Herr Kollege Behrendt, ich stimme Ihnen ohne weiteres darin zu, daß im Rahmen der Automation besondere Probleme auf uns zukommen, die wir vielleicht nicht im Rahmen der allgemeinen Arbeitsmarktforschung lösen können, sondern bei denen es unter Umständen notwendig sein wird, spezielle Untersuchungs-
und Forschungsaufträge zu vergeben und die Ergebnisse dieser Untersuchungen in unsere Überlegungen einzubeziehen.
Wenn das, was ich soeben als unsere wesentlichsten Gedanken vortragen konnte — das übrige
werden wir noch in den Beratungen zum Ausdruck bringen —, verwirklicht werden wird, dann werden wir eine rechtzeitige Anpassung an die Entwicklungen erreichen. Dann, so glauben wir, muß es nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll sein, die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen, die das Gesetz vorsieht, zu erreichen. Immerhin sind ja Investitionen von etwa 100 000 bis 120 000 DM pro Arbeitsplatz nötig. Denken Sie einmal daran, was wir vielleicht leichter und für die Betroffenen besser hätten machen können, wenn wir vor zehn Jahren im Ruhrgebiet eine solche gesetzliche Möglichkeit gehabt hätten!
Wir begrüßen es auch, daß die Bundesregierung in der Regierungsvorlage das Problem der älteren Arbeitnehmer anspricht, das uns alle immer wieder bedrückt, weil natürlich für ältere Arbeitnehmer der Übergang in einen anderen Betrieb, der Übergang zu einer anderen Tätigkeit noch schwerer als bei einem jüngeren Arbeitnehmer ist. Wir begrüßen es, daß im Rahmen des Gesetzes gewisse Risiken abgedeckt werden sollen.
Wir begrüßen es ganz besonders, daß die Bundesregierung jetzt Vorschläge für die produktive Winterbauförderung gemacht hat und Wege beschreiten will, die wir schon seit langem für wesentlich günstiger für eine kontinuierliche Arbeit in der Bauwirtschaft gehalten haben als das, was bisher gesetzlich vorgeschrieben war. Ich habe mir vor einigen Jahren, als ich mit mehreren Kollegen des Arbeitsausschusses in Schweden und Norwegen Gelegenheit hatte, den dortigen Winterbau zu studieren, manchmal gesagt: was dort — in Schweden und Norwegen — unter den wesentlich schwierigeren klimatischen Verhältnissen an Förderung des kontinuierlichen Winterbaus möglich ist, müßte eigentlich auch in der Bundesrepublik möglich sein. Es müßte möglich sein, manches für konsumtive Zwecke gezahlte Schlechtwettergeld produktiv in Winterbauförderung umzusetzen. Hinzu kommt, daß auf meine Fragen, woher denn die Einrichtungen zum Schutz vor der Kälte, zur Ermöglichung der Arbeit im Winter kämen, in Schweden und Norwegen gesagt wurde, daß diese Einrichtungen — ob Verschalungen oder Zelte — alle aus der Bundesrepublik kämen und in der Bundesrepublik hergestellt würden. Sämtliche norwegischen und schwedischen Unternehmer bestätigten mir das. Also müßte es auch möglich sein, diese Einrichtungen im Rahmen der dankenswerten Vorschläge der Bundesregierung zu verwenden und zu einer produktiveren Winterbauförderung als zuvor zu kommen.
Von den beiden Kollegen der anderen Fraktionen wurde die Kostenfrage angeschnitten. Es ist wohl im Augenblick noch nicht zu übersehen — die Schätzungen liegen je nachdem, wie man den Erfolg des Gesetzes beurteilt, sehr unterschiedlich —, was an Kosten auf die Bundesanstalt zunächst einmal zukommt. Aber wir glauben, daß es richtig ist — wir unterstützen hier den Vorschlag der Bundesregierung —, die Aufbringung der Mittel durch die Bundesanstalt auf dem Wege durchzuführen, den das Gesetz vorsieht, zumal für den Fall, daß Schwierigkeiten eintreten sollten, also wenn die Rücklage auf-
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gezehrt sein sollte, der Bund als Träger hinsichtlich der Mittel in Erscheinung tritt.
Wir sind sogar der Meinung, daß, wenn sich die Durchführung des Gesetzes in den nächsten Jahren als erfolgreich erweist, sehr viele Kosten auf uns zukommen können. Aber wir glauben, daß diese produktiven Kosten im Rahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und der dadurch möglichen Weichenstellung für wirtschaftspolitische Entwicklungen der Zukunft keinesfalls an der falschen Stelle gezahlt würden.
Bezüglich der Kosten- und Beitragssituation möchte ich eine Anmerkung machen, der wir vielleicht im Ausschuß etwas näher nachgehen sollten. Während der Beratung des Arbeitsförderungsgesetzes wurde gleichzeitig die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung heraufgesetzt. Da das Arbeitsförderungsgesetz bezüglich der Beitragsbemessungsgrenze auf die Rentenversicherung eingestellt wird, liegt nunmehr die Beitragsbemessungsgrenze bei 1600 DM. Die Leistungsbemessungsgrenze ist aber nach der Tabelle bei 1300 DM belassen worden. Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß wir im Ausschuß mit der Leistungsbemessungsgrenze einfach deshalb nachziehen müssen, weil wir es kaum verantworten können, daß jemand zwar aus 1600 DM Beitrag zahlt, ihm aber, wenn er arbeitslos wird, nur aus 1300 DM die Arbeitslosenversicherungsleistung berechnet wird. Damit Sie sehen, wie sich das auswirkt; möchte ich nur drei Zahlen nennen: bei 1300 DM — der jetzigen Leistungsbemessungsgrenze — und einem Höchstsatz von 818,40 DM kommt der Betreffende auf 62,9 %, bei 1500 DM auf 54,5 % und bei 1600 DM auf 51,1 %. So schnell sinken die Prozentsätze durch die Spanne zwischen Leistungs- und Beitragsbemessungsgrenze ab. Ich glaube, wir sollten — das hat auch der Herr Bundesarbeitsminister vorhin schon angedeutet — die Diskrepanz, die sich durch die Entwicklung in der Rentenversicherung ergeben hat, im Ausschuß korrigieren. Wir werden jedenfalls einen Antrag stellen, der in diese Richtung geht.
Auch wir sind der Meinung, Herr Kollege Folger, daß in den von Ihnen angesprochenen Katalog auch die Volkshochschulen einbezogen werden sollten, soweit sie Maßnahmen durchführen, die dem Gesetz entsprechen. Wir sollten hier alle Möglichkeiten der beruflichen Fortbildung in einem Zusammenhang sehen, und wir sollten uns nicht engherzig verschließen, wenn dabei Institutionen wie die Volkshochschulen mithelfen.
Ich bin dem Herrn Bundesarbeitsminister sehr dankbar, daß er trotz allem Positivem, was er anführen konnte, am Ende seiner Ausführungen darauf hingewiesen hat, daß wir von dem Gesetz keine Wunderdinge erwarten könnten und daß dieses Gesetz nicht etwa der Stein der Weisen sei, mit dem die Vollbeschäftigung auf ewige Zeiten garantiert werden könne; eine solche Euphorie klang ja in manchen Berichten durch. Das wird nicht der Fall sein können. Sehr viele Schwierigkeiten, für die die Betroffenen nichts können, werden aber überwunden werden können; sehr viele Entwicklungen werden korrigiert werden können.
Dabei wird es allerdings darauf ankommen — und darum möchte ich den Herrn Bundesarbeitsminister bitten —, daß im Zusammenhang mit der Eigenfinanzierung durch die Bundesanstalt der Selbstverwaltungscharakter der Bundesanstalt weitgehend gewahrt bleibt. Es sollte eine gute und enge Zusammenarbeit, aber möglichst wenig Weisungsbefugnis und dergl. geben. Über die in der Bundesanstalt bereits vorhandene Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hinaus sollte eine enge Zusammenarbeit in der Berufsforschung zwischen den mit Hilfe des Gesetzes eingerichteten Instituten und den Wirtschaftsinstituten möglich werden, die ebenfalls solche Forschungen betreiben.
Dann wird es sehr darauf ankommen, wieweit es uns allen und ,den Organisationen in allen Teilen der Bundesrepublik gelingt, die Arbeitnehmer auf die objektiven Möglichkeiten dieses Gesetzes hinzuweisen und sie zur subjektiven Bereitschaft hinzuführen, sich der durch dieses Gesetz gebotenen Möglichkeiten der Umschulung, der Fortbildung usw. zu bedienen. Gelingt es uns nicht, diese subjektive Bereitschaft zu erzeugen, dann werden wir sehr, sehr bald sehen, daß wir andere Wege gehen müssen. Wir werden auch außerhalb dieses Hohen Hauses — sich denke hier an Organisationen wie ,die Gewerkschaften und an viele andere Verbände der Arbeitnehmer — durch Aufklärung und Hinweise sehr viel tun müssen, um diese subjektive Bereitschaft zu erreichen, die für das Gelingen dieses Gesetzes notwendig ist.
Notwendig erscheint uns, daß die strukturellen Maßnahmen, die im Gesetz angesprochen sind, in enger Zusammenarbeit mit den Regionalplanungen und mit den Strukturprogrammen der Länder durchgeführt werden, damit nicht durch Zweigleisigkeit oder ein Gegeneinander — alles das gibt es ja bei uns in der Bürokratie — der Erfolg verkleinert wird.
Auch uns erscheint es notwendig— das haben bereits die beiden Sprecher der anderen Fraktionen bestätigt —, die Beratungen in. aller Ruhe und Sachlichkeit, nicht unter zu großem Zeitdruck, aber zügig durchzuführen.
Wir sind auch der Meinung, daß eine enge Verzahnung mit dem Berufsausbildungsgesetz notwendig ist und ,daß wir am Ende dieser Beratungen wahrscheinlich dazu kommen, daß das Arbeitsmarktanpassungsgesetz, das ja ebenfalls noch im Ausschuß liegt, dort, wo es geht, als mit eingebaut, ansonsten als erledigt betrachtet werden kann, und daß wir ähnlich dem Beschluß des Arbeitsausschusses im Sommer 1966 zu der bestmöglichen Lösung kommen.
Wir Freien Demokraten sind jedenfalls bereit und gewillt, in den Beratungen aktiv dazu beizutragen, daß mit diesem Gesetz die Grundlagen geschaffen werden, die dem soziologischen und .dem wirtschaftlichen Strukturwandel der nächsten Jahrzehnte in einer optimalen Weise Rechnung tragen.
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