will, bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514313700
Das, was bisher an Unterlagen für die Überlegungen der Bundesregierung zur Verfügung steht, veranlaßt die Bundesregierung zu der Absicht, so zu verfahren.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514313800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0514313900
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß hier in einem unvorstell-
7372 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Dorn
baren Ausmaß die Grund- und Souveränitätsrechte unseres Staates überschritten und angegriffen worden sind und daß diese Regierung alle Veranlassung hätte, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die Rückstellung der hier in der Bundesrepublik Verhafteten zu erreichen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514314000
Ich bin mit Ihnen der Meinung, Herr Kollege Dorn, daß alle möglichen Maßnahmen sofort ergriffen werden sollten. Ich muß Sie aber darauf hinweisen — und an diesem Punkte bitte ich um Verständnis dafür, daß meine Antwort etwas allgemein ausfällt —, daß die Möglichkeiten der Bundesregierung zu Maßnahmen nicht unbegrenzt sind. Es gibt eine ganze Reihe von Schwierigkeiten der verschiedensten Art, über die ich an dieser Stelle nicht berichten kann. Ich bin gern bereit, im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages eingehend darzulegen, worin diese Schwierigkeiten liegen.
Darüber hinausgehende Maßnahmen, die die Beziehungen zwischen den beiden Ländern berühren, müssen nach meiner Überzeugung schon deswegen sehr sorgfältig abgewogen werden, weil die Tatsache des Bestehens von diplomatischen Beziehungen der Bundesregierung die einzige wirksame Möglichkeit bietet, weiterhin ihre Auffassung zu vertreten, weiterhin an Ort und Stelle unmittelbar zu verfolgen, was dort vor sich geht, und weiterhin an Ort und Stelle eben auch ihre Auffassung in dieser Sache geltend zu machen. Die Bundesregierung beabsichtigt, das zu tun, und das führt dazu, daß sie dieses von mir dargestellte Verfahren im Augenblick für das zweckmäßigste hält.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514314100
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514314200
Herr Staatssekretär, in Ihrer ersten Antwort hatten Sie zum Ausdruck gebracht, daß erst dann weitere Schritte unternommen werden sollten, wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliege. Aber gibt nicht die Tatsache, daß gestern zwei Todesurteile gefällt worden sind, und zwar Urteile, die sich auch gegen solche richten, die hier in Deutschland gelebt haben und die gegebenenfalls einen Anspruch auf Gewährung des Asylrechts, das in unserem Grundgesetz verankert ist, gehabt hätten, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten, Asyl zu beantragen — weil es sich ja um politische Verfahren handelte —, gerade Anlaß dazu, daß die Bundesregierung nicht länger wartet, sondern jetzt unverzüglich sieht, wie sie diese Dinge in Ordnung bringt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514314300
Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, ich muß Sie darauf hinweisen, daß die Bundesregierung in den letzten Monaten seit dem Verbringen der koreanischen Bürger aus der Bundesrepublik mehrfach in allen geeigneten und möglichen Formen gegenüber der koreanischen
Regierung ihren Anspruch auf Rückstellung geltend gemacht hat. Die Frage, in welcher Weise sie solchen Anspruch erzwingen kann, ist — das habe ich eben bereits einmal gesagt — außerordentlich schwierig zu beantworten, und ich bitte, mir Gelegenheit zu geben, über die Schwierigkeiten, die in dieser Frage bestehen, im Auswärtigen Ausschuß zu berichten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514314400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller.

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0514314500
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung im Falle der Vollstreckung der Todesurteile an den widerrechtlich und unter Verletzung der Souveränitätsrechte der Bundesrepublik aus der Bundesrepublik entführten Südkoreanern der Meinung, die diplomatischen Beziehungen zu Südkorea abbrechen zu sollen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514314600
Herr Kollege Müller, erstens ist ein Stand des Verfahrens, der solche Befürchtungen als unmittelbar bevorstehend rechtfertigt, noch nicht erreicht. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß den Angeklagten zwei weitere Instanzen offenstehen. Ich erwarte, daß davon Gebrauch gemacht wird, ganz abgesehen davon, daß auch die andere am Verfahren beteiligte Seite, die Staatsanwaltschaft, die gleiche Möglichkeit hat. Welche Schritte die Bundesregierung im weiteren Verlauf des Verfahrens für zweckmäßig hält, um ihren Anspruch durchzusetzen oder ihm noch mehr Nachdruck zu verschaffen, ist eine Frage, die theoretisch-allgemein nicht sehr gut zu beantworten ist. Das wird von der weiteren Entwicklung, auch von der weiteren Entwicklung dieses Verfahrens, auch von den weiteren Entscheidungen in den weiteren Instanzen, abhängen. Die Bundesregierung erwägt alle Möglichkeiten, und ich möchte hier ausdrücklich keine ausschließen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514314700
Eine Zusatzfrage, Herr' Abgeordneter Dr. Bechert.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0514314800
Herr Staatssekretär, in den großen Zeitungen in der Bundesrepublik stand, die südkoreanische Regierung denke nicht daran, weitere Erklärungen abzugeben über die Erklärungen hinaus, die sie bisher gegenüber der Bundesregierung abgegeben hat, daß nämlich solche Vorfälle sich nicht wiederholen würden. Denkt die Bundesregierung angesichts dieses Verhaltens der südkoreanischen Regierung nicht wenigstens daran, mit sofortiger Wirkung alle Entwicklungshilfeleistungen einzustellen, um einen wirtschaftlichen Druck auf diese Regierung auszuüben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514314900
Ich habe bereits bei früherer Gelegenheit, Herr Kollege Professor Bechert, darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung im gegenwärtigen Zeitpunkt bereits vorgesehene, aber noch nicht vertraglich fixierte Projekt-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7373
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
oder Entwicklungshilfe zurückhält. Daran hat sich nicht nur seit meiner letzten Auskunft zu diesem Punkt, sondern ich glaube, ich kann sagen: seit einigen Monaten nichts geändert. Die Bundesregierung hält die Hilfe aus diesem Grunde weiter .zurück. Die Projekte selber wären an sich wohl so weit gediehen, daß sie verabschiedet, d. h. in eine vertragliche Form gebracht werden könnten. Die Bundesregierung sieht sich aus den genannten Gründen dazu im Augenblick nicht in der Lage.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514315000
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514315100
Herr Staatssekretär, wie ich aus den Zeitungen entnommen habe, ist zur Zeit ein Beauftragter der südkoreanischen Regierung in der Bundesrepublik, der auch mit der Rektorin der Heidelberger Universität sprechen wollte, weil einer der jetzt in Korea Befindlichen ein Student der Heidelberger Universität war. Die Rektorin hat aber eine derartige Unterredung abgelehnt unter Hinweis auf die schweren Völkerrechtsverletzungen„ die seitens Südkoreas begangen wurden. Hat die Bundesregierung Besprechungen mit diesem Beauftragten geführt und hat sie dabei festgestellt, welchen Auftrag dieser südkoreanische Beauftragte hat, zu welchen Verhandlungen — und mit welchem Inhalt — er beauftragt ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514315200
Was die Absicht dieser Reise ist, kann die Bundesregierung nur aus den gleichen Quellen entnehmen, die Sie hier angegeben haben. Soweit uns daraus bekanntgeworden ist, hat diese Reise gar keine politischen, sondern wissenschaftliche Anlässe. Der betreffende koreanische Professor hat sich an die Bundesregierung selber nicht gewandt. Irgendwelche Gespräche mit ihm haben nicht stattgefunden. Wir haben bisher jedenfalls auch keinen Anlaß zu ,der Annahme, daß er in irgendeinem offiziellen Auftrage hier ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514315300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0514315400
Herr Staatssekretär, welche weiteren Erkenntnisse erwartet die Bundesregierung von der weiteren Durchführung der Strafverfahren in Seoul?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514315500
Unter anderem die Möglichkeit einer Berichtigung oder Änderung der Entscheidungen der ersten Instanz, Herr Kollege Busse.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514315600
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD): Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung gegenüber der südkoreanischen Regierung deutlich gemacht, daß
sie, die Bundesregierung, auf Grund der Ermittlungen die Auffassung hat, daß mindestens ein Teil der südkoreanischen Staatsangehörigen, um die es geht, tatsächlich unter Bruch der Souveränitätsrechte der Bundesrepublik entführt worden ist, und hat die südkoreanische Regierung dies zugegeben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514315700
Über die Erkenntnisse, die die Prüfung durch die Bundesregierung und andere amtliche Stellen der Bundesrepublik in dieser Frage ergeben haben, würde ich lieber als hier vor dem Auswärtigen Ausschuß etwas sagen, Herr Kollege Bechert.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514315800
Eine Zusatzfrage, Kollege Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514315900
Herr Staatssekretär, da Sie ganz offensichtlich weitere Maßnahmen vom Ausgang des Verfahrens abhängig machen wollen, weil Sie eine Änderung der Entscheidung für möglich halten, würden Sie mir zugeben, daß der unbedingte, von Bedingungen freie Anspruch auf Rückführung nur dann befriedigend erfüllt werden kann, wenn es zu einem Freispruch kommt, und daß das nicht etwa eine Frage des Strafmaßes ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514316000
Da sehe ich keinen unmittelbaren Zusammenhang. Ich könnte mir durchaus vorstellen, Herr Kollege Genscher, daß eine Verurteilung erfolgt und dennoch die unverzügliche Rücküberstellung ermöglicht wird. Das eine schließt das andere nicht aus. Natürlich würde bei einem Freispruch die ganze Problematik wesentlich einfacher sein.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514316100
Eine Zusatzfrage, Kollege Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514316200
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Staatssekretär, daß schon allein das Festhalten in Untersuchungshaft eine Einschränkung unseres Rückführungsanspruchs darstellt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514316300
Es macht seine Verwirklichung zumindest schwerer, schließt sie aber nicht aus.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514316400
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen 23 und 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller:
Wie beurteilt die Bundesregierung das Verbot des Gebrauchs der deutschen Sprache an einem Ort, der im Geltungsbereich des Grundgesetzes liegt?
Was wird die Bundesregierung gegen das in Frage 23 erwähnte Verbot unternahmen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514316500
Der Ihrer Frage
7374 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
zugrunde liegende Vorgang, der sich in einem Einkaufszentrum der amerikanischen Streitkräfte zugetragen hat, war Pressemeldungen zu entnehmen. Eine Rückfrage bei der amerikanischen Botschaft ergab, daß die von einem örtlichen amerikanischen Kommandeur getroffene Maßnahme sogleich nach ihrem Bekanntwerden durch das Hauptquartier in Heidelberg aufgehoben worden ist.
Obwohl sich das Verbot nur auf ein Ladengrundstück bezog, das zu den Liegenschaften der amerikanischen Streitkräfte gehört und daher den besonderen Bestimmungen des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut untersteht, hat die Bundesregierung die Maßnahme des amerikanischen Kommandeurs sehr bedauert, da eine solche Maßnahme nicht geeignet sein kann, die guten Beziehungen zwischen den amerikanischen Streitkräften und der deutschen Bevölkerung zu fördern. Offenbar hat das oberste Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte die Angelegenheit ebenso beurteilt und deshalb die sofortige Aufhebung des erlassenen Sprachbefehls angeordnet.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514316600
Eine Zusatzfrage, Kollege Dr. Müller.

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0514316700
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Informationen vor, inwieweit das oberste Hauptquartier der alliierten Streitkräfte dafür sorgen wird, daß in Zukunft ein solcher Fauxpas nicht mehr begangen werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514316800
Ich nehme an, daß diese Entscheidung einen Präzedenzfall darstellt, Herr Kollege.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514316900
Die Fragen 25 und 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Apel und die Frage 88 aus der Drucksache zu V/2371 des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer haben sich erledigt, weil wir den Dringlichkeitsantrag der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion auf die Tagesordnung gesetzt haben. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts erledigt.
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Frage 27 des Herrn Abgeordneten Geldner:
Ist die Bundesregierung bereit bei den tschechoslowakischen Behörden auf eine Grenzöffnung des Übergangs Höll im Landkreis Waldmünchen hinzuwirken, die besonders für den Verkehr aus Richtung Nürnberg bedeutungsvoll wäre?
Zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesministers des Innern das Wort.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514317000
Die Bundesregierung verspricht sich zur Zeit von einem Schritt, wie Sie ihn anregen, keinen Erfolg. Die tschechoslowakische Seite hat anläßlich von Zollgesprächen zu erkennen gegeben, daß sie beabsichtigt, im Sommer 1969 den Straßenübergang Bayerisch-Eisenstein wieder in Betrieb zu nehmen. Bei weiterem Ansteigen des grenzüberschreitenden Verkehrs kann frühestens 1970 mit der Öffnung der Straßenübergänge bei Mähring und Philippsreuth gerechnet werden.
Bei dieser Sachlage ist nicht zu erwarten, daß die tschechoslowakischen Behörden bereit sind, den Übergang Höll zu öffnen, zumal dieser nur etwa 20 km von dem bestehenden Straßenübergang Furth i. Wald entfernt liegt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514317100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx, bitte!

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514317200
Herr Staatssekeretär, stimmen Sie mit meiner Meinung überein, daß es nicht die Bundesregierung — weder die frühere noch die heutige — gewesen ist, die dafür gesorgt hat, daß eine ganze Reihe ehemaliger Grenzübergänge vom Gebiet der Bundesrepublik zur Tschechoslowakei geschlossen worden sind?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514317300
Das Bundesministerium des Innern hat immer die Auffassung vertreten, daß diese Grenzübergänge 1945 einseitig von den tschechischen Behörden geschlossen worden sind und daß es daher auf die tschechische Initiative ankommt, sie auch wieder zu öffnen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514317400
Weitere Zusatzfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514317500
Herr Staatssekretär stimmt die Information, daß es der tschechoslowakischen Seite vor allen Dingen darum gehe, die an die Grenze führenden Straßen zunächst einmal wieder instand zu setzen, und daß sie erst dann bereit sei, den einen oder anderen Grenzübergang zu öffnen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514317600
Ich habe ja schon gesagt, Herr Kollege Dr. Marx, daß wir eine gewisse Bereitschaft erkennen. Das war auch im Rahmen von Gesprächen zwischen den zuständigen deutschen und tschechischen Stellen der Fall. Die Bereitschaft, im Zuge einer Verbesserung des Personenverkehrs zwischen der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik bestimmte Übergänge wieder zu öffnen, halten wir für eine positive Entwicklung. Zur Zeit beobachten wir, daß die technischen Voraussetzungen dafür auf tschechischer Seite geschaffen werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514317700
Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler:
Liegt es angesichts des Ärztemangels auf dem flachen Lande nicht im öffentlichen Interesse, Ausländern, die auf ihre eigenen Kosten in der Bundesrepublik Deutschland studiert und dort die zur Approbation als Ärzte notwendigen Prüfungen gemacht haben, auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit zu verleihen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7375
Vizepräsident Scheel
Ich rufe jetzt die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Büttner auf:
In der Annahme, daß die Bundesregierung das „Schwarzbuch der deutschen Kripo", herausgegeben von der Gewerkschaft der Polizei, und auch der Vermerk auf Seite 92, viertletzter Absatz, bekannt ist, wonach der für die Volkswirtschaft schädlichste Verbrecher der Wirtschaftsstraftäter ist, frage ich, ob die Bundesregierung bereit ist, in Gemeinschaft mit den Ländern die Ausbildung von wirtschaftssachverständigen Kriminalbeamten zu forcieren?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514317800
Herr Präsident, ich würde gern, wenn Herr Kollege Büttner einverstanden ist, die Fragen 29 bis 31, die den gleichen Sachzusammenhang betreffen, im Zusammenhang beantworten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514317900
Ich unterstelle, daß er damit einverstanden ist. — Dann rufe ich noch die Fragen 30 und 31 des Herrn Abgeordneten Büttner auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in Gemeinschaft mit den Ländern ihr Möglichstes zu tun, um wirtschaftssachverständige Staatsanwälte ausbilden zu lassen?
Würde es nach Ansicht der Bundesregierung eine Entlastung für die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaften bedeuten, wenn ältere Wirtschaftssachverständige und bilanzsichere Buchhalter, die aus konjunkturellen oder aus Gründen der Automation ihren Arbeitsplatz verloren haben, ihre hilfreichen Dienste den Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514318000
Die Ausbildung von wirtschaftskriminalistischen Sachbearbeitern wird bereits seit Jahren im Einvernehmen zwischen Bund und Ländern intensiviert. Die Ausbildungsprogramme umfassen Buchführung, betriebswirtschaftliche Fachbereiche, Grundzüge der Betriebs- und Rechnungsprüfung, Probleme des Wirtschaftsstrafrechts, Steuerstrafrechts sowie Zivil- und Handelsrecht.
Neue Wege 'der Ausbildung sind durch die Teilnahme von Beamten an Lehrgängen der Handels- und Finanzschulen, durch mehrsemestriges Hochschulstudium und durch Hospitieren in Handelsunternehmen beschritten worden. Der Schwerpunkt dieser Ausbildung liegt allerdings bei den Ländern, die ja Träger ,der Polizeihoheit sind.
Dessenungeachtet war und ist das Bundeskriminalamt aber stets bemüht, die Länder in dieser Ausbildung von kriminalpolizeilichen Wirtschaftssachbearbeitern zu unterstützen. Dabei hat das Bundeskriminalamt in erster Linie der neuen Entwicklung, die durch die zunehmende Verwendung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen gekennzeichnet ist, frühzeitig Rechnung getragen.
Seit drei Jahren werden auf Bundesebene Lehrgänge zur Ausbildung im Lochkartenverfahren und in der elektronischen Datenverarbeitung für Kriminalbeamte der Länder und ides Bundes durchgeführt. Für das Jahr 1968 sind wiederum zwei entsprechende Lehrgänge geplant.
Dann zu ,dem zweiten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege Büttner: Bereits seit Herbst 1958 finden an
der Bundesfinanzschule in Siegburg Lehrgänge zur Ausbildung von wirtschaftssachverständigen Staatsanwälten statt. Bisher sind neun Einführungs- und sieben Fortbildungslehrgänge durchgeführt worden. Weitere Einführungslehrgänge sind geplant. Im Januar 1968 beginnt ein Lehrgang für Richter und Staatsanwälte in Buchführung sowie in Bilanz- und Steuerrecht.
Zum letzten Teil Ihrer Frage kann ich zu meinem Bedauern ,eine Stellungnahme für die Bundesregierung deswegen nicht abgeben, weil die zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz gehörende Strafverfolgungsbehörde mit der Aufklärung derartiger Delikte nicht befaßt ist, so daß die Frage, auf die Sie sich beziehen, ausschließlich den Kompetenzbereich der Länder betrifft.
Soweit mir bekannt ist, werden allerdings bei verschiedenen Polizeibehörden schon seit längerer Zeit, schon seit Jahren, nichtpolizeiliche Fachkräfte, z. B. Diplomvolkswirte, Buchprüfer und Bilanzbuchhalter zur Unterstützung der Ermittlungsbeamten bei der Aufklärung von Wirtschaftsstraftaten beschäftigt. Ich kann nicht sagen, ob diese Kräfte in einem festen Dienstverhältnis stehen oder als freie Mitarbeiter beschäftigt werden. Wenn Sie Wert darauf legen, Herr Kollege Büttner, bin ich aber gern bereit, mich bei 'den Ländern nach Einzelheiten zu erkundigen und sie Ihnen dann schriftlich mitzuteilen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514318100
Herr Kollege Büttner zu einer Zusatzfrage.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0514318200
Mit dem letzten Vorschlag bin ich einverstanden. Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, wie hoch die Summe der zusätzlichen Einnahmen des Bundes durch Steuer-und Zollnachzahlung in den Jahren 1964, 1965 und 1966 gewesen ist, die durch ,den Einsatz der Betriebsprüfungsdienste der Zoll- und Steuerverwaltung bewirkt wurde?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514318300
Ich bedaure, .das nicht beantworten zu können, da es offensichtlich zum Geschäftsbereich sowohl des Herrn Bundesministers der Finanzen als auch des Herrn Bundesministers der Justiz mindestens mitgehört. Ich bin gern bereit, mich mit diesen zuständigen Ressorts in Verbindung zu setzen und, wenn möglich, die Frage nachträglich noch zu beantworten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514318400
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Büttner.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0514318500
Herr Staatssekretär, darf ich zusätzlich fragen: Ist die Bundesregierung, nachdem Sie durch Fühlungnahme mit den zuständigen Ressorts festgestellt haben, daß die Höhe der Nachzahlungen so gravierend ist, bereit, auch personelle Konsequenzen zu ziehen?
7376 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514318600
Das hängt natürlich von der Beantwortung der Vorfrage ab. Wir werden das gern in ,die Prüfung einbeziehen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514318700
Damit ist die Fragestunde beendet.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Genscher erbeten.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514318800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn jemals Antworten der Bundesregierung auf Fragen in der Fragestunde von aktuellem Interesse waren, dann sind es heute die Antworten des Herrn Staatssekretärs beim Bundesminister des Auswärtigen auf die Fragen meines Fraktionskollegen Dorn. Ich beantrage deshalb, in eine Aktuelle Stunde einzutreten. Der Antrag, Herr Präsident, wird ausreichend unterstützt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514318900
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß der Antrag von mindestens 30 anwesenden Mitgliedern unterstützt wird.

(Zurufe: Auszählen!)

— Meine Damen und Herren Kollegen, wollen wir zählen?

(Zustimmung.)

— Wer für eine Aktuelle Stunde ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich glaube, ich hatte mit meiner Vermutung recht, daß der Antrag von mehr als 30 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird.
Damit treten wir in eine
Aktuelle Stunde
ein. Als erster hat der Herr Abgeordneter Dorn das Wort.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0514319000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als meine politischen Freunde gestern überlegten, ob es möglich sei, hier heute eine Aktuelle Stunde abzuhalten, wußten wir noch nichts von der Urteilsverkündung in erster Instanz in Seoul. Inzwischen liegen diese Urteile wenigstens nachrichtenmäßig vor. Ich kann nur sagen, wir sind erschüttert über das, was sich dort abspielt. Aber wir sind genauso erschüttert über das, was bisher bei uns an Ergebnissen der Bemühungen der Bundesregierung spürbar geworden ist.

(Beifall bei der FDP.)

Herr Staatssekretär Jahn, Sie haben in der Monitor-Sendung, die ich vorhin in der Fragestunde schon ansprach, auf die Frage, was die Bundesregierung bisher getan habe, u. a. erklärt: Sie hat in aller Form Protest erhoben. Meine sehr verehrten Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, ich sage Ihnen hier sehr offen, das ist nach unserer Auffassung viel zu wenig.

(Zustimmung bei der FDP.)

Hier muß etwas geschehen, die Bundesregierung
muß den Verhandlungspartnern auf der anderen
Seite glaubwürdig klarmachen, daß wir nicht bereit sind, in der Form, wie es in diesem Fall geschehen ist, mit den Souveränitäts- und Grundrechten spielen zu lassen., die in unserem Staat Gültigkeit haben.

(Beifall bei der FDP.)

Daher darf kein Zweifel darüber bestehen, meine Damen und Herren, daß ,das Rückführungsverlangen, das die Bundesregierung früher einmal im Fall Argoud der französischen Regierung gegenüber vertreten hat, auch von der heutigen Bundesregierung in dieser Frage ausdrücklich gegenüber den Partnern in Seoul gestellt werden muß, mit denen wir heute ja noch diplomatische Beziehungen haben. Ich frage also die Bundesregierung: Ist dieses offizielle Rückführungsverlangen gestellt worden? Nach den bisherigen Erklärungen der Regierung nicht. Es darf auch keinen Zweifel geben, daß nach Art. 25 unseres Grundgesetzes ,die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechts sind. Hier ist aber in völkerrechtswidriger Weise der Tatbestand des Menschenraubs auf unserem Grund und Boden verwirklicht worden. Ich glaube, jeder, der auf die Achtung und Erhaltung der rechtsstaatlichen Ordnung in diesem Staate Wert legt, muß verlangen, daß alle Entführten ohne Ausnahme hierher zurückgebracht werden.

(Beifall bei der FDP.)

Ich sage genauso 'deutlich, für diejenigen Staaten, die das Gefühl haben, daß Angehörige ihrer Nation auf unserem Boden Agententätigkeiten betreiben, gibt es überhaupt nur einen Weg, nämlich den, sich mit den zuständigen deutschen Stellen in Verbindung zu setzen, um darüber zu verhandeln, was zu geschehen hat. Eine Auslieferung ist aus verschiedenen Gründen in diesem Fall gar nicht möglich gewesen, erstens wegen der politischen Taten, die als Vorwurf erhoben werden, und zweitens weil kein Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesregierung und Südkorea besteht.
Es handelt sich hier auch nicht um einen Formfehler der koreanischen Regierung. Was die Bundesregierung uns auf unsere Kleine Anfrage am 18. Juli dieses Jahres geantwortet hat — so lange liegen inzwischen die Bemühungen zurück —, nämlich daß sich die koreanische Regierung in aller Form für die Tätigkeit ihrer Beamten auf unserem Gebiet entschuldigt und versichert hat, daß sich Derartiges nicht wiederholen werde, ist völlig unzureichend. Für uns ist diese Verletzung der Rechte auf unserem Grund und Boden so entscheidend, daß wir von der Bundesregierung auch die Frage geprüft haben wollen, ob es, wenn die andere 'Seite unsere Rechtssituation so wenig achtet, überhaupt noch denkbar ist, unter diesen Voraussetzungen diplomatische Beziehungen aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514319100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.

Dr. Hermann Kopf (CDU):
Rede ID: ID0514319200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Behandlung süd-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7377
Dr. Kopf
koreanischer Staatsangehöriger in Korea hat den Gegenstand einer etwa 35minütigen Erörterung innerhalb der Fragestunde gebildet. Die Bundesregierung hat die Fragen, die hier gestellt worden sind, durch den Mund des Staatssekretärs Jahn in einer eingehenden, ich möchte sagen, nahezu erschöpfenden Weise beantwortet.

(Widerspruch bei der FPD.)

Aus diesen Antworten hat sich ergeben, ,daß die Bundesregierung in keiner Weise untätig war — was wir schon lange wußten —, sondern eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen hat, um die Rückstellung der aus Deutschland entführten südkoreanischen Staatsangehörigen zu erlangen. Selbstverständlich teilen wir alle in diesem Hause die Auffassung, daß Menschenraub eine Handlungsweise darstellt, die in keiner Weise gebilligt oder gerechtfertigt werden kann. Vor etwa zwei Jahren hat dieses Haus bei der Erörterung des Falles Argoud diesen Standpunkt klar zum Ausdruck gebracht, und es ist selbstverständlich, daß sich an dieser grundsätzlichen Verurteilung des Menschenraubes nicht das geringste geändert hat. Wir wissen aber auch aus den zahlreichen Erörterungen des Falles Korea im Auswärtigen Ausschuß, daß die Bundesregierung immerfort tätig gewesen ist, um ihrem Rückstellungsverlangen zum Erfolg zu verhelfen, und wir wissen ferner, daß ein Teil der Entführten inzwischen wieder nach Deutschland zurückgestellt worden ist.
Weiter kommt folgendes hinzu: bevor diese Debatte stattfand — schon am gestrigen Tage — ist vorgesehen worden, daß der Auswärtige Ausschuß in seiner Sitzung, die morgen früh stattfinden wird, sich mit dem Fall Korea beschäftigen und einen Bericht des Auswärtigen Amtes entgegennehmen wird. Ich bin der Meinung, daß eine Erörterung des Falles Südkorea, die über den Rahmen der Erörterung in der Fragestunde hinausgehen würde, zweckmäßigerweise im Auswärtigen Ausschuß und nicht in diesem Hause stattfindet. Ich halte es daher für untunlich, im Wege einer Aktuellen Stunde dieses Problem, über dessen große Linien wir alle unterrichtet sind, weiterzuverfolgen. Weil ich die Erörterung daher lieber im Ausschuß sehe, in den sie sachgemäß gehört, und weil die Erörterung derartig delikater Fragen in diesem Ausschuß auch in sachgemäßer Weise erfolgen kann, halte ich es nicht für glücklich, innerhalb der Aktuellen Stunde dieses Problem, dessen Bedeutung wir alle sehr wohl kennen, weiterzuverfolgen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514319300
Das Wort hat .der Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0514319400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kopf, daß im Auswärtigen Ausschuß die hier zur Erörterung stehenden Fragen morgen beraten werden sollten, vermögen doch wohl kaum jemanden zu befriedigen.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Ich bin der festen Überzeugung, daß gerade nach den Nachrichten, die uns heute morgen erreicht haben, die gesamte deutsche Öffentlichkeit die Frage aufwerfen wird: Wieweit sind wir denn in der Bundesrepublik gekommen?

(Beifall bei der FDP.)

Es wäre eindeutig Sache und Aufgabe der Regierung, nicht hinter den geheimen Türen des Auswärtigen Ausschusses,

(Sehr richtig! bei der FDP)

sondern hier im Parlament Rede und Antwort zu stehen, was sie gemacht hat, um auf deutschem Gebiet derartige Dinge möglichst ein für allemal abzustellen.

(Beifall bei der FDP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin über die Lauheit, mit der diese Angelegenheit heute hier diskutiert wird,

(Sehr wahr! bei der FDP) eigentlich reichlich betroffen.


(Erneuter Beifall bei der FDP.)

Ich erinnere mich an die Stunde, wo wir hier über den Fall Argoud diskutierten und einmütig von der einen Seite des Hauses bis zur anderen in leidenschaftlicher Erregung verlangt wurde, daß Maßnahmen ergriffen werden sollten, und zwar nicht aus irgendeinem nationalistischen Interesse oder aus ähnlichen Beweggründen — das möchte ich hier einmal ganz klarstellen —, sondern weil wir in der Bundesrepublik in der Situation, in der wir uns befinden, alles, aber auch das Letzte daransetzen müssen, glaubhaft zu machen, daß wir es mit der Rechtsstaatlichkeit ernst meinen.

(Beifall bei der FDP.)

Ich meine, diese gemeinsame Haltung sollten wir auch hier wieder einnehmen; denn die Dinge, die sonst allzu leicht auf uns zukommen könnten, sind zu ernst, als daß wir sie auch nur in einem Fall irgendwie vernachlässigen könnten.
Daher nochmals der dringende Appell: Bundesregierung, lege klar, was hast du getan, lege aber auch klar, was du jetzt machen willst, nachdem Todesurteile bereits ausgesprochen worden sind, und lege klar, warum du nicht jetzt endgültige Schritte unternehmen willst, die erforderlich sind, um das Recht in der deutschen Bundesrepublik wiederherzustellen.

(Beifall bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514319500
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514319600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst folgendes hier erklären, wozu ich in der Fragestunde in dieser Form keine Gelegenheit hatte.
Die Bundesregierung teilt die tiefe Erschütterung über die heute morgen bekanntgewordenen Urteile.
7378 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Die Bundesregierung hat sich aber bisher — entgegen den Behauptungen, die in der Debatte hier aufgestellt worden sind — keineswegs darauf beschränkt, bloß zu protestieren. Die Bundesregierung hat mehrfach eindeutig in der möglichen und geeigneten diplomatischen Form die Rücküberführung der aus der Bundesrepublik verbrachten koreanischen Bürger gefordert. Sie hat darüber hinaus — das wissen Sie, meine Herren von der FDP, ganz genau — die Abberufung jener drei Angehörigen der koreanischen Botschaft gefordert, die nachweislich mit diesem ganzen Vorgang in Verbindung gebracht werden mußten. Die Abberufung ist auch erfolgt. Die Bundesregierung steht nicht an, wiederholt zu erklären, daß sie mit den bisher aus Korea erteilten Antworten in gar keiner Weise zufrieden ist, sondern nach wie vor an ihrem Rückführungsverlangen festhalten muß und nach wie vor erwartet, daß dem alsbald von koreanischer Seite entsprochen wird.
Ich muß aber auch in allem Ernst darauf hinweisen — und das ist Ihnen, meine Herren von der FDP, bereits gestern von dem Herrn Bundesaußenminister in großen Zügen angedeutet worden —: die Möglichkeiten der Bundesregierung sind nicht unbegrenzt. Sie helfen der Bundesregierung nicht — das erwarte ich gar nicht —, und Sie helfen auch denjenigen nicht, um die es hier geht, wenn Sie von mir verlangen, daß ich alles das offenbare, was an Schwierigkeiten und Problemen in diesem Zusammenhang nicht nur zu bedenken ist, sondern auch tatsächlich vorhanden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es ist leicht, sich hier hinzustellen und zu sagen: es soll alles auf den Tisch gelegt werden. Das könnte ich tun. Aber ich würde damit mehr Schaden anrichten — ich bitte um Entschuldigung, daß ich das hier so sagen muß —, als wenn ich mir die Beschränkung auferlege, zu der ich mich nun einmal von der Sache her für verpflichtet halte.
Sie können hier mit harten Forderungen auftreten. Sie können sagen, wir sollen sofort die diplomatischen Beziehungen abbrechen. Ich räume ein, das ist ein möglicher Weg. Nur muß ich Ihnen sagen, alles das, was wir bisher getan haben, um dieses Verfahren nicht völlig fern von uns vor sich gehen zu lassen — das an Verbindung zu halten, was wir im Interesse der Betroffenen und im Interesse der Wahrung der Rechte der Bundesregierung für notwendig halten —, würden wir damit selber aus der Hand geben. Ob das eine kluge Entscheidung wäre, überlasse ich gern Ihrer Beurteilung.
Ich möchte abschließend nur noch auf eines hinweisen: Ich habe vorhin gesagt und wiederhole es hier: die Bundesregierung wird weiterhin sorgfältig prüfen, welche endgültigen Entscheidungen in diesem Zusammenhang notwendig sind. Ich wiederhole, keine denkbare politische und diplomatische Reaktion will ich dabei ausschließen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514319700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0514319800
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben gesagt, die Bundesregierung habe so gehandelt, wie es im Interesse der Betroffenen liege. Von einem entsprechenden Erfolg haben wir bisher nichts gemerkt, sondern wir haben nur das eine festgestellt: daß diese Südkoreaner jetzt schon seit Monaten gegen jedes Recht aus Deutschland nach Südkorea gebracht worden sind. Heute morgen mußten wir erfahren, daß Todesurteile gefällt worden sind. Diese Südkoreaner sind durch die Handlung der Bundesregierung — weil sie nicht ,energisch vorgegangen ist — um das gebracht worden, was bei uns nach dem Grundgesetz ein Grundrecht ist, nämlich um ,das Asylrecht, — —

(Abg. Behrendt: Wollen Sie das ernsthaft behaupten?)

— Jawohl, das tue ich.

(Abg. Behrendt: Das ist sehr bemerkenswert!)

Ich möchte doch auf folgendes hinweisen: wenn wir in unserem Grundgesetz die Gewährung eines politischen Asylrechts festgelegt haben, so haben wir es doch auf Grund der bitteren Erfahrungen 'der vergangenen Zeiten getan.

(Sehr richtig! rechts.)

Das, was jetzt in Südkorea geschehen ist, widerspricht doch dem Völkerrecht, widerspricht doch auch den Bestimmungen, die für uns Gültigkeit haben. Warum hat denn Südkorea so gehandelt? Weil man dort genau wußte, daß man diese Südkoreaner nie hätte zwingen können, nach Südkorea zurückzugehen, wenn man hier ein ordnungsgemäßes Auslieferungsverlangen gestellt hätte; denn die Bundesregierung wäre nach dem Grundgesetz verpflichtet gewesen, den Südkoreanern in diesem politischen Verfahren ein Asylrecht zu gewähren. Das ist doch das Bedenkliche.
Bedenklich ist auch, daß das nicht zum erstenmal geschieht. Wir hatten schon den Fall Argoud. Damals handelte .es sich um eine Person. Jetzt handelt es sich um mehrere Personen. Wo soll es denn hinführen, wenn wir .denjenigen, die bei uns in der Bundesrepublik sind, nicht das Asylrecht garantieren, auf das sie nach Völkerrecht und nach unserem Grundgesetz einen Anspruch haben!
Herr Staatssekretär, ich muß sagen, die Ausführungen, die Sie soeben gemacht haben, stehen doch einigermaßen in Widerspruch zu dem, was Sie vorhin in der Fragestunde gesagt haben. In der Fragestunde hatten Sie ganz klar und eindeutig gesagt, zunächst sollten die rechtskräftigen Urteile, also die Urteile von noch zwei Instanzen, abgewartet werden. Wir sind der Meinung, es ist bereits nach den jetzt ergangenen Urteilen höchste Zeit, daß sich die Bundesregierung in wirksamerer Weise, als es bisher geschehen ist, gegen eine derartige Verletzung des Grundgesetzes und ,gegen eine derartige Verletzung des Völkerrechts wehrt.

(Beifall bei der FDP.)

Ich habe vorhin auf die Rektorin der Heidelberger Universität hingewiesen. Herr Staatssekretär, wenn
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7379
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
dieser südkoreanische Professor nur einen wissenschaftlichen Auftrag gehabt hätte und deswegen mit der Rektorin .der Heidelberger Universität hätte sprechen wollen, wäre ihm die Unterredung bestimmt nicht versagt worden. Die Unterredung wurde ihm vielmehr unter Hinweis darauf versagt, daß die Rektorin wegen der schweren Verstöße Südkoreas gegen das Völkerrecht in bezug auf einen Heidelberger Studentensüdkoreanischer Nationalität nicht bereit ist, mit den Beauftragten von Südkorea zu sprechen. Das sollte der Bundesregierung doch zu denken geben. Sie sollte die aufrechte Haltung dieser Rektorin und dieser Universität entsprechend unterstützen und die entsprechende Haltung auch in ihrem Bereich einnehmen.

(Beifall bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514319900
Das Wort hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514320000
Verehrte Frau Kollegin, die Bundesregierung ist — um beim Letzten anzufangen — selbstverständlich gern bereit, jeden zu unterstützen, der sich da in einer konkreten Auseinandersetzung befindet. Nur muß man zuerst einmal sagen, daß man die Unterstützung haben will. Zweitens muß die Bundesregierung von dem Vorgang selber unterrichtet sein. Sie, Frau Kollegin, haben den Vorzug, Heidelberg näher zu sein als die Bundesregierung. Vielleicht sind Sie so liebenswürdig, Ihre Erkenntnis der Bundesregierung weiterzugeben,

(Buh-Rufe von der FDP)

um damit die Bundesregierung in den Stand zu versetzen, in dieser konkreten Frage das zu tun, was Sie offenbar von ihr erwarten.

(Anhaltende Zurufe von der FDP.)

— Meine Herren, Sie räumen doch Tatsachen nicht durch Lärm aus der Welt. Die Bundesregierung ist jedenfalls bisher anläßlich dieses Besuchs von keiner Seite angegangen worden. Ich wiederhole, sie ist von keiner Seite angegangen worden.

(Zurufe von der FDP.)

Es ist, meine Damen und Herren, eine einfache Methode zu sagen: Hier ist von einem Erfolg nichts zu merken gewesen. Es ist bei zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen dieser Art leider häufiger so, daß die Möglichkeiten, einen Erfolg in einer bestimmten Auseinandersetzung zu erzielen, nicht sehr groß sind.
Aber ich muß hier noch einiges richtigstellen. Frau Kollegin Diemer-Nicolaus hat hier einen Begriff in die Debatte eingeführt, der nun wirklich mehr als irreführend ist, nämlich den Begriff des Asylrechts. Ich muß hier einfach auf die Tatsache hinweisen, Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, daß keiner der Betroffenen, obwohl alle dazu die Möglichkeit gehabt hätten, vor der Abreise aus der Bundesrepublik um Asyl nachgesucht hat.

(Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Das konnten sie wegen Zeitmangels nicht!)

— Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, wenn Sie hier schon solche Behauptungen aufstellen, müssen Sie sich einmal mit den Tatsachen vertraut machen. Tatsache ist, daß alle die Möglichkeit dazu gehabt haben und daß keiner von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

(Abg. Genscher: Das ist Zynismus!)

— Das hat mit Zynismus überhaupt nichts zu tun; das ist eine einfache Tatsachenfeststellung, Herr Genscher.

(Abg. Genscher: Die Leute wußten doch gar nicht, daß sie verfolgt wurden, Herr Jahn!)

Sämtliche Betroffenen hätten dazu ,die Gelegenheit gehabt. Ich werde Ihnen, Herr Kollege Genscher, im Auswärtigen Ausschuß an Hand von Einzelheiten dartun, daß diese Behauptung begründet ist.
Im übrigen kann ich keinen Widerspruch zu dem feststellen, was ich vorhin gesagt habe. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß die Bundesregierung weitere Schritte tun wird, je nach ,dem weiteren Verlauf des weiteren Verfahrens. Daran muß ich festhalten.
Ich muß noch einmal betonen, daß diese Form der Kritik, die sich auf allgemeine Forderungen beschränkt wie die der Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, die Bundesregierung möge in wirksamerer Weise tätig werden, im luftleeren Raum bleibt, solange diejenigen, die das sagen, nicht auch konkret erklären, was sie damit meinen. Das, meine Damen und Herren von der FDP, haben Sie bisher — ich weiß nicht, aus welchen Gründen — unterlassen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514320100
Das Wort hat der Kollege Dr. Müller (München).

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0514320200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So gut es sein mag, diese Dinge in einem Ausschuß des Deutschen Bundestages des näheren und im einzelnen zu besprechen — ich begrüße das ausdrücklich —, so wenig kann es aber auch einen Zweifel geben, daß die deutsche Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, daß diese Fragen hier im Plenum des Bundestags diskutiert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der FDP)

Wir sollten uns auch in anderen Ländern umsehen, wo solche Fragen im Parlament sicher sofort auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Es gibt keinen Zweifel, daß im Zusammenhang mit dieser Affäre Souveränitätsrechte, aber auch Grundrechte in der Bundesrepublik verletzt wurden. Ich möchte dazu zwei Dinge sagen.
Erstens. Leider mußten wir feststellen, daß auf deutschem Boden fremde Geheimdienste tätig geworden sind. Vielleicht sind sie auch in anderen Fällen tätig geworden. Mit Bedauern muß ich feststellen, daß unsere Staatsschutzorgane — die heute auch in anderem Zusammenhang diskutiert werden — offensichtlich nicht in der Lage waren, recht-
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Dr. Müller (München)

zeitig Vorsorge dagegen zu treffen, daß so etwas stattfinden konnte.

(Abg. Moersch: Trotz höheren Etats!)

Zweitens. Unsere Souveränität wurde verletzt, und zwar in einer Situation, wo wir uns gegenüber der Welt in einer schwierigen Lage befinden. Wir erörtern in anderem Zusammenhang die Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte, etwa in der Frage der Notstandsgesetzgebung. Ich glaube, unsere Selbstachtung erfordert es, in Fragen der Souveränität keine Kompromisse einzugehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der FDP.)

Es wurde hier in diesem Hause anläßlich einer Frage, die in diesem Zusammenhang stand, geäußert, die südkoreanische Regierung habe erklärt, daß diejenigen der Entführten, die es wünschten, hierher zurückkehren könnten.

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Dazu wurde von einem Sprecher der Bundesregierung gesagt, eine solche Äußerung der südkoreanischen Regierung begründe keine rechtsgültige Verpflichtung. Ich glaube aber, daß sie eine eindeutige moralische Verpflichtung der südkoreanischen Regierung begründet und daß man die südkoreanische Regierung bei dieser moralischen Verpflichtung fassen muß.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei der FDP.)

Ich habe Vertrauen in die Bundesregierung, daß sie die südkoreanische Regierung in aller Deutlichkeit auf diese Probleme hinweist. Menschenrechtsfragen sind unteilbar, und die Freiheit ist auch unteilbar. Wir haben in diesem Hause in der Vergangenheit über einige andere Länder gesprochen; wir sollten das in Zukunft in aller Deutlichkeit auch in der Frage unseres Verhältnisses zu Südkorea tun. Sollte nach Abschluß der Verfahren keine Revision der Urteile eintreten, sollten die Todesurteile aufrechterhalten werden und sollte die südkoreanische Regierung ihre moralische Verpflichtung, die aus ihrer Äußerung erwächst, daß diejenigen, die es wünschten, zurückkehren könnten, nicht einhalten, dann sollte man meiner Meinung nach alle Konsequenzen ziehen, die ein souveräner Staat daraus ziehen kann.

(Beifall bei der SPD, der FDP und vereinzelt in der Mitte.)


Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0514320300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte ist sicherlich aktuell, denn erst vor wenigen Stunden sind uns die Nachrichten über die in Korea gefällten Urteile bekanntgeworden. Ich halte es für gut, daß sich der Deutsche Bundestag mit dieser Frage befaßt. Ich glaube, wir müssen auch von diesem Hause aus noch einmal eindeutig zum Ausdruck bringen, daß wir es nicht zulassen, daß die Bundesrepublik ein Tummelfeld für ausländische Geheimdienste und
Polizeiaktionen wird, und daß wir unsere Gäste, die hier in der Bundesrepublik leben, schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese eindeutige Erklärung hindert uns aber nicht, in der Debatte zugleich auch die Behutsamkeit walten zu lassen, die im Interesse der Betroffenen, der Verurteilten angewandt werden muß.
Wir bestreiten nicht, daß die Koreaner, auch solange sie Gäste in der Bundesrepublik waren, dem koreanischen Recht unterstanden. Wir haben auch nicht über das in Korea geltende Staatsschutzgesetz zu richten. Die sogenannte Koexistenz mit den Kommunisten hat in jedem vom Kommunismus bedrohten Land ein anderes Bild und andere Formen, und das Land selber muß die geeigneten Maßnahmen treffen, um dieser Bedrohung zu begegnen. Die zahllosen Grenzzwischenfälle, die nicht seltenen Schießereien am 38. Breitengrad, die Wühlarbeit in Korea zeigen, wie groß die Gefahr ist, in der sich diese Republik gegenüber dem Kommunismus befindet. Zugleich sind in Korea die Erinnerungen an den Krieg noch zu frisch, als daß sich dort eine Entspannungspolitik hätte breitmachen können wie allenfalls hier im europäischen Bereich.
Die koreanische Regierung muß aber doch auch würdigen, daß ihre Landsleute, die hier bei uns zu Gast waren, in dieser Zeit in einem Rechtskreis gelebt haben, der von der in Korea heimischen Rechtsauffassung abweicht. Das ist neben dem Beharren auf unserer Souveränität und ihren Ansprüchen der humanitäre Grund, weshalb ich glaube, daß wir mit allem Nachdruck auf dem Rückstellungsanspruch bestehen und ihn mit allen Möglichkeiten zur Geltung bringen müssen.
Ich bin aber nicht der Meinung, daß der Abbruch der diplomatischen Beziehungen hierzu das geeignete Mittel wäre. Südkorea war mit uns eng befreundet,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist es noch!)

und ich glaube, es liegt im Interesse unserer beiden Länder, diese Freundschaft aufrechtzuerhalten.

(Zuruf von der FPD: Schöne Freundschaft!)

Ich bin mir bewußt, meine Damen und Herren, daß das seine Grenzen hat. Brächen wir heute die Beziehungen ab, so würden wir uns damit eines entscheidenden Mittels berauben, zugunsten der Verurteilten in Korea wirken zu können. Ich meine, das, was wir tun müssen, ist, die südkoreanische Regierung immer wieder auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen und alle vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Rückstellungsanspruch durchzusetzen.
Ich glaube, daß die Bundesregierung das Mögliche getan hat. Ihr Wirken war nicht ohne Erfolg. Eine Reihe von Koreanern sind in die Bundesrepublik zurückgekehrt. Es gibt die eindeutige Erklärung der koreanischen Regierung, alles dazu beitragen zu wollen, daß sich ähnliche Entwicklungen in Zukunft nicht wiederholen. Meine Damen und Herren, die Maßnahmen der Bundesregierung waren bisher wirkungsvoll, ich bin der Meinung, wir sollten die
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Wagner
Bundesregierung auf diesem Wege auch in Zukunft mit allem Nachdruck unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514320400
Das Wort hat .der Abgeordnete Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0514320500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir alle stimmen darin überein, daß die Bundesregierung die notwendigen Maßnahmen fortsetzen möge, die der Lösung der Frage in dem hier gewünschten Sinne dienen können. Ich glaube, dies ist von allen Sprechern in der Debatte so klar betont worden, daß man sagen kann: über die Meinung dieses Hohen Hauses in dieser Frage kann kein Zweifel bestehen.
Aber auf einen Punkt in diesem Zusammenhang möchte ich eingehen. Ich glaube, es ist nicht gerechtfertigt, daß wir hier sehr scharfe Angriffe gegen die Bundesregierung richten. Die Bundesregierung hat alles in ihren Kräften Stehende getan und hat hier ausdrücklich betont, daß sie das auch weiter tun wird, um im Sinne dieses Hauses die Lösung des Problems zu ermöglichen. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß Herr Kollege Dorn, wenn er an der Stelle des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn in gleicher Funktion gestanden hätte, wahrscheinlich auch nicht in der Lage gewesen wäre, hier eine andere und präzisere Aussage zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es ist nun einmal so, daß eine Regierung eine Reihe von Kenntnissen besitzt, die sie nicht in jeder Phase veröffentlichen kann, sondern gerade im Interesse des zu lösenden Problems noch zurückhalten muß.

(Abg. Borm: Seit fünf Monaten!)

Außerdem, meine Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei, sind Sie ja auch im Auswärtigen Ausschuß vertreten, und die Regierung hat dort berichtet und wird auch in Zukunft, wie sie hier betont hat, über jedes Detail sorgfältig berichten. Insofern verstehe ich Ihre Befürchtungen nicht, daß die Information durch die Regierung nicht so gründlich und sachgerecht wie nur möglich erfolge. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß die Regierung meines Erachtens ihr möglichstes getan hat.
Lassen Sie mich aber in diesem Zusammenhang noch auf zwei andere Dinge ganz kurz eingehen. Die Kollegin Diemer-Nicolaus sprach davon, daß es nicht der erste, sondern gewissermaßen der zweite Fall nach dem Fall Argoud sei. So ist es ja nicht. Wir haben Hunderte und Tausende Fälle, in denen Deutsche aus Deutschland verschleppt worden sind, und zwar von Mächten — ich erinnere Sie nur an einen Fall, der Ihre Partei persönlich angeht, den Fall Konietzki —, mit denen Sie gerade den engsten und freundschaftlichsten Kontakt herzustellen wünschen. Nicht, daß ich mich diesen Bestrebungen entgegenstellen möchte. Nur, wenn Sie hier solche Aussagen machen, wie, daß man — hier hat es geheißen: gegen jeden — keine Kompromisse in solchen Fragen eingehen könne, dann bin ich ganz dafür,
meine verehrten Damen und Herren von der Freien Demokratischen Partei; aber dann muß das auch wirklich für jeden gelten, speziell auch für die Deutschen.

(Beifall bei der CDU/CSU! — Zuruf des Abg. Dorn.)

— Ich verstehe Sie nicht, Herr Kollege Dorn. (Abg. Dorn wiederholt seinen Zuruf.)

— Es tut mir sehr leid; wenn ich Sie akustisch verstehen könnte, würde ich auf Ihren Zwischenruf eingehen, aber so bin ich leider dazu nicht in der Lage.
Ich möchte noch eine zweite Bemerkung machen. Hier ist von der Freien Demokratischen Partei gegen die Lauheit der Staatsschutzorgane gewettert worden. Dazu möchte ich nur sagen: Seien Sie etwas freundlicher bei den Beratungen, die wir vorzunehmen haben, die Arbeit dieser Staatsschutz-organe zu unterstützen und sie mit den entsprechenden Möglichkeiten auszustatten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nur ein Schlenker am Rande: Wenn man hier so viel von Gastrecht und Asyl gesprochen hat, so soll man natürlich einen Aspekt des Falles nicht ganz aus dem Auge verlieren — ich möchte es nur als Frage hier hinterlassen —: Es bleibt ja doch offen, ob sich nicht diese Gäste auf unserem Boden auch im Dienste fremder Spionageapparate bewegt haben.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Das wird aufzuhellen sein. Aber ich darf sagen, daß
ich ganz nachdrücklich hinter der Verhaltensweise
der Regierung stehe und sie in jeder Weise begrüße.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514320600
Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0514320700
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Verweisung dieser Sache an den Auswärtigen Ausschuß kann zwar auch geschehen; aber zuallererst muß das hier im Plenum öffentlich diskutiert werden. Es handelt sich dabei doch um etwas anderes als z. B. um eine Verordnung der EWG, die mit Beamten im Auswärtigen Ausschuß beraten wird.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.)

Ich möchte mich auch dagegen wenden, Herr Jahn, daß es. sich hier um eine Abreise gehandelt habe. Diese Leute sind entführt worden, das war brutaler Menschenraub.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Aber bewiesen ist es noch nicht, Herr Porzner! — Abg. Dorn: Sie haben es doch zugegeben und sich dafür entschuldigt!)

— Sie werden doch nicht annehmen, daß Leute freiwillig nach Korea fahren, um sich dort zum Tode verurteilen zu lassen.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das heißt aber, das Urteil vorweggenommen zu haben!)

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Porzner
Es handelt sich hier nicht nur um eine Mißachtung der Souveränität der Bundesrepublik, sondern es geht hier, Herr Klepsch, um die Achtung der Menschenwürde, die in unserer Verfassung garantiert ist, und, Herr Wagner, nicht um Details des koreanischen Staatsschutzrechts.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Jeder, der in der Bundesrepublik lebt, hat den Schutz unserer Rechte und den Schutz unserer Verfassung, egal aus welchem Land er kommt. Und wenn ein anderer Staat Wünsche in bezug auf Auslieferung hat, hat er Auslieferungsanträge — oder wie man das nennt — an die Bundesregierung zu stellen, und dann wird von der Bundesregierung nach deutschem Recht verfahren.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

Ich hatte bisher den Eindruck, daß die Bundesregierung sich hier mehr mit einem formalen Protest begnügte, um nicht den Eindruck zu erwecken, als ob sie nichts täte. Ich weiß, daß dieses Urteil sehr hart ist,

(Zuruf von der Mitte: Falsch!)

aber die Art und Weise, in der diese Angelegenheit bisher in der Öffentlichkeit behandelt wurde, bringt mich jedenfalls dazu. Die Bundesregierung muß die Rückführung dieser Personen verlangen, und um dies mit Nachdruck zu versehen, sollte sie auch mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen drohen.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514320800
Das Wort hat 'der Abgeordnete Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514320900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Staatssekretär im Auswärtigen Amt den Platz an diesem Pult brauchte, um seiner Erschütterung Ausdruck zu geben, sollte er der Opposition dankbar sein, daß sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat.

(Beifall bei der FDP.)

Die Bundesregierung sollte dem Parlament dankbar sein, wenn es sich mit dieser Frage öffentlich befaßt und damit auch die moralische Position der Bundesregierung in den Verhandlungen stärkt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)

Wenn hier gesagt wird, die Angelegenheit würde im Ausschuß behandelt: selbstverständlich, meine Damen und Herren, aber der Rechtsstaat wird hier und in der Öffentlichkeit vertreten und nicht im Ausschuß allein.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)

Herr Kollege Wagner, Sie haben hier zur Behutsamkeit aufgefordert. Ich sage Ihnen, in Fragen des Rechtsstaates gibt es keine Behutsamkeit, sondern nur unmißverständliche Klarheit.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe aus der Mitte.)

Herr Kollege Klepsch, wir teilen mit Ihnen die Empörung über Unrechtsakte gleicher Art, die aus anderen Richtungen auf deutschem Boden geschehen sind. Aber wollen Sie mit Unrechtstaten aus dem kommunistischen Lager Dinge rechtfertigen, die von woanders auf deutschem Boden getan sind?

(Beifall bei der FDP. — Zurufe aus der Mitte: Wer redet denn von Rechtsfragen? — Unerhört! — Weitere Zurufe.)

— Herr Kollege, ich habe ja nur eine Frage gestellt.

(Abg. Dr. Klepsch meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Ich würde Ihre Frage beantworten, aber Fragen sind nicht zulässig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Herr Staatssekretär im Auswärtigen Amt erklärt, er habe den Bericht seines Prozeßbeobachters, der vorgestern abend einging, bis heute nicht gelesen. Ich muß sagen, das ist eine unvertretbare Nachlässigkeit in einer Frage, in der es um Menschenleben geht.

(Beifall bei der FDP.)

Und wenn Sie, Herr Staatssekretär, heute aufgerufen sind, als Vertreter der Bundesregierung hier vor dem Parlament zu antworten, ist es zusätzlich eine Mißachtung des Parlaments, wenn Sie diese Unterlagen nicht lesen, damit Sie hier Rede und Antwort stehen können.

(Beifall bei der FDP.)

Was soll das heißen, daß Sie den rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens abwarten wollen? Herr Staatssekretär, haben Sie kein Gefühl dafür, daß allein der Freiheitsentzug schon eine Verletzung der Menschenrechte und des Souveränitätsrechts der Bundesrepublik?

(Beifall bei der FDP.)

Dieses Recht müssen wir glaubwürdig machen, meine verehrten Damen und Herren. Ich bin erschüttert darüber, daß der Staatssekretär im Auswärtigen Amt hier erklärt, keiner der Betroffenen habe um Asyl gebeten. Wenn die Leute gewußt hätten, daß sie verschleppt werden, hätten sie darum gebeten. Das ist doch gerade das Problem; sie haben doch gar nicht gewußt, daß sie bedroht sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Frage geht es nicht nur um die Souveränität unseres Landes. Es geht in dieser Frage nicht nur um den Rechtsstaat, es geht in dieser Frage nicht nur um die individuellen Rechte der Betroffenen, es geht in dieser Frage auch um die moralische Position des freien Teils Deutschlands in unserem Ringen um eine freiheitliche Lösung der deutschen Frage.

(Beifall bei der FDP.)

Korea ist wie unser Land geteilt. Auch in Korea gibt es einen kommunistischen Teil. Wir als der freie Teil unseres Vaterlandes wollen bei der Wahrnehmung der Freiheit in unserem Lande nach allen Seiten, gegenüber jeder Bedrohung so unmißverständlich sein wie nur irgend möglich, denn das ist unsere stärkste Position im Ringen um die deutsche Einheit.

(Beifall bei der FDP.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7383

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514321000
Das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0514321100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entweder hat der Kollege Genscher mir nicht zugehört, oder ich darf es noch einmal sehr nachdrücklich sagen: ich habe keineswegs das eine Unrecht gegen das andere aufrechnen wollen. Im Gegenteil, alle diese Unrechtsakte begegnen bei mir gleichartiger Gegnerschaft, weil es um das Unteilbare dieses demokratischen Rechtsstaates und der Anliegen geht, die uns alle gemeinsam verbinden sollten. Ich darf ausdrücklich sagen, Herr Kollege Genscher, dieses Bemühen geht darauf, einen durchaus berechtigten Hinweis abzuqualifizieren, und es ist nicht berechtigt, meinen Hinweis auf die Hunderte und Tausende Fälle, auf die ich nur am Rande hingewiesen habe, als eine Aufrechnung zu bezeichnen. Es müßte doch ganz klar sein, daß wir in jeder Weise mit gleicher Elle zu messen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514321200
Ich gebe das Wort nach § 36 der Geschäftsordnung dem Herrn Kollegen Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514321300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens: Den Begriff der Aufrechnung habe ich nicht verwendet.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sie haben aber den Eindruck erweckt!)

Zweitens, Herr Kollege Klepsch: Den von Ihnen befürchteten und herausgehörten Vorwurf habe ich nicht erhoben und nicht erheben wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Danke! — Gut!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514321400
Das Wort hat der Abgeordnete Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0514321500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle — das muß wieder und wieder betont werden, weil es von einer Seite dieses Hauses bewußt nicht zur Kenntnis genommen wird —

(Zurufe von der FDP: Von wem denn?)

sind natürlich betroffen über die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die dadurch geschehen ist, daß man Menschen wider ihren Willen aus der Bundesrepublik herausgenommen hat. Diese Empörung teilt das ganze Hohe Haus.
Wir alle, quer durch dieses Haus, sind willens, den betroffenen Menschen, deren Schicksal wir bedauern, zu helfen. Wenn es darum geht, die moralische Position der Bundesregierung zu stärken, dann sind wir alle hinter diesem Anliegen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, wenn Sie der Bundesregierung diese moralische Unterstützung geben wollen, dann frage ich mich: Wozu soll es dienen, daß Sie hier fortgesetzt den Eindruck erwecken wollen, als ob die Bundesregierung nicht genug getan hätte,

(Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Dorn: Hat sie auch nicht!)

als ob es der Bundesregierung nicht darum zu tun wäre, diesen Betroffenen zu helfen. Was soll denn der Versuch nützen, mit Emotionen den Eindruck zu erwecken, als schiede sich dieses Parlament in laue und nicht laue Kämpfer um die Souveränität der Bundesrepublik!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Hinweis meines Kollegen Klepsch, den er inzwischen ja noch einmal unterstrichen hat, hat insofern seine Berechtigung, als ich mir gewünscht hätte, daß gerade Ihre Empörung bei ähnlichen Maßnahmen, die vorher zur Diskussion standen, ähnlich heftig gewesen wäre, wie sie heute ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.— Widerspruch bei der FDP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade weil es uns in diesem Haus darum gehen muß, diesen Menschen zu helfen, ist hier nicht der Platz, nicht die Zeit, nicht der Ort, Fronten aufzureißen, sondern besser ist es, klarzustellen, wo wir uns einig sind, und damit die Position der Bundesregierung zu unterstreichen.
Noch zwei Bemerkungen: Daß die Machtmittel der Bundesregierung begrenzt sind, ist ein Faktum, das wir alle bedauern, das Sie aber nicht dadurch ändern können, daß Sie die Emotionen in dieser Weise hochtreiben, sondern das Sie nur mit einem gewissen Verständnis begleiten müßten. Sie wissen im Grunde genommen sehr gut, daß die Bundesregierung nicht alles in der Öffentlichkeit sagen kann, gerade dann, wenn sie den. Betroffenen nicht schaden, sondern helfen will.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr wahr!)

Sie wissen sehr gut, daß es im zwischenstaatlichen Verkehr Dinge gibt, die man nicht vor aller Öffentlichkeit ausbreiten muß. Das heißt nicht, daß man diese Dinge nicht in diesem Parlament diskutieren soll. Wir tun es, und wir tun es mit Nachdruck. Aber es gibt Dinge, die man eben gerade in einer solchen Situation nicht öffentlich herausstellen kann.
Darum ein Letztes, und ich hoffe, daß wir wenigstens darüber einig sein können: Die Bundesregierung hat die Unterstützung dieses Hohen Hauses, wenn sie alles in ihrer Macht Stehende tut, um diese Menschen wieder in die Bundesrepublik zurückzubringen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514321600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0514321700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben sich in allen Fällen, wo. das Recht verletzt wurde, für die Wiederherstellung des Rechtes eingesetzt. Ich glaube, Herr Dr. Wörner, daß hier nicht der Vorwurf erhoben werden kann, daß wir je nach politi-
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Ollesch
scher Zweckmäßigkeit bei der Manipulierung des
Rechtes differenziert hätten; wir jedenfalls nicht.
Daß wir uns so leidenschaftlich gegen die Verletzung der Souveränität durch einen mit uns angeblich befreundeten Staat verwahren, hängt nicht zuletzt auch mit unserer Position in ,der freien Welt zusammen. Meine Damen und Herren, wir nehmen das Recht für uns in Anspruch, für alle Deutschen in der Welt zu sprechen. Dieser Anspruch gründet sich nicht zuletzt auf die Rechtsstaatlichkeit, die wir haben, und auf die Souveränität, über die wir verfügen. Wir weisen auf diese beiden Kriterien bei unserem Anspruch, für die Deutschen in der Welt zu sprechen, immer wieder hin. Von daher sind wir so empfindlich, wenn unsere Souveränität in Frage gestellt wird.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie es uns übel oder nicht, wir haben einfach das Gefühl, daß die Bundesregierung im Fall der Verletzung unserer Souveränität durch Südkorea nicht mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, tätig geworden ist.

(Beifall bei der FDP.)

Was heißt das denn, daß eine Abberufung der Personen, die für die gewaltsame Entführung verantwortlich sind, erfolgt ist? Die Abberufung löst das Problem nicht, und die Verletzung der Souveränität wird damit nicht aus der Welt geschafft.
Herr Staatssekretär, die Rückführung aller aus Deutschland Verschleppten ohne Rücksicht darauf, was sich in den Verhandlungen in Seoul ergeben hat — das hat uns hier gar nicht zu interessieren; deswegen steigen wir auch materiell nicht in die Verhandlung ein —, muß weiter gefordert werden, selbst um den Preis des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen. Ich spreche das aus, nachdem ein Kollege von der SPD gefordert hat, daß wir nun erklären, was war denn als letzte unumgängliche Maßnahme ansehen.

(Abg. Schlager: Herr Ollesch, vielleicht können wir bei diesem Ihrem Maßstab dann manche Beziehungen, wie Sie und wir es uns wünschen, z. B. dem Osten gegenüber, überhaupt nicht aufnehmen!)

Meine Damen und Herren, der Westen verliert die Glaubwürdigkeit, auf rechtsstaatlichen Prinzipien begründet zu sein, wenn er hier in einem wichtigen Glied des Westens duldet, daß Praktiken Platz greifen, die vornehmlich zur Prozedur vorwiegend östlich gelegener Staaten gehört haben.

(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

Den Anschein, Herr Schlager, daß je nach Zweckmäßigkeit und je nach Herkommen der betroffenen Personen hier solche Praktiken Platz greifen könnten, den wollen wir vermeiden.

(Beifall bei der FDP.)

Die deutsche Öffentlichkeit hat Anspruch darauf, zu erfahren, mit welchen Mitteln die Bundesregierung die Wiederherstellung der verletzten Rechte durchsetzen will.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514321800
Das Wort hat der Herr Kollege Ollesch.

(Heiterkeit. — Zurufe: Er war schon dran!)

— Meine Damen und Herren, so ist es, wenn man das Präsidium übernimmt, ohne zu wissen, ob der Zettel auch stimmt. Der Herr Kollege Ollesch ist nicht gestrichen.

(Zuruf: Er hat schon gesprochen! — Abg. Rasner: Es war auch genug! — Heiterkeit.)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Hirsch.
Stimmt denn das?

(Zurufe: Ja!)

— Also, Herr Kollege Hirsch, ergreifen Sie bitte das Wort; sonst bin ich ganz blamiert.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0514321900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube fürwahr, es ist gut, daß dieses Haus dieses Problem so deutlich und mit soviel Verve und Gefühl heute hier behandelt. Ich meine nur, wir sollten den Sinn und Zweck dessen, was wir mit dieser Debatte verfolgen, nicht aus den Augen verlieren.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr richtig!)

Wir sind uns doch alle darüber einig, daß die Entführung der Koreaner und alles, was im Zusammenhang damit geschehen ist, zu verurteilen ist. Darüber gibt es doch hoffentlich in diesem Hause keinen Streit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Worüber man reden kann und reden muß, ist die Frage: Wie bringen wir das wieder in Ordnung? — Herr Genscher, Sie haben hier mit Pathos gesagt: „In Fragen des Rechtsstaates gibt es keine Behutsamkeit." Ich gebe Ihnen sofort und spontan recht, wenn es um die Beurteilung der materiellen Seite des Rechtsstaates geht. Auch darin werden wir uns einig sein. Aber hier geht es doch um die Methode und die Mittel, die wir anzuwenden haben, um die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit bei uns durch eine fremde Macht wieder in Ordnung zu bringen. Ich würde meinen, hier nutzt doch das Pathos gar nichts.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Da nutzen nur nüchterne Überlegungen, und da nutzen vielleicht sogar Schlauheit und viel Diplomatie. Ich würde es für einen echten Kunstfehler der Bundesregierung halten, wenn sie hier in aller Öffentlichkeit — die anderen hören ja mit — die Methoden erörterte, mit denen sie mit den anderen verhandeln will, um ,die Dinge richtigzustellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Daher Ausschuß!)

So wichtig die Frage der Verletzung unserer Souveränität ist, meine Herren von der FDP, für mich ist die Frage wichtiger: Wie retten wir das Leben und die Freiheit dieser Menschen?

(Beifall bei .den Regierungsparteien.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7385
Hirsch
Es könnte sein, daß Sie mit der Methode: Erörterung in aller Öffentlichkeit, die Sie hier fordern, einen gewaltigen Erfolg in der deutschen Öffentlichkeit haben, daß dann aber die Menschen, um die es hier geht, tot sind,

(Zustimmung bei ,den Regierungsparteien — Zurufe von der FDP)

weil Sie die Mittel, mit denen hier gearbeitet werden muß, vorzeitig preisgegeben und in diesem Fall dem Gegner verraten haben, wie man vielleicht die Sache in Ordnung bringen kann.

(Widerspruch bei der FDP.)

— Das wollen Sie nicht. Ich wollte Ihnen nur einmal klarmachen, daß man in solchen Dingen, bei denen man zu überlegen hat, wie man den Rechtsstaat bewahrt, manchmal eben doch — das zeigt dieser Fall — sehr behutsam sein muß.
Ich halte daher das, was die Bundesregierung gesagt hat, für richtig. Sie hat gesagt, sie verurteile ebenso wie wir diese Sache. Sie hat aber darum gebeten, die Methoden, mit denen man helfen will, im stillen Kämmerlein, nämlich im Ausschuß, zu erörtern. Denn nur dann kann man sorgfältig überlegen und kann ,die Mittel finden, um nicht nur unsere Souveränität zu wahren, sondern auch — ich muß es noch einmal unterstreichen — die Freiheit und das Leben dieser Menschen zu retten.

(Beifall bei ,den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514322000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Becher (Pullach).

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0514322100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie viele Kollegen dieses Hauses bin auch ich den Kollegen von der FDP dankbar dafür, daß sie die Frage der Wahrung unserer Souveränitätsrechte im Zusammenhang mit dem hochaktuellen Fall ,der Koreaner aufwerfen. Auch ich bin der Überzeugung, die der Herr Kollege Müller (München) vertreten hat, daß das Recht, das wir hier zu wahren hätten, unteilbar sei und daß man hier keine Kompromisse schließen könne. Das gilt, wie ich glaube, für den Fall Argoud genauso wie für den Fall dieser Koreaner. Ich persönlich würde jede Form des Protestes unterstützen, die hier angemessen ist, und würde auch dem Kollegen Hirsch recht geben, der sagt, daß man die Sache von seiten der Regierung natürlich so behandeln muß, daß den Menschen auch geholfen wird.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Aber nun möchte ich mich an Sie, Herr Kollege Ollesch, wegen Ihres Hinweises auf einen Kollegen meiner Fraktion, Herrn Klepsch, wenden. Ich bin nicht der Meinung, daß es hier um das Problem der gegenseitigen Aufrechnung geht, wenn wir sagen: Dieses Redit muß nach allen Seiten gewahrt werden. Es geht um das Problem der Glaubhaftigkeit und darum, daß wir unglaubhaft werden, wenn wir dieses Recht nur nach der einen Seite wahren und womöglich dort nicht wahren, wo es gefährlich werden könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)

Ich erlaube mir, darauf zu verweisen — vielleicht ist das ein wenig eine peinliche Angelegenheit —, daß hier heute eine andere Aktualität angesprochen werden müßte. Sie, Herr Kollege Ollesch, haben vom Abbruch diplomatischer Beziehungen gesprochen. Anderswo sprechen wir heute von der Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

(Sehr gut! rechts.)

Ich habe mir vor einigen Monaten erlaubt, von hier aus den Herrn Justizminister zu fragen, wie es denn mit der Wahrung der Souveränitätsrechte im Falle des jugoslawischen Konsuls Milanovitsch steht, der im Falle Gereta Mordaufträge gegeben hat. Mir wurde damals gesagt, man müsse erst das Urteil abwarten. Ich erlaube mir, zu fragen, wie es im Falle des Jugoslawen Simundcicz steht, der vor einigen Wochen auf dem Boden der Bundesrepublik erschossen wurde. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß aus der Gerichtsverhandlung im Fall Goreta hervorgegangen ist, daß der jugoslawische Geheimdienst hier nicht nur als Spionagedienst, sondern sozusagen auch als Mordexekutive im Zusammenhang mit den auch für die andere Seite bedauerlichen Auseinandersetzungen vielleicht mit den Kroaten, funktioniert.

(Abg. Dorn: Was hat die Bundesregierung denn getan?)

Ich erlaube mir, noch an einen der erschütterndsten Fälle zu erinnern, der auf dem Boden der Bundesrepublik stattgefunden hat,

(Zuruf von der CDU/CSU: Stachinsky!)

wo ein russischer Agent, der übergelaufen ist und uns davon Mitteilung machte, im Auftrage der sowjetischen Regierung zwei Jahre lang eingeschult wurde, um mit einer Giftpistole in München den Führer der Ukrainer, Bandera, nachdem er ihn monatelang beobachtet hatte, meuchlerisch zu ermorden.
Ich erlaube mir von hier aus die Frage: Was hat die Bundesregierung im Fall Argoud, was hat die Bundesregierung im Fall Goreta, was die Bundesregierung im Fall Bandera getan, wo feststeht, daß der gleiche Stachinsky von einem Mitglied der sowjetischen Führungsequipe, von Herrn Scheljepin, noch einen Orden für seine Mordtat bekam?
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn wir heute dieses Thema aufgreifen, sollten wir aus allen Fraktionen unterstreichen, was vielfach gemacht wurde: Wir sind aufgerufen, das Recht auf Souveränität und die Menschenrechte gegenüber jeder Seite zu wahren. Ganz gleich, von welcher Seite aus das Recht verletzt wird, haben wir ein klares und eindeutiges Wort ohne Rücksicht auf tagespolitische Gegebenheiten und ohne Rücksicht auf Opportunitäten des Alltags zu sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514322200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neumann (Berlin).
7386 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967

Franz Neumann (SPD):
Rede ID: ID0514322300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen meines Kollegen Konrad Porzner wollte ich an sich auf meine Wortmeldung verzichten. Er hat in konzentriertester Form das gesagt, was auch im wesentlichen meiner Meinung entspricht.
Ich komme aus einem Lande, in dem der Menschenraub viele Jahre lang auf der Tagesordnung stand. Von der Verschleppung des Kommandeurs der Berliner Schutzpolizei, Polizeimajor Karl Heinrich, am 2. August 1945 aus dem Zimmer des kommunistischen Polizeipräsidenten Markgraf bis zur Entführung — der bekanntesten Entführung — des Herrn Dr. Linse sind Hunderte und aber Hunderte von Fällen von Menschenraub zu verzeichnen gewesen. Wir haben immer einmütig gegen diese Vorgänge protestiert und niemals einem anderen von uns irgendwelche Schuld in die Schuhe geschoben. Meine Damen und Herren von der heutigen Opposition, ich würde das an Ihrer Stelle auch heute nicht tun;

(Sehr gut! in der Mitte)

denn der Schönheitsfehler Ihrer Kritik ist, daß Sie als Beteiligte an der Bundesregierung im Fall Argoud einer Lösung zugestimmt haben, die für mich heute noch unhaltbar ist.

(Abg. Dorn: Das stimmt doch nicht!) — Das stimmt leider.


(Anhaltender Widerspruch bei der FDP.)

Ich bin in den Sitzungen gewesen, in denen Ihre
Vertreter nichts gegen das gesagt haben, was dort
von der Bundesregierung vorgetragen worden ist.
Ich möchte nur noch das eine sagen: es hat gar keinen Sinn, in dieser Art und Weise, wie es von Frau Dr. Diemer Nicolaus begonnen und dann von Ihnen fortgesetzt wurde, weiter zu verfahren. Für mich steht doch das eine fest: das Haus ist sich einig in der Feststellung des Unrechts. Vor einem Dutzend Jahren habe ich in Berlin in einer Rede einmal das gesagt, was uns doch alle hier einigt: Unrecht bleibt Unrecht, gleichviel wer es begeht.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)

Das ist unsere gemeinsame Auffassung. Das ist der Wille des Deutschen Bundestages, der hier ganz klar zum Ausdruck gekommen ist.
Ich hörte, daß ich der letzte Redner bin, und möchte infolgedessen sagen, daß diese Debatte abgeschlossen werden sollte mit der Feststellung: der Deutsche Bundestag ist sich in meiner letzten Feststellung einig, und die Bundesregierung sollte beauftragt werden, alles zu tun, um den Willen des Bundestages zu verwirklichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514322400
Ihre Annahme, Sie seien der letzte Redner, ist nicht richtig. Jetzt kommt der Herr Kollege Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0514322500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, festzustellen, daß wir in der Verurteilung des Menschenraubes einig sind. Aber die Debatte hat sehr deutlich gezeigt, daß wir offensichtlich mit der Bundesregierung nicht einig sind über die Schnelligkeit der Handlungen unserer Bundesregierung in dieser Frage. Das ist doch der entscheidende Punkt, der hier zur Debatte stand.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der Mitte.)

Wenn hier mit Recht darauf hingewiesen worden ist, welche bedauerlichen Fälle von Menschenraub in den letzten Jahren in der Bundesrepublik und in West-Berlin vorgekommen sind, dann war auch immer sofort der Protest des ganzen Hauses, auch in aller Öffentlichkeit, vorhanden. Wir haben aber auch einige Fälle genannt bekommen, in denen die Aburteilung hier in der Bundesrepublik erfolgt ist. Das ist doch der wesentliche Unterschied. Wenn jemand hier Verbrechen begeht, dann haben wir hier zu urteilen; dann dürfen sie nicht gekidnappt werden. Was ist das überhaupt für eine Methode, das zu verteidigen oder auch nur den Anschein einer Verteidigung zu erwecken, wie das hier zum Teil durch Zwischenrufe geschehen ist!

(Beifall bei der FDP.)

Zu Beginn der Fragestunde ist davon gesprochen worden, welche Fehlbeurteilung der Bundesrepublik im Ausland erfolgt und wie wir uns dagegen wehren können. Wir können uns gegen diese Fehlbeurteilung aus der Vergangenheit nur wehren, wenn wir immer und zu jeder Zeit .den Mut haben, den Rechtsstandpunkt, unsere Grundrechte gegen jedermann zu verteidigen ohne Rücksicht auf Bündnisse, oder was es ,da sonst geben sollte.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Killat: Das ist keine Sache des Mutes, sondern der Pflicht!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514322600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kopf.

Dr. Hermann Kopf (CDU):
Rede ID: ID0514322700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus ist sich in gewissen Grundüberzeugungen einig: in der Überzeugung, daß Menschenraub eine Verletzung der Menschenrechte darstellt, die überall, an jedem Ort und gegenüber jedem Täter der Mißbilligung und der Verurteilung bedarf. Unser Haus ist sich ferner in der Überzeugung einig, daß die Tätigkeit von Geheimdiensten in Deutschland unerwünscht ist; es bedarf einer sorgfältigen Prüfung, in welcher Weise die Tätigkeit von Geheimdiensten in unserem Land unterbunden werden kann. Unser Haus ist sich schließlich auch darin einig, daß die Bundesregierung alles tun soll, um die Freiheit und das Leben der verschleppten Südkoreaner zu retten. In allen diesen Punkten sind wir einig.
Eine andere Seite der Angelegenheit ist aber in der Frage zu erblicken, ob die Antragsteller mit Recht an der Haltung der Bundesregierung Kritik geübt haben. Da bin ich allerdings der Meinung, daß diese Kritik unberechtigt war.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7387
Dr. Kopf
Diese Kritik hat sich gegen den Herrn Staatssekretär Jahn gerichtet, der nicht meiner Fraktion angehört. Ich muß hier erklären: Jedermann, der einigermaßen Einblick in die Arbeitslast des Auswärtigen Amtes hat und der weiß, daß in diesen Tagen nicht nur der Außenminister, sondern auch beide Staatssekretäre aus dienstlichen Gründen von Bonn abwesend sein müssen, muß erkennen, daß der Staatssekretär Jahn mit einer derartigen Arbeitslast zugedeckt ist, daß die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben worden sind, sachlich unbegründet sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mertes: Gegen die Bundesregierung, nicht gegen Herrn Jahn!)

Von Frau Kollegin Diemer-Nicolaus ist hier das Asylrecht erwähnt worden. Dieser Punkt ist bereits richtiggestellt worden. Die Südkoreaner, die sich bei uns betätigt haben — in welcher Weise sie sich betätigt haben, bedarf noch der Aufklärung —, haben kein Asylrecht besessen, weil sie kein Asylrecht in Anspruch genommen haben und weil uns gar nicht bekannt gewesen ist, daß sie aus irgendwelchen politischen oder Zwangsgründen ihr Heimatland verlassen haben.
Dann ist weiter die Frage aufgeworfen worden — nicht nur als eine Frage, sondern das. klang vielleicht mehr als ein Antrag —, die Bundesregierung solle in Erwägung ziehen, die diplomatischen Beziehungen mit Korea abzubrechen. Nun ist unser Gedächtnis vielleicht etwas kurzlebig. Dennoch möchte ich die Frage stellen, ob die Freie Demokratische Partei bei der Erörterung des Falles Argoud jemals die Meinung vertreten hat, die Bundesrepublik solle wegen des Falles Argoud die Beziehungen zu Frankreich abbrechen. Ich kann mich daran nicht erinnern.
Aber etwas anderes! Es ist vielleicht der Aufmerksamkeit der Kritiker entgangen, daß Entführungen von Südkoreanern nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen europäischen Ländern, auch in Frankreich, stattgefunden haben. Ich habe der französischen Presse entnommen, daß auch sie mit wacher Aufmerksamkeit das Schicksal der aus Frankreich entführten Südkoreaner verfolgt, die bis zum heutigen Tage nicht zurückgestellt worden sind und, soweit mir bekannt ist, jetzt gleichfalls Gerichtsverfahren unterworfen werden. Ich habe aber in der ganzen französischen Presse aller Richtungen keine einzige Andeutung und keinen Hinweis darauf gefunden, daß Frankreich in Erwägung ziehen solle, wegen der Korea-Affäre die diplomatischen Beziehungen zu Südkorea abzubrechen. Ich bin überzeugt, daß Frankreich von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen wird.
Schließlich ist ein Punkt unerörtert geblieben, aber auch das sollte ausgesprochen werden. Wir sind ein liberales Land. Gerade die Freie Demokratische Partei legt ganz besonders Wert darauf, eine liberale Partei zu sein. Weil wir ein so liberales Land sind, verlangen wir bedingungslos die Rückstellung der unter Verletzung der Menschenrechte verschleppten Südkoreaner. Wir würden sie sogar dann verlangen, wenn eine nähere Aufklärung Anhaltspunkte dafür ergeben würde, daß diese Südkoreaner sich in Deutschland in einer nachteiligen Weise betätigt haben. Es ist bisher gar nicht erörtert worden, wie die wirkliche Tätigkeit dieser Leute gewesen ist. Natürlich sind sie ihrem bürgerlichen Beruf nachgegangen. Aber die südkoreanische Regierung, versicherte uns, daß sie Agenten gewesen seien für ein kommunistisches Land. Waren sie das, oder waren sie das nicht? Und für wen haben sie agiert, und gegen wen haben sie agiert? Das alles sind Fragen, die der Aufklärung bedürfen. Aber weil wir ein so liberales Land sind und in dieser Liberalität von keiner Fraktion dieses Hauses übertroffen werden können,

(Lachen und Zurufe von der FDP)

lassen wir den Gesichtspunkt vollkommen im Hintergrund, daß diese Fragen der Aufklärung bedürfen. Unbeschadet dieser Aufklärung verlangen wir die Rückstellung der zu Unrecht verbrachten Südkoreaner.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir werden die Bemühungen unserer Regierung,
diese Forderung durchzusetzen, auch von seiten
des Parlaments mit allem Nachdruck unterstützen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514322800
Die Aktuelle Stunde ist vorbei.

(Zuruf.)

— Sie erinnern mich daran, daß die Regierung auch noch ,etwas sagen will. Die Regierung bekommt ,das Wort nicht mehr in der Aktuellen Stunde, sondern nach Art. 43 des Grundgesetzes. Das ist etwas anderes. Ich kann die Aktuelle Stunde nicht nach Belieben verlängern.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514322900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Genscher hat gemeint, ich solle ihm dankbar sein. Ich bin nicht undankbar. Aber ich muß mich doch in aller Form gegen eine Methode der Diskussion verwahren, die er heute, leider nicht zum ersten Male, angewandt hat, indem er behauptet, ich hätte etwas gesagt, was ich gar nicht gesagt habe. Ich habe hier nicht erklärt, daß sich den Bericht nicht gelesen hätte; ich habe diesen Bericht gelesen. So haben Sie es aber hier behauptet, Herr Kollege Genscher. Vielmehr habe ich lediglich gesagt: das Auswärtige Amt hat einen Bericht, den es vorgestern abend erst bekommen hat, noch nicht zu Ende geprüft. Das ist etwas anderes.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Der Vorwurf, es sei ungehörig — oder wie Sie es genannt haben —, in Unkenntnis des Berichts vor dieses Haus zu treten, ist einfach eine willkürliche Unterstellung, die ich zurückweise.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

7388 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Kollege Genscher, ich weiß, es ist manchmal ein bißchen schwierig mit der Opposition. Aber so billig sollten Sie es sich auch nicht machen.

(Widerspruch bei der FDP.— Zuruf rechts: Das ist keine Begründung!)

Ich habe leider noch eine andere Behauptung zurückzuweisen, nämlich die des Kollegen Porzner, der gesagt hat, ich solle nicht von Abreise sprechen.

(Beifall links.)

Ich habe nicht von Abreise gesprochen, Herr Kollege Porzner. Ich habe leider Anlaß dazu, mir sehr sorgfältig zu überlegen, welchen Ausdruck ich für den Tatbestand gebrauche, der die Grundlage der Diskussion bildet. Ich sage deshalb wiederholt — ich wiederhole es jetzt noch einmal —, daß diese Koreaner aus dem Gebiet der Bundesrepublik verbracht worden sind. Das ist etwas anderes als Abreise. Ich werde mich sehr hüten, dieses Wort zu gebrauchen.
Nun möchte ich für die Bundesregierung folgendes sagen. Ich glaube, daß diese Diskussion für die Bundesregierung, ja für die Bundesrepublik überhaupt außerordentlich wichtig gewesen ist. Sie hat zum Ausdruck gebracht, daß nicht nur die Bundesregierung im Wege des üblichen diplomatischen Verkehrs ihre Auffassung zum Ausdruck bringt, sondern daß dem auch in der Freiheit des Parlaments Unterstützung und Nachdruck verliehen wird. Ich bin sicher, daß diese Diskussion auch denjenigen auf der Seite der koreanischen Regierung, die bisher vielleicht die Neigung hatten, diese Auseinandersetzung weniger ernst zu nehmen, den Ernst, die Sorge, aber auch die begründete Empörung über die Vorgänge hinreichend 'deutlich gemacht hat.
Deshalb, weil die Bundesregierung in Übereinstimmung mit diesem Hause die Verletzung unserer Grundrechte und unserer Souveränitätsrechte als so außerordentlich schwerwiegend ansieht, handelt sie seit Anbeginn dieser Affäre unverändert beharrlich .im Rahmen der Möglichkeiten, die ihr gegeben sind. Herr Kollege Müller, ich möchte Ihnen hier in aller Deutlichkeit sagen: Ich denke gar nicht daran, 'in dieser Frage irgendwelche Kompromisse einzugehen. Nur, die Bekräftigung des übereinstimmenden Willens ist eine Sache, die Klärung der Frage, mit welchen Methoden man zum Ziele kommt, ist eine andere Sache.

(Abg. Dr. Pohle: Sehr wahr!)

Muß ich den verehrten Kolleginnen und Kollegen der FDP an dieser Stelle wirklich sagen, daß es im Völkerrecht leider häufig so ist, daß man nicht so stark sein kann, wie man gern möchte? Allein dieser Umstand hat mich zu der wiederholten Bitte veranlaßt, über alle Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art im einzelnen im Ausschuß berichten zu können.
Herr Kollege Mischnick hat zum Schluß der Debatte die Auseinandersetzung sehr herabgemindert und gesagt, eigentlich gehe es nur um die Frage der Schnelligkeit des Handelns der Regierung. Ich glaube nicht, daß der Eindruck erweckt wurde, wir verteidigten in irgendeiner Form diese Handlungen. Niemand denkt daran, so etwas zu verteidigen. Aber, Herr Kollege Mischnick, ich darf Sie auf folgendes hinweisen. Die aus der Bundesrepublik herausgebrachten koreanischen Bürger sind in der Zeit zwischen dem 18. und dem 29. Juni 1967 herausgebracht worden. Die erste, an Klarheit völlig einwandfreie Note der Bundesregierung stammt vom 13. Juli, erging also ganze zwei Wochen danach. Angesichts dieser Tatsache halte ich jedenfalls Ihren Vorwurf, die Bundesregierung habe unangemessen gezögert oder zuviel Zeit verstreichen lassen, für ungerechtfertigt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesregierung hat sofort gehandelt, als es notwendig war. Sie hat im Laufe der weiteren Entwicklung wiederholt unmißverständlich ihren Willen bekräftigt, den ich jetzt abschließend noch einmal wie folgt zusammenfasse.
Die Bundesregierung hält fest an ihrem Verlangen auf Rückführung sämtlicher Bürger Koreas, die in der Bundesrepublik Gastrecht genossen haben. Wir müssen die Frage der Durchsetzbarkeit klären. Dazu wird, so hoffe ich, morgen Gelegenheit gegeben sein. Die Bundesregierung wird — auch das wiederhole ich — alle denkbaren Konsequenzen weiterhin als im Bereich der möglichen und vielleicht notwendigen Reaktionen ansehen. Sie wird jedenfalls unverändert alles tun, was ihr möglich ist, um nicht nur die Souveränität, sondern auch die Grundrechte für diejenigen zu wahren, die in unserem Lande Gastrecht genießen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514323000
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß wir uns vor einer interessanten geschäftsordnungsmäßigen Variante befinden, mit der es das Haus bisher noch nicht zu tun hatte. Ich werde jetzt das Wort gemäß § 48 Abs. 1 der Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Zoglmann geben. Für die Herren, die an der Geschäftsordnung besonders interessiert sind, mache ich noch darauf aufmerksam, daß die Geschäftsordnung zwingend vorschreibt: Die Dauer der Aussprache in der Aktuellen Stunde ist auf eine Stunde beschränkt. So weit, so gut. Deshalb haben wir hier nach einer Stunde mit der Aussprache Schluß gemacht. Aber natürlich hebt diese Bestimmung der Geschäftsordnung Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht auf, und dort heißt es, daß Mitglieder des Bundesrates und der Bundesregierung jederzeit gehört werden müssen. Wenn diese aber von der Möglichkeit des Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes Gebrauch machen, setzt wiederum § 48 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung ein, und da heißt es:
Ergreift nach Schluß der Beratung
— d. h. hier also nach Schluß der Aktuellen Stunde —
oder nach Ablauf der beschlossenen Redezeit
ein Mitglied oder Beauftragter der Bundes-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7389
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
regierung oder des Bundesrates zu dem Gegenstand das Wort, so ist die Beratung wieder eröffnet.

(Abg. Rasner: Zur Geschäftsordnung!)

Daraufhin gebe ich jetzt Herrn Abgeordneten Zoglmann das Wort.

(Abg. Rasner: Zur Geschäftsordnung!)

— Herr Kollege Rasner, ich überlege, ob ich in diesem Fall das Wort zur Geschäftsordnung geben soll; denn wir müssen ja auch noch zur Tagesordnung kommen. — Also, Herr Zoglmann!

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0514323100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen hier ohne Leidenschaft noch einige wenige Sätze sagen.
Zunächst einmal zu der Frage, Herr Staatssekretär, die der Kollege Genscher angeschnitten hat. Selbstverständlich haben Sie gesagt, daß Sie diesen Bericht, der erst vorgestern abend im Auswärtigen Amt eingetroffen ist, bisher nicht prüfen konnten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er so nicht gesagt!)

— Entschuldigen Sie, genauso hat er es gesagt. Wir können es anschließend nachlesen. Außerdem hat er es hier genauso wiederholt.

(Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

Er hat eine Unterscheidung gemacht zwischen „nicht prüfen" und „nicht lesen". Meine Damen und Herren, im Effekt kommt es auf das gleiche hinaus. Denn dieses Haus hat ein Recht darauf, daß, wenn hier ein so wichtiges Thema erörtert wird, der legitimierte Vertreter der Regierung den Sachverhalt vollinformiert darzustellen in der Lage ist.

(Beifall bei der FDP.)

Wenn er selber aus Gründen, die der Kollege Kopf ausgeführt hat, dazu nicht in der Lage ist, dann steht ihm dazu ein Apparat zur Verfügung. Wie wir alle wissen, ist der Apparat des Auswärtigen Amts sehr umfangreich, und es wäre doch wirklich ein sehr, sehr bitteres Armutszeugnis,

(Zuruf von der SPD: Halten Sie sich doch daran nicht fest!)

wenn im Auswärtigen Amt in der Zeit seit vorgestern abend in einer Sache, von der man weiß, wie dringlich sie ist — sowohl hinsichtlich der Betroffenen in Korea als auch hinsichtlich der anstehenden Diskussion hier — nicht eine entsprechende Prüfung hätte erfolgen können. Hier bleibt dann also der Vorwurf voll auf dem Apparat des Auswärtigen Amts hängen. Herr Kollege Jahn, damit müssen Sie sich auseinandersetzen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Zwischen Vorwurf und Berechtigung ist natürlich auch noch ein Unterschied!)

Sie haben gesagt, diese Leute hätten nicht um Asyl gebeten. Wenn Sie das so vortragen, wie Sie das vorgetragen haben, wird unterschwellig der Eindruck erweckt — was Herr Kollege Porzner dann auch sehr richtig dargestellt hat —, die Betreffenden seien freiwillig abgereist. So ist es nicht! Diese Leute sind, wie Sie selber zugeben mußten, mit Gewalt aus Deutschland verbracht worden. Die Gründe, warum sie während dieses Vorgangs nicht mehr den normalen Asylrechtsantrag stellen konnten, wollen wir hier doch nicht mehr erörtern; wo kämen wir da hin!
Das Dritte — und das scheint mir das Wesentlichste zu sein —: Bei der Auseinandersetzung um die Dinge, die hier erörtert worden sind, handelt es sich doch einfach um die Darstellung eines moralischen Standpunkts. Der Kollege Becher hat sehr deutlich gesagt, daß hier ein Unterschied zwischen dem einen und dem anderen nicht vertretbar ist. Hier geht es nicht um eine Unterscheidung — wie das jetzt auch in dem Diskussionsbeitrag des Kollegen Kopf anklang —: Das waren vielleicht Leute, die mit dem Kommunismus sympathisierten, daher
— — ! — Meine Damen und Herren, so geht das schlicht und einfach nicht.

(Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Auch das gehört zum Tatbestand!)

— So geht das nicht, Herr Kollege Schmidt. Dann könnte man auch den Fall Argoud nach der einen oder anderen Seite ausdeuten. Hier geht es schlicht und einfach um die Tatsache, daß Leute mit Gewalt aus dem Gebiet der Bundesrepublik verbracht worden sind, daß dies den Tatbestand des Menschenraubs — den es mit verschiedenen Abstufungen gibt — erfüllt und daß wir alle in diesem Hause zu diesem Tatbestand nur eine eindeutige und klare Stellungnahme abgeben können.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514323200
Keine weiteren Wortmeldungen.

(Zurufe: Doch!)

— Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514323300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß das Hohe Haus um Nachsicht dafür bitten, daß die Bemerkungen des Herrn Kollegen Zoglmann mich zwingen, hier noch einmal herzugehen. Ich muß noch einmal richtigstellen. Die schriftlich vorbereitete und von mir wörtlich so vorgetragene Antwort auf die erste Frage des Kollegen Dorn lautet: „Ja. Dieser Bericht ist am 11. Dezember abends, also vorgestern abend, eingegangen. Er wird zur Zeit geprüft." Ich muß in diesem Falle ganz ausdrücklich jeden Vorwurf einer nachlässigen oder verzögerlichen Behandlung dieses Vorgangs durch die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes zurückweisen. Ich glaube, daß ein so schwieriger Vorgang, ein so umfangreicher Vorgang eine angemessene Prüfungszeit wohl erfordern darf

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und nach knapp 24 Stunden Vorwürfe der Art, wie Sie sie hier erhoben haben, Herr Kollege Zoglmann, einfach ungerechtfertigt sind.
7390 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Hinsichtlich des Asylrechtes muß ich noch einmal erklären, daß die Gelegenheit dazu, es geltend zu machen, vorhanden ,gewesen ist und die Art und Weise, wie Frau Kollegin Diemer-Nicolaus die Dinge hier aufgegriffen hat, von mir nicht akzeptiert werden kann, — aufgegriffen in der Weise, als sei auf dem Gebiete der Gewährung des Asylrechts von der Bundesregierung oder irgendeiner deutschen Stelle auch nur ,das mindeste unterlassen worden.
Diese beiden Klarstellungen schienen mir notwendig zu sein.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514323400
Meine Damen und Herren, keine Wortmeldungen zur Sache mehr. Zur Geschäftsordnung gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0514323500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident, Sie haben das Recht, im Einzelfall die Geschäftsordnung 'auszulegen; Sie haben entschieden, und ich werde Ihre Entscheidung nicht bezweifeln. Aber es gibt in dieser Angelegenheit eine grundsätzliche Sache. § 48 Abs. 1 haben Sie, Herr Präsident, angezogen. Ich will das Haus nicht mit einer langen Geschäftsordnungsdebatte langweilen. Aber ich bin der Meinung, daß § 48 Abs. 1 an sich nicht angezogen werden kann. Bei .der Aktuellen Stunde handelt es sich nicht um eine Beratung im Sinne des § 48 Abs. 1 der Geschäftsordnung, um einen Beratungspunkt, der auf der Tagesordnung steht — um ein paar Kriterien für eine Beratung zu nennen —, sondern um die Aktuelle Stunde.
§ 48 Abs. 3 bestimmt: „Ergreift ein Mitglied oder Beauftragter der Bundesregierung oder des Bundesrates das Wort außerhalb ,der Tagesordnung, so wird auf Verlangen von 30 anwesenden Abgeordneten +die Beratung über seine Ausführungen eröffnet. ..." Das ist unbestritten. Nach meinem Gefühl hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von seinen Möglichkeiten nach § 48 Abs. 3 Gebrauch gemacht, und infolgedessen war darüber selbstverständlich auch eine Debatte zu führen.
Ich möchte aber nicht gern, Herr Präsident, daß wir bei der Institution der Aktuellen Stunde, die das ganze Haus sehr einvernehmlich und nach meiner Meinung sehr vernünftig und praktikabel geschaffen hat, durch die Anwendung des § 48 Abs. 1 unter Umständen in eine schwierige Situation kommen. Ich würde vorschlagen, Herr Präsident — da wir hier ja keine kontroverse Debatte führen wollen —, diesen Punkt einmal im Geschäftsordnungsausschuß zur Beratung zu stellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514323600
Ich werde darauf zurückkommen, Herr Abgeordneter.
Zunächst hat das Wort zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514323700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde mit Unterstützung von 30 Mitgliedern des Hauses ist ein Minderheitsrecht, das die Aktuelle Stunde zum Tagesordnungspunkt macht. Deshalb hat der Herr Staatssekretär, indem er zum Thema der Aktuellen Stunde das Wort ergriffen hat, zur Tagesordnung das Wort ergriffen. § 48 Abs. 3 GO kann deshalb nicht gelten, sondern es ist richtig, wie der Herr Präsident es hier ausgelegt hat; ohne daß ich damit eine Meinung des Herrn Präsidenten bewerten möchte.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514323800
Meine Damen und Herren! Das ist eine ganz interessante Sache. Wir wollen jetzt darüber keine längere Geschäftsordnungsdebatte führen. Man kann die Einwände des Herrn Abgeordneten Rasner gelten lassen: Man könnte sagen, sie wären zwingend für den Präsidenten, wenn das, was der Kollege Rasner gesagt hat, in der Anlage 6 ausdrücklich festgestellt worden wäre. Das hat das Haus nicht getan. Ich möchte meinerseits nicht empfehlen, diese Beschränkung, die sich aus Ihren Darlegungen ergeben würde, in die Anlage 6 aufzunehmen. Warum? Weil es in diesem Hause nicht so sein sollte, daß, wenn der nach der Verfassung ohnehin mit Vorzugsrechten ausgestattete Vertreter oder Beauftragte der Bundesregierung oder des Bundesrates das Wort ergreift, das Haus, wenn es dazu spontan antworten will, erst noch wiederum einer Sperrbestimmung unterworfen wird, daß es erst abstimmen muß, ob 30 dafür sind. Man sollte hier die Spontaneität der Einlassung dem Hause gewährleisten und nicht nach dem Grundsatz verfahren: Roma locuta, causa finita.

(Beifall bei der FDP.)

So soll es doch in diesem Hause nicht sein. Deshalb habe ich so entschieden, und zwar nicht nur nach § 128. Aber wie gesagt, der Geschäftsordnungsausschuß soll darüber nachdenken und dann seine Meinung sagen.
Jetzt geht es weiter. Wir kommen zu Punkt 2 unserer gedruckten Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Wörner, Dr. Häfele, Baron von Wrangel, Dichgans, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. Stark (Nürtingen) und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache V/2343 —
Ich frage, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Dr. Wörner hat das Wort zur Begründung.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0514323900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diesem Antrag hätte wirklich nichts Besseres passieren können, als daß er ausgerechnet und ohne daß das beabsichtigt war, im Anschluß an eine Aktuelle Stunde dieses Parlaments zur Beratung kommt.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Denn wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte,
daß die Motive der Antragsteller zutreffen, dann
wäre dieser Beweis jetzt in der Aktuellen Stunde
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7391
Dr. Wörner
geliefert worden. Ich kann mir einen großen Teil meiner Begründung sparen, indem ich Ihnen sage: Mit diesem Antrag wollen wir genau das erreichen, was sich in der vergangenen Stunde hier abgespielt hat. Wir wollen, daß hier freier geredet wird, wir wollen, daß hier kürzer geredet wird, wir wollen, daß hier an die Stelle des Monologs der Dialog tritt, und wir wollen so, wie das geschehen ist, daß Rede und Gegenrede, Argumente und Gegenargumente im lebhaften Austausch und spontan vor sich gehen. Das ist der Sinn all dieses Drängens nach einer geschäftsordnungsmäßigen Reform in ,der Arbeit dieses Hauses. Wir wollen, daß es hier etwas lebendiger wird, genauso, wie wir es jetzt erlebt haben. Das kann man natürlich nicht nur mit diesen Maßnahmen erreichen, das wissen wir auch, aber — —

(Abg. Moersch: Mit Köpfen vor allem!)

— Natürlich, Herr Moersch, dieser Antrag soll die
Köpfe der Abgeordneten nicht überflüssig machen,
wie Sie der Lektüre dieses Antrages sehr schnell entnehmen werden, wenn Sie sich darum bemühen. Das ist ganz klar; aber man sollte auch die Möglichkeiten der Geschäftsordnung nicht unterschätzen. Deswegen haben wir in unserem Antrag zwei Punkte herausgegriffen, und ich darf zur Begründung ganz kurz folgendes sagen.
Der Punkt 1, daß bei kurzen Reden vom Mikrofon aus gesprochen werden kann, scheint uns längst überfällig zu sein.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Als Beweis möchte ich Ihnen die Debatte über das Finanzänderungsgesetz am letzten Freitag in Erinnerung rufen, wo der Herr Kollege Spitzmüller von der FDP, der häufig zur Begründung das Wort nehmen mußte, sich im Dauerlauf fortwährend auf dem Wege zum und vom Mikrofon befand.

(Abg. Moersch: Er ist ein sehr schneller Läufer! — Heiterkeit.)

— Ja, Herr Spitzmüller hat zwar auf diesem Sektor leichtathletische Erfolge erzielt; aber dieses Haus ist nun einmal — das sage ich trotz meiner Vorliebe für den Sport — keine Sportstätte, sondern ein Platz für Auseinandersetzungen in Rede und Gegenrede.

(Beifall und Heiterkeit.)

Ich meine, wir sollten dazu übergehen, mehr vom Mikrofon aus zu sprechen, wobei ich Ihnen zugebe, daß die Anlage dieses Hauses dazu nicht gerade übermäßig geeignet ist. — Weiteres will ich mir dazu ersparen.
Punkt 2: der Vorrang der Kurzrede. Wir wollen, daß ein Vorrang der Kurzrede statuiert wird, um damit die Rednerzeit abzukürzen.
Ich will ganz kurz auf die Einwände eingehen. Es wird uns entgegengehalten, das sei nicht praktikabel, das führe zu einem Chaos oder führe dazu, daß man dann im Wege der Kurzrede alle vernünftigen Ausführungen blockieren könne. Meine Damen und Herren, wir nehmen diese Einwände ernst, und es mag sich herausstellen, daß dem so ist. Ich bin der
Meinung, wir werden das ganz von allein, nämlich durch das Spiel der Fraktionen untereinander, so regulieren können und regulieren, daß daraus keine Gefahr für den Geschäftsablauf entsteht. Ich meine also, es wird sich herausstellen, daß das praktikabel ist. Sollte es nicht praktikabel sein — wer hindert uns, es dann wieder herauszunehmen? Gerade in Fragen der Geschäftsordnung brauchen wir auch ein bißchen mehr Mut zum Versuch, ein bißchen mehr Mut zum Risiko. Ich bin der Meinung, es kann uns nicht schaden, wenn wir es damit versuchen.
Ich will aber ebenso klarmachen: Wir sitzen nicht auf diesem Vorschlag. Wenn andere praktikablere, bessere Vorschläge gebracht werden, die den Ablauf der Debatten etwas flüssiger und lebendiger gestalten, sind wir die Letzten, die einfach deswegen, weil wir hier ein Urheberrecht beanspruchen würden, auf dem Vorschlag bestehen. Sie sind aufgefordert, bessere Vorschläge zu bringen.
Noch ein Letztes. Ich verstehe, wenn die Opposition bei unserem Drängen auf die Kürze der Rede und auf die freie Rede gewisse Bedenken anmeldet, aber, meine Damen und Herren von der FDP, nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, uns geht es ja wirklich als Letztes darum, die Rechte der Opposition zu beschneiden, sondern es geht uns ganz im Gegenteil darum, die Debatten lebendiger zu machen, den Austausch von Argumenten anzureizen und damit auch Ihr Recht zu respektieren. Ich will Ihnen ganz klar sagen: Wir sollten uns eben daran gewöhnen, meine Damen und Herren, daß nicht einer alles sagt, sondern daß eben mehrere etwas sagen und etwas zu sagen haben.

(Beifall in der Mitte.)

Ich meine — damit will ich schließen —, wir alle müssen besorgt sein und sind auch besorgt um das Ansehen dieses Hauses. Ich glaube, wir sind in einer Situation, wo wir einen gewissen Autoritätsschwund auch dieses Hauses erleben. Es könnte der Autorität und dem Ansehen dieses Hauses nur nützlich sein, wenn sich mehr solche Debatten abspielten, wie wir sie in der vergangenen Stunde gehabt haben.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514324000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514324100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der vorangegangenen Aktuellen Stunde kann man genau den gegenteiligen Schluß von dem, den der Kollege Dr. Wörner soeben gezogen hat, für die Geschäftsordnung ziehen, daß das Haus nämlich ohne jede Geschäftsordnungsänderung sehr lebendig sein kann, wenn es der Gegenstand erfordert und

(Abg. Rösing: Aktuelle Stunde!)

— eben, Herr Rösing — wenn es bereit ist, überhaupt zu solchen Aktuellen Stunden zu kommen und beizutragen. Nun ist das Merkwürdige an dem Lob des Herrn Dr. Wörner für die Aktuelle Stunde, daß ich mich nicht erinnern kann, daß er jemals der Initiator einer solchen Aktuellen Stunde gewesen wäre,
7392 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Moersch
wo er dann Gelegenheit gehabt hätte, sein Talent zur freien Rede hier zu prüfen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch nicht der Sinn! — Abg. Müller [Berlin] : Das ist doch kein Seminar hier!)

— Ach Herr Müller, ob das ein Seminar ist oder nicht, steht doch nicht zur Debatte. Hier steht zur Debatte, daß Sie einen Antrag stellen, der in der Geschäftsordnung bestimmte Regeln festlegen will, die nach meiner Meinung nicht notwendig festgelegt werden müssen, weil es auch mit der bisherigen Geschäftsordnung ganz gut geht, wenn man will. Darauf kommt es nämlich an.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514324200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514324300
Bitte schön!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514324400
Herr Abgeordneter Dr. Wörner!

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0514324500
Herr Kollege Moersch, sind Sie der Meinung, daß alle Gegenstände, die wir hier diskutieren, angefangen von der Verteidigungspolitik bis hin zur Außenpolitik — ich erinnere an die Diskussionen der letzten Woche —, geeignet sind, in Form einer Akutellen Stunde abgehandelt zu werden?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514324600
Das habe sich doch nie 'behauptet, Herr Dr. Wörner.

(Zuruf von der CDU/CSU: Indirekt!)

— Ach nein! Das hängt doch damit zusammen, daß, wenn die Fraktionen in sich selbst mehr Demokratie pflegen, dann auch die Kollegen mehr zu Wort kommen, die hier ebenfalls zu Wort kommen möchten, und nicht nur die Paschas, die das Recht haben, so lange zu sprechen, daß Sie als jüngere Abgeordnete nicht mehr drankommen.

(Beifall bei der FDP.)

Das ist doch Ihr Problem, daß Sie uns hier in Form eines Geschäftsordnungsantrages vorlegen. Das ist Ihr .fraktionsinternes Problem, mit dem Sie hier die Geschäftsordnung belästigen, um das einmal so deutlich zu sagen.

(Widerspruch in der Mitte.)

— Natürlich, keine andere Frage steht doch dahinter.
Herr Rasner, bitte!

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0514324700
Herr Kollege, Sie haben eben von ,den „Paschas" in den Fraktionen gesprochen. Sind Sie nicht, obwohl Sie in einer liberalen Partei sind, geradezu ein Monopolist auf manchen Gebieten?

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU.)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514324800
Den Unterschied zwischen Pascha und Monopolist könnte Ihnen vielleicht ein Islamforscher näher auseinandersetzen, beispielsweise. Ich glaube, Herr Rasner, so einfach ist es mit den Fremdwörtern nicht, wie Sie sich das eben gemacht haben. Daß Sie ein Monopolist auf dem Gebiet der Geschäftsordnung sind und daß Sie den ÄItestenrat gelegentlich über Gebühr strapazieren, haben ja Ihre eigenen Kollegen hier im Hause schon festgestellt.

(Zurufe von der Mitte.)

— Natürlich! Hier ist vor wenigen Tagen die Vorherrschaft der Geschäftsführer beklagt worden, nicht von der FDP her.

(Abg. Rasner: Fragen Sie mal Herrn Genscher!)

— Wir sind mit ihm sehr zufrieden, Herr Rasner; das unterscheidet uns vielleicht von manchen in Ihrer Fraktion Ihnen gegenüber.

(Beifall bei ,der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514324900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514325000
Bitte schön!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514325100
Herr Abgeordneter Petersen!

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0514325200
Herr Kollege Moersch, sind Sie nicht der Ansicht, daß die Debatten gerade in der letzten Woche die dringende Notwendigkeit einer Reform gezeigt haben, und wären Sie so freundlich, einen besseren Vorschlag als den, den Herr Dr. Wörner gemacht hat, hier vorzulegen, wenn Sie mit ihm nicht einverstanden sind?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514325300
Herr Petersen, seien Sie doch nicht so ungeduldig! Ich werde Ihnen einen Vorschlag machen. Hoffentlich behagt er Ihnen dann.
Ich bin der Meinung, die Geschäftsordnung gibt dem Präsidenten die Möglichkeit, jetzt schon nach eigenem Ermessen .das Wort zu erteilen. Der Präsident bestimmt das nach der Geschäftsordnung. Unsere Präsidenten werden aber seit Jahren von gewissen „Fraktionspaschas" daran gehindert. Herr Rasner, ich muß das Wort noch einmal gebrauchen. Hier wird nämlich mit dem Rechenstift ausgerechnet, und beim Präsidenten gehen Beschwerden ein, wenn das Wort erteilt wird, um die Debatte flüssiger zu gestalten. Dann gibt ,es sogenannte angestammte Rechte, die angeblich nicht verletzt werden dürfen. Ein Teil der Nichtlebendigkeit dieser Debatte hängt damit zusammen, daß vor allem bei Ihnen in ,der CDU/CSU sich immer wieder Proporzdenken niederschlägt. Sie würden am liebsten mit dem Maßstab, mit dem Zirkel messen. Ja, wenn es auf Sie ankäme, würde man die Redezeit nach der Größe der Fraktionen einteilen.

(Abg. Rasner: Das ist doch einfach gesponnen!)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7393
Moersch
— Das hat es doch früher hier im Hause gegeben. Das stimmt doch.

(Abg. Rasner: Das hat kein Mensch beantragt, das ist schlicht gesponnen!)

— Das steht doch hinter den Anträgen, die in der letzten Zeit aus Ihrer Fraktion gekommen sind. Das müssen Sie mir hier zu sagen schon gestatten.

(Abg. Rasner: Ist trotzdem gesponnen!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514325400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514325500
Bitte schön!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0514325600
Herr Kollege Moersch, teilen Sie die meines Erachtens durchaus richtige Auffassung, die Ihr Parteivorsitzender, Herr Dr. Mende, vor ungefähr einem Jahr geäußert hat, daß die Effektivität der Opposition nicht eine Frage der Quantität, sondern der Qualität sei, und würden Sie diesen Grundsatz nicht nur auf die Anzahl der Mandate, sondern auch auf die Dauer einer Rede in Anwendung bringen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514325700
Herr Dr. Kliesing, dieser Grundsatz gilt allgemein. Er gilt sogar für die CDU/CSU-Fraktion und für die Bundesregierung.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Das haben wir nie bestritten. Aber darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, daß der Präsident von dem Hohen Hause mehr als bisher bei der freien Auslegung der Geschäftsordnung unterstützt werden muß. Er soll z. B. einen Redner, der in der Debatte nicht auf den vorhergegangenen eingeht, sondern zu einem anderen Sachpunkt spricht, auch einmal unterbrechen können und ihm sagen können: Jetzt wollen wir erst einmal diesen Punkt, der hier zur Debatte steht, ausdiskutieren. Das erreichen Sie nicht mit einer Beschränkung auf zehn Minuten, das erreichen Sie nicht mit fünf Minuten, das erreichen Sie nur, indem man das einige Male durchexerziert, damit allgemein bekannt wird, daß man zunächst zu dem Punkt spricht, der jetzt daran ist. Dann erreicht man eine Debatte.
Das geht immer dann, wenn Sie einen ganz bestimmt umrissenen Gegenstand haben. Aber wenn Sie „Ziehharmonika-Anfragen" einbringen, ist es natürlich sehr schwierig, zu einem Punkt konkret Stellung zu nehmen. Das ist ein Vorwurf, der allen Fraktionen in diesem Hause gilt. Weniger wäre dann manchmal mehr. Dann könnte man sich auf ein ganz bestimmtes Thema konzentrieren. Aber deshalb müssen Sie ja nicht die Geschäftsordnung ändern. Ihre Vorstellungen vom Parlamentarismus müssen Sie überprüfen, Herr Dr. Wörner. Darauf kommt es an.
Deswegen will ich zu Ihrem Antrag, vor allem zu Punkt 1, einige Bemerkungen machen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Endlich!)

— Was heißt hier „endlich" , Herr Müller? Sie sind wahnsinnig ungeduldig.

(Abg. Müller [Berlin] : War nicht Müller!)

— Entschuldigen Sie, Herr Müller, Sie haben eins gut.
Der Gedanke, vom Saalmikrofon aus zu sprechen, ist absurd, wenn Sie an die Funktion des Parlaments denken. Es ist etwas völlig anderes, Herr Dr. Wörner, ob Sie in der Fragestunde den Herrn Regierungsvertreter fragen. Dann ist das Saalmikrofon der geeignete Ort der Handlung. Diejenigen, die die Geschäftsordnung gemacht haben, haben sich das wahrscheinlich gerade deswegen überlegt. Aber wenn Sie in einer Reihe sitzen — und wenn dieser Saal nach manchen Plänen geändert wird, sieht es aus, als ob wir in der Schulbank säßen, nämlich gleichmäßig aufgereiht in einem Rechteck — und wenn dann vom Saal aus gesprochen wird, frage ich Sie: Mit wem debattieren Sie eigentlich?

(Abg. Rasner: Wie im Unterhaus!)

— Haben Sie eine Ahnung! Im Unterhaus sitzt man sich gegenüber, aber hier niemals.

(Abg. Rasner: Das ist das Ideale!)

Wenn wir dann, wie Herr Wörner glaubt, vom Saalmikrofon aus diskutieren, dann haben Sie kein parlamentarisches Gegenüber. Das ist das Problem. Wie soll dann ein Dialog zustande kommen, wenn Sie an eine Regierungsbank reden, wo die Spitzen der Regierung noch nicht einmal dem Parlament angehören? Das ist doch die Frage, um die es hier mit geht.

(Zuruf von der SPD: Dann müßten Sie aber für das Mehrheitswahlrecht sein!)

Es geht hier um die Funktion, um den Sinngehalt der parlamentarischen Debatte, und der besteht darin, daß unter Abgeordneten eine Debatte geführt wird und daß sie einen Dialog wollen. Dann müssen Sie einander gegenüber sprechen. Dann müssen Sie hier vorne stehen und müssen zu diesem Hause sprechen. Dann können Sie nicht — —

(Abg. Rasner: Mehrheitswahlrecht!)

— Das hat mit Mehrheitswahlrecht gar nichts zu tun, Herr Rasner. Das ist Ihre Zwangsvorstellung, daß das mit Mehrheitswahlrecht zu erreichen wäre. In Wahrheit ist es doch so, daß hier einer vorne stehen muß und zu den anderen sprechen muß, weil er sie möglicherweise sogar überzeugen will, was mir natürlich bei Ihnen, Herr Rasner, kaum gelingen wird; einverstanden. Denn Sie haben den Antrag mit unterschrieben.
Aber Sie haben sich meiner Ansicht nach nicht überlegt, was in diesem einen Punkt hier steht. Das ist für mich das Gravierende an diesem Vorgang, daß Sie über die Funktion des parlamentarischen Dialogs nicht nachgedacht haben. Sonst hätten Sie den Antrag nicht stellen können. Hier heißt es, daß man vom Saalmikrofon aus sprechen soll.

(Abg. Dr. Kliesing: Dafür haben wir mehr über den parlamentarischen Monolog nachgedacht! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

7394 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Moersch
— In dem Antrag steht drin, Herr Dr. Wörner:
Bei kurzen Reden kann der Abgeordnete vom Saalmikrofon sprechen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Kann! — Abg. Rasner: Ganz liberal, Herr Moersch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Daß Sie den Freiheitsbegriff falsch verstehen, Herr Dr. Wuermeling, wundert mich in diesem Fall nicht. Es geht nicht um die Freiheit dessen, der hier zum anderen spricht, sondern es geht um das Recht der anderen, ihm ins Gesicht zu blicken, wenn er spricht. Das ist nämlich ein ganz wesentlicher Punkt bei der Debatte und beim Dialog.

(Abg. Rasner: Das ist nur manchmal erfreulich, Herr Moersch!)

Sie müßten ernsthaft darüber nachdenken, ob dieser Antrag, den Sie gestellt haben, parlamentarisch sinnvoll ist. — Herr Dr. Stark, daß Sie ernsthaft darüber nachgedacht haben, will ich Ihnen gern zugestehen. Aber ich behaupte: es hat dann eben nicht ganz ausgereicht; sonst hätten Sie den Antrag nicht so stellen können, wie Sie ihn gestellt haben, weil Sie hier zu einer völligen Veränderung des Parlaments kommen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wollen wir ja!)

weil Sie dann zu einem Parlament kommen, dem niemand gegenübersitzt, wenn Sie vom Saal aus sprechen, als der Präsident, und der muß dann zwangsläufig die Rolle des Oberlehrers spielen, rein optisch gesehen. Sie sitzen dann einer Art Prüfungsbehörde gegenüber, die sich Regierung nennt. Das ist nämlich das optische Bild, wenn Sie vom Saal aus Reden halten und nicht den Kollegen, mit denen Sie diskutieren wollen, dabei ins Auge blicken können. Das möchte ich Ihnen zu diesem Antrag sagen.

(Abg. Dr. Kliesing: Aber der Regierung können Sie ins Auge sehen!)

— Ja, ist das Ihr Vorgesetzter, Herr Dr. Kliesing? Ich bin der Meinung, dieses Parlament ist ein Gesetzgeber.

(Abg. Dr. Kliesing: Diskussionspartner, nicht Vorgesetzter!)

— Die Regierung ist nicht der Diskussionspartner. Das ist ein Irrtum. Sie haben nicht das englische System. Sie haben eine andere Verfassung.

(Abg. Dr. Kliesing: Bemühen Sie sich erst einmal selbst um begriffliche Klarheit! Die fehlt Ihnen noch völlig!)

— Ich weiß gar nicht, was Sie sich so darüber aufregen. Sie haben hier einen Antrag gestellt.

(Abg. Dr. Kliesing: Ich rege mich gar nicht auf l Eine nüchterne, sachliche Feststellung habe ich hier getroffen!)

— Nein, Sie haben meiner Ansicht nach nicht zu Ende gedacht, was dieser Antrag für die Funktion des Parlaments bedeutet. Das deutsche Parlament hat eine andere Funktion als das englische Unterhaus, aus der Tradition heraus. Deswegen können Sie meiner Ansicht nach nicht eine Debatte einführen, die vom Saal aus geführt wird und bei der Sie nur der Regierung gegenüberstehen. Das ist ausgeschlossen. Das verändert völlig die Funktion des Deutschen Bundestages.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße]) Vielen Dank,

Herr Lehrer!)
— Ihre Argumente werden durch Zwischenrufe nicht
besser, meine Damen und Herren von der CDU/CSU.
Sie haben hier einen Antrag gestellt, der meiner Ansicht nach eine Veränderung von Grund auf bewirken würde. Ich kann eben nicht eine Kann-Vorschrift einführen, wo es um ein ganz anderes Prinzip geht, nämlich um das Prinzip des Dialogs, das Herr Dr. Wörner hier selbst aufgestellt hat. Herr Dr. Wörner, wer Dialog will, muß eben Debatte von Angesicht zu Angesicht führen und kann sie nicht vom Saal aus führen. In seltenen Fällen — —

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Es wird allgemein in diesem Hause nicht mit der Regierung debattiert, sondern die Regierung gibt Erklärungen ab. Wir haben eine Regierung, die nicht aus Parlamentariern bestehen muß. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu England. Sie sollten doch nicht verschiedene Verfassungsformen und Verfassungstraditionen hier durcheinandermengen.
Ich bitte Sie, das doch einmal ernsthaft im Geschäftsordnungsausschuß zu überlegen und dafür einzutreten, daß künftig der Ablauf der Debatte durch den Präsidenten mehr gesteuert werden kann, als das bisher der Fall gewesen ist — das hielte ich für eine entscheidende und gute Reform —, und nicht weitere Komplikationen in die Geschäftsordnung einzusetzen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514325800
Das Wort hat der Baron Wrangel.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0514325900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Moersch, das, was Sie hier vorgetragen haben, hat uns in gar keiner Weise überzeugt. Im Gegenteil, es ist ein Grund für uns, an diesem Antrag festzuhalten. Sie, Herr Kollege Moersch, sind doch hier immer so sehr für Dynamik und Flexibilität. Ich habe aber das Gefühl, daß Sie sich in dieser Frage mehr einer Filibustertaktik befleißigen wollen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Außerdem ist es doch so, daß wir — da haben Sie völlig recht — in der Tat den Stil dieses hohen Hauses verändern wollen. Das ist der Sinn dieser Anträge;

(Abg. Wienand: Aber doch nicht durch Geschäftsordnungsdebatten!)

da haben Sie uns vollkommen richtig verstanden.
Worum geht es denn? — Es geht darum, daß wir in der Tat versuchen wollen — Herr Kollege Wörner hat es bereits gesagt —, den Monolog durch den Dialog zu ersetzen. Wir haben allen Grund, zu argwöhnen — und die Verteidigungsdebatte in der vergangenen Woche war ein Beweis darfür —, daß
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7395
Baron von Wrangel
über die Dinge eben nicht debattiert wird, sondern daß in Monologen und langatmigen, abgelesenen Reden hier doch manches von dem untergeht, was zur Sache gesagt werden könnte.

(Abg. Frau Kalinke: Sehr wahr!)

Herr Kollege Moersch, Sie sagen, Sie könnten Ihren Partner nicht sehen, wenn man vom Saalmikrofon aus spreche. Nun, ich gebe zu — Herr Wörner hat es auch schon gesagt —, daß die bauliche Anlage dieses Saales sicherlich im Augenblick für eine solche Debatte nicht günstig ist. Aber auch wenn ich dort stehe, Herr Kollege Moersch, kann ich Ihren markanten Kopf sicherlich immer in der FDP-Fraktion erkennen.
Hinzu kommt — und das ist für die Debatten dieses Hohen Hauses belastend —, daß immer wieder versucht wird, einen Redner durch Zwischenfragen zu unterbrechen. Der betreffende Redner versucht dann, in den Antworten auf diese Zwischenfragen eine Meinung zu artikulieren. Wenn diese Meinung dann nicht richtig zum Ausdruck kommt, führt das zu Mißverständnissen. Auch dem wollen wir gerne vorbeugen.
Uns geht es, weil dieses Hohe Haus in den Augen der Öffentlichkeit durch eine böswillige Propaganda mehr und mehr abgewertet worden ist, nicht nur um eine Aufwertung des Bundestages, sondern um eine Aufwertung der politischen Autorität schlechthin.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514326000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Luda.

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0514326100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wörner, dessen Antrag ich wärmstens unterstützen möchte, hat, glaube ich, mit Recht auf die Tatsache hingewiesen, daß dieses Hohe Haus in der letzten Zeit einen nicht unerheblichen Prestigeverlust hat hinnehmen müssen. Daß wir diesen Tatbestand heute beklagen müssen, ist vor allem auf den Ablauf unserer Plenardebatten zurückzuführen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Das darf uns aber jetzt nicht davon abhalten zu arbeiten! — Zuruf des Abg. Wienand.)

— Darf ich das mal eben ausführen. Vorlesung oder Debatte, .das ist die Frage, um die es sich hier handelt. Wenn das der Fall ist, muß ich die polemische Art und Weise, in der der Herr Kollege Moersch hier zu dem Antrag Wörner Stellung genommen hat, außerordentlich bedauern.
Einen Gedanken aber, den er ausgesprochen hat, kann ich unterstreichen, nämlich die Tatsache, daß wir uns Änderungen der Geschäftsordnung nicht zu überlegen brauchen, wenn durch strikte Anwendung bestehender Vorschriften der Geschäftsordnung Gleiches erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang muß ich auf den § 37 der Geschäftsordnung hinweisen. Das ist eine Vorschrift, die strikter gehandhabt werden sollte, nämlich die Verpflichtung aller Redner, frei zu sprechen; sie dürfen
dabei Aufzeichnungen, d. h. Stichworte, verwenden. Aber Manuskripte, vorbereitete Reden wörtlich vorzulesen, bedarf der Genehmigung des Präsidenten.
Deshalb haben wir im Ältestenrat des Deutschen Bundestages an das Präsidium dieses Hohen Hauses appelliert, doch in Zukunft von der bestehenden Vorschrift des § 37 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen. Wenn das geschieht, wird es in Zukunft zwar auch noch Fälle geben, in denen vorbereitete Manuskripte wörtlich verlesen werden; denn es gibt Fälle, in denen es notwendig ist, so zu verfahren; das möchte ich ausdrücklich feststellen. Aber mehr als die Hälfte der von diesem Pult aus gehaltenen Reden werden verlesen; das wäre größtenteils nicht erforderlich.
Deshalb habe ich im Ältestenrat vorgeschlagen, § 37 der Geschäftsordnung in Zukunft so zu handhaben, daß, wenn in Zukunft einer der Kollegen ein vorbereitetes Manuskript wörtlich verlesen möchte — —

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514326200
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Ich muß Sie bitten, bei der Sache zu bleiben. Zur Debatte steht jetzt nicht § 37, sondern stehen §§ 31 und 33 der Geschäftsordnung.

(Beifall.)


Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0514326300
Herr Präsident, Sie haben — —

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514326400
Herr Abgeordneter, Sie bleiben bitte bei der Sache! § 37 ist nicht Gegenstand dieses Antrags.

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0514326500
Herr Präsident, ich bleibe bei der Sache. Ich nehme zu dem Argument des Herrn Kollegen Moersch Stellung, daß wir die bestehende Geschäftsordnung nicht zu ändern brauchen, wenn durch strikte Handhabung der bestehenden Vorschriften das gleiche erreicht werden kann. Deshalb geht mein Appell an das Präsidium des Deutschen Bundestages, in Zukunft dafür zu sorgen, daß durch strikte Handhabung, vor allem auch des § 37 der Geschäftsordnung, erreicht wird, daß hier debattiert wird und wir uns nicht nur Vorlesungen anhören müssen.

(Vereinzelter Beifall in der Mitte.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514326600
Herr Abgeordneter, Ihr Petitum bezieht sich auf § 37. Darüber hat sich das Haus in der letzten Woche unterhalten. Gegen die Vorschläge des Präsidiums und des Ältestenrats wurde kein Widerspruch erhoben.
In dieser Debatte steht aber etwas anderes zur Diskussion, nämlich die §§ 31 und 33. Dem Präsidenten steht nicht zu, in die Debatte einzugreifen. Trotzdem können Sie es ihm vielleicht nachempfinden, daß ihn diese Sache auch von Amts wegen bewegt und beschäftigt. Ich werde dem Geschäftsordnungsausschuß zu diesem Antrag noch einen Brief schreiben.
7396 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Jetzt hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Abelein.
— Herr Abgeordneter, verzichten Sie? —
Keine weitere Wortmeldungen. Meine Damen und Herren, die Aussprache ist geschlossen.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Wird diesem Vorschlag zugestimmt? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit kommen wir zu Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Mündlicher Bericht des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Wessel
b) Beratung der Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
— Druckache V/2364 —
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel als Berichterstatterin.

Helene Wessel (SPD):
Rede ID: ID0514326700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, wenn ich diesen Bericht gebe, nicht, nach welchem Paragraphen der Geschäftsordnung ich mich zu verhalten habe. Ich muß Ihnen naturgemäß einige Zahlen und einige Fälle nennen. Ich werde mich dabei an mein Manuskript halten müssen. Vorsorglich nehme ich also § 37 der Geschäftsordnung in Anspruch. Ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, mir das zu genehmigen.
Meine Damen und Herren, die Tätigkeit des Petitionsausschusses, über die zu berichten ich die Ehre habe, beruht bekanntlich auf Art. 17 unseres Grundgesetzes, der besagt, daß jeder in unserem Volk das Recht hat, sich mit Bitten und Beschwerden an den Bundestag zu wenden. Diese vom Bundestag und damit vom Petitionsausschuß entgegengenommenen Petitionen haben in der 5. Wahlperiode, also seit dem 18. Oktober 1965, die Zahl von rund 11 500 erreicht. Damit ist seit Bestehen der Bundesrepublik, also von September 1949 bis heute, vom Petitionsrecht gegenüber dem Bundestag in rund 135 000 Eingaben zu den unterschiedlichsten Anliegen und etwa 860 000 Zuschriften zu acht größeren Fragenkomplexen mit gleichem Inhalt und meist gleichem Text — in sogenannten Masseneingaben — Gebrauch gemacht worden. Hinzu kommt noch eine nicht näher festgestellte Zahl von Unterzeichnern von Sammelpetitionen, die ihr Anliegen — auch das ist auf ,Grund des Art. 17 möglich — gemeinschaftlich mit anderen vorbrachten. — In der 5. Wahlperiode waren dies etwa 120 000 Bittsteller.
Weitere Zahlen — ich möchte Sie nicht damit belästigen — bitte ich Sie aus der letzten, mit der Drucksache V/2181 vom 13. Oktober 1967 veröffentlichten Statistik zu entnehmen.
Gestatten Sie mir, Ihnen drei Einzelbeispiele dafür zu nennen, was im Petitionsausschuß in jüngster Zeit bearbeitet worden ist, um Ihnen daran einmal anschaulich zu zeigen, wie weit der Bogen der Anliegen
gespannt ist, die praktisch alle Lebensbereiche und Rechtsgebiete umfassen.
Der Inhaber eines Handwerksbetriebes trug dem Ausschuß vor, daß ihm anläßlich der Ausführung von Installationsarbeiten an Bauten der Bundesregierung erhobene Nachforderungen abgelehnt worden seien. Die Bundesregierung, in diesem Fall der Bundesminister der Verteidigung, begründete die Ablehnung in schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen gegenüber dem Ausschuß damit, daß der Petent es versäumt habe, seine Nachforderungen in der nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen vorgeschriebenen Frist geltend zu machen und beweiskräftige Unterlagen beizubringen. Der Bundesverteidigungsminister hat in keiner Weise bestritten, daß der Anspruch des Petenten zu Recht bestände.
Ausschuß und Büro vertraten 'demgegenüber die Auffassung, daß der Anspruch des Potenten in der vom Bundesminister der Verteidigung ausgerechneten Höhe von rund 8000 DM begründet sei und daß sich die Bundesregierung auf die genannten Verwirkungsvorschriften nicht berufen könne. Ich darf noch hinzufügen, daß der Petent durch die Haltung der Bundesregierung in eine schwierige wirtschaftliche Lage geriet und vor dem Konkurs stand. Nach fast zweijährigem Bemühen konnte die Bearbeitung der Petition vor kurzem dadurch erfolgreich abgeschlossen werden, daß sich die Bundesregierung, in diesem Fall ein Vertreter des Bundesverteidigungsministers, bereit erklärte, dem Petenten den Betrag von 8000 DM auszuzahlen.
Ich möchte Ihnen von einem zweiten Fall berichten, der erfreulicherweise auch positiv von uns erledigt werden konnte. Es handelt sich um die Witwe eines früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Sie führte darüber Beschwerde, daß ihr eine Bundesbehörde das Witwengeld uni den Betrag, den sie zusätzlich aus der Invalidenversicherung erhalte, gekürzt habe. Ausschuß und Büro haben das zuständige Bundesministerium in einem längeren Schriftwechsel davon überzeugen können, daß der Einsenderin das ungekürzte Witwengeld zusteht. Die Petentin erhielt eine Nachzahlung von rund 12 000 DM. Mindestens so wichtig aber ist die Tatsache, daß mit dieser Entscheidung etwa 500 weitere Versorgungsempfänger in den Genuß solcher Nachzahlungen gelangen werden.
Der dritte Fall, den ich Ihnen nennen möchte, ist leider noch nicht zu einem positiven Abschluß gelangt; aber es ist ein Fall, der uns alle interessieren dürfte. Eine Petentin wünschte, einer Witwe gleichgestellt zu werden, um Anspruch auf Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz zu bekommen. Die Einsenderin war in die Sowjetunion verschleppt und während dieser Zeit von ihrem Ehemann für tot erklärt worden. Der Ehemann ist nach der Todeserklärung eine neue Ehe eingegangen, so daß die frühere Ehe als aufgelöst gilt. Die Todeserklärung wurde zwar inzwischen aufgehoben; die frühere Ehe bleibt jedoch nach § 38 des Ehegesetzes aufgelöst.
Die eherechtlichen Vorschriften enthalten keine Regelung über die sich aus der Auflösung der Ehe
Deutschet Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7397
Frau Wessel
ergebenden unterhaltsrechtlichen Folgen. Sie nehmen die Benachteiligung des zu Unrecht für tot erklärten ersten Ehegatten in Kauf und schützen mir den gutgläubigen zweiten Ehegatten. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Härte im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes, so daß eine Hinterbliebenenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht in Betracht kommen kann. Da die Bundesregierung gesetzliche Maßnahmen hinsichtlich der unterhaltsrechtlichen Folgen einer Eheauflösung in Fällen der geschilderten Art — die die Einräumung eines der Billigkeit entsprechenden Anspruchs auf Unterhalt zugunsten des zu Unrecht für tot erklärten Ehegatten zum Gegenstand haben — zurückgestellt hat, erwägt der Ausschuß jetzt, den Bundestag zu einer Gesetzesinitiative mit dem Ziel einer Entschädigung 'des zu Unrecht für tot erklärten Ehegatten anzuregen.
Die aufgezeigten drei Fälle sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der genannten großen Zahl von Petitionen, mit denen sich der Petitionsausschuß und sein Büro in gewissenhafter, oft mühseliger Arbeit ständig befassen.
Aus jahrelanger Tätigkeit im Petitionsausschuß kann ich sagen, daß aus einem großen Teil der Eingaben — insbesondere der um Abhilfe persönlicher Beschwerden—ein allgemeiner Unmut, oft sogar das Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber der Verwaltung spricht. Dieses Gefühl geht auf die ständige Zunahme der staatlichen Aufgaben mit den dadurch bedingten größeren Konfliktsmöglichkeiten zwischen dem einzelnen Bürger und dem Staat zurück. Der einzelne ist in immer stärkerem Maße vom Staat, von seinen Geboten und Verboten, von seinen Leistungen und seinen Ansprüchen abhängig geworden. In dieser Situation ist der Petitionsausschuß für den Bürger oft die letzte Zuflucht, von der er sich Hilfe verspricht. Ein gut arbeitender Petitionsausschuß des Bundestages kann hier an 'entscheidender Stelle der Wegbereiter für eine Verbesserung des Verhältnisses der Bürger zur Verwaltung sein.
Lassen Sie mich hier an dieser Stelle folgendes hinzufügen: ich glaube, wenn man die Arbeit des Petitionsausschusses und die Vorschläge, die ich zu einer Verbesserung seiner Arbeit noch machen werde, mit derselben Bedeutung und Wichtigkeit in diesem Hause behandeln würde wie kurz vorher die Geschäftsordnungsfragen, dann würde der Petitionsausschuß auch innerhalb dieses Hauses und in der Bürgerschaft eine ganz andere Bedeutung und Wichtigkeit haben.

(Beifall.)

Auf Grund meiner Erfahrungen als frühere Vorsitzende des Petitionsausschusses und aus 'den Erkenntnissen der zwei zuvor dargestellten Beschwerdefälle, die nur mit größter Mühe und viel Zeitaufwand doch noch erfolgreich abgeschlossen werden konnten, kann ich und muß ich sagen, daß die rechtlichen Möglichkeiten und Befugnisse des Petitionsausschusses im Einzelfall oft nicht ausreichen. Der Ausschuß besitzt zwar in der, Petitionsstelle einen gut arbeitenden Hilfsdienst mit qualifizierten Mitarbeitern; er ist jedoch in den Möglichkeiten der Hilfe gegenüber den Petenten begrenzt. Er kann
wohl die Regierung um schriftliche Stellungnahmen oder auch um die Entsendung von Vertretern zum mündlichen Vortrag vor dem Ausschuß bitten, und das geschieht auch häufig.
Der Ausschuß kann jedoch selbst dann nicht tiefer in einen Einzelfall eindringen, wenn er das Gefühl hat, daß ihm viel gründlicher nachgegangen werden müßte, als es aus den Berichten der Ministerien hervorgeht. Ihm fehlt insbesondere die Befugnis der eigenen Sachaufklärung mit dem uneingeschränkten Recht auf Aktenvorlage bzw. Akteneinsicht und dem Recht auf Information an Ort und Stelle, dem sogenannten Inspektionsrecht. Der Ausschuß ist daher weitgehend von der Berichterstattung der Ministerien abhängig. Dies ist einfach unbefriedigend und kann im Einzelfall trotz — und das betone ich auch — der überwiegend guten Zusammenarbeit mit den Ministerien unerträglich sein.
Der Gesetzgeber hat von allen bestehenden Rechtsschutzeinrichtungen und Kontrollorganen — wie z. B. Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rechnungshöfen, dem Wehrbeauftragten — den Petitionsausschuß, der wie kein anderes Organ geeignet wäre, der Volksvertretung Ansehen und Vertrauen zu vermitteln, in seinen rechtlichen Möglichkeiten am schwächsten ausgestattet.
Vornehmlich mit dem Hinweis auf diese unbefriedigenden rechtlichen Möglichkeiten der Petitionsausschüsse in Bund und Ländern wird in letzter Zeit der Ruf nach Einführung eines Ombudsmans für den zivilen Bereich zur Wahrnehmung und Verstärkung der Rechte des Bürgers gegenüber der Verwaltung — analog dem Wehrbeauftragten für den militärischen Bereich, der im Grunde genommen nichts anderes als eine zusätzliche Petitionsstelle für die Bundeswehr ist, entsprechend den skandinavischen Vorbildern — erhoben. Der propagierte Ombudsman oder, wie man auch sagen kann, Parlamentsbeauftragte soll — wie man hört — nach diesen Überlegungen im wesentlichen die gleichen Tätigkeitsgebiete haben, die dem Petitionsausschuß zustehen. Er soll aber darüber hinaus die ihm heute noch fehlenden Befugnisse bekommen.
Konkrete Vorschläge mit Varianten zur Einführung eines derartigen Beauftragten sind in den letzten zwei Jahren, insbesondere in jüngster Zeit von der Aktionsgemeinschaft „Deutscher Ombudsman", von unserem früheren Kollegen und jetzigen Staatssekretär Professor Dr. Schäfer und dem Präsidenten des Deutschen Juristentages, Rechtsanwalt Dr. Redeker, gemacht worden. In einigen Bundesländern — z. B. Berlin, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen — sind einschlägige Gesetzentwürfe bereits beraten worden oder in Vorbereitung. In Nordrhein-Westfalen z. B. haben CDU-Abgeordnete des Eingabenausschusses des Landtages einen Gesetzentwurf vorbereitet, der die Stelle eines Parlamentsbeauftragten im Rahmen des Eingabenausschusses vorsieht, dem besondere Rechte, ähnlich denen des Ombudsmans, übertragen werden sollen.
Ein Weiteres ist interessant. Seit kurzem erörtern auch die Präsidenten der deutschen Landtage diesen Fragenkomplex. Eine Reihe von ihnen haben die
7498 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Frau Wessel
skandinavischen Länder, in denen die Einrichtung eines Ombudsman bereits besteht, besucht. Sie neigen — ich kann mich hier nur auf Pressenotizen berufen — nach diesen Pressenotizen dazu, keine neue Behörde zu schaffen, die ein Ombudsman zwangsläufig mit sich bringen würde, sondern die Petitionsausschüsse und damit die Parlamente insgesamt durch Erweiterung ihrer Rechte und durch Schaffung eines qualifizierten Mitarbeiterstabes zu stärken. Die Mitglieder unseres Petitionsausschusses stimmen diesen Überlegungen, die trotz einiger Varianten und Nuancen das gleiche Ziel verfolgen, nämlich die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments gegenüber der Verwaltung zu verbessern, im Ergebnis zu.
Der Petitionsausschuß hat sich in letzter Zeit wiederholt mit diesem Fragenkomplex befaßt. Nach den Erkenntnissen, die wir inzwischen auch auf Grund der Erörterungen mit dem State Comptroller des Staates Israel, Dr. Nebenzahl, mit dem Vorsitzenden der Tanzania Permanent Commission und mit einem Vertreter des Bundesjustizministers gewonnen haben, sind wir auch heute noch der schon vor vier Jahren niedergelegten Auffassung, daß das gemeinsame Ziel aller Befürworter einer verstärkten Kontrolle der Verwaltung am einfachsten und am schnellsten und am billigsten durch eine Stärkung der Stellung und der Befugnisse des Petitionsausschusses und seines Petitionsbüros erreicht werden könnte, ohne daß es der Schaffung eines besonderen parlamentarischen Beauftragten in der Bundesrepublik bedürfte.
1m Rahmen einer solchen Reform wäre es meines Erachtens nötig, daß dem Ausschuß bzw. seiner Vorsitzenden oder seinem Vorsitzenden — mit der Möglichkeit einer Delegation auf beamtete Mitarbeiter — das Recht eingeräumt wird, die Beschwerde des Staatsbürgers ,an Ort und Stelle nachzuprüfen. Das würde bedingen, daß alle Behörden, Dienststellen und Amtspersonen des Bundes Auskunft zu geben und Akteneinsicht zu gewähren hätten. Die Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden müßten angewiesen werden, bei der Durchführung der erforderlichen Erhebungen Amts- und Rechtshilfe zu leisten. Die vorhandene Einrichtung der Petitionsstelle des Bundestages brauchte, um ihren erweiterten Aufgaben voll nachkommen zu können, lediglich geringfügig personell ergänzt und in der Bewertung ihrer Dienstposten so gestellt zu werden, daß erfahrene Fachleute dafür vorhanden sind und die vorhandenen auch gehalten werden können.
Auch hier ein Wort zur Bewertung der Arbeit des Petitionsbüros. Es ist notwendig, zu sagen, daß unsere Bemühungen seit Jahren dahin gehen, gute Facharbeiter dort zu haben. Aber wir müssen auch Wert darauf legen, ,daß die Stellen entsprechend bewertet und eingestuft werden, weil wir sonst fähige und tüchtige Arbeiter auf die Dauer doch nicht haben.
Ich komme zum Schluß. Nach meiner Auffassung sollte das Parlament zunächst seine bestehenden Einrichtungen stärken und besser nützen, bevor es ein neues, erhebliche Mehrkosten verursachendes Organ schafft. Das scheint doch einleuchtend zu sein. Ich bin sicher, daß dies dazu beitragen würde, das
Unbehagen des Staatsbürgers gegenüber Staat und Verwaltung, von dem auch heute morgen in den Ausführungen in diesem Hohen Hause so viel gesprochen worden ist, abzubauen und das Menschliche in diesem Verhältnis mehr zu fördern. Sollte diese aus der Erfahrung des Petitionsausschusses dringend notwendige Erweiterung der vorgenannten Befugnisse des Petionsausschusses in absehbarer Zeit nicht gewährt werden, bin ich allerdings der Auffassung, daß wir die Einrichtung eines Ombudsmans respektive eines Beauftragten des Bundestages — ähnlich dem Wehrbeauftragten — für den zivilen Bereich der Beschwerden im Interesse — das betone ich ganz besonders — der Wahrnehmung der Rechte des Staatsbürgers entsprechend Art. 17 unseres Grundgesetzes ernsthaft überlegen müssen.
Zum Schluß möchte ich Sie bitten, meine Damen und Herren, die in der Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses — Drucksache V/2364 — enthaltenen Anträge zu Petitionen anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514326800
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Das Wort hat der Abgeordnete Fritsch.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0514326900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich zu einigen wenigen Bemerkungen das Wort nehme, so u. a. deshalb, um den leidenschaftlichen Appell der sehr verehrten Frau Kollegin Wessel an dieses Haus zu unterstreichen und vielleicht noch einige Schlußfolgerungen zu ziehen, die mir für die Bearbeitung und für die Erledigung der Petitionen nach Möglichkeit zugunsten der Petenten erforderlich erscheinen.
Es ist mit Recht gesagt worden, daß das Petitionsrecht die Hoffnung vieler Bürger in diesem unserem Staate auf Gerechtigkeit, auf mehr Gerechtigkeit darstellt. Ich meine sagen zu dürfen, daß die Zahl der Petitionen, mit denen wir es zu tun haben, in einem adäquaten Verhältnis zur Ordnung der Rechts- und Sachgebiete durch dieses Haus steht und daß Art und Umfang der Petitionen eine ständige Aufforderung an dieses Hohe Haus darstellen, möglichst gerechte Ordnungen in allen Rechtsbereichen herzustellen.
Es ist der Vielzahl der Petitionen und damit dem Anliegen der Petenten nicht gedient — um nur einen Sachverhalt zu erwähnen, der sich auf die Bearbeitung der Petitionen oft hemmend auswirkt —, wenn die Mindestzeit der Bearbeitung einer Petition bei etwa einem halben Jahr liegt und wenn es bei einer großen Zahl von Petitionen noch sehr viel längere Zeit dauert, bis sie erledigt werden können. Auch hier gilt meines Erachtens das Wort, daß der, der schnell hilft, doppelt hilft. Wir wissen, wie viele Anliegen sehr eilbedürftig sind und wieviel Hoffnung bzw. Mutlosigkeit sich an eine schnelle oder an eine schleppende Behandlung der Petitionen knüpft. Es ist bereits erwähnt worden, daß eine Verkürzung der Laufzeit der Petitionen als Voraussetzung für ihre zufriedenstellende Erledigung eine ausreichende personelle Besetzung
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7399
Fritsch (Deggendorf)

des Büros erfordert, und ich wiederhole nochmals die Aufforderung an die Bundesregierung, die ihr zugeleiteten Petitionen so schnell wie möglich zu bearbeiten und sie dem Büro für Petitionen wieder zuzuleiten.
Neben diesen sachlichen Voraussetzungen fällt demjenigen, der die vierteljährlichen Berichte des Petitionsausschusses besonders aufmerksam liest, auf, daß viele Petitionen mit dem lapidaren Vermerk bedacht sind, sie müßten nach der Sach- und Rechtslage als erledigt angesehen werden. In der Praxis heißt das doch nichts anderes, als daß in. all diesen Fällen nichts getan werden konnte und daß die herrschende Sach- und Rechtslage es nicht ermöglichte, der Petition abzuhelfen. Ungeachtet dessen aber klafft hier eine Lücke zwischen dem Anliegen des Petenten und der Sach- und Rechtslage. Es ist also festzustellen, daß in den meisten der Fälle nicht geholfen werden kann, weil ohne Rücksicht darauf, daß der Petent subjektiv meint, es sei ihm Unrecht geschehen, die objektive Rechtslage eine Hilfe nicht zuläßt.
Ich meine also, das wiederholen zu müssen, was ich eingangs sagte, daß nämlich die Zahl und die Art der Petitionen eine ständige Aufforderung an dieses Haus darstellen, den Versuch zu machen, die Rechtsgebiete im Sinne der Vorstellungen vieler Bürger zu ordnen, die aus ihrem Schicksal, aus der Besonderheit ihres Anliegens heraus mit Recht glauben, die Hilfe des Deutschen Bundestages in Anspruch nehmen zu sollen und zu dürfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514327000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Folger.

Erwin Folger (SPD):
Rede ID: ID0514327100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Die Anregungen unserer Frau Kollegin Wessel, einen Ombudsman zu schaffen, veranlassen mich, ein paar Worte dazu zu sagen. Dieser Vorschlag taucht in unseren Zeiten und in der Öffentlichkeit immer wieder auf.
Wir müssen daran denken, daß wir in der Bundesrepublik eine gut funktionierende Verwaltungsgerichtsbarkeit haben, die nach 1949 im Vergleich zur Weimarer Republik wesentlich ausgeweitet worden ist, daß sowohl bei den Landtagen wie auch beim Bundestag gut funktionierende Petitionsausschüsse bestehen und daß ein Ombudsman entweder mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet werden müßte, damit er ohne Rücksicht auf eine vorhergegangene Prüfung auf die Behörden Druck ausüben könnte, oder eine Art Gegenbürokratie mit Tausenden von Beschäftigten aufziehen müßte, damit er alle Beschwerden, die an ihn herangetragen werden, nachprüfen könnte.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514327200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0514327300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Folger hat sich geirrt. Ich habe der Frau Kollegin Wessel
sehr genau zugehört. Sie hat sich sehr dafür eingesetzt, daß die Institution der Petitionsausschüsse verbessert wird, und sie hat auch konkrete Vorschläge dazu gemacht. Ich glaube auch, daß das Parlament nicht gut beraten wäre, wenn es diese gute Möglichkeit, mit der Bevölkerung Kontakt zu halten, wiederum durch eine bürokratische Institution wahrnehmen lassen würde. Wir sollten vielmehr die Chance nutzen, das Parlament den Menschen näherzubringen. Ich bin zusätzlich der Meinung, daß sich nicht nur Beamte an Ort und Stelle begeben sollten, sondern daß auch Berichterstatter usw. die Möglichkeit haben sollten, draußen Termine abzuhalten, damit deutlich wird, was der Petitionsausschuß für Volk und Parlament bedeuten kann und soll.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514327400
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, zu meiner eigenen Aufklärung — ich muß mich in dieser Sache von Amts wegen mit dem Geschäftsordnungsausschuß ins Benehmen setzen — darf ich Sie fragen, ob Sie mit der „bürokratischen Institution" den zitierten Ombudsman gemeint haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0514327500
Herr Präsident, die Frau Kollegin Wessel hatte gesagt, daß Beamte hinausfahren sollten. Ich wollte zusätzlich sagen, mir wäre es lieber, wenn die Berichterstatter hinausführen, um sich auf diese Weise an Ort und Stelle mit der Sache vertraut zu machen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514327600
Wenn ich Sie also recht verstanden habe, haben Sie sich nicht zum Ombudsman geäußert.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0514327700
Nein, ich bin nicht für die Schaffung eines Ombudsman, sondern für einen Ausbau des Petitionsausschusses.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0514327800
Sie sind also nicht für den Ombudsman, sondern für die sogenannte Intensivierung der Arbeit des Petitionsausschusses. Jetzt ist es klar. Das ist für dieses Haus sehr wichtig.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wer dem Antrag, d. h. dem Mündlichen Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit und der Sammelübersicht 25 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist wohl .besser, wir beginnen jetzt nicht mit der großen Debatte über Punkt 4 der Tagesordnung, sondern treten in die Mittagspause ein. Danach wird Punkt 4 aufgerufen. Als erster hat dann das Wort zur Begründung ,der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.40 bis 15.02 Uhr.)

7400 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514327900
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 4 ,der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Arbeitsförderungsgesetzes (AFG)

— Drucksache V/2291 —
Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0514328000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat mit Beschluß vom 29. Juni 1966 die Bundesregierung aufgefordert, den Entwurf einer Novelle zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vorzulegen und damit das Gesetz an den technischen Fortschritt und die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Ich habe mich jedoch bald nach meinem Amtsantritt davon überzeugt, daß eine bloße Novelle zum Gesetz nicht mehr ,den Anforderungen genügen würde, die heute an eine moderne Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik gestellt werden, ganz abgesehen von der Tatsache, daß das Gesetz von 1957 bis heute bereits achtmal novelliert wurde. Notwendig wurde jetzt, so glaube ich, eine Reform. Auch der Bundestagsausschuß für Arbeit stellte ausdrücklich fest, daß die Zeit reif dafür sei.
Anpassung an den technischen Fortschritt und an die wirtschaftliche Entwicklung — in diesem Auftrag liegt die ganze Fülle der Probleme beschlossen, die wir mit der Neufassung in Angriff nehmen mußten. Wer mit dieser Blickrichtung an die bisherige Gesetzesmaterie heranging, konnte nicht auf halbem Wege bei einzelnen Änderungen des alten Gesetzes stehenbleiben; er mußte die Zielsetzung des Gesetzes neu durchdenken, ,die Systematik überarbeiten und Konsequenzen in ,den Methoden und Maßnahmen bis ins einzelne hinein ziehen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde hat ja auch die Bundestagsfraktion der SPD den Initiativentwurf eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes eingebracht.
Welcher Art sind nun die Gründe für ein neues Gesetz, das nach dem Vorschlag ,der Bundesregierung „Arbeitsförderungsgesetz" heißen soll und das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ablöst? Lassen Sie mich in kurzen Zügen hierauf eine Antwort geben.
Das geltende Gesetz hat eine lange Tradition. Die letzte bedeutende Neufassung stammt aus den Jahren 1955/56, einer Zeit also, in der die Wirtschaft der Bundesrepublik noch mitten in einem steilen und gradlinigen Aufschwung stand. Wir hatten eine Entwicklung zur Vollbeschäftigung, die schon bald in eine anhaltende Überbeschäftigung und Anspannung des Arbeitsmarktes überging. Seitdem sind zwölf Jahre vergangen, in denen wir viele neue wirtschaftliche und soziale Erfahrungen gesammelt haben; und wir sammeln sie noch täglich; das Jahr 1967 hat dies, so glaube ich, zur Genüge bewiesen. Erfahrungen, die wir sammelten, erlauben es uns aber auch, unsere gesellschaftspolitischen Ziele und Aufgaben besser zu sehen und zu formulieren und die Instrumente und Wege zur Lösung der Probleme treffender zu gestalten. Das gilt nicht zuletzt auch für den Bereich der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik.
Lassen Sie mich in wenigen Punkten das geltende AVAVG und den Entwurf des Arbeitsförderungsgesetzes gegenüberstellen.
Schon die bisherige Bezeichnung des Gesetzes AVAVG, zeigt, wie damals der Gesetzgeber die Schwerpunkte legte. Es waren die Vermittlung von Arbeitskräften, der jeweilige Ausgleich auf dem Arbeitsmarkt einschließlich der Berufsberatung einerseits und die Arbeitslosenversicherung mit ihrem Beitrags- und Leistungsrecht nach versicherungsrechtlichen Vorstellungen andererseits. Wenn man sich die Systematik des Gesetzes genauer ansieht, so wird einem rasch klar, daß das tragende Gerüst die Konstruktion der Arbeitslosenversicherung war, auf der alle wichtigen Leistungen und die Organisation der Bundesanstalt bis hin zur Anlagepolitik aufbauten.
Das Gesetz entsprach den damals gültigen Auffassungen im wirtschaftlichen und sozialen Leben und den damals anstehenden Problemen. Es ließ aber auch der Selbstverwaltung und der Praxis der Bundesanstalt einen gewissen Spielraum für eine flexible Politik, und ich freue mich, hier feststellen zu können, daß dieser Spielraum in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit meinem Hause zunehmend genutzt werden konnte.
Aber gerade dabei haben wir — wenn ich sage „wir", dann meine ich die Selbstverwaltung der Bundesanstalt, die Sozialpartner und die Bundesregierung — immer wieder die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten erfahren müssen. Ich glaube sogar, daß diese oder jene Regelung, die erforderlich wurde, etwas hart an der Grenze des gesetzlich gezogenen Rahmens herankam, zum mindesten nicht mehr mit den ursprünglichen Intentionen des Gesetzes ganz in Übereinstimmung stand. Sie mögen daraus ersehen: Trotz mancher wohlgemeinter Bemühungen läuft die soziale, technische und wirtschaftliche Entwicklung der Gesetzgebung davon: Das ist der eigentliche Grund dafür, daß wir mit einem neuen Entwurf den Rahmen für eine aktive Beschäftigungspolitik, die mit vielen Instrumenten arbeiten muß, neu und erweitert spannen müssen.
Lassen Sie mich nun zur Zielsetzung des Arbeitsförderungsgesetzes einige Bemerkungen machen.
Lassen Sie mich zunächst auf die Ziele und auf die Gliederung des vorliegenden Entwurfs eingehen. Die Aufgaben der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sind, so glaube ich, nicht isoliert zu sehen. Sie stehen mit drei anderen großen gesellschaftspolitischen Zielsetzungen in einem engen sachbezogenen Zusammenhang: erstens mit einer aktiven Konjunkturpolitik, die auf einen hohen Beschäftigungsgrad ausgerichtet ist, zweitens mit einer Strukturpolitik, die wirtschaftlichen Wandlungen gerecht zu werden versucht und Anpassungen erleichtern will, drittens mit einer modernen Bildungspolitik,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7401
Bundesminister Katzer
die allen Schichten neue Chancen im gesellschaftlichen Status und Fortkommen erschließen will.
Lassen Sie mich zur ersten Zielsetzung, Ergänzung der Konjunkturpolitik, eine Bemerkung hinzufügen. Die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik kann und will selbstverständlich keine Konjunkturpolitik ersetzen. Sie kann und will sie aber sinnvoll ergänzen. In der Vergangenheit gab es kein oder nur ein sehr unzureichendes konjunkturpolitisches Instrumentarium. Man wußte sehr wenig über die richtige, der jeweiligen Konjunkturlage angemessene Verhaltensweise der öffentlichen Haushalte. So ist es zu verstehen, daß die Versicherungsträger der Arbeitslosenversicherung sich gleichsam durch hohe finanzielle Polster selbst gegen das Risiko großer Arbeitslosigkeit zu schützen suchten oder sich sogar der fehlenden konjunkturpolitischen Absicherung wegen schützen mußten. Heute sind wir bereit und imstande, eine wirksame Konjunkturpolitik zu betreiben. Niemand von uns wird dabei auf den Gedanken kommen, zu behaupten, daß wir damit die Gefahr einer größeren Arbeitslosigkeit endgültig und für alle Zeiten gebannt hätten. Aber sicher ist, daß im Falle einer stärkeren Rezession die verantwortlichen Stellen mit allen Kräften der Gefahr einer Massenarbeitslosigkeit entgegenwirken werden.
Damit bekommt aber die Ansammlung von Mitteln der Arbeitslosenversicherung eine besondere Funktion. Das Risiko der Massenarbeitslosigkeit ist durch eine Versicherung nicht abdeckbar. Darin sind sich, soweit ich sehe, die Wissenschaftler längst einig. Das Rücklagevermögen kann in einer solchen Situation nicht helfen. Darum kann der Beitrag zu den Aufgaben der Bundesanstalt stärker den jeweiligen konjunkturpolitischen Erfordernissen angepaßt werden und vor allem das Vermögen der Bundesanstalt in größerem Maße als bisher beschäftigungs- und strukturpolitischen Zwecken dienen.
Dabei ist es ganz selbstverständlich — lassen Sie mich das unterstreichen, meine Damen und Herren —, daß die Zahlung des Arbeitslosengeldes nicht gefährdet werden darf. Wie sich Arbeitsmarkt und Konjunkturpolitik sinnvoll ergänzen können, hat sich im übrigen in den letzten Monaten gezeigt. Die erreichte Zahlung des Kurzarbeitergeldes hat manche unnötige Freisetzung von Arbeitnehmern verhindern können. Damit haben wir auch noch nachträglich eine Rechtfertigung für die damals nicht ganz unumstrittene Maßnahme.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich noch etwas zur Strukturpolitik sagen. Der Zusammenhang zwischen den Aufgaben der Strukturpolitik und der Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungspolitik scheint mir hier noch enger zu sein. Hier liegt der entscheidende Wandel in der Zielsetzung des Entwurfs, der bei allen Maßnahmen bis in die letzten Einzelheiten deutlich wird. Es geht nicht mehr nur darum, sich für den Fall der Arbeitslosigkeit finanziell zu wappnen, sondern darum, Arbeitslosigkeit soweit wie möglich rechtzeitig zu verhüten. Jede Mark, die wir hier einsetzen, ist viel sinnvoller aufgewendet, als wenn wir sie später
in Form von Arbeitslosengeld an die Betroffenen zahlen müßten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Lassen Sie mich nur eine Zahl in diesem Zusammenhang nennen. 10 000 Arbeitslose kosten die Bundesanstalt rund 60 Millionen DM im Jahr. Wenn es uns gelingt, diese 10 000 Arbeitslosen in Beschäftigung zu bringen, dann verdienen sie 100 Millionen DM und zahlen davon naturgemäß ihre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, zur Rentenversicherung, zur Krankenversicherung sowie Steuern etc. Aus diesem Beispiel wird sichtbar, was gemeint ist und wo unsere Aufgabe liegt.
Wirtschaftlich und technisch bedingte Strukturwandlungen — das wissen in diesem Hohen Hause alle — prägen mehr und mehr das Bild der modernen Industriegesellschaft. Sie sind zu einem großen Teil unvermeidbar und gehören, ob man das will oder nicht, zum wirtschaftlichen Fortschritt. Gerade wenn wir ein angemessenes und dauerhaftes Wachstum der Wirtschaft wollen, müssen wir auch strukturelle Änderungen hinnehmen. Sie stellen aber — das darf nicht verkannt werden — hohe und harte Anforderungen an die Berufstätigen. Die Arbeitnehmer müssen in wachsendem Maße beruflich und geistig beweglich und damit anpassungsfähig im Wirtschaftsleben sein. Eine hohe Mobilität der Arbeitnehmer wird auch wie schon in früheren Jahren in dem neuen Jahresgutachten des volkswirtschaftlichen Sachverständigenrates gefordert. Die wachsende Wirtschaft, so sagen die Sachverständigen, kann den Arbeitnehmern hierbei helfen. Die Förderung der Mobilität der Arbeitnehmer ist aber auch die Kernaufgabe, die sich der Entwurf des Arbeitsförderungsgesetzes stellt. Sie könnte geradezu die Überschrift dieses Gesetzes sein. Diese Überschrift könnte heißen: Mobilität der Arbeitskräfte. Strukturwandlungen in einer wachsenden Wirtschaft, eine flexible Berufswahl und Grundausbildung, ständige berufliche Anpassung im Arbeitsleben und Wechsel des Arbeitsplatzes oder auch des Berufs, an diesen wirtschaftlichen und sozialen Erfordernissen hat sich der vorliegende Gesetzentwurf orientiert. Hierauf sind Arbeitsvermittlung, Berufs- und Arbeitsberatung, Statistik und Vorausschau sowie die Förderung der beruflichen Bildung auszurichten. Deshalb heißt es in § 3 des Entwurfs, daß die Bundesanstalt .insbesondere dazu beiträgt, daß die berufliche Beweglichkeit der Erwerbspersonen gesichert und verbessert wird.
Lassen Sie mich zum dritten sagen: Mobilität durch berufliche Bildung. Berufliche Mobilität ist nicht zu trennen von beruflicher Bildung. Diese schafft erst die Grundlage für das Anpassungs- und Umstellungsvermögen der Arbeitnehmer. Darum steht im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs ein System der Förderung der beruflichen Bildung. Diese Förderungsmaßnahmen sollen dem beruflichen Bildungswesen, der Ausbildung, der Fortbildung und der Umschulung den Platz geben, der der Berufsbildung im Rahmen unseres Gesamtbildungswesens zukommt. Ich sage: zukommt, und füge hinzu, daß ich die Sorge habe, daß das noch nicht überall richtig erkannt isst. Ich glaube, wir alle freuen uns, daß der
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Bundesminister Katzer
Bildungspolitik eine immer größere Bedeutung beigemessen wird. Aber mit etwas Sorge verfolge ich den Tatbestand, daß man in der Bundesrepublik Deutschland unter Bildungspolitik überwiegend höhere Schulen, Hochschulen, Technische Hochschulen und nicht den ganzen Bereich der beruflichen Bildung versteht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Deshalb glaube ich, daß wir unseren Beitrag, diese Gesamtschau zu fördern, auch von dieser Debatte aus leisten können und leisten müssen. Wir müssen dafür Sorge tragen, daß mehr davon Notiz genommen wird, daß der weitaus größte Teil der Jugendlichen nach dem Abschluß der Volksschule oder einer Realschule unmittelbar in das Berufs- und Wirtschaftsleben eintritt und sich damit auf diesem Felde die Aufgabe der Weiter- und Aufstiegsbildung stellt. Ich glaube, daß mit dem Arbeitsförderungsgesetz hier andere Akzente gesetzt werden und vor allem auch wirksame Instrumente mit dem nötigen finanziellen Rückhalt zur Bildungsförderung geschaffen werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im zweiten Teil nun einige Schwerpunkte der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Reform ansprechen.
Zunächst eine Bemerkung zur Förderung der beruflichen Bildung. Eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes zeigt, daß 1964 fast ein Drittel aller Erwerbstätigen nicht mehr im erlernten Beruf beschäftigt war. Eine neuere Untersuchung, die fast 7 Millionen Erwerbspersonen erfaßte, zeigt, daß jetzt fast 50% nicht mehr unmittelbar im erlernten Beruf beschäftigt sind. Das heißt — und hier scheint mir ein Umdenkungsprozeß für die Zukunft notwendig —, 50 Jahre Arbeitsleben bedeuten für die Zukunft nicht nur drei Jahre Lehrzeit und dann eine Einbahnstraße auf das 65. Lebensjahr hin, sondern sie bedeuten, daß man sich auf 47 Jahre beruflicher Fortbildung, beruflicher Anpassung, Berufswechsel und Umschulung einrichten muß und sich schon innerlich, geistig — anders als früher — damit abfinden muß, daß man nicht einen Beruf erlernt, um ihn im ganzen Leben zu erfüllen, sondern sich darauf einstellt, daß man ihn erlernt, um dadurch in die Lage versetzt zu sein, ihn im Leben einmal und vielleicht auch mehrmals wechseln zu müssen. Deshalb steht im Mittelpunkt dieses Entwurfs des Arbeitsförderungsgesetzes ein Programm zur systematischen Förderung dieses lebenslangen Lernprozesses. Die wichtigste Bestimmung ist dabei die Gewährung eines Unterhaltsgeldes in Höhe von 120'0/o des in Frage kommenden Arbeitslosengeldes, und zwar in der Regel für einen Zeitraum bis zu zwei Jahren. Jedem, der an einem weiterbildenden Lehrgang oder an einer Umschulung teilnimmt, ist damit sein Unterhalt und der Unterhalt seiner Familie gesichert. Für einen Teil haben wir dies, wie Sie wissen, bereits in der 7. Novelle vorweggenommen.
Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß die Bundesanstalt die Lehrgangskosten, die Kosten für Lernmittel, Fahrkosten,
Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Kranken- und Unfallversicherung mit trägt.
Zur Größenordnung kann ich sagen, daß bereits auf Grund der 7. Novelle und der damit gegebenen Möglichkeiten die Umschulungsmaßnahmen wesentlich zugenommen haben. So haben wir vorgestern in Düsseldorf eine Arbeitsmarktkonferenz gehabt, auf der bekanntgegeben wurde, daß wir allein im Bereich des Landesarbeitsamts Nordrhein-Westfalen im Zeitraum vom 1. Januar 1966 bis zum Oktober 1966 1000 Personen in Umschulungsmaßnahmen hatten, für den gleichen Zeitraum im Jahre 1967 mittlerweile mehr als 4280 Personen.
Das gleiche gilt für den Bereich der Leistungsförderung. Wir haben das Leistungsförderungsgesetz in der letzten Legislaturperiode im Schatzausschuß gemeinsam initiativ gestaltet. Obwohl wir aus finanziellen Gründen den Fonds aus dem VW-Vermögen leider nicht mehr beibehalten konnten und eine Verlagerung auf die Bundesanstalt in Nürnberg vornehmen mußten, ergeben sich für die Leistungsförderung folgende Zahlen. — Herr Kollege Lange, Sie waren damals an diesen Dingen beteiligt. — Von Januar bis Oktober 1966 hatten wir nach dem Leistungsförderungsgesetz 1206 Bewilligungen mit einer Summe von 814 000 DM, im gleichen Zeitraum des Jahres 1967 2764 Bewilligungen mit einer Summe von 1,7 Millionen DM.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um gerade auch an dieser Stelle der Selbstverwaltung der Bundesanstalt, dem Präsidenten und allen seinen Mitarbeitern in sehr herzliches Wort des Dankes für die Arbeit zu sagen, die sie hier geleistet haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß all diese Maßnahmen der Umschulung, .der Fortbildung und insbesondere des Leistungsförderungsprogramms mit dem up-to-dateProgramm wesentliche Voraussetzung für eine verstärkte Bildungsarbeit unserer Frauen sind. Wir ziehen damit auch zum erstenmal eine Konsequenz aus der Frauenenquete, die wir dem Hohen Hause im vergangenen Jahr vorgelegt haben. Was war denn, in einem Globalsatz zusammengefaßt, das Ergebnis dieser Frauenenquete? Im wesentlichen die Feststellung, daß hier der größte Nachholbedarf liegt, wenn ich das einmal so nennen darf, und daß wir für eine bessere Ausbildung unserer Frauen sorgen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Weil das nicht der Fall gewesen ist, sind die schlimmsten Schädigungen entstanden. Deswegen freue ich mich, daß das Leistungsförderungsprogramm gerade für unsere Frauen Möglichkeiten gibt, und zwar nicht nur für eine Frauenerwerbstätigkeit im allgemeinen Sinne, sondern gerade für die qualifizierte Mitarbeit der Frau, gerade auch für die Frauen, die in der dritten Phase sind, die eine Berufsausbildung hinter sich haben, einen qualifizierten Beruf ergriffen und dort wirklich tüchtige Arbeit geleistet haben und dann ,geheiratet und ihre Kinder großgezogen haben, aber noch jung genug sind, um — nicht etwa nur aus materiellen
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7403
Bundesminister Katzer
Gründen, sondern sehr wohl aus ideellen Gründen, weil sie Freude am Schaffen, an der Leistungsmöglichkeit haben — noch einen Beruf zu ergreifen. Ihnen müssen wir die Chance geben, die Kenntnisse wieder aufzufrischen, die sie im Lauf ihrer Hausfrauentätigkeit verlernt haben, und Kenntnisse neu zu erwerben, die die technische Entwicklung heute verlangt. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt, und wir werden diese Möglichkeiten — davon bin ich überzeugt — auch in den Ausschußberatungen noch mehr in den Vordergrund rücken können.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein weiteres Problem ansprechen. Ich glaube, wir müssen in Zukunft mehr als bisher davon ausgehen, daß niemand — und da spielt ja Selbständig- und Unselbständigsein keine große Rolle — von dem wirtschaftlichen Wandlungsprozeß, von dem Wandel in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsstruktur unberührt bleibt. Deshalb beschränkt das Arbeitsförderungsgesetz die Förderung der Fortbildung und Umschulung nicht auf Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Voraussetzung ist im allgemeinen nur, daß die Fortsetzung oder Aufnahme einer Arbeitnehmertätigkeit angestrebt wird.
Auch diejenigen, die selbständig tätig sind und diese Tätigkeit beibehalten, sich aber weiterbilden wollen, können in Zukunft gefördert werden, wenn sie früher eine angemessene Zeit als Arbeitnehmer Beiträge an die Bundesanstalt entrichtet haben.
Die berufliche Anpassung des einzelnen kann, so glaube ich, dabei um so reibungsloser vollzogen werden, je mehr Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung auf einer möglichst breiten beruflichen Grundausbildung aufbauen. Im Bundestagsausschuß für Arbeit liegen noch die Entwürfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der FDP-Bundestagsfraktion aus der letzten Regierung für ein Berufsausbildungsgesetz. Daraus ergibt sich schon naturgemäß ein Sachzusammenhang mit der parlamentarischen Beratung des Arbeitsförderungsgesetzes. Damit ist, glaube ich, auch sichergestellt, daß der notwendige Zusammenhang aller Fragen der beruflichen Bildung gesehen wird.
Lassen Sie mich zu dem Punkt, der heute hier nicht zur Erörterung steht, nur so viel sagen: Grundausbildung, anschließende Fortbildung und daraus unter Umständen wieder in einer dritten Phase eine neue Grundausbildung sind so eng miteinander verbunden, daß wir sie nicht trennen können. Auch wenn wir getrennte Gesetzgebungsvorgänge haben, sollten wir sie einheitlich als Ganzes sehen.
Die Durchführung eines solchen umfassenden Programms beruflicher Bildung und Fortbildung erfordert unter Umständen auch neue Einrichtungen, vor allem als Zentren in Gebieten, die in besonderer Weise durch strukturelle Wandlungsprozesse betroffen sind. So sollen vor allem bestehende Bildungsstätten erneuert und modernisiert werden, so soll auch die Möglichkeit gegeben werden, überbetriebliche Lehrlingswerkstätten zu fördern, vor allem Institutionen, die Lehrprogramme entwickeln oder nach neuen pädagogischen, psychologischen und arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen Ausbilder für alle Zweige eines modernen beruflichen Bildungswesens ausbilden. In all diesen Fällen kann die Bundesanstalt Zuschüsse und Darlehen mit langer Laufzeit gewähren.
Lassen Sie mich dabei aber folgendes ausdrücklich betonen. Es geht nicht darum, daß die Bundesanstalt etwa den Ehrgeiz entwickelte, hier in eigener Regie möglichst zahlreiche Bildungseinrichtungen selbst zu schaffen und zu unterhalten. Sie sollte vielmehr den Ehrgeiz darin sehen, den Organisationen der Wirtschaft, der Sozialpartner, den Gebietskörperschaften, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, die solche Einrichtungen haben, wirksame Unterstützung zuteil werden zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich damit einen dritten Punkt ansprechen: die Arbeitsmarkt- und Berufsförderung. Mit der Aufgabe einer systematischen Förderung der beruflichen Mobilität ergibt sich für die Bundesanstalt eine Erweiterung der Grundlagen ihrer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik. Die Bundesanstalt soll in Zukunft regelmäßig statistische Erhebungen über die Beschäftigten durchführen und die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ausbauen, um zu längerfristigen Voraussagen zu kommen, Denn gerade auch derjenige, der schon länger im Berufsleben steht, soll die Möglichkeit haben, sich in Zukunft laufend Rat zu holen.
Unter dem Stichwort „Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen" sind eine Anzahl wichtiger Verbesserungen, die dieses Gesetz bringt, zusammengefaßt:
1. Das Kurzarbeitergeld soll in Zukunft nicht nur bei Auftragsmangel, sondern auch zur Überbrückung einer strukturellen Anpassung dier Betriebe oder auch bei der vorübergehenden Stilllegung gewährt werden. Der Bemessung soll in Zukunft das volle Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden.
2. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Neuregelung des Schlechtwettergeldes sah einen Zuschlag in Höhe von 5 % des Eckstundenlohns für Maurer vor. Diese Regelung wurde durch einen Beschluß des Hohen Hauses vorgezogen und tritt nunmehr bereits am 1. Januar 1968 in Kraft.
3. Eine entscheidende Neuerung wird in der produktiven Winterbauförderung eingeführt. Da sich die Gewährung von Zuschüssen an die Bauherren bisher nicht bewährt hat, sollen sie durch Zuschüsse an die Unternehmen des Baugewerbes ersetzt werden. Dabei gehen wir davon aus, daß die Baustelle so geschützt wird, daß die Bauarbeiten bei Winterwetter ohne Unterbrechung fortgeführt werden können. Ich habe die Hoffnung und die Zuversicht, daß wir damit dem Ziel einer ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft einen erheblichen Schritt näherkommen.
4. Die Voraussetzungen zur Eingliederung schwer zu vermittelnder Personen, insbesondere älterer Arbeitnehmer, in dien Arbeitsprozeß werden wesentlich verbessert. Die vom AVAVG gezogenen Rah-
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Bundesminister Katzer
men der „Wertschaffenden Arbeitslosenhilfe" ermöglichten nur noch in geringem Umfang die Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitslose. Erweiterte Vorschriften sollen nunmehr die Möglichkeiten einer wirkungsvolleren Hilfe geben.
Auch in Zukunft werden Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe ihre wichtigen Funktionen behalten. Nach Vorwegnahme der Leistungsverbesserung am 1. April dieses Jahres soll jetzt die materielle Voraussetzung verbessert und die Leistungsbemessungsgrenze jährlich an die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt werden.
Lassen Sie mich schließlich noch eine Bemerkung zur Anlagepolitik und zur Liquidität der Bundesanstalt machen. Nur in geringem Maße war es bisher möglich, die Rücklagen der Bundesanstalt für Maßnahmen einer produktiven Beschäftigungspolitik einzusetzen. Es bestand die Gefahr, daß die Liquidität bei zu starker Bindung der Mittel im Falle größerer Arbeitslosigkeit nicht genügend gesichert erschien. Die Finanzierungs- und Anlagepolitik soll nunmehr auf eine neue Grundlage gestellt werden. In Zukunft soll zwischen einer Schwankungsreserve, die eine sehr hohe Liquidität der Anstalt sichern soll, und einer Rücklage, die für längerfristige strukturpolitische Aufgaben eingesetzt werden kann, unterschieden werden.
Die Schwankungsreserve soll kurzfristig angelegt werden, und zwar zu zwei Drittel im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank in Geldmarktpapieren. Diese Art der konjunkturneutralen Anlage macht es möglich, im Falle einer größeren Arbeitslosigkeit auf die Rücklage zurückzugreifen, ohne damit die wirtschaftliche Rezession zu verschärfen. Die Schwankungsreserve soll im allgemeinen mindestens 2 % der Arbeitsentgelte betragen, von denen im letzten Kalenderjahr Beiträge erhoben wurden. Das sind zur Zeit rund 3,3 Milliarden DM. Sollte die Schwankungsreserve nicht ausreichen, so soll der Bund mit Darlehen bis zur Höhe der gesamten Rücklage einspringen. Darüber hinaus muß der Bund Zuschüsse nach Art. 120 des Grundgesetzes gewähren.
Diese Regelung ist in enger Verbindung mit der Bundesbank erarbeitet worden. In ihrem soeben herausgekommenen neuesten Monatsbericht hat die Bundesbank die Schwankungsreserve ausdrücklich begrüßt und als eine Lösung bezeichnet, die sich mit stabilisierender Wirkung in die derzeitige Konjunkturpolitik einfügt. Auf diese Weise wird Raum geschaffen für langfristige Investitionskredite an Wirtschaft und Gemeinden, und zwar zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und zur Verbesserung der Infrastruktur. Diese strukturpolitisch wichtigen Finanzierungsaufgaben können auf diese Weise unabhängig von Konjunktur- und Liquiditätsbedürfnissen durchgeführt werden. In dieser Woche haben wir auf der Arbeitsmarktkonferenz in Düsseldorf für den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen diesen Problemkreis eingehend erörtert. Alle Beteiligten, der Ministerpräsident des Landes und die beteiligten Herren der Wirtschaft und der Gewerkschaften, hoffen, daß wir auf diesem Wege einen Beitrag leisten können
zur Meisterung der Strukturprobleme an Rhein und Ruhr.
Zusammenfassend darf ich feststellen: Durch diese neue kombinierte Anlagepolitik können die Mittel der Beitragszahler zu einem erheblichen Umfang produktiv in der Wirtschaft eingesetzt werden und arbeiten, ohne daß es zu einer Einschränkung der Liquidität der Bundesanstalt kommt; im Gegenteil, sie wird gegenüber dem geltenden Recht sogar erheblich verbessert.
Zum Schluß lassen Sie mich noch auf einen Einwand eingehen, der in der bisherigen Diskussion, die mehr als ein Jahr in der Öffentlichkeit geführt wird, immer wieder gegen die ausschließliche Finanzierung der neuen Aufgaben der Bundesanstalt aus Beiträgen der Arbeitgeber und der Versicherten erhoben wird. Es wird gesagt, Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Förderung der beruflichen Bildung seien Aufgaben der Allgemeinheit, die aus Steuermitteln und nicht aus Beitragsgeldern zu finanzieren seien. Nun, ich bin sicherlich der letzte, der bestreitet, daß diese Betrachtungsweise eine Berechtigung hat. Aber ich möchte jenen, die so argumentieren, zu bedenken geben: das Arbeitsförderungsgesetz ermöglicht die Lösung zahlreicher Aufgaben, deren Dringlichkeit angesichts des Strukturwandels an Rhein, Ruhr und Saar wohl von niemandem mehr bestritten werden kann. Hier stellt sich für uns einfach zwingend und gebieterisch die Frage: Wollen wir diese Aufgaben, die wir als dringend ansehen, anpacken, oder verzichten wir so lange darauf, bis der Bundeshaushalt eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln gestattet, nur weil uns die jetzige Finanzierung nicht befriedigt? Das ist die Fragestellung, vor der wir stehen, und deshalb habe ich mich für diese Art der Finanzierung ausgesprochen.
Dennoch nimmt die Bundesregierung die Einwendungen, die erhoben werden, nicht leicht. In § 233 ist vorgesehen, daß die Bundesregierung bis zum Ende des Jahres 1974 einen Erfahrungsbericht über die Förderung der beruflichen Bildung erstattet und gegebenenfalls Vorschläge für die Neuregelung der Finanzierung vorlegt. Bis dahin wird sich übersehen lassen, ob die Zahl der Personen, die nicht zu dem beitragspflichtigen Personenkreis gehören, so groß ist, daß eine andere Finanzierung, also eine Finanzierung durch die öffentliche Hand, notwendig ist.
Lassen Sie mich aber hier mit allem Freimut sagen: ich habe die sehr große Sorge, daß wir ein Instrumentarium schaffen, das für diejenigen, an die wir uns wenden, eine so große Herausforderung bedeutet, daß wir alle mit dazu beitragen müssen, die Menschen dazu zu bringen, von den Möglichkeiten, die wir ihnen schaffen, Gebrauch zu machen. Die Finanzsorgen sollten uns erst in zweiter Linie bedrücken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Mit diesem Entwurf legt die Bundesregierung das Konzept einer Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik vor, die auf lange Sicht den Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels für unsere Menschen begegnen und einen Beitrag leisten will zur Anpassung unserer gesellschaftlichen Struktur an die Erfordernisse des technischen Fortschritts.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7405
Bundesminister Katzer
Von diesem Gesetzentwurf — ich wiederhole das nachdrücklich — sind keine Wunderdinge auf dem Verordnungswege zu erwarten. Er erzwingt und reglementiert keinen Fortschritt. Er bietet jedoch einen breiten Fächer von neuen Möglichkeiten für alle Leistungswilligen, Aufstiegswilligen, für alle privaten und öffentlichen Einrichtungen, die mitarbeiten an der Aufgabe, dafür zu sorgen, daß der technische Fortschritt in jeder Phase auch ein Fortschritt für unsere Gesellschaft, ein Fortschritt für den Menschen ist.
Somit ist dieser Gesetzentwurf der Entwurf eines praktischen Stücks Gemeinschaftswerk, das Anregungen und Mittel bereithält für die gemeinsame Lösung großer Aufgaben der Gesellschaft. Davon ist in den letzten Jahren viel gesprochen worden. Ich meine, hier liegt ein guter Ansatz und vielleicht ein Modell für gleichartige Bemühungen auf anderen Gebieten vor.
Lassen Sie mich schließen mit der sehr herzlichen Bitte, den Entwurf in den Ausschüssen zügig zu beraten. Denn die Aufgaben werden dringender. Wir brauchen ein höheres Maß an Mobilität, wir brauchen Produktivität und Wirtschaftswachstum, wir brauchen Hilfsmittel, um auf diesem Gebiete weiterzukommen, Hilfsmittel, um den arbeitenden Menschen zu dienen. Dazu dient dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung.

(Beifall bei .den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514328100
Das Wort hat der Abgeordnete Müller (Remscheid).

Adolf Müller (CDU):
Rede ID: ID0514328200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mit dem Beschluß dieses Hohen Hauses beginnen, der im Juni 1966 gefaßt worden ist und der die Bundesregierung ersucht, eine Novelle zum AVAVG vorzulegen. Aber ich möchte in meinen Ausführungen noch einige Monate weiter zurückgehen. Ich möchte daran erinnern, daß diesem Beschluß des Hohen Hauses ein Antrag meiner Fraktion zugrunde lag, der die leicht einprägsame Drucksachennummer 222 hatte. Dieser Antrag Drucksache V/222 war von Abgeordneten initiiert, die insbesondere in der Arbeitsmarktpolitik zu Hause sind. Er wurde von der Gesamtfraktion übernommen. Er hatte zum Inhalt, die Bundesregierung zu ersuchen, eine Novelle zum AVAVG mit dem Ziel zuzuleiten, die Vorschriften des Gesetzes an den technischen Fortschritt und die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Das Instrumentarium der Maßnahmen sollte so ausgestaltet werden, daß unerwünschte soziale Folgen, die sich aus dem technischen Fortschritt und den Strukturveränderungen ergeben könnten, durch eine gezielte Beschäftigungs- und Berufspolitik verhindert würden. Ferner wurde die Bundesregierung ersucht, die Berufsforschung zu fördern.
Als wir diesen Antrag stellten, haben wir sicher alle nicht geglaubt, daß als Ergebnis dem Hohen Hause ein solch dicker Gesetzentwurf vorgelegt würde. Das zeigt aber auch, wie groß die Problematik ist, die wir mit dem damaligen Antrag angeschnitten haben. Wir haben Verständnis dafür, daß eine Novellierung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung nicht aus reichte, sondern daß es zu diesem neuen Gesetzentwurf kommen mußte.
Der wesentliche Unterschied ist: bisher lag der Schwerpunkt des AVAVG in der Beseitigung der Arbeitslosigkeit und in den Leistungen an Arbeitslose. Das Arbeitsförderungsgesetz legt nun die Betonung auf die Verhütung der Arbeitslosigkeit, ohne die bisherigen Leistungen etwa zu vernachlässigen. Das Arbeitsförderungsgesetz will also an Bewährtem festhalten, aber neue Wirkmöglichkeiten der Arbeitsmarktpolitik, einer aktiven Arbeitsmarktpolitik schaffen.
Ich habe die Aufgabe, als Sprecher der CDU/CSU-Fraktion einige Schwerpunkte aufzuzeigen. Weitere Einzelabschnitte sollen in kurzen Beiträgen von Fraktionskolleginnen und -kollegen noch behandelt werden. Lassen Sie mich aber zuvor ein sehr herzliches Wort des Dankes und der Anerkennung an die Bundesregierung und vor allem an Herrn Bundesarbeitsminister Katzer sagen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

der es verstanden hat, die Problematik des Gesetzes nicht nur hier so anschaulich zu schildern, sondern auch in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck zu bringen. Dieser Entwurf läßt die enorme Arbeit und die vielfältigen Bemühungen des Ministeriums erkennen. Wir alle wissen, wie viele Einzelgespräche, wie viele Verhandlungen mit den Sozialpartnern und der Selbstverwaltung der Bundesanstalt vorausgegangen sind, bis dieser Entwurf auf dem Tisch lag.
Unser Antrag vom Januar 1966 hatte drei Schwerpunkte: die Verbesserung der materiellen Leistungen, die Verbesserung der Wirkmöglichkeiten in der Arbeitsmarktpolitik und als Voraussetzung dazu Berufs- und Arbeitsmarktforschung.
Zu den materiellen Leistungen darf ich vielleicht kurz auf die siebte Novelle verweisen, die am 1. April dieses Jahres in Kraft getreten ist. Hiermit haben wir — ebenfalls auf Anregung des Herrn Bundesarbeitsministers — die Leistungen angehoben, nachdem im vergangenen Winter die Arbeitslosenzahlen angestiegen waren. Wir haben damals den Hauptbetrag des Arbeitslosengeldes angehoben, ebenso der Arbeitslosenhilfe; der Familienzuschlag ist verbessert worden, ebenso das Kurzarbeitergeld, das Schlechtwettergeld und die Stillegungsvergütung.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat schon davon gesprochen — ich möchte das hier noch einmal unterstreichen —, daß wir mit der Neueinfügung der materiellen Leistungen des Unterhaltsgeldes für Umschüler und der Eingliederungsbeihilfe einen Vorgriff auf dieses Arbeitsförderungsgesetz getan haben. Damit haben wir erreicht, daß die in der Umschulung begriffenen Arbeitslosen 120% des Arbeitslosengeldes erhalten. Diejenigen, die auf dem Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln sind, be-
7406 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Müller (Remscheid)

kommen den Tariflohn, ihr Arbeitgeber kann eine
solche Eingliederungsbeihilfe in Anspruch nehmen.
Das zweite war die Anpassung an den technischen Fortschritt und die schnelle Wandlung der Berufe und des Arbeitsmarktes. Hier liegt der neue Schwerpunkt des Gesetzes: eine aktive Arbeitsmarktpolitik sowohl in der Arbeitsvermittlung wie der Berufsberatung und der Gesamtförderung der beruflichen Bildung, ob das jetzt die berufliche Erstausbildung, die berufliche Fortbildung oder die Umschulung ist, aber nicht zu vergessen auch die Rehabilitation.
In der Arbeitsvermittlung, so sagt dieser Gesetzentwurf, sollen die bewährten Grundsätze beibehalten werden. Sie sollen nur durch den Begriff der Arbeitsberatung vervollständigt werden, d. h. also einer Beratung bei Wahl oder Besetzung von Arbeitsplätzen und möglicher beruflicher Bildung.
Einen ganz besonderen Schwerpunkt dieses Abschnitts sehe ich in der Berufsberatung. Lassen Sie mich das einmal etwas einfach ausdrücken, indem ich sage, es geht hier nicht um die Beratung und Vermittlung in eine, sondern in die Lehrstelle, die der Eignung und der Leistungsmöglichkeit des Jugendlichen entspricht. Sehen Sie, wie schnell sich die Zeiten wandeln! Noch vor einigen Jahren hat in der Sendung „Soll und Haben" des Westdeutschen Rundfunks Herr Wesemann davon gesprochen, wir hätten soviel freie Lehrplätze, was wollte eigentlich die Arbeitsverwaltung noch mit der Berufsberatung; die Lehrlinge sollten sich irgendwie eine Lehrstelle suchen, und wenn sie nach einer gewissen Zeit festgestellt hätten, daß der Beruf nichts für sie sei, könnten sie in einem neuen Beruf anfangen. Wie schnell eine solche liberalistische Auffassung von der Berufsfindung überholt ist, das zeigt doch wohl die heutige Zeit. Es kommt doch heute darauf an, nicht nur einen Beruf zu finden, der heute vielleicht eben noch gefragt ist, sondern in einen Beruf zu vermitteln, der auch morgen noch Zukunft hat. Dazu ist eben die Berufsforschung notwendig. Die Bundesanstalt hat ja bekanntlich in Erlangen, an die Bundesanstalt angeschlossen, ein Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gegründet. Ich meine aber, daß es nicht ausreicht, wenn die Berufsforschung nur an diesem Institut in Erlangen betrieben wird. Ich glaube, daß es eine sehr vornehme Aufgabe der deutschen Hochschulen wäre, auch hier Berufsforschung zu betreiben.
Mitten im Ruhrgebiet in Bochum steht die sogenannte Ruhruniversität, und ich weiß, daß dort keine Berufsforschung betrieben wird. Man sollte also eigentlich dem Lande Nordrhein-Westfalen und auch der Hochschule in Bochum einmal dieses besondere Anliegen vorhalten.
Die Förderung der beruflichen Bildung ist also das Kernstück des Gesetzes. Die Bundesanstalt hat auch bisher schon sowohl 'die individuelle wie die institutionelle Förderung der Berufsausbildung betrieben. Diese Aufgaben sollen nunmehr erweitert werden. Erweitert werden soll aber auch der zu fördernde Personenkreis.
Damit ist das Stichwort .der beruflichen Mobilität gegeben, das auch der Herr Bundesarbeitsminister in seinen Ausführungen sehr eingehend dargestellt hat. Ich habe den Eindruck, daß in der öffentlichen Diskussion dieses Wort der beruflichen Mobilität fast schon zu einem Schlagwort geworden ist. Ich möchte die Frage aufwerfen: Berufliche Mobilität — Schlagwort oder Notwendigkeit? Ich möchte mich ganz nachdrücklich für das Letztere entscheiden. Nicht nur die berufliche, sondern auch die regionale Mobilität sind eine dringende Notwendigkeit. Das setzt schon in der beruflichen Erstausbildung ein. Hier soll durch Zuschüsse und Darlehen gefördert werden. Das setzt sich nun in der beruflichen Fortbildung fort, um höhergesteckte Berufsziele zu erreichen, weil berufliche Leistung Voraussetzung gesellschaftlichen Aufstiegs und persönlicher Daseinserfüllung ist.
Umschulung ist aber ebenfalls dringend notwendig, um ,der schnellen Wandlung der Technik und der Änderung der Wirtschaftsstruktur zu begegnen. Ich will nicht alles wiederholen, was der Bundesarbeitsminister bei der Einführung des Gesetzes gesagt hat; aber vielleicht kann man das noch unterstreichen: diese Umschulung und .die Förderung der Umschulung nicht nur als Maßnahme zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit, sondern rechtzeitige Umschulung, um Arbeitslosigkeit zu verhindern.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Neben den Arbeitnehmern sollen nun auch Selbständige einen Anspruch auf die ,Förderung ihrer beruflichen Fortbildung und Umschulung haben, wenn sie in ihrem früheren Erwerbsleben eine angemessene Zeit als Arbeitnehmer tätig waren oder künftig als Arbeiter oder Angestellte tätig werden sollen. Ingesamt soll .dieses Gesetz den anspruchsberechtigten Personen Rechtsansprüche auf die genannten Leistungen geben.
Nun lassen Sie mich in .diesem Zusammenhang ein Problem behandeln, das in der öffentlichen Diskussion und auch im Bundesrat angesprochen worden ist und zu Meinungsverschiedenheiten geführt hat. Der Bundesrat hat zum Ausdruck gebracht, daß Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Berufsausbildung, Fortbildung und Umschulung öffentliche Dienstleistungen sind, die ja nicht nur den Versicherten 2u gewähren sind; für solche öffentlichen Dienstleistungen dürften die Beiträge der Bundesanstalt nicht verwandt werden; es sollten aber auch keine Gebühren erhoben werden. Auch der Bundesrat ist sich über die Dringlichkeit dieser Aufgabe und des Ausbaus dieser Leistungen durchaus im klaren. Da gibt es keinen Zweifel.
Ich möchte die Meinung meiner Fraktion dahingehend zum Ausdruck bringen, daß wir die Vordringlichkeit der Aufgabe sehen und damit der Aufgabe den Vorrang geben; denn wir können nicht auf die Gesundung der Staatsfinanzen warten. Damit ist weder der Wirtschaft noch den Arbeitnehmern geholfen. Ich meine, wir sollen in das Gesetz einen Merkposten einfügen, vielleicht auch einen deutlichen Hinweis darauf, daß diese Aufgaben Aufgaben der Gemeinschaft sind. Auch ich möchte betonen, daß Ausbildungsförderung nicht

Müller (Remscheid)

einseitig in bezug auf Hochschulen und Akademien zu sehen ist. Der Grundsatz der Gerechtigkeit verlangt einfach eine gleiche Förderung auch bei der Berufsausbildung. Jetzt aber, meine Damen und Herren, muß schnell und umfassend gehandelt werden, um berufliche Mobilität als Voraussetzung gesunder Sozial- und Wirtschaftspolitik zu gewährleisten.
Eine zweite Bemerkung zu diesem Abschnitt, um damit auch die Auffassung des Herrn Bundesarbeitsministers zu unterstreichen, daß dieses Arbeitsförderungsgesetz und .das Berufsausbildungsgesetz miteinander verzahnt werden müssen. Es sind zwei Gesetze mit verwandter Problematik. Es sind zwei Schwerpunktgesetze, die wir auch zeitlich aufeinander abstimmen müssen. Wir stellen uns zwar auf den Standpunkt, daß das Arbeitsförderungsgesetz auf Grund der gesamten Situation Vorrang hat, aber ich möchte hier nachdrücklich zum Ausdruck bringen, daß meine Freunde und ich .der Meinung sind, daß wir uns alle zu bemühen haben, um möglichst gleichzeitig mit dem Arbeitsförderungsgesetz in der Frage des einheitlichen Berufsausbildungsgesetzes weiterzukommen. Die Sachverständigenanhörung zu diesem Problemkreis im Juni dieses Jahres hat uns in dieser Auffassung bestätigt.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Zur materiellen Seite dies Arbeitsförderungsgesetzes! Wir begrüßen die Verbesserungen bezüglich der Erleichterung des Bezugs von Kurzarbeitergeld und des Zuschlags zum Schlechtwettergeld, den wir ja auch schon für diesen Winter in der vergangenen Woche hier im Deutschen Bundestag beschlossen haben. Wie meinen aber auch, daß es richtig ist, die produktive Winterbauförderung einzubeziehen. Die sozialpolitische Seite des Bauens im Winter ist durch die Schlechtwettergeldregelung vorzüglich gelöst. Was nicht gelöst ist, ist die volkswirtschaftliche Seite des Problems des Bauens im Winter. Hier setzt nun der Gesetzentwurf ein, der bestimmt, daß die Bauunternehmer, die in den Monaten Januar und Februar bauen, einen Zuschuß bekommen. Ich glaube, in diesem Zusammenhang muß man ebenfalls darauf hinweisen, daß die Sozialpartner in der Bauwirtschaft in einer anerkennenswerten Weise in Verhandlungen eingetreten sind, um auch von sich aus das Bauen im Winter produktiv zu fördern.
Wir begrüßten auch die Hilfe für die schwer zu vermittelnden Arbeitnehmer. Wir wissen, daß es sogenannte Kummerecken des Arbeitsmarkts gibt. Dabei sind insbesondere die älteren Arbeitnehmer zu nennen.
Noch einige Bemerkungen zum Thema Arbeitslosenversicherung. Auch da möchte ich noch einmal den Bundesrat zitieren. Der Bundesrat möchte in dem Namen sowohl des Gesetzes als auch der Bundesanstalt den Begriff der Arbeitslosenversicherung verankert haben, also nicht: „Bundesanstalt für Arbeit", sondern „Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitslosenversicherung". Wir geben den Namen „Bundesanstalt für Arbeit" und „Arbeitsförderungsgesetz" den Vorzug, ohne etwa die materiellen Leistungen zu verniedlichen. Aber die Bundesanstalt ist eben keine Versicherungsanstalt schlechthin, sondern ein sozialer Versicherungsträger. Auch ich möchte hier zum Ausdruck bringen, daß Arbeitslosigkeit im letzten doch nicht versicherbar ist.
Vielleicht darf ich das mit zwei, drei Zahlen deutlich machen. Bei einem gleichbleibenden monatlichen Bruttoarbeitsentgeld von 800 DM zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen monatlich 10,40 DM an Beiträgen, also je 5,20 DM. Arbeitnehmer und Arbeitgeber bringen in einem Jahr also insgesamt 124,80 DM an Arbeitslosenversicherungsbeiträgen auf. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung von 52 Wochen führt zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 26 Wochen. Das für diese Zeit von 26 Wochen zu zahlende Arbeitslosengeld beläuft sich für ein Ehepaar ohne Kinder, also mit einem Familienzuschlag, auf 2574 DM. Um diesen Betrag aus Beitragseinnahmen zu decken, müßten der Versicherte und sein Arbeitgeber bei einem gleichbleibenden Arbeitsentgelt von 800 DM und bei einem gleichbleibenden Beitragssatz 201/2 Jahre lang Beiträge entrichten. Ich möchte eine zweite Zahl nennen. Wenn das Bruttoarbeitsentgelt monatlich 1300 DM beträgt, dann sind es rund 19 Jahre, die dazu notwendig sind.
Wenn man diese Zahlen sieht, muß man, glaube ich, erkennen, daß Arbeitslosigkeit als zu versichernder Tatbestand Beiträge zur Folge hätte, die mit den heutigen einfach nicht verglichen werden können. Sie kennen die Entwicklung der Beiträge: von 6,5 % vor einigen Jahren eine laufende Reduzierung auf jetzt 1,3%, und trotzdem bis zum Jahre 1966 stets steigende Rücklagen infolge der ausgezeichneten Beschäftigungssituation in der Bundesrepublik.
Damit bin ich bei dem letzten Punkt, den ich anschneiden wollte, dem gezielten Einsatz der Rücklagen als Teil einer aktiven Arbeitsmarktpolitik: einmal als echte Rücklage für die materiellen Leistungen — das ist dringend notwendig, wir haben es ja in den vergangenen Monaten gesehen — und zum anderen als Mittel der Strukturförderung, um arbeitsmarktpolitisch bedeutsame Vorhaben zu unterstützen.
Ich glaube, an dieser Stelle ist es auch von den Parlamentariern her notwendig, einmal anzuerkennen, was die Bundesanstalt schon bisher für die Struktur- und Wirtschaftsförderung getan hat. Ich nenne als Beispiele die Länder Bayern und Schleswig-Holstein. Aber nunmehr ist eine strukturelle Hilfe für das Land Nordrhein-Westfalen dringend notwendig. Auch hier zur Illustration einige wenige Zahlen, um das deutlich zu machen.
Die Zahl der Arbeitslosen im Bundesgebiet ist im November um etwas über 34 000 auf 395 000 gestiegen. Der Prozentsatz der Arbeitslosigkeit stieg von 1,7 auf 1,8. Aber die Beschäftigungslage ist in der Bundesrepublik sehr unterschiedlich. Das Land Baden-Württemberg hat eine Arbeitslosenquote von 0,6 % und eine effektive Zahl von 18 687, während Nordrhein-Westfalen 2,1% und eine Zahl von 129 216 hat. An der Spitze liegt — Datum: 30. November — nach wie vor der Arbeitsamtsbezirk Gel-
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Müller (Remscheid)

senkirchen mit 5,5 %, und 11 835 Arbeitslosen; es folgt der Arbeitsamtsbezirk Bochum mit 4,7 % und 11 460 Arbeitslosen. Ich muß also feststellen, daß zwei Arbeitsamtsbezirke in Nordrhein-Westfalen zusammen eine höhere Arbeitslosenzahl haben als das gesamte Land Baden-Württemberg.
Hier wird deutlich, daß zur Schaffung neuer Arbeitsplätze dringend etwas getan werden muß. Ich sehe daher auch die Strukturförderung und den Einsatz der Rücklagen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze als vordringliche Aufgabe, wobei man sich über die Finanzierung bzw. die Sicherung, die im Gesetz eingebaut worden ist — und die ich für ausreichend halte —, sicherlich noch unterhalten kann.
Die Arbeitsmarktpolitik muß sich an sozialen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten ausrichten. Bei allen Maßnahmen muß man diese Doppelfunktion der Bundesanstalt für den Menschen und für die Wirtschaft sehen. Bisherige gesetzliche Regelungen, die sich in der Vergangenheit durchaus bewährt haben, reichen eben beim schnellen Wandel der Technik und der Wirtschaftsstruktur nicht mehr aus. Arbeitsmarktpolitik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist auch nicht mehr in erster Linie Zahlung von Arbeitslosengeld oder Notstandsarbeit mit Spitzhacke und Schaufel, sondern sinnvoller Einsatz aller notwendigen und möglichen finanziellen und organisatorischen Mittel, um Arbeitslosigkeit nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu beseitigen. Das Arbeitsförderungsgesetz ist ein mutiger Schritt zur modernen Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik und damit der gesamten Arbeitswelt.
Die Fraktion der CDU/CSU, insbesondere die Kollegen im Ausschuß für Arbeit, werden ihre ganze Kraft zur schnellen Verwirklichung dieses Gesetzes einsetzen. Wir beantragen die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit — federführend —, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — dabei sollte man überlegen, ob sich nicht der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen gutachtlich dazu äußern sollte —, außerdem an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514328300
Das Wort hat der Abgeordnete Folger.

Erwin Folger (SPD):
Rede ID: ID0514328400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Die bisherige Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung soll in Zukunft „Bundesanstalt für Arbeit" heißen. Das wird nicht nur eine Umbenennung sein, sondern ein Kennzeichen, daß der Bundesanstalt für Arbeit neue Aufgaben zugewachsen sind, daß die Pflöcke weiter hinausgesteckt werden müssen. Bisher hatte die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom Gesetz her die Aufgaben der Arbeitsvermittlung, der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe. Durch Rechtsverordnungen sind ihr im Laufe der Zeit noch einige andere Aufgaben übertragen worden wie die Förderung der Arbeitsaufnahme in Berlin, die Gewährung von
Anpassungsbeihilfen, die Beihilfen zur beruflichen Fortbildung. Jetzt soll der Bundesanstalt für Arbeit durch Gesetz außer den bisherigen Aufgaben eine Reihe von neuen Aufgaben übertragen werden. Der Herr Bundesminister für Arbeit und der Herr Kollege Müller haben sie schon erwähnt; ich will sie nur noch stichwortartig zusammenfassen: Förderung der beruflichen Bildung, Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Die Bundesanstalt soll dazu beitragen, daß Arbeitslosigkeit und Mangel an Arbeitskräften vermieden oder behoben werden, daß weiter die berufliche Beweglichkeit der Erwerbspersonen gesichert und verbessert wird. Meines Erachtens müßte es bei dieser Aufgabe in einem der ersten Paragraphen des Gesetzentwurfs nicht heißen „gesichert", sondern „hergestellt". Eine berufliche Beweglichkeit, so wie wir sie uns für die Zukunft vorstellen, haben wir nämlich im großen ganzen noch nicht; sie muß erst hergestellt werden.
Weiter soll die Bundesanstalt dafür sorgen, daß nachteilige Folgen aus der technischen Entwicklung oder aus wirtschaftlichen Strukturwandlungen vermieden, ausgeglichen oder beseitigt werden, sie soll die berufliche Eingliederung älterer und anderer Erwerbspersonen, deren Unterbringung erschwert ist, fördern, und sie soll die Struktur der Beschäftigung nach Gebieten und Wirtschaftszweigen verbessern.
Wir Sozialdemokraten freuen uns, daß einschlägige, teilweise jahrzehntelange Bemühungen von uns, denen immer entgegengehalten wurde, es sollte nicht so viel geplant werden, man sollte das dem freien Spiel der Kräfte überlassen, jetzt endlich zum Durchbruch kommen sollen. Der SPD-Entwurf eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes auf der Drucksache V/887 vom 30. August 1966 ist streckenweise sinngemäß und der Tendenz nach jetzt von dem Regierungsentwurf übernommen worden. Beispiele dafür sind unsere Vorschläge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, zur Förderung der Teilnahme an beruflichen Bildungsveranstaltungen und zur Verhütung von Arbeitslosigkeit oder unterwertiger Beschäftigung.
Ein so fortschrittlicher Entwurf, der auf alte sozialdemokratischen Forderungen zurückgegriffen hat, war sicher nur in der jetzigen neuen Regierung möglich. Ganz zufrieden sind wir allerdings mit dem Entwurf noch nicht. Es fehlen eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen, die in dem SPD-Entwurf enthalten sind. Insbesondere fehlt z. B. die ganze Neuordnung des Berufsausbildungsrechts. Wer die Mobilität der Arbeitnehmer für die Zukunft gesetzlich fixieren will, aber die Grundlagen für den Beruf, nämlich die erste Berufsausbildung, d. h. etwa die ersten drei Jahre, aus dieser Fixierung ausläßt, der baut ein Haus ohne Grundmauern. Wir meinen, die Neuordnung unseres Berufsausbildungsrechts müßte mindestens gleichzeitig geschehen. Man kann darüber geteilter Meinung sein, ob sie in diesen Gesetzentwurf oder in einen separaten Gesetzentwurf gehört, aber auf alle Fälle müssen beide Materien
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7409
Folger
gleichzeitig geregelt werden. Sonst hängen beide in der Luft.
Aber auch sonst sind die in den ersten Paragraphen des Gesetzentwurfs erklärten Ziele durch die nachfolgenden Vorschläge nicht ausreichend ausgefüllt, jedenfalls nicht nach unserem Dafürhalten. Da fehlt z. B. die Verpflichtung des Arbeitgebers, geplante Betriebsänderungen, die Entlassung oder unterwertige Beschäftigung zur Folge haben können, unverzüglich dem zuständigen Arbeitsamt anzuzeigen, wie das in § 48 unseres Arbeitsmarktanpassungsgesetzes vorgeschlagen ist. Wie sollen denn die Arbeitsämter geeignete Maßnahmen treffen können, die Nachteile für die Arbeitnehmer vermeiden sollen, wenn sie von diesen beabsichtigten Maßnahmen nicht rechtzeitig erfahren, sondern erst dann, wenn das schwere Schicksal der Arbeitslosigkeit bereits begonnen hat?
Es fehlt auch eine Freistellung von der Arbeit zur beruflichen Bildung, die in § 46 unseres Arbeitsmarktanpassungsgesetzes bis zu höchstens zehn Arbeitstagen im Kalenderjahr vorgesehen ist. Es wäre nicht damit zu rechnen, daß eines der Hauptziele des neuen Gesetzentwurfs, nämlich die berufliche Beweglichkeit herzustellen und zu verbessern, erreicht werden kann, wenn Fortbildung nur in der regulären Freizeit möglich sein soll, d. h. nach der Arbeit oder während des Erholungsurlaubs. Das wird sicher auch in Zukunft notwendig sein. Aber es bedarf darüber hinaus in bestimmten Fällen der Freistellung von der Arbeit für Fortbildungsmaßnahmen, die mit Aussicht auf Erfolg nur in einer konzentrierten, zusammengefaßten Form möglich sind.
Unter den ausdrücklich genannten Trägern beruflicher Bildung, deren Einrichtungen gefördert werden können, fehlen unseres Erachtens die Volkshochschulen, die seit eh und je Berufsbildung betreiben und in kleinen und mittleren Orten oft sogar die einzigen Träger beruflicher Fortbildung sind. Die Formulierungen des Gesetzentwurfs schließen zwar die Volkshochschulen nicht aus, weil es dort bei der Aufzählung ja heißt: „insbesondere" sind damit die und die Träger gemeint, aber wir meinen, die Bedeutung der Volkshochschulen ist so groß, daß sie in der gleiche Reihe genannt werden müssen, damit auf diese Weise alle Zweifel ausgeschaltet werden, daß sie zu diesen Trägern zählen.
Der Beratende Ausschuß bei der bisherigen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung gemäß § 23 des Schwerbeschädigtengesetzes ist in dem Entwurf auch nicht enthalten. Wir meinen, er sollte darin verankert werden, damit er nicht in der Luft hängt.
Der Entwurf enthält auch keine ausreichende Koordination von Berufs- und Arbeitsmarktforschung und Berufsberatung. Es muß sichergestellt werden, daß jungen Menschen nicht zu einem Beruf geraten wird, der nach den Ergebnissen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung keine gute oder überhaupt keine Zukunft mehr hat, und es muß ihnen, wenn sie den Wunsch haben, einen solchen Beruf zu ergreifen, davon sachverständig abgeraten werden können.
Außerdem fehlen ausreichende Vorschriften für Koordinationen der beruflichen Rehabilitation durch die Bundesanstalt, ein Mangel, der bisher schon immer beklagt wird. Bei dieser Gelegenheit sollten diese Dinge neu überdacht und neu geregelt werden, damit nicht ganz verschiedene Maßnahmen unabhängig voneinander nebeneinanderherlaufen.
Der Entwurf muß auch im Hinblick auf die Nahtlosigkeit zwischen der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung die Rechtsprechung bezüglich geringfügiger Beschäftigung berücksichtigen. Das gilt auch für manche Abschnitte bezüglich des Arbeitslosengeldes. Auch da ist nach unserem Dafürhalten die Rechtsprechung nicht genügend berücksichtigt, nicht genügend in gesetzliche Formulierungen übertragen worden.
Der Entwurf enthält keine Verpflichtung aus dem internationalen Übereinkommen 102 über das Arbeitslosengeld für mittelbar vom Streik betroffene Arbeitnehmer. Das ist nahezu schon ein klassischer Streit in der arbeitsrechtlichen Wissenschaft, Literatur und Rechtsprechung, der hier bereinigt werden könnte. Jedermann, der sich mit dem Arbeitsrecht beschäftigt hat, ist ziemlich früh auf das Problem gestoßen: Was soll mit den Leuten werden, die zwar nicht streiken, die aber wegen eines Streiks im Zulieferbetrieb betroffen sind, so daß sie nicht mehr weiterarbeiten können? Von wem sollen sie ihren Arbeitslohn bzw. Streikgelder oder sonst eine Lohnersatzleistung erhalten? Das könnte entsprechend dem internationalen Übereinkommen hier auch mit berücksichtigt werden.
Nun noch ein paar Sätze zur Finanzierung. Herr Kollege Müller ist dankenswerterweise schon darauf eingegangen. Wir haben mit der Finanzierung auch einigen Kummer. Mit Ausnahme des Arbeitslosengeldes sowie des Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeldes sind eigentlich alle anderen Leistungen der Bundesanstalt Aufgaben des Bundes, nicht Aufgaben der Bundesanstalt. Diese Aufgaben müßten dementsprechend auch vom Bund finanziert werden. Im Regierungsentwurf ist das nur für ,die Wehr- und Ersatzdienstleistenden, die Kosten der Arbeitslosenhilfe und für eventuelle weitere Aufgaben, die die Bundesregierung der Bundesanstalt zusätzlich neu überträgt, vorgesehen. Alle übrigen Leistungen müssen aus den Beiträgen der Arbeitnehmer und den Beiträgen der Arbeitgeber, die ja schließlich auch ,aus der geleisteten Arbeit der Arbeitnehmer stammen, finanziert werden. Das ist unseres Erachtens ein unguter Zustand. Denn in Wirklichkeit kommen die Leistungen der Bundesanstalt, ganz besonders in Zukunft, einem wesentlich größeren Personenkreis zugute. Die Aufbringung der Mittel ist deshalb unseres Erachtens inkonsequent. Die konjunkturpolitischen Maßnahmen insbesondere, die mit dem neuen Gesetz geplant sind, kommen der ganzen arbeitenden Bevölkerung zugute. Mindestens sollte für die Zeit nach 1971, d. h. nach Ablauf der derzeitigen mittelfristigen Finanzplanung, ein Weg gefunden werden, wie diese Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln und/oder aus einer Erweiterung des Kreises der Beitragspflichtigen finanziert werden können.
7410 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Folger
Auch noch in anderer Beziehung haben wir Kummer mit dem Gesetzentwurf. Das ist die Tatsache, daß in einer Reihe von Bestimmungen die Selbstverwaltung angeknabbert wird, z. B. die ersatzlose Streichung des jetzt bestehenden Gebots, die Geschäfte der Bundesanstalt in der Regel von Arbeitskräften wahrnehmen zu lassen, die durch privatrechtlichen Dienstvertrag angestellt sind, der Wegfall des Vorschlagsrechts des Verwaltungsausschusses beim Landesarbeitsamt bei der Ernennung der Direktoren der Arbeitsämter, das Ernennungsrecht des Bundespräsidenten für alle Beamten, die der Besoldungsordnung B unterfallen, die Beschränkung des Rechts des Verwaltungsausschusses beim Arbeitsamt und beim Landesarbeitsamt auf eine Mitwirkung — .an Stelle der Aufstellung des konkreten Haushalts — und die Ermächtigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, im Rahmen ,der Förderung der beruflichen Bildung und der Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung eine Rechtsverordnung zu erlassen — statt einer Anordnung des Verwaltungsrates —, wenn die Bundesanstalt nicht innerhalb eines Jahres nach Aufforderung durch ihn eine solche erläßt oder den geänderten Verhältnissen anpaßt. Diese Anknabberung der Selbstverwaltung werden wir noch recht gründlich prüfen und überlegen müssen, ob sie unvermeidlich ist oder ob wir nicht eher die Selbstverwaltung stärken sollten.
Alles in allem, der Regierungsentwurf zeigt erfreuliche, fortschrittliche Ansätze. Aber er ist noch nicht vollkommen. Einige Punkte habe ich aufgezählt, um zu zeigen, in welcher Richtung wir drängen werden. Meine Kollegin Freyh wird das speziell in bezug auf die individuelle Förderung noch ergänzen. Wir hoffen, daß dann nach der Beratung in den zuständigen Ausschüssen, insbesondere im Ausschuß für Arbeit, ein Gesetz zustande kommt, das mit .der früheren Planlosigkeit Schluß macht, den Arbeitsmarkt; soweit das möglich ist, stabil macht und damit für die ganze Bevölkerung von großem Nutzen sein wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514328500
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0514328600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition dieses Hohen Hauses hat im Laufe dieses einen Jahres noch sehr wenig Gelegenheit gehabt, eine Vorlage der Bundesregierung als lobenswert und vernunftgemäß zu bezeichnen. Wir freuen uns eigentlich, daß wir heute, ein Jahr nach der Regierungserklärung der Großen Koalition, in der Lage sind, der Bundesregierung und dem Herrn Bundesarbeitsminister ein ganz besonderes Lob zu spenden und seinem Hause eine ganz besonders große Anerkennung dafür auszusprechen, daß er heute diese Vorlage auf den Tisch des Hauses gelegt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU. Zuruf von der SPD: Weihnachtsüberraschung!)

— Vielleicht auch als Weihnachtsüberraschung für die Große Koalition!
Wir sagen das, meine Damen und Herren, weil hier zum erstenmal ein Schritt getan wird, den wir Freien Demokraten im Rahmen unserer Arbeitsmarktpolitik seit langem als notwendig angesehen haben. Denn hier ist es gerade in unserer im Hinblick auf die Konjunktur nicht so einfachen Zeit zum erstenmal möglich, aktuelle, zukunftweisende Maßnahmen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik vorzulegen und gemeinsam zu beraten. Dieser Entwurf erscheint uns wirtschaftspolitisch und gesellschaftspolitisch ausgesprochen positiv orientiert.
Daß wir soviel Lob spenden können, liegt vielleicht auch daran, daß die Geburtsstunde dieser Überlegungen nicht in diesem Jahr gewesen ist. Die Geburtsstunde war auch nicht, Herr Kollege Müller, der Zeitpunkt des Antrages der CDU/CSU vom Sommer 1966. Die Geburtsstunde — der Herr Bundesarbeitsminister hat es dankenswerterweise vorhin selbst in seinen Ausführungen gesagt — war vielmehr der Amtsantritt des Bundesarbeitsministers Katzer im Jahre 1965. Wenige Tage nach der Regierungsbildung standen im Vorstandszimmer der FDP zum erstenmal

(Widerspruch bei der SPD)

— ja, meine Damen und Herren, es tut mir leid, aber so war es — die Frage einer Änderung des bisherigen AVAVG und die Fragen der Anpassung, all das, worauf ich noch kommen werde, zur Diskussion. Damals haben wir Freien Demokraten — Herr Minister, Sie werden es bestätigen — bereits grünes Licht in dieser Richtung gegeben und feststellen können, daß wir in vielen dieser Fragen übereinstimmten.
— Bitte schön, Herr Kollege Fellermaier!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0514328700
Herr Kollege Schmidt, darf ich ,Sie, wenn Sie schon Geburtshelfer gewesen sind, fragen, warum Ihre Fraktion zu diesem Zeitpunkt nicht einen eigenen Entwurf vorgelegt hat? Die Sozialdemokraten haben nämlich versucht, 'dadurch die Diskussion zu beeinflussen.

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0514328800
Herr Kollege Fellermaier, ich glaube, Sie haben sich in der Jahreszahl getäuscht. Zu diesem Zeitpunkt waren wir in der Bundesregierung, und der Bundesarbeitsminister hatte von beiden Fraktionen den Auftrag, eine Vorlage in dieser Richtung in seinem Hause zu erarbeiten. Es lag also gar keine Veranlassung für uns vor, einen eigenen Entwurf vorzulegen.

(Beifall bei der FDP.)

Sie sind ein Jahr zu spät dran, Herr Kollege Fellermaier.
Gerade weil die Vorgeschichte etwas anders ist, hat es mich etwas gewundert, meine Damen und Herren, als ich heute mittag — gerade noch rechtzeitig — in dem Leistungsbericht 1967 der Bundesregierung auf Seite 71 unter „Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung" las — ich darf kurz zitieren —:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7411
Schmidt (Kempten)

Die Sozialpolitik im ersten Jahr der Großen Koalition hat ihren besonderen Schwerpunkt in den Regierungsvorschlägen zur Arbeitsförderung.
Das freut uns. Das freut uns sehr, weil wir anscheinend zum Schwerpunkt der Sozialpolitik des letzten Jahres schon ein Jahr vorher so viel mit beigetragen haben. Insoweit herrscht also sehr viel Übereinstimmung, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der SPD.)

Bedauert haben wir allerdings, daß die Vorlage erst heute hier zur Diskussion steht. Wir hätten es begrüßt — und so war es ja wohl auch erst vorgesehen —, wenn bereits im Frühjahr dieses Jahres die Gesamtdiskussion über die Änderung des AVAVG stattgefunden hätte. Es sind jedoch einige Schwierigkeiten aufgetaucht. Es wäre sonst nicht notwendig gewesen, einzelne Dinge, die vom Zeitpunkt her nicht mehr aufzuschieben waren, vorzuziehen, und dann wäre es auch nicht notwendig gewesen, in den vergangenen Wochen noch einmal einen finanziellen Aspekt, nämlich das Schlechtwettergeld, herauszunehmen. Dann hätte man, was sicher noch besser gewesen wäre, den ganzen Komplex zusammen beraten können.
Andererseits, Herr Bundesarbeitsminister, haben wir Verständnis dafür — gerade auch nach den Ausführungen des Kollegen Folger —, daß es nicht so einfach gewesen ist, die Übereinstimmungen zwischen der CDU/CSU und uns in diesen Fragen mit den Überlegungen, die im Arbeitsmarktanpassungsgesetz von seiten der SPD angestellt worden sind, in Einklang zu bringen und daraus einen Entwurf zu machen, der hinsichtlich seiner Grundstimmung trotzdem noch unsere Zustimmung findet.
Ich glaube, wir sind alle froh darüber — jedenfalls sind wir Freien Demokraten froh darüber —, daß mit diesem Entwurf in die Arbeitsmarktpolitik der aus der Medizin entlehnte Grundsatz „Vorbeugen geht vor Heilen" eingeführt wurde; denn wir glauben, daß es die heutige spezielle konjunkturpolitische und strukturpolitische Situation, aber vor allem natürlich auch die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen dringend notwendig machen, daß wir unter Berücksichtigung all dieser Umstände von dem vor zehn Jahren zunächst als Heilungsgesetz für den Fall der Arbeitslosigkeit geschaffenen AVAVG zu einer Vorbeugungsmaßnahme in allen Richtungen kommen.
Diese Vorbeugung, diese Arbeitsförderung, diese Umbenennung der Bundesanstalt in „Bundesanstalt für Arbeit" ist auch nach Meinung und Aussage auch der Freien Demokraten eine dringende Forderung der Zeit, und zwar ,generell deswegen, weil die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen eine Anpassung notwendig machen, weil die starke Entwicklung der Automation Unruhe und Bewegung in den Arbeitsmarkt bringt, was entsprechende Maßnahmen erfordert. Die Stärkung der beruflichen Durchlässigkeit und der beruflichen Mobilität muß einfach in den Vordergrund aller arbeitsmarktpolitischen Überlegungen gestellt werden. Strukturprobleme, Krisenprobleme, die sich im
Bergbau ergeben haben und die wir in manchen Zonenrandräumen kennen, machen es ganz besonders erforderlich, daß wir eine aktive Arbeitsmarktpolitik treiben, damit wir die Sorge vor der Arbeitslosigkeit, die Sorge vor der Ausweglosigkeit in einem Beruf, in dem man nicht mehr weiterkommen kann, weil er aus Gründen der Entwicklung abgebaut wird, beheben können.
Deshalb glauben wir, meine Damen und Herren, daß neben den wirtschafts-, finanz- und konjunkturpolitischen Überlegungenheute einer produktiven Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, wie sie in dem Vorschlag der Bundesregierung angesprochen ist, größte Bedeutung zukommt.
Wir stimmen mit dem Herrn Bundesarbeitsminister überein, daß eine aktive Beschäftigungspolitik einer der besten Garanten für Stabilität und Wachstum ist, ich möchte sogar sagen, ein bestirer als manches Bremsen und Gasgeben in der Finanz- und Steuerpolitik, ,ein besserer als manche Planungen mit nicht gerade sehr handfesten und sich für die Zukunft als oftmals problematisch erweisenden Unterlagen, ein besserer Garant auch als ,das, was in der letzten Woche im sozialpolitischen Bereich leider beschlossen wurde.
Nun lassen Sie mich einiges zu den Punkten des Entwurfs sagen, die uns Freien Demokraten ganz besonders bedeutsam erscheinen. Hier stimmen wir mit beiden Sprechern der Koalitionsfraktionen überein, selbstverständlich auch mit dem Bundesarbeitsminister, dem ich dafür ja schon ein Kompliment machen konnte. Der Erfolg einer solchen Arbeitsförderung, wie sie von diesem Gesetz ausgehen soll, steht und fällt mit einer Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die intensiv [die Entwicklungen untersucht. Wir denken hierbei nicht nur an ein Institut. Ich stimme hier völlig mit dem Kollegen Müller überein, daß man an viele Institute denken muß. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß wir hier die soziologischen und andere Fakultäten der Hochschulen mit einschalten. Eine solche ständige Beobachtung der Arbeitsmarkt- und Berufsentwicklung müssen wir als Grundlage sehen. Wir müssen erreichen, daß ein möglichst frühzeitiges Erkennen der auf uns zukommenden Probleme möglich ist. Denn nur dann werden wir die Arbeitsmarkttransparenz erreichen, die wir brauchen, um den Aufgaben gerecht zu werden, zu deren Lösung wir im Interesse der arbeitenden Menschen und ihrer Zukunft verpflichtet sind. Hätten wir vor sechs oder acht Jahren in diesem Hohen Hause ein solches Arbeitsförderungsgesetz beschließen können und hätten wir damals die Forschungen beginnen können, manches von dem, was heute an Ruhr, Emscher und Saar an Problemen vor uns steht, wäre vielleicht besser und zeitiger in richtige Bahnen gelenkt worden als heute, wo wir mit den Dingen einfach konfrontiert werden und manchmal aus der Sicht des Augenblicks Maßnahmen treffen müssen, die nicht so konstruktiv und nicht so zukunftsweisend sind wie das, was wir für den Arbeitsmarkt der Zukunft wollen.
Entscheidend bleibt für die Freien Demokraten für eine gute erfolgreiche Durchführung der Arbeits-
7412 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Schmidt (Kempten)

förderung darüber hinaus die Ausgestaltung der Berufsberatung. Auch hier stimme ich mit dem Kollegen Müller überein. Bisher hatte die Berufsberatung nach unserem Dafürhalten eine etwas stiefmütterliche Basis im Rahmen der Bundesanstalt und im Rahmen des gesamten Apparats. Sie galt nur als Lehrstellenvermittlung. Ich selbst habe als Lehrer oftmals feststellen müssen, daß die Dinge von dort aus leider nicht so gesteuert werden konnten, wie es zum Wohle der jungen Menschen notwendig gewiesen wäre. Es scheint mir von sehr großer Bedeutung zu sein, die Berufsberatung im Rahmen einer echten Arbeitsförderung angesichts der kommenden Aufgaben personell stärker auszugestalten und sie vielleicht auch mit qualifizierteren und damit natürlich auch besser bezahlten Kräften auszustatten.
Für alle Umschulungs-, Fortbildungs- und beruflichen Bildungsmaßnahmen müssen zunächst einmal die schulischen und bildungsmäßigen Voraussetzungen geschaffen werden. Das amerikanische Beispiel zeigt uns, was passieren kann und wovor wir uns hüten müssen, wenn die Automation, wenn die Strukturkrise einen breiten Kreis von Arbeitnehmern trifft, deren schulische Grundbildung so gering ist, daß sich eine Umschulung und Fortbildung sehr schwierig gestaltet. Wir müssen die möglichst besten und chancengleichen Grundausbildungen schon von der Volksschule her und in den einzelnen weiterführenden Bereichen in allen Teilen unserer Bundesrepublik ebenfalls miteinbeziehen; denn nur dort, wo die Betroffenen auch die Voraussetzungen für die Umschulung und Fortbildung mitbringen, wird ein Erfolg zu erzielen sein. Nur dort, wo die entsprechende Grundausbildung vorhanden ist, wird die Fortbildung einen Sinn haben. Nur dort wird es eine echte Arbeitsmarkttransparenz geben, wo die Bereitschaft, im neuen Lebens- und Wirkungskreis tätig zu werden, erzeugt werden kann, nur dort werden die Umschulungs-
und Fortbildungsmaßnahmen sinnvoll sein.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514328900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Behrendt?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0514329000
Bitte schön!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514329100
Herr Kollege Schmidt, meinen Sie nicht, daß die Fragen der Automation trotzdem weiter untersucht werden müssen und daß möglicherweise sogar dafür eine Kommission eingesetzt werden muß?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0514329200
Herr Kollege Behrendt, ich stimme Ihnen ohne weiteres darin zu, daß im Rahmen der Automation besondere Probleme auf uns zukommen, die wir vielleicht nicht im Rahmen der allgemeinen Arbeitsmarktforschung lösen können, sondern bei denen es unter Umständen notwendig sein wird, spezielle Untersuchungs-
und Forschungsaufträge zu vergeben und die Ergebnisse dieser Untersuchungen in unsere Überlegungen einzubeziehen.
Wenn das, was ich soeben als unsere wesentlichsten Gedanken vortragen konnte — das übrige
werden wir noch in den Beratungen zum Ausdruck bringen —, verwirklicht werden wird, dann werden wir eine rechtzeitige Anpassung an die Entwicklungen erreichen. Dann, so glauben wir, muß es nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll sein, die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, die das Gesetz vorsieht, zu erreichen. Immerhin sind ja Investitionen von etwa 100 000 bis 120 000 DM pro Arbeitsplatz nötig. Denken Sie einmal daran, was wir vielleicht leichter und für die Betroffenen besser hätten machen können, wenn wir vor zehn Jahren im Ruhrgebiet eine solche gesetzliche Möglichkeit gehabt hätten!
Wir begrüßen es auch, daß die Bundesregierung in der Regierungsvorlage das Problem der älteren Arbeitnehmer anspricht, das uns alle immer wieder bedrückt, weil natürlich für ältere Arbeitnehmer der Übergang in einen anderen Betrieb, der Übergang zu einer anderen Tätigkeit noch schwerer als bei einem jüngeren Arbeitnehmer ist. Wir begrüßen es, daß im Rahmen des Gesetzes gewisse Risiken abgedeckt werden sollen.
Wir begrüßen es ganz besonders, daß die Bundesregierung jetzt Vorschläge für die produktive Winterbauförderung gemacht hat und Wege beschreiten will, die wir schon seit langem für wesentlich günstiger für eine kontinuierliche Arbeit in der Bauwirtschaft gehalten haben als das, was bisher gesetzlich vorgeschrieben war. Ich habe mir vor einigen Jahren, als ich mit mehreren Kollegen des Arbeitsausschusses in Schweden und Norwegen Gelegenheit hatte, den dortigen Winterbau zu studieren, manchmal gesagt: was dort — in Schweden und Norwegen — unter den wesentlich schwierigeren klimatischen Verhältnissen an Förderung des kontinuierlichen Winterbaus möglich ist, müßte eigentlich auch in der Bundesrepublik möglich sein. Es müßte möglich sein, manches für konsumtive Zwecke gezahlte Schlechtwettergeld produktiv in Winterbauförderung umzusetzen. Hinzu kommt, daß auf meine Fragen, woher denn die Einrichtungen zum Schutz vor der Kälte, zur Ermöglichung der Arbeit im Winter kämen, in Schweden und Norwegen gesagt wurde, daß diese Einrichtungen — ob Verschalungen oder Zelte — alle aus der Bundesrepublik kämen und in der Bundesrepublik hergestellt würden. Sämtliche norwegischen und schwedischen Unternehmer bestätigten mir das. Also müßte es auch möglich sein, diese Einrichtungen im Rahmen der dankenswerten Vorschläge der Bundesregierung zu verwenden und zu einer produktiveren Winterbauförderung als zuvor zu kommen.
Von den beiden Kollegen der anderen Fraktionen wurde die Kostenfrage angeschnitten. Es ist wohl im Augenblick noch nicht zu übersehen — die Schätzungen liegen je nachdem, wie man den Erfolg des Gesetzes beurteilt, sehr unterschiedlich —, was an Kosten auf die Bundesanstalt zunächst einmal zukommt. Aber wir glauben, daß es richtig ist — wir unterstützen hier den Vorschlag der Bundesregierung —, die Aufbringung der Mittel durch die Bundesanstalt auf dem Wege durchzuführen, den das Gesetz vorsieht, zumal für den Fall, daß Schwierigkeiten eintreten sollten, also wenn die Rücklage auf-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7413
Schmidt (Kempten)

gezehrt sein sollte, der Bund als Träger hinsichtlich der Mittel in Erscheinung tritt.
Wir sind sogar der Meinung, daß, wenn sich die Durchführung des Gesetzes in den nächsten Jahren als erfolgreich erweist, sehr viele Kosten auf uns zukommen können. Aber wir glauben, daß diese produktiven Kosten im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und der dadurch möglichen Weichenstellung für wirtschaftspolitische Entwicklungen der Zukunft keinesfalls an der falschen Stelle gezahlt würden.
Bezüglich der Kosten- und Beitragssituation möchte ich eine Anmerkung machen, der wir vielleicht im Ausschuß etwas näher nachgehen sollten. Während der Beratung des Arbeitsförderungsgesetzes wurde gleichzeitig die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung heraufgesetzt. Da das Arbeitsförderungsgesetz bezüglich der Beitragsbemessungsgrenze auf die Rentenversicherung eingestellt wird, liegt nunmehr die Beitragsbemessungsgrenze bei 1600 DM. Die Leistungsbemessungsgrenze ist aber nach der Tabelle bei 1300 DM belassen worden. Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß wir im Ausschuß mit der Leistungsbemessungsgrenze einfach deshalb nachziehen müssen, weil wir es kaum verantworten können, daß jemand zwar aus 1600 DM Beitrag zahlt, ihm aber, wenn er arbeitslos wird, nur aus 1300 DM die Arbeitslosenversicherungsleistung berechnet wird. Damit Sie sehen, wie sich das auswirkt; möchte ich nur drei Zahlen nennen: bei 1300 DM — der jetzigen Leistungsbemessungsgrenze — und einem Höchstsatz von 818,40 DM kommt der Betreffende auf 62,9 %, bei 1500 DM auf 54,5 % und bei 1600 DM auf 51,1 %. So schnell sinken die Prozentsätze durch die Spanne zwischen Leistungs- und Beitragsbemessungsgrenze ab. Ich glaube, wir sollten — das hat auch der Herr Bundesarbeitsminister vorhin schon angedeutet — die Diskrepanz, die sich durch die Entwicklung in der Rentenversicherung ergeben hat, im Ausschuß korrigieren. Wir werden jedenfalls einen Antrag stellen, der in diese Richtung geht.
Auch wir sind der Meinung, Herr Kollege Folger, daß in den von Ihnen angesprochenen Katalog auch die Volkshochschulen einbezogen werden sollten, soweit sie Maßnahmen durchführen, die dem Gesetz entsprechen. Wir sollten hier alle Möglichkeiten der beruflichen Fortbildung in einem Zusammenhang sehen, und wir sollten uns nicht engherzig verschließen, wenn dabei Institutionen wie die Volkshochschulen mithelfen.
Ich bin dem Herrn Bundesarbeitsminister sehr dankbar, daß er trotz allem Positivem, was er anführen konnte, am Ende seiner Ausführungen darauf hingewiesen hat, daß wir von dem Gesetz keine Wunderdinge erwarten könnten und daß dieses Gesetz nicht etwa der Stein der Weisen sei, mit dem die Vollbeschäftigung auf ewige Zeiten garantiert werden könne; eine solche Euphorie klang ja in manchen Berichten durch. Das wird nicht der Fall sein können. Sehr viele Schwierigkeiten, für die die Betroffenen nichts können, werden aber überwunden werden können; sehr viele Entwicklungen werden korrigiert werden können.
Dabei wird es allerdings darauf ankommen — und darum möchte ich den Herrn Bundesarbeitsminister bitten —, daß im Zusammenhang mit der Eigenfinanzierung durch die Bundesanstalt der Selbstverwaltungscharakter der Bundesanstalt weitgehend gewahrt bleibt. Es sollte eine gute und enge Zusammenarbeit, aber möglichst wenig Weisungsbefugnis und dergl. geben. Über die in der Bundesanstalt bereits vorhandene Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hinaus sollte eine enge Zusammenarbeit in der Berufsforschung zwischen den mit Hilfe des Gesetzes eingerichteten Instituten und den Wirtschaftsinstituten möglich werden, die ebenfalls solche Forschungen betreiben.
Dann wird es sehr darauf ankommen, wieweit es uns allen und ,den Organisationen in allen Teilen der Bundesrepublik gelingt, die Arbeitnehmer auf die objektiven Möglichkeiten dieses Gesetzes hinzuweisen und sie zur subjektiven Bereitschaft hinzuführen, sich der durch dieses Gesetz gebotenen Möglichkeiten der Umschulung, der Fortbildung usw. zu bedienen. Gelingt es uns nicht, diese subjektive Bereitschaft zu erzeugen, dann werden wir sehr, sehr bald sehen, daß wir andere Wege gehen müssen. Wir werden auch außerhalb dieses Hohen Hauses — sich denke hier an Organisationen wie ,die Gewerkschaften und an viele andere Verbände der Arbeitnehmer — durch Aufklärung und Hinweise sehr viel tun müssen, um diese subjektive Bereitschaft zu erreichen, die für das Gelingen dieses Gesetzes notwendig ist.
Notwendig erscheint uns, daß die strukturellen Maßnahmen, die im Gesetz angesprochen sind, in enger Zusammenarbeit mit den Regionalplanungen und mit den Strukturprogrammen der Länder durchgeführt werden, damit nicht durch Zweigleisigkeit oder ein Gegeneinander — alles das gibt es ja bei uns in der Bürokratie — der Erfolg verkleinert wird.
Auch uns erscheint es notwendig— das haben bereits die beiden Sprecher der anderen Fraktionen bestätigt —, die Beratungen in. aller Ruhe und Sachlichkeit, nicht unter zu großem Zeitdruck, aber zügig durchzuführen.
Wir sind auch der Meinung, daß eine enge Verzahnung mit dem Berufsausbildungsgesetz notwendig ist und ,daß wir am Ende dieser Beratungen wahrscheinlich dazu kommen, daß das Arbeitsmarktanpassungsgesetz, das ja ebenfalls noch im Ausschuß liegt, dort, wo es geht, als mit eingebaut, ansonsten als erledigt betrachtet werden kann, und daß wir ähnlich dem Beschluß des Arbeitsausschusses im Sommer 1966 zu der bestmöglichen Lösung kommen.
Wir Freien Demokraten sind jedenfalls bereit und gewillt, in den Beratungen aktiv dazu beizutragen, daß mit diesem Gesetz die Grundlagen geschaffen werden, die dem soziologischen und .dem wirtschaftlichen Strukturwandel der nächsten Jahrzehnte in einer optimalen Weise Rechnung tragen.

(Beifall bei der FDP.)

7414 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514329300
Das Wort hat der Abgeordnete Diebäcker.

Hermann Diebäcker (CDU):
Rede ID: ID0514329400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf widmet den Fragen der Berufsausbildung, der Fortbildung und der Umschulung einen breiten Raum. Das ist sehr erfreulich und wird sicherlich allgemeine Anerkennung finden angesichts der Tatsache, daß wir ja alle in der ersten Lesung zum Berufsausbildungsgesetz im Oktober 1966 unterstrichen haben, wie notwendig es sei, die Berufsausbildung zu fördern. Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, daß wir uns hier und heute nicht um die Erstgeburtsrechte streiten sollten. Ich wundere mich nur, daß diejenigen, die so sehr dieses Erstgeburtsrecht verfechten, hier im Saale nicht stärker vertreten sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, die Berufsausbildung ist ein permanenter Prozeß, der mit dem Verlassen der Schule beginnt und mit dem Eintritt der Invalidität endet. Es gehören also Dinge wie Fortbildung oder auch Umschulung einfach zum modernen Arbeitsleben dazu. Hier will das neue Gesetz helfend eingreifen. Der einzelne, der ,die Kosten der Umschulung, der die Kosten ,der Fortbildung, der die Kosten der Ausbildung nicht tragen kann, soll die Hilfe des Staates bekommen. Eine solche Hilfe halten wir in der Tat für berechtigt; denn die damit erzielte, heute so oft strapazierte Mobilität der Arbeitskräfte kommt ja schließlich allen zugute.
Es ist ein großer Irrtum, zu meinen, daß die Maßnahmen dieses Gesetzes nur Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer seien. Nein, auch der Unternehmer zieht aus der höheren Mobilität der Arbeitskräfte seinen Nutzen. Ich glaube, wir alle wünschten uns sehr, daß wir schon in der Vergangenheit eine erhöhte Mobilität der Arbeitskräfte gehabt hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann hätte sich manches schon erheblich einfacher und erheblich leichter getan.
Die Mobilität der Arbeitskräfte fördert auf der anderen Seite das Wachstum und soll Arbeitslosigkeit verhindern. Ich darf auf das verweisen, was hier schon ein paarmal gesagt worden ist, und daher diese Dinge übergehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514329500
Herr Abgeordneter Diebäcker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Behrendt?

Hermann Diebäcker (CDU):
Rede ID: ID0514329600
Bitte sehr!

Walter Behrendt (SPD):
Rede ID: ID0514329700
Herr Kollege Diebäcker, meinen Sie nicht auch, daß die Mobilität nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern in bezug auf Umstellung und rechtzeitige Umstellung genausogut auf die Unternehmer anzuwenden wäre?

Hermann Diebäcker (CDU):
Rede ID: ID0514329800
Mobilität, wie wir sie heute hier interpretiert haben, ist ja in erster Linie Mobilität der Arbeitskräfte. Im übrigen gebe ich
Ihnen recht, selbstverständlich. Der Unternehmer ist aber — und ich glaube, Herr Behrendt, das haben Sie nicht berücksichtigt — schon durch den Wettbewerb gezwungen, sich umzustellen. Wenn er das nicht tut, macht er schlicht und einfach Pleite. Das ist nämlich hier zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Behrendt: Dann müßte aber manches früher geschehen sein!)

Meine Damen und Herren, diese Vorschriften, die uns hier im Entwurf vorgelegt werden, sind — ich glaube, die Pflicht zur Wahrheit gebietet, das hier einmal zu sagen — nun nicht völlig und von Grund auf neu. Ich meine, daß auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung ja auch schon bisher einiges geschehen ist. Ich darf auf den Ausbildungsförderungsbericht vom 20. März 1967 verweisen.
Neu ist aber der Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung. Niemand wird sich in Zukunft entschuldigen können, daß er eine geordnete Berufsausbildung nicht bekommen habe, weil es an dem notwendigen Geld gefehlt habe. Der Rechtsanspruch auf Förderung der Ausbildung, auf Fortbildung und Umschulung erfordert große Mittel, ganz sicher. Gerade deswegen ist es notwendig, die persönlichen Voraussetzungen des einzelnen sehr sorgfältig zu prüfen, die Eignung des einzelnen zu untersuchen, damit die Mittel nicht vertan werden. Ich glaube, wir müssen uns auch im Ausschuß über das, was hier an Vorschriften in dem Gesetzentwurf steht, hinaus noch einiges einfallen lassen, um dieses Ziel zu erreichen.

Gerade weil hier erhebliche Mittel eingesetzt werden, ist es auch notwendig, daß die Wünsche des einzelnen mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes im Einklang stehen. Auch das ist dringend notwendig. Niemand wird nur so nach seinem Gusto eine Ausbildung erfahren können. Es ist vielmehr notwendig, daß eine Übereinstimmung mit den Wünschen und Forderungen des Arbeitsmarktes besteht. Deswegen ist auch die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung als besondere Aufgabe der Nürnberger Anstalt so wichtig. Die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist geradezu das Handwerkszeug für die Entscheidungen auf dem Gebiete der Ausbildungsförderung, der Fortbildung und der Umschulung.
Neben der Ausbildungsförderung soll Hilfe zur Fortbildung gegeben werden. Diese Fortbildung hat aus allerlei arbeitsmarktpolitischen Gründen ihre Bedeutung, aber auch gerade im Hinblick auf die Verkürzung der Arbeitszeit, die dem einzelnen neben der Möglichkeit der Erholung auch die Möglichkeit gibt, auf dem Gebiet der Fortbildung einiges zu tun. Fortbildung dient dem beruflichen und damit dem sozialen Aufstieg, und gerade im Hinblick hierauf, meine ich, können die Vorschriften dieses Gesetzes in ihrer Bedeutung nicht hoch genug veranschlagt werden. Sozialer Aufstieg über höhere Leistung im Beruf für jeden, der das Zeug in sich fühlt, wird erleichtert. Das, meine Damen und Herren, ist moderne Gesellschaftspolitik im Sinne des 20. Jahrhunderts.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7415
Diebäcker
Neben der Ausbildungsförderung und neben der Förderung der Fortbildung steht die Umschulung. Wir begrüßen es sehr, daß diese Umschulung nach den Bestimmungen des Entwurfs 'so früh wie nur irgend möglich einsetzen soll. Weiterhin begrüßen wir die Anlernzuschüsse an die Betriebe, weil auf diese Weise die Möglichkeit für eine betriebsnahe Ausbildung gegeben wird. Das scheint mir sehr wichtig zu sein.
Die Förderung, über die wir heute sprechen, kann — das wurde schon gesagt — individuell oder auch institutionell gewährt werden. Bei der institutionellen Förderung kann die Nürnberger Anstalt auf verschiedene Träger von Einrichtungen zur Förderung der Ausbildung zurückgreifen. Ich denke hier an die Handwerkskammern, Innungen, Industrie- und Handelskammern, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, wohlfahrtspflegerische Organisationen und auch an die Volkshochschulen. Ich weiß aus Besprechungen im Bundesarbeitsministerium, daß man gerade auch die Volkshochschulen einbezogen wissen möchte. Die Anstalt kann solche Einrichtungen allein errichten, wenn andere Träger nicht zur Verfügung stehen oder wenn solche Einrichtungen als Modelleinrichtungen gedacht sind. Ich glaube, daß muß sehr sorgfältig überlegt werden. Es sollte darauf gedrängt werden, so meine ich, daß hier in der Tat nach dem Prinzip der subsidiären Hilfe verfahren wird. Es sollten zunächst die vorhandenen Einrichtungen gefördert werden, und wenn keine vorhanden sind, sollten Träger animiert werden, solche Einrichtungen zu schaffen. Erst als letzte Möglichkeit sollte der Staat mit eigenen Einrichtungen kommen.
Berufliche Bildungsmaßnahmen müssen praxisnah durchgeführt werden. Eine völlig isolierte Trägerschaft des Staates scheint mir sehr bedenklich zu sein, auch bei Modelleinrichtungen. Es besteht die Gefahr der Praxisferne, die Gefahr, daß die Einrichtungen aus dem Augenblicksbedarf entstehen und sich später als Fehlinvestitionen entpuppen. Ich glaube, auch hierzu wird der Ausschuß noch einiges sagen müssen.
Die Maßnahmen des vorliegenden Gesetzes machen in der Tat — ich glaube, es klang vorhin schon einmal an — das Ausbildungsförderungsgesetz nicht überflüssig. Wir haben es ja beim vorliegenden Gesetz mit der Regelung des außerschulischen Bereichs zu tun. Wir müssen auch den schulischen Bereich in unsere Betrachtungen einbeziehen. Es sind da ja in der Tat enge Beziehungen vorhanden. Ich meine, aus diesen Gründen müßte man überlegen, den Entwurf auch dem Familien- und Jugendausschuß zur Mitberatung zu geben.
Die Maßnahmen machen vor allen Dingen ein Berufsausbildungsgesetz nicht überflüssig. Meine Damen und Herren, wie will man denn überhaupt Fortbildung betreiben, wenn man nicht vorher eine solide, auf breiter Basis sich aufbauende Berufsausbildung geschaffen hat? Wie will man denn umschulen, wenn nicht entsprechende Berufspraxis vorhanden ist? Beides also ist notwendig: Berufsausbildungsgesetz auf der einen Seite und Förderung der Ausbildung nach dem Arbeitsförderungsgesetz auf der anderen Seite. Erst dann kommen wir zu wirklich modernen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, zu Verhältnissen, wie wir sie alle miteinander sehr dringend wünschen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514329900
Das Wort hat Frau Abgeordnete Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0514330000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufgabenerweiterung, die das Arbeitsförderungsgesetz vorsieht, scheint uns hinsichtlich der beruflichen Fortbildung Erwachsener durchaus sinnvoll zu sein. Denn es ist ja keine Frage, daß die berufliche Fortbildung von wachsender Bedeutung sein wird und daß sich ihr Schwerpunkt wahrscheinlich auch immer mehr auf das Erwachsenenleben verlagern wird.
Herr Bundesminister Katzer, gestatten Sir mir aber in diesem Zusammenhang gleich eine Anmerkung. Sie haben unterstrichen, daß dieses Gesetz gerade auch den Frauen, also den weiblichen Erwerbstätigen bei der Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit in einem späteren Lebensalter besondere Chancen geben wird. Wir wissen aus der Erfahrung, die wir bisher mit der beruflichen Aufstiegsförderung, aber auch mit der Leistungsförderung gemacht haben, daß diese Chancen, die auch früher schon bestanden — zumindest theoretisch —, nur unzureichend wahrgenommen worden sind. Ich möchte deshalb ausdrücklich noch einmal anregen, daß dieses Chancen-Geben nicht nur eine formale Angelegenheit sein darf, sondern daß insbesondere auch die Angebote der Kurse, der Fortbildungsmaßnahmen, der Institutionen stärker als bisher auf die Bedürfnisse der Frauenerwerbstätigkeit abgestellt werden.
Es ist auch schon, nicht nur von Herrn Minister Katzer, sondern auch von den anderen Kollegen, zum Ausdruck gebracht worden, daß das Gesetz durch die Erweiterungen des Aufgabenbereiches für die neue Bundesanstalt für Arbeit eine starke bildungspolitische Komponente erhalten hat. Ich möchte das sehr unterstreichen und in diesem Zusammenhang namens meiner Fraktion bitten, auch den Wissenschaftsausschuß mitberatend zu beteiligen, weil ja die individuelle und institutionelle Förderung in diesem Gesetz einen gewissen Umfang hat und z. B. bis zu Förderungsmaßnahmen im Fernunterricht reichen soll.
Aber nach dieser anfänglichen Betonung, daß wir die Erweiterung auf berufliche Fortbildungsmaßnahmen für sinnvoll halten, kann ich doch auch einige Bedenken nicht 'unterdrücken. Sie beziehen sich vor allem darauf, daß das, was praktische Ausbildungsförderung in diesem Gesetz betrifft, sich nur auf Teilbereiche der praktischen Berufsausbildung erstreckt, auf Teilbereiche insbesondere der praktischen Berufsausbildung in Betrieben. Das bedeutet, daß auf diese Weise — ich glaube, auch das ist schon angedeutet worden — doch ein erheblicher Bereich insbesondere der schulischen Berufsausbildung, der sich ja auch auf praktische Berufsausbildung beziehen kann, ausgeklammert bleibt.
7416 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Frau Freyh
Wir befürchten, daß durch diese Eingrenzung die Elastizität für künftige Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt wird, und wir befürchten, daß das Gesetz durch diese Einseitigkeit der Regelung der Ausbildungsförderung auch gewissen Tendenzen im Bildungsbereich, die ja sehr deutlich spürbar sind, entgegenwirkt — Tendenzen wie z. B. der Durchlässigkeit zwischen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung, die sich über mehrere Abschnitte erstreckt. Ich spreche jetzt nicht von der beruflichen Fortbildung, sondern ausdrücklich von der eigentlichen Berufsausbildung.
Die Ausbildungsförderung müßte also nach unserer Meinung für die praktische Berufstätigkeit über den Bereich der betrieblichen Ausbildung hinausgreifen, sie müßte für einen breiteren Bereich wirksam werden. Das allerdings, meinen wir, kann nicht im Rahmen des vorgelegten Arbeitsförderungsgesetzes gelöst werden, das kann nur in einem einheitlichen und zusammenfassenden gezielten Ausbildungsförderungsgesetz geregelt werden.
In unserem Arbeitsmarktanpassungsgesetz mit einer Reihe von ähnlichen Zielsetzungen, das ja bereits seit längerer Zeit dem Hause zur Beratung vorliegt, haben wir bewußt Ausbildungsförderungsmaßnahmen ausgeklammert, weil wir meinen — und das hat sich ja auch in diesem Entwurf, den die Bundesregierung heute vorlegt, gezeigt —, daß in einem Gesetz mit der Zielsetzung, wie es hier vorliegt, aber auch mit der Finanzierungsgrundlage natürlich nur ein Teilbereich der praktischen Berufsausbildung geregelt werden kann.
Lassen Sie mich aber gerade deswegen noch einmal betonen, daß die tatsächliche Chancengleichheit nach unserer Auffassung nicht mit derartigen Teillösungen erreichbar ist. Wenn Herr Kollege Müller (Remscheid) hier schon darauf hingewiesen hat, daß Ausbildungsförderung eben nicht einseitig nur Schul- und Hochschulausbildungsförderung ist, sondern auch den Bereich der praktischen Berufsausbildung umfassen muß, dann, meinen wir, ist diese Aufgabe hier durchaus noch nicht erfüllt. Denn was auf diese Weise geschieht, ist, daß es hier eine neue Regelung, allerdings anknüpfend an alte Vorbilder, für die Berufsausbildungsförderung im betrieblichen Bereich gibt, daß es daneben die Ausbildungsförderung im Hochschulbereich mit allen uns bekannten Mängeln gibt, daß es dazwischen unterschiedliche und unzureichende Möglichkeiten der Länderförderung gibt und daß es schließlich auch noch Reste der Kategorienförderung dies Bundes gibt. Wir erinnern deshalb in diesem Zusammenhang daran — und das scheint uns durchaus ,ein angemessener Zeitpunkt zu sein — daß die Bundesregierung hier erneut eine Teillösung der Ausbildungsförderung vorschlägt, obwohl dieses Haus noch im Dezember 1966 einstimmig den Auftrag zu einer einheitlichen und gezielten Regelung der Ausbildungsförderung unter Zusammenfassung aller dafür bisher im Haushalt vorgesehenen Mittel erteilt hat. Dieser Auftrag ist damit also nicht erfüllt. Im Gegenteil, er stellt sich weiterhin als Aufgabe.
Das ist um so bedauerlicher, als ja im Juli dieses Jahres durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dem Art. 74 Nr. 7 des Grundgesetzes eine neue Situation hinsichtlich der Bundeskompetenz auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung entstanden ist. Dort ist festgestellt worden, daß der Bund eine Kompetenz für die Regelung der Ausbildungsförderung besitzt. Das ist bereits in einer Fragestunde von einem Vertreter der Bundesregierung bestätigt worden. Es ist deshalb nicht sehr zufriedenstellend, daß hier nun ein Gesetz vorgelegt wird, das diese veränderte verfassungsrechtliche Situation noch gar nicht berücksichtigt. Wir treten seit acht Jahren für eine einheitliche, zeitgerechte und gezielte Ausbildungsförderung in diesem Hause ein. In der letzten Legislaturperiode hatten wir einen Gesetzentwurf vorgelegt. Damals war die Auslegung der Bundeskompetenz noch außerordentlich unterschiedlich. Der Gesetzentwurf ist deswegen nicht zu Ende beraten worden. Aber wir meinen, daß man heute durchaus an diese Ausgangsüberlegungen wieder anknüpfen kann. Ich möchte Ihnen deshalb in diesem Zusammenhang, da man wieder einen Teilbereich der Ausbildungsförderung — nach unserer Auffassung ohne Grund — zu regeln versucht, im Namen meiner Fraktion ausdrücklich ankündigen, daß wir diesem Hause im kommenden Jahr auf der Basis unseres alten Entwurfs erneut einen Gesetzentwurf zur Ausbildungsförderung vorlegen werden. Vielleicht ist das auch eine Ermutigung für die beiden anderen Fraktionen, die in dieser Legislaturperiode ja bereits Ankündigungen gemacht haben, ihnen aber bisher keinen eigenen Entwurf folgen ließen.
Noch ein letzter Gedanke. Wir sind der Auffassung — ich glaube, darüber hinaus auch die anderen Fraktionen —, daß mit der Streichung der Ausbildungszulage eine um so dringlichere Verpflichtung für eine gezielte Ausbildungsförderung in diesem Hause besteht, aber nicht nur für eine Regelung in Teilbereichen, sondern für eine umfassende und einheitliche Gesamtregelung.
Zum Schluß darf ich noch einmal feststellen: Das vorgelegte Gesetz ist in seinen Bestimmungen zur Ausbildungsförderung nach unserer Auffassung unvollständig. Der breite Bereich der Ausbildungsförderung kann nur in einem einheitlichen Gesetz für die ganze junge Generation geregelt werden. Die sozialdemokratische Fraktion wird dafür einen Gesetzentwurf vorlegen.
Schließlich — das habe ich am Anfang schon betont — bitten wir um die Mitberatung des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514330100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514330200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der Kollegin Freyh verkürzen meine Darlegungen erheblich, weil Sie, Frau Kollegin Freyh — das mag Sie freuen —, in wesentlichen Teilen das vorweggenommen haben,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7417
Moersch
was zu sagen ist. Ich bin Ihnen dankbar, Frau Kollegin Freyh, daß Sie dieses Thema angeschnitten haben. In der Tat ist dieses Gesetz in den Teilen, die die Ausbildungsförderung behandeln, gut gemeint. Aber es entspricht nicht dem Willen dieses Hauses zu diesem Punkt, der hier verabschiedet und erklärt worden ist.
Wir Freien Demokraten sind mit der sozialdemokratischen Fraktion der Ansicht, daß ein einheitliches Gesetz über die Ausbildungsförderung auch die Bereiche der beruflichen Ausbildung zu umfassen hat, wenn die Chancengleichheit gewahrt werden soll. Herr Minister, ich muß hier die Frage stellen, nach welchem Bildungskonzept die Bundesregierung vorzugehen gedenkt. Es ist sicherlich nicht Ihre Aufgabe, das hier zu entwickeln. Aber man fragt eben, welches Ministerium diese Aufgabe übernehmen soll und wo die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Familie und Jugend mit seinem erklärten Willen in dieser Frage, dem Innenministerium und dem Arbeitsministerium bleibt. Ich meine, im Kabinett hätte diese Frage eingehend beraten werden müssen, ehe dieser Gesetzentwurf, wenn er auch in Teilen durchaus zutreffend sein mag, in dieser Form dem Hohen Hause vorgelegt wurde.
Bei den Ausschußberatungen wird es notwendig sein, entsprechende Korrekturen und Abstimmungen vorzunehmen. Deswegen auch unsere Bitte, den Wissenschaftsausschuß mit dieser Vorlage zu befassen, desgleichen den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen, wie Herr Diebäcker es vorgeschlagen hat. Wir haben noch eine sehr große Arbeit zu leisten.
Die Fraktion der FDP hat am vergangenen Dienstag ihren Entwurf zum Ausbildungsförderungsgesetz verabschiedet. Er wird in diesen Tagen als Drucksache vor Ihnen liegen. Ich hoffe, daß wir dann im Januar Gelegenheit haben werden, ,diesen Entwurf und den eben 'angekündigten Entwurf der SPD zur Ausbildungsförderung zusammen mit dem Arbeitsförderungsgesetz unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen und sinnvollen Ausbildungsförderung in allen Bereichen in diesem Hohen Hause zu debattieren und in den Ausschüssen durch Anhörung von Sachverständigen zu einer Grundlage für eine gerechte und umfassende Förderung zu gelangen. Wir möchten Sie heute schon bitten, dieses Arbeitsförderungsgesetz unter diesem Vorbehalt zu beraten. Wir glauben, daß nur eine ganz klare Vorstellung der allgemeinen Bildungsaufgabe es uns als Gesetzgeber ermöglichen wird, zu einer Regelung zu kommen, die dann auch wirklich Bestand hat und zu einer gezielten Ausbildungsförderung in allen Bereichen führt.
Wirbitten Sie also unter diesem Vorbehalt, den wir hier zu machen haben, diesen Gesetzentwurf in den von uns ebenfalls genannten Ausschüssen mitberaten zu lassen, weil wir glauben, daß wir es hier mit einer Gesetzgebung zu tun haben, die außerordentliche Folgen haben kann, sowohl nach der positiven als auch nach 'der negativen Seite hin, außerordentliche Folgen für die Verwirklichung der Chancengleichheit, die in unserem Grundgesetz niedergeschrieben ist.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514330300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller (Berlin).


Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0514330400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht erneut versuchen, Urheberrechte geltend zu machen. Ich unterliege auch nicht der Euphorie, zu glauben, daß dieses Gesetz nun alle Schwierigkeiten für alle Zeiten ausräumt. Ich möchte nur mit ein paar Sätzen das herausstellen, was wir in diesem Gesetz für ganz besonders wichtig halten. Das soll aber nicht bedeuten ,daß alle anderen damit zusammenhängenden Fragen von weniger großer Bedeutung sind.
Wir begrüßen es, daß im Vordergrund der Aufgaben der Bundesanstalt die Arbeitsvermittlung und die begleitende Berufsberatung im Sinne der §§ 28 ff. stehen soll. Die Zielsetzung ist also, wie hier betont worden ist, eine aktive Beschäftigungspolitik, d. h., es soll angestrebt werden, daß Vermittlungen möglichst vor Eintritt der Arbeitslosigkeit vorgenommen werden, insbesondere dann, wenn ältere Arbeitnehmer, die sich nicht selbst überlassen werden können, durch einen Strukturwandel schlecht wieder einen Arbeitsplatz finden. Das gilt insbesondere auch für ältere Angestellte. Lassen Sie mich das an einem Beispiel klarmachen. Wenn beispielsweise durch Strukturveränderung ein 50- oder 55jähriger Werkmeister arbeitslos wird, wird er von sich aus schlecht noch einen Arbeitsplatz finden. Wir können uns eigentlich den volkswirtschaftlichen Luxus nicht erlauben, daß ein solcher Arbeitnehmer vielleicht zehn Jahre nicht mehr ordnungsgemäß in den Arbeitsprozeß eingegliedert ist.
Lassen Sie mich das auch noch an einigen Zahlen nach dem heutigen Stand erläutern. Im September 1965 hatten wir bei einer überhitzten Konjunktur 700 000 offene Stellen bei etwa 85 000 Arbeitslosen, wobei noch gleichzeitig mehr als 1,2 Millionen Gastarbeiter in der deutschen Wirtschaft beschäftigt waren. Im September 1967 hatten wir bei immerhin noch 355 000 offenen Stellen 341 000 Arbeitslose. Selbst im November dieses Jahres standen den über 395 000 Arbeitslosen — es ist hier schon einmal gesagt worden, das sind 1,8 v. H. der unselbständigen Erwerbspersonen — immer noch über 280 000 offene Stellen gegenüber. Aus dieser Gegenüberstellung ist sicherlich zu erkennen, daß zwar nicht alles, aber doch ein erheblicher Teil darauf zurückzuführen ist, daß entweder der Arbeitsmarkt die geeigneten Fachkräfte nicht mehr zur Verfügung stellen kann oder aber sie nicht in den entsprechenden Regionen aufzufinden sind. Hier ist also eine große Aufgabe, die das zukünftige Gesetz mit zu erfüllen hat.
Meine Damen und Herren, dazu gehört aber noch ein zweites, die unbedingte berufliche Mobilität. Dazu ist eine allmähliche aber systematische Überwindung traditioneller und liebgewordener Vorstellungen erforderlich. Hier berufe ich mich auf das zweite Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Kapitel 4: Wachstum und Strukturwandel. Hier heißt es — ich darf vielleicht mit Genehmigung
7418 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Müller (Berlin)

des Präsidenten zum besseren Verständnis zitieren —, daß ein stetiges Wachstum Starrheit der Strukturen verbietet und von allen, die wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen haben, einen hohen Preis flexiblen Verhaltens abverlangt, so von den Unternehmern, die Bereitschaft, den technischen Fortschritt zu nutzen, von den Arbeitnehmern die Bereitschaft, erlerntes Wissen und Können zu erweitern und zu erneuern, gegebenenfalls sogar den Arbeitsplatz oder den Betrieb, den Beruf oder sogar den Wohnort zu wechseln. Hier sei, heißt es, eine große Aufgabe in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt und auch den Sozialpartnern zu bewältigen, wie es übrigens in § 310 auch schon vorgesehen ist. Aber darüber hinaus muß noch einiges mehr geschehen.
Ich bin deshalb der Meinung, daß das Gesetz mit Vorrang vor allen Gesetzesvorlagen, die im Arbeitsausschuß liegen, zügig beraten werden muß. Volkswirtschaftliche, sozialpolitische und gesellschaftspolitische Gründe geben hierzu Anlaß. Wir können uns den Luxus nicht erlauben, längere Zeit Arbeitslosigkeit hinzunehmen. Denken Sie nur an den Rentenberg, den wir zu bewältigen haben, und die sonstigen sozialpolitischen Aufgaben. Zwar garantiert das Grundgesetz den freien Berufs- und Arbeitsplatzwechsel. Das wird aber fragwürdig, wenn infolge der schnellen Entwicklung .der Technik Strukturwandlungen erfolgen, die den sicheren Arbeitsplatz gefährden. Die freie Gesellschaft wird sich erst darin bewähren müssen, wie es ihr gelingt, Vorsorge zu treffen, daß auch jeder seinen Arbeitsplatz in dieser freien Gesellschaft unter Aufrechterhaltung der sozialen Marktwirtschaft haben wird. Dazu sind viele psychologische Hemmnisse zu beheben. Dazu ist auch erforderlich, daß der Gesetzgeber entsprechende Vorsorge trifft. Das soll mit diesem Gesetz geschehen. Deshalb bitte ich um eine möglichst rasche und zügige Beratung in den zuständigen Ausschüssen.

(Beifal bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514330500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Porten.

Josef Porten (CDU):
Rede ID: ID0514330600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem alle Diskussionsredner den Regierungsentwurf begrüßt haben, der beinhaltet, daß vorbeugende und vorbereitende Maßnahmen der Beschäftigungspolitik getroffen werden sollen, und der dazu beitragen soll, strukturelle und technische Wandlungsprozesse rechtzeitig erkennbar zu machen und allen Menschen im beruflichen und sozialen Leben behilflich zu sein, müssen wir uns nicht nur mit den Aufgaben, die der Bundesanstalt eine weitere Ausdehnung bringen, von der Ausgabenseite her beschäftigen, sondern müssen uns als sorgsamer Hausvater auch einmal überlegen, aus welchen Mitteln diese Aufgaben finanziert werden sollen.
Die Bundesregierung betrachtet in ihrem Entwurf den bisherigen Beitrag in Höhe von 1,3 % der Lohnsumme auch für die nächste Zukunft als ausreichend. Eines aber muß man in dieser Stunde auch
zu den 1,3 % der Lohnsumme deutlich sagen. Hier soll ja eine Dynamisierung Platz greifen, indem nun nicht mehr die starre Beitragsbemessungsgrenze von jetzt 1300 DM gelten, sondern diese nach Inkrafttreten des Gesetzes der Rentenversicherung angepaßt werden soll. Das bedeutet zweifellos eine weitere Belastung der Lohnsumme, worauf man wieder einmal hinweisen muß, weil wir wissen, daß in unserer lohnintensiven Wirtschaft gerade in bezug auf die Lohnbelastung sehr ernste Sorgen bestehen. Der Stein der Weisen ist bisher nicht gefunden worden, um von anderen Bemessungsgrundlagen als von der Lohnsumme auszugehen.
Nach meiner Auffassung ist aber ein zweiter Punkt in der Regierungsvorlage sehr interessant und bedeutsam, daß nämlich der Beitrag an die Bundesanstalt nicht länger ein Einheitsbeitrag bleiben, sondern daß er in einen Arbeitgeber- und in einen Arbeitnehmerbeitrag aufgeteilt werden soll. Meine Damen und Herren, ich glaube in dieser Stunde darauf aufmerksam machen, ich möchte fast sagen, warnen zu müssen, einen solchen Weg zu gehen. Auch der Bundesrat hat hier bereits eine Warnung ausgesprochen. Aufgabenstellung und Entwicklung sind im Laufe der Diskussion über dieses Gesetz von vielen Rednern sehr gut dargestellt worden. Die Diskussionsredner haben vorgetragen, wie sie sich die Entwicklung vorstellen, wie schön alles werden kann. Es besteht aber die Gefahr, daß aus einem Proporzdenken heraus nachher die gute Zusammenarbeit innerhalb der Selbstverwaltung gestört wird.
Bei der Einnahmeseite müssen wir noch ein weiteres Problem in Betracht ziehen. Wir haben uns nämlich zu überlegen, inwieweit bei der Erweiterung der Aufgabenstellung nunmehr auch die nichtbeitragzahlenden Gruppen in Zukunft mit Beitragszahlungen belastet werden müssen. Das ist eine Frage, über die wir uns in den Ausschüssen zweifellos noch sehr lebhaft unterhalten werden.
Weiterhin wäre vom Finanziellen her die Frage der Rücklagen zu betrachten. Ich möchte jedoch angesichts der vorgerückten Zeit auf unsere Vorstellungen dazu nicht mehr im einzelnen eingehen. Wir haben ja bereits im Stabilitätsgesetz in dieser Hinsicht eine gewisse Regelung getroffen. Ob hier eine Erweiterung notwendig ist, wird sich zeigen.
Eines sollte man in dieser Stunde aber auch noch einmal sagen. Damals hat die Bundesanstalt auf Grund der Finanznot des Bundes die Arbeitslosenhilfe übernommen. Das darf aber kein Dauerzustand werden, weil die Arbeitslosenhilfe nicht ausschließlich aus den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeber finanziert werden kann.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn diese Aufgaben von der Einnahmeseite her für alle Beteiligten zufriedenstellend gelöst werden, werden wir zweifellos zum Schluß ein gutes Gesetz haben, das für alle Beschäftigten wirksam sein kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514330700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaschke.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7419

Günter Jaschke (SPD):
Rede ID: ID0514330800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das AVAVG ist am 1. Oktober 40 Jahre alt geworden. Trotz vieler Modifizierungen ist es eben doch nicht mehr das Instrument, das wir für die heutige Arbeitsmarktpolitik benötigen. Damals war es sicherlich — so wie es heute wohl das Arbeitsförderungsgesetz, wenn wir es verabschiedet haben, sein wird — eines der fortschrittlichsten Gesetze. Aber es sah eben erst Maßnahmen für den Fall vor, daß das Kind in den Brunnen gefallen war; das heißt, wenn Arbeitslosigkeit eingetreten war, wurde vermittelt oder wurden Maßnahmen der Arbeitslosenversicherung eingeleitet. Das war früher auch nicht so erheblich wie heute; denn damals wählte doch weitgehend jeder seinen Lebensberuf.
Heute ist das anders. Der Herr Bundesarbeitsminister hat bereits darauf aufmerksam gemacht, daß etwa 50 obo der Arbeitnehmer im Leben ihren Beruf wechseln müssen. Ich möchte das noch ergänzen: Untersuchungen haben ergeben, daß jeder vierte Beschäftigte seinen Beruf sogar zweimal wechseln muß. Allein im vergangenen Jahr sollen nach Untersuchungen der Industrie etwa eine dreiviertel Million Arbeitsplätze durch Maßnahmen der Automation, der Rationalisierung, der Technisierung usw. verlorengegangen sein. Dabei hat sich gezeigt, daß der ungelernte und der angelernte Arbeiter am gefährdetsten ist. Hier wird die Arbeitsberatung auf Grund dieses Gesetzes künftig besonders einzusetzen haben. Wir haben in Nordrhein-Westfalen feststellen müssen, daß bei der Strukturarbeitslosigkeit der Anteil ungelernter jugendlicher Hilfsarbeiter unter 25 Jahren enorm hoch war.
Ich meine, daß neben der Berufsberatung, die sicherlich noch zu verbessern ist, wenn Ergebnisse der Arbeitsmarktforschung vorliegen, auch die Arbeitsberatung verstärkt werden muß. Es reicht vielleicht nicht aus, daß das Arbeitsamt wartet, bis jemand zu ihm kommt, um sich beraten zu lassen. Das Arbeitsamt muß expansiv werden. Alle Beratungsmöglichkeiten müssen ausgeschöpft werden, vielleicht sogar über Presse, Rundfunk und über Öffentlichkeitsarbeit überhaupt. Vielleicht sollte der Arbeitsberater auch in die Betriebe gehen, um die Betroffenen darüber aufzuklären, wie wichtig die weitere Fortbildung unter Umständen sein wird.
Wie notwendig die verbesserten Vorschriften für die Aus- und Fortbildung und die Umschulung sind, beweist, daß bereits mit den heutigen Mitteln der Bundesanstalt von 1961 bis 30. Juni 1967 37 964 Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt wurden. In dieser Zahl sind nicht die Anlernmaßnahmen, die Maßnahmen für Bergleute und für Rehabilitation enthalten.
Im Arbeitsförderungsgesetz scheint mir noch nicht genügend festgelegt zu sein, daß die Arbeitsverwaltung primär zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen beauftragt wird. Wenn das geschähe, erreichte man einen nahtlosen Übergang von der medizinischen über die therapeutische zur beruflichen Rehabilitation. Heute ist es leider so, daß sich Arbeitsverwaltung und Rententräger über die Art der Maßnahmen oft nicht einig sind und der betroffene Rehabilitant ein halbes Jahr und länger warten muß, bis er in irgendeine Maßnahme eingewiesen werden kann. Dem könnte man abhelfen, wenn die Arbeitsverwaltung primär zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen beauftragt würde und die Rentenversicherungsträger lediglich hinterher als Kostenträger aufträten.
Wir werden alle, wie schon Herr Kollege Müller sagte, aufgerufen sein, für eine zügige Beratung dieses Gesetzentwurfs zu sorgen, um ihn zum Wohle der arbeitenden Menschen und auch der Wirtschaft baldmöglichst verabschieden zu können.
Herr Kollege Schmidt (Kempten) sagte zwar, dieser Entwurf sei nicht der Stein der Weisen, aber ich meine, innerhalb der Arbeitsmarktpolitik wird er ein Markstein sein. Er wird darüber hinaus — das machte auch schon der Herr Bundesarbeitsminister geltend — in eine weitsichtige Sozial- und Gesellschaftspolitik überhaupt zu stellen sein, die auch noch zu konzipieren sein wird. Diese Gesellschaftspolitik muß gemeinsam mit der Finanz- und Wirtschaftspolitik so ausgerichtet werden, daß sie zu einer kontinuierlichen Entwicklung der Wirtschaft und damit zu einer gesicherten Vollbeschäftigung zum Wohle aller führt.
Wir werden in den Ausschüssen daran zu arbeiten haben, daß noch vorhandene Lücken und Mängel des Entwurfs, auf die schon der Kollege Folger aufmerksam machte, behoben werden. Aller Fach- und Sachverstand wird zu mobilisieren sein, um dieses Gesetz zu einem Instrument der Arbeitsmarktpolitik zu machen, das den Aufgaben, vor die uns noch die zweite industrielle Revolution stellt, im letzten Drittel dieses Jahrhunderts gerecht wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514330900
Das Wort hat Frau Abgeordnete Blohm.

Irma Blohm (CDU):
Rede ID: ID0514331000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte heute nur dem Minister dafür danken, daß er nicht nur die Frauenenquete vorgelegt, sondern mit dem Arbeitsförderungsgesetz auch die Konsequenzen aus der Frauenenquete gezogen hat. Wir Frauen sind von dem Gesetz ganz besonders betroffen. Sie haben vorhin die Chancen aufgezählt, Herr Minister, die den Frauen mit diesem Gesetz geboten werden. Frau Freyh hat das unterstrichen; ich brauche es also hier nicht zu wiederholen.
Ich möchte nur an die Bundesregierung die Bitte richten, von jetzt an und vor allem auch nach Verabschiedung des Gesetzes eine große Aufklärungsarbeit in den Frauenverbänden, bei den Berufsberatungsstellen, in den Elternhäusern und in den Schulen zu betreiben, damit die Frauen nun auch wirklich die Chancen, die ihnen das Gesetz bietet, für die Zukunft nutzen. Sie hatten bis heute schon die Möglichkeit, in ihrem Beruf weiter aufzusteigen und an der Fortbildung teilzunehmen; aber diese Chancen sind leider Gottes nicht genügend genutzt worden. Es wird wirklich allerhöchste Zeit, daß wir
7420 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Frau Blohm
die Reserven, die wir bei den Frauen haben, genügend auswerten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514331100
Das Wort hat der Abgeordnete Behrendt.

Walter Behrendt (SPD):
Rede ID: ID0514331200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, eine kurze Zusammenfassung zu geben, und einmal zwei sicherlich nicht sehr bedeutsame Berichtigungen machen, die dennoch nicht unter den Tisch fallen sollten, zum anderen noch einmal sehr deutlich die Notwendigkeit der Arbeitsmarktpolitik und die positive Einstellung der sozialdemokratischen Fraktion zu ihren Problemen unterstreichen.
Wir begrüßen diesen Regierungsentwurf mit der Bezeichnung „Arbeitsförderungsgesetz". Wir begrüßen ihn vor allem deshalb, weil sich die Bundesregierung damit den Grundsätzen und Tendenzen des Gesetzentwurfs eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vom 30. August 1966 anschließt.
Sowohl dem Herrn Minister als auch meinem verehrten Kollegen Müller — den ich im Augenblick leider nicht sehe — möchte ich sagen, daß der Gesetzentwurf, den wir heute behandeln, nicht auf den seinerzeit von seiner Fraktion hier eingebrachten Antrag und auf die Beschlußfassung des Bundestages vom 29. Juni 1966 zurückzuführen ist.

(Abg. Müller [Berlin] : Lesen Sie doch die Begründung!)

— Herr Kollege Müller, dieser Vorentwurf ist durch unseren Gesetzentwurf nicht gerade erzwungen worden, aber ich möchte sagen, wir haben es erzwungen, ihn schneller zu erstellen; denn wenn in dem Entwurf steht — auch der Herr Minister hat das ja gesagt —, man 'habe zwei Jahre daran gearbeitet, kann das ja nicht erst 'auf Grund Ihres Antrages geschehen sein. Zunächst hat es den Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gegeben — das ist eine chronologische Tatsache —, an dem wir auch fast zwei Jahre gearbeitet haben. Als Zweites muß man bedenken, daß es auch die Organe der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung waren, die ebenfalls seit Jahren die Probleme der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in ihre Betrachtungsweise einbezogen hatten. Der Herr Kollege Müller weiß das sicher sehr genau.

(Abg. Müller [Berlin] : Wird auch nicht bestritten!)

Drittens haben die Organe der Bundesanstalt daraus bereits Konsequenzen gezogen. Ich muß das einfach sagen, um mit diesen notwendigen Berichtigungen möglichen Legendenbildungen vorzubeugen.
Nun aber zum Gesetzentwurf selbst, den wir sehr positiv beurteilen und zu dem ich nur sagen möchte, wie wir ihn von uns aus noch weiter verbessern wollen. Das sage ich nicht als Kritik, sondern zur weiteren Förderung. Diese Vorschläge möchte ich kurz zusammenfassend darstellen.
An erster Stelle möchte ich sagen, daß die gesetzliche Verpflichtung ausgesprochen werden muß, geplante Betriebsveränderungen, die Arbeitslosigkeit oder unterwertige Beschäftigung zur Folge haben können, der Arbeitsverwaltung rechtzeitig anzuzeigen, um früh genug die erforderlichen Umschulungsmaßnahmen durch die Arbeitsverwaltung einleiten zu können.
Zweitens ist es erforderlich, wenn man die berufliche Fortbildung fördern will — wie es in diesem Gesetzentwurf erfreulicherweise so stark angesprochen ist; wir unterstreichen das —, dazu auch den gesetzlichen Rahmen zu schaffen, Freizeit dafür zu gewähren. Das kann man nicht nur durch Arbeitszeitverkürzung; dadurch kann man nicht so viel Freizeit gewinnen, in der man berufliche Fortbildung treiben kann, — so ehrenwert das sicherlich ist und sosehr das heute erfreulicherweise an den Volkshochschulen und an den bereits vorhandenen Berufsfortbildungseinrichtungen durch die Arbeitnehmer geschieht. Das unterstützen wir mit allen Maßnahmen. Aber selbstverständlich muß auch diese Lücke geschlossen werden, wenn man den großen und wichtigen Bereich der beruflichen Fortbildung entscheidend fördern will.
Drittens müssen wir uns sicherlich auch noch überlegen, Herr Minister, wenn man die individuelle Förderung der beruflichen Bildung haben will, ob man das so stark an eine angemessene Zeit der Beitragspflicht — so heißt es in Ihrem Entwurf binden kann. Hier müßten wir im Laufe der Ausschußuntersuchung einmal prüfen und auswerten, welche Erfahrungen wir mit dem Leistungsförderungsgesetz gemacht haben. Da werden wir dann sicherlich auch noch zu einer guten Lösung kommen.
In bezug auf die Koordination der beruflichen Rehabilitation durch die Bundesanstalt werden wir sicherlich die Dinge so sehen müssen, daß zunächst einmal Rehabilitationsmaßnahmen durch die Bundesanstalt einzuleiten sind, gleichgültig wer zahlt; denn die Bundesanstalt weiß am besten auf Grund der Bedingungen am Arbeitsmarkt, wie die Umschulung für den Betreffenden individuell vorgenommen werden soll. Erst danach sollte die Bundesanstalt den Träger suchen und dann entsprechend die Finanzierung einleiten.
Auch in anderer Beziehung haben wir Vorstellungen, um das Gesetz weiter fortschrittlich zu gestalten. Das Gesetz sollte die Nahtlosigkeit zwischen der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung durch Berücksichtigung der Rechtsprechung, die bisher erfolgt ist, herbeiführen. Die Arbeitsverwaltung sieht die Berufsunfähigkeit bei geringfügiger Beschäftigung — wenn eine wöchentliche Arbeitszeit von 18 Stunden unterschritten wird — als gegeben an. Wenn diese Berufsunfähigkeit durch ein sozialärztliches Attest festgestellt ist, sollte dies auch für die Rentenversicherung verbindlich sein.
Ein weiterer Punkt, der schon angesprochen worden ist — da sind wir vielleicht nicht ganz in Übereinstimmung —, ist die Frage der Zahlung des Arbeitslosengeldes für die mittelbar vom Streik Be-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7421
Behrendt
troffenen. Da gibt es verschiedene Auslegungen auf Grund des Internationalen Übereinkommens Nr. 102. Auch das sollte bei diesem großen Reformwerk berücksichtigt werden.
Folgendes liegt uns besonders am Herzen. Wenn hier nun das AVAVG abgelöst wird, sollte auch alles das, was mit dem Leistungsrecht zusammenhängt, entscheidend vereinfacht werden gegenüber dem, was wir heute haben:

(Abg. Dr. Schellenberg: Sehr wahr!)

Ich meine besonders die Art der Berechnung. Sie muß durchsichtiger werden, sie muß einfacher werden. Die Zahl von 80 Tabellen, die wir heute haben, muß reduziert vierden. Ich glaube bestimmt, daß das möglich ist, wenn man zu einer neuen, modernen Art der Berechnung kommen will.
Die Vereinfachung müßte allgemein auch dadurch erfolgen, daß man die technischen Möglichkeiten, die es heute gibt, für die Bundesanstalt nutzt. Wir halten das für selbstverständlich. Herr Minister, hier sind ja bereits positive Vorschläge vorhanden. Ich darf Sie daran erinnern, daß es das sogenannte Herrschinger Vereinfachungsprogramm gibt. Wir sollten untersuchen, ob wir nicht auch das hineinbringen sollten. Auf jeden Fall muß hier in der Verwaltung und der Art der Berechnung hinsichtlich der Vereinfachung Entscheidendes geschehen.
Wir unterstreichen auch das, was bezüglich der Winterbauförderung vorgeschlagen worden ist. Herr Minister, Sie wissen, daß es auch hier weitere Verbesserungsvorschläge gibt. Wir werden sie bei der Beratung im Ausschuß noch zu prüfen haben.
Dann werden wir uns zu überlegen haben, ob wir die von Ihnen vorgeschlagene Finanzierung bis 1974 bestehen lassen können. Wir sind nämlich der Auffassung, daß Berufsberatung, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung öffentliche Aufgaben sind. Selbstverständlich sind wir bereit, der vorgeschlagenen Finanzierung bis 1971 zuzustimmen, denn wir wissen, daß bis dahin auf Grund der mittelfristigen Finanzplanung nichts geändert werden kann. Im Jahre 1970 sollten aber Überlegungen angestellt werden, ob nicht eine andere Finanzierung erfolgen muß, weil Berufsberatung, Berufsforschung und Ausbildungsfoschung öffentliche Aufgaben sind.
Herr Minister, Sie haben hier eine kleine Unterlassungssünde begangen. Sie haben nur von dem Gesetzentwurf der CDU/CSU und der Freien Demokraten zur Berufsausbildung gesprochen. Es gibt aber einen Gesetzentwurf, der früher vorlag. Ich meine den Gesetzentwurf zur Berufsausbildung, der in das Paket unseres Arbeitsmarktanpassungsgesetzes eingebaut war. Es ist zuzugeben, daß es sich hierbei nur um ein Rahmengesetz handelte und daß dieser Entwurf von anderen Grundsätzen ausging als der von Ihnen zitierte Entwurf der CDU/CSU und der FDP. Es liegt aber ein solcher Entwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vor. Darauf Wollte ich hinweisen.
Zum Schluß möchte ich folgendes sagen. Eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik — da stimme ich sicherlich mit den Kollegen Müller und Diebäcker
überein — kann ohne eine umfassende, einheitliche und der technischen Entwicklung entsprechende moderne Berufsausbildung nicht die Wirkung erzielen, die man eigentlich von ihr erwartet. Wir müssen beides zusammen sehen. Für uns ist die Arbeitsmarktpolitik ein Teil der gesamten Wirtschafts-, Industrie- und Beschäftigungspolitik. Sie ist für uns nur im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu sehen.

(Beifall bei der SPD.)

Damit ist sie für uns zugleich Gesellschaftspolitik. Wer meint, eine solche Arbeitsmarktpolitik stehe in einem Gegensatz zu einer Politik der Vollbeschäftigung, des wirtschaftlichen Wachstums oder der gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung, der irrt sich. Sie ist zur Unterstützung einer solchen Politik geradezu notwendig.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Wenn die Bundesanstalt, wie auch wir es wollen, diese neuen und großen Aufgaben durch das Gesetz zugewiesen bekommt, dann wird sie eine der bedeutendsten Institutionen der Bundesrepublik Deutschland. Ich glaube, wir haben allen Grund, ein besonderes Augenmerk auf diese Institution zu richten. Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe — der sozialdemokratische Gesetzentwurf eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes und der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes — sollten uns in die Lage versetzen, für die von uns gewollte zukünftige Arbeitsmarktpolitik eine gute Lösung zu finden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514331300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horstmeier.

Martin Horstmeier (CDU):
Rede ID: ID0514331400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eine kurze Stellungnahme aus der Sicht der Landwirtschaft zu diesem Gesetzentwurf abgeben.
Es scheint zur Tatsache geworden zu sein, daß der weitere Strukturprozeß in der Wirtschaft der Preis für weiteren Fortschritt ist. Diese Strukturveränderungen sind in erster Linie sektoral bedingt und vollziehen sich mit unterschiedlichem Tempo. Ein Bereich, in dem sich dieser Wandel mit aller Heftigkeit und höchster Beschleunigung vollzieht, ist die Landwirtschaft. Die Landwirtschaft bejaht im Grundsatz den Fortschritt, weil er die Grundlage wachsenden Wohlstands ist. Aber dieser Prozeß, meine Damen und Herren, muß mit politischen Mitteln unter Kontrolle gehalten werden, und es gilt, soziale Härten, die dadurch entstehen, zu mildern. Es bringt schon soziale Härten mit sich, wenn in einem Bereich wie der Landwirtschaft jährlich 80 000 bis 100 000 Arbeitskräfte ausscheiden müssen. Ein paar Zahlen liefern da in aller Deutlichkeit einen Beweis.
Nur unter dem Gesichtspunkt der Vollarbeitskräfte betrachtet, hatte die Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1950/51 einen Stand von 4 380 000 Familienarbeitskräften. Dazu kamen 766 000 Lohnarbeits-
7422 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Horstmeier
kräfte. 1966/67 waren es noch 2 187 000 Familienarbeitskräfte und 201 000 Lohnarbeitskräfte. Das bedeutet, daß in den 16 Jahren ein jährlicher Abgang von über 130 000 bei den Familienarbeitskräften und 35 000 bei den Lohnarbeitskräften zu verzeichnen ist. Das ist eine Abgangsquote, die in keinem anderen Wirtschaftsbereich zu verzeichnen ist.
Wenn ich mir diese Tatsache einmal vor Augen halte, bin ich .dem Bundesarbeitsminister dankbar, daß er in diesem Gesetzentwurf besonders die Förderung der beruflichen Umschulung herausgestellt hat.
Sie haben ja den paar Zahlen entnehmen können, daß wir jetzt in einer Phase der Veränderung sind, wo neben den Lohnarbeitskräften die Familienarbeitskräfte den immer größer werdenden Anteil der Ausscheidenden ausmachen, Arbeitskräfte also, die nicht nur ihren Arbeitsplatzaufgeben, sondern auch ihre Selbständigkeit. Das sind die sozialen Härten, von denen ich vorhin sprach. Die finanzielle Basis dieses Personenkreises reicht in der Regel nicht aus, einen anderen Beruf zu erlernen, um wenigstens den Status eines gelernten Facharbeiters zu erlangen. Ihnen bleibt dann nur noch der Abstieg vom erlernten selbständigen Beruf zum ungelernten Arbeiter. Dieses ist in der Tat ein Problem, dessen wir uns mit aller Intensität auch in diesem Hause annehmen müssen.
Ich habe deshalb die Bitte, den Gesetzestext des AFG und die Durchführungsverordnungen so zu gestalten, daß die Förderung von Umschulungswilligen aus der Landwirtschaft nicht in Frage gestellt werden kann. Sie müßten vielmehr nach meiner Ansicht einen Rechtsanspruch ,darauf haben.
Leider 'ist die Förderung nach dem bestehenden Recht, auch nach der 7. Novelle des AVAVG, in der Praxis auf große Schwierigkeiten gestoßen. Es ist hier aber nicht der Ort, Detailfragen zu vertiefen, sondern das muß den beratenden Anschüssen überlassen bleiben. Aber wenn Sie es gestatten, möchte ich doch noch zwei Wünsche anhängen.
Der erste Wunsch betrifft den § 43, und zwar
muß bei der festzusetzenden Förderungshöhe die Berechnungsgrundlage bei den Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit der Situation entsprechend gestaltet werden, d. h. es darf nicht der mögliche Besitz zum Bemessungsmaßstab gemacht werden, sondern die tatsächlichen Einkünfte müssen zugrunde gelegt werden.
Zweitens habe ich die Bitte, in die Gruppe der möglichen Träger von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen — § 50 AFG — neben den Landwirtschaftskammern auch den Verband der Heimvolkshochschulen aufzunehmnen. Die Heimvolkshochschulen sind heute Mittelpunkte der Erwachsenenbildung auf dem Lande und erfüllen alle Voraussetzungen, diese Aufgaben übernehmen zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514331500
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll überwiesen werden an den Ausschuß für Arbeit — federführend —, an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend —, an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Ferner wird vorgeschlagen, die Vorlage zur gutachtlichen Äußerung an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen, den Finanzausschuß und an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik zu überweisen. — Das Haus ist mit 'diesen Vorschlägen einverstanden.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes
— Drucksache V/2234 —
Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Ziegler das Wort.

Erich Ziegler (CSU):
Rede ID: ID0514331600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. In der Ihnen vorliegenden Drucksache V/2234 haben sich einige Druckfehler eingeschlichen. Einer von ihnen ist von wesentlicher und sinnentstellender Bedeutung. Ich möchte ihn daher vorweg hier in aller Öffentlichkeit berichtigen.

(Abg. Behrendt: Sie wollen also nicht den ganzen Entwurf zurückziehen, Herr Kollege Ziegler! — Heiterkeit bei der SPD.)

— Nein, ich habe nicht die Absicht.
Auf Seite 3 in Art. 1 Nr. 16 muß unter Buchstabe a im dritten Absatz hinter dem Wort „Vorsitzenden" eingefügt werden: „bzw. dessen Stellvertreter mit der gleichen Stimmenzahl". Der ganze dritte Absatz muß also lauten:
Werden aus einer Gruppe zwei Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter mit der gleichen Stimmenzahl vorgeschlagen, so entscheidet das Los.
Wir haben selbstverständlich nicht die Absicht, eine allgemeine Losentscheidung einzuführen und, wie das eine westfälische Zeitung geschrieben hat, die Wahlurne durch den Knobelbecher zu ersetzen.
Nun zur Begründung des Antrags.

(Abg. Dr. Schellenberg: Ich dachte, es kommen noch weitere Änderungen!)

— Weitere Änderungen wären an sich noch notwendig. Die Fehler sind aber nicht so sinnentstellend. Die Änderungen sind redaktioneller Art, und wir werden sie der Beratung im Ausschuß vorbehalten.
Meine Damen und Herren! Sie wissen, daß das Betriebsverfassungsgesetz vor wenigen Wochen 15 Jahre in Kraft ist. Es ist im Oktober 1952 — genau am 14. Oktober — nach vielen parlamentarischen und außerparlamentarischen Auseinandersetzungen in Kraft getreten. Heute strahlt es seine Wirkungen
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7423
Ziegler
auf das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, auf die Ordnung in der Welt der Arbeit, in der Welt der Betriebe aus. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, der noch vor wenigen Wochen durch den Mund seines stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Beermann, daran erinnerte, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund dem Gesetz von Anfang an entgegenstand und daß dieses Gesetz nicht seinen Vorstellungen und den Vorstellungen seiner Gewerkschaften entsprach, wird heute bestätigen, daß das Betriebsverfassungsgesetz auf breiter Front zur betrieblichen und sozialen Wirklichkeit geworden ist, daß es sich zu einem guten und brauchbaren Instrument der partnerschaftlichen Zusammenarbeit im Betrieb entwickelt hat. Überall dort, wo das Gesetz positive Anwendung findet, dient es der Vertiefung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, hat es Spannungen gemildert und dem sozialen Frieden gedient. Was mein Fraktionskollege, der heutige Verteidigungsminister Dr. Gerhard Schröder bei der Einbringung als ein kühnes Experiment bezeichnete, muß heute als gelungen angesprochen werden. 142 000 Betriebsräte, 10 000 Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten zeugen in ihrem Wirken davon, daß der Partnerschaftsgedanke seiner Verwirklichung nähergekommen ist. Das Betriebsverfassungsgesetz hat sich als ein guter Ersatz für das Betriebsrätegesetz der Weimarer Zeit gezeigt und gilt in der ganzen Welt hinsichtlich der darin gewählten Regelung der Beziehungen zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern als eine vorbildliche Einrichtung.
Niemand wird nun behaupten wollen, dieses Gesetz sei schon im ersten Anlauf so gelungen, daß es nicht noch verbesserungsfähig und verbesserungswürdig wäre. Nach 15 Jahren Erfahrung wäre es an der Zeit, es in seinem ganzen Umfange zu überprüfen. Ich muß gestehen, wir waren auch sehr versucht, eine solche Überprüfung des Gesetzes in seinem ganzen Umfang vorzunehmen, aufgetretene Lükken zu schließen und festgestellte Mängel abzustellen. Wir haben aber aus guten, wohlerzogenen Gründen von einer solchen umfassenden Novellierung abgesehen, weil uns im Moment der Zeitpunkt dafür nicht gekommen erscheint und weil wir einer künftigen Entwicklung nichts vorwegnehmen wollten und auf der anderen Seite auch nichts verbauen wollten. Der vorliegende Entwurf verbaut nichts. Im Gegenteil, er schafft die Voraussetzungen dafür, daß im Betrieb bei der Bildung der Vertretung der Arbeitnehmerorgane eine gute Atmosphäre entsteht.
Der Gesetzentwurf hält sich in engen Grenzen. Es ist ein genau abgrenzbarer Teilbereich angesprochen. Es dreht sich nur um die Verhältnisse der Meinungsbildung innerhalb der Arbeitnehmerschaft, um die Bildung ihrer Vertretungsorgane. Die Beziehungen zwischen den Betriebsangehörigen und dem Vertretungsorgan, dem Betriebsrat, einerseits und der Unternehmensleitung andererseits werden durch diesen Gesetzentwurf nicht berührt.
Meine Damen und Herren, ich möchte es Ihnen angesichts der vorgerückten Zeit ersparen, daß ich auf Einzelheiten des Gesetzentwurfs näher eingehe. Sein Kernstück, das Ziel, das wir angestrebt haben,
ist eine Verbesserung bzw. Stärkung des Rechts der Minderheiten, der demokratischen Meinungsgruppen aller Schattierungen und der soziologischen Minderheiten.
Wir haben deshalb vorgeschlagen, daß die für die Einbringung von Wahlvorschlägen notwendige Unterschriftenzahl von bisher einem Zehntel auf ein Zwanzigstel herabgesetzt wird. Mindestens drei, höchstens hundert. Wer von Ihnen die Praxis in den Betrieben kennt, weiß, wie sich die Unterschriftenklausel in der Vergangenheit ausgewirkt hat. Nehmen wir als Beispiel einen Betrieb mit 200 Beschäftigten. Wenn hier fünf Listen eingebracht werden sollten, mußten mindestens 100 Unterschriften vorgelegt werden. Das war praktisch eine Offenlegung des Wahlgeheimnisses, weil mindestens die Hälfte der Betriebsangehörigen ihre Einstellung offen kundwerden lassen mußten.
Ein weiteres wichtiges Stück des Entwurfs ist die Einführung des Prinzips der Verhältniswahl, des d'Hondtschen Verfahrens, bei der Bildung der Organe, der Vorstände, der Ausschüsse, den Freistellungen der Betriebsräte usw. Ich habe es eigentlich nie begriffen, warum wir auf der Ebene des Betriebs bei der Bildung der Organe etwas vorenthalten haben, was in allen anderen Stufen eine Selbstverständlichkeit ist. In den Gemeindeparlamenten, den Kreisparlamenten, im Bundestag, in den Landtagen ist die Bildung der Ausschüsse nach dem d'Hondtschen Verfahren eine Selbstverständlichkeit.
Wir sprechen in dem Gesetzentwurf noch an die Gleichstellung der Jugendvertreter mit den Betriebsräten und die Möglichkeit, an Stelle der Gesamtbetriebsversamlung auch Teilversammlungen durchzuführen, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht, z. B. wenn es sich um besondere Probleme der Angestellten oder der Jugendlichen handelt.
Mit diesen wenigen Bemerkungen zum Gesetzentwurf selbst möchte ich mich begnügen. Ich möchte noch einige allgemeine Bemerkungen anknüpfen.
Meine Damen und Herren, der Betrieb wird heute immer mehr zu einem Kristallisationspunkt des gesellschaftlichen Geschehens. Für einen Großteil unserer Staatsbürger ergeben sich dort die ersten Berührungspunkte mit der Gesellschaft, mit dem Staat überhaupt. Dort im Betrieb wird vielfach die Einstellung zum Staat, zur Gesellschaft entscheidend geprägt und geformt. Das Verhalten in der Gemeinschaft und das demokratische Bewußtsein werden vom Erleben im Betrieb und von den dort erhaltenen Eindrücken sehr weitgehend mitbestimmt. Ein guter demokratischer Stil, eine echte Toleranz, Achtung vor der Meinung anderer, auch kleinerer Gruppen, wird sich gerade im Betrieb auswirken, und er wird vom Betrieb aus auch auf andere Bereiche des öffentlichen Lebens ausstrahlen und sich dort günstig bemerkbar machen. Mit unserem Entwurf wollen wir die Voraussetzungen für eine gute demokratische Atmosphäre schaffen und dafür sorgen, daß Willkür und Majorisierung im Betrieb keinen Platz finden.
Die Arbeitnehmer sind heute fest in unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung integriert. Sie
7424 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Ziegler
haben sich als voll- und gleichberechtigte Staatsbürger erwiesen, und sie sind es auch. Wer könnte annehmen, daß dies im Betrieb nicht zur Auswirkung kommt? Im Gegenteil, wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß die Belegschaft ein Spiegelbild der verschiedenen geistigen und politischen Strömungen darstellt und daß auch und gerade im Betrieb dieselben Kräfte wie in der übrigen Bevölkerung wirksam werden.
Mir ist bekannt, daß sich in diesem Hohen Hause einige Kollegen darüber Gedanken machen und im nächsten Jahr wahrscheinlich darüber eine Debatte anregen werden, ob die Methoden der politischen Bildung, die bei uns in der Bundesrepublik betrieben wird, wirksam und richtig sind. Diese Sorgen sind zweifellos berechtigt. Ich darf hier aber bemerken, daß die beste politische Bildung immer noch die Praxis erlebter Demokratie ist. Demokratie als Lebensstil kann am besten im Betrieb praktiziert werden. Dort wird sie im ständigen Zusammenleben geübt, dort ist jeder auf jeden angewiesen, dort treten die Probleme hautnah an den einzelnen heran, dort ist echte Demokratie wirklich lebendig. Dort zeigt sich auch, daß sich eine solche echte, lebendige Demokratie nicht in der Mechanik von Mehrheitsentscheidungen erschöpft, daß jede beachtliche Gruppe ihre faire Chance haben soll und muß. Das ist eines der Kernziele, das wir mit unserem Entwurf anstreben. Wir wollen die Chancengleichheit und gleiche Startvoraussetzungen für alle demokratischen Gruppen.
Selbstverständlich sind wir uns bewußt, daß damit auch die Gefahr besteht, daß sich rechts- und linksextreme, radikalistische Gruppen als Nutznießer dieses Gesetzes bedienen. Brauchen wir dies zu fürchten? Ich glaube nicht. Wir sind überzeugt, daß gerade im Betrieb die Überlegenheit und Humanität einer freiheitlichen Ordnung durch lebendiges Beispiel bewiesen werden kann. Wenn Kommunismus und rechtsextremen Gruppen der Boden fehlt, in .den sie säen können, werden ihnen auch die Erfolge versagt bleiben. Unser Ziel ist es, mit diesem Entwurf den Betriebsrat zu einem verantwortungsbewußten, arbeits- und handlungsfähigen Vertretungsorgan der gesamten, aber auch wirklich der gesamten Arbeitnehmerschaft im Betrieb zu machen. Das kann kein Eintopf sein. Hier müssen alle lebendigen Kräfte entsprechend ihrer Stärke zur Geltung kommen
Meine Damen und Herren, wir glauben nicht mit diesem Gesetz den Anspruch auf die beste, die einzig mögliche Lösung erheben zu können. Wir sind daher aufgeschlossen für Anregungen und Änderungsvorschläge in den Ausschußberatungen und werden uns solchen Anregungen bestimmt nicht verschließen, wenn sie dazu beitragen, daß im Betrieb eine lebendige Demokratie wirksam werden und ausgebaut werden kann.
Ich beantrage namens meiner Fraktion, die Regierungsvorlage an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und an den Innenausschuß zur Mitberatung zu überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514331700
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seidel.

Max Seidel (SPD):
Rede ID: ID0514331800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur ersten Lesung des von der CDU/ CSU-Fraktioneingebrachten Entwurfs einer Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes erkläre ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion folgendes. Wenn die Arbeitnehmer, Arbeiter und Angestellte, die Überschrift des Entwurfs — „Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes" — zur Kenntnis nehmen, werden sie sagen: Na endlich! Das Betriebsverfassungsgesetz ist seit Oktober 1952 gültig. Damals wurde um die Grundsätze und die Details des Gesetzes hart gerungen. Wegen der unzureichenden Rechte der Betriebsräte lehnten wir das Gesetz ab. Seitdem sind 15 Jahre vergangen, ein Zeitraum, der mit seinen reichen Erfahrungen und negativen Vorzeichen ausreichend erscheint, eine Änderung des Gesetzes vorzusehen. Dazu kommen noch einige höchstrichterliche Entscheidungen. Das ist wegweisend für notwendige Veränderungen des Betriebsverfassungsgesetzes.
Schließlich müssen wir auch die bemerkenswerten soziologischen Veränderungen in der Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft in den letzten 15 Jahren jetzt zur Kenntnis nehmen. Zum Beispiel ist die Zahl der Angestellten seit 1949 bis heute von 3 Millionen auf 7 Millionen gestiegen.
Und wie steht es mit der Rechtsstellung des Betriebsrates? Da hat sich im Jahre 1967 etwas Bedeutsames ereignet. In die Tarifabschlüsse der Metallindustrie ist auf Grund der Vermittlung des Bundeswirtschaftsministers Professor Schiller eine Schlichtungsklausel eingefügt worden, die dem Betriebsrat eine sehr verantwortliche Aufgabe zuweist, die nach meiner Vorstellung weit über das Betriebsverfassungsgesetz hinausgeht.
Von der Überschrift des Gesetzes .ausgehend würden die Arbeitnehmer also große Erwartungen an den Entwurf, der jetzt zur Beratung steht, stellen. Kommt der Arbeitnehmer aber zum Lesen des eigentlichen Textes des vorliegenden Entwurfs, muß er allerdings mit Recht sagen: Ist das alles? Bei diesem Entwurf der CDU/CSU geht es ausschließlich um einen Teilbereich des Betriebsverfassungsgesetzes. Es geht um den angeblichen Ausbau des bereits vorhandenen Minderheitsrechtes, und er soll in sehr extremer Form erreicht werden. Ich bestreite nicht, daß da und dort in der Praxis Rechtsunsicherheit und offenkundige Unrechtstatbestände vorliegen mögen. Das ist aber jetzt nach 15 Jahren Praxis des Betriebsverfassungsgesetzes kein Grund, ausschließlich diesen Teilbereich zu regeln.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Das hätte ebenso im Rahmen einer umfassenden Novellierung geschehen können.
Der vorliegende Entwurf, meine Damen und Herren, ist mir zu sehr auf den Zeitpunkt der anstehenden Betriebsratswahlen im Mai 1968 ausgerichtet.

(Beifall bei der SPD.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7425
Seidel
Wir haben die Sorge, daß die Verfasser des Entwurfs für den beabsichtigten extremen Ausbau des Minderheitsrechts die politischen Effekte, ob rechts- oder linksradikaler Art, in ihrer vollen Konsequenz wohl nicht ausreichend bedacht haben.

(Beifall bei der SPD.)

Mit dem, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, vorhaben, erhalten wir in den Betrieben eine gefährliche Aufsplitterung der Arbeitnehmer. Das wird die Arbeitnehmer in ihrer Stellung zum Arbeitgeber nicht stärken und vor allen Dingen die Betriebsratsarbeit außerordentlich erschweren.
Für das, was wir als Bundestagsfraktion in dem Entwurf als besonders extrem ansehen, einige Beispiele. Wir machen nicht mit, wenn in § 10 Abs. 3 vorgesehen ist, daß für die Vertretung in jedem Fall fünf Gruppenangehörige genügen, wir machen nicht mit bei der Neufassung des. § 13, nach dem nur noch ein Zwanzigstel der Wahlberechtigten für den Wahlvorschlag ausreichend sein soll, und wir machen nicht mit bei der Festlegung in § 23, daß die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer für die Antragstellung beim Arbeitsgericht von einem Viertel auf ein Zehntel gesenkt werden soll. Ihr berüchtigter Losentscheid ist ja bereits ad acta gelegt worden. Wir sind sehr dankbar dafür.
Aus diesen angeführten Beispielen aber ersehen Sie, daß wir mit ganz erheblichen Bedenken an die Beratung dieses Entwurfs herangehen. Wenn wirklich zwingend geändert werden muß, werden wir uns dem nicht verschließen; doch darüber wollen wir Genaues wissen. Daher werden wir im Ausschuß für Arbeit beantragen, daß die Gewerkschaften, die Arbeitgeber und die Vertreter der Wissenschaft in öffentlicher Anhörung ihre Stellungnahme zum Entwurf abgeben können

(Beifall bei der SPD.)

Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich ankündigen, unabhängig von der Beratung dieses Entwurfs, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion im Jahre 1968 dem Hohen Hause eine umfassende Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes vorlegen wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514331900
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Kempten).

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0514332000
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die erste Diskussion über den nun vorliegenden Gesetzentwurf der CDU/CSU in der Öffentlichkeit begann, hatte man zunächst den Eindruck, hier wäre ein Stich in ein Wespennest erfolgt, wenigstens wir Freien Demokraten hatten diesen Eindruck. Zum Schluß hat sich daraus — und ich glaube, so ist es richtig — ein Sturm im Wasserglas entwickelt. Alle die Befürchtungen auf der einen Seite und die Hoffnungen auf der anderen Seite sind erfreulicherweise und Gott sei Dank dort geblieben, wo sie hingehörten.
Meine Damen und Herren, es geht — und hier fühlen wir uns wieder einmal, erstaunlich, was heute alles möglich ist, weitgehend in Übereinstimmung mit den Antragstellern — doch bei der Vorlage Drucksache V/2234 — Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes — lediglich darum, daß eine seit Jahren notwendige Korrektur in Richtung auf einen besseren Schutz der soziologischen Minderheit — ich bitte, das sehr genau zu beachten — im Betriebsverfassungsgesetz verankert wird.

(Zuruf von der SPD: Können Sie das andere damit verhindern?)

So sehen wir es, und es ist auch unsere Meinung, daß diese Korrektur vorgenommen werden muß.
Als das Betriebsverfassungsgesetz im Jahre 1952 vom Bundestag verabschiedet wurde, war vom Gesetzgeber vorgesehen und gewünscht, daß Arbeiter und Angestellte mit den gleichen Möglichkeiten, mit den gleichen Beteiligungen, mit den gleichen Rechten, mit den gleichen Entscheidungen für ihre soziologischen Gruppen daran beteiligt werden sollten. Die Praxis hat gezeigt — darauf ist der Kollege Ziegler schon zu sprechen gekommen, vielleicht aus einer etwas anderen Sicht —, daß es zu Majorisierungen geführt hat, die nichts mehr mit der soziologischen Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten und ihren unterschiedlichen Interessen zu tun haben, daß es oftmals notwendig war, das Wohlwollen der anderen Organisation zu haben, um als Gruppenvertreter in die an sich notwendige und richtige Position gewählt zu werden, daß in manchen Fällen sogar ein ziemlich rücksichtsloser Gebrauch der, sagen wir einmal: nicht genau definierten Möglichkeiten stattfand.
Ergebnis dieser Praxis war, daß die jeweils kleinere soziologische Gruppe — das ist in vielen Fällen heute die Angestelltengruppe, das ist in anderen Fällen die Arbeitergruppe; das kann sich in der Zukunft durch die Veränderungen völlig verschieben, das wissen wir auch — mit ihren Interessen im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht gleichberechtigt war, in der Praxis zumindest. Es führte dazu, daß sich Organisationsinteressen stärker durchsetzen konnten als die notwendigen Interessen der einzelnen soziologischen Gruppen.
Herr Kollege Seidel, ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß es beispielsweise in weiten Kreisen der Angestelltenschaft ein sehr positives „Na endlich" gibt, seitdem dieser Entwurf hier auf dem Tisch liegt. Ich möchte allerdings auch darauf hinweisen, daß man den Entwurf nicht — jedenfalls nicht aus der Sicht der Freien Demokraten — allein unter diesem Gesichtspunkt sehen sollte, daß die soziologische Gliederung, von der wir ausgehen und die wir Freien Demokraten im Rahmen der Arbeitnehmerschaft bejahen, in Fluß ist. Das wissen wir alle. Wir wissen, daß 1950 der Anteil der Angestellten 16,8 % und der Anteil der Arbeiter 51 % betrug. 1966 hat der Anteil der Angestellten auf 27,2 % zugenommen und der Anteil der Arbeiter auf 48,5 % abgenommen. Wir wissen aus den Vereinigten Staaten, wo diese Entwicklung schneller vor sich gegangen ist, daß bereits 1955/56 die beiden soziologischen
7426 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Schmidt (Kempten)

Gruppen gleichgezogen hatten und daß bereits im Jahre 1962 die Zahl der Angestellten mit 6 Millionen die Zahl der Arbeiter überstieg. Ich möchte also davor warnen, allein von der jetzigen, für eine Gruppe nachteiligen, für die anderen besseren Situation auszugehen. Man sollte die Vorlage unter dem Gesichtspunkt sehen, daß die soziologische Gruppe, die in der Minderheit ist, die gleichen Rechte haben soll.
Aus diesem Grunde haben wir Freien Demokraten uns bereits in der letzten Zeit mit ähnlichen Gedanken befaßt. Wir begrüßen daher die Vorlage, die es ermöglicht, den echten Schutz der soziologischen Minderheit im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes stärker zu verankern und dadurch gewisse unangenehme Dinge, gewisse Ungerechtigkeiten, wie Herr Kollege Seidel zugegeben hat, für die Zukunft zu verhindern. Wir glauben, daß das richtig ist, weil wir die gegliederte soziologische Situation bejahen. Wir .glauben, daß es richtig ist, daß über Gruppeninteressen von Gruppenvertretern, ganz gleich, welcher Organisation sie angehören, gemeinsam entschieden werden soll und daß Gruppenvertreter von der gesamten Gruppe der Angestellten gemeinsam, ganz gleich, welcher Organisation sie angehören, gewählt werden sollen.
Das beste Beispiel hierfür hat die Bundesregierung vor langer Zeit gegeben, als sie das Personalvertretungsgesetz für den öffentlichen Dienst schuf, in dem diese echte und der Relation entsprechende Vertretung der einzelnen Gruppen — es sind dort drei, Beamte, Angestellte und Arbeiter — verankert ist. Dort haben wir das Beispiel, wie man es machen kann, wenn man Mißbrauch, wenn man nicht sehr schöne Praktiken verhindern will.
Wir sind nicht der Meinung, daß der Schutz der Minderheit dahin gehen sollte, möglichst viele kleine Institutionen und Gruppen und Grüppchen und Organisationen auf diese Art und Weise im Betriebsrat zu verankern.

(Zuruf von der SPD: Das geschieht aber mit diesem Antrag!)

— Das geschieht nicht. Schauen Sie sich einmal das Personalvertretungsgesetz an. Da gibt es Möglichkeiten. In diese Richtung müssen wir unsere Beratungen vielleicht etwas konzentrieren. Das geschieht nicht, wenn ich sage: Angestellte zusammen, Arbeiter zusammen. Ich gebe zu, daß hier einiges an der jetzigen Vorlage geändert werden muß. — Bitte, Herr Kollege!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514332100
Eine Zwischenfrage, bitte!

Willi Wolf (SPD):
Rede ID: ID0514332200
Herr Kollege Schmidt, geben Sie zu, daß dann, wenn der Antrag der CDU/CSU Wirklichkeit wird, das eintritt, was Sie jetzt 'gerade befürchtet haben?

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0514332300
Herr Kollege Wolf, ich war noch nicht ganz fertig. Ich wollte aber ge-
rade sagen, daß wir den Antrag deswegen begrüßen — ich habe es vorhin auch schon gesagt —, weil die Minderheitenfrage nunmehr endlich zur Diskussion steht und entschieden werden kann. Dennoch werden wir auf Grund anderer Überlegungen, die zwar in die gleiche Richtung gehen, die wir aber anders formuliert haben, im Ausschuß Anträge stellen, damit wir das gesichert wissen, was wir für gerecht und richtig halten, eben den Schutz der soziologischen Gruppenminderheit, nicht den Schutz der organisatorischen Gruppenminderheit, wenn ich es einmal so hart sagen darf. So sehen wir die Dinge, und hier sehen wir die notwendige, gerechte Lösung der Probleme. Hierzu werden wir im Ausschuß unsere Anträge stellen und werden an den entsprechenden Beratungen teilnehmen, weil wir glauben, daß etwas korrigiert werden muß, das seit 1952 nicht 'unbedingt dem Wunsch des Gesetzgebers entsprechend in der Praxis durchgeführt worden ist.
In diesem Sinne stimmen wir der Überweisung des Antrags der CDU/CSU an die Ausschüsse zu und hoffen, daß wir in ,gemeinsamer Arbeit 'das Bestmögliche zum Schutz der soziologischen Minderheit — ich .sage es bewußt noch einmal; ich habe es bewußt sehr häufig gesagt; vielleicht wissen Sie, Herr Kollege Behrendt, was ich damit meine — erreichen, weil es ein Akt der Gerechtigkeit ist.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514332400
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor: federführend an .den Ausschuß für Arbeit, mitberatend an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und an den Innenausschuß. — Das Haus list damit einverstanden.
lch rufe dann den Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. Dezember 1960 gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen und zu dem Protokoll vom 18. Dezember 1962 über die Errichtung einer Schlichtungs- und Vermittlungskommission
— Drucksache V/1583 —
Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß)

— Drucksache V/2336 —
Berichterstatter: Abgeordneter Raffert

(Erste Beratung 103. Sitzung)

In der zweiten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen dann zur Abstimmung.
Ich rufe die Artikel 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer den aufgerufenen Artikeln sowie der Einleitung und Ider Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Danke! Gegenprobe! Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7427
Vizepräsident Dr. Mommer
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Danke! Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe den Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Assoziierungsabkommen vom 16. Juli 1966 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Nigeria sowie dem Internen Durchführungsabkommen
— Drucksache V/1610 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 'der Geschäftsordnung — Drucksache V/2352 —
Berichterstatter: Abgeordneter Gewandt
b) Schriftlicher Bericht ,des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuß)

— Drucksache V/2351 —
Berichterstatter: Abgeordneter Saam (Erste Beratung 107. Sitzung)

In der zweiten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen dann zur Abstimmung.
Wer den Artikeln 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift, zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Danke! Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer ,dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Danke! Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe den Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. September 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Grenzübergänge der Eisenbahnen
— Drucksache V/21,89 —
Schriftlicher Bericht ,des Verkehrsausschusses (20. Ausschuß)

— Drucksache V/2355 —
Berichterstatter: Abgeordneter Weiland (Erste Beratung 129. Sitzung)

In ,der zweiten Beratung wird ,das Wort nicht gewünscht. Wer den Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 9 wird am Freitag behandelt. Ich rufe Punkt 10 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Meis, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Dr. von Nordenskjöld und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
— Drucksache V/2243 -
— Das Wort zur Begründung und zur Aussprache wird nicht gewünscht.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Finanzausschuß vor. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 11 wird ebenfalls am Freitag aufgerufen. Ich rufe Punkt 12 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes
— Drucksache V/2309 —
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Reischl.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0514332500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Regelung ,der Abzahlungsgeschäfte stammt aus dem Jahre 1894, ist also schon mehr als 70 Jahre alt. An sich braucht das Alter eines Gesetzes noch nicht gegen seine Brauchbarkeit auch in der heutigen Zeit zu sprechen. Aber gerade auf dem Gebiete der Abzahlungskäufe hat sich in der Art der Gestaltung dieser Käufe und in der Art der Abwicklung der Finanzierung ein so starker Wandel vollzogen, daß das alte Gesetz doch nicht mehr alle in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen zu regeln vermag.
Aus dieser Erkenntnis heraus hatten bereits im vergangenen Bundestag, also in der 4. Legislaturperiode, sowohl die CDU/CSU-Fraktion zusammen mit der FDP-Fraktion als auch die SPD-Fraktion einen Entwurf zu einer vollständigen Neufassung des Abzahlungsgesetzes eingebracht. Pate standen dabei bestimmte ausländische Regelungen, vor allem die in unserem Nachbarland Österreich, die neue Wege gegangen waren und mit denen man gute Erfahrungen gemacht hat. Diese Entwürfe waren im Wirtschaftsausschuß des vergangenen Bundestages bereits sehr weit beraten worden, und es war zu einem zwar nicht vollständigen, aber immerhin auf drei wesentliche Punkte beschränkten Entwurf gekommen, der dann leider nur deswegen nicht mehr verabschiedet werden konnte, weil der Rechtsausschuß am Ende der vergangenen Legislaturperiode völlig überlastet war und unmöglich in die Beratung einer so schwierigen Materie in
7428 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Dr. Reischl
den letzten Tagen vor dem Ende der Legislaturperiode noch hätte eintreten können.
Die SPD-Fraktion hat deshalb in dieser Legislaturperiode das Ergebnis der Beratungen der vergangenen Legislaturperiode wieder aufgegriffen und in diesem Entwurf mit einigen Modifikationen zusammengefaßt. Es handelt sich im wesentlichen um drei Punkte.
Zunächst soll erreicht werden, daß der Teilzahlungsvertrag als schriftlicher Kaufvertrag abgeschlossen wird, aus dem sich ganz klar erstens der Barzahlungspreis, also der Preis, den man für eine Ware zahlen muß, wenn man sie sofort bei Erhalt bezahlt, zweitens der Teilzahlungspreis, nämlich die Summe des Gesamtpreises, der sich aus dem Kaufpreis an sich, also aus der Summe der Tilgungsraten, und den hinzukommenden Zinsraten ergibt, und drittens der Betrag und die Zahl der einzelnen Teilzahlungen und ihre Fälligkeit ablesen lassen.
Es soll hier keineswegs der Käufer bevormundet werden; aber es soll ihm die Möglichkeit gegeben werden, beim Kaufabschluß klar zu sehen, welche Verpflichtungen er für ,die Zukunft eingeht. Mir scheint es gerade in einer Zeit wie der gegenwärtigen, wo doch viele wieder sehr mit dem Pfennig rechnen müssen, besonders wichtig zu sein, daß der Betreffende, der den Vertrag abschließt, weiß, welche schwerwiegenden Verpflichtungen aus dem Vertrag auf ihn zukommen können.
Die zweite Regelung, die wir mit diesem Gesetzentwurf treffen wollen, ist die, daß Geschäfte außerhalb der Geschäftsräume einer besonderen Widerrufsmöglichkeit unterstellt werden sollen. Hier handelt es sich um zwei ganz besonders bekanntgewordene Geschäfte, vor allem um den berühmten Haustürverkauf, bei dem der Vertreter meistens vormittags, während die Hausfrau mit dem Kochen oder mit den kleinen Kindern beschäftigt ist, vor der Tür erscheint und sozusagen den Fuß nicht mehr von der Tür wegnimmt, bis die Frau endlich das gekauft hat, was sie nach seiner Meinung kaufen soll. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß das nicht die Regel bei solchen Käufen ist. Aber leider muß ich aus meiner eigenen richterlichen Praxis damals beim Amtsgericht München feststellen: sehr häufig kommt der Fall vor, daß die Frau dann schließlich unterschreibt und später sieht, welche schrecklich belastenden Geschäfte sie abgeschlossen hat.
Hier hat nun das Nachbarland Österreich uns eine vorbildliche Regelung gezeigt, indem es eine Widerrufsfrist von einer Woche eingeführt hat.
Die Widerrufsmöglichkeit soll auch nur bestehen, wenn die Initiative zum Kaufabschluß außerhalb der Geschäftsräume nicht vom Käufer ausgegangen ist. Wenn also, wie es z. B. bei Autokäufen oft der Fall ist, der Käufer den Vertreter selber bestellt, kann er diese Bestimmung nicht für sich in Anspruch nehmen; denn er weiß ja ganz genau, was für eine Verpflichtung er eingehen wollte. Er hat sich ja selbst diese Verkaufsverhandlungen sozusagen in die Wohnung herbeibestellt. Er ist darauf eingerichtet, und er ist selber auch entschlossen, etwas zu
kaufen. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Fall, daß sich jemand einen Vertreter bestellt, weil er etwas kaufen will, und dem Fall, daß ein Vertreter zu ihm kommt und ihm etwas aufreden will, was er vielleicht im Augenblick gar nicht braucht, wo vielleicht im Untergrund der Wunsch besteht und er eben dann letztlich der Überredungskunst des anderen unterliegt.
Um gleich ein Mißverständnis auszuräumen, darf ich sagen: dieses Widerrufsrecht soll sich weder gegen die Versandhandelsbranche noch gegen das Reisegewerbe im allgemeinen richten. Wir werden bei der Beratung im Rechtsausschuß und im Wirtschaftsausschuß Gelegenheit haben, die Einzelheiten zu besprechen, um Benachteilungen bestimmter Branchen auszuschließen. Jedenfalls sollen Mißbräuche wie diese Haustürkäufe und vor allem auch die Verkaufsveranstaltungen in Kinos, die ebenfalls sehr beliebt sind, durch das Gesetz getroffen werden. Hier- sollen diejenigen, die sich unter dem Eindruck der Veranstaltung haben überreden lassen, wenigstens die Möglichkeit bekommen, das noch einmal in Ruhe im Familienkreise, Mann und Frau miteinander, zu überdenken und innerhalb einer Woche zu widerrufen.
Ich darf darauf hinweisen, daß eine ganze Reihe von Ländern mit diesem Widerrufsrecht ganz hervorragende Erfahrungen gemacht haben: Österreich hat es im Jahre 1961, die Schweiz im Jahre 1962, und England und Schottland haben es im Jahre 1965 eingeführt. Wir sind also nicht allein auf weiter Flur, wenn wir eine solche Regelung einführen. Der Wirtschaftsausschuß des vergangenen Bundestages hatte in seiner großen Mehrheit diese Regelung schon befürwortet.
Der dritte wichtige Punkt des Gesetzentwurfs ist der, daß in Zukunft bei Abzahlungsgeschäften der Gerichtsstand grundsätzlich an dem Ort sein soll, in dessen Bezirk der Käufer zur Zeit der Klageerhebung, also wenn er verklagt wird, seine Wohnung hat. Ich habe als Richter ein Referat gehabt, wo buchstabenmäßig solche Geschäfte anfielen, und ich hatte oft aus dem ganzen Bundesgebiet Klagen, bei denen ich wider meinen Willen, weil es das Gesetz so befahl, eine Menge von Versäumnisurteilen erlassen mußte, obwohl ich mir darüber klar war, daß die Betroffenen zu diesem Termin gar nicht hätten erscheinen können und auch nie hätten die Kosten tragen können, um einen Anwalt für diesen Termin zu bestellen. Das wollen wir hier ausschalten. Wir wollen die Möglichkeit geben, daß der Käufer persönlich zum Termin erscheinen kann.
Am Schluß möchte ich dazu noch folgendes erwähnen. Ich hatte einmal in einem solchen Termin einen Vertreter — einen sehr seriösen Vertreter —; der gesagt hat, ihm sei es am liebsten, wenn zu dem Termin die Parteien selber kämen. Denn dann kommt man zu einem vernünftigen Vergleich mit neuen; vielleicht längeren Raten, der Vertreter hat seine Provision, und die Partei kann sich das Gut, das sie anschaffen wollte, kaufen. Dadurch ist beiden geholfen, dem Verkäufer und dem Käufer. Dem wollen wir durch die Regelung in § 6 a Rechnung tragen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7429
Dr. Reischl
Abschließend darf ich folgendes sagen. Hier soll ein Stück Verbraucherschutz eingeführt werden, ein Verbraucherschutz, der aber so gefaßt ist, daß er auch in den konjunkturpolitischen Rahmen der gegenwärtigen Zeit paßt. Auch diese Frage ist von unserer Fraktion sorgfältig geprüft worden. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß wir ein solches Gesetz unbedenklich erlassen können. Ich darf Sie also alle bitten, mitzuhelfen, in den Ausschüssen zu einer Regelung zu kommen, die den Verbraucher in angemessener Weise schützt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514332600
Ich frage, ob weiter das Wort gewünscht wird. Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung vor. — Das Haus ist einverstanden.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 17. November 1965 zur Änderung des Artikels 4 des Abkommens vom 22. November 1928 über Internationale Ausstellungen in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 10. Mai 1948
— Drucksache V/2354 —
Das Wort zur Begründung und zur Aussprache wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Statistik der Einkommen- und Körperschaftsteuererklärungen
— Drucksache V/2360 —
Das Wort zur Begründung und zur Aussprache wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und dem Finanzausschuß sowie dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zur Mitberatung zu überweisen.
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat darauf aufmerksam gemacht, daß der Innenausschuß bei allen Gesetzen, die die Statistik betreffen, eine koordinierende mitberatende Aufgabe habe; das Haus solle diese zusätzliche Überweisung beschließen.
Weiterhin liegt mir der Antrag des Vorsitzenden des Finanzausschusses vor, die Federführung nicht dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zu belassen, sondern dem nach dem Vorschlag des Ältestenrates mitberatenden Finanzausschuß zu geben und den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mitberatend zu beteiligen. — Ist das Haus mit dieser Änderung einverstanden? — Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Manfred Schulte (SPD):
Rede ID: ID0514332700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe von der Sache überhaupt nichts. Aber Freunde haben mich davon überzeugt, daß die Einkommen- und Körperschaftsteuerstatistik eine rein wirtschaftspolitische Statistik sei, die mit den Aufgaben des Finanzausschusses nur bedingt etwas zu tun habe. Durch die Statistik werde nämlich die Möglichkeit gegeben, die Einkommensentwicklung und die Einkommensverteilung zeitnah zu beurteilen. Das seien wiederum Fragen der Wirtschafts- und Verteilungspolitik. Diese Statistik würde also insbesondere dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wie ganz allgemein der Wirtschaftspolitik die Möglichkeit zu einer zeitnahen Beurteilung der Wirtschaftslage geben. Solchen Argumenten kann man sich wohl nicht verschließen. Sie werden auch im Ältestenrat maßgebend gewesen sein, als man sich dort entschlossen hat, dem Wirtschaftsausschuß die Federführung zuzuweisen.
Deshalb bitte ich Sie — wir konnten ja leider die Gegenargumente nicht hören, weil der Herr Vorsitzende des Finanzausschusses nicht zugegen ist —, es bei der Verabredung im Ältestenrat zu belassen und dem Wirtschaftsausschuß die Federführung zuzuweisen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514332800
Ich glaube, daß man die Sache so- und andersherum durchaus sachgemäß betrachten kann. Ich frage: Bleibt das Haus bei dem Vorschlag des Ältestenrates? — Ich stelle fest, daß es so beschlossen ist.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Entwicklungshilfe (16. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der FDP betr. Entwicklungspolitik
— Umdruck 285, Drucksache V/2349 (neu)
Berichterstatter: Abgeordnete Frau Dr. Wolf Das Wort wird nicht gewünscht.
Der Herr Abgeordneter Freiherr von Gemmingen wünscht, zu diesem Punkt eine Erklärung zu Protokoll zu geben.
Darf icht feststellen, daß dem Antrag des Ausschusses zugestimmt wird? — Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Innenausschusses (6. Ausschuß) über den von den Abgeordneten Schoettle, Windelen, Dr. Emde und Genossen eingebrachten Antrag betr. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung über den von den Abgeordneten Gscheidle, Brück (Köln), Dorn und Genossen eingebrachten Antrag betr. Verwaltungsvereinfachung durch Datenverarbeitung
— Drucksachen V/1655, V/1633, V/2381 —
Berichterstatter: Abgeordneter Gscheidle
Das Wort zu dieser Vorlage wird nicht gewünscht.
7430 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Vizepräsident Dr. Mommer
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht Antrag des Bundes der Deutschen auf Feststellung, daß die §§ 18, 19, 20, 34, 35, 36 und 39 des Gesetzes über die politischen Parteien (Parteiengesetz) vom 24. Juli 1967 (Bundesgesetzbl. I S. 773) verfassungswidrig seien '
— Drucksache V/2339 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wilhelmi
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über Zusatzstoffe in der Tierernährung
— Drucksachen V/2011, V/2358 —
Berichterstatter: Abgeordneter Welslau
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Werbung für Arzneispezialitäten und über die Packungsbeilage
— Drucksachen V/1894, V/2363 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Imle
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bericht Bundeskriminalamt
— Drucksache V/2350 —
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Hübner '(SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn in der letzten Sitzungswoche des zu Ende gehenden Jahres noch einmal das Kapitel Sicherheit, und zwar das Kapitel innere Sicherheit, aufgeschlagen wird, möchte ich nicht meinen, daß wir damit das Schlußlicht zur Frage Sicherheit markieren wollen, sondern ich würde eher den Anspruch erheben, daß wir damit zum Gesamtthema noch einmal ein Ausrufungszeichen setzen wollen.
Lassen Sie mich vorweg eine Bemerkung machen. Zu allen Initiativen der letzten Monate und auch der letzten Jahre zur Frage der Verbrechensbekämpfung haben wir durchgehend eine durchaus freundliche Haltung der Kollegen im Haushaltsausschuß feststellen können. Ich meine, das ist etwas Erfreuliches, weil es durchaus nichts. Selbstverständliches ist. Wenn ich aber sage, daß ,die Haltung im Haushaltsausschuß freundlich war, dann meine ich, daß das zugleich Verpflichtung ist, mit dem Geld, das hier zur Verfügung gestellt wird, sehr sorgsam umzugehen. Das verlangt zugleich, daß sich kluge Köpfe auch darüber Gedanken machen, wie Man dieses Geld gut, richtig — und wenn ich so sagen darf — im Hinblick auf eine gute Amortisation anlegen kann. Ich meine deshalb, daß alle diese Initiativen, die hier in der letzten Zeit erörtert worden sind, unbedingt in ein gemeinsames Konzept zu einer modernen Verbrechensbekämpfung einmünden müssen. Dieses moderne Konzept muß aus einem Guß sein. Das ist das Anliegen des Antrages, den die Fraktion der SPD heute einbringt. Dieser Antrag muß verknüpft mit dem Bericht verstanden werden, den die Bundesregierung zum 31. Januar 1968 zu geben hat. Wenn dieser Antrag jetzt noch zusätzlich gekommen ist, dann deshalb, weil er noch einige zusätzliche Gesichtspunkte aufweist, die aus einer allgemeinen Bestandsaufnahme her gezogen werden können, die im Laufe dieses Jahres auch nach dem 12. Mai, als zum letztenmal hier berichtet worden ist, zusammengestellt werden konnte. Innerhalb dieser Gesichtspunkte glauben wir Schwerpunkte setzen zu sollen, die sich unbedingt in dem Konzept wiederfinden sollten, nach dem wir hier also verlangen. Darunter befindet sich — mancher wird sich vielleicht darüber gewundert haben — auch die Forderung, die Kriminalstatistik stärker auf kriminologische Gesichtspunkte einzustellen.
Nun wird man sagen, warum soll man eine Statistik als einen Schwerpunkt empfinden? Aber, meine Damen und Herren, gerade die Kriminalstatistik, wenn sie zudem auf die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung gestützt wird, kann zu einer scharfen Waffe gemacht werden, um damit in der Verbrechensvorbeugung tätig sein zu können, wie überhaupt das Ziel einer solchen Konzeption für die Verbrechensbekämpfung die Vorbeugung sein muß. Da darf ich etwas bekümmert feststellen — ich glaube, ich bin der Sprecher aller, die sich im Moment mit der Kriminalpolizei sehr viel Mühe machen —: Verbrechensvorbeugung findet momentan im Bereich der Bundesrepublik nicht statt. Alle Mühe aber, die jetzt gemacht wird, auch durch die Bundesregierung — und ich darf dabei die sehr aufgeschlossene Haltung verzeichnen, die das Innenministerium
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7431
Hübner
einnimmt, seit Minister Lücke dort residiert —, alle die Mühe, die dort zu diesen Fragen angestellt wird, müßte umsonst sein, wenn die Einsichten, die wir in diesen Beratungen gewinnen, sich nicht allen Beteiligten mitteilen würden; oder besser gesagt: wenn sie sich dort nicht niederschlagen sollten. Ich halte es für unerträglich, daß die Ländergrenzen innerhalb der Bundesrepublik zur Zeit zu einem Netz geworden sind, an dem die Kriminalpolizei hängenbleibt, durch die die Verbrecher aber lächelnd und wie Aale hindurchschlüpfen. Dieser Zustand ist es, der uns nicht ruhig bleiben lassen kann, wenn wir nach einem Konzept suchen, mit dem dieses Netz geschlossen werden kann, und zwar nicht für die Kriminalpolizei, sondern für die potentiellen Straftäter.
Ich finde da so eine Haltung im Moment — von Land zu Land unterschiedlich innerhalb der Verbrechensbekämpfung —, die bei denen, die Verbrechensbekämpfung betreiben, nicht ein Zueinander gewährleistet, sondern man nimmt es da eher mit dem König von Sachsen, Friedrich-August, der einmal gesagt haben soll — ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —: Macht euren Dreck alleene!
Damit kommt man also nicht zu Rande. Hier ist der Rat aus Sachsen wohl sehr wenig angebracht.
Meine Damen und Herren, Bericht und Ergänzung, die mit diesem Antrag verlangt werden, müssen uns dazu bringen, daß wir den Durchstoß zu modernen Formen in der Verbrechensbekämpfung finden. Wir sind deshalb auch durchaus damit einverstanden, daß dieser Bericht, der sich mit dem Bericht zum 31. Januar verkünpfen soll, zum 31. März zusätzlich erstattet wird, damit er gründlich werden kann. Wichtig ist nur, daß der „Dampfbetrieb" als nicht mehr zulässig angesehen wird innerhalb der Formen, in denen man Verbrechensbekämpfung betreibt. Es kommt darauf an, daß das endgültige Konzept überzeugend ist, und zwar nach zwei Seiten hin. Einmal müssen diejenigen überzeugt werden, die Beteiligte sind, die also in den Polizeien der Länder und im Bund mitten in der Arbeit stecken. Aber ich meine, noch überzeugender muß das neue Konzept auf den potentiellen Straftäter wirken; denn in einem sollten wir uns einig sein mit denen, die die Strafrechtsreform betreiben :daß abschreckend und vorbeugend nicht die Tatsache wirkt, daß das Strafmaß hoch angesetzt ist, sondern das Risiko für den Verbrecher, entdeckt zu werden.

(Beifall bei der SPD.) Das allein ist vorbeugend.

Meine Damen und Herren, der Beifall zeigt mir, daß der Schluß meiner Ausführungen gekommen ist.

(Heiterkeit.)

Ich folge dem sehr gern und möchte nur einer Hoffnung hier Ausdruck geben. Ich habe es als erfreulich angesehen, mit wieviel Aufgeschlossenheit diese Frage in dem abgelaufenen Jahr hier aufgegriffen worden ist. Ich möchte daraus die Hoffnung ableiten, daß, beginnend mit dem Bericht im Januar und fortschreitend zu dem Konzept, das wir
erwarten, im nächsten Jahr ein neues, gutes Kapiterl zur inneren Sicherheit in diesem Hohen Hause geschrieben wird.

(Beifall bei allen Fraktionen.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0514332900
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.

(Zuruf von der CDU/CSU: War das eine Jungfernrede?)

— Nein, das war keine Jungfernrede. Herr Hübner hat hier schon viele Reden gehalten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es war aber auch keine Altmännerrede, Herr Präsident!)

— Das gibt es nicht.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage dem Innenausschuß zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Huys, Dichgans, Frau Geisendörfer und Genossen
betr. Rückführung deutscher Wissenschaftler — Drucksache V/2179 (neu)
Wird das Wort zu dieser Vorlage gewünscht? Nach dem Vorschlag des Ältestenrates soll überwiesen werden an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — mitberatend —. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Lemmrich, Rawe und Genossen
betr. Verkehrsausbau in den Gemeinden Drucksache V/2203 —
Das Wort wird nicht gewünscht. Der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates liegt Ihnen vor. Es soll überwiesen werden an den Verkehrsausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Hammans, Rösing, Porten, Müser, Baier und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Richtlinien für Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden
— Drucksache V/2282 —
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Vorlage soll überwiesen werden an den Verkehrsausschuß —federführend — und an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen — mitberatend —. — Es ist so beschlossen.
7432 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Vizepräsident Dr. Mommer
Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Köln-Ostheim an die Firma Dr. Madaus & Co in Köln
— Drucksache V/2311 —
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für das Bundesvermögen vor. — Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe den Deutschen Bundestag auf morgen, Donnerstag, 14. Dezember, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.