Rede von
Brigitte
Freyh
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufgabenerweiterung, die das Arbeitsförderungsgesetz vorsieht, scheint uns hinsichtlich der beruflichen Fortbildung Erwachsener durchaus sinnvoll zu sein. Denn es ist ja keine Frage, daß die berufliche Fortbildung von wachsender Bedeutung sein wird und daß sich ihr Schwerpunkt wahrscheinlich auch immer mehr auf das Erwachsenenleben verlagern wird.
Herr Bundesminister Katzer, gestatten Sir mir aber in diesem Zusammenhang gleich eine Anmerkung. Sie haben unterstrichen, daß dieses Gesetz gerade auch den Frauen, also den weiblichen Erwerbstätigen bei der Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit in einem späteren Lebensalter besondere Chancen geben wird. Wir wissen aus der Erfahrung, die wir bisher mit der beruflichen Aufstiegsförderung, aber auch mit der Leistungsförderung gemacht haben, daß diese Chancen, die auch früher schon bestanden — zumindest theoretisch —, nur unzureichend wahrgenommen worden sind. Ich möchte deshalb ausdrücklich noch einmal anregen, daß dieses Chancen-Geben nicht nur eine formale Angelegenheit sein darf, sondern daß insbesondere auch die Angebote der Kurse, der Fortbildungsmaßnahmen, der Institutionen stärker als bisher auf die Bedürfnisse der Frauenerwerbstätigkeit abgestellt werden.
Es ist auch schon, nicht nur von Herrn Minister Katzer, sondern auch von den anderen Kollegen, zum Ausdruck gebracht worden, daß das Gesetz durch die Erweiterungen des Aufgabenbereiches für die neue Bundesanstalt für Arbeit eine starke bildungspolitische Komponente erhalten hat. Ich möchte das sehr unterstreichen und in diesem Zusammenhang namens meiner Fraktion bitten, auch den Wissenschaftsausschuß mitberatend zu beteiligen, weil ja die individuelle und institutionelle Förderung in diesem Gesetz einen gewissen Umfang hat und z. B. bis zu Förderungsmaßnahmen im Fernunterricht reichen soll.
Aber nach dieser anfänglichen Betonung, daß wir die Erweiterung auf berufliche Fortbildungsmaßnahmen für sinnvoll halten, kann ich doch auch einige Bedenken nicht 'unterdrücken. Sie beziehen sich vor allem darauf, daß das, was praktische Ausbildungsförderung in diesem Gesetz betrifft, sich nur auf Teilbereiche der praktischen Berufsausbildung erstreckt, auf Teilbereiche insbesondere der praktischen Berufsausbildung in Betrieben. Das bedeutet, daß auf diese Weise — ich glaube, auch das ist schon angedeutet worden — doch ein erheblicher Bereich insbesondere der schulischen Berufsausbildung, der sich ja auch auf praktische Berufsausbildung beziehen kann, ausgeklammert bleibt.
7416 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 143. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1967
Frau Freyh
Wir befürchten, daß durch diese Eingrenzung die Elastizität für künftige Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt wird, und wir befürchten, daß das Gesetz durch diese Einseitigkeit der Regelung der Ausbildungsförderung auch gewissen Tendenzen im Bildungsbereich, die ja sehr deutlich spürbar sind, entgegenwirkt — Tendenzen wie z. B. der Durchlässigkeit zwischen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung, die sich über mehrere Abschnitte erstreckt. Ich spreche jetzt nicht von der beruflichen Fortbildung, sondern ausdrücklich von der eigentlichen Berufsausbildung.
Die Ausbildungsförderung müßte also nach unserer Meinung für die praktische Berufstätigkeit über den Bereich der betrieblichen Ausbildung hinausgreifen, sie müßte für einen breiteren Bereich wirksam werden. Das allerdings, meinen wir, kann nicht im Rahmen des vorgelegten Arbeitsförderungsgesetzes gelöst werden, das kann nur in einem einheitlichen und zusammenfassenden gezielten Ausbildungsförderungsgesetz geregelt werden.
In unserem Arbeitsmarktanpassungsgesetz mit einer Reihe von ähnlichen Zielsetzungen, das ja bereits seit längerer Zeit dem Hause zur Beratung vorliegt, haben wir bewußt Ausbildungsförderungsmaßnahmen ausgeklammert, weil wir meinen — und das hat sich ja auch in diesem Entwurf, den die Bundesregierung heute vorlegt, gezeigt —, daß in einem Gesetz mit der Zielsetzung, wie es hier vorliegt, aber auch mit der Finanzierungsgrundlage natürlich nur ein Teilbereich der praktischen Berufsausbildung geregelt werden kann.
Lassen Sie mich aber gerade deswegen noch einmal betonen, daß die tatsächliche Chancengleichheit nach unserer Auffassung nicht mit derartigen Teillösungen erreichbar ist. Wenn Herr Kollege Müller hier schon darauf hingewiesen hat, daß Ausbildungsförderung eben nicht einseitig nur Schul- und Hochschulausbildungsförderung ist, sondern auch den Bereich der praktischen Berufsausbildung umfassen muß, dann, meinen wir, ist diese Aufgabe hier durchaus noch nicht erfüllt. Denn was auf diese Weise geschieht, ist, daß es hier eine neue Regelung, allerdings anknüpfend an alte Vorbilder, für die Berufsausbildungsförderung im betrieblichen Bereich gibt, daß es daneben die Ausbildungsförderung im Hochschulbereich mit allen uns bekannten Mängeln gibt, daß es dazwischen unterschiedliche und unzureichende Möglichkeiten der Länderförderung gibt und daß es schließlich auch noch Reste der Kategorienförderung dies Bundes gibt. Wir erinnern deshalb in diesem Zusammenhang daran — und das scheint uns durchaus ,ein angemessener Zeitpunkt zu sein — daß die Bundesregierung hier erneut eine Teillösung der Ausbildungsförderung vorschlägt, obwohl dieses Haus noch im Dezember 1966 einstimmig den Auftrag zu einer einheitlichen und gezielten Regelung der Ausbildungsförderung unter Zusammenfassung aller dafür bisher im Haushalt vorgesehenen Mittel erteilt hat. Dieser Auftrag ist damit also nicht erfüllt. Im Gegenteil, er stellt sich weiterhin als Aufgabe.
Das ist um so bedauerlicher, als ja im Juli dieses Jahres durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dem Art. 74 Nr. 7 des Grundgesetzes eine neue Situation hinsichtlich der Bundeskompetenz auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung entstanden ist. Dort ist festgestellt worden, daß der Bund eine Kompetenz für die Regelung der Ausbildungsförderung besitzt. Das ist bereits in einer Fragestunde von einem Vertreter der Bundesregierung bestätigt worden. Es ist deshalb nicht sehr zufriedenstellend, daß hier nun ein Gesetz vorgelegt wird, das diese veränderte verfassungsrechtliche Situation noch gar nicht berücksichtigt. Wir treten seit acht Jahren für eine einheitliche, zeitgerechte und gezielte Ausbildungsförderung in diesem Hause ein. In der letzten Legislaturperiode hatten wir einen Gesetzentwurf vorgelegt. Damals war die Auslegung der Bundeskompetenz noch außerordentlich unterschiedlich. Der Gesetzentwurf ist deswegen nicht zu Ende beraten worden. Aber wir meinen, daß man heute durchaus an diese Ausgangsüberlegungen wieder anknüpfen kann. Ich möchte Ihnen deshalb in diesem Zusammenhang, da man wieder einen Teilbereich der Ausbildungsförderung — nach unserer Auffassung ohne Grund — zu regeln versucht, im Namen meiner Fraktion ausdrücklich ankündigen, daß wir diesem Hause im kommenden Jahr auf der Basis unseres alten Entwurfs erneut einen Gesetzentwurf zur Ausbildungsförderung vorlegen werden. Vielleicht ist das auch eine Ermutigung für die beiden anderen Fraktionen, die in dieser Legislaturperiode ja bereits Ankündigungen gemacht haben, ihnen aber bisher keinen eigenen Entwurf folgen ließen.
Noch ein letzter Gedanke. Wir sind der Auffassung — ich glaube, darüber hinaus auch die anderen Fraktionen —, daß mit der Streichung der Ausbildungszulage eine um so dringlichere Verpflichtung für eine gezielte Ausbildungsförderung in diesem Hause besteht, aber nicht nur für eine Regelung in Teilbereichen, sondern für eine umfassende und einheitliche Gesamtregelung.
Zum Schluß darf ich noch einmal feststellen: Das vorgelegte Gesetz ist in seinen Bestimmungen zur Ausbildungsförderung nach unserer Auffassung unvollständig. Der breite Bereich der Ausbildungsförderung kann nur in einem einheitlichen Gesetz für die ganze junge Generation geregelt werden. Die sozialdemokratische Fraktion wird dafür einen Gesetzentwurf vorlegen.
Schließlich — das habe ich am Anfang schon betont — bitten wir um die Mitberatung des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik.