Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, eine kurze Zusammenfassung zu geben, und einmal zwei sicherlich nicht sehr bedeutsame Berichtigungen machen, die dennoch nicht unter den Tisch fallen sollten, zum anderen noch einmal sehr deutlich die Notwendigkeit der Arbeitsmarktpolitik und die positive Einstellung der sozialdemokratischen Fraktion zu ihren Problemen unterstreichen.
Wir begrüßen diesen Regierungsentwurf mit der Bezeichnung „Arbeitsförderungsgesetz". Wir begrüßen ihn vor allem deshalb, weil sich die Bundesregierung damit den Grundsätzen und Tendenzen des Gesetzentwurfs eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vom 30. August 1966 anschließt.
Sowohl dem Herrn Minister als auch meinem verehrten Kollegen Müller — den ich im Augenblick leider nicht sehe — möchte ich sagen, daß der Gesetzentwurf, den wir heute behandeln, nicht auf den seinerzeit von seiner Fraktion hier eingebrachten Antrag und auf die Beschlußfassung des Bundestages vom 29. Juni 1966 zurückzuführen ist.
— Herr Kollege Müller, dieser Vorentwurf ist durch unseren Gesetzentwurf nicht gerade erzwungen worden, aber ich möchte sagen, wir haben es erzwungen, ihn schneller zu erstellen; denn wenn in dem Entwurf steht — auch der Herr Minister hat das ja gesagt —, man 'habe zwei Jahre daran gearbeitet, kann das ja nicht erst 'auf Grund Ihres Antrages geschehen sein. Zunächst hat es den Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gegeben — das ist eine chronologische Tatsache —, an dem wir auch fast zwei Jahre gearbeitet haben. Als Zweites muß man bedenken, daß es auch die Organe der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung waren, die ebenfalls seit Jahren die Probleme der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in ihre Betrachtungsweise einbezogen hatten. Der Herr Kollege Müller weiß das sicher sehr genau.
Drittens haben die Organe der Bundesanstalt daraus bereits Konsequenzen gezogen. Ich muß das einfach sagen, um mit diesen notwendigen Berichtigungen möglichen Legendenbildungen vorzubeugen.
Nun aber zum Gesetzentwurf selbst, den wir sehr positiv beurteilen und zu dem ich nur sagen möchte, wie wir ihn von uns aus noch weiter verbessern wollen. Das sage ich nicht als Kritik, sondern zur weiteren Förderung. Diese Vorschläge möchte ich kurz zusammenfassend darstellen.
An erster Stelle möchte ich sagen, daß die gesetzliche Verpflichtung ausgesprochen werden muß, geplante Betriebsveränderungen, die Arbeitslosigkeit oder unterwertige Beschäftigung zur Folge haben können, der Arbeitsverwaltung rechtzeitig anzuzeigen, um früh genug die erforderlichen Umschulungsmaßnahmen durch die Arbeitsverwaltung einleiten zu können.
Zweitens ist es erforderlich, wenn man die berufliche Fortbildung fördern will — wie es in diesem Gesetzentwurf erfreulicherweise so stark angesprochen ist; wir unterstreichen das —, dazu auch den gesetzlichen Rahmen zu schaffen, Freizeit dafür zu gewähren. Das kann man nicht nur durch Arbeitszeitverkürzung; dadurch kann man nicht so viel Freizeit gewinnen, in der man berufliche Fortbildung treiben kann, — so ehrenwert das sicherlich ist und sosehr das heute erfreulicherweise an den Volkshochschulen und an den bereits vorhandenen Berufsfortbildungseinrichtungen durch die Arbeitnehmer geschieht. Das unterstützen wir mit allen Maßnahmen. Aber selbstverständlich muß auch diese Lücke geschlossen werden, wenn man den großen und wichtigen Bereich der beruflichen Fortbildung entscheidend fördern will.
Drittens müssen wir uns sicherlich auch noch überlegen, Herr Minister, wenn man die individuelle Förderung der beruflichen Bildung haben will, ob man das so stark an eine angemessene Zeit der Beitragspflicht — so heißt es in Ihrem Entwurf binden kann. Hier müßten wir im Laufe der Ausschußuntersuchung einmal prüfen und auswerten, welche Erfahrungen wir mit dem Leistungsförderungsgesetz gemacht haben. Da werden wir dann sicherlich auch noch zu einer guten Lösung kommen.
In bezug auf die Koordination der beruflichen Rehabilitation durch die Bundesanstalt werden wir sicherlich die Dinge so sehen müssen, daß zunächst einmal Rehabilitationsmaßnahmen durch die Bundesanstalt einzuleiten sind, gleichgültig wer zahlt; denn die Bundesanstalt weiß am besten auf Grund der Bedingungen am Arbeitsmarkt, wie die Umschulung für den Betreffenden individuell vorgenommen werden soll. Erst danach sollte die Bundesanstalt den Träger suchen und dann entsprechend die Finanzierung einleiten.
Auch in anderer Beziehung haben wir Vorstellungen, um das Gesetz weiter fortschrittlich zu gestalten. Das Gesetz sollte die Nahtlosigkeit zwischen der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung durch Berücksichtigung der Rechtsprechung, die bisher erfolgt ist, herbeiführen. Die Arbeitsverwaltung sieht die Berufsunfähigkeit bei geringfügiger Beschäftigung — wenn eine wöchentliche Arbeitszeit von 18 Stunden unterschritten wird — als gegeben an. Wenn diese Berufsunfähigkeit durch ein sozialärztliches Attest festgestellt ist, sollte dies auch für die Rentenversicherung verbindlich sein.
Ein weiterer Punkt, der schon angesprochen worden ist — da sind wir vielleicht nicht ganz in Übereinstimmung —, ist die Frage der Zahlung des Arbeitslosengeldes für die mittelbar vom Streik Be-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967 7421
Behrendt
troffenen. Da gibt es verschiedene Auslegungen auf Grund des Internationalen Übereinkommens Nr. 102. Auch das sollte bei diesem großen Reformwerk berücksichtigt werden.
Folgendes liegt uns besonders am Herzen. Wenn hier nun das AVAVG abgelöst wird, sollte auch alles das, was mit dem Leistungsrecht zusammenhängt, entscheidend vereinfacht werden gegenüber dem, was wir heute haben:
Ich meine besonders die Art der Berechnung. Sie muß durchsichtiger werden, sie muß einfacher werden. Die Zahl von 80 Tabellen, die wir heute haben, muß reduziert vierden. Ich glaube bestimmt, daß das möglich ist, wenn man zu einer neuen, modernen Art der Berechnung kommen will.
Die Vereinfachung müßte allgemein auch dadurch erfolgen, daß man die technischen Möglichkeiten, die es heute gibt, für die Bundesanstalt nutzt. Wir halten das für selbstverständlich. Herr Minister, hier sind ja bereits positive Vorschläge vorhanden. Ich darf Sie daran erinnern, daß es das sogenannte Herrschinger Vereinfachungsprogramm gibt. Wir sollten untersuchen, ob wir nicht auch das hineinbringen sollten. Auf jeden Fall muß hier in der Verwaltung und der Art der Berechnung hinsichtlich der Vereinfachung Entscheidendes geschehen.
Wir unterstreichen auch das, was bezüglich der Winterbauförderung vorgeschlagen worden ist. Herr Minister, Sie wissen, daß es auch hier weitere Verbesserungsvorschläge gibt. Wir werden sie bei der Beratung im Ausschuß noch zu prüfen haben.
Dann werden wir uns zu überlegen haben, ob wir die von Ihnen vorgeschlagene Finanzierung bis 1974 bestehen lassen können. Wir sind nämlich der Auffassung, daß Berufsberatung, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung öffentliche Aufgaben sind. Selbstverständlich sind wir bereit, der vorgeschlagenen Finanzierung bis 1971 zuzustimmen, denn wir wissen, daß bis dahin auf Grund der mittelfristigen Finanzplanung nichts geändert werden kann. Im Jahre 1970 sollten aber Überlegungen angestellt werden, ob nicht eine andere Finanzierung erfolgen muß, weil Berufsberatung, Berufsforschung und Ausbildungsfoschung öffentliche Aufgaben sind.
Herr Minister, Sie haben hier eine kleine Unterlassungssünde begangen. Sie haben nur von dem Gesetzentwurf der CDU/CSU und der Freien Demokraten zur Berufsausbildung gesprochen. Es gibt aber einen Gesetzentwurf, der früher vorlag. Ich meine den Gesetzentwurf zur Berufsausbildung, der in das Paket unseres Arbeitsmarktanpassungsgesetzes eingebaut war. Es ist zuzugeben, daß es sich hierbei nur um ein Rahmengesetz handelte und daß dieser Entwurf von anderen Grundsätzen ausging als der von Ihnen zitierte Entwurf der CDU/CSU und der FDP. Es liegt aber ein solcher Entwurf der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vor. Darauf Wollte ich hinweisen.
Zum Schluß möchte ich folgendes sagen. Eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik — da stimme ich sicherlich mit den Kollegen Müller und Diebäcker
überein — kann ohne eine umfassende, einheitliche und der technischen Entwicklung entsprechende moderne Berufsausbildung nicht die Wirkung erzielen, die man eigentlich von ihr erwartet. Wir müssen beides zusammen sehen. Für uns ist die Arbeitsmarktpolitik ein Teil der gesamten Wirtschafts-, Industrie- und Beschäftigungspolitik. Sie ist für uns nur im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu sehen.
Damit ist sie für uns zugleich Gesellschaftspolitik. Wer meint, eine solche Arbeitsmarktpolitik stehe in einem Gegensatz zu einer Politik der Vollbeschäftigung, des wirtschaftlichen Wachstums oder der gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung, der irrt sich. Sie ist zur Unterstützung einer solchen Politik geradezu notwendig.
Wenn die Bundesanstalt, wie auch wir es wollen, diese neuen und großen Aufgaben durch das Gesetz zugewiesen bekommt, dann wird sie eine der bedeutendsten Institutionen der Bundesrepublik Deutschland. Ich glaube, wir haben allen Grund, ein besonderes Augenmerk auf diese Institution zu richten. Die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe — der sozialdemokratische Gesetzentwurf eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes und der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes — sollten uns in die Lage versetzen, für die von uns gewollte zukünftige Arbeitsmarktpolitik eine gute Lösung zu finden.