Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Regelung ,der Abzahlungsgeschäfte stammt aus dem Jahre 1894, ist also schon mehr als 70 Jahre alt. An sich braucht das Alter eines Gesetzes noch nicht gegen seine Brauchbarkeit auch in der heutigen Zeit zu sprechen. Aber gerade auf dem Gebiete der Abzahlungskäufe hat sich in der Art der Gestaltung dieser Käufe und in der Art der Abwicklung der Finanzierung ein so starker Wandel vollzogen, daß das alte Gesetz doch nicht mehr alle in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen zu regeln vermag.
Aus dieser Erkenntnis heraus hatten bereits im vergangenen Bundestag, also in der 4. Legislaturperiode, sowohl die CDU/CSU-Fraktion zusammen mit der FDP-Fraktion als auch die SPD-Fraktion einen Entwurf zu einer vollständigen Neufassung des Abzahlungsgesetzes eingebracht. Pate standen dabei bestimmte ausländische Regelungen, vor allem die in unserem Nachbarland Österreich, die neue Wege gegangen waren und mit denen man gute Erfahrungen gemacht hat. Diese Entwürfe waren im Wirtschaftsausschuß des vergangenen Bundestages bereits sehr weit beraten worden, und es war zu einem zwar nicht vollständigen, aber immerhin auf drei wesentliche Punkte beschränkten Entwurf gekommen, der dann leider nur deswegen nicht mehr verabschiedet werden konnte, weil der Rechtsausschuß am Ende der vergangenen Legislaturperiode völlig überlastet war und unmöglich in die Beratung einer so schwierigen Materie in
7428 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Dr. Reischl
den letzten Tagen vor dem Ende der Legislaturperiode noch hätte eintreten können.
Die SPD-Fraktion hat deshalb in dieser Legislaturperiode das Ergebnis der Beratungen der vergangenen Legislaturperiode wieder aufgegriffen und in diesem Entwurf mit einigen Modifikationen zusammengefaßt. Es handelt sich im wesentlichen um drei Punkte.
Zunächst soll erreicht werden, daß der Teilzahlungsvertrag als schriftlicher Kaufvertrag abgeschlossen wird, aus dem sich ganz klar erstens der Barzahlungspreis, also der Preis, den man für eine Ware zahlen muß, wenn man sie sofort bei Erhalt bezahlt, zweitens der Teilzahlungspreis, nämlich die Summe des Gesamtpreises, der sich aus dem Kaufpreis an sich, also aus der Summe der Tilgungsraten, und den hinzukommenden Zinsraten ergibt, und drittens der Betrag und die Zahl der einzelnen Teilzahlungen und ihre Fälligkeit ablesen lassen.
Es soll hier keineswegs der Käufer bevormundet werden; aber es soll ihm die Möglichkeit gegeben werden, beim Kaufabschluß klar zu sehen, welche Verpflichtungen er für ,die Zukunft eingeht. Mir scheint es gerade in einer Zeit wie der gegenwärtigen, wo doch viele wieder sehr mit dem Pfennig rechnen müssen, besonders wichtig zu sein, daß der Betreffende, der den Vertrag abschließt, weiß, welche schwerwiegenden Verpflichtungen aus dem Vertrag auf ihn zukommen können.
Die zweite Regelung, die wir mit diesem Gesetzentwurf treffen wollen, ist die, daß Geschäfte außerhalb der Geschäftsräume einer besonderen Widerrufsmöglichkeit unterstellt werden sollen. Hier handelt es sich um zwei ganz besonders bekanntgewordene Geschäfte, vor allem um den berühmten Haustürverkauf, bei dem der Vertreter meistens vormittags, während die Hausfrau mit dem Kochen oder mit den kleinen Kindern beschäftigt ist, vor der Tür erscheint und sozusagen den Fuß nicht mehr von der Tür wegnimmt, bis die Frau endlich das gekauft hat, was sie nach seiner Meinung kaufen soll. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß das nicht die Regel bei solchen Käufen ist. Aber leider muß ich aus meiner eigenen richterlichen Praxis damals beim Amtsgericht München feststellen: sehr häufig kommt der Fall vor, daß die Frau dann schließlich unterschreibt und später sieht, welche schrecklich belastenden Geschäfte sie abgeschlossen hat.
Hier hat nun das Nachbarland Österreich uns eine vorbildliche Regelung gezeigt, indem es eine Widerrufsfrist von einer Woche eingeführt hat.
Die Widerrufsmöglichkeit soll auch nur bestehen, wenn die Initiative zum Kaufabschluß außerhalb der Geschäftsräume nicht vom Käufer ausgegangen ist. Wenn also, wie es z. B. bei Autokäufen oft der Fall ist, der Käufer den Vertreter selber bestellt, kann er diese Bestimmung nicht für sich in Anspruch nehmen; denn er weiß ja ganz genau, was für eine Verpflichtung er eingehen wollte. Er hat sich ja selbst diese Verkaufsverhandlungen sozusagen in die Wohnung herbeibestellt. Er ist darauf eingerichtet, und er ist selber auch entschlossen, etwas zu
kaufen. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Fall, daß sich jemand einen Vertreter bestellt, weil er etwas kaufen will, und dem Fall, daß ein Vertreter zu ihm kommt und ihm etwas aufreden will, was er vielleicht im Augenblick gar nicht braucht, wo vielleicht im Untergrund der Wunsch besteht und er eben dann letztlich der Überredungskunst des anderen unterliegt.
Um gleich ein Mißverständnis auszuräumen, darf ich sagen: dieses Widerrufsrecht soll sich weder gegen die Versandhandelsbranche noch gegen das Reisegewerbe im allgemeinen richten. Wir werden bei der Beratung im Rechtsausschuß und im Wirtschaftsausschuß Gelegenheit haben, die Einzelheiten zu besprechen, um Benachteilungen bestimmter Branchen auszuschließen. Jedenfalls sollen Mißbräuche wie diese Haustürkäufe und vor allem auch die Verkaufsveranstaltungen in Kinos, die ebenfalls sehr beliebt sind, durch das Gesetz getroffen werden. Hier- sollen diejenigen, die sich unter dem Eindruck der Veranstaltung haben überreden lassen, wenigstens die Möglichkeit bekommen, das noch einmal in Ruhe im Familienkreise, Mann und Frau miteinander, zu überdenken und innerhalb einer Woche zu widerrufen.
Ich darf darauf hinweisen, daß eine ganze Reihe von Ländern mit diesem Widerrufsrecht ganz hervorragende Erfahrungen gemacht haben: Österreich hat es im Jahre 1961, die Schweiz im Jahre 1962, und England und Schottland haben es im Jahre 1965 eingeführt. Wir sind also nicht allein auf weiter Flur, wenn wir eine solche Regelung einführen. Der Wirtschaftsausschuß des vergangenen Bundestages hatte in seiner großen Mehrheit diese Regelung schon befürwortet.
Der dritte wichtige Punkt des Gesetzentwurfs ist der, daß in Zukunft bei Abzahlungsgeschäften der Gerichtsstand grundsätzlich an dem Ort sein soll, in dessen Bezirk der Käufer zur Zeit der Klageerhebung, also wenn er verklagt wird, seine Wohnung hat. Ich habe als Richter ein Referat gehabt, wo buchstabenmäßig solche Geschäfte anfielen, und ich hatte oft aus dem ganzen Bundesgebiet Klagen, bei denen ich wider meinen Willen, weil es das Gesetz so befahl, eine Menge von Versäumnisurteilen erlassen mußte, obwohl ich mir darüber klar war, daß die Betroffenen zu diesem Termin gar nicht hätten erscheinen können und auch nie hätten die Kosten tragen können, um einen Anwalt für diesen Termin zu bestellen. Das wollen wir hier ausschalten. Wir wollen die Möglichkeit geben, daß der Käufer persönlich zum Termin erscheinen kann.
Am Schluß möchte ich dazu noch folgendes erwähnen. Ich hatte einmal in einem solchen Termin einen Vertreter — einen sehr seriösen Vertreter —; der gesagt hat, ihm sei es am liebsten, wenn zu dem Termin die Parteien selber kämen. Denn dann kommt man zu einem vernünftigen Vergleich mit neuen; vielleicht längeren Raten, der Vertreter hat seine Provision, und die Partei kann sich das Gut, das sie anschaffen wollte, kaufen. Dadurch ist beiden geholfen, dem Verkäufer und dem Käufer. Dem wollen wir durch die Regelung in § 6 a Rechnung tragen.
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Abschließend darf ich folgendes sagen. Hier soll ein Stück Verbraucherschutz eingeführt werden, ein Verbraucherschutz, der aber so gefaßt ist, daß er auch in den konjunkturpolitischen Rahmen der gegenwärtigen Zeit paßt. Auch diese Frage ist von unserer Fraktion sorgfältig geprüft worden. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß wir ein solches Gesetz unbedenklich erlassen können. Ich darf Sie also alle bitten, mitzuhelfen, in den Ausschüssen zu einer Regelung zu kommen, die den Verbraucher in angemessener Weise schützt.