Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Die heutige Tagesordnung soll um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Punkte ergänzt werden. — Ich höre keinen Widerspruch; das Haus ist mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates hat mit Schreiben vom 28. Juni 1967 mitgeteilt, daß der Vermittlungsausschuß in seiner Sitzung am 28. Juni 1967 das vom Deutschen Bundestag in seiner 110. Sitzung am 12. Mai 1967 beschlossene Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts bestätigt hat. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1962 verteilt.
Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates hat mit Schreiben vom 28. Juni 1967 mitgeteilt, daß der Vermittlungsausschuß in seiner Sitzung am 28. Juni 1967 über das vom Deutschen Bundestag in seiner 109. Sitzung am 11. Mai 1967 beschlossene Architektengesetz nicht in die Beratung des Anrufungsbegehrens des Bundesrates eingetreten ist. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1970 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat am 23. Juni 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Eschmann, Dr. Müller-Emmert, Dröscher, Bauer , Porzner, Dr. Müller (München), Schmitt-Vockenhausen, Collet, Herold, Haar (Stuttgart), Frau Freyh, Schonhafen, Schwabe und der Fraktion der SPD betr. deutsche Beschäftigte bei den alliierten Streitkräften — Drucksache V11836 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1949 verteilt.
Nach einer Vereinbarung des Ältestenrates werden die nachfolgenden Vorlagen auch dem Finanzausschuß mitberatend überwiesen:
Antrag der Abgeordneten Gscheidle, Brück , Dorn und Genossen betr. Verwaltungsvereinfachung durch Datenverarbeitung
— Drucksache V/1633 —
Antrag der Abgeordneten Schoettle, Windelen, Dr. Emde und Genossen betr. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung
— Drucksache V/1655 —
Wir beginnen mit der
Fragestunde
— Drucksachen V/1943, zu V/1943 —
Ich rufe aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Frage 38 des Abgeordneten Ertl auf:
Warum hat der Vertreter der Bundesregierung bei den Verhandlungen im Ministerrat am 1. Juni 1967 in Brüssel sich bei der Zustimmung zu der Getreidepreisharmonisierung nicht an den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 10. Mai 1967 gehalten, wonach die Bundesregierung vom Deutschen Bundestag aufgefordert wird, der Getreidepreisregelung nur zuzustimmen, wenn gleichzeitig die Marktmechanismen in den EWG-Ländern vereinheitlicht werden?
Bitte, Herr Minister!
Auf die Frage möchte ich folgendes antworten. Ich bin der Meinung, daß aus dem französischen Vermarktungssystem für Getreide ein Popanz gemacht worden ist. Es wäre keineswegs wünschenswert, wenn wir ein solches System hätten.Was nun die eigentliche Frage betrifft, inwieweit sich die deutsche Delegation an die einstimmig angenommene Entschließung des Deutschen Bundestages vom 10. Mai 1967, die aus sehr vielen Teilen besteht, gehalten habe, so darf ich zunächst einmal zu dem Charakter und zu dem Inhalt einer solchen Entschließung folgendes sagen. Ich glaube, daß das Hohe Haus sich bei der einstimmigen Annahme dieser Entschließung, die ja ein Ersuchen zum Ausdruck bringt, dessen bewußt war, daß es sich darum handelt, in einer Kollegialentscheidnung in Brüssel — also mit sechs Staaten — darauf hinzuwirken — so lautet auch der Text der Entschließung —, daß den dort aufgestellten Bedingungen Genüge getan werde. Das ist, wenn man es materiell sehen will, ähnlich wie ein Prozeßauftrag für einen Anwalt. Die deutsche Delegation hat sich nach Kräften bemüht, diesem Auftrag, der sehr viele und sehr schwierige Punkte enthielt, gerecht zu werden.Es ist auch möglich gewesen, einen Einbruch in das französische System zu erzielen. Sie wissen, daß dieses System zwei Vermarktungsmethoden hat, die Methode A und die Methode B. Die Methode B ist einheitlich für die ganze Gemeinschaft eingeführt worden. Sie gilt probeweise für ein Jahr und bedarf jeweils bei einer vorläufigen prophylaktischen Intervention der Zustimmung der Kommission und des Verwaltungsausschusses. Dadurch ist ein einseitiger Vollzug durch die französischen Behörden nicht mehr möglich.Im übrigen ist sichergestellt, daß auch Getreidehändler z. B. aus der Bundesrepublik nach den Vor-
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5842 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Bundesminister Höcherlaussetzungen des französischen Rechts zugelassen werden müssen. Man kann von ihnen nicht mehr verlangen, daß sie ein Lager halten, wie das bisher nach französischem Recht der Fall war. Durch die Regionalisierung der Interventionspreise, die es bisher in Frankreich in dem Umfang nicht gegeben hat, sind Sicherheiten für einen gemeinsamen Marktmechanismus eingebaut. Darüber hinaus ist vorgeschrieben, daß Berichte eingefordert werden und daß die Kommission noch im Laufe dieses Jahres Vorschläge zu einer weiteren Vereinheitlichung des Marktmechanismus unterbreitet.Die deutsche Delegation war der Meinung, daß sie in diesem Falle das Mögliche erreicht hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Bundesminister, darf ich Ihre Antwort, insbesondere Ihre Bezeichnung „Popanz", dahin gehend auslegen, daß Sie der Auffassung sind, im Zeichen der EWG könnten durchaus nationale selbständige Marktmechanismen beibehalten werden?
Nein. Der Ausdruck „Popanz" bezieht sich auf die Wirksamkeit, den Inhalt und die Struktur dieses Marktmechanismus, den ich keineswegs als Vorbild betrachten möchte.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Ertl.
Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die neue Bundesregierung auf das Prinzip der Wettbewerbsgleichheit, die nur durch gleiche Markthandhabung möglich ist, verzichtet?
Nein. Ich weiß nicht, in welchem Teil meiner Antwort ich zu einer solchen Schlußfolgerung Anlaß gegeben hätte. Alle Maßnahmen, die wir erreicht haben, waren Instrumente zur Herstellung der Wettbewerbsgleichheit, die sich aus vielen Komponenten zusammensetzt und die keineswegs allein mit diesem Instrumentarium erreicht werden könnte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß Frankreich mit Hilfe seines Erfassungssystems den Richtpreis erzielte und wahrscheinlich auch in Zukunft erzielen wird, während bei dem deutschen System nur der Interventionspreis erreicht wurde?
Zunächst ist es so, daß Frankreich bisher immer niedrige Preise gehabt hat, so daß die Landwirtschaft keinen Anlaß hatte,
sich darüber zu beklagen. Zweitens könnte dieser Umstand, selbst wenn es mit diesem System, das in der alten Form nicht mehr aufrechterhalten werden kann, gelänge, bei der Intervention ein kleines Plus herauszuholen, für den deutschen Markt vielleicht nicht uninteressant werden, weil dadurch unnötige Abflüsse von Frankreich nach Deutschland vermieden werden. Auch aus diesem Grunde habe ich das französische Marktsystem nicht als so gefährlich empfunden, wie das gelegentlich zu lesen oder auch aus dieser Frage zu hören war.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß das eingespielte französische System mit den von Ihnen genannten Maßnahmen tatsächlich im Sinne der Erzielung eines echten Wettbewerbs durchbrochen werden kann?
Erstens unterscheide ich nicht zwischen echtem und unechtem Wettbewerb, sondern nur zwischen Wettbewerb und Nichtwettbewerb. Zweitens haben wir zunächst einen Einbruch erzielt. Ich habe nicht gesagt, daß schon alle Wünsche erfüllt sind. Aber was wir erzielt haben, war das, was unter den vielen Umständen möglich war, die sich bei einer so schwierigen Verhandlung geboten haben.
Herr Abgeordneter Dr. Effertz zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, was Sie gemeint haben, als Sie mir damals in der Sitzung um 11 Uhr nachts folgendes antworteten:
Herr Effertz, ich würde Sie sehr herzlich einladen, doch einmal einen solchen Standpunkt in Brüssel zu vertreten. Mehr kann ich auf eine solche Bemerkung nicht erwidern.
Ich weiß zwar nicht, in welchem Zusammenhang diese Bemerkung mit der Frage steht, bin aber gern bereit, darauf zu antworten.Sie haben in der Haushaltsberatung die Frage gestellt, warum die Bundesregierung einen bestimmten Auftrag nicht erfüllt hat. Ich habe schon eingangs der Beantwortung dieser Frage gesagt, daß die Aufträge, die in Entschließungsform an eine Delegation gegeben werden, keinen anderen Sinn haben können als ein Auftrag, der einem Anwalt erteilt wird, nach bestem Wissen einen Prozeß zu führen mit der Zielsetzung, das durchzusetzen, was im Rahmen eines Kompromisses möglich ist, der immer innerhalb von sechs Staaten erreicht werden muß. Sie haben damals gefragt, warum wir das nicht durchgesetzt haben. Warum wir das nicht durchgesetzt haben, ist eine ganz andere Frage, die hiermit nicht zusammenhängt. Deswegen habe ich diese
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5843
Bundesminister HöcherlAntwort gegeben, und ich stehe auch heute noch dazu.
Herr Dr. Effertz zu einer weiteren Zusatzfrage.
Hen Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß damals der Bundestag und vorher auch der Ernährungsausschuß uneingeschränkt und ohne Differenzierung der Ansicht waren, daß man in Brüssel zum Ingangsetzen dieses Getreidepreises deutscherseits vorbehaltlos nein sagen sollte, wenn nicht, wie vorher vereinbart, auch die Marktmechanismen am gleichen Tage harmonisiert seien?
Sie wissen ganz genau, daß an dem Inkraftsetzen des Getreidepreisbeschlusses — einschließlich der Kennedy-Runde — so viel hängt, daß es gar nicht möglich wäre, wegen eines einzigen Punktes nein zu sagen und das Gesamtwerk zu gefährden.
Außerdem lautet die Entschließung gar nicht so. Sie hat sich durchaus im Rahmen der Möglichkeiten gehalten. Die Bundesregierung wurde darin ersucht, in Brüssel darauf hinzuwirken. Das ist genau die Formulierung, die für diesen Sachverhalt paßt und an die wir uns gehalten haben.
Herr Abgeordneter Logemann zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, bedeutet die in Brüssel getroffene Vereinbarung bezüglich des französischen Systems, selbst wenn ich unterstelle, daß es etwas geändert worden ist, in der Tat nicht doch für die Zukunft eine starke Benachteiligung der marktfernen Gebiete in der Bundesrepublik?
Ich glaube das nicht, Herr Kollege Logemann. Sollte es aber der Fall sein, dann ist der Weg, der beschlossen worden ist — nämlich eine Untersuchung anzustellen und die Kommission zu beauftragen, noch in diesem Jahr einen Bericht vorzulegen —, geeignet, eine weitere Revision durchzusetzen.
Frage 39 des Herrn Abgeordneten Reichmann:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß infolge der Wandlungen bei der Schlachttiervermarktung die offiziellen Preisnotierungen nicht mehr marktgerecht sind?
Bitte, Herr Minister!
In der Schlachtviehvermarktung haben sich, wie der Bundesregierung bekannt ist, erhebliche Wandlungen vollzogen. Während früher fast ausschließlich nur Lebendvieh gehandelt worden ist, hat in den letzten Jahren die Fleischvermarktung stark zugenommen. Damit ist die Preisnotierung auf den Lebendviehmärkten
nicht mehr voll aussagekräftig. Diese Wandlung hat sich besonders auf den Schweinemärkten vollzogen, während sie auf den Rindermärkten noch in der Entwicklung ist.
Ich bitte um die Erlaubnis, die zwei Anschlußfragen gleich beantworten zu dürfen.
Einverstanden? — Dann rufe ich noch die Fragen 40 und 41 des Abgeordneten Reichmann auf:
Bis zu welchem Zeitpunkt ist mit einer Novellierung des Vieh- und Fleischgesetzes zu rechnen, das den neuen Vermarktungsverhältnissen Rechnung trägt?
Bis zu welchem Zeitpunkt kann mit der Durchführung der dringend notwendigen Fleischnotierungen bei den Versandschlachtereien gerechnet werden?
Die Bundesregierung bearbeitet mit Nachdruck den Entwurf eines neuen Vieh- und Fleischgesetzes. Ein in Zusammenarbeit mit Vertretern der Wirtschaft, der Erzeuger, des Deutschen Städtetages und der Bundesländer erarbeiteter Entwurf wird z. Z. mit den daran interessierten Organisationen beraten. In diesem Entwurf ist u. a. eine Regelung vorgesehen, durch die eine Fleischnotierung — auch bei den Versandschlachtereien — ermöglicht wird. Die Beratungen gestalteten sich zum Teil recht schwierig, weil es gilt, Kompromisse zu finden und die unterschiedlichen Interessen aufeinander abzustimmen. Dennoch rechnet die Bundesregierung damit, daß bald ein endgültiger Entwurf fertiggestellt und noch in diesem Jahr im Parlament eingebracht werden kann.
Zwei entscheidende Fragen sind vor allem zu berücksichtigen, und zwar einmal der Marktzwang für Fleisch und zweitens der Notierungszwang. Zwischen beiden nach den vielfältigen Regelungen, die wir bei den bisherigen Vermarktungsformen haben, einen Kompromiß zu finden, ist nicht ganz einfach. Zur Zeit wird ein Test bezüglich von Handelsklassen auch für Rindfleisch durchgeführt. Das Ergebnis liegt noch nicht vor, ist aber eine Voraussetzung dafür, eine Fleischvermarktung mit Erfolg aufbauen zu wollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Bundesminister, ist es zutreffend, daß die Preisnotierungen auch für die Funktion der Marktmechanismen der EWG-Vermarktung maßgebend und damit entscheidend für die Gesamtvermarktung in der Zukunft sind?
Die Preisnotierung ist ein unabdingbarer Bestandteil eines Vermarktungssystems, sei es eines Lebend- oder eines Fleischvermarktungssystems.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.
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5844 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Herr Minister, ist es zutreffend, daß die gegenwärtige schmale Basis der Lebendmarkt-Notierungen leicht manipulierbar ist?
Das wird man wohl nicht bestreiten können.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.
Herr Minister, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Lebendnotierung kürzlich von gewisser Seite so beeinflußt wurde, daß eine Abschöpfung von 50 O/0 zustande kam und diese wahrscheinlich von der betreffenden Seite entsprechend ausgenutzt wurde?
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die „gewisse Seite" nennen würden.
Das werde ich gerne tun!
Keine weitere Frage.
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß für landwirtschaftliche Bauten Beihilfen aus Mitteln des Grünen Plans gezahlt werden, auch wenn die baupolizeiliche Genehmigung für diese Bauten nicht vorliegt?
Bitte, Herr Minister!
Die Bundesregierung hält es nicht für richtig, Zuwendungen aus Mitteln des Grünen Plans für solche landwirtschaftlichen Bauten zu zahlen, die der bauaufsichtlichen Genehmigung bedürfen, ohne daß diese Genehmigung vorliegt. Es ist deshalb durch Richtlinien und Ausführungsbestimmungen sichergestellt, daß Beihilfen oder Kredite nicht vorzeitig ausgezahlt werden können. Dadurch, daß ein der Aufsicht des Landes unterstehender Betreuer die bauliche Oberleitung hat, ist die Gewähr gegeben, daß die Baugenehmigung eingeholt wird, bevor die bewilligten Darlehen oder Beihilfen abgerufen werden. Das trifft nicht zu für Bauten, die einer bauaufsichtlichen Genehmigung nicht bedürfen, weil sie nur anzeigebedürftig sind oder zu den anzeige- bzw. genehmigungsfreien Bauvorhaben zählen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brück.
Herr Minister, was werden Sie tun, wenn trotzdem in einem bestimmten Fall öffentliche Mittel für Bauten ausgegeben worden sind, die jetzt abgerissen werden müssen, weil sie nicht den baupolizeilichen Vorschriften entsprechen?
Die Mittel müßten zurückgefordert werden.
Fragen 43, 44 und 45 des Abgeordneten Dr. Tamblé:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die deutsche Kutterfischerei erhebliche Fangeinbußen zu erwarten hat, wenn Dänemark am 1. Juli seine Fischereigrenze von bisher drei auf zwölf Seemeilen erweitern wird?
Was hat die Bundesregierung unternommen, um die in Frage 43 dargestellten Nachteile für die deutsche Fischerei abzuwehren?
Wie ist der Stand der deutsch-dänischen Verhandlungen über die historischen Fischereirechte in den Grenzgewässern?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt.
Die Antworten des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 26. Juni 1967 liegen vor. Sie lauten:
Zu 1:
Es läßt sich noch nicht übersehen, ob die deutsche Kutterfischerei Fangeinbußen zu erwarten hat, wenn Dänemark seine Fischereigrenze in der Nordsee am 1. Juli 1967 auf 12 Seemeilen erweitert. Nach dem Europäischen Fischereiübereinkommen vom 9. März 1964, dem u. a. auch Dänemark und die Bundesrepublik angehören, bleiben die historischen deutschen Fischereirechte in dem Seegebiet zwischen 6 und 12 Seemeilen vor der dänischen Küste dauernd bestehen. In dem Seegebiet zwischen 3 und 6 Seemeilen ist dagegen nur eine befristete Übergangsregelung möglich. Es ist jedoch anzunehmen, daß nach Ablauf der Übergangsregelung ein Ausgleich auf anderen Fangplätzen erreichbar sein wird.
Zu 2 und 3:
Die Bundesregierung hat der dänischen Regierung die deutschen Ansprüche hinsichtlich der historischen Fischereirechte zwischen 6 und 12 Seemeilen und Vorschläge für eine möglichst günstige Übergangsregelung zwischen 3 und 6 Seemeilen bereits vor längerer Zeit mitgeteilt. Eine abweichende dänische Stellungnahme liegt erst seit kurzem vor und wird gegenwärtig eingehend geprüft.
Zur endgültigen Festlegung der deutschen historischen Fischereirechte zwischen 6 und 12 Seemeilen und der Übergangsregelung zwischen 3 und 6 Seemeilen werden in den nächsten Wochen bilaterale Verhandlungen in Kopenhagen stattfinden.
Wir kommen zu den Fragen 103 und 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler, zu Drucksache V/1943:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach in dem Programm der EWG-Kommission für die landwirtschaftliche Produktion, vor allem in den Randgebieten der Gemeinschaft, der ostbayerische Raum nicht genannt ist?
Würde eine eventuelle Nichterwähnung des in Frage 103 erwähnten Gebietes zur Folge haben, daß es von den Vergünstigungen des Plans für die nächste Zeit ausgeschlossen ist?
Es trifft nicht zu, daß die EWG-Kommission in ihren Vorschlägen für die Gemeinschaftsprogramme zur Agrarstrukturverbesserung den ostbayerischen Raum unberücksichtigt gelassen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Kempfler.
Darf ich dann den Herrn Minister ersuchen, die Presse entsprechend aufzuklären, die das Gegenteil berichtet hat?
Ja, ich glaube, daß das auch
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5845
Bundesminister Höcherleine sehr dankbare Tätigkeit für den jeweiligen Wahlkreisabgeordneten wäre.
Eine weitere Frage, Herr Dr. Kempfler.
Wird die Bundesregierung bei der Abgrenzung dieses Gebietes berücksichtigen, daß nicht nur das Zonenrandgebiet, sondern auch der Streifen entlang des Inns und der Salzach Grenzgebiet der EWG sind?
Ja, das betrifft nicht nur diesen Streifen, sondern die Bundesregierung wird sich ganz allgemein um eine gute regionale Bearbeitung dieser Gebiete bemühen.
Herr Abgeordneter Ertl für eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, würden Sie vielleicht präzisieren, wie, durch welche Maßnahmen Sie eine gute regionale Gliederung vornehmen wollen?
Ich brauche nur das Bild zu nehmen, das wir in der Bundesrepublik in der Regionalpolitik ausgearbeitet haben. Das würde sich glänzend übertragen lassen.
Herr Bundesminister, sind Sie dann der Auffassung, daß die Einschränkung der Handelsplätze, wie sie nach der neuen Getreidemarktordnung erfolgt ist, im Zuge dieser guten Regionalgliederung liegt?
Wir haben alle Bemühungen darangesetzt, die Handelsplätze so weit auszudehnen und in diese Gebiete zu verteilen, und wir sind dabei nicht ohne Erfolg gewesen.
Herr Abgeordneter Dr. Dittrich für eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, nachdem Herr Kollege Kempfler nun aus Ihrem berufenen Munde weiß, daß auch Niederbayern und insbesondere das Zonenrandgebiet in dieses Regionalprogramm der europäischen Gemeinschaft eingeschlossen ist, frage ich: Welche Maßnahmen sind dabei getroffen, und welche Maßnahmen können von der Bundesregierung bei der europäischen Gemeinschaft noch erwirkt werden?
Herr Kollege, die Auskunft, die ich gegeben habe, beruht auf einer privaten Information. Es gibt noch keinen endgültigen Vorschlag. Mir haben nur die Unterlagen über die bisherigen Absichten der Kommission zur Verfügung
gestanden, so daß ich diese Frage noch nicht beantworten kann. Ich werde sie beantworten, wenn die Vorschläge der Kommission vorliegen.
Ist es so, daß diese Einzelvorschläge hinsichtlich der Förderungsmaßnahmen noch nicht unterbreitet sind und noch nicht vorliegen?
Genau das ist der Fall.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und rufe die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Ramms auf:
Kann mir die Bundesregierung erklären, in welcher Weise sie künftig eine sinnvolle, einheitliche Verkehrspolitik in Deutschland betreiben will, wenn sie nach den Worten des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium der Meinung ist, daß es ihr nicht zusteht, beispielsweise in bezug auf den Bau von Landstraßen auf die Regierungen der Bundesländer einzuwirken?
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident, der Bundesminister für Verkehr hat die Gründung eines Koordinierungsausschusses Straßenbauplanung veranlaßt, in dem Bund, Länder und Gemeinden vertreten sind. Dieser Koordinierungsausschuß wurde schon am 30. Juni 1966 gegründet. Auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der für den Verkehr und den Straßenbau zuständigen Minister und Senatoren der Länder vom 21. April 1964 wurde zum Ausdruck gebracht, daß dieser Ausschuß Planung und Durchführung der Straßenbaumaßnahmen des Bundes, der Länder und der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften aufeinander abstimmen soll. Ich bin davon überzeugt, daß es im Rahmen dieses Ausschusses möglich ist, die für eine sinnvolle einheitliche Verkehrspolitik wünschenswerte Abstimmung herbeizuführen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß z. B. die L 401 beim Neubau kreuzungsfrei über eine stillgelegte Bahnstrecke gelegt wird, während sie 800 m weiter höhengleich den Autobahnzubringer B 58 kreuzt?
Ja, das ist mir bekannt.
Halten Sie das für eine gute Koordinierung?
Ich halte das nicht für eine gute Koordinierung. Solche Dinge passieren aber.
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5846 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Ich rufe die Frage
67 des Herrn Abgeordneten Ramms auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die von der Deutschen Vergaser-Gesellschaft in Neuß entwickelte neue Methode zur Entgiftung von Autoabgasen?
Bitte, Herr Minister!
Nach Pressemeldungen handelt es sich bei der von der Deutschen Vergaser-Gesellschaft Neuß entwickelten Methode um eine neuartige Vergaseranlage. Unterlagen über Konstruktion, Wirkungsweise und Eignung liegen meinem Hause bisher nicht vor. Es wäre daher zweckmäßig, wenn die Deutsche VergaserGesellschaft ihre Anlage bei der auf meine Veranlassung errichteten Prüfstelle für Abgabe von Kraftfahrzeugen beim Technischen Überwachungsverein Essen zur Prüfung vorlegte.
Ich rufe die Frage
68 des Herrn Abgeordneten Ramms auf:
Muß die begrüßenswerte Rationalisierung im Omnibusverkehr der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost zu solchen Schwierigkeiten wie auf den Linien Siegburg—Köln und Siegburg—Overath fuhren, die man bisher einschließlich der Schienenzüge der Deutschen Bundesbahn mit einer Fahrkarte benutzen konnte, wogegen jetzt ein Übergang nicht mehr möglich ist, da die Deutsche Bundespost ihre eigenen Fahrkarten verlangt?
Bitte, Herr Minister!
Der Nachteil, der durch die Nichtanerkennung der Schienenfahrausweise der Deutschen Bundesbahn auf den im Zuge der Entflechtungsmaßnahmen von der Bahn auf die Post übergegangenen Omnibuslinien entsteht, wird — insgesamt gesehen — durch die Vorteile, welche die Rationalisierungsmaßnahmen von Bahn und Post mit sich bringen, mehr als ausgeglichen. Es muß jedoch zugegeben werden, daß diese Maßnahme der beiden Bundesverkehrsanstalten einige Verkehrsnutzer finanziell zusätzlich belastet. Ihre Zahl dürfte allerdings gegenüber der Zahl derjenigen Verkehrsnutzer, denen durch die Entflechtungsaktion eine bessere Verkehrsbedienung geboten wird, verhältnismäßig gering sein. Bereits vor Ihrer Fragestellung, Herr Kollege Ramms, habe ich veranlaßt, daß die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn die Frage einer Anerkennung der Bundesbahnschienenfahrausweise auf allen auf die Post übergegangenen Omnisbuslinien noch einmal überprüft.
Keine Zusatzfrage. Dann Frage 69 des Abgeordneten Kubitza:
Gilt die Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner auf meine Mündlichen Anfragen generell, daß die Bundesregierung davon ausgeht, es stehe ihr nicht zu, auf Länderregierungen einzuwirken?
Bitte, Herr Minister!
Die Antwort, Herr Kollege Kubitza, bezog sich, wie aus dem Wortlaut zu ersehen ist — dort heißt es „solche Angelegenheiten" —, nur auf die Angelegenheiten des Ausbaus der Staatsstraßen in Bayern.
Dann Frage 70 des Herrn Abgeordneten Lemmrich, die Herr Abgeordneter Dr. Becher übernimmt.
Darf ich die drei Fragen des Kollegen Lemmrich zusammen beantworten?
Wenn Herr Dr. Becher einverstanden ist? — Ja.
Dann rufe ich die Fragen 70, 71 und 72 des Abgeordneten. Lemmrich gemeinsam auf:
Wann ist mit der Fertigstellung des Prototyps des Zuges für die V-Bahn in Munchen zu rechnen?
Ist sichergestellt, daß bis zu den Olympischen Spielen 1972 die 70 Wagenzüge fertiggestellt sind, die für das V-Bahnnetz in München erforderlich sind?
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß die Vergabe für die Züge der Münchner V-Bahn bald erfolgt, um auf diese Weise der schlechten Beschäftigungslage der Waggonbauindustrie entgegenzuwirken?
Bitte, Herr Minister!
Wie mir die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn mitteilt, wird mit der Auslieferung der drei Probewagenzüge bis Mitte 1969 zu rechnen sein. Der Anschlußauftrag für weitere Triebwagenzüge kann erst nach Abschluß der Entwicklung und Erprobung der Probezüge, also nicht vor Ende 1969, erteilt werden. Nach den Planungen der Deutschen Bundesbahn ist beabsichtigt, bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele im Jahre 1972 insgesamt 72 dreiteilige Triebwagenzüge zu beschaffen. Da auf dem V-Bahnabschnitt auch jeder normale, mit einer elektrischen Lokomotive bespannte Zug verkehren kann, besteht auf keinen Fall Gefahr, daß dann Wagenmangel zu Schwierigkeiten führen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Minister, ist sichergestellt oder geplant, daß. auch die Vorortzüge im Großraum München in das Netz der V-Bahn eingeschlossen werden?
Dies ist eine selbstverständliche Frage der Rationalisierung des Regionalverkehrs um München herum und wird auf jeden Fall angestrebt.
Dann Frage 73 des Herrn Abgeordneten Josten:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Unfallmeldemöglichkeiten zu verbessern?
Bitte, Herr Minister!
Zur Frage der Unfallmeldemöglichkeit und der Verbesserung des Unfallmeldenetzes hat bereits mein Amtsvorgänger, Herr Dr. Seebohm, auf Anfrage des Herrn Kollegen Dr. Prassler in der 74. Sitzung des Deut-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5847
Bundesminister Leberschen Bundestages am 24. November 1966 ausführlich Stellung genommen. Ich darf insoweit auf die Seite 3469 des Sitzungsprotokolls verweisen.Ich möchte hinzufügen, daß in einem besonderen Arbeitskreis unter Vorsitz des zuständigen Referenten meines Hauses die mit dem Unfallmeldedienst zusammenhängenden Fragen und Probleme gemeinsam mit den zuständigen obersten Landesbehörden laufend erörtert werden mit dem Ziel, die Entschließung der 8. Gemeinsamen Verkehrssicherheitskonferenz möglichst bald zu verwirklichen. Hierbei werden besonders die Einrichtung und Verdichtung des Meldenetzes, die Einbeziehung von Behörden in das Meldesystem und die Kennzeichnung der Meldestellen geprüft.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Minister, ist Ihnen der Bericht des Deutschen Fernsehens bekannt, der vor ca. 14 Tagen ausgestrahlt wurde und in dem z. B. mitgeteilt wurde, daß es noch viele Unfallmeldestellen gibt, die keinen telefonischen Anschluß haben?
Ja, ich habe von dieser Sendung gehört. Ich habe sie nicht selber gesehen. Ich will mir den Text beschaffen lassen.
Aber dies ist gerade der Punkt, um den es dabei geht, das Netz zu verdichten, es technisch so auszugestalten, daß es auch funktioniert. Dabei muß man eine ganze Reihe auch ehrenamtlicher Helfer mitrechnen, die ihre technischen, in diesem Falle ihre Telefoneinrichtungen zur Verfügung stellen. Das ist eine Aufgabe, die nicht von heute auf morgen zu lösen ist. Aber ich darf Ihnen versichern, wir arbeiten ständig daran, das Netz so dicht und so vollkommen wie möglich zu machen.
Dann rufe ich die Frage 74 des Abgeordneten Dr. Schmidt auf. — Wird sie übernommen? — Dann wird die Frage schriftlich beantwortet, da der Abgeordnete nicht anwesend ist.
Ich rufe die Frage 75 des Abgeordneten Dr. Becher auf
Welche Absichten hegt die Deutsche Bundesbahn mit der Demontage eines Teiles der Gleisanlagen auf der von München nach Pullach führenden Isartalbahn?
Bitte, Herr Minister!
Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, wurde in diesem Jahr das zweite Streckengleis zwischen MünchenIsartalbahnhof und Großhesseloe—Isartalbahnhof und die gesamte Fahrleitung zurückgebaut. Die Genehmigung gemäß Bundesbahngesetz, diesen nur noch dem Güterverkehr dienenden Streckenabschnitt eingleisig zu betreiben, wurde der 'Deutschen Bundesbahn bereits 1964 erteilt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Minister, kann ich .die erhaltene Auskunft so interpretieren, daß der Gleisabbau, der in weiten Kreisen der Bevölkerung große Verwunderung hervorgerufen hat, die Bundesbahn keineswegs davon abhalten wird, die Isartalstrecke wie alle anderen Vorortsstrecken des Großraumes München als Außenstrecke der V-Bahn einzurichten?
Das ist im Augenblick noch nicht geklärt. Ich kann Ihnen darauf keine definitive Antwort geben, denn ich müßte erst untersuchen lassen, wie dort die Planungen laufen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß die 1964 getroffene Maßnahme im Einverständnis mit ,der Stadt München und mit den zuständigen Landesverkehrsbehörden erfolgt ist und daß 1964 die Entscheidung über die Strecke gefallen ist, so wie sie jetzt befahren wird. Inwieweit sie in den V-Bahn-Bereich einbezogen werden kann, muß ich erst noch prüfen. Da ich auf die Frage nicht vorbereitet bin, kann ich jetzt aus dem Handgelenk keine Antwort geben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie so freundlich sein, mir dabei dann auch Auskunft darüber zu geben, ob geplant ist, die Isartal-Bahnstrecke, wie ursprünglich vorgesehen, über den Holzkirchener Bahnhof in das V-Bahnnetz einzuleiten.
Ich will die Frage gern in die Prüfung miteinbeziehen.
Herr Abgeordneter Gleissner zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist der Bundesregierung bekannt, daß die Demontage der Isartal-Bahn auf den verschiedenen Strekkenteilen, anstatt die völlig überfüllten Straßen im Raum südlich von München zu entlasten, diese Straßen noch mehr belastet und daß dadurch den schweren Verkehrsunfällen indirekt Vorschub geleistet wird?
Die Verkehrsverhältnisse auf den Straßen sind überprüft worden, und zwar im Anschluß an früher gestellte Fragen, die sich auf diesen Gegenstand bezogen. Nach den Informationen, die ich hier habe, komme ich zu der Feststellung, daß für eine ausreichende Ersatzverkehrsbedienung Sorge getragen ist — sie findet tatsächlich statt —, daß die Fahrtdauer vom Ausgangspunkt der Busse zu ihrem Ziel etwas länger geworden ist als früher bei der Eisenbahn -das hängt jedoch damit zusammen, daß die Busse öfter halten und für den Fahrgast eine größere Bequemlichkeit mit sich bringen — und daß im ganzen auch die Strecke etwas länger geworden ist
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5848 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Bundesminister Leber— sie ist über den Bereich der früheren Eisenbahnstrecke ausgedehnt worden —. Nach meinen Informationen ist der Bevölkerung damit ausreichend gedient. Ich weiß natürlich, Herr Kollege, aus vielen anderen Fällen: auch wenn für die Ersatzverkehrsbedienung ausreichend Sorge getragen worden ist, die Eisenbahn hätte man trotzdem gern.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Gleissner.
Herr Bundesminister, ohne auf diese Busse einzugehen, die sich durch völlig überfüllte und über Gebühr enge Straßen zwängen müssen, möchte ich fragen: Wer ist verantwortlich für den Abbau der Strecke speziell zwischen dem Kopfbahnhof München-Isartalbahnhof und Pullach? Die Staatsregierung hat wiederholt erklärt, sie habe sich dafür eingesetzt und setze sich dafür ein, diesen Abbau zu verhindern. Ist es mehr die Stadt München oder ist es die Bundesbahn, die das forciert hat?
Ich habe hier die Aufzeichnungen in der Hand. Ich kann Ihnen nur sagen: daraus ergibt sich mit Datum, daß das nach dem Bundesbahngesetz vorgeschriebene Verfahren eindeutig durchgeführt worden ist und alle Stellen gehört worden sind. Aus meinen Unterlagen ergibt sich ferner, daß die oberste Landesverkehrsbehörde keine Einwendungen gegen die Stillegung erhoben hat. Das ist ihr Votum. Sie braucht die Stillegung nicht zu befürworten. Vielmehr ist nach dem Gesetz vorgeschrieben, daß die Stillegung erfolgen kann, wenn keine Einwände erhoben werden. Das gleiche gilt auch für die Stadt München.
Ihre Fragemöglichkeiten sind erschöpft.
Ich rufe die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Schmidt auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn ihren Kunden im Großbehälter-Städteschnellverkehr Frachtpreise anbietet, welche die eigenen Tarife der Deutschen Bundesbahn für Wagenladungen teilweise um mehr als die Hälfte unterschreiten, und zwar für die Strecke Düsseldorf—Hannover bei 5,5 t A-Gut um 56 Prozent, bei B-Gut um 51 Prozent und bei C-Gut um 47 Prozent, so daß zweifelsfrei auch von einer bedingten Kostendeckung in keiner Weise mehr geredet werden kann?
Bitte, Herr Minister!
Der Großbehälter-Städteschnellverkehr der Deutschen Bundesbahn nach dem Ausnahmetarif 24 B 10 ist ein neuartiger Verkehr mit dem Ziel, in bestimmten Städteverbindungen jeweils mehrere Großbehälter zu einer Wagenladung zusammenzufassen. Die Fracht wird dabei für jeden Behälter getrennt berechnet.
Herr Kollege, Sie gehen bei Ihrer Frage offensichtlich von der Verladung nur eines Großbehälters je Wagen aus, wofür sich in etwa die genannten
Frachtermäßigungen ergeben können. Da jedoch immer mehrere Großbehälter zusammen verladen werden, vervielfacht sich die Frachteinnahme entsprechend, so daß die Selbstkosten in diesem Verkehr gedeckt werden. Der Großbehälter-Städteschnellverkehr ist vor allem auch deshalb rentabel, weil es sich um einen Schwerpunktverkehr handelt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5849
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5850 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5851
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5852 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5853
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5854 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5855
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5856 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
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5858 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
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5864 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Herr Kollege Wienand, wir begrüßen diese Feststellung. Sie haben auch in der vorigen Legislaturperiode diese Haltung von Anfang bis Ende vertreten. Wir Freien Demokraten in diesem Hause haben in dieser Frage eine unterschiedliche Auffassung vertreten; das ist genauso unbestritten. 27 unserer 65 Kollegen aus der damaligen Bundestagsfraktion haben den Sicherstellungsgesetzen in der seinerzeitigen Form zugestimmt.
— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Sie haben natürlich die Möglichkeit, nachher hier ihre Auffassung zu vertreten. Sie werden es, wie ich Sie kenne, auch sicher tun.
— Wir werden jetzt an dieser Stelle sagen, was wir für richtig halten. Sie können nachher vortragen, was nach Ihrer Auffassung gesagt werden muß.
Herr Abgeordneter Dorn, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen möchte eine Frage stellen.
Nein, Herr Präsident, ich bitte, zu entschuldigen, daß ich jetzt keine Zwischenfragen zulasse.
— Nein, nicht weil es mir unangenehm ist, sondern weil ich nicht möchte, daß Ihr Fraktionsvorsitzender wieder in die schwierige Lage kommt, zusammen mit seinem Kollegen von der CDU/CSU in diesem Hause die Sprechminuten der einzelnen Redner ausrechnen zu müssen, um sie uns nachher vorzuhalten.
Unsere Erfahrungen, meine Damen und Herren, bei der Anwendung der Sicherstellungsgesetze und der dazu erlassenen Verordnungen während der Fallex-Übung haben aber unsere Bedenken, die ich damals vorgetragen habe, noch erheblich verstärkt. Wir sind mit Ihnen und — das ist völlig neu — inzwischen auch mit der Bundesregierung der Meinung, daß die Novellierung der Sicherstellungsgesetze gleichzeitig mit der Verabschiedung einer Notstandsverfassung erfolgen muß. Meine Argumente aus dem Jahre 1965 sind immerhin durch einige Verfassungsgerichtsurteile von Ende 1966 über die Eingrenzung der Ermächtigungsbestimmungen eindeutig bestätigt worden.An dieser Stelle ist heute morgen, als es um die Frage des Zivilschutzes für die Bevölkerung ging, vom Bundesinnenminister ein Wort des Dankes an diejenigen gesagt worden, die sich für diese Arbeit bisher der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt haben. Wir Freien Demokraten haben in diesem Hause nie ein Hehl daraus gemacht, daß für uns militärische Verteidigung und Zivilschutz für die zivile Bevölkerung eine Einheit sind. Wir haben diese Auffassung bisher in allen Legislaturperioden eindeutig vertreten. Das beweist auch unsere Zustimmung zu den verabschiedeten Gesetzen über Schutzbau und Selbstschutz.Aber, meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat mehrfach neuerdings erkennbar durch Äußerungen des Bundesinnenministers — ihre Meinung geändert. Uns wurde am 25. November des vergangenen Jahres in der Bundestagsdrucksache V/1158 ein Gesetzentwurf vorgelegt, der, wenn ich mich recht erinnere, im April des vorigen Jahres im Bundesrat behandelt wurde. Es ist der Entwurf eines Gesetzes zur Fortführung des Zivilschutzes. Die Bundesregierung hatte damals in der Begründung dieses Gesetzentwurfs u. a. ausgeführt:Durch das Haushaltssicherungsgesetz ist das Inkrafttreten ... der drei Zivilschutzgesetze um zunächst zwei Jahre hinausgeschoben worden. ... Die Folgen sind schwerwiegend; ... das Vertrauen der Öffentlichkeit zu einer Zivilschutzplanung des Bundes geht mehr und mehr verloren. Zudem muß in steigendem Umfange eine Resignation der ehrenamtlichen Helfer aller Bereiche festgestellt werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir bedauern das mit der Bundesregierung, der wir damals noch angehört haben. Aber was ist in der Praxis geschehen? Die Bundesregierung hat seit dem damaligen Zeitpunkt nichts getan, um hier die Glaubwürdigkeit der Sorge für die Zivilbevölkerung auch nur andeutungs- oder annäherungsweise sichtbar zu machen.Was geschah denn? Dieser Gesetzentwurf ist bis heute im Deutschen Bundestag nicht beraten worden. Die Bundesregierung hat neuerdings — vielleicht durch die Auswirkungen von Fallex 66, so hat es der Herr Bundesinnenminister anklingen lassen — eine neue Konzeption erarbeitet. Es wird das Problem diskutiert, ob jetzt nur noch Freiwillige in Anspruch genommen werden könnten, und es wird das Problem diskutiert, ob nur noch diejenigen, die freiwillig und vielleicht auch auf eigene Kosten in der Lage sind, sich selbst im Rahmen des Schutzbaugesetzes zu schützen, nunmehr mit den gesetzlichen Vorschriften versorgt werden sollen. Was geschieht aber mit denen, die finanziell nicht in der Lage sind, für ihren eigenen Schutz etwas zu tun?Meine sehr verehrten Damen und Herren, welch grausame Entwicklung ist von der damaligen Konzeption, die wir alle gemeinsam in diesem Hause vertreten haben, bis zu dieser neuen Entwicklung
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5865
Dornhier sichtbar geworden! Wir fragen den Bundesinnenminister, ob er nicht das Gefühl hat, daß er mit dieser Konzeption, die er jetzt vorträgt, endgültig vor dem Trümmerhaufen seiner Zivilverteidigungsvorstellungen steht.Lassen Sie mich nur noch kurz auf die Übung Fallex 66 eingehen. Wir haben mündlich und schriftlich gefragt, was sich in der zweiten und dritten Phase dieser Übung abgespielt hat. Wir haben leider bis heute keine Antwort bekommen, es sei denn, man wertet das, was ich von einem Journalisten über das erfahren habe, was sich in der zweiten Phase abspielte, und dessen Information vom Parlamentarischen Staatssekretär Benda stammen soll, als eine Information — über diesen Umweg — der Opposition in diesem Hause. Es ist also — so können wir nur feststellen — anscheinend nicht die Absicht dieser Regierung, das Parlament in dieser wichtigen Frage zu informieren, Sie will also das Parlament zur „uniformierten Gesellschaft" machen.Der Bundesinnenminister hat dann erklärt: „Für die militärische und zivile Verteidigung wurden nach Fallex 66 neue Erkenntnisse gewonnen." Das klang vorhin auch so in einigen Nebensätzen des Herrn Innenministers an. Damit ganz eindeutig klarwird, wie sich die Freie Demokratische Partei im Herbst des vergangenen Jahres geäußert hat, damit klarwird, daß wir nicht zu dem großen Chor der euphorischen Sänger gehörten, der das Lied der großen politischen Erfolge von Fallex 66 im Herbst des vergangenen Jahres gesungen hat, lassen Sie mich einige Zitate aus unserer Erklärung von damals vortragen.Ich habe im Oktober des vergangenen Jahres gesagt:Jedem politisch empfindenden Teilnehmer der Fallex-Übung müssen doch besorgniserregende Erkenntnisse erwachsen sein, wenn er an die militärische und zivile Entwicklung der Lage denkt, mit der er konfrontiert wurde. Darüber hinaus müssen sich für uns erhebliche politische Konsequenzen ergeben, wenn wir die uns im Bunker entwickelte Lage aufmerksam analysieren. Diese politischen Erkenntnisse sind für uns vorrangig auch bei einer künftigen Beratung und Verabschiedung der Notstandsgesetze.Ich habe dann ergänzt:Wenn man an die Äußerungen einiger Kollegen im Parlament und einiger Kabinettsmitglieder nach der Fallex-Übung denkt, gewinnt man den Eindruck, als ob die Regierung jetzt nur noch die Notstandsgesetze vorlegen müsse, um eine sofortige Zustimmung im Parlament zu erhalten. So gut sei alles gewesen und habe alles funktioniert.Lassen Sie mich dazu sehr offen sagen, daß ich ob dieser Einschätzung sehr betroffen bin, ja, daß sich bei uns vorhandene Bedenken nach der Teilnahme an dieser Übung noch verstärkt haben.Der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Kollege Benda, hat — ich weiß nicht, an welchem Tage; denn das steht in den Informationen des Bundesministers des Innern nicht drin — eine sehr bemerkenswerte Erklärung zu der Lage abgegeben, in der die Parteien am Ende der vorigen Legislaturperiode waren, sowie über das, was sie bis zum heutigen Zeitpunkt bei der Beratung des Fortgangs der Notstandsgesetzgebung miterlebt haben. Herr Kollege Benda, das, was Sie ausgeführt haben, wird von uns unterstützt und gleichzeitig auch, wie Sie es für sich, für Ihre Fraktion und für die sozialdemokratische Fraktion getan haben, von uns in Anspruch genommen, nämlich Ihre Erklärung:Wichtig ist nicht so sehr, wer in dem früher so heftigen Meinungsstreit zwischen Regierung und damaliger Opposition Sieger geblieben ist, sondern nur, ob die heute vorliegende Konzeption sachlich richtig, rechtsstaatlich und zugleich im Hinblick auf die Realitäten eines Notstandsfalles praktikabel ist.
Meine Damen und Herren, das ist der Kernpunkt, auf den wir uns hier heute verständigen und über den wir uns unterhalten müssen.Der Bundesinnenminister hat in dem Buch „Vorbereitung auf den Notstand", das in der nächsten Woche in der Öffentlichkeit erscheinen wird, u. a. erklärt:Auf der Grundlage der Gespräche der ZwölferKommission wurde dann in meinem Hause ein erster neuer Entwurf einer Notstandsverfassung erarbeitet. Er lag der NATO-Übung Fallex 1966 zugrunde. Die jetzige Vorlage beruht im wesentlichen auf diesem Entwurf.Herr Innenminister, ich bitte Sie, doch noch einmal zu prüfen, ob das, was Sie in diesem Buche geschrieben haben, so allein stehen kann. Denn wir waren, glaube ich, alle, als wir an der NATO-Übung teilnahmen, und auch, als wir uns in den Vorbesprechungen darüber verständigten, nach welcher Konzeption wir arbeiten würden, immer davon ausgegangen, der Entwurf des Rechtsausschusses aus der vorigen Legislaturperiode sei die Grundlage für unsere Übung im Bunker. Nun sprechen Sie hier von einem eigenen Entwurf. Diesen haben wir bis heute nicht zugestellt bekommen, es sei denn, es ist der jetzt vorliegende Entwurf. Wir wären Ihnen daher dankbar, wenn Sie das, was Sie hier geschrieben haben, noch einmal überprüften.Was sind nun die wirklichen Auswirkungen, welches sind die Erfahrungen aus Fallex 66? Herr Bundeskanzler, vielleicht sind Sie in der Lage, die Fragen, die wir an die Bundesregierung gestellt haben, zu beantworten, weil ja nach Ausführung Ihrer Regierung diese Übung mitentscheidend dazu beigetragen hat, diesen Gesetzentwurf so zu prägen. Ist die Zivilverteidigung völlig zusammengebrochen? Auf diese Frage haben wir seit dem 7. Dezember bis heute keine Antwort bekommen. Welche Konsequenzen soll denn das Parlament auch für die Zivilverteidigungsvorstellungen ziehen, wenn es über das, was sich abgespielt hat, nicht informiert wird?
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5866 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Dorn
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer hat denn den Sieg zum Auszug der Parlamentarier im Bunker bestellt, die ganze Bundesregierung, nur einzelne Minister dieser Regierung? Das geht aus dem Schreiben ,des Bundesverteidigungsministers leider nicht hervor, sondern da steht nur, daß die Bundesregierung diesen Sieg bestellt hat. Wir fragen also, Herr Bundeskanzler: Ist es richtig, daß in Ihrem Kabinett auch heute noch derjenige sitzt, der diesen Sieg bestellt hat, und wenn, wie lange wollen Sie eigentlich diesen neuzeitlichen Potemkin in Ihrer Regierung behalten?
Meine Damen und Herren, die Vorlage dieser Regierung Kiesinger-Brandt, der alle Kabinettsmitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zugestimmt haben, bringt eine ganze Reihe von Verbesserungen, nicht vorhandenen Grundrechtseinschränkungen, die in der vorigen Legislaturperiode noch diskutiert werden mußten und bei denen Sozialdemokraten und in einer Reihe von Fällen auch wir uns gemeinsam mit ihnen nicht gegen die CDU/CSU haben durchsetzen können. Wir erkennen an, daß hier ohne Zweifel Verbesserungen dieses Gesetzentwurfs liegen. Nach Pressemeldungen zu urteilen, soll das auch der Grund gewesen sein, weshalb der Herr Bundesminister Schröder diesem Gesetzentwurf dann in der ersten Kabinettsberatung nicht zugestimmt haben soll.
Aber es ist genauso unbestritten, daß eine große Anzahl höchst bedenklicher Bestimmungen in diesem Gesetzentwurf enthalten sind, ,die zum Teil überhaupt zum ersten Mal in der Diskussion über die Notstandsgesetzgebung auftauchen. „In diesem Gesetzentwurf ist eindeutig eine Strömung gegen die Arbeitnehmerschaft enthalten."
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde mit einer Reaktion dieser Art noch etwas warten, es kommt noch besser.
„Nicht nur die Regelung des Streikrechts,
sondern auch andere Bestimmungen der Regierungsvorlage stimmen mit den Parteitagsbeschlüssen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nicht überein."
— Das, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei — ich bitte zu entschuldigen,
daß ich das nicht vorher gesagt habe —, ist kein Zitat von mir, sondern von Ihrem Fraktionskollegen Matthöfer,
das er so wörtlich in einer Veranstaltung der Universität Frankfurt am 19. Juni dieses Jahres vorgetragen hat.
Wie ganz anders klingt das, was der Herr Bundesinnenminister hier verkündet hat: „Die Notstandsverfassung richtet sich weder gegen die Arbeiterschaft noch gegen die Gewerkschaften." Wir überlassen es den Betroffenen selbst, ihr Urteil zu fällen und selbst zu entscheiden, ob Herr Kollege Matthöfer, der immerhin Mitglied einer Regierungsfraktion ist, oder .das Kabinett einschließlich der sozialdemokratischen Minister in dieser Sache recht hat.
Aber .es ist nicht uninteressant, daß Carlo Schmid vor dem Sozialdemokratischen Hochschulbund im Januar dieses Jahres sagte: „Ein künftiger Regierungsentwurf zur Notstandsgesetzgebung wird sozialdemokratisch geprägt sein."
Wir fragen die Herren der Sozialdemokratischen Partei
— denn der Bundesvorsitzende und sein Stellvertreter sitzen in diesem Kabinett und haben diesem Regierungsentwurf zugestimmt —,
ob sie nicht zeitweilig vielleicht doch ihren Prägestempel unterwegs verloren oder vergessen hatten.
Wir denken dabei an einzelne Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs.
War die Begründung für die Ablehnung im Jahre 1965 unter Berufung auf die Parteitagsbeschlüsse der wesentliche Grund für die SPD-Fraktion, den Gesetzentwürfen nicht zuzustimmen? Warum nehmen dann die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder bei ihrer Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf heute keinen Anstoß daran, daß die jetzige Regierungsvorlage in ganz entscheidenden Fragen gegen die Parteitagsbeschlüsse der SPD verstößt?
Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5867
Sie haben in der vorigen Legislaturperiode Ihre Auffassung 2u unserer Zustimmung damals vorgetragen. Wir werden uns erlauben, da Sie ja die Verantwortung mit tragen —„auf Gedeih und Verderb", nach den Worten dieses Bundeskanzlers mit tragen —,
Herr Abgeordneter Dorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
— festzustellen, wie Sie sich gegenüber Ihren Parteitagsbeschlüssen verhalten werden.
Wir haben — —
— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, unsere Auffassung hat sich in dieser Frage bis zum heutigen Zeitpunkt unverändert erhalten.
— Das konzertierte Geschrei wird uns nicht daran hindern, hier unsere Meinung vorzutragen.
— Ich kann verstehen, daß Sie unruhig werden und daß Ihnen das alles nicht paßt und nicht gefällt; denn Sie haben ja alles das aufgegeben, von dem Sie hier vor zwei Jahren gesprochen haben.
Nun, da Sie mich so provozieren, werde ich Ihnen das vortragen. Ich hatte gedacht, ich könnte das jetzt einsparen. Die Sozialdemokratische Partei hat sich auf den Parteitagen der vergangenen Jahre detailliert zur Frage der Notstandsgesetzgebung geäußert. Nachdem seit Anfang April die Vorlage der CDU/SPD-Regierung für eine Notstandsverfassung vorliegt, erscheint es uns angebracht, daß wir uns mit diesem Entwurf und mit Ihren Parteitagsbeschlüssen auseinandersetzen.
Sie haben auf Ihrem Parteitag vom 26. bis 30. Mai 1962 in Köln einen Beschluß gefaßt, dessen erster Punkt zum Thema „Frieden, Krieg, Notstandsfall" folgendermaßen lautet:Es ist eindeutig klarzumachen, in welchen Fällen und unter welchen Umständen von einem Notstand gesprochen werden muß,
der nur mit außerordentlichen Mitteln gemeistert werden kann. Dabei ist zwischen innerem Notstand, drohendem Verteidigungsfall und Spannungszeit und äußerem Notstand zu unterscheiden.
Im Regierungsentwurf, der von Ihnen geprägt ist, meine Damen und Herren von der SPD, ist davon nichts mehr zu spüren. Die Gleichsetzung von Verteidigungsfall und Spannungszeit, die Sie jetzt im Regierungsentwurf haben, widerspricht eindeutig dem, was Sie damals beschlossen haben.
— Nein, nachdem Sie mich so provoziert haben, werde ich den Beweis für das. antreten, was ich hier gesagt habe; darauf müssen Sie sich einstellen.
Zur Frage der Zivildienstverpflichtung, die in Art. 12 geregelt werden soll, haben Sie folgende Stellungnahme abgegeben:Es ist auszuschließen, daß eine Einschränkung oder Drosselung der demokratischen Grundrechte im gewerkschaftlichen und betrieblichen Bereich unter dem Vorwand des Notstandes praktiziert werden kann.Das ist die Ziffer 4 Ihrer Entschließung von Köln.Unter Ziffer 11 h der Entschließung von Saarbrücken heißt es:Nach übereinstimmender Meinung bleibt es dabei, daß Frauen nicht zum Dienst im Verband der Streitkräfte verpflichtet werden können.Dann haben Sie sich zum Zivildienst und äußeren Notstand geäußert. Nach Satz 1 Ziffer 6 des Beschlusses von Saarbrücken geht die SPD davon aus, daß im Falle des äußeren Notstandes Dienstleistungen für die Sicherung der Verteidigung auch außerhalb der Bundeswehr erforderlich sind. Art. 12 Abs. 2 Satz 2 des Regierungsentwurfs kennt aber keine Begrenzung der Dienstverpflichtungsmöglichkeit auf den Zustand der äußeren Gefahr. Die Inpflichtnahme kann also schon im Frieden erfolgen. Auch diese Bestimmung des Regierungsentwurfs weicht eindeutig von Ihrem Parteitagsbeschluß ab.
Sicherung der Arbeitnehmerrechte! Zu dieser Frage, die unter Ziffer 6 des Saarbrückener und unter Ziffer 4 des Kölner Parteitagsbeschlusses behandelt wird, sagt Friedrich Schäfer in seinem Buch auf Seite 126:Die Garantie des Streikrechts muß in die Verfassung aufgenommen werden. Dies kann nur dort erfolgen, wo die Koalitionsfreiheit gewährleistet ist: bei Artikel 9 des Grundgesetzes.Und:Dem Vorschlag des Rechtsausschusses, dem Artikel 91 den vorgesehenen Abs. 2
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5868 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Dorn— jetzt Abs. 4 —anzufügen und dabei darüber hinaus eine Unterscheidung verschiedener Arten von Arbeitskämpfen zu treffen, wird man nicht folgen dürfen.Eine gleiche Äußerung, Herr Kollege Matthöfer, steht als Leserzuschrift von Ihnen heute in der „Frankfurter Rundschau". Ich bin also bereit, auch Ihnen das gleiche zu konzedieren.Fritz Erler hat dazu in der Bundestagsdebatte, in der 190. Sitzung der 4. Wahlperiode erklärt:Dabei muß aber die zivile Rechtsstellung der Arbeitnehmer gesichert werden.Das steht auch unter Ziffer 4 Ihrer Kölner Beschlüsse. In der Vorlage ist es nicht erfüllt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.
— Sie können ja nachher Ihre Meinung dazu vortragen.
In dem neuen Regierungsentwurf ist keine Rede mehr von einer verfassungsrechtlichen Fixierung des Streikrechts, so wie es damals von Ihren Kollegen und auf Ihren Parteitagen gefordert worden ist.
— Ich setze mich doch mit dem auseinander, was Sie bisher gefordert haben und von dem nichts mehr übriggeblieben ist, seitdem Sie in der Regierung sind.
Über das Notparlament haben Sie dann folgende Erklärungen abgegeben:Die Verantwortlichkeit des Parlaments ist in jeder Lage zu erhalten. Die Notstandsregelung darf keine Möglichkeit des Abweichens des Parlaments aus seiner Verantwortung schaffen.Das ist Ziffer 7 Ihrer Parteitagsbeschlüsse von Köln. Nächster Punkt:Die Verantwortung in jedem Stand des Verfahrens bei der Verkündung bestimmter Notfälle und bei der Anwendung bestimmter rechtlicher Regeln muß beim Parlament liegen. Kann es nicht zusammentreten,— nur auf diesen Punkt konzentriert haben Sie das gesagt —muß ein Notparlament aktionsfähig sein.Meine Damen und Herren, das sind alles andere Vorstellungen, als sie in diesem Regierungsentwurf mit der Zustimmung Ihrer Minister in diesem Kabinett vertreten worden sind.Lassen Sie mich nun auf die Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs selbst eingehen. Die Delegationsmöglichkeit der originären Gesetzgebungsfunktion des noch funktionsfähigen Gesamtparlaments auf das neue Verfassungsorgan Gemeinsamer Ausschuß nach Eintritt des Zustands äußerer Gefahr ist jetzt— entgegen allen bisherigen Vorstellungen von Ihnen und von uns — hier in dieser Regierungsvorlage enthalten. Ich gebe natürlich zu, daß der Kollege Benda sich mit seiner Konzeption durchgesetzt hat. Am 12. Januar hat er laut dpa erklärt:Es muß ernsthaft geprüft werden, ob das Notparlament in einer fortgeschrittenen Spannungssituation die ihm zugewiesenen Befugnisse nicht dann schon erhalten sollte, wenn die normalen Gesetzgebungsorgane noch zusammentreten können.Meine Damen und Herren, wo bleibt denn bei einer solchen Konzeption in dieser Regierungsvorlage Ihr Protest? Sind Sie bereit, das so hinzunehmen? Ich habe damals erklärt, der Auffassung des CDU-Abgeordneten Benda, daß das sogenannte Notparlament zu einem Zeitpunkt, an dem der Bundestag noch beschlußfähig ist, irgendeine Funktion übernehmen soll, müsse energisch widersprochen werden. Der Vorschlag Bendas bedeute eine Aushöhlung der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik. Ihr, meine Damen und Herren, werden wir Freien Demokraten nie zustimmen.
Wir sind der Meinung, für die Bundesregierung wäre es, statt solche Überlegungen schon jetzt zu fixieren, wichtiger, ihren ganzen Ideenreichtum dazu zu verwenden, Sicherheiten und Organisationsformen zu finden, um das Parlament auch in Krisenzeiten zusammentreten zu lassen.
Ihr Fraktionskollege Pöhler hat am 11. Mai 1967 in einer Diskussion vor dem Bonner Lehrerseminar, an dem er und auch ich teilgenommen haben, erklärt: „Der Gemeinsame Ausschuß darf so lange nicht tagen, wie das Parlament noch tagen kann." Wir haben dem nichts hinzuzufügen!
Wir sind der gleichen Meinung. Wenn Sie aber,Herr Kollege Schmidt, dieser Auffassung sind, werden Sie diese Regierungsvorlage ändern müssen.
— Es ist sehr interessant, jetzt von Ihnen das Eingeständnis zu hören, daß Sie das ändern wollen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5869
Dorn— Herr Kollege Schmidt, ich kann es mir natürlich nicht versagen, nachher einige Zitate prominenter Sozialdemokraten zu bringen, die bisher dazu genau das Gegenteil ausgesagt haben. Wir freuen uns, daß Sie heute so weit sind, daß Sie wenigstens die Absicht erkennen lassen, das nun mit ändern zu wollen.
Wir, meine Damen und Herren, gehen in der Einschränkung der Möglichkeit, dem Gemeinsamen Ausschuß Aufgaben und Funktionen zu übergeben, noch weiter. Wir sagen genau das, was wir während der Fallex-Übung erklärt haben, erneut auch an dieser Stelle:
Der Gemeinsame Ausschuß muß vor entscheidenden Abstimmungen immer wieder prüfen, ob das Parlament nicht inzwischen funktionsfähig und beschlußfähig geworden ist.
Einen Augenblick! Herr Abgeordneter Schmidt, ich will dem Redner nicht vorgreifen, aber ich habe ihn jetzt dreimal gefragt, ob er eine Zwischenfrage beantworten will. Ich tue es jetzt zum vierten Male. — Herr Abgeordneter Dorn, wollen Sie eine Zwischenfrage gestatten?
Ja, bitte!
Herr Abgeordneter Schmidt, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege, mit ergebenstem Dank für Ihre Liebenswürdigkeit: Wenn es schon zweckmäßig scheint, zu erforschen — und das ist gewiß nicht unzweckmäßig —, was wer früher einmal zum gleichen Thema gesagt hat, so erlauben Sie mir die Frage: trifft es zu, daß Sie persönlich und Ihre Fraktion gegen Ende der vorigen Legislaturperiode hier in diesem Saal einer Fassung des Gesetzestextes, die damals zur Debatte stand, zugestimmt haben, nach der dem Gemeinsamen Ausschuß im Verhältnis zum Gesamtparlament wesentlich mehr Rechte zugebilligt waren als nach dem derzeitigen Entwurf der derzeitigen Regierung?
Ich glaube, Herr Kollege Schmidt, wenn Sie das einmal genau prüfen, werden Sie zu dem gleichen Ergebnis kommen wie wir in der vorigen Legislaturperiode, zu dem Ergebnis nämlich, daß das so, wie es von Ihnen dargestellt worden ist, in der politischen Entscheidung des Gemeinsamen Ausschusses nicht möglich war; denn sonst hätten wir ja auch während der Fallex-Übung unter diesen Voraussetzungen nicht solche Entscheidungen treffen können, wie sie dort getroffen worden sind.
Sie selbst sind ja auch für einige Stunden in dem Bunker im Ahrtal gewesen.
Meine Damen und Herren! Das Problem der alliierten Vorbehaltsrechte ist vom Bundesinnenminister hier zu Recht angesprochen worden. Wir Freien Demokraten stellen dazu fest, daß weder die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland noch ihre Souveränität noch ihre Stellung im westlichen Vertragssystem Eingriffe. der Alliierten in die verfassungsmäßige Ordnung und in die Grundrechte der Bürger duldet. Die Vorbehaltsrechte der Alliierten sind zudem auf die Garantie der Sicherheit der alliierten Streitkräfte gegen eine Drohung von außen beschränkt. Sie können deshalb nicht Rechtsgrundlage für eine vorweggenommene deutsche Notstandsgesetzgebung sein.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Herr Präsident. Ich möchte jetzt meine Ausführungen zum Abschluß bringen.
— Herr Kollege Schmidt, wenn Sie das daraus schließen wollen, fällt es mir allerdings schwer, einen Unterschied in der Klasseneinteilung zwischen Ihnen und Herrn Schmitt-Vockenhausen festzustellen.
Wir haben das ja nicht angesprochen, das haben Sie angesprochen.Der Kollege Wehner hat am 28. Juni 1967 in einem Zeitungsartikel geäußert:Jeder anständige Staat hat für solche Zeiten Vorsorge getroffen. Bisher hatten die gesetzgebenden Organe in der Bundesrepublik keinen Einfluß auf diese delikate und heikle Angelegenheit.Er sprach damit das Problem der Schubladengesetze an. Ich bin mit meiner Fraktion und neuerdings anscheinend sogar mit einem Teil der Bundesregierung, aber mit Sicherheit mit den Sozialdemokraten der Auffassung, daß wir jetzt endlich dazu kommen werden, vor Verabschiedung der Notstandsverfassung die Schubladengesetze auf den Tisch des Hauses zu bekommen. Wir freuen uns darüber, daß das ständige Mahnen der Sozialdemokra-
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5870 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Dornten und der Freien Demokraten wenigstens in diesem Teil fruchtbar gewesen ist.
— Ach, wissen Sie, Herr Kollege Hirsch — —
— Wie diese Schubladengesetze zustande gekommen sind, darüber würde ich mich an Ihrer Stelle, Herr Kollege Schmidt, erst einmal erkundigen, bevor ich eine solche Vermutung äußerte, denn sie sind im Innenministerium erstellt und in die Schublade gelegt worden. Nun lassen Sie mich ein sehr krasses Beispiel dafür nennen.
— Vielleicht wissen Sie inzwischen von dem Kollegen Stammberger, der ja bei Ihnen gelandet ist, wie die Dinge ausgegangen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das letzte Problem, das in diesem Gesetz — —
— Herr Kollege Schmidt, ich würde Ihnen empfehlen, dies eindeutig hier so auszuführen.
Denn dann sind wir in der Lage, uns mit den Ausführungen und nicht nur mit den Verdächtigungen, die Sie aussprechen, hier auseinanderzusetzen.
— Ihre Nervosität wird gleich noch etwas größer werden. Ich kann das verstehen, aber ich kann es Ihnen leider nicht ersparen. Sie müssen sich schon anhören, was wir Freien Demokraten an dieser Stelle dazu zu sagen haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Herr Präsident, ich gestatte jetzt bis zum Schluß meiner Rede keine Zwischenfragen mehr.
— Sie können den Schluß natürlich noch hinauszögern, wenn Sie sich weiter so verhalten, wie Sie es während der letzten Minuten hier getan haben. Aber Sie werden nicht erreichen, daß die Argumente, die von uns in dieser Stunde vorgetragen werden, abgekürzt werden.
— Das ist eben das Problem, daß Sie in diesem Hause bei solchen Fragen, wenn es für Sie problematisch und allergisch wird, das Zuhören vergessen.Das nächste entscheidende Problem dieses Regierungsentwurfs, das mit einer gefährlichen Idee für die verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Beurteilung dieses Gesetzes verbunden ist, ist die Zusammenlegung von Spannungszeit und Verteidigungsfall zum Zustand der äußeren Gefahr. Wir haben, genau wie Sie von der SPD, in der vorigen Legislaturperiode in der zweiten und dritten Lesung des Entwurfs, dem wir unsere Zustimmung geben wollten, immer großen Wert darauf gelegt, daß Verteidigungsfall und Spannungszeit nicht das gleiche sein dürfen, daß man für diese beiden Fälle entscheidend unterschiedliche Maßnahmen anwenden muß. Sie verlegen nun die Schwelle der möglichen Eingriffsmaßnahmen schon in die Spannungszeit und werden damit einer Forderung, die Sie bisher immer erhoben haben, nicht mehr gerecht. Hier ist das Problem des Streikrechts von ganz entscheidender Bedeutung. Meine Damen und Herren, auch wenn es Ihnen nicht paßt, wiederhole ich es an dieser Stelle: Wir Freien Demokraten haben in .der vorigen Legislaturperiode eindeutig erklärt, daß es für den Zeitpunkt des inneren Notstandes, daß es für den Zeitpunkt der Spannungszeit keine Einschränkung des Streikrechts geben darf.
Aber wir haben genauso deutlich gesagt — und dazu bekennen wir uns auch heute —, daß für den Zustand des Verteidigungsfalles, für den Zeitpunkt der militärischen Auseinandersetzung das Streikrecht nicht abgeschafft, sondern suspendiert werden sollte.
— Ja, Sie haben anscheinend noch gar nicht begriffen, was Sie hier neuerdings fabriziert haben.
Denn jetzt, meine Damen und Herren, ist das, was Sie nicht wollten, sogar schon für Spannungszeiten dadurch ermöglicht, daß Sie den Zustand der äußeren Gefahr mit einem völlig anderen Begriffsinhalt versehen, als es bisher der Fall gewesen ist.Was dann gesagt wird — der Gemeinsame Ausschuß habe in Spannungszeiten den Feststellungsbeschlüssen der Bundesregierung zuzustimmen, die
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5871
DornEntscheidungen über den Eintritt des äußeren Notstandes und über seine Dauer lägen beim Parlament — das, meine sehr verehrten Damen und Herren, klingt alles sehr harmlos. Nur hat es leider nicht den Vorzug, mit dem Inhalt dieses Gesetzes übereinzustimmen. Denn der Begriff des äußeren Notstandes, der in der vorigen Legislaturperiode allein den Verteidigungsfall zum Inhalt hatte, spricht man zwar hier an, aber im Gesetzentwurf ist davon keine Rede mehr.Eine neue Idee dieser Regierung Kiesinger-Brandt hat eine lebhafte Diskussion ausgelöst — der Herr Bundesinnenminister hat das vorhin zu Recht betont —, nämlich die Zusammensetzung des Gemeinsamen Ausschusses, der nunmehr mit der Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten des Gesamtparlaments gewählt werden soll, nicht mehr nach der Fraktionsstärke. Hier beginnt das gefährliche Spiel der parteipolitischen und der personellen Manipulation.
Meine Damen und Herren, der Kollege Wehner hat im Jahre 1960 zu dem Schröder-Entwurf unter anderem geschrieben:
— Ach, so viel Unsinn in einer Behauptung habe ich wirklich heute noch gar nicht angetroffen. —
Nun muß die Bundesregierung
— so Kollege Wehner —und die sie tragende Partei CDU/CSU den Beweis erbringen, daß es auch ihnen um die Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gegen Gefahren geht und nicht darum, diese Grundordnung zugunsten einer Mehrheit, d. h. ihrer eigenen Mehrheit, zu manipulieren.So Herbert Wehner 1960, und die Hereinnahme der Manipulationsmöglichkeit seine Antwort im Jahre 1967.
Hier wird natürlich für uns Freie Demokraten etwas von einem Geist spürbar, der uns in allem Ernst bedrückt. Denn wie ein roter Faden, der an einer Stelle, an einer Mittelstelle vielleicht etwas schwarz durchbrochen ist, geht es durch die Vorstellungen und Konzeptionen führender Politiker zu dieser Äußerung. Der Senator Heinsen hat im Bundesrat erklärt:Der Rechtsausschuß war sich dabei bewußt, daß der uns vorliegende Entwurf ein mühsam ausgependelter Kompromiß ist und daß jede Veränderung eines der tragenden Pfeiler das ganze Gebäude zum Einsturz bringen könnte.Das war die erste unüberhörbare Mahnung an das Parlament: „Oh, rühre nicht daran! Der Proporz der Meinungen ist hier so gut gelungen, er darf nicht mehr gestört werden, sonst bricht alles zusammen. Es darf nicht mehr geändert werden. Und du, Parlament, und du, Bundesrat, geh diesen Weg." DerWeg, meine Damen und Herren, der hier erkennbar wird, ist nicht sehr weit zu der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers — auch wenn sie in einer anderen Sache gemacht worden ist —:
„Sollte das Parlament in einer lebenswichtigen Frage etwas beschließen, was ich nicht glaube verantworten zu können, dann werde ich das nicht ausführen, sondern meinen Platz räumen für jemand, der williger ist, als ich es bin."
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Konzeption — das zu tun oder nicht zu tun, wie er es hier sagt —, was das Parlament für richtig hält, zu werten, dazu werden wir gleich kommen.Der Kollege Jahn, immerhin Parlamentarischer Staatssekretär und prominentes Mitglied der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, hat im Fernsehen in einer Diskussion am 30. März dieses Jahres unter anderem erklärt: „Die SPD wird der Verfassungsänderung nur zustimmen, — —
— Ja, hören Sie zu, wie furchtbar das ist! — „Die SPD wird der Verfassungsänderung nur zustimmen, wenn das Gesetz von der ersten bis zur dritten Lesung unverändert bleibt."
— Wenn Sie zugehört hätten, Herr Kollege Schmidt, wüßten Sie es: der Kollege Jahn, Mitglied Ihrer Bundestagsfraktion.
Soll das Parlament also die Rolle der schweigenden Masse in einem antiken Drama hier wahrnehmen?
Was ist das für eine verfassungspolitische Gesinnung, die hier spürbar wird! Von diesem Parlament— „Du hast nur in meinem Sinne abzustimmen!" — bis zum „L'état c'est moi" ist nur ein kleiner Schritt, meine Damen und Herren,
und Sie werden sich mit dieser politischen Gesinnung noch auseinandersetzen müssen bis zum Jahre 1969.
Meine Damen und Herren, wollen Sie das eigentlich, so frage ich Sie. Ist das wirklich Ihre Vorstellung von einer parlamentarischen Demokratie in Deutschland?Sie, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, möchte ich an dieser Stelle ganz besonders und auch sehr persönlich ansprechen. Spüren Sie bei dem, was hier zitiert worden
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5872 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Dornist, auch von führenden Leuten Ihrer Fraktion, eigentlich nicht, was an Problemen, an Schwierigkeiten und auch an undankbaren Diskussionen auf Sie zukommen wird, und spüren Sie nicht die Besorgnis vieler Menschen in diesem Staate, daß eine Manipulation der Machtverhältnisse über den Gemeinsamen Ausschuß erfolgen könnte? Wenn Sie sich die Vertreter der Länder und ihre parteipolitische Zugehörigkeit ansehen, wenn Sie sich die Zusammensetzung dieses Gemeinsamen Ausschusses ansehen und wenn Sie aus der Fallex-Übung wissen, daß die Ländervertreter nicht als Bundesrat zusammengetreten sind, sondern nach ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit an den Fraktionssitzungen des Gemeinsamen Ausschusses teilgenommen haben, spüren Sie nichts von der Gefahr, die darin liegt, Herr Kollege Hirsch, daß auch ohne ein Ermächtigungsgesetz mit dieser Regelung der personellen und parteipolitischen Manipulation Gefahren auf Sie zukommen können, die, wenn die Regelung erst einmal mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet ist, auch von Ihnen nicht mehr aufgehoben werden können? Wissen Sie denn nicht selbst, daß auch Sie in der Vergangenheit in zwei Legislaturperioden in diesem Hause nicht das eine Drittel der Sperrminorität besessen haben?Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung hat nicht den freiheitlichen Geist, der es uns ermöglichen könnte, ihm so, wie er vorliegt, zuzustimmen. Wir werden daher unsere Aufgabe als Opposition wahrnehmen und im Oktober dieses Jahres einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen, der politische Alternativen zum Inhalt hat. Wir sind — damit das an dieser Stelle völlig klar ist — für die Verabschiedung einer Gesetzgebung für die Stunde der Not; aber es muß ein freiheitliches Gesetz sein, es muß eine Regelung gefunden werden, die mögliche Einschränkungen nur auf den Verteidigungsfall konzentriert. Dabei müssen die alliierten Vorbehaltsrechte abgelöst werden, und die Schubladenentwürfe müssen vorher auf den Tisch dieses Hauses und müssen hier verabschiedet werden, bevor eine Notstandsverfassung verabschiedet werden kann. Ohne diese Voraussetzung werden Sie mit unserer Zustimmung nicht rechnen können. Denn für uns Freie Demokraten sind in einer parlamentarischen Demokratie Freiheit und Recht der Staatsbürger keine manipulierbaren Größenordnungen oder wandelbaren Begriffe;
für uns sind sie die ethische und verfassungspolitische Rechtsgrundlage, auf der allein diese Demokratie erhalten werden kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Even.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte, bevor ich zu dem Kern der eigentlichen Problematik zurückkehre, Ihnen, Herr Kollege Dorn, in einigen wenigen Sätzen sagen, daß ich die Art Ihrer Argumentation — wenn sie überhaupt dieses Prädikat verdient —
auf das tiefste bedaure und daß ich glaube, daß diese demagogische Art
nicht geeignet ist, dem Rang dieses Themas gerecht zu werden. Sie haben versucht, durch einen Schwall parteipolitischer Polemik darüber hinwegzutäuschen, daß Sie in Ihrer FDP-Fraktion offenbar nur in Bruchstücken über eine Konzeption in dieser Frage verfügen.
Meine Damen und Herren, der Vorwurf der Demagogie geht gerade an den Rand,
— einen Augenblick! — aber er ist keine Verbalinjurie.
— Das darf der Präsident schon gar nicht sagen; das dürfen Sie glauben, aber das darf der Präsident nicht sagen. Kurz und gut, damit wir uns recht verstehen: „Demogogie" bzw. der Vorwurf der Demagogie geht bis an den äußersten Rand in diesem Hause. Aber wer Griechisch gelernt hat, kann sich ja ausrechnen, was es bedeutet, und deshalb sage ich, es ist keine Verbalinjurie. — Bitte, fahren Sie fort!
Ich glaube, daß sich durch die Art der Rede des Herrn Kollegen Dorn die Vermutung aus der Aktuellen Stunde vom Januar dieses Jahres bestätigt hat, daß die FDP in der Tat in der Frage der Notstandsgesetzgebung auf dem Wege in Richtung DFU ist.
Ich bedauere das, meine Damen und Herren von der FDP, weil ich nach wie vor der Meinung bin, daß in einer Frage von solch hohem politischen und verfassungsrechtlichen Rang ohne Unterschied der Zugehörigkeit zu den Regierungsparteien oder zur Opposition eine gewisse Basis der Gemeinsamkeit bewahrt werden müßte. Diese Basis, Herr Kollege Dorn, haben Sie heute morgen hier verlassen.
Sie können auch nicht bestreiten, daß Ihre Fraktion im Sommer 1965 insgesamt der Fassung des Rechtsausschusses zugestimmt hat. Ihr Versuch, das heute zu kaschieren, muß scheitern.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5873
Dr. EvenIch möchte Sie weiter auffordern, endlich Ihre dunklen Versuche der Legendenbildung um die Fallex-Übung 66 einzustellen.
Es gibt hier viele Zeugen im Saal, die als Übungsteilnehmer dabei gewesen sind. Ich kann es mir nicht anders erklären, als daß Sie, Herr Kollege Dorn, über erhebliche Gedächtnislücken zu klagen haben.
Sie müßten nämlich zweierlei noch sehr deutlich in Erinnerung haben: Erstens ist allen Übungsteilnehmern vor Beginn der eigentlichen Übung im AhrBunker bei den vorbereitenden Beratungen hier im Hause ganz eindeutig mitgeteilt worden, daß diese Übung im Ahr-Bunker nur ein Teilabschnitt mit zwei weiteren Abschnitten sei, die stattfinden würden. Der Inhalt dieser beiden weiteren Übungen ist auch stichwortartig mitgeteilt worden.
Das war Ihnen ganz genau bekannt, wenn Sie an dieser Sitzung — wovon ich ausgehe — teilgenommen haben.
Zweitens. Sie können nicht durch das Hinlenken der Aufmerksamkeit auf Randfragen darüber hinwegtäuschen, daß das Kernstück, der eigentliche Sinn der Beteiligung der Parlamentarier an dieser Übung „Top Gear" im Ahr-Bunker gewesen ist, zu erproben, ob auf der Basis der Fassung des Rechtsausschusses, die übrigens mit Zustimmung der Übungsteilnehmer in einigen Punkten tatsächlich geändert worden ist
— kein neuer Entwurf, aber ein geänderter Entwurf; ich glaube, dieses Mißverständnis sollte doch hier nicht künstlich dramatisiert werden —, das neue Instrument „Gemeinsamer Ausschuß" überhaupt praktikabel sei, ob es möglich, ob es nicht zu kompliziert sei und ob es nicht schnellen Entscheidungen im Wege stünde, die natürlich in einem solchen Spannungsfall notwendig werden. In dem Punkte, Herr Kollege Dorn, hatten wir doch gemeinsam den positiven Eindruck, daß in der Tat ein solches parlamentarisches Kontroll- und Entscheidungsorgan auch dann funktionsfähig ist, wenn es unter erschwerten Bedingungen arbeiten muß. In dem Punkte haben Sie jedenfalls bisher eine abweichende Meinung nicht zum Ausdruck gebracht. Das war das Kernstück.Insofern hat die Übung „Fallex 66" eine wertvolle Erkenntnis für die Notstandsverfassung, wie sie jetzt im Regierungsentwurf wieder enthalten ist, gebracht. Ohne die Regierung allein zu bevollmächtigen, dann etwa durch Notverordnungen zu regieren, ohne diesen für uns bedenklichen Weg — obwohl die meisten Länder der Welt ihn gehen — ist es möglich, ein parlamentarisches Organ zusätzlich
mit in die Entscheidung zu zwingen, wenn Sie sowollen. Damit werden die parlamentarischen Befugnisse nicht etwa beschnitten, sondern ausgeweitet.Nun hatte ich versprochen, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einmal auf den eigentlichen Kern der Problematik zurückzukommen. Ich werde nachher Gelegenheit nehmen, zu dem einen oder anderen Punkt, den Sie, Herr Kollege Dorn, angeschnitten haben, unsererseits Stellung zu nehmen.Eines darf in der Debatte, die in diesem Hause, aber auch draußen in der Öffentlichkeit an Verwirrung zuzunehmen scheint, nicht aus dem Auge verloren werden, und ich möchte das mit allen Nachdruck unterstreichen. Dieser Entwurf einer Grundgesetzergänzung ist der Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Leben und Freiheit der Bürger bei großer Gefahr und nichts anderes.
Dafür reicht die gegenwärtige Fassung des Grundgesetzes nicht aus. Extreme innere und äußere Gefahrenlagen sind mit den Handhaben, wie sie das Grundgesetz jetzt bietet, nicht zu meistern. Gegenüber diesem Sachverhalt dürfen wir die Augen einfach nicht verschließen.Der Mangel des Grundgesetzes wird zwar durch die alliierten Vorbehaltsrechte in gewisser Weise behoben. Sie gelten entsprechend Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages fort, bis sich die Bundesrepublik Deutschland selber eine wirksame Verteidigungsgesetzgebung geschaffen hat. Das sollte in der Öffentlichkeit endlich nicht mehr — in diesem Hause geschieht es nicht — in Zweifel gezogen werden. Die Weitergeltung der alliierten Rechte kann jedoch nicht als befriedigender Ersatz für die fehlende deutsche Rechtsetzung angesehen werden. Im Gegenteil, vom demokratischen Standpunkt aus müssen die schwersten Bedenken geltend gemacht werden, weil nämlich die Ausübung der alliierten Befugnisse nicht an eine parlamentarische und eine gerichtliche Kontrolle gebunden ist. Sie kann zu außerordentlich weitreichenden, nicht vorhersehbaren und nahezu unbegrenzten Eingriffen in das Rechts- und Privatleben der deutschen Bürger führen.Darüber hinaus ist es für unsere Alliierten auf die Dauer unzumutbar und für uns Deutsche, meine Damen und Herren, im Grunde kläglich, wenn wir die deutschen. Verfassungsorgane in Zeiten größter Not praktisch unter die Befehlsgewalt der drei Mächte stellen, nur weil es uns bisher nicht gelungen ist, eine eigene Sicherheitsgesetzgebung zu schaffen. Hinzu kommt, daß eine wirkungsvolle Vorsorge, die ja schon in normalen Zeiten eingeleitet werden muß, bisher weder nach alliiertem noch nach deutschem Recht befriedigend möglich ist.Neben das Erfordernis des Schutzes der Menschen tritt daher die Notwendigkeit, alle alliierten Vorbehaltsrechte aus Art. 5 des Deutschlandvertrages abzulösen. An ihre Stelle muß eine rechtsstaatliche Lösung treten, die wirksam ist und vor Mißbrauch schützt. Die Grundgesetzergänzung hat daher im Gegensatz zu manchen Irreführungen in der Öffent-
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5874 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Dr. Evenlichkeit gerade nicht zum Ziel, die gegenwärtig bestehenden Freiheitsrechte einzuschränken. Im Gegenteil, das gegenwärtig gültige radikale alliierte Notstandsrecht soll einer freiheitlicheren Vorsorgegesetzgebung weichen. Die Demokratie wird nicht abgebaut, sondern umgekehrt für Krisenlagen gefestigt.Nun wird eingewendet, die beste Notstandsvorsorge sei, alles zu tun, um Notstände durch eine zielstrebige Friedenspolitik zu verhindern. Das ist richtig, und daher stehen wir fest und uneingeschränkt zu der systematischen Friedens- und Entspannungspolitik der Bundesregierung.
Ein verantwortungsbewußtes Parlament würde jedoch aufs schwerste seine Pflichten verletzen, wenn es blindlings auf die Unmöglichkeit von Notständen oder die Sinnlosigkeit jedweder Hilfsmaßnahmen vertrauen würde. Diese Verantwortung, um der Menschen willen für das Menschenmögliche zu sorgen, kann uns niemand abnehmen.
Damit stellt sich die Frage nach dem Wie. Die rechtsstaatliche Bewältigung von Notständen hat zwei Erfordernisse. Erstens muß in Fällen besonderer Not die. ganze Kraft des Volkes durch funktionsfähige Staatsorgane zur Abwehr der Gefahr zusammengefaßt werden können. Das bedeutet eine Straffung der staatlichen Organisation, eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens und das Zusammenwirken der Bürger zur Meisterung der Lage. Zweitens müssen die Bürger vor einem Mißbrauch der dazu erforderlichen Gesetze geschützt werden. Es darf nicht zugelassen werden, daß Notstandsgesetze entgegen ihrem Schutzzweck zur Willkür und Unfreiheit mißbraucht werden.Unsere Aufgabe liegt darin, diesen beiden Erfordernissen durch eine wirksame Gesetzgebung Rechnung zu tragen. Beide Anforderungen können überspannt werden. Eine zu starke Konzentration der Staatsmacht in der Spitze mit zu weitreichenden Grundrechtsbeschränkungen kann zur Unfreiheit führen und dadurch die Verteidigung sinnlos erscheinen lassen. Umgekehrt kann eine zu perfektionistische, überkomplizierte Regelung zur Unbrauchbarkeit führen und die Demokratie in der Stunde ihrer größten Gefahr zur Abwehr unfähig machen.Nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion berücksichtigt der Regierungsentwurf beide Notwendigkeiten. Wir stellen uns daher hinter die Grundkonzeption und alle wesentlichen Bestandteile des Regierungsentwurfs. Das hindert uns nicht daran, jedes Argument sorgfältig zu prüfen, zu wägen und darüber zu diskutieren. Für wirkliche Verbesserungsvorschläge sind wir offen, auch und gerade wenn sie von der Opposition kommen.Wenn allerdings einige Kritiker behaupten, es würden legale Möglichkeiten zum Mißbrauch oder — wie es in einem Flugblatt heißt, das uns gestern auf den Tisch gelegt wurde — sogar zu einem „Staatsstreich von oben" geschaffen, so täuschensich diese Kritiker selbst und die Öffentlichkeit. Es entbehrt jeder Grundlage, daß durch den Regierungsentwurf die gesetzliche Basis für einen Mißbrauch geschaffen würde. Wer diese Gesetze entgegen ihrem klar formulierten Abwehrzweck mißbrauchen sollte, handelte illegal und lieferte sich schwerster Bestrafung aus.
Solche Panikmache hilft uns nicht weiter.
Es muß auch gesagt werden, daß die Bedenken des Kuratoriums „Notstand der Demokratie" ernsthafter erscheinen würden, wenn dessen führende Persönlichkeiten, die heute schwere Vorwürfe erheben, auch nur ein einziges Wort des Protestes geäußert hätten, als am 21. September 1961 im kommunistisch beherrschten Teil Deutschlands eine brutale Notstandsdiktatur gesetzlich für zulässig erklärt wurde.
Trotzdem werden wir alle erhobenen Bedenken sorgfältig prüfen und eingehend durchdiskutieren. Für diese Diskussion wäre es allerdings nützlich, wenn die grundsätzlichen Kritiker an Stelle ihres permanenten Nein endlich einmal ernsthafte und konstruktive Gegenvorschläge unterbreiteten.
Gerade das haben wir bisher vermißt. Wem es wirklich um Leben und Freiheit der Bürger geht, muß sich Gedanken und Sorgen um das Schicksal der Menschen in schweren Krisenzeiten machen. Er muß um der Menschen willen zur Krisenvorsorge notfalls auch unter Opfern bereit sein.Von dieser Verantwortung für das Schicksal der Mitmenschen ist der Regierungsentwurf getragen. Dabei enthält er einen ganzen Katalog von vorbeugenden Vorschriften gegen Mißbrauch, die ich hier nur kurz einmal andeuten möchte, angefangen von dem Verzicht auf eine Generalklausel und die ständige Kontrolle der Exekutive durch ein parlamentarisches Organ, insbesondere repräsentiert — wenn das Gesamtparlament nicht zusammentreten kann — durch den Gemeinsamen Ausschuß. Darüber hinaus enthält er zahlreiche Sicherungen gegen eventuelle Mißbrauchsmöglichkeiten, und die Grundrechte sind in der gegenwärtigen Regierungsvorlage nicht weiter eingeschränkt, als dies unbedingt erforderlich ist, als der Zweck der Einschränkung im Rahmen eines schweren Krisenfalles es erheischt.Nun wird eingewendet — der Herr Kollege Dorn hat es auch getan —, hier sei eine Verwischung von Verteidigungsfall und Spannungszeit vorgenommen worden. Dazu ist zu sagen: man muß einfach, so unangenehm das sein mag, Herr Kollege Dorn, davon ausgehen, daß bei der heutigen Situation im Gegensatz etwa zu 1914 eine ,klare Trennung -von Verteidigungsfall und voraufgegangenem Krisenzustand nicht mehr möglich ist.
Es wird notwendig sein — darüber bestand dochbisher weitestgehende Einigkeit —, gewisse Maß-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5875
Dr. Evennahmen vorzuziehen, gerade um den Verteidigungsfall nicht zu früh ausrufen zu müssen.
— Nein, das ist nicht der Fall.Viertens ist vorgesehen, daß alle Notstandsbefugnisse an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden sind. Das heißt, wenn eine Krise erst langsam anläuft, ist es niemals zulässig, gewisse Einschränkungen aufzuerlegen, die im äußersten Verteidigungsfall notwendig sein könnten.
— Das steht in der Fassung drin.
— Es ist davon die Rede, daß die Befugnisse nur ausgeübt werden dürfen, soweit dies zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist. Daraus ergibt sich ganz klar der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der übrigens verfassungsrechtlich auch gelten würde, wenn er gar nicht mehr besonders erwähnt würde.Fünftens. Es ist Bedacht genommen, daß nach wie vor eine gerichtliche Kontrolle ausgeübt wird. Das Bundesverfassungsgericht soll in seiner Kontrollfunktion auf jeden Fall erhalten bleiben.Schließlich sechstens: Notgesetze und darauf beruhende Rechtsverordnungen können jederzeit vom Bundestag und vom Bundesrat aufgehoben werden, und außerdem treten sie auch noch automatisch sechs Monate nach Beendigung des Zustandes äußerer Gefahr außer Kraft, wenn sie nicht vorher bereits aufgehoben worden sind.Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist sicherlich nicht in jeder Hinsicht vollkommen. Aber es gibt keine Verfassung in der Welt, die ein perfekteres System des Mißbrauchsschutzes vorsieht. Eine noch weitergehende Perfektionierung könnte zur Selbstfesselung der Demokratie führen und sie in Zeiten größter Not außerstand setzen, .das Menschenmögliche zum Schutz der Bürger zu unternehmen und sich der Feinde der Freiheit zu erwehren.Was einige Spezialfragen, insbesondere das Problem der Dienstverpflichtungen und der Beschränkungen des Arbeitsplatzwechsels, angeht, werden noch mein Fraktionskollege Zink und einige andere Damen und Herren meiner Fraktion Stellung nehmen.Ich möchte, zum Schluß kommend, nur noch auf folgendes hinweisen. Naürlich müssen wir uns darüber klar sein, daß es kein absolut wirksames gesetzliches Mittel gegen die Diktatur geben kann, weil sich Diktatoren und antidemokratische Bewegungen nicht ,an die Gesetze zu halten pflegen. Daher möchte ich noch auf eine weitere, die letzte und äußerste Möglichkeit des Mißbrauchsschutzes hinweisen, die, wenn auch ungeschrieben, zu unserer Verfassungsordnung gehört und die ich für außerordentlich wesentlich halte. Es ist bekannt, daß der legale Streik nicht angetastet werden soll, weder im inneren noch im äußeren Notstand. Darunter fällt, was wohl nicht bestritten ist, nicht der sogenannte wilde Streik. Insoweit gibt es eine sehr weitgehende Übereinstimmung, gerade auch mit den Gewerkschaften.Wie aber steht es mit dem politischen Streik? Diese Frage kann von größter Bedeutung sein. Ich möchte sie klar beantworten. Hier muß deutlich unterschieden werden: ein Streik, der nicht zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Art. 9 Abs. 3 GG geführt wird, also von Gewerkschaften, sondern zur Nötigung des Parlaments oder anderer Staatsorgane, ist im Rechtsstaat illegal.
Denn er verläßt die verfassungsmäßige Rechtsordnung und stellt einen Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung dar. Er kann daher nicht rechtmäßig sein.Dagegen kann ein politischer Streik im Rahmen des Widerstandsrechts gegen Diktatur gerechtfertigt und unter Umständen sogar Pflicht sein.
Das Widerstandsrecht wird zwar nicht ausdrücklich im Grundgesetz erwähnt, ist aber bei uns wie in allen freien Ländern der Welt anerkannt. Es ist das äußerste Notwehrrecht bei Verweigerung oder Fehlen eines rechtsstaatlichen Freiheitsschutzes, der Unterdrückung einer menschenwürdigen Rechtsschutzorganisation.Ich selber habe in meiner Dissertation 1951 — ich bitte um Nachsicht, daß ich mich selbst zitiere — das Widerstandsrecht als das natürliche Menschenrecht gegen entartete Staatsgewalt bezeichnet.
Es ist das vorstaatliche unveräußerliche Selbsthilferecht, das gegen die Diktatur des Unrechts bei Versagen anderen Rechtsschutzes als letztes Mittel gegeben ist. Es kann sowohl zur Verhinderung eines Unrechtsregimes als auch zum Sturz einer bereits vorhandenen Diktatur angewendet werden.Diese Auffassung stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überein. Wenn das Widerstandsrecht gegen totalitäre Bestrebungen gegeben ist, steht es sowohl dem einzelnen als auch Gruppen ,der Gesellschaft zu und damit selbstverständlich auch den Gewerkschaften. Zu diesem Widerstandsrecht gegen Tyrannei bekennen wir uns ausdrücklich.
Aus diesem Geist ist auf deutschem Boden 1920 beim Kapp-Putsch, am 20. Juli 1944 und am 17. Juni 1953 gehandelt worden.
1933 ist es unterblieben. Es erscheint geboten, gerade in dieser Debatte die Gesamtheit des Volkes auf seine letzte entscheidende Kontrollfunktion zur Sicherung der Freiheit hinzuweisen. Allen Bürgern muß gegenwärtig sein, was Friedrich von Schiller in Wilhelm Tell einen Schweizer Freiheitskämpfer sprechen läßt, nämlich die Worte:
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5876 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Dr. EvenNein, eine Grenze hat Tyrannenmacht.Wenn nirgends der Gedrückte Recht kann finden,wenn unerträglich wird die Last,greift er hinauf getrosten Mutes in den Himmel und holt herunter seine ew'gen Rechte,die droben hangen unveräußerlichund unzerbrechlich wie die Sterne selbst.
Aus diesem Geist der Freiheit und des Willens zur Selbstbehauptung sollten wir die Beratung des Gesetzes führen. Denn dies Ist ein Gesetz zur Sicherung von Leben und Freiheit der Bürger bei großer Gefahr und nichts anderes.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dankenswerterweise hat Herr Kollege Even das Wesentliche zu der Art und Weise bereits gesagt, wie Herr Dorn hier vorhin ein merkwürdiges Schattenboxen mit demagogischem Hintergrund veranstaltet hat. Man könnte eigentlich meinen, daß das genügt, was Herr Even erklärt hat. Denn das ganze fällt ja, nehmen Sie mir das nicht übel, Herr Dorn, unter das Motto: „Niedriger hängen!"
Bei einem so .ernsten Thema hier zu polemisieren mit Auffassungen, die Sie noch gar nicht kennen und gar nicht kennen können, weil wir uns hier noch gar nicht geäußert haben,
in einer Art und Weise, die darauf schließen läßt,daß Sie glauben, wir seien alle so vergeßlich, daßwir nicht wüßten, was Sie 1965 selber gesagt haben,
und diese merkwürdige Haltung, daß Sie uns zumuten, wir sollten nicht daran denken, daß Sie oder die Mitglieder Ihrer Fraktion so viele Jahre die Regierung mitgetragen haben, — da kann ich nur sagen, Herr Dorn: Was soll das? Meinen Sie ernsthaft, daß uns das weiterführt bei der Lösung dieses so ernsten Problems?
Vielleicht ist es schade um die Zeit,
aber einiges muß man Ihnen ja nun also doch noch ins Stammbuch schreiben.Sie haben sich jetzt zum Hüter der Gewerkschaften aufgespielt. Eine ganz neue Rolle.
Ich habe hier das Protokoll über Ihre Rede vom 16. Juni 1965 vor mir, Herr Dorn. Das ist jetzt zwei Jahre her. Da haben Sie sich mit dem Streikrecht befaßt.
— Ja, heute auch. Aber, Herr Dorn, in dem Protokoll steht — und das müssen Sie doch wohl unterschrieben haben —:Wir wollen das Streikrecht nicht abschaffen. Wir halten es ,aber nicht für vertretbar, das Streikrecht auch noch für eine Zeit zu statuieren, in der besondere Verpflichtungen für jeden einzelnen in unserem Volk denkbar sind und Wirklichkeit werden. Wir müssen bei einer gesetzlichen Regelung dieses Problems auch berücksichtigen, daß wir nicht nur die augenblickliche wirtschafts- und sozialpolitische und politische Situation in der Bundesrepublik zu beurteilen haben; wir müssen vielmehr auch .an mögliche Krisenzeiten denken.Das klingt also nicht so, als ob Sie damals, als Sie noch in der Regierung waren und sich zu dem vorigen Entwurf äußerten, so schrecklich streikfreundlich gewesen wären.
Aber heute tun Sie so, als ob sie der Geschäftsführer der IG-Metall wären.
Noch etwas, Herr Dorn.
— Herr Dorn, es ist ja dankenswert, daß Sie sich so mit den Parteitagsbeschlüssen der SPD befaßt haben.
Das sollten Sie auch sonst tun.
Das könnte Ihnen mit Sicherheit nichts schaden.
Aber meinen Sie nicht, Herr Dorn, daß Sie kaum die zuständige Stelle sind, um auszulegen, was wir mit unseren Beschlüssen gemeint haben?
Meinen Sie nicht auch, Herr Dorn, daß eis Sache des nächsten Parteitages der SPD und nicht Ihres Parteitages ist, zu klären, ob die Vorstellungen, die wir heute entwickeln, mit unseren früheren Beschlüssen übereinstimmen?
Halten Sie es für eine zulässige Methode, daß Sie hier argumentieren und behaupten, wir hielten die auf unseren Parteitagen gefaßten Beschlüsse nicht inne?
— Aber Herr Dorn! Man kann es ja umgekehrt sagen: Wie wäre es eigentlich, wenn Sie sich mit den Beschlüssen Ihrer eigenen Parteitage zu dem Problem befassen würden?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5877
HirschWäre das nicht nutzbringender und wäre es hier für uns nicht interessanter gewesen, auf diese Weise einen befugten Sprecher der FDP darüber zu hören, was die FDP nun wirklich will? Denn schließlich, Herr Dorn, hat die FDP den Höcherl-Entwurf mit eingebracht in dieses Haus,
und schließlich hat die FDP diesem Höcherl-Entwurf nicht widersprochen, sondern hat ihm dann, wenn auch in der veränderten Fassung Benda, in diesem Hause zugestimmt.
— Herr Dorn, Sie haben es ja vorhin selbst zugeben müssen, daß Sie es nur der Haltung der SPD verdanken, hier überhaupt noch zu diesem Thema sprechen zu können, weil wir die letzte Vorlage abgelehnt haben.
Aber, wie gesagt, meine Damen und Herren, ich glaube, es lohnt sich nicht, noch lange darüber zu reden. Ich möchte noch einmal sagen: Niedriger hängen! ist die richtige Antwort.
Auch wenn man ihnen guten Willen unterstellt, meine Damen und Herren, meine ich: sie leisten der guten Sache, der sie dienen wollen, nämlich der Freiheit, damit kaum einen guten Dienst!Bei allen Überlegungen, die wir alle in den letzten Jahren angestellt haben und weiterhin anstellen müssen, ob zur Aufrechterhaltung der demokratischen Grundordnung und der Freiheit eine Änderung des geltenden Grundgesetzes erforderlich ist — und wenn ja, inwiefern —, kann und darf nur davon ausgegangen werden, wie die Dinge sind,
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5838 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Hirschund nicht davon, wie sie sein sollten. Die Ausgangslage aber ist höchst bedenklich und, wie wir endlich alle, auch die, die da ,demonstrieren, erkennen sollten, katastrophal schlecht.Erstens nämlich können auf Grund der in Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages enthaltenen alliierten Vorbehalte den deutschen Behörden und der Bundesregierung in Kriegszeiten Befugnisse übertragen werden, die praktisch keinerlei Schranken aufweisen und bei deren Inanspruchnahme 'das Grundgesetz praktisch außer Kraft gesetzt werden kann. Wir haben in diesem Hohen Hause vor nicht allzu langer Zeit in einer Aktuellen Stunde ausführlich über diese alliierten Vorbehalte gesprochen — Herr Minister Lücke hat vorhin darauf hingewiesen —, so daß ich auf deren Inhalt und Bedeutung hier nicht noch einmal näher einzugehen brauche. Wenn jedoch auch Wissenschaftler verschiedentlich in der Öffentlichkeit versuchen, durch juristische Konstruktionen das Nichtbestehen dieser Vorbehalte zu beweisen, und sie dergestalt sozusagen hinwegzaubern möchten, so kann man dazu lediglich sagen, daß in diesem unserem Lande tagtäglich das Gegenteil praktiziert wird, indem nämlich die Alliierten von ihren Befugnissen zur Post- und Telefonkontrolle Gebrauch machen und indem sie das provoziert haben, was man „Schubladen-Gesetze" und „-verordnungen" nennt, was ohne die alliierten Vorbehalte nicht möglich gewesen wäre.In dem Zusammenhang nun eine Frage an Sie, verehrter Herr Kollege Mende. Sie waren doch einige Jahre Mitglied der Bundesregierung und deren Vizekanzler. Ich möchte von Ihnen. nun wirklich einmal hören, ob Sie behaupten wollen, daß Sie damals von den Schubladen-Verordnungen keine Kenntnis bekommen haben. Die gleiche Frage möchte ich in aller Nüchternheit z. B. auch an den verehrten Kollegen Bucher richten, der immerhin lange Zeit Justizminister war.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß in irgendeinem Ministerium Pläne für Schubladen-Gesetze ausgearbeitet worden sind, ohne daß das gesamte Kabinett oder wenigstens die zuständigen Minister davon Kenntnis erhalten haben. Herr Mende, damit wir uns nicht mißverstehen: ich mache Ihnen daraus keinen Vorwurf; denn ich möchte ja hier klarmachen, daß die damalige Situation das wahrscheinlich unvermeidlich machte. Ich wehre mich aber dagegen, daß Herr Dorn hierherkommt und gegen die Schubladen-Gesetze polemisiert, obgleich er mit Ihnen zusammen die damalige Regierung, die das produziert hat, getragen hat. Dagegen wehre ich mich.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mende?
Ja, bitte!
Herr Kollege Hirsch, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die sogenannten Schubladen-Gesetze niemals im Gesamtkabinett behandelt wurden, sondern nur im Bundesverteidigungsrat, dem anzugehören ich nicht die Ehre hatte?
Ich danke Ihnen. Ich hätte aber gern eine ähnliche Antwort auch von dem früheren Herrn Bundesjustizminister Bucher. Es ist nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung völlig undenkbar, daß eine solche Vorlage nicht über das Justizministerium gelaufen sein soll.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ist der Herr Kollege Hirsch bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß auch in der Organisaton der gegenwärtigen Bundesregierung die gleiche Teilung 'der Kompetenzen gegeben ist und daß unter der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gewisse Sachverhalte nur im Verteidigungsrat und nicht im Gesamtkabinett behandelt werden, so daß ich auch in meiner Stellung als Stellvertreter des Bundeskanzlers nicht von den Schubladen-Entwürfen Kenntnis nehmen konnte?
Daß ich Ihnen persönlich das glaube, ist selbstverständlich, Herr Dr. Mende. Aber wundern muß ich mich doch.
Denn wie ist es denkbar, daß Beamte der in Betracht kommenden Ministerien solche Entwürfe ausgearbeitet haben, und jetzt will niemand etwas davon wissen, obgleich die Drucksachen dieser Entwürfe in den Panzerschränken liegen?! Ich meine jetzt nicht Sie, aber die Frage wäre gestellt.
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Damm.
Herr Kollege Hirsch, könnten Sie mit mir darin übereinstimmen, daß man geneigt sein könnte, an Herrn Dr. Mende die Frage zu richten, ob er jemals als Vizekanzler nicht auf die Idee gekommen ist, sich nach diesen Gesetzen zu erkundigen und sie sich jedenfalls persönlich vorlegen zu lassen?
Da kann ich nur antworten: völlig, Herr Kollege!Es wäre nach Meinung meiner Fraktion ein Mißverständnis, wollte man die Notwendigkeit einer Notstandsverfassung allein mit der Ablösung dieser
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Hirschalliierten Vorbehalte rechtfertigen. In der Öffentkeit ist insoweit manchmal der Vorwurf eines überstiegenen Prestige- oder Souveränitätsstrebens derjenigen erhoben worden, die sich auf die Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte berufen. Wenn ich diesen Vorwurf auch nicht billige, muß ich doch betonen, daß wir auch ohne alliierte Vorbehalte in ebensolchem Maße vor der Notwendigkeit stünden, eine eigene Notstandsverfassung zu verabschieden. Eis wäre reine Illusion zu glauben, daß dann, wenn in einer Verfassung wie dem sonst so perfektionierten Grundgesetz für den Zustand dier äußeren Gefahr keine Regelung getroffen ist, .die Normalverfassung immer unbeschränkt in Geltung bliebe. Hier darf ich .gewissermaßen in Klammern wiederum auf das hinweisen, was irgendwann von irgendwem innerhalb der Bundesregierung der letzten Zeit nach dem Kriege geschehen sein muß.Gerade wenn das Parlament seine Rechte auch im Kriegsfall gesichert haben will, müssen in ,einer Verfassung wie der Unsrigen — nicht in einem Land das keine Verfassung hat, und vielleicht auch nicht in Ländern, .die eine vage, kurze Verfassung haben, aber bei uns — Regelungen für den Fall getroffen wenden, daß ider Bundestag nicht zusammentreten kann, um die notwendigen Maßnahmen und Gesetze zu beschließen. Keine Bundesregierung, mag sie zusammengesetzt sein, wie sie wolle, könnte angesichts ides heutigen Rechtszustandes, dieser Lücken im Grundgesetz im Zusammenhang mit den alliierten Vorbehalten in einem sogenannten Notstandsfall, im Krisenfall, im Kriegsfall einfach die Hände in den Schoß legen und warten, bis der Bundestag wieder beschlußfähig wäre, sondern sie würde und sie müßte unter Berufung auf das, was man juristisch „übergesetzlichen Notstand" nennt, sich selbst ein Notverordnungsrecht mindestens für die Zeit der Handlungsunfähigkeit des Parlaments zubilligen. Ich behaupte, das dürfte irgendwann einmal in einem ,der Kabinette, die bisher regiert haben, geschehen sein. Ich würde sogar sagen, sie hätte ihre Pflicht verletzt, wenn sei eine solche Beschlußfassung nicht vorbereitet hätte.Gerade dann aber, wenn wir keine Regelung für den Zustand der äußeren Gefahr in unserer Verfassung treffen, würde der Ausnahmezustand mit Sicherheit zur „Stunde der Exekutive". Jeder Staat nimmt für sich, ob das aursdrücklich geregelt ist oder nicht, im Ausnahmezustand auch Notstandsbefugnisse in Anspruch, wobei dann tätig wird, immer tätig geworden ist und auch in Zukunft nur tätig werden kann derjenige, welcher der Macht am nächsten ist. Das ist die Exekutive, die dann dazu neigen kann und in der Geschichte wiederholt dazu geneigt hat — Beispiele gerade hier bei uns in Deutschland liegen auf der Hand: Art. 48 Weimarer Verfassung —, solche Befugnisse zu mißbrauchen.Wer also zu Recht, Herr Dorn, die Schubladengesetze weghaben will, wer zu Recht dagegen ist, daß unsere Telefone unkontrolliert von irgendwem abgehört werden, der sollte endlich begreifen, daß nur, wirklich nur über eine Ergänzung der Lücken in unserem Grundgesetz und die nur dergestalt zu erreichende Beseitigung der alliierten Vorbehaltsrechte weiterzukommen ist und idle Freiheit unddamit unsere Demokratie geschützt werden können.Die Haltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu diesem Problem ist mindestens seit unseren Beschlüssen bei dem Kölner Parteitag im Jahre 1962 völlig klar. Die sieben Penkte, die wir damals entwickelt haben und die durch die Beschlüsse der Parteitage von Karlsruhe und Dortmund jeweils bestätigt wurden, bedeuteten im wesentlichen folgendes — ich muß daran erinnern, Herr Dorn, daß Sie das Wesentliche vergessen haben —: Wir haben verlangt, daß es kein irgendwie geartetes Notverordnungsrecht der Exekutive geben dürfte. Wir haben verlangt, daß es keine unnötige Einschränkung der Grundrechte geben dürfte, insbesondere nicht ides Rechts der Freiheit dier Presse und der freien Meinungsäußerung. Wir haben verl langt, daß es keine Einschränkung oder Drosselung der normalen demokratischen Grundrechte im gewerkschaftlichen und betrieblichen Bereich, vor allem hinsichtlich des Streikrechts, geben dürfte. Wir haben damals schon und immer wieder gesagt: Es kann keine deutsche Notstandsgesetzgebung geben, ohne daß vorher geklärt ist, daß die alliierten Vorbehaltsrechte abgelöst sind. Denn zwei Notstandsregelungen sind unmöglich und untragbar.Herr Dorn und meine Herren von der FDP, die Sie Herrn Dorn so eifrig zugestimmt haben, was mich dabei am meisten gewundert hat, ist, daß Sie im Jahre 1965 bereit waren, die dort vorgesehene Einschränkung der Presse- und Informationsfreiheit und der freien Meinungsäußerung zu schlucken, und daß Sie uns Sozialdemokraten heute vorwerfen wollen, wir hätten unsere Parteitagsbeschlüsse nicht erfüllt, und daß Sie offenbar völlig vergessen haben, was in dem Benda-Text idrin stand und wie erheiblich besser der heutige Text ist.Wir Sozialdemokraten haben, Herr Dorn — —
— Er ist weg; schade. Also, ich kann es verstehen, daß er nicht mehr da ist.Wir haben uns also, wie wir beweisen können, in all den Jahren völlig folgerichtig in diesem Hause verhalten. Der Schröder-Entwurf war für uns untragbar. Er stand unter idem Motto: „Notstand ist die Stunde der Exekutive" und wollte etwas ganz anderes, als wir wollten. Auch der Höcherl-Entwurf war für uns nicht akzeptabel, einfach aws dem eben erwähnten Gründen. Er war nicht in Einklang zu bringen, auch bei allergrößter Liebe nicht, mit unseren Parteitagsbeschlüssen. Dasselbe galt, wenn er auch besser war, letzten Endes auch für den BendaText, den Text ides Rechtsausschusses, oder wie man ihn nennen will, weil es nach wie vor Meinungsverschiedenheiten gab: für uns zu große Einschränkung der Grundrechte, nicht genügende Klärung wesentlicher Fragen, was Streikrecht usw. betraf, letzten Endes doch noch ein Notverordnungsrecht, im allerletzten Stadium zwar, und keine Klärung .der Ablösung der alliierten Vorbehalte vor Verabschiedung ides Gesetzes. Das war im Gegensatz zu den Meinungen, die auch Herrn Dorn hier wieder hat anklingen lassen, der Grund, warum wir den Benda-
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HirschText abgelehnt haben, und nicht der Druck irgendwelcher Gewerkschaften auf unsere Fraktion. Auch das sollte die Öffentlichkeit endlich einmal zur Kenntnis nehmen.Nun gibt es ähnliche merkwürdige Entwicklungen wie bei Ihnen, meine Herren von der FDP, die Sie sich jetzt auf dem Wege von der Regierung zur Opposition, also auch auf dem Wege zu grundsätzlicher Gegnerschaft zur Notstandsgesetzgebung, in manchmal etwas merkwürdiger Gesellschaft befinden, auch bei anderen. Es gibt — wenn ich daran erinnern darf — zwei sehr profilierte Notstandsgegner, die uns alle in den letzten Jahren in Grund und Boden beschimpft haben, weil wir in diesem Hause bereit seien, die Freiheit zu demontieren, Professor Kogon und Professor Ridder. Ich meine, es ist ein eklatanter Beweis, wie schlecht ihre Ausgangssituation und das, was sie dachten, gewesen ist und immer sein wird, wenn die beiden jetzt zugeben müssen, daß es einfach nur eines ganz lächerlichen einzigen Paragraphen bedürfe, in dem zu stehen hätte: Für den Fall der Kriegszeit kriegt der Bundeskanzler alle Vollmacht.
Wer das fordert und uns sagt, wir gefährdeten die Freiheit, — ich weiß wirklich nicht mehr, wie der das verantworten kann, sich vor unser Volk als Ratgeber hinzustellen.
Nun, meine Damen und Herren, wir sind heute in der erfreulichen Lage, Herr Bundesinnenminister, im Grundsatz völlig Ihrer Meinung zu sein. Für uns — wie für Sie — ist die Notstandssituation die Stunde des frei gewählten Parlaments und des freien, mündigen Staatsbürgers und nicht die Stunde der Exekutive.Wir begrüßen daher im Grundsatz die neue Regierungsvorlage.Diese unsere Haltung hat aber im Gegensatz zu dem, was Sie uns da unter die Weste jubeln wollten, meine Herren von der FDP, nicht im geringsten etwas mit der Schließung der Großen Koalition zu tun. Unsere Haltung ist festgelegt gewesen, als wir überhaupt noch gar nicht an die Große Koalition denken konnten und Sie bestimmt auch nicht, denn damals wollten Sie mit Sicherheit noch in der Regierung bleiben, Herr Mende.
Sie ist geprägt durch unsere Parteitagsbeschlüsse, die ich soeben erwähnt habe, und sie ist fortgeführt worden aus der, wie ich glaube behaupten zu können, der SPD eigenen staatsbejahenden Haltung, aus ihrer Verantwortung in der Richtung, daß etwas geschehen müsse; und es ist etwas geschehen, indem wir lange vor der Bildung der Großen Koalition in der Zwölferkommission usw. mit dem Herrn Innenminister zusammengearbeitet und versucht haben, mit ihm einen Text zu finden, der auch für uns vielleicht tragbar sein könnte. Das weiß jedermann, und wenn man hier das Gegenteil behaupten will, sagt man schlicht und einfach die Unwahrheit.Die Vorlage entspricht also — ich sage es noch einmal, auch wenn es Herrn Dorn ärgert — im Kern und hinsichtlich aller wesentlichen Punkte dem, was wir seit unserem Kölner Parteitag zu diesem leidigen Problem meinen, beschlossen haben und für richtig halten. Diese unsere grundsätzliche Einstellung zu der Regierungsvorlage bedeutet aber natürlich keineswegs, daß wir den dort vorgesehenen Einzelregelungen hinsichtlich jedes Punktes und jedes Kommas bedingungslos zustimmen. Wir haben weder irgendwelche Verpflichtungen koalitionspolitischer Art in dieser Hinsicht unternommen, noch neigt der Herr Innenminister etwa dazu, etwas Derartiges von uns zu verlangen; denn er könnte ja sonst nicht, meine Damen und Herren von der FDP, sich hier hinstellen und sagen: „Wir wollen diese Vorlage mindestens ein Jahr lang in diesem Lande und in diesem Parlament eingehend diskutieren." Es wird doch keiner behaupten können, der Minister sage hier: „Wir wollen diskutieren", und am Ende bleibe das Gesetz dann haargenau so, wie es jetzt auf dem Tisch liegt. So größenwahnsinnnig sind Sie kaum, Herr Minister,
und so größenwahnsinnig, Herrn Dorn, sind auch wir nicht. Welches große Gesetz ist aus diesem Hause so hinausgegangen, wie es hereingekommen ist! Ich möchte bezweifeln, daß es überhaupt ein Gesetz gibt, an dem nicht in diesem Bundestag Erhebliches geändert wurde; vielleicht manchmal sogar zu viel. Daß ein Gesetz unbesehen angenommen worden ist, wie es die Regierung vorgelegt hat, das hat es noch nicht gegeben und wird es auch nicht geben. Also so unfähig, würde ich ja fast sagen, sind wir alle auch wieder nicht, wie Herr Dorn glaubt, wobei er sich natürlich ausnimmt. Wir sind also — um das klarzulegen — mit dem Herrn Bundesinnenminister der Meinung, daß diese Vorlage in jeder Hinsicht sorgfältig diskutiert werden muß, und zwar nicht zum Zwecke einer Diskutierübung, sondern weil wir über die Diskussion und die Anhörung der Sachverständigen versuchen wollen, noch etwas mehr zu wissen als heute, noch bessere Formulierungen zu finden und die Dinge, die zweifelhaft sein könnten, noch besser zu lösen, als es jetzt geschehen ist. Das ist der Sinn der Diskussion, und es kann keinen anderen Sinn geben.Diese Diskussionen dürfen sich nicht — wie leider sonst in diesem Hause, weil in der Geschäftsordnung so vorgeschrieben — unter Ausschluß der Öffentlichkeit abspielen, in kleinen Räumen, wo auch gar keine Öffentlichkeit hinein könnte, selbst wenn sie dürfte; diese Diskussionen, diese Hearings haben wirklich in voller Öffentlichkeit zu erfolgen, möglichst unter Hinzuziehung, meine ich, von Rundfunk und Fernsehen, damit das gesamte deutsche Volk sie miterleben kann.
Wir meinen, da geht es gar nicht etwa nur darum, Staatsrechtler anzuhören; es sollten die Gegner und die Befürworter dieser Regelung angehört werden; es sollten insbesondere die Gegner gehört werden, die sich bisher geäußert haben, manchmal ohne daß ihnen in den betreffenden Gremien einer widerspre-
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Hirschchen konnte. Selbstverständlich wollen wir dann den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes Ludwig Rosenberg hören, wir wollen den Vorsitzenden der IG Metall Otto Brenner hören, wir wollen Herrn Professor Kogon und Herrn Professor Ridder und Herrn Jürgen Seiffert, und wie sie alle heißen, hier hören. „Hic Rhodus, hic salta!" „Hier ist Rhodus, hier mußt du springen!"
Wir wollen dergestalt im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesinnenminister sicherstellen, daß dieses Hohe Haus vor der endgültigen Verabschiedung der vorliegenden Gesetze jede, aber auch jede ernst zu nehmende positive und negative Meinung zu den Problemen, über die wir dann endgültig entscheiden werden, gehört hat.Wir werden ferner — um auch dies schon jetzt in diesem Zusammenhang klarzustellen — die sogenannte Notstandsverfassung in der dritten Lesung in diesem Hohen Hause erst dann, aber auch wirklich nur dann verabschieden, wenn vorher nach Abschluß der zweiten Lesung eindeutig klargestellt ist, daß der dann endgültig erarbeitete Text dazu führt, daß die drei alliierten Mächte tatsächlich auf ihre Vorbehaltsrechte verzichten.
Eine Verabschiedung des neuen Teils unseres Grundgesetzes, mit dem die Demokratie und die Freiheit des Staatsbürgers auch für Notzeiten gesichert werden sollen, ist darüber hinaus nur im Zusammenhang mit der Neugestaltung der sogenannten einfachen Notstandsgesetze denkbar, deren Inhalt wie auch der Text der vorgesehenen Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß, genau wie die Grundgesetzänderung selbst, den Vorstellungen entsprechen muß, die wir seit eh und je vertreten haben. Das Ganze sollte für uns alle wirklich ein Paket sein. Wir wollen für diese wichtigen Fragen eine Gesetzgebung aus einem Guß, bestehend also aus den erforderlichen Grundgesetzänderungen, den erforderlichen Einzelgesetzen, den erforderlichen Geschäftsordnungsbestimmungen usw., wobei es auch dazu kommen könnte, daß im Zusammenhang mit diesem ganzen Vorhaben gewisse Bestimmungen der Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses — Fragen des Quorums usw., ich möchte sie nur andeuten — geändert werden. Wir wollen eine ausschließlich deutsche souveräne Gesetzgebung zum Schutze der Freiheit und der demokratischen Grundordnung — ich muß es noch einmal sagen — unter Ablösung aller sich aus dem DeutschlandVertrag ergebenden Vorbehalte der drei alliierten Mächte.Ohne in dieser ersten Lesung auf alle Einzelheiten der Regierungsvorlagen eingehen zu wollen oder zu können, halte ich es doch für richtig, hinsichtlich einiger sehr wesentlicher Einzelfragen kurz die Vorstellungen meiner Fraktion zu erläutern.Das Kernstück des Entwurfs ist — das ist hier schon mehrfach gesagt worden — die vorgesehene Regelung betreffend den Gemeinsamen Ausschuß. Diese Regelung, welche die gesetzgeberischen Befugnisse ausschließlich, wenn auch über ein Notparlament, auch für die schlimmste denkbare Situation dem frei gewählten Parlament im Zusammenwirken mit den Vertretern der deutschen Länder überträgt, findet im Grundsatz unsere volle ' Zustimmung. Sie ist ja von uns im Ursprung mit entwickelt und weiterentwickelt worden. Wir möchten aber nicht verhehlen, daß wir hinsichtlich einiger Einzelheiten der vorgesehenen Regelung gewisse Bedenken haben, die geklärt werden müssen und die unter Umständen auch zu weiteren Verbesserungen und Änderungen des Gesetzes führen könnten und sollten.Bedenken haben wir — und insofern hat Herr Dorn vorhin eine sehr weit offen stehende Tür eingerannt — gegen die in der Regierungsvorlage vorgesehene Wahl des Gemeinsamen Ausschusses, soweit die Parlamentsvertreter in Betracht kommen, mit Zweidrittelmehrheit. Das war sicherlich gut gemeint — sicherlich nicht gegen Sie, meine Damen und Herren von der FDP. Ihr Trauma ist ja schrecklich geworden, daß man Sie irgendwo ausschließen wollte. Ich bin sicher, daß das nicht gemeint war. Sie sollten wissen, daß damit der Versuch gemeint war, zu verhindern, daß die NDP in diesen Gemeinsamen Ausschuß kommen könnte. Ich halte diese Methode, die NPD zu bekämpfen, persönlich für falsch. Denn entweder ist sie eine zu verbietende Partei — dann soll man sie durch das Bundesverfassungsgericht verbieten lassen —, oder sie wird, was wir nicht hoffen wollen, in dieses Parlament kommen, und dann wird sie die gleichen Rechte haben wie jede andere Partei; man darf hier nicht manipulieren.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?
Moersch FDP) : Darf ich Sie dann so interpretieren, daß Sie damit sagen wollen, es sei nicht beabsichtigt gewesen — jedenfalls nicht von Ihnen aus —, nur Ihnen genehme Personen in den Ausschuß delegieren zu lassen?
Ich bin ein Abgeordneter, wie Sie, Herr Moersch, ich äußere mich jetzt zu einer Regierungsvorlage, wie Sie das auch getan haben, als Sie noch hinter der. damaligen Regierung standen. Ich kann mich erinnern, daß Sie alle, meine Damen und Herren von der FDP, jeweils hinter jedem Wort irgendwelcher Regierungsvorlagen 'gestanden haben, auch wenn darunter die Unterschrift „Mende" stand. Es sollte in einem Parlament selbstverständlich sein, daß sich ein Abgeordneter gelegentlich auch mal kritisch mit der von ihm selber getragenen Regierung auseinandersetzt.
Können wir uns da verständigen?
Wir sind der Meinung, daß diese Zweidrittelmehrheit ungut ist. Sie ist völlig ungewöhnlich. Wo gibt es denn eine Wahl, die mit zwei Dritteln vollzogen werden muß? Diese Vorschrift könnte zu großen Schwierigkeiten bei der Wahl führen. Wenn
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Hirschzwei oder drei Gruppen da sind, die miteinander ganz böse sind, dann lehnt jede wechselseitig die andere ab, und die Wahl des Gemeinsamen Ausschusses könnte daran scheitern.Außerdem muß in konsequenter Fortentwicklung unseres Gedankens, daß dieses Notparlament in ganz besonderen Situationen für dieses gesamte Haus von uns Entscheidungsbefugnisse übertragen bekommen soll, abgesichert werden, daß dieser Notausschuß, dieser Gemeinsame Ausschuß, ein Spiegelbild des gesamten Parlaments hinsichtlich seiner Mehrheitsverhältnisse darstellt, wie immer sie vom Bürger durch den Wahlzettel gestaltet worden sind. Wir würden es begrüßen, wenn zu erreichen wäre, daß dieser Ausschuß mit einfacher Mehrheit nach dem Verhältnis der Stärke der Parteien in diesem Hause gewählt wird.Wir haben ferner gewisse Bedenken gegen die in Art. 115 e des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit, daß das Parlament freiwillig auf seine Rechte verzichtet und sie, auch wenn et noch funktionsfähig ist, dem Gemeinsamen Ausschuß überträgt. Wir kennen natürlich die Gründe für diese Regelung. Sie hängt mit der von Herrn Dorn heute erstaunlicherweise so kräftig kritisierten Abschaffung des Unterschiedes zwischen äußerer Gefahr und Krisenlage zusammen. Das muß man ein bißchen kennen. Wir haben also einige Bedenken. Man kann sich nicht vorstellen, daß wir hier alle sitzen und einen Beschluß fassen: Wir haben nichts mehr zu sagen, das sollen jetzt die Damen und Herren des Gemeinsamen Ausschusses machen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein solcher Beschluß hier eine Mehrheit finden könnte.Wir sind der Meinung, die wir immer vertreten haben, daß der Gemeinsame Ausschuß als gesetzgebendes Organ nur dann tätig sein sollte, wenn der Bundestag nicht mehr zusammentreten kann, wenn er nicht mehr funktionsfähig ist, wenn das Gesamtparlament aus irgendwelchen Gründen nicht entscheiden kann.
Die Bedenken, die dagegen vorgebracht werden, daß das nicht praktikabel genug wäre, daß man dann zu langsam arbeiten würde, könnte man durch Sonderregelungen in der Geschäftsordnung ausräumen. Ich stelle das hier zur Debatte. Das muß man noch einmal genau überlegen. Das Ganze ist ein in sich geschlossenes Gefüge. Man kann nicht einen Stein herausbrechen, ohne eventuelle Konsequenzen mit ins Kalkül zu ziehen.Ebenso haben wir Bedenken gegen die vorgesehene Zustimmungsermächtigung in Art. 12 Abs. 3 und Art. 53 a. Hier wäre auch zu prüfen, ob nicht besser das Gesamtparlament diese Zustimmungserklärung abzugeben hat trotz der, wie manche meinen — ich glaube: zu Unrecht — damit verbundenen angeblichen Eskalation. Aber auch das muß sorgfältig an Hand der Fakten geklärt und geprüft werden. Je nachdem, wie diese Prüfung ausfallen wird, wird die Entscheidung zu fällen sein.Wir sind also — ich sage es noch einmal — grundsätzlich der Meinung — dieser Meinungwaren wir immer —, daß der Gemeinsame Ausschuß als gesetzgebendes Organ nur dann in Funktion treten sollte, wenn dem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen oder wenn er nicht beschlußfähig ist. Das sollte unbeschadet der auch vorgesehenen, so oft mißverstandenen, ihm zusätzlich übertragenen Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive und Auskunftsverpflichtung seitens der Exekutive gegenüber dem Ausschuß auch in normalen Zeiten geschehen. Man darf nämlich nicht vergessen, daß dadurch dem Parlament — wenn auch indirekt — zusätzliche Kontroll- und Informationsmöglichkeiten gegeben werden, die wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit wahrscheinlich nicht dem ganzen Parlament gegeben werden können. Auch in einem demokratischen Staat gibt es — das sollten manche endlich einsehen — gewisse Dinge, die man geheimhalten muß, weil es geradezu lächerlich wäre, sie auf dem offenen Markt auszutragen.
Wir begrüßen die durch die Änderung des Art. 10 im Zusammenhang mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post-und Fernmeldegeheimnisses vorgesehene Regelung der hier einschlägigen Probleme. Es war stets eine unserer wesentlichen Forderungen, daß auch die Abhörerei durch die Alliierten und ihr Mißbrauch über andere. Stellen bereinigt werden und das Ganze, soweit es auf diesem Gebiet möglich ist, einigermaßen in einen korrekten Rechtszustand gebracht wird. Man muß wissen, daß die Ablösung der alliierten Vorbehalte gerade in diesem Zusammenhang nur über ein durch das Grundgesetz gedecktes eigenes deutsches Gesetz möglich ist. Wer gegen dieses Gesetz polemisiert — was ich vom Gefühl her verstehen kann —, vergißt, daß er es damit unmöglich macht, daß die allierten Rechte auf diesem Gebiet abgelöst werden.
Da gibt es natürlich wiederum etliche Einzelheiten, die sehr sorgfältig bedacht werden müssen. Wir halten es für richtig, diese jetzt gewählte politische Lösung, nämlich die Kontrolle durch einen verantwortlichen Minister und durch die beiden vorgesehenen politischen Gremien, einer Prüfung durch den Richter vorzuziehen. Es handelt sich um eine politische und nicht um eine richterliche Entscheidung.Fraglich ist aber natürlich, ob es mit der Struktur unserer Verfassung vereinbar ist, daß das richterliche Nachprüfungsrecht als solches in der Verfassung verboten werden soll. Die Frage, ob man das kann, kann ich heute nicht beantworten. Aber ich möchte sie doch immerhin erwähnt haben. Ob man das kann, ist nicht ganz sicher. Es wäre natürlich wenig praktisch. Denn wenn einmal durch eine Panne — nur durch eine solche kann es geschehen — herausgekommen ist, daß jemand abgehört worden ist, und er es weiß, dann hilft es ihm nicht mehr viel, wenn ein Richter sagt: Das ist Unrecht gewesen. Aber wahrscheinlich wird er gar nicht klagen.
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HirschWahrscheinlich wird er den Richter nicht anrufen, weil dieser ihm auch nicht mehr helfen kann.Das ist ein sehr unerfreuliches Kapitel, meine Damen und Herren. Darüber wollen wir uns gar nichts vormachen. Das geht noch mit § 2, wo es sich um das Abhören wegen bestimmter Tatbestände — Hochverrat usw. — handelt. Dagegen kann man dann überhaupt nichts sagen. Aber sehr schwierig wird es bei § 3, wo das globale Abhörrecht gewährt wird. Das gilt ganz klar für die Nachrichtendienste. Gemacht wird das in jedem Land der Welt, ob in Ost oder West. Wir wissen es.Die Frage ist natürlich: Muß man das in eine Verfassung hineinschreiben? Und nutzt es viel, wenn es so drinsteht? Die weitere Frage ist: Wie soll das alles praktiziert werden? Da ist natürlich aus dem, was jetzt in § 3 steht, nicht viel zu entnehmen. Darüber wird man in den Ausschüssen sehr sorgfältig reden müssen.Aber wer da meint, dieses Gesetz und den neuen Art. 10 ablehnen zu können, weil ihm die Geheimdienste nicht gefallen oder weil ihm das alles überhaupt nicht paßt, muß eben wissen, daß die Geheimdienste abhören, aber völlig unkontrolliert und abgeleitet von alliierten Rechten. Da sollte uns doch wahrlich nicht gefallen, meine Damen und Herren.Die in Art. 12 vorgesehenen Regelungen betreffend die Dienstverpflichtung für Wehrpflichtige, also — auch darauf muß immer wieder hingewiesen werden — nur für Männer, wie auch die Regelung des Art. 12 Abs. 3 betreffend die Freiheit, die Ausübung des Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, sind im Grundsatz, wenn man sich die in Betracht kommenden Lagen vorstellt, unvermeidlich. Wir glauben aber, daß die Formulierung der einschlägigen Texte — Herr Minister, wir haben neulich schon darüber gesprochen — zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte und daher verbessert werden muß. Ich meine, man sollte das, was in der Begründung zum Regierungsentwurf ausgezeichnet formuliert steht, in den Text der Verfassung selbst hineinschreiben. Denn nur so kann ein Mißbrauch verhindert werden. Noch so schöne Begründungen nutzen nichts bei der Auslegung seitens irgendwelcher Gerichte bei einem Text, in dem als objektivierter Wille des Gesetzgebers, der maßgebend ist, etwas anderes steht, als in der Begründung behauptet worden ist.Insofern haben wir die herzliche Bitte, daß wir alle noch einmal sehr genau überlegen, wie die Formulierungen lauten müssen, um das Gewünschte zu erreichen — dagegen hat niemand etwas —, um andererseits zu verhindern, daß man damit Mißbrauch treiben kann, und um insbesondere die, wie wir alle zugeben sollten, begründete Angst unserer Gewerkschaften zu beseitigen, daß man gerade über die Bestimmungen des Art. 12 ihre Streikrechte unterwandern wolle. Ich bin sicher, Herr Minister, daß Sie das nicht wollen. Aber ich habe es Ihnen neulich schon in unserem Gespräch gesagt: An Ihre Stelle kann auch einmal der Bösewicht X treten,der gewillt ist, mit so etwas Mißbrauch zu treiben, und der mit dem Wortlaut dieses Gesetzes vielleicht auch ganz legal einen solchen Mißbrauch durchsetzen könnte.So meine ich, daß gerade Art. 12 in seiner Gesamtheit nur dann richtig wird beurteilt werden können, wenn man den Text der dazu erforderlichen Einzelgesetze vor sich hat. Diese können dann natürlich mit einfacher Mehrheit geändert werden. Man muß also auf das Grundgesetz sehen. Ich glaube aber, es ist möglich, und zwar mit Zustimmung der Gewerkschaften, Lösungen zu finden, die tragbar und auch praktikabel sind. Wir dürfen bei diesen Überlegungen — auch das muß, glaube ich, hier endlich wieder einmal gesagt werden — doch nicht vergessen, daß unsere Gewerkschafter immer sehr hart um ihre Rechte gekämpft haben, daß sie aber so selten wie in keinem anderen Land der Welt davon Gebrauch machen, wenn es um das Streikrecht geht. Es gibt kein Land in dieser Welt, wo so wenig gestreikt wird wie bei uns.
Das allein bestätigt doch, wie verantwortungsbewußt unsere Gewerkschaften insbesondere in der Zeit nach dem Kriege gehandelt haben. Sie haben zwar ihre Rechte gewahrt, haben sie aber nicht ungebührlich ausgenutzt.
— Herr Dorn ist ja nicht mehr da.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege Hirsch, es stimmt, was Sie bezüglich der Anwendung des Streikrechts gesagt haben. Aber liegt das nicht möglicherweise auch daran, daß von den Tarifpartnern rechtzeitig nachgegeben wurde und sich ein Streik dadurch erübrigte, daß man den Forderungen der Gewerkschaften fast immer entsprochen hat?
Sehr verehrter Herr Kollege Mende, es gibt doch die verschiedensten Situationen. Das mag manchmal so gewesen sein, und dann haben die Verhandlungen Sinn gehabt und ihr Ziel erreicht. Aber in anderen Ländern, die auch in der Konjunktur leben, pflegen sich solche Verhandlungen genauso abzuspielen wie bei uns; dennoch streikt man dort mehr.Ich wollte die Gewerkschaften hier nicht zu tabuisierten Heiligen machen, sondern wollte nur klarstellen, daß man unverantwortlich handeln würde, wenn man ausgerechnet unseren deutschen Gewerk-
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Hirschschaften den Vorwurf machte, sie mißbrauchten ihreMacht. Das haben sie wahrlich bisher nicht getan.
Herr Minister, wir haben in diesem Zusammenhang eine besondere Bitte, daß nämlich, wie das ja weitgehend auch im gegenwärtigen Rechtszustand geschieht, bei der Gestaltung des Art. 12, insbesondere auch in den Einzelgesetzen, Rücksicht auf die berufstätigen Frauen mit Kindern genommen wird. Sie sind in einer besonderen Situation. Wer den letzten Krieg erlebt hat, weiß, wie eine Mutter leben mußte, die dienstverpflichtet war. Sie mußte sich immer entscheiden, entweder ihre Dienstverpflichtung zu verletzen oder ihre Kinder ungeschützt im Bombenhagel liegen zu lassen. Sie kennen diese Situation. Es ist also ein besonderes Anliegen von uns, daß, sosehr es natürlich nötig ist, daß auch Frauen in gewissen Situationen an ihrem Arbeitsplatz bleiben, doch sichergestellt werden muß, daß das nicht bürokratisch und unbeschränkt geschieht, sondern daß der besonderen Situation der Frauen gerade dabei Rechnung getragen wird.
Die in Art. 91 vorgesehenen Regelungen für den sogenannten inneren Notstand sind, wenn man sie richtig liest und richtig auslegt, im Grundsatz richtig und unvermeidlich und daher zu akzeptieren. Der Einsatz der Streitkräfte — darauf sei besonders hingewiesen — darf in all den Situationen — Naturkatastrophe, schwerer Unglücksfall und bewaffneter Aufstand — nur als Einsatz von Polizeikräften erfolgen. Bei der Erörterung in der Öffentlichkeit werden immer zwei Dinge verschwiegen, das „bewaffnet" bei dem Aufstand und die Worte „als Polizeikräfte" bei den Streitkräften. Mit anderen Worten, die Streitkräfte können nicht mit dem Starfighter gegen einen Bauern kämpfen, der mit der Mistgabel gegen einen Polizisten vorgeht. Verzeihen Sie mir bitte dieses primitive und etwas überspitzte Beispiel. Der Einsatz darf also nur bei bewaffnetem Aufstand und dann eben nur mit einer Polizeiausrüstung erfolgen, und zwar auch nur deswegen, weil die normale Polizei nicht geeignet ist, einen bewaffneten Aufstand abzuwehren. Wer macht schon bewaffnete Aufstände?
— Jedenfalls auch nicht die Gewerkschaften, Herr Mende; ich glaube, darüber können wir uns verständigen.
Ganz besonders begrüßen wir natürlich die ausdrückliche Anerkennung des Streikrechts im Sinne des Art. 9 Abs. 3 des geltenden Grundgesetzes seitens der Bundesregierung, und zwar nicht nur durch die von ihr vorgelegte Fassung des Art. 91 Abs. 4, sondern vor allem auch durch die Begründung dazu, die Herr Even vorhin besonders hervorgehoben hat. Dafür danke ich ihm ganz besonders. Die Klarstellung war in diesem Hause auch einmal dringend notwendig. Aber auch die Bundesregierung hat dieses Widerstandsrecht ja in ihrer Begründung ausdrücklich, und da würde ich sagen: sogar verbindlich anerkannt. Ich bitte diejenigen, die die Begründung nicht gelesen haben, sie nachzulesen. Da steht in kurzen Worten das drin, was der Kern der Sache ist. Wenn ich sage: insofern verbindlich anerkannt, so liegt das daran, daß ich bei allen Überlegungen in dieser Hinsicht nicht glaube, daß es möglich ist, ein politisches Widerstandsrecht in Verfassungsbestimmungen niederzulegen. Das wäre so, wie wenn man eine Bahnsteigkarte verlangte, wenn man einen Bahnsteig stürmen will. Entweder ist der Bürger bereit, Widerstand für eine gute Sache zu leisten, oder nicht. Wenn er dazu bereit ist, fragt er nicht: Ist das risikolos? Dann ist es nämlich kein Widerstand mehr.
Weder die Leute, die 1920 gegen den Kapp-Putsch gestreikt haben, noch die Leute vom 20. Juli 1944 noch die vom 17. Juni 1953 haben nach einer solchen Bahnsteigkarte gefragt.
Sie haben nach dem Recht gefragt und haben danach gehandelt.Ganz besonders erfreulich ist an dem vorliegenden Text, daß im Gegensatz zu allen Vorlagen, die wir bisher hatten, im Gegensatz auch zu dem Text des Rechtsausschusses — Herr Dorn, falls Sie da sein sollten oder das lesen: Ausrufungszeichen —, im Gegensatz also zu allen früheren Vorlagen, denen Sie von der FDP bis auf zwei Ausnahmen hier meist zugestimmt haben, die früher vorgesehenen Grundrechtsbeschränkungen auf das allernotwendigste und tragbare Maß zurückgeführt worden sind.Interessant an diesen jetzt noch vorgesehenenGrundrechtsbeschränkungen ist allein die Möglichkeit einer Freiheitsentziehung, aber auch das nur bis zu vier Tagen — heute bis 24 Stunden —, und das alles nur in einer Lage äußerer Gefahr. Ich glaube, man muß es in Kauf nehmen, daß sich dann der richterliche Haftbefehl — und darum geht es ja — um Stunden oder vielleicht um vier Tage verzögern kann. Das ist nicht schön für denjenigen, der dann unschuldig vier Tage eingesperrt wird — sehr richtig —; aber im Verhältnis zu dem, was sonst in dieser Lage geschieht, ist das tragbar. Insbesondere aber stellt diese Bestimmung sicher, daß es wenn die Verfassung geändert ist, nicht so etwas Ähnliches wie Schutzhaft oder KZ geben kann. Das ist damit endgültig und verbindlich für alle Zeiten ausgeschlossen, und das muß ausgeschlossen werden.
Merkwürdigerweise wird auch die Regelung angegriffen, die vorsieht, daß der Gemeinsame Ausschuß gegebenenfalls auch befugt sein soll, dem amtierenden Bundeskanzler ein konstruktives Mißtrauensvotum auszusprechen oder ihn, was die Folge ist, auch neu zu wählen. Wenn der Gemeinsame Ausschuß — vielleicht hängt die Kritik etwas
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Hirschdamit zusammen — das Spiegelbild dieses Parlaments und der Länderparlamente darstellt, kann und muß man ihm diese Befugnis übertragen. Denn wenn der Bundeskanzler z. B. stirbt, muß ja derjenige, der die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat, irgendwie ersetzt werden. Und Bedenken kann es nicht geben. Denn jede Maßnahme des Gemeinsamen Ausschusses ist ja durch das Parlament, wenn es wieder zusammentreten kann, sofort zu korrigieren, wenn das Parlament in seiner Gesamtheit einer anderen Meinung sein sollte. Überhaupt ist ja diese Möglichkeit der Korrektur durch den Bundestag, wenn er wieder funktionsfähig wird, in der Diskussion, die da geführt wurde, weitgehend übersehen worden. Der Bundestag bleibt der Souverän in der Gesetzgebung, wenn er wieder die Möglichkeit hat, normal arbeiten zu können.Da gibt es natürlich einige „Problemchen", möchte ich sagen, Herr Minister, wie das also z. B. sein könnte: Der Bundestag ist erst nicht funktionsfähig, der Gemeinsame Ausschuß tritt zusammen, und nun kommen plötzlich 210 „Normalabgeordnete" hier nach Bonn. Die sind zwar nicht beschlußfähig, sagen aber mit einem gewissen Recht: Was soll das? Da sind also jetzt 22, die dürfen, und wir anderen 210, wir dürfen nicht. — Das ist natürlich eine merkwürdige Situation, die man aber wahrscheinlich auch durch eine verhältnismäßig einfache Regelung in den Griff bekommen kann, vielleicht durch eine Herabsetzung des Quorums in solchen besonderen Situationen, damit es eben nicht mehr die Hälfte der Mitglieder zu sein braucht. Dies ist nur eine etwas ins Unreine gesprochene persönliche Überlegung.Nun, meine Damen und Herren, der Probleme größerer und kleinerer Art gibt es außer den eben angesprochenen natürlich noch mehr. Es wird harter Arbeit in den Ausschüssen bedürfen, um zu endgültigen Klärungen zu kommen. Wir werden es nicht einfach haben, und wir sollten es uns auch nicht einfach machen. Wir sollten nicht Schattenboxen miteinander veranstalten, wir sollten miteinander diskutieren. Wir sollten uns dann auch die Meinungen sagen. Aber wir sollten nicht behaupten, der andere habe etwas gesagt — was er nie behauptet hat — und ihm dann dafür — das meine ich mit „Schattenboxen" — einen k. o. zu geben versuchen, der eventuell etwas Ähnliches darstellt wie den Versuch einer Selbsttötung: das soll ja schon mal vorgekommen sein.Dieser Entwurf bildet für unsere Fraktion im Gegensatz zu den früheren Entwürfen eine sehr brauchbare und akzeptable Grundlage für die nunmehr erforderlichen ausführlichen Beratungen. Wenn wir bessere Regelungen finden, sollten wir uns alle darüber freuen. Niemand sollte meinen — wenn er eine Regelung gefunden hat —, daß es beleidigend für ihn wäre, wenn ein andere eine bessere findet. Ich weiß, daß Sie nicht so denken, Herr Minister, und Sie, Herr Benda, noch weniger — vielleicht.
Dieses Sonderlob war gar nicht persönlich Ihnen ausgesprochen, sondern entsprang der Kameraderie der Juristen, Herr Benda. Trotz aller zum. Teil etwas hochgeputschten Differenzen — wie heute morgengeschehen, wo wir für Dinge beschimpft worden sind, die wir gar nicht wollen, und von jemandem kritisiert worden sind, der weiß Gott in dieser Richtung kein Recht zur Kritik hat — hoffen wir, dennoch bei diesem neuen Gesetz zum Schutz unserer Freiheit und der demokratischen Grundordnung zu einer Übereinstimmung zu kommen; denn es wäre gut, wenn ein solch wichtiges Gesetz nicht mit einer noch so großen Mehrheit, sondern möglichst einstimmig hier verabschiedet werden könnte. Wir werden alles tun, um dieses Gesetz gründlich und trotz aller Sorgfalt so schnell wie möglich in den Ausschüssen zu beraten.Noch intensiver werden und müssen jedoch unsere Bemühungen sein, dafür zu sorgen, daß wir nie in die Lage kommen, dieses Gesetz, das wir jetzt vor uns haben, auch anwenden zu müssen.
Der beste und wirksamste Weg dazu ist, daß wir eine Politik verfolgen, die den Frieden auf jeden Fall zu erhalten sucht.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Klarstellung folgendes: Das Bundesjustizministerium war an der Ausarbeitung der Schubladengesetzgebung beteiligt. Der jeweilige Chef des Hauses war unterrichtet. Diese Schublade auszuräumen ist der Sinn dieser Vorlage.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Meine Fraktion hatte mich an sich beauftragt, zu dem Komplex, der sich aus der Änderung des Art. 10 des Grundgesetzes und dem Ausführungsgesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes ergibt, heute hier vor Ihnen zu sprechen. Aber gewisse Ausführungen, die von Herrn Dr. Even und Herrn Kollegen Hirsch heute vormittag gemacht worden sind, geben mir Veranlassung, einige Punkte klarzustellen.Es mag gewiß wirksam sein — und die Reaktion eines großen Teiles dieses Hauses auf entsprechende Äußerungen hat diese Wirksamkeit ja deutlich unterstrichen —, wenn man die Ausführungen des Vorredners hier gleich mit einer Note versieht: Sie waren gut oder schlecht, sie waren sachlich,
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sie waren unsachlich oder — wie es heute morgen so schön hieß — sie waren demagogisch.
— Nein, das mag ruhig allgemein hingenommen werden. Wir sollten uns darüber einig sein, daß solche Urteile der Sache bei Gott nicht dienlich sind. Ich möchte deshalb an die beiden Herren, die sich dieser Redewendungen befleißigt haben, die Bitte richten, sich einmal in einer stillen Stunde zu überlegen, ob es nicht auch demagogisch ist, eine Rede, statt sie sachlich zu beantworten, einfach als demagogisch zu bezeichnen.
Es mag ein Weiteres bemerkt werden. Es ist sowohl vom Herrn Innenminister wie auch von Herrn Dr. Even betont worden, daß das Grundanliegen der Notstandsgesetzgebung ein gemeinsames Anliegen dieses ganzen Hauses sein sollte. Wir haben in der Vergangenheit alles getan, diesem Anliegen Rechnung zu tragen. Es ist nicht unser Verschulden gewesen, daß dieses Gemeinsame in der Zeit, seitdem wir nicht mehr in der Koalition sind, verlassen worden ist. Wir wären bereit gewesen, in jeder Zeit und in jedem Stadium des Verfahrens gemeinsame Gespräche und Verhandlungen weiter zu führen, so wie sie in der Zeit, als wir noch in der Regierung waren, gemeinsam geführt worden sind. Daß man es nicht für nötig befunden hat, diese Gemeinsamkeiten weiter zu suchen, ist, wie gesagt, nicht unsere Schuld, sondern es ist Schuld derjenigen, denen dieses Versäumnis angekreidet werden muß.Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, daß das nicht gerade eine besonders freundliche Stimmung bei uns hervorgerufen hat, ich glaube, das wird mindestens menschlich verständlich sein. Es wird noch verständlicher sein, wenn man heute hier Äußerungen hören muß, wie sie Herr Dr. Even für richtig gehalten hat: daß die FDP sich anscheinend auf dem Weg in Richtung DFU befinde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ein deutliches Wort: In Hunderten von Podiumsgesprächen, in Hunderten von Veranstaltungen haben meine politischen Freunde — und der Kollege Dorn und ich vorrangig — versucht, das Grundanliegen, das hier ansteht, im Volke verständlich zu machen. Wir haben sehr häufig Mitglieder dieses Hauses aus den Kreisen der CDU/CSU bei solchen Diskussionen vermißt,
wenn wir uns gestellt haben und zwar unseren eigenen Freunden, in den Universitäten, in Kolloquien, die über diese Frage stattgefunden haben, und wenn wir in allen Fragen darum gerungen haben — gerungen haben im wahrsten Sinne des Wortes; einzelne Mitglieder des Hauses wissen, wie hart das manchmal gewesen ist —, überhauptVerständnis für das . Grundanliegen zu erwirken und die Meinung mit festigen zu helfen, daß hier etwas Notwendiges geschieht.Ausgerechnet denen, die das getan haben, sowohl als sie mit in der Regierung saßen wie auch in der Zeit, als sie in die Opposition hineingekommen waren, heute zu sagen, sie bewegten sich in Richtung derer, die Gegner der Notstandsgesetzgebung waren — so sinngemäß Herr Kollege Hirsch —, oder noch schlimmer, wie Herr Dr. Even sagte, wir seien auf dem Weg in Richtung DFU, das sind Dinge, die wirklich geeignet sind, ein Klima hervorzurufen, das ein gemeinsames Handeln einfach menschlich schwer möglich macht.
Das bitte ich Sie in künftigen Fällen mit zu beachten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Wie vereinbart sich das, was Sie soeben gesagt haben, Herr Kollege, mit der Tatsache, daß persönliche Kontakte zu Vertretern der DFU bestehen?
Aber Verehrtester, ich habe noch nie einen persönlichen Kontakt mit jemandem abgelehnt, weil der andere eine andere politische Meinung vertritt als ich. Ich habe gerade in persönlichen Kontakten auch mit Vertretern der DFU das gemeinsame Anliegen dieses Hauses vertreten. Wenn Sie das tadeln wollen, bitte schön, dann ist das Ihre eigene Angelegenheit. Glauben Sie nicht, Herr Kollege, daß es besonders im gegenwärtigen Zeitpunkt, speziell am heutigen Tag, ein bißchen peinlich wirkt, wenn man solche Kontakte jetzt feststellt?
Ich verstehe Ihre Äußerung um so weniger, als heute in diesem Haus nicht nur von uns, sondern auch vom Minister und von Herrn Hirsch und allen, die gesprochen haben, eindeutig erklärt worden ist, daß wir mit jedem Gespräche führen wollten, ganz gleich ob er Freund oder Gegner der Notstandsgesetzgebung sei; und daß wir nicht deshalb, weil jemand Mitglied der DFU ist, solchen Gesprächen ausweichen wollen, das ist heute hier genügend deutlich zum Ausdruck gekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist dann mehrfach darauf angespielt worden, wie wir uns früher verhalten haben. An unserer Grundeinstellung — das sage ich in diesem Hause vor diesem Plenum nicht zum erstenmal — hat sich nichts geändert. Nach wie vor ist die FDP dafür, daß eine
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) Notstandsgesetzgebung geschaffen wird. Daß dabei Differenzen in unserer Haltung aufkommen im Verhältnis zu dem, was wir vor ein, zwei, drei Jahren gesagt haben, wird nur ein Mensch, der die Entwicklung nicht verfolgt hat, tadeln können.Ad eins: Wir sind jetzt in der Opposition, und das ist etwas anderes — das werden einige Herren von der SPD inzwischen auch gemerkt haben —, als wenn man in einer Regierungskoalition sitzt und in dieser Koalition zu gewissen Kompromissen kommen muß. Darüber hinaus aber sehen wir es gerade als Aufgabe der Opposition an, besonders kritisch gegenüber allen Handlungen der Regierung zu sein.
Dieser Aufgabe müssen wir uns unterziehen, und wenn wir uns hundertmal in Widerspruch setzen zu Dingen, die wir früher vielleicht einmal gesagt und getan haben.Ad zwei: Wir haben die Fallex-Übung gehabt. Sie sollte den Zweck haben, uns Erkenntnisse über die Praktikabilität des vom Rechtsausschuß erarbeiteten Entwurfs zu schaffen. Nun, wir haben Konsequenzen aus der Fallex-Übung gezogen, und wir sind auf Grund der Fallex-Übung in manchen Punkten zu neuen und anderen Ansichten gekommen. Damit war für uns einer der Zwecke dieser Fallex-Übung erreicht.Und der dritte Punkt: In der Zwischenzeit hat, was, wie wir heute wissen, in der Vergangenheit leider weitgehend versäumt wurde, eine weitgehende Diskussion über die Notstandsgesetzgebung stattgefunden. Es gibt Leute, die meinen, sie hätten von Anfang an den Stein der Weisen entdeckt und brauchten nichts mehr hinzuzulernen. Allein der jetzt vorliegende Entwurf der Regierung zeigt, wie vieles man in der Tat laufend hinzulernen kann: Denn er ist in wesentlichen Punkten anders, als frühere Entwürfe waren, teils besser, teils nach unserer Meinung schlechter. Wenn das allgemeine Erkenntnis ist, warum macht man uns dann Vorwürfe daraus, daß auch wir heute in gewissen Fragen eine präzisere, eine nuanciertere Stellung einnehmen, als wir es früher getan haben?
— Ich bin nach wie vor bereit, Herr Rasner, bei jedem, der sachlich mit mir über die Dinge diskutieren will, zu lernen.
Ich habe mit Freuden festgestellt, daß das anscheinend auch die Grundhaltung von Herrn Hirsch und Herrn Even heute morgen gewesen ist. Dann soll man aber nicht auf andere mit Steinen werfen.
Und, Herr Rasner, wenn wir jetzt anfangen wollen, hier gegenseitig Maßstäbe an den Ton anzulegen, dann werden wir uns auf ein sehr heikles Gebiet begeben.
— Ach, wer hat denn angefangen? Erinnern Sie sich doch einmal ein bißchen zurück, meine Freunde, als hier noch die Opposition war, welche Reden da von hier oben gehalten worden sind, was Herr Kollege Schmidt etwa bei seinen Attacken auf den damaligen Herrn Verteidigungsminister hier oben an Ausführungen gemacht hat. Streiten wir nicht über den Ton; der ist verschieden bei dem einen und bei dem anderen.
— Auch bei Ihnen, Herr Rasner, zwischen uns beiden.Was man uns sachlich zum Vorwurf machen wollte, war, daß Herr Dorn hier sehr klar aufgewiesen hat, wie man nicht mit dem zurechtkommen konnte, mit dem, was die SPD früher hier erklärt hat, dem, was sie in der Gegenwart erklärt hat, und dem, was hier als Gesetzentwurf vorgelegt ist. Bedenken wir doch einmal, es ist ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, der von maßgeblichen Vertretern der SPD in der Regierung mit zu verantworten ist. Es kann nicht abgestritten werden, daß Herr Jahn erklärt hat — damals noch parlamentarischer Geschäftsführer der SPD —, daß so und nicht anders dieser Gesetzentwurf angenommen werden müsse. Meine Freunde, ist es da nicht berechtigt, wenn einer, dem man die Möglichkeit besserer Erkenntnis vorher dadurch genommen hat, daß man ihn nicht mehr eingeladen hat, auf diese Dinge hinweist und sie klarstellt und fragt: Was ist denn nun? Was gilt denn nun? Gilt das, was hier vorliegt, oder gilt das, was früher von einem maßgeblichen Mitglied der Koalition gesagt und getan worden ist? Ich kann mich an sehr viele Dinge — gerade seitens ,der SPD — erinnern, daran, wie wir hier manchmal behandelt worden sind, wenn wir in der Koalitionsregierung gewisse Konzessionen machen mußten, was man uns dann zugerufen und wie man uns behandelt hat. Die Form, in der heute morgen diese Diskrepanz aufgezeigt worden ist, was, glaube ich, so, daß sie parlamentarisch überall vertreten werden kann.
— Das verstehe ich nun nicht, Herr Matthöfer; tut mir leid. Aber wir wollen es nicht im einzelnen diskutieren.
— Ich glaube, das werden Sie so nicht nachweisen können, daß er ihn als optimal bezeichnet hat; wenn aber „optimal", dann unter den damaligen Umständen, wie die Verhältnisse damals lagen, unter dem Gesichtspunkt, was erreichbar erschien.Ich will einmal einen Punkt herausgreifen, der heute morgen auch zur Diskussion gestellt ist. Unsere Stellungnahme zum Streikrecht — was Sie gerade interessiert — ist stets eindeutig gewesen. Wir haben für normale Zeiten es bejaht und haben uns insbesondere in den Ausschußberatungen ein-
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deutig dafür ausgesprochen. Wir haben aber ebenso klar gesagt, daß in Fällen des äußeren Notstandes dieses Recht zum Ruhen gebracht werden müsse, aus den Verhältnissen heraus. Das ist stets unsere Grundhaltung gewesen. Wir haben trotzdem davon abgesehen, diesen unseren Standpunkt, daß in Zeiten äußeren Notstandes das Streikrecht ruhen müsse, weiter zu verfechten, weil wir bei der Zusammensetzung dieses Hauses keine Möglichkeit sahen, diese unsere Vorstellungen auch gesetzlich zu realisieren. Wir haben damit nicht unseren Standpunkt aufgegeben. Aber obgleich z. B. unser Anliegen im Gesetzentwurf nicht enthalten war, kann man durchaus sagen, daß das, was nach der Gesamtkonstellation als optimal angesprochen werden mußte, erreicht worden ist. Man wird vieles darüber reden können; aber allein so sind solche Äußerungen zu sehen und zu werten.Nun ein Letztes für dieses Vorgespräch gewissermaßen, zu den vielberühmten, vielzitierten „Schubladengesetzen". Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wer von der SPD es war, der sich dazu äußerte, ich glaube, Herr Kollege Schmidt: eines vorab, diese Schubladengesetze wurden schon gestohlen, als Herr Bucher noch gar nicht daran dachte, einmal Justizminister zu sein oder zu werden.
Das ist ein Faktum, das feststeht und aus dem Sie alle, glaube ich, die notwendigen Konsequenzen ziehen könnten. Kenntnis von einem wesentlichen Teil der Schubladengesetze haben dann anschließend nicht nur Minister, sondern auch eine ganze Reihe von Mitgliedern dieses Hauses, insbesondere diejenigen, die an der Fallex-Übung teilgenommen haben, bekommen. Wir haben damals aber bewußt gesagt: wir wollen sie jetzt nicht diskutieren, sondern einmal als Übungsgrundlage hinnehmen. Aber eines war, glaube ich, die gemeinsame Ansicht aller Beteiligten an der Übung und an dem Ausschuß: daß diese Gesetze — jedenfalls das, was wir davon vor die Augen bekommen hatten — in dieses Haus hineingehörten, in diesem Hause beraten werden könnten und beraten werden müßten. Wir alle, glaube ich, waren der Meinung, daß das vor Verabschiedung des verfassungsändernden Gesetzes erfolgen sollte. Ich hoffe, daß diese Meinung auch heute noch da ist. Damit werden wir dann einen ganz wesentlichen Streitpunkt, diese bösen Schubladengesetze, endlich aus diesem Raum herausbringen. Aber es geht nur, wenn sie wirklich klar auf den Tisch dieses Hauses gelegt, von diesem Hause ordnungsmäßig beraten und dann so oder auch anders auch verabschiedet werden.
Darf ich einige der Grundsätze, die ich soeben andeutete, konkretisieren, indem ich mich nunmehr der eigentlichen Aufgabe zuwende, die mir gestellt war, nämlich zu der Änderung des Art. 10 und dem Ausführungsgesetz zu Art. 10 Stellung zu nehmen.Anders als der Entwurf einer Notstandsverfassung ist dieses Gesetz — wenn ich es einmal als ein Gesetz ansprechen darf — in der vorigenLegislaturperiode nicht abschließend beraten worden, geschweige denn zur endgültigen Abstimmung in das Plenum gekommen. Es lagen dafür zwei wesentliche Gründe vor. Den einen will ich einmal als den Modus procedendi bezeichnen. Man wollte damals so etwas unter der Hand in das Gesetz hineinbringen, ein Weg, den nicht nur wir, sondern, glaube ich, Mitglieder aller Fraktionen für wenig opportun gehalten haben.
— Ich spreche von dem, was war, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. — Das zweite aber war das sachliche Anliegen, was dann noch auf diesem etwas komischen Wege in das Gesetz hineinkommen sollte.Hat sich an dieser Situation heute Entscheidendes geändert? Das ist die Frage, die sich stellt. Herr Kollege Hirsch hat heute morgen bereits dankenswerte Ausführungen, auch solche der Kritik, zu diesem Gesetz gemacht. Ehe ich mich der Kritik zuwende, möchte auch ich hier betonen — und ich bitte, uns das nun endlich abzunehmen, genauso, wie meine Bitte dahin geht, daß Sie uns endlich unsere grundsätzliche Einstellung zum Notstand abnehmen, damit wir sie nicht jedesmal wieder hier vorbeten müssen —: Auch wir bejahen die Notwendigkeit, ein Ausführungsgesetz zu Art. 10 auf der Grundlage dessen zu schaffen, was hier von der Regierung vorgelegt worden ist. Die Notwendigkeit ist evident. Ein solches Gesetz dient der Sicherung unserer rechtsstaatlichen, verfassungsmäßigen Verhältnisse. Derjenige, der bestrebt ist, gerade diese Ordnung zu untergraben, soll am wenigsten Recht haben, sich darauf zu berufen, daß wir hier seine Rechte einschränken. Das ist die Grundeinstellung, von der aus wir an die Sache herangehen.Wenn man dann aber die Dinge weiter verfolgt, so muß man einmal klar erkennen, daß unseren Möglichkeiten gewisse Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen ergeben sich einmal aus unserer Verfassung selbst, zum anderen aber — und das ist, glaube ich, bisher zu wenig angesprochen oder beachtet worden — auch aus der Menschenrechtskonvention, deren Bedeutung wir hier nicht unterschätzen können, und zwar in einem doppelten Sinne.Unsere Verfassung unterliegt zwar in einem gewissen Umfang unserer Disposition. Ob diese Grenzen in dem vorliegenden Gesetzentwurf immer eingehalten sind, wagen wir zu bezweifeln. Wir wagen zu bezweifeln, ob es richtig ist, grundsätzlich und allgemein den Rechtsweg auszuschalten, grundsätzlich und allgemein dem Betroffenen keine Kenntnis davon zu geben, daß er überprüft wird, und ähnliche Dinge mehr. Man wird hier sehr vorsichtig abschätzen müssen. Derjenige, bei dem sich herausstellt, daß er schuldig ist, wird anschließend in dem Gerichtsverfahren gewahr, daß er abgehört worden ist. Derjenige aber, bei dem sich herausstellt, daß es ein unbegründeter Verdacht war, soll nichts gewahr werden und soll nicht einmal in den Stand gesetzt werden, die Folgewirkungen des Abhörens zu
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überwachen und zu kontrollieren, ob hier ordnungsmäßig in seinem Interesse verfahren worden ist? Es soll alles geheim. bleiben? Ich werfe diese Frage hier auf. Wir werden uns im Ausschuß eingehend damit beschäftigen müssen, wo hier die Grenzen, die uns die Verfassung selbst setzt, liegen, ob wir hier nicht dabei sind, ein Grundrecht, nämlich das des Rechtsschutzes, der Möglichkeit, Gerichte gegen Hoheitsakte anzurufen, für einen gewissen Teil von Menschen völlig auszuräumen.Ich muß diese Frage um so mehr stellen, als ja nicht nur ein Verdächtiger hier betroffen werden soll, sondern selbst der freundliche Nachbar, der dann und wann dem anderen erlaubt, sein Telefon zu benutzen. Und im geheimen frage ich mich manchmal gar: Wie ist es denn mit den öffentlichen Fernsprechstellen, die ein solcher böser Mensch ja auch manchmal zu benutzen pflegt? Soll man so weit gehen, daß man dann alle öffentlichen Fernsprechstellen abhört, um alles mitzubekommen, was auf diesen Telefonleitungen gesprochen wird?Ich bin mir darüber klar, daß wir zu einer Einschränkung der Mitteilungspflicht kommen müssen. Wo hier aber die Grenzen liegen, das bedarf sehr eingehender Erörterung, und ich glaube nicht, daß wir unsere Zustimmung dazu geben würden, sie generell zu verneinen und generell den Rechtsweg auszuschließen. Dann frage ich mich: warum soll nicht gerade der zu Unrecht Betroffene die Möglichkeit haben, unter Umständen im Rechtsweg alles das nachprüfen zu lassen, was als Material angefallen und als Folgewirkung da ist? Man wird über das alles viel leichter und viel besser sprechen können, wenn man die Rechtskontrollen, die der Entwurf vorsieht, einmal kritisch überprüft hat und dann hoffentlich zu besseren Lösungen gekommen ist.Da ist zunächst eine Kommission vorgesehen, die eingeschaltet werden soll. Diese Kommission — so war es in den Vorbesprechungen zu hören, und so soll es ja wohl auch sein — hat eine doppelte Funktion. Sie soll einmal — wenn ich es so ausdrücken darf — der Prokurator des Betroffenen sein; sie soll mit für ihn und seine Interessen denken und handeln und immer wieder die Frage aufwerfen: Ist es für den Betroffenen wirklich notwendig, daß er diese Einschränkung seines Grundrechts in Kauf nehmen muß? Sie soll darüber hinaus Judex, Richter, sein, der darüber befindet, ob sich die getroffene Maßnahme im Rahmen des Zulässigen hält. Diese doppelte Funktion der Kommission bedingt eine weitgehende Selbständigkeit und Eigenständigkeit. Gerade das ist in dem Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Diese Frage ist in einem völlig ungenügenden Maße geregelt.Nicht die Tatsache, daß der Vorsitzer der Kommission die Befähigung zum Richteramt haben muß, gibt hier die nötige rechtsstaatliche Sicherung. Die nötige rechtsstaatliche Sicherung kann nur gewährleistet sein, wenn diese Kommission auch mit allen richterlichen Unabhängigkeiten ausgestattet ist. Die richterliche Unabhängigkeit ist das Entscheidende. Darüber schweigt das Gesetz leider. Überspitzt könnte man das etwa so ausdrücken: Ein Assessor, der — wie soll man sagen? — den Staatssekretärsstab schon im Tornister trägt, hat bestimmt die Befähigung zum Richteramt; hat er aber auch die richterliche Unabhängigkeit, wenn er über Akte seines Ministers zu befinden hat? Ich weiß, daß ich hier überspitze. In diesem Punkte sind also Zweifel offensichtlich möglich, und ich melde sie hiermit an. Wir werden diese Dinge sehr genau prüfen müssen.Noch eigenartiger ist es mit der sogenannten parlamentarischen Kontrolle. Da sollen fünf — ausgerechnet wieder fünf; die Zahl muß man im Zusammenhang mit sonstigen Zahlen sehen, die hier und anderwärts auftauchen — Mitglieder dieses Hauses gewählt werden. Sie werden huldvoll alle sechs Monate über das unterrichtet, was geschehen ist. Sie können dann zwar sagen: das gefällt uns nicht. Aber inzwischen ist alles längst erledigt, weil die Dinge so oder so abgelaufen sind. Auch hier wird man, so glaube ich, zu nachhaltigeren Kontrollen kommen müssen.Was den sachlichen Inhalt betrifft, so wird man die Fälle des § 2 im allgemeinen bejahen können. Wir hoffen, Herr Kollege Dr. Güde, daß der Sonderausschuß Strafrecht im Herbst das politische Strafrecht beraten haben wird, das hier hineinspielt. Das wird uns dann eine endgültige Stellungnahme zu diesen Fragen ermöglichen; denn das eine hängt nun einmal unlösbar mit dem anderen zusammen. Abschließendes wird man erst sagen können, wenn man weiß, wie das politische Strafrecht gestaltet ist. Unmöglich erscheint uns dagegen der § 3 in der jetzigen Fassung. Auch hier verkennen wir an sich nicht, daß das frühe Erkennen eines Angriffs auf die Bundesrepublik ein legitimes Interesse ist und daß hierfür unter Umständen weitgehende Opfer gebracht werden müssen. Aber alles das, was heute morgen schon gegen die Generalklausel gesagt worden ist, kann ich hier nur doppelt wiederholen. Nichts ist gefährlicher als solche Generalklauseln, die der Willkür Tür und Tor offenlassen; nicht öffnen — das sage ich nicht —, aber offenlassen. Das ist doch tatsächlich der Fall. Wir sind nicht die einzigen, die hier ihre kritische Sonde ansetzen. Selbst der Bundesrat hat hier schon mahnend seinen Finger erhoben. Ich glaube, hier werden wir sehr eingehend überlegen müssen, ob wir nicht zu anderen Ergebnissen kommen.Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen, wieweit derartige Maßnahmen überhaupt notwendig sind. Denn daß wir einer Einschränkung des Grundrechts nur in dem Rahmen zustimmen können, wie unabweisbare Notwendigkeiten dafür vorliegen, entspricht der Gesamthaltung unserer Partei in diesen Fragen.Ich darf ganz kurz auf die Fragen eingehen, die sich im Hinblick auf die Menschenrechtskonvention stellen. Daß das Briefgeheimnis auch durch die Menschenrechtskonvention geschützt ist, ist wohl allgemein bekannt. Diese Menschenrechtskonvention hat die Besonderheit, daß sie nicht unserer Disposition unterliegt, sondern daß wir zur Einhaltung der darin enthaltenen Bestimmungen verpflichtet sind.
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Auch die Menschenrechtskonvention bestimmt, daß bei Verletzung des Briefgeheimnisses dem Betroffenen eine Beschwerdemöglichkeit eingeräumt werden muß. Es ist schon streitig — darüber werden wir uns unterhalten müssen —, ob die Beschwerdemöglichkeit, die ich hier eben bereits etwas illustriert habe und die in diesem Gesetz vorgesehen ist, ausreicht, um den Anforderungen der Menschenrechtskonvention gerecht zu werden.Wesentlicher ist mir aber folgendes. Aus der Institution der Möglichkeit zur Anrufung der Gerichte gegen Verwaltungsakte in unserer Verfassung folgert selbst die Regierung, daß damit eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Betroffenen verbunden sei, daß sich das eine eben zwangsläufig aus dem anderen ergibt. Darüber können wir disponieren.Das gleiche muß aber für das Beschwerderecht gelten, das die Menschenrechtskonvention ein- räumt. Auch aus diesem Beschwerderecht folgt an sich eine Mitteilungspflicht, aber mit dem Unterschied, daß wir darüber nicht einseitig disponieren können,
und mit dem weiteren Unterschied, daß auch die Menschenrechtskonvention vorsieht, daß diese Bestimmungen in gewissem Umfang aufgelockert werden können. Aber die Voraussetzungen hierfür sind in der Menschenrechtskonvention wesentlich anders und wesentlich enger als die, die der vorliegende Gesetzentwurf vorgesehen hat. Damit werden wir uns auseinandersetzen müssen, um dann zu Lösungen zu kommen.Die Problematik, die ich damit aufgezeigt habe, gewinnt eine ganz besondere Bedeutung dadurch, daß wir uns alle gemeinsam das Ziel gesetzt haben, durch unsere Gesetzgebung die Vorbehaltsrechte der Alliierten abzulösen. Hier kann eine Problematik auf uns zukommen, von der ich mit ganzem Herzen hoffe, daß sie nicht kommen wird, deren Kommen ich aber leider nicht ausschließen kann. Es kann die Problematik auf uns zukommen, daß wir gemeinschaftlich sagen: Wir sind bereit, soundso weit zu gehen; soundso weit können wir nach unserem Grundgesetz und nach der Menschenrechtskonvention gehen, aber nicht weiter. Ich befürchte das insbesondere hinsichtlich des Tatbestandes des § 3.Wenn dann, wie ich nicht hoffe und — ich unterstreiche es noch einmal — nicht glaube, gesagt werden sollte: „Dann sind wir aber nicht bereit, unsere Vorbehaltsrechte aufzugeben", wird eine schwierige Frage und eine schwere Verantwortung auf uns zukommen. Ich glaube aber — ich kann es für meine Freunde erklären, hoffe aber auch, hierzu die Zustimmung des ganzen Hauses zu finden —, wir können und müssen dann eindeutig erklären, daß wir über die Grundsätze unseres Grundgesetzes und über die vertraglichen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind, nicht hinausgehen können. Wenn das dann nicht als genügend angesehen werden sollte, haben die Verantwortung für das Mehr allein diejenigen zu tragen, die meinen, die Aufhebungihrer Vorbehaltsrechte von einem Mehr abhängig machen zu müssen.
Wir sind, um das zu erreichen, was unser gemeinsames Ziel ist, bereit, einen hohen Preis zu zahlen, in vielen Punkten schweren Herzens. Wir sind nicht bereit, jeden Preis zu zahlen. Es liegt in der Verantwortung dieses Hohen Hauses, die Grundsätze einer rechtsstaatlichen, freiheitlichen Demokratie auch weiterhin auf das sorgfältigste zu beachten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Güde.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir ein Vergüngen, nicht nur dem Parlaments-, sondern auch dem juristischen Kollegen Busse antworten zu dürfen; denn es ist für unsereinen doch ein Gefühl größerer Befriedigung, nicht zum Melodrama verpflichtet zu sein. Es gibt in dieser Debatte sehr melodramatische Partien, und es ist nicht gut, daß die Herren sich dann beschweren, wenn auch die Gegner im Stil des Melodramas antworten. Von dieser Verpflichtung bin ich Gott sei Dank entbunden.Ich will nur zu einem Punkt etwas sagen. Herr Kollege Busse, es wäre besser, wenn auch Sie noch Ihren Sprachschatz reinigten. Ihr Kollege Dr. Mende hat heute morgen mit Recht das Wort „Schubladenentwürfe" und nicht das Wort „Schubladengesetz e" gebraucht. Ich kann mir die Bemerkung nicht versagen, daß mir das Geschrei über die „Schubladengesetze" geradezu lächerlich erscheint. Denn seit Jahren weiß ich, und zwar nicht erst, seit Notstandsdebatten stattfinden, daß es keine große Verwaltung gibt, die nicht Schubladenentwürfe hätte. Selbsverständlich werden in einem großen Ministerium Lösungen für Probleme, die die Öffentlichkeit und dieses Ministerium beschäftigten, in Entwürfen erarbeitet, so daß man die Entwürfe der Öffentlichkeit und dem Parlament unterbreiten kann, wenn es notwendig ist. Lassen wir das Melodrama und sprechen wir künftig wie Herr Dr. Mende von „Schubladenentwürfen"! Dann werden wir uns eine ganze Reihe von Tönen und Mißtönen sparen können.Aber zurück zu Herrn Busse. Das Thema, das er durchaus sachlich behandelt hat, ist des Ernstes und der Sachlichkeit wert. Niemand sollte sich einbilden, daß dieses Gesetz, sagen wir es vulgär, bloß die Spitzbuben angehe, sondern das, was in diesem Gesetz behandelt wird, kann jeden von uns treffen, mich genau wie Sie. Ich spreche in dieser Beziehung ja aus einer gewissen schwachen Erfahrung, so daß mir die Probleme bewußt sind. Es kann jeden treffen und verdient, mit dem absoluten Ernst behandelt zu werden, der einem so allgemeinen Problem zukommt.Die Vorlage, die uns die Bundesregierung übermittelt hat, ist ein ganzes Paket. Es handelt sich nur zu einem Teil um die Ablösung der Rechte aus Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages, dieses Stük-
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Dr. h. c. Güdekes alliierter Vorbehaltsrechte, nicht zu verwechseln mit den allgemeinen Vorbehalten, die hinter dem Notstandsproblem stehen. Hier ist vielmehr ein ganz spezieller Vorbehalt, der ganz speziell abgelöst werden muß. Das ist das eine. Mit Recht wird versucht, endlich zu einer Lösung dieses Problems zu kommen.Ich erinnere mich — das darf ich am Rande bemerken —, vor mehr als zehn Jahren — ich würde sagen, vor zwölf Jahren — zum erstenmal einen Entwurf gesehen zu haben, kein Schubladengesetz, sondern einen Entwurf der Sachbearbeiter des Innenministeriums, die versucht hatten, die Lösung des Problems in die Hand zu nehmen, und zwar sowohl des alliierten, sage ich jetzt kurz, als auch des innerdeutschen Problems, das auch jetzt in das Problem einbezogen worden ist.Mit Recht ist als Drittes die Behandlung der strafprozessualen Vorschriften eingefügt worden, und schließlich sind ebenfalls mit Recht die strafgesetzlichen Vorschriften einbezogen worden, die sich daraus ergeben. Ich will die strafgesetzlichen Vorschriften, die mir an sich am nächsten liegen, beiseite schieben und sagen: sie sind durchaus sachgemäß formuliert. Der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform hat sich zwar noch nicht mit diesem Teil beschäftigt, aber mit der völlig gleichartigen Vorlage der CDU/CSU. Das wird nach den Ferien diesem Hohen Hause vorgelegt werden.Lassen Sie mich eines ohne alle gehässige Kritik sagen; es trifft gar nicht die Ministerien, sondern es trifft unsere Art, Gesetze zu machen: Der Stil des Ganzen ist überperfektionistisch. Das ist ein feinmechanisches Werk, von dem derjenige, der von der Sache etwas versteht, fürchten muß, daß es zu fein geworden ist, als daß es funktionieren könnte. Hier hat eine sehr rechtsstaatsbewußte, sehr sorgfältige Bürokratie in der Folge von Entwürfen das Bestmögliche gemacht, sie hat das gemacht, was im Sinne der Feinmechanik das Beste zu sein scheint. Ich bin vielleicht nicht ganz einig mit Ihnen, Herr Busse, wenn ich sage: es darf nicht noch feiner werden, sondern es muß versucht werden, das Ganze zu vereinfachen, ohne die Wirkung zu schwächen.Ein Nachteil springt für den in die Augen, der gewohnt ist, mit solchen Gesetzen umzugehen. Die Feinmechanik hat die politischen Probleme nicht verarbeitet. Mit Feinmechanik kann man die echten politischen Probleme nicht erfassen. Es gibt hier zwei große politische Probleme. Das eine Problem ist: Wer macht und verantwortet das? Das ist keine Frage der Feinmechanik. Das andere Problem steckt im Art. 1 § 3.
Dies ist das schwerste Problem des ganzen Gesetzentwurfs. Nach diesem § 3 kann jeder von uns, wenn er spionageverdächtig wird — das kann jedem von uns passieren —, auf eine sehr gefährliche Weise überwacht werden. An dieser Stelle will ich Herrn Busse recht geben: Wir müssen das, was im rechtlichen Bereich, im strafprozessualen und strafrechtlichen, geregelt ist, einer sorgfältigen Prüfungunterziehen. Daß ich in dem Verdacht gewesen bin, ein Mörder zu sein, darf ich nachträglich erfahren. Ich darf dies aber, wenn ich recht sehe, bei den sehr schweren politischen Verdachten, um die es hier geht, nicht erfahren, Es gibt — ich kann es nur immer wieder sagen — dagegen keine Garantie. Ich habe hier Beispielsfälle — die ich nicht anführen will — in meinem Bewußtsein. Ich habe mich immer dann in meiner Praxis, wenn jemand zu Unrecht in den Verdacht des Landesverrats oder der Spionage geraten war und sich dieser Verdacht als unbegründet erwiesen hatte, befleißigt, dem Betreffenden zu sagen: Herr Müller, ich muß Ihnen jetzt mitteilen, daß Sie in dem und dem Verdacht gestanden haben. — Ich erinnere mich an einen eklatanten Fall, in dem der Verdächtigte ein Oberstaatsanwalt im Dienst war. Soll das für sein Leben in Beiakten zu seinen Personalakten stehen? Das darf nicht sein. Das nehme ich in Tat ernst. Die Frage muß geprüft werden, wie auch andere Fragen in diesem kunsthandwerklichen Werk geprüft werden müssen. Ich bin sicher, daß ich die Zustimmung des Herrn Bundesinnenministers habe, wenn ich sage: das Ganze kann und soll auf seine technische Zweckmäßigkeit und auf seine rechtsstaatliche Zulässigkeit geprüft werden.Menschenrechtskonvention — nur am Rande, Herr Kollege Busse! In der Menschenrechtskonvention heißt es auch für unseren Fall, daß der Eingriff selbstverständlich zulässig ist, soweit er notwendig ist in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes. Auf gut deutsch und ganz kurz gesagt: auch in der Menschenrechtskonvention steht, daß der Mißbrauch eines Rechtes nicht durch das Recht gesichert wird. Das ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der hinter dieser ganzen Institution steht: wer das Recht mißbraucht, darf sich nicht, kann sich nicht auf das Recht berufen. Die Frage ist nur: unter welchen rechtsstaatlichen Garantien und von wem das geprüft wird, ob er zu Recht in dem Verdacht steht, sein Recht zu mißbrauchen.Ich bin der Ansicht, daß die politische Lösung, die für die Anordnung gewählt worden ist, richtig ist. Man kann es nicht anders machen. Glauben Sie es mir aus meiner Erfahrung: man kann dem Richter das nicht als eine Rechtsfrage vorlegen. Wir Juristen sagen: die Entscheidung von Rechtsfragen besteht im Subsumieren, im Unterordnen eines tatsächlichen Sachverhalts unter eine rechtliche Formulierung. Hier handelt es sich um etwas anderes; hier ist sozusagen ein riskantes Geschäft, das jemand auf sich nehmen muß, der offen dafür politisch verantwortlich ist, auf gut deutsch: ein Minister. Ich halte diese Lösung für vollkommen richtig, halte allerdings den — mit Recht politisch konstruierten — Kontrollapparat für viel zu kompliziert, für so kompliziert, daß er nicht wirken wird. Darüber wird im Rechtsausschuß — und ich sage bei diesem hochbrisanten Gesetz: unter uns allen — noch einmal sehr ernsthaft gesprochen werden. Aber ich meine — so wie auch der Herr Kollege Busse das initiiert hat —: das ist ein Anliegen, das ernst zu nehmen ist, auch in seinen Grenzen ernst zu nehmen ist, nicht bloß in
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Dr. h. c. Güdeseinen negativen, sondern auch in seinen positiven Grenzen. Die Natur der Sache verbietet nämlich ein vorzeitiges Offenbaren.Ich habe vorher gesagt: ich bin sehr dafür, daß am Ende derjenige, der sich als unschuldig erwiesen hat, in der ganzen Breite dieses Gesetzes gesagt bekommt: Wir haben dich in Verdacht gehabt, wir haben das getan. Aber es wäre eine reine Torheit, dem Verdächtigen während der Verdacht besteht, während eine Tat im Gange ist, zu sagen: „Entschuldige vielmals, wir haben dich in Verdacht, einen Diebstahl oder einen Mord zu begehen" — wie oft ist man in dieser Lage! —, „nimm es mir nicht übel, ich werde jetzt dein Telefon überwachen." Das ist selbstverständlich widersinnig. Das kann niemand erwarten. Was gegen die Natur der Sache ist, soll man auch nicht in die Grenzen dieses Unternehmens hineintragen.Aber noch einmal: hier ist ein Stück Gesetzgebungswerk, das ohne jede Melodramatik sachlich behandelt zu werden verdient, so, wie es bisher behandelt worden ist, sachlich behandelt werden muß, nicht nur hier, sondern auch in den Ausschüssen. Ich hoffe, daß die Ausschußarbeit noch wesentliche Verbesserungen — ich sage es noch einmal: Vereinfachung ohne Abschwächung der Wirkung — an diesem Gesetzgebungswerk bringt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zink.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen einer Debatte zur ersten Lesung einer so wichtigen Gesetzesvorlage wie der Notstandsverfassung ist es sicher notwendig, aus den verschiedensten Perspektiven zu diskutieren. Gestatten Sie mir, daß ich als Abgeordneter, der neben seinem Mandat noch so oft wie möglich in einem Großbetrieb seiner Arbeit nachgeht, aus dieser Sicht einen kurzen Beitrag leiste.
Man stößt draußen bei den politisch und gewerkschaftlich engagierten Arbeitnehmern auf Befürworter und Gegner einer solchen Verfassungsänderung. Hier gilt es, noch sehr viel Vorurteile abzubauen. Das wird man nicht mit ausgefeilten juristischen Darstellungen fertigbringen können. Hier müssen die Probleme in die Sprache des Volkes übersetzt werden, wie ich mir überhaupt die Anmerkung erlaube, man sollte auch in diesem Hause mit weniger Fremdwörtern reden; denn sonst laufen wir Gefahr, von unseren Bürgern draußen im Lande nicht mehr verstanden zu werden.
Die Haltung der Arbeitnehmerorganisationen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf ist bekannt. Ich selbst bin der Ansicht, daß der jetzige Entwurf das Bemühen der Regierung und der bei der Erarbeitung des Entwurfs beteiligten Kollegen widerspiegelt, gerade den Einwänden seitens der Gewerkschaft Rechnung zu tragen. Zu begrüßen ist auch der Beschluß des DGB-Bundesvorstandes vom Juni vergangenen Jahres, eine Kommission zu bilden, die Sachgespräche mit den zuständigen Instanzen der Regierung und diesem Hohen Haus führen soll. Ich darf für die Fraktion der CDU/CSU sagen, daß wir zum Dialog bereit sind.
Wir gehen dabei davon aus, daß gegenseitiges Vertrauen gerade bei dieser Frage notwendig ist, da Zeiten der Not, von der wir hoffen, daß sie niemals eintreten mögen, nur auf solcher Basis gemeistert werden können.
— Ich komme noch darauf zurück.
Nun, meine Damen und Herren, daß die Dienstverpflichtung und das Streikrecht die Arbeitnehmerschaft bei dieser Frage besonders interessieren, liegt in der Natur der Sache. Ohne die Gesamtvorlage außer acht zu lassen, möchte ich gerade zu diesen beiden Fragen einige Anmerkungen machen.
Niemand hier in diesem Hause denkt daran, das Recht auf freie Berufsausübung zu beseitigen. Um was es hier in Art. 12 geht, ist folgendes: 1. im Zustand der Verteidigung die Versorgung der Streitkräfte und der Zivilbevölkerung zu sichern — dazu bedarf es an gewissen Schwerpunkten wahrscheinlich zusätzlicher Arbeitskräfte — und 2. um dies im Notfall auch garantieren zu können, eine Ausbildung sicherzustellen.
Ich kann es mir nicht vorstellen, daß ein Arbeitnehmer dazu nicht bereit wäre, wenn er z. B. seinen Sohn bei der Bundeswehr weiß und sich bewußt ist, daß dessen Leben davon abhängen könnte.
Genauso erwartet der Bundeswehrangehörige, daß seine Familie weitestgehend Versorgung erhält. Dieser Verantwortung kann sich niemand entziehen, zuallerletzt der Gesetzgeber.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Kollege Matthöfer.
Entschuldigen Sie, Herr Kollege Zink, ist Ihnen entgangen, daß nach dem Wortlaut des Regierungsentwurfs die Dienstverpflichtung keineswegs nur im Zustand der Verteidigung, sondern praktisch jederzeit erfolgen kann?
Herr Kollege Matthöfer, ich habe auch dazu etwas zu sagen und komme jetzt auf einige Vorschläge dieser Art zurück.Für die weiteren Beratungen in den Ausschüssen darf ich mir erlauben, hier folgende Empfehlungen auszusprechen.1. Es sollte geprüft werden, ob eine zeitliche Begrenzung der Dienstverpflichtung in Artikel 12 Abs. 2 möglich ist, um dadurch zu bekunden, wie
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Zinkernst es uns um das Grundrecht der freien Arbeitsplatzwahl ist.2. Für Personen, die verpflichtet werden — das gilt vor allem für das Ausführungsgesetz —, sollte weitestgehend das normale Arbeitsrecht Gültigkeit haben. Dadurch könnten alle arbeits- und sozialrechtlichen Nachteile vermieden werden. Die öffentlich-rechtliche Unterstellung sollte nach Möglichkeit nur für solche Personen Anwendung finden, die irgendwelche Zwangsbefugnisse auszuüben haben.3. Begrenzung der Möglichkeit, Wehrpflichtige in neu zu schaffende Stellen zu vermitteln, um hier klar zum Ausdruck zu bringen, daß diese Möglichkeit keine Spitze gegen das Streikrecht der Gewerkschaften darstellt.4. Man sollte prüfen, ob die jetzt vorgesehene Bindung von Frauen an ihre Arbeitsstelle nicht eine Benachteiligung gegenüber den Frauen darstellt, die aus wirtschaftlichen Gründen kein Arbeitsverhältnis eingegangen sind.Meine Damen und Herren, diese Empfehlungen, die ich hier ausgesprochen habe, sollen zum Ausdruck bringen, wie ernsthaft wir bemüht sind, alle Möglichkeiten zu untersuchen, um Grundrechte weitestgehend auch in Zeiten der Not aufrechtzuerhalten.Zu begrüßen ist nach meinem Dafürhalten die Formulierung zur Erhaltung des Streikrechts in Art. 91 Abs. 4. Sie besagt, daß das Streikrecht auch im Zustand einer Gefahr nicht angetastet wird. Ich selbst kann es mir jedoch nicht vorstellen — und dazu gibt mir auch der bisher maßvolle Gebrauch dieses Instruments seitens der Gewerkschaften Anlaß —, daß etwa im Zustand der äußeren Gefahr bei uns Lohnstreiks durchgeführt werden. Wenn es allerdings jemanden gibt, der glauben sollte, diese Bestimmungen gingen etwa zu weit, so würde ich empfehlen, die Satzungen der Gewerkschaften zu lesen, um festzustellen, welch qualifizierte Mehrheiten danach erforderlich sind, um durch Mitglieder in einer Urabstimmung überhaupt einen Streik zu beschließen. Die öffentlichen Hearings werden noch Gelegenheit geben, die Auffassungen der verschiedensten Seiten hierzu zu hören.Dasselbe gilt wohl auch für die Frage des politischen Streiks. Hier hat sich durch die Vorlage gegenüber dem jetzigen Zustand nichts geändert. Das Widerstandsrecht jedes Staatsbürgers und jeder verfassungstreuen Koalition wurde vom Bundesverfassungsgericht anerkannt und hat durch die Vorlage keine Veränderung erfahren.Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend feststellen: Die vorliegende Notstandsverfassung ist nicht eine Vorlage gegen die Bevölkerung, sondern für die Bevölkerung und sollte deswegen in Kraft gesetzt werden. Sie will Grundrechte nicht beseitigen, sondern weitestgehend auch in Zeiten der Not aufrechterhalten. Daß dies nicht ganz ohne persönliche Opfer abgeht, sollte eigentlich jedem einleuchten. Ich habe mit Absicht keine Vergleiche zu Notstandsregelungen anderer Länder angestellt, weil ich meine, daß wir uns unser Haus so einrichten sollten, wie wir es für richtig halten. Hätte ich Vergleiche angestellt, so wäre ich allerdings zu der Feststellung gekommen, daß die Regierungsvorlage sicherlich dabei nicht schlecht abgeschnitten hätte.Wir sollten unserer jungen Demokratie das geben, was sie zu ihrer Erhaltung nötig hat. Wir sollten, was .die Arbeitnehmerschaft betrifft — damit möchte ich auch eine Bitte an Sie, Herr Minister, richten —, überlegen, ob wir im Rahmen der einfachen Gesetze und der Ausführungsgesetze nicht eine größere Mitverantwortung auch der Arbeitnehmerschaft und ihrer Repräsentanz anbieten sollten. Das könnte sicherlich dazu beitragen, manche psychologischen Barrieren zu beseitigen.Meine Damen und Herren, zum Schluß möchte ich - ich glaube, mit Ihrer aller Übereinstimmung — sagen: Ich bin davon überzeugt, daß in Zeiten der Not gerade auch die Arbeitnehmerschaft unseres Landes mit zu den Treuesten zählen wird.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Kollegen Busse — ich sehe ihn nicht — antworten. Er hat in seinem Diskussionsbeitrag bedauert, daß ich die Gespräche mit der Zwölferkommission, der Mitglieder ,der Fraktionen und des Bundesrats angehörten, unter der Regierung Kiesinger nicht fortgesetzt habe. Ich möchte dazu bemerken, meine Herren von den Freien Demokraten, daß das nicht an mir, sondern an Ihrer Fraktion lag. Ich stütze mich auf eine Meldung der „Frankfurter Rundschau", die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren darf. Laut „Frankfurter Rundschau" vom 27. Januar 1967 ist in Bonn mit Überraschung zur Kenntnis genommen worden, daß sich die Freien Demokraten an den von Bundesminister Lücke angekündigten Gesprächen zur Vorbereitung der Notstandsverfassung nicht mehr beteiligen wollen.
Es heißt hier weiter:
In einem Interview mit der „Neuen Ruhr-Zeitung" erklärte Dorn, es liege in der Verantwortung des Kabinetts, einen Regierungsentwurf vorzulegen.
Dazu hat in meinem Auftrag mein Pressereferent erklärt, der Minister denke nicht daran, jemanden wegen seiner Beteiligung an dieser Zwölferkommission „festzunageln". Das ist der Tatbestand. Ich lege doch Wert auf diese Feststellung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete -Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zufall hat es ge-
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Schmitt-Vockenhausenfügt, daß der letzte Redner des Hauses, mein Gegenkandidat im Wahlkreis, Herr Kollege Zink, hier seine Jungfernrede gehalten hat. Ich darf die Gelegenheit benutzen, ihm meine besten Wünsche dazu zu sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in „Gedanken und Erinnerungen„ können wir die Stelle nachlesen, an der Bismarck im Zusammenhang mit der Emser Depesche sagte, daß aus der Schamade die Fanfare wurde. Bei den Freien Demokraten geht es in diesem Hause immer umgekehrt: erst kommen schrille Fanfarenstöße und dann die Schamade, diesmal durch Herrn Busse, und danach wird die Sache wieder einigermaßen glatt.
Ich habe mich zu Wort gemeldet, um hier noch einiges zu den Fragen des Zivilschutzes zu sagen, die der Herr Innenminister heute morgen in seinen grundsätzlichen Ausführungen angesprochen hat. Herr Kollege Dorn hat behauptet, der Herr Bundesinnenminister habe auf diesem Gebiet gewissermaßen einen Trümmerhaufen geschaffen. Nun, Herr Kollege Dorn, der einzige Trümmerhaufen, der in dieser Beziehung besteht, sind die Finanzen, die Herr Dahlgrün dem Kabinett Kiesinger-Brandt hinterlassen hat.
Es ist natürlich jetzt schwierig, aus dieser Finanzsituation heraus Luft- und Zivilschutz in Ordnung zu bringen, nachdem — und daran ist ja nichts zu ändern — viele Jahre lang auch unter ihrer Verantwortung nicht genug für den Zivilschutz getan worden ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön, Herr Kollege Mende!
Herr Kollege Schmitt, wäre es nicht, da Sie den Stil anderer beklagen, gut, mit gutem Beispiel voranzugehen? Ich frage Sie daher: Bestimmt der Finanzminister neuerdings die Richtlinien der Politik und muß er Ausgabenbeschlüsse seiner eigenen Person verantworten, oder sind es nicht vielmehr Ausgabenbeschlüsse des Deutschen Bundestages und des Kabinetts?
Herr Kollege Mende, der Finanzminister bestimmt nicht die Richtlinien der Politik. Aber nach den vielen Liebeserklärungen an den damaligen Kanzler können Sie doch jetzt nicht von ihm abrücken; da müssen Sie schon auch hier mit ihm in einer Einheitsgemeinschaft bleiben.
Von Art. 113, den Sie nicht angewandt haben, wollen wir gar nicht reden.Nun zur Sache! In der heutigen Debatte, Herr Kollege Dorn, konnte und mußte die Behandlung der Zivilschutzgesetze am Rande erfolgen, weil die Bundesregierung zunächst einmal die Ergänzung des Grundgesetzes und das Durchführungsgesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes vorgelegt hat. Sie hat aber bereits in ihrer Absichtserklärung, die der Herr Bundesinnenminister heute wiederholt hat, versichert, daß im Zusammenhang mit der Behandlung der eigentlichen Notstandsverfassung auch die bereits verabschiedeten sogenannten einfachen Gesetze noch einmal überprüft werden mit dem Ziel, sie an die finanziellen Möglichkeiten anzupassen und sie — das gilt vor allem für die Sicherstellungsgesetze — mit der Verfassungsergänzung in Einklang zu bringen. Wie begrüßen diese Erklärung, weil sie deutlich macht, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien bereit sind, in der Frage der Sicherstellungsgesetze im Rahmen der Beratungen zur Änderung des Grundgesetzes einen Weg zu suchen, der unsere verfassungsrechtlichen Bedenken beseitigt, die wir schon bei der Beratung dieser Gesetze im Jahre 1965 vorgetragen haben.Die Anlage der Grundgesetzergänzung, wie sie jetzt vorliegt, bietet dazu eine gute Möglichkeit. Wir werden uns nun im Herbst nicht nur mit der Frage der Sicherstellungsgesetze, sondern vor allem auch mit dem Ausführungsgesetz zu Art. 12 des Grundgesetzes und mit der Novellierung der Zivilschutzgesetzgebung zu beschäftigen haben.Tch möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal in unser aller Erinnerung zurückrufen, daß die Zivilschutzgesetzgebung der 4. Legislaturperiode vor allem auf die sehr guten Zivilschutzerfahrungen in Schweden, Dänemark und Norwegen zurückgehen und daß wir damals vieles hier beschlossen hatten und verwirklichen wollten, was in diesen Ländern am Ende der 50er und am Anfang der 60er Jahre vorgesehen war. Wir hatten uns im Innenausschuß schon damals besorgt gefragt, ob nach den Vorschlägen der Bundesregierung Bund, Länder und Gemeinden finanziell nicht allzu stark belastet würden. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß "damals im Innen- und im Haushaltsausschuß erhebliche Kürzungen an den vorgeschlagenen Programmen vorgenommen worden sind, Kürzungen, die auch das Plenum des Bundestages gebilligt hat. Es hat sich dann gezeigt, daß die finanzielle Grundlage für die damals entwickelte Gesamtkonzeption nicht vorhanden war, so daß die gesetzgebenden Körperschaften vor der Frage standen, wie nun der Zivilschutz gestaltet werden sollte. Das Haushaltssicherungsgesetz schob das Inkrafttreten der ausgabewirksamen Beschlüsse zunächst einmal bis 31. Dezember 1967 hinaus.Finanzielle Engpässe haben aber auch manchmal ihr Gutes. Sie zwingen dazu, darüber nachdenken, ob das, was manchmal etwas unorganisch gewachsen ist, so bleiben soll und ob man wirklich alles durchführen kann, was man sich einmal vorgenommen hat. Im letzten Jahr haben wir in den skandinavischen Ländern gesehen, daß vieles von den Plänen und Vorstellungen, die man in den 50er Jahren und Anfang der 60er Jahre entwickelt hatte,
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Schmitt-Vockenhausennicht durchgeführt werden kann, weil sich auch dort die finanziellen Möglichkeiten für derartige Programme neben dem Verteidigungshaushalt als begrenzt erwiesen haben.Wir haben daher schon am 9. Dezember 1965 ein Mindestprogramm für den Zivilschutz gefordert, das unter Berücksichtigung der finanziellen Lage des Bundes so aufgestellt werden sollte, daß nur das für den Zivilschutz und die Bevölkerung unbedingt Erforderliche durchgeführt wird. Wir haben schon damals deutlich gemacht, daß der Bund, wenn er kein Geld hat, nicht dadurch einen Ausgleich schaffen kann, daß Länder, Gemeinden, die Wirtschaft und Privatpersonen stärker herangezogen werden, sondern daß er ein Programm aufstellen muß, in dem überall mehr oder weniger Abstriche gemacht werden müssen, wenn es überhaupt durchgeführt werden soll. Es hat lange Verhandlungen gegeben. Daß dem Deutschen Bundestag das Programm heute noch nicht vorliegt — was wir begrüßt hätten —, liegt nicht an dem Innenministerium, sondern daran, daß der Deutsche Bundestag von der Bundesregierung ausdrücklich verlangt hat, daß das Zivilschutzprogramm in die mittelfristige Finanzplanung der Bundesregierung einbezogen wird. Es ist nicht sinnvoll, eine Planung nur für heute und morgen vorzunehmen. Wir müssen eine Zielsetzung für einige Jahre deutlich machen. Ein gestrafftes Programm ist erarbeitet worden. Ich glaube, es ist richtig, in der heutigen Debatte der deutschen Öffentlichkeit und diesem Hohen Haus in wenigen Punkten die Grundzüge dieses Programms zur Kenntnis zu bringen; denn wir wissen, daß das Interesse an diesen Fragen außerordentlich groß ist.Das Gesetz über den Zivilschutz in kreisfreien Städten und Landkreisen wird mit der bisherigen Vorstellung einer sauberen Trennung beim Einsatz von Organisationen bei Katastrophen im Frieden und im Verteidigungsfall aufräumen. Stadt- und Landkreise werden zuständig sein. Dies halten wir wohl alle für richtig; denn sie haben die besten örtlichen Kenntnisse, und sie wissen am besten, wo und was wirklich notwendig ist. So bietet sich die Möglichkeit einer besseren Verteilung der Ausstattung mit Fahrzeugen und Gerät. Ebenso können durch die Zusammenfassung der bisherigen Vielfalt der Organisationen und Einrichtungen einfache, überschaubare und klare Ordnungen geschaffen werden. Wir haben schon oft darauf hingewiesen, daß nicht selten selbst Fachleute mit der Vielfalt der nach und nach gewachsenen Organisationen nicht mehr zurechtkommen.Der Gesetzentwurf wird bei einigen Verbänden gelegentlich kritisiert. Meine Damen und Herren, wir erkennen stets an, daß die humanitären Organisationen, daß die Mitarbeiter des Bundesluftschutzverbandes, des Technischen Hilfswerks, des örtlichen und des überörtlichen Luftschutzhilfsdienstes, deren Arbeit und Einsatzbereitschaft Sie, Herr Minister, heute mit Recht gelobt haben und denen Sie gedankt haben, wertvolle Arbeit leisten. Wir sind sicher, daß sich alle diese Männer und Frauen auch weiterhin von der Sache, der sie sich verschrieben haben, werden leiten lassen. Ich glaube nicht, daß sie die Organisationsform vor die. Sache stellen werden. Niemandem wird die Mitarbeit verwehrt sein. Im Gegenteil, wir sind alle froh und dankbar über jeden, der mitarbeitet und bereit ist, hier zu helfen. Wir sind sicher, daß die Mitarbeiter ihre Tatkraft und ihren Idealismus auch in der einen oder anderen veränderten Organisationsform zur Verfügung stellen werden, von der sie wissen, daß sie zweckmäßiger und vor allem langfristig wirkungsvoller ist.Das Selbstschutzgesetz mit seinen zahlreichen Bestimmungen wird in seiner alten Form nicht mehr in Kraft treten. Niemand wird zur Teilnahme an der Ausbildung im Selbstschutz, zur Verdunkelung oder zur Anschaffung von Vorräten und Brandschutzgeräten verpflichtet werden; die letzten Maßnahmen waren ohnehin immer nur als freiwillige Leistungen vorgesehen. Auch die Einrichtung von Betriebs- und Werkselbstschutz entfällt. Selbstverständlich können die Betriebe freiwillig etwas tun, und im Rahmen der Ausrüstung mit Werksfeuerwehren und anderem geschieht hier vieles.Zunächst soll mit der Aufstellung eines Zivilschutzkorps begonnen werden. Bei den kleinen Aufstellungsprogrammen — jährlich eine Abteilung von etwa 800 bis 900 Mann — können genügend Sanitätsräume und Feuerwehrfahrzeuge bereitgestellt werden. Auch diese Abteilungen können im Frieden für den Katastropheneinsatz zur Verfügung stehen. Kein Angehöriger des Zivilschutzkorps wird eine Waffe tragen. Das Korps soll allein Menschen aus Lebensgefahr retten. Über die Teilnahme entscheidet did Musterungskommission nach Berücksichtigung der Tauglichkeit für Pioniere und Sanitäter. Man muß hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß das eine der Organisationen ist, die unter die Genfer Konvention fallen. Sie gehört damit nicht zum militärischen Bereich, wie es das Gesetz ausdrücklich bestimmt.Das Schutzbaugesetz wird die Ein- und Zweifamilienhäuser wie auch in Dänemark, in Schweden und in anderen Ländern aus der Schutzbaupflicht herausnehmen. Natürlich können hier Schutzräume mit staatlichen Zuschüssen gegebenenfalls gebaut werden. Es gibt aber dafür keine Verpflichtung mehr. Nur noch für Mehrfamilienhäuser, bei denen die Schutzplatzkosten geringer werden, sind entsprechende Maßnahmen vorgesehen. Aber auch diese Kosten sind weitaus geringer. Schulen und Krankenhäuser werden zunächst nicht ausgestattet, obwohl wir bei den Operationsräumen und anderen Behandlungsräumen auf lange Sicht unsere Wünsche und Vorstellungen haben.Damit, meine Damen und Herren, sind auch manche Sorgen der Länder und Gemeinden hinfällig geworden. Ich hoffe, daß die deutsche Öffentlichkeit sieht, daß Bundesregierung und Bundestag sich bemühen, ein Programm zu gestalten, das den veränderten finanziellen Verhältnissen in Bund, Ländern und Gemeinden und auch in der privaten Wirtschaft in der heutigen schwierigen Situation gerecht wird. Wir werden uns dabei entscheidend auf die freiwillige Mitarbeit unserer Bürger, für die es bereits in all diesen Jahren viele Beweise
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Schmitt-Vockenhausengibt, stützen müssen. Wir würden uns freuen, wenn wir damit einen vernünftigen, aber auch finanziell tragbaren Schutz und Hilfe für unsere Zivilbevölkerung für einen Fall schüfen, der hoffentlich nie eintreten wird.In diesem Sinne, glaube ich, ist es gut, wenn in der heutigen Debatte deutlich gemacht wird, daß wir in absehbarer Zeit noch vor der Verabschiedung der Grundgesetzergänzung dem deutschen Volk Klarheit über die finanziellen und materiellen Auswirkungen dieser einfachen Gesetze geben wollen und können.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Schmitt-Vockenhausen, es mag zweifelsohne bei Ihren Parteifreunden sehr eindrucksvoll sein, wenn Sie ihnen immer wieder klarmachen, daß die ganze Finanzmisere von der bösen FDP gekommen sei und daß man jetzt natürlich gut mit der CDU regieren könne, weil dieser schreckliche Finanzminister nicht mehr da sei. Nur glaube ich, in diesem Hause wird das allmählich ein bißchen billig. Wahr ist doch, daß die Ausgabenanträge mehr von Ihrer Seite und von der Mitte dieses Hauses gekommen sind als von der FDP.
Wollen Sie bestreiten, daß Ihre Ausgabenanträge größer waren als die der anderen beiden Parteien?
Das können Sie doch ehrlich nicht tun, Herr Schmitt-Vockenhausen.
— Ich glaube, jetzt fängt es an, wirklich zu billig zu werden, Herr Schmitt. Wahr ist, daß die Mehrheit für die Entscheidungen im Kabinett nicht bei der FDP lag, wahr ist, daß die Richtlinien der Politik der Bundeskanzler bestimmt, und wahr ist — das wissen Sie auch —, daß das Schwert des Art. 113 des Grundgesetzes stumpf ist, weil es nur das „Alles oder nichts" kennt und nicht die Zwischentöne. Deswegen wollen wir ihn ja wohl ändern. Das einzige Schwert, das ein Finanzminister einer kleineren Partei hat, ist der Rücktritt, meine Herren und Damen, und diese Möglichkeit ist angewendet worden.
Sie sollten doch eimmal in der Tat die wirklichen Verhältnisse prüfen. Es ist dieses Hauses in der Tat nicht ganz würdig, so zu argumentieren wie dem kleinen Max gegenüber. Aber da wir keine Finanzdebatte führen — sonst würde ich gern ein bißchen mehr sagen —, will ich es dabei bewenden lassen.Herr Bundesinnenminister, Sie sind heute morgen besonders schnell, und mir schien, besonders geflissentlich, über einen Punkt in der Notstandsgesetzgebung hinweggegangen, zu dem wir in der Tat gern etwas Genaueres und etwas mehr erfahren hätten, weil er mehr als .die Hälfte unserer Bevölkerung betrifft. Ich meine die Arbeitsverpflichtung für Frauen.Alle früheren Entwürfe in diesem Hause, sowohl d'as Notdienstgesetz von Herrn Minister Schröder als auch das Dienstpflichtgesetz von Herrn Minister Höcherl, gingen in ihrer Begründung — und die war wohl gleichlautend — davon aus, daß der Personalbestand in Notzeiten nicht ausreiche und deswegen der Personalbedarf durch andere Mittel als nur über den freien Arbeitsmarkt gedeckt werden müßte. Infolge der Einziehung von Männern werden zweifelsohne neue Arbeitskräfte auf lebenswichtigen Gebieten gebraucht, und die Frage, ob der Bedarf durch anderweitig frei werdende Arbeitskräfte gedeckt werden kann, ist zu diskutieren. Herr Minister Schröder hat seinerzeit besonders darauf hingewiesen, daß in solchen Fällen lein besonderer zusätzlicher Bedarf 'an weiblichen Arbeitskräften entstehen würde.Wir hätten heute morgen, als Sie uns erklärten, daß der jetzige Entwurf von einer Dienstverpflichtung der Frauen absehe und allenfalls nur ein Rückbehaltungsrecht in einigen Gebieten konstituiere, gern gewußt, warum plötzlich dieser Sinneswandel entstanden ist. Er kann aus zweierlei Gründen entstanden sein. Entweder hat man nachgerechnet, daß man die Frauen nicht braucht. Dann hätten wir gern genaueres über die neuen Berechnungen erfahren. Die zweite Möglichkeit — und die wäre sehr erfreulich gewesen, gerade auch in unserem Sinne — hätte sein können, daß Sie uns gesagt hätten: „Ich bin überzeugt, daß alle fehlenden Kräfte durch freiwillige Meldungen ausgeglichen werden und wir deswegen auf eine Dienstverpflichtung von Frauen verzichten können."Meine Herren und Damen, beides ist nicht erfolgt, weder eine begründete Berechnung des tatsächlichen Bedarfs noch etwa ein Hinweis auf die genügend vorhandenen freiwilligen Kräfte. Im Gegenteil: gerade dies hat der Herr Bundesinnenminister heute morgen mit aller Deutlichkeit als nicht gegeben hingestellt. Denn wenn er sogar bezweifelte, daß auf dem Gebiet des Gesundheitswesens aller Bedarf gedeckt werden könnte — und das ist wirklich ein Gebiet, wo die Freiwilligkeit am ehesten zu suchen ist —, dann darf man mit Sicherheit davon ausgehen, daß Sie, Herr Bundesinnenminister, noch viel größere Zweifel daran haben müssen, daß ,der Bedarf etwa im Gebiet der Versorgung — mit Ausnahme der reinen Lebensmittelversorgung —, bis hin zum Kriegsbedarf, gedeckt werden könnte.Sie haben zur Begründung des Verzichts auf die Frauenverpflichtung weder neue Berechnungen noch besonders hohe Freiwilligkeit angeführt, sondern sie haben in aller wünschenswerten Offenheit sinngemäß folgendes erklärt: Hier sind sich die Fraktionen nicht einig, deswegen hat man sich auf
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Frau Funckeden Wegfall geeinigt, aber ich, Bundesinnenminister, habe große Bedenken, es werden da große Schwierigkeiten sein. Da sich das Kabinett nicht geeinigt hat, geben wir die Schwierigkeiten jetzt in die Ausschüsse hinein. Das heißt mit den Worten des Innenministers: Über die Schwierigkeiten müssen wir im Innenausschuß sprechen. So kann man es doch nur interpretieren, Herr Minister Lücke, und ich habe auch in den bisherigen Diskussionen eigentlich nichts gefunden, was dem im Ernst widerspricht.
Wir wollen nun einmal prüfen, was wirklich im neuen Text steht. Die bisherigen Bemerkungen, die so beruhigend ausgestreut wurden, gingen dahin: auf die Frauen wird man verzichten, eine Dienstverpflichtung der Frauen findet nicht mehr statt. So auch das neue Blatt für Frauen aus dem Presse- und Informationsamt, das mit aller Deutlichkeit sagte: auf die Dienstverpflichtung der Frauen können wir verzichten.Wir begrüßen dies, Herr Bundesinnenminister, ganz besonders auf dem Gebiet, für das sich die FDP von allem ersten Anfang an sehr konsequent und hartnäckig eingesetzt hat, nämlich: keine Dienstverpflichtung von Frauen im Verband der Streitkräfte. Insoweit sind wir also sehr erfreut, daß mari sich nun, offensichtlich auch mit Zustimmung des Herrn Bundesverteidigungsministers, der bisher so sehr für die Dienstverpflichtung der Frauen im Verband der Streitkräfte war, dazu bereit gefunden hat, dies abzulehnen.Wir haben nur eine Frage. Statt einer Dienstverpflichtung der Frauen auch im Verband der Streitkräfte bleibt das von Ihnen konzipierte Zurückbehaltungsrecht bestehen, wenn ich es einmal so nennen darf, d. h. das Verbot des Arbeitsplatzwechsels. Das heißt, eine Frau, die bereits in der Bundeswehr an. irgendeinem Platz beschäftigt ist, muß im Ernstfall damit rechnen, daß sie den Arbeitsplatz nicht verlassen darf. Das entspricht im Inhalt, wie es im Augenblick klingt, genau dem, was auch in den interfraktionellen Besprechungen in der letzten Legislaturperiode anklang, nämlich: Frauen dürfen gegen ihren Willen nicht zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet werden.Nur eines, Herr Minister, hätten wir gern gewußt: Bedeutet dieses Zurückbehaltungsrecht, daß die Frau in der Sparte, in der sie tätig ist, d. h. an ihrem Arbeitsplatz zurückbehalten werden darf, oder bedeutet Idas nur eine Verpflichtung zum Dienstherrn, ich meine ein Rückbehaltungsrecht, der Bundeswehr als solcher unabhängig von dem jeweiligen Arbeitsplatz? Hier hätten wir gern etwas Genaueres gehört. Denn den letzteren Fall hatten wir nicht gemeint, als wir im letzten Bundestag einer Einigung nahe waren mit der Verpflichtung nur der Freiwilligen. Wir meinten ein Festhalten an dem Arbeitsplatz und in dem Arbeitsgebiet, zu dem sich die Freiwillige zu verpflichten bereit war.Eine weitere Frage, Herr Bundesinnenminister: Warum ist nun eigentlich Art. 12 Abs. 3 Satz 1 GG gefallen? Das Grundgesetz hat bisher eine eindeutige Sicherung für die Frau gegen eine Dienstverpflichtung in der Bundeswehr, und diese Bestimmung, die verfassungsrechtlich verankert ist, haben Sie gestrichen. Sie sagen dazu in der Begründung: das ist jetzt nicht mehr nötig, weil wir Überhaupt nur noch Wehrpflichtige, d. h. Männer, verpflichten wollen. Wenn Sie es so meinen, halten wir es für richtig, beim alten Text zu bleiben. Denn es erregt immer Verdacht, wenn man etwas ändert, was man nach den mündlichen Aussagen eigentlich beibehalten will. So werden wir uns dafür einsetzen, Herr Bundesinnenminister — und Sie werden dafür Verständnis haben —, daß gar nicht erst der Verdacht aufkommt, hier sei noch etwas hinter dem Busch. Wir meinen Art. 12 Abs. 3 Satz 1 — nämlich Frauen dürfen in den Verband der Streitkräfte nicht gegen ihren Willen verpflichtet werden; das „gegen ihren Willen" wollen wir konzedieren — soll bestehen bleiben. Dann sind Auslegungszweifel nicht mehr möglich.
Nun sollen nach den Erklärungen, die uns gegeben worden sind, nur Männer wehrdienstpflichtig werden können. Ich habe versucht, zu ergründen, ob der Text in der neuen Fassung, die lautet: „Männer können vom vollendeten 18. Lebensjahr an zum Wehrdienst verpflichtet werden", wirklich ausschließt, daß nicht auch Frauen gemeint sein können. Denn dieser Kann-Satz ist im Entwurf die einzige Fassung, die die Dienstpflicht der Frauen ausschließen soll. In meinem juristischem Zweifel habe ich bei mehreren Staatsrechtlern versucht zu klären, ob diese Fassung mit Sicherheit sagt, daß wirklich nur Männer dienstverpflichtet werden können. Aber die Staatsrechtler haben gepaßt. Sie sehen, wenn schon Staatsrechtler Bedenken haben, dann sollte mindestens die Bundesregierung versuchen, diese Bedenken durch eine eindeutige Fassung auszuräumen, damit nicht irgendwelche Verdächtigungen oder Zweifel innerhalb der Bevölkerung bestehenbleiben.Ein dritter Punkt. Sie haben vorgesehen, daß Männer und Frauen am Arbeitsplatz festgehalten werden können. Ich habe für den Bereich der Bundeswehr soeben schon zu klären versucht, was damit im einzelnen gemeint ist. Noch wichtiger erscheint uns das für den Bereich der zivilen Dienste. Denn es muß die Frage gestellt werden: Kann jede Frau festgehalten werden? Wir hatten im Entwurf des früheren Dienstpflichtgesetzes bestimmte Befreiungsgründe: schwangere Frauen, Frauen mit Kindern unter 15 Jahren, Frauen, bei denen zu Hause besondere Verhältnisse vorlagen. Es kann durchaus sein, daß eine Frau, die ein Kind erwartet, noch im Dienst ist. Normalerweise arbeitet sie ja noch bis sechs Wochen vor der Niederkunft. Unter den erschwerten Verhältnissen einer ungewöhnlichen Zeit müßte aber die Möglichkeit bestehen, daß die Frau ihren Dienst aufgeben kann; sie sollte nicht zwangsweise festgehalten werden. Das gleiche gilt für Mütter mit Kindern, die in normalen Zeiten ihre Kinder betreut wissen, aber im Kriege damit nicht mehr rechnen können.Herr Minister, es wäre gut, wenn Sie uns gerade zu diesem Punkt ein bißchen mehr von den Intentio-
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5898 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Frau Funckenen Ihres Gesetzentwurfes gesagt ,hätten, der offensichtlich irgendwo in der internen Beratung des Ministeriums steht. Sie werden uns abnehmen, daß die Frauen gerade in diesem Punkte sehr interessiert sind, nachdem vom Notdienstgesetz über das Zivildienstgesetz bis jetzt zu dieser Fassung mehrfache wesentliche Änderungen vorgenommen worden sind. Wir haben den Eindruck, daß die jetzige Fassung, die schriftliche Begründung und die heutige Erläuterung des Ministers mehr verschweigen als sie sagen, und daß sie verschiedene Möglichkeiten der Interpretation geben und manche Sorge offenlassen.Sie stellen darauf ab — das war von Anfang an unsere Intention —, die Vorrangigkeit der Freiwilligkeit vorzusehen. Aber hier muß doch einmal geklärt werden, wie denn eigentlich der Freiwillige gesichert ist. Ein Mann oder eine Frau ist nicht nur durch das normale Arbeitsrecht sozial gesichert; es geht auch um jene, die in Bereichen tätig sind, in denen es sich nicht um ein normales Dienstverhältnis handelt; ich denke z. B. fan das Rote Kreuz, welche Rechtskonstruktionen und Sicherungen sind vorgesehen für das Sanitätspersonal, das den Sanitätsverbänden freiwillig untersteht, und zwar bei der Ausbildung in Friedenszeiten und beim Einsatz im Ernstfall?Ein letzter Punkt, bezüglich dessen wir sehr besorgt sind, Herr Bundesinnenminister. Die früheren Gesetzentwürfe, das Notdienstgesetz wie das Zivildienstgesetz, haben sich auf Art. 12 Abs. 2 Satz 1 gestützt, der lautet:Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.Dass war ihre verfassungsrechtliche Grundlage. Denn sowohl für dais Notdienstgesetz wie für dass Zivildienstgesetz war expressis verbis keine Grundgesetzänderung vorgesehen. Sie sind auch heute mindestens teilweise noch der Meinung, daß diese Fassung eine Dienstverpflichtung mit umgreifen könnte. Denn in der schriftlichen Begründung des Entwurfes heißt es mit aller wünschenswerten Offenheit:Manches spricht dafür, daß eine derartige Ermächtigung — nämlich zur Arbeitsverpflichtung —bereits im geltenden Satz 1 des Artikels 12 Abs. 2 enthalten ist. Diese Auslegung ist jedoch nicht unumstritten. Um alle Zweifel auszuräumen, ist eine Ergänzung des Verfassungstextes geboten.Ihre Ergänzung des Verfassungstextes zielt auf die Wehrpflichtigen ab. Aber, meine Herren und Damen, wenn es noch umstritten ist, ob man möglicherweise nicht doch mit Art. 12 Abs. 2 Satz 1 dienstverpflichten kann, dann hätten wir gern die Sicherheit, daß Art. 12 Abs. 2 Satz 1 so abgesetzt wird, daß Sie die Frau, wenn Sie sie nicht verpflichten wollen, nicht durch die Hintertür des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 doch noch erreichen können.Sie werden deshalb, Herr Bundesinnenminister, auch verstehen — nach all der Aufregung und all der Sorge, die die Frauen seit idem ersten Notdienstgesetz in der Frage der Arbeitsverpflichtung gehabt haben —, daß wir in diesem unklaren Punkt gern Klarheit hätten, wie im einzelnen die Intentionen sind und wie die Unklarheiten, die in der derzeitigen Fassung zweifelsohne bestehen, behoben werden können.Wir Freien Demokraten haben deutlich gemacht, daß wir mit aller Entschiedenheit gegen die Dienstverpflichtung der Frauen im Verband der Streitkräfte sind. Wir sind aber durchaus bereit, über zivile Notwendigkeitenernsthaft zu diskutieren, auch darüber, ob, wann und wie möglicherweise, wenn die Freiwilligkeit nicht ausreichen sollte — das müßte einmal nachgerechnet werden —, Sicherungen erfolgen können. Nur bitten wir, meine Herren und Damen, dies im Sinne einer absoluten Klärung im Grundgesetz einerseits und mit dem Vorrang der Freiwilligkeit andererseits zu tun.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mir erlauben, im Laufe meiner Ausführungen auf die Bemerkungen meiner beiden Vorredner einzugehen.Herr Professor von Weizsäcker hat hier im Hause bei einem Hearing vor zwei Jahren betont, daß wichtiger als die Entscheidung über die Art des Schutzraumbaus die rücksichtslose und wahrheitsgemäße Orientierung der Bevölkerung über die Gefahren und Wirkungen der modernen Waffen und über die Möglichkeit sei, darauf zu reagieren, um zu überleben. Diese Orientierung der Bevölkerung wurde bisher angesichts des Fehlens einer Notstandsgesetzgebung und der übrigen Gesetze in vorbildlicher Weise vom Bundesluftschutzverband auf der Basis des Zivilschutzgesetzes des -Jahres 1957 geleistet. Der Bundesluftschutzverband hat in diesen zehn Jahren mit etwa 1300 hauptamtlichen Kräften auf Kreis-, Länder- und Bundesebene 51/2 Millionen Menschen angesprochen und ausgebildet. 450 000 Männer und Frauen haben sich darüber hinaus als Mitglieder der Organisation zu ehrenamtlicher Tätigkeit als Ausbilder und Helfer verpflichtet.In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesluftschutzverband haben das Deutsche Rote Kreuz, der Malteserhilfsdienst, der Johanniterhilfsdienst und der Arbeitersamariterbund Ausbildung in Erster Hilfe und Ausbildung von Schwesternhelferinnen geleistet. Ihnen allen möchte ich hier an dieser Stelle für ihre uneigennützige Opferbereitschaft und Ihre von Sorge um die Mitmenschen erfüllte Tätigkeit herzlich danken.
Nicht vergessen darf man dabei auch das Technische Hilfswerk, das über 42 000 Hilfskräfte verfügt. Immer wieder hatten diese Gelegenheit, bei Unglücksfällen und bei Katastrophen, von denen noch kein Jahr verschont blieb, ihr Können und ihre
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Frau Jacobi
Hilfsbereitschaft auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus zu beweisen.Notwendig scheint uns aber, daß auch die vielen Menschen, die sich diesen Fragen bisher verschlossen haben, eine gewisse Schulung und Ausbildung erfahren. Wer nicht Bescheid weiß, reagiert im Ernstfall falsch und sinnlos. Im Grunde genommen wollen die Menschen in der Bundesrepublik orientiert sein; sie haben auch einen Anspruch darauf. Vor drei Wochen konnte sich die Geschäftsstelle des Bundesluftschutzverbandes vor Anfragen und Telefonaten nicht retten. Plötzlich wollte jede Hausfrau Bescheid wissen. In Eile mußte Aufklärungsmaterial über Vorratshaltung nachgedruckt werden. Schon heute ist das alles wieder nicht so brennend. In Wirklichkeit ist es aber heute und jeden Tag genauso aktuell wie vor drei Wochen. Die Probleme sind nicht gelöst, solange die Möglichkeit eines Krieges überhaupt noch besteht. Sowenig wir eine Reglementierung sozialen Tuns wünschen, so notwendig ist es doch, daß alle Vorsorgemaßnahmen auf eine breitere Basis gestellt werden und mehr Bevölkerungskreise erreichen.Das Selbstschutzgesetz des Jahres 1965 ist möglichst schnell zu überprüfen und nach der finanziellen Seite ebenso wie nach den Anforderungen an die Menschen auf eine einfache und praktikable Lösung hin zu untersuchen. Ich habe mir sagen lassen — aber jetzt habe ich es ja von Herrn Schmitt-Vokkenhausen selber gehört —, daß Kolleginnen und Kollegen, die im 4. Bundestag sehr dafür waren, daß alles bis ins kleinste gesetzmäßig und verbindlich für alle zu lösen sei, heute im 5. Bundestag nur noch die Freiwilligkeit bejahren. Die CDU-Fraktion hat von jeher weitgehend die Freiwilligkeit bejaht.
Wir sollten darin aber doch konsequent bleiben. Wir sollten die Vielzahl der Organisationen, die ihre Arbeit mit soviel Elan und Sachverstand betrieben haben, am Leben erhalten. Wir sollten es den Menschen freistellen, auf welchem Arbeitsfeld sie sich betätigen wollen. Das gilt für die Wohlfahrtsverbände, für die Krankenpflegeverbände, aber auch für das Technische Hilfswerk und für die Freiwilligen Feuerwehren.Die Unruhe im Bundesluftschutzverband, von der wir gestern in der Fragestunde ein Beispiel aus Bayern zu hören bekamen — was ich aber auch für Nordrhein-Westfalen bestätigen kann —, wurde hervorgerufen — —
— Nein, hervorgerufen wurde diese Unruhe durch Absichten, die anscheinend in den Ministerien und im Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz diskutiert und dann in die Bevölkerung hineingetragen worden sind. Herr Schmitt-Vockenhausen, ich habe die Konzeption, die Sie heute quasi als neues Gesetz vorgetragen haben, jetzt eben erst in der Ausführlichkeit gehört. Ich bin der Auffassung, daß Kommunalverbände nicht schlechthin die Arbeit des Bundesluftschutzverbandes übernehmen können. Selbstverständlich sind die Verbände bereit, sinnvoll mit der Gemeindeverwaltung zusammenzuarbeiten. Das haben sie bisher auch getan. Es wäre aber verkehrt, auch nur einen der Verbände zu zerschlagen oder in seine inneren Angelegenheiten hineinzuregieren.Die Gemeinde kann, wenn 'ein Selbstschutzgesetz in Kraft tritt, die betroffenen Bürger zur Schulung auffordern. Die Schulung selbst sollte man den bewährten Kräften des Bundesluftschutzverbandes vorbehalten.Der Bedarf an Krankenschwestern, der schon heute nicht gedeckt ist, wird in der Stunde der Not noch größer sein. Aber die Tatsache, daß 62 000 Frauen und Mädchen
Schwesternhelferinnen-Kurse mitgemacht haben, läßt darauf schließen, daß sich im Falle der Gefahr Frauen in genügender Zahl freiwillig zu diesem Dienst melden werden. Der Gesetzentwurf vertraut darauf. Auch wir hegen keinen Zweifel an der Einsatzbereitschaft der Frauen. Mit den Möglichkeiten der organisatorischen Durchführung und den Fragen, die dabei entstehen, sollte sich allerdings zunächst der Innenausschuß befassen.Ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Bundesrepublik ist von Frauen besetzt. Darum erscheint es mir verständlich, daß in Art. 12 Abs. 3 kein Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht worden ist. Es ist aber ausdrücklich festgelegt, daß nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesezes die Freiheit, die Ausübung des Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, eingeschränkt werden kann. Daß dieses Gesetz eine Differenzierung zwischen Frauen und Männern bringen muß, scheint mir selbstverständlich zu sein. Genauso selbstverständlich 'erscheint es, daß dabei auf die familiären und auf die gesundheitlichen Verhältnisse der Frauen besondere Rücksicht zu nehmen ist.Es kann nicht Sinn einer ersten Aussprache sein, verehrte Frau Kollegin Funcke, die Dinge so zu diskutieren, als ob dieses Gesetz schon vorläge. Darum möchte ich darauf verzichten, in größerer Breite auf sie einzugehen.Dagegen scheint mir ein anderer Punkt sehr wichtig zu sein. In der Bundesrepublik ist das Luftwarnsystem wiederhergestellt, verbessert und ausgebaut worden. Wenn bei uns die Sirenen probeweise oder auch versehentlich ertönen, fragt sich mancher Mensch, was geschehen soll, wenn es einmal Ernstfall wäre. Mütter mit Kindern, alte Menschen und unsere Jugendlichen haben einen Anspruch auf Schutzräume im Hause, genauso wie der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz. Schutzräume sind die erste notwendige Antwort auf die Bedrohung durch die moderne Waffenentwicklung. Wir lehnen den Krieg ab. Es gibt keine politische Frage, die nicht mit friedlichen Mitteln gelöst werden könnte, und jede politische Frage sollte mit friedlichen Mitteln gelöst werden. Aber leider liegt diese
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Frau Jacobi
Bedrohung — und vor drei Wochen vor den TorenEuropas — immer noch im Bereich des Möglichen.Aus dem Selbstschutzgesetz des Jahres 1957 wurde der Bau von Schutzräumen bis zum Jahre 1959 ausgeklammert, und es erfolgte dann nichts. Das beschlossene Schutzraumbaugesetz des Jahres 1965 wurde schon nach einigen Wochen durch das Haushaltssicherungsgesetz auch um zwei Jahre verschoben. Was inzwischen an Wiederherstellung von Bunkern in .einem Vorabprogramm im Bau von Mehrzweckräumen, Tiefgaragen usw. geschehen ist, ist unbestritten gut, aber leider viel zu wenig und in ausreichendem Maße betrieben, für unsere finanzielle und politische Situation zu teuer. Was wir brauchen, sind Schutzräume in Wohnbauten.Der Deutsche Bundestag sollte sich entschließen — oder die Bundesregierung sollte sich entschließen —, .das Schutzraumbaugesetz völlig neu zu konzipieren und den heutigen Möglichkeiten anzupassen. Mit einer Summe von 30 bis 50 Millionen DM pro Jahr müßte es gelingen, Häuser mit mehreren Wohnungen, die im sozialen Wohnungsbau gebaut werden, mit Schutzräumen auszustatten, von deren Kosten dann 25 bis 40 % vom Bund getragen werden könnten. Die Wohnungen, die nicht im sozialen Wohnungsbau, sondern privat erstellt werden, könnten durch Steuerermäßigung begünstigt werden. 750 000 bis 1 Million Menschen könnten in einem Jahr mit Schutzräumen versorgt werden. Natürlich werden wir sagen: Was bedeutet .das bei einem Volk von etwa 60 Millionen? Es ist nur ein Anfang. Aber ein Anfang muß einmal gesetzt werden, und es muß damit gleichzeitig ein Anreiz geboten werden, auch für schon bestehende Wohnhäuser Schutzräume zu errichten. Dann würde in Zukunft diese Vorsorge auch schneller vor sich gehen können. Wichtig scheint uns aber, daß es wirkliche Schutzräume sind und nicht nur trümmersichere Kellerdecken.
Die Bundesregierung sollte die kommenden Monate dazu benutzen, dem Parlament ein neues Gesetz für den Schutzraumbau — fast möchte ich sagen es könnte ein Mini-Gesetz für den Schutzraumbau sein — vorzulegen. Aber es müßte uns vorgelegt und es müßte so schnell wie irgend möglich in Kraft gesetzt werden. Ebenso wäre das Selbstschutzgesetz auf ein realisierbares Mindestmaß zurückzuführen. Was uns am meisten fehlt, ist Schulung und Orientierung sowohl durch die Regierung als auch durch den Bundesluftschutzverband, damit ein Anreiz geschaffen wird, sich mit Material und Instrumenten für die Stunde der Not zu versorgen. Die „Aktion Eichhörnchen" sollte wieder belebt und propagiert werden. Sorgen und Schrecken und Widerstand gegen alle Vorsorgemaßnahmen würden verschwinden, wenn wir von den Reden und dem Zerreden dieser Aufgabe in den letzten zehn Jahren zu Taten schritten, um das, was wir tun können und tun müssen, konsequent zu tun.Weder der Bundeshaushalt noch die Privatsäckel noch die seelischen und physischen Kräfte der Menschen würden dabei überfordert werden. Aber das, was bisher geschaffen wurde, alle Arbeiten und dasGeld, was da schon investiert ist, sollten nicht umsonst aufgewandt worden. sein. Wir können es nur dann zu einem wirksamen Schutz für die Bevölkerung ausbauen, wenn wir jetzt konsequent zu den Gesetzen und auch zu ihrer Ausführung kommen können.
Verehrte Frau Kollegin Jacobi, im Präsidium waren Zweifel aufgetaucht, ob Ihre Ausführungen im Sinne der Geschäftsordnung zur ersten Lesung der Vorlagen gehörten. Nun, die Sache ist hiermit erledigt.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Funcke hat die sehr wichtige Frage der eventuellen Dienstverpflichtung der Frauen angesprochen, eine Frage, von der wir alle wissen, daß sie sehr wichtig ist, daß sie weite Kreise unserer Bevölkerung, insbesondere natürlich die Frauen selbst, bewegt. Sie haben in diesem Zusammenhang .an den Herrn Bundesinnenminister eine Reihe von Fragen gerichtet. Ich möchte versuchen, Frau Kollegin Funcke, in Kürze wenigstens die Fragen, die ich für die wichtigsten halte, hier zu beantworten. Wir sind sehr gern bereit, auf die einzelnen Fragen in den Ausschußberatungen zurückzukommen. Ich darf auch allgemein sagen, Frau Kollegin Funcke wie auch Frau Kollegin Jacobi — Sie haben sich ebenfalls dazu geäußert —, wir sind uns darüber im klaren — wenn ich an Ihre Worte, Frau Kollegin Funcke, anschließen darf —, daß bei der im Regierungsentwurf vorgeschlagenen Regelung natürlich eine Reihe von Fragen, wenn Sie wollen, offenbleiben bzw. sich ergeben.Ich glaube nicht, daß der Vorwurf berechtigt ist, den Sie gegenüber dem Regierungsentwurf geäußert haben, die dort enthaltene Regelung sei unklar. Klar und eindeutig ist sie wohl. Der Herr Bundesinnenminister hat vorhin in seinen einleitenden Ausführungen die Auffassung der Bundesregierung noch einmal dahin zusammengefaßt, daß die Dienstverpflichtung — das entspricht auch dem Text des Ihnen vorgelegten Entwurfs — auf Wehrpflichtige, d. h. auf Männer beschränkt wird. Dies ist eine klare Entscheidung der Bundesregierung die dem Entwurf zugrunde liegt.Nun zum nächsten Punkt, den Sie mit Recht erwähnt haben: der Möglichkeit des Festhaltens am Arbeitsplatz, die sich auch auf Frauen erstreckt. Das ist eine klare Situation. Es wird Sache des Hauses sein, über die Konsequenzen, die sich aus diesem Vorschlag der Regierung ergeben, ebenso wie über alle anderen zu sprechen. Die Bundesregierung und der Bundesinnenminister sind aber nicht der Auffassung, Frau Kollegin, und haben damit auch nicht zum Ausdruck bringen wollen: Nun soll mal der Innenausschuß die Fragen, die sich selbstverständlich daraus ergeben, klären und weiter verfolgen.
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Parlamentarischer Staatssekretär BendaVielleicht war das so gemeint, als ob die Verantwortung für die Regelung dieser Fragen den beteiligten Ausschüssen dieses Hauses zugeschoben werden sollte. Ich darf zu diesem Punkt darauf aufmerksam machen, daß der Herr Bundesinnenminister selber bei den Beratungen im Bundeskabinett vorgeschlagen hat — und das Kabinett hat entsprechend beschlossen —, zur Behandlung der sich aus der Entscheidung der Regierung in diesem Punkt ergebenden Fragen eine Regierungskommission, bestehend aus den Herren Bundesministern für Arbeit und Sozialordnung, für das Post- und Fernmeldewesen, für Verteidigung und selbstverständlich auch aus dem Bundesinnenminister selbst, zu bilden. Diese unmittelbar auf Grund ihrer Ressortzuständigkeit beteiligten Minister und Ministerien werden also auf der Ebene der Regierung sich zunächst einmal weiterhin über die Fragen Gedanken machen und zu gegebener Zeit die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, dem Hohen Hause und seinen Ausschüssen vortragen.Die Fragen, um die es sich handelt, sind in den Ausführungen von Frau Kollegin Jacobi zum Teil schon angeklungen, und zwar mit vollem Recht. Natürlich muß man überlegen, wie die Situation rein zahlenmäßig ist, welche Möglichkeiten gegeben sind und vielleicht noch gefunden werden können, über das bisher Geschehene hinaus an die Freiwilligkeit nicht erst im Ernstfall zu appellieren, sondern auch insoweit rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Dankenswerterweise hat Frau Kollegin Jacobi darauf hingewiesen, daß hier schon eine Menge geschehen ist. Daß durch die Tätigkeit des Bundesinnenministeriums 62 000 freiwillige Helfer auf dem Gebiet der Krankenpflege gefunden worden sind, ist immerhin ein, wie mir scheint, beachtlicher Erfolg. Frau Kollegin Jacobi hat das bereits anerkannt. Ich kann mich dieser Anerkennung nur anschließen.Aber es gibt eine Fülle von praktischen Fragen, über die ich jetzt im einzelnen gar nicht sprechen kann. Wir werden Gelegenheit haben, uns eingehend damit zu beschäftigen. Sie haben eine Reihe von Rechtsfragen aufgeworfen, die ich ganz kurz beantworten möchte.Wie verhält es sich mit der bisherigen Regelung nach Artikel 12 Abs. 3 des Grundgesetzes, der besagt, daß Frauen nicht zu einer Dienstleistung im Verband der Streitkräfte verpflichtet werden können? Sie haben die Frage aufgeworfen, ob die Weglassung dieses Satzes, der ja in der jetzigen Fassung des Regierungsentwurfs nicht auftaucht, etwa bedeute, daß man an eine solche Möglichkeit doch denke. Die Antwort ist eindeutig: nein. Dieses Nein, Frau Kollegin Funcke, gilt ganz sicherlich nach der Absicht, die dem Regierungsentwurf zugrunde liegt, auch nach meiner persönlichen juristischen Überzeugung und auch nach der juristischen Interpretation dessen, was Ihnen als gedruckter Text vorliegt. Wir glauben im Gegenteil — Herr Minister Lücke hat das bereits in seiner Begründung erwähnt —, daß durch eine Bestimmung, die ausdrücklich sagt, daß Frauen nicht zu Dienstleistungen im Verband der Streitkräfte herangezogen werdenkönnen, eher Grund zur Verwirrung geschaffen würde, wenn man nämlich überliest, daß Frauen — was sich doch ausdrücklich aus der Formulierung des Regierungsentwurfs ergibt — nicht nur nicht im Verband der Streitkräfte oder wo immer sonst, sondern eben überhaupt nicht dienstverpflichtet werden können. Bei dieser ganz allgemeinen Formulierung bedarf es nach unserer Auffassung keiner besonderen Hervorhebung dessen, was im geltenden Recht enthalten ist — in Art. 12 Abs. 3 — und was in seinem .sachlichen Gehalt nicht geändert werden soll. Ich wiederhole also: Es ist die Absicht des Regierungsentwurfs — und es kommt darin, wie wir meinen, auch juristisch präzise zum Ausdruck —, daß eine Heranziehung von Frauen weder im Verband der Streitkräfte noch anderweitig im Wege der Dienstverpflichtung möglich sein soll.Sie haben weiter die Frage aufgeworfen, ob beabsichtigt sei, was das Verbot des Arbeitsplatzwechsels betrifft, daß etwa jede Frau festgehalten werden kann. Sie haben z. B. auf das Problem der jungen Mütter und ähnliche Fälle hingewiesen, bei denen evident ist, daß ein Festhalten nicht oder höchstwahrscheinlich nicht möglich ist. Die Antwort auf Ihre Frage, Frau Kollegin, ist selbstverständlich nein. Selbstverständlich kann nicht jede Frau festgehalten werden. Sie haben selbst mit Recht auf den früheren Entwurf eines Dienstleistungsgesetzes hingewiesen, der diese Fragen im einzelnen geregelt hat. Dies sind Dinge, die der Regelung des einfachen Gesetzes vorbehalten bleiben müssen und die nicht in der Verfassung — etwa in Art. 12 — geregelt werden können. Die Absicht der Bundesregierung geht natürlich in die Richtung, diese Fälle so zu regeln, daß Härten vermieden werden. Darüber werden wir uns in diesem Hause in den Intentionen sicherlich völlig einig sein.Schließlich zur letzten Frage, die ich noch von mir aus erörtern möchte. Sie werfen die juristische, verfassungsrechtliche Frage auf, ob Art. 12 Abs. 2 Satz 1 nicht doch eine Art Grundlage für Dienstverpflichtungen sein könne, weil es in der Tat — und ich bestätige Ihnen das — früher einmal die Rechtsmeinung gegeben hat, die entsprechende Bestimmung des geltenden Verfassungsrechts, daß Dienstverpflichtungen im Rahmen der allgemein herkömmlichen, für alle gleichen Dienstverpflichtungen möglich sind, sei eine Grundlage für Dienstverpflichtungen in dem Rahmen, über den wir im Augenblick reden. Über diese juristische Frage hat sich streiten lassen, und darüber läßt sich auch heute noch streiten, da der Text des Grundgesetzes, bis wir ihn im Rahmen der Notstandsverfassung ändern, ja noch geltendes Verfassungsrecht ist. Ich möchte aber sagen, daß die Hinzufügung des zweiten Satzes im gleichen Absatz, der regelt, was nach unserer Auffassung für Zwecke der Verteidigung im Wege der Dienstleistung erfolgen kann, eindeutig klarstellt, daß nach den Absichten des Verfassungsgebers oder des Verfassungsergänzers, wenn er die Verfassung in diesem Sinne ergänzt, eine Dienstverpflichtung auf den zweiten Teil des Absatzes, aber nicht auf den Satz gestützt werden kann, auf den Sie sich bezogen und hinsichtlich dessen bisher gewisse Zweifel
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5902 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Bendaoder Meinungsverschiedenheiten juristischer Art möglich sind.Ich meine, daß man sich über diese und manche anderen Fragen im Rechtsausschuß und anderswo unterhalten kann. Mir lag aber daran, diese Fragen wenigstens noch im Ergebnis darzustellen. Was dazu im Juristischen zu tun sein mag, darüber mögen wir uns bei späterer Gelegenheit noch verständigen. Ich glaube also, Frau Kollegin Funcke, daß wir in der Sache selbst nicht zu weit auseinander sind. Ich glaube, daß wir für das, was uns in den Sachfragen gemeinsam bewegt, die treffenden juristischen Formulierungen entweder bereits gefunden haben oder, falls Sie anderer Meinung sein sollten, sie in Zukunft noch finden werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz das Wort ergreifen, und zwar nur aus einem einzigen Grund. Ich will überhaupt nicht zum Text der Gesetze, die uns hier vorliegen, sprechen, sondern eigentlich nur zu gewissen atmosphärischen Dingen, die uns in den letzten Tagen und Wochen hier alle etwas beunruhigt haben.
Ich finde, daß, wenn wir jetzt — was ich sehr begrüße — die Hearings durchführen und u. a. die bekannten entschiedenen Gegner der Entwürfe wie Herrn Professor Ridder und Herrn Professor Kogon hier hören, dann vorweg eine Bereinigung der Atmosphäre in dem Sinne erfolgen müßte, daß gewisse Ursachen beseitigt werden, die, wie ich glaube, zu entscheidenden Mißverständnissen zwischen den so auseinanderstrebenden Parteien geführt haben. Ich habe in den letzten Tagen herausgespürt, daß der Komplex der Vorbehaltsrechte der Alliierten, ihr Verhältnis zum Grundgesetz, die Ausübung dieser Vorbehaltsrechte, die den Alliierten im Deutschland-Vertrag eingeräumt sind, durch deutsche Stellen, wo man nicht so ganz genau weiß, ob die Handhabung noch den Vorschriften unseres Grundgesetzes entspricht, das ist, was den Argwohn bei diesem und jenem erregt und ein Klima hervorgerufen hat, welches gerade auch im Zusammenhang mit den Vorkommnissen der letzten Wochen so überhitzt vor. Im Laufe der Beratungen über diese Gesetze müssen die Verhältnisse, wie sie bisher faktisch gewesen sind, völlig offen klargelegt werden. Wenn das Mißtrauen nicht ausgeräumt wird, reden wir immer aneinander vorbei und werden wir nie zu einer gemeinsamen Auffassung oder auch nur zu sich annähernden Auffassungen in dieser schwierigen Frage kommen.
Das ist das einzige, was ich sagen wollte. Ich sage es deshalb, weil ich von so vielen; hauptsächlich von Jugendverbänden, ganz dringend gebeten worden bin, mich mit aller Entschiedenheit gegen dieses Gesetzgebungswerk zu wenden, von dessen Richtigkeit im Prinzip ich mich besonders durch die Ausführung des Kollegen Hirsch habe überzeugen
lassen. Ich kann seine Ausführungen nur unterschreiben.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zu der Ausschußüberweisung. Die beiden Vorlagen Drucksache V/1879 und Drucksache V/1880 sollen nach dem Vorschlag des Ältestenrats an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Innenausschuß — mitberatend — überwiesen werden. Andere Ausschüsse können sich gegenüber dem federführenden Ausschuß gutachtlich äußern. — Ich höre gegen diesen Vorschlag keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 41 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurÄnderung des Gewerbesteuergesetzes — Drucksache V/1867 —Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an den Finanzausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen — mitberatend — zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 55 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1966 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages— Drucksachen V/1825, V/1926 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. KlepschIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Er wünscht das Wort nicht.Ich eröffne die Aussprache. Wir das Wort zur Aussprache über den Bericht des Verteidigungsausschusses zum Bericht des Wehrbeauftragten gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. — Meine Damen und Herren, ich werde soeben davon unterrichtet, daß wohl das Bedürfnis besteht, etwas zu diesem Punkt zu sagen, daß aber die Kollegen, die dieses Bedürfnis haben, im Augenblick nicht im Saal sind.
— Sie sind also auf dem Wege.
Dann wollen wir den Punkt 2 aus der Liste der Zusatzpunkte vorwegnehmen. Das ist schnell geschehen. Ich rufe also auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses über den von der Bundesregierung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EAG für eine Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagen-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Juni 1967 5903
Vizepräsident Dr. Mommerbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden— Drucksachen V/1799, V/1982 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-VokkenhausenDas Wort wird nicht gewünscht.Der Bundestag soll nach dem Vorschlag des Ausschusses die Verordnung zustimmend zur Kenntnis nehmen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlosssen.Wir kommen nun wieder zurück zu dem Punkt 55 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1966 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages— Drucksachen V/1825, V/1926 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. KlepschDer Herr Berichterstatter hat das Wort. — Ich korrigiere: Herr Dr. Klepsch hat nicht als Berichterstatter das Wort; er spricht als Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion. Bitte, Herr Dr. Klepsch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union begrüßt es, daß es dieses Jahr in einer sehr kurzen Zeitspanne möglich gewesen ist, den Bericht des Wehrbeauftragten zu beraten und hier dm Plenum zur Erörterung zu stellen. Wir haben es bedauert, daß in den zurückliegenden Jahren technisch-organisatorische Schwierigkeiten die Beratung etwas sehr weit hinausschoben. Wir hoffen, daß sich der gute Brauch, der dieses Jahr begonnen hat, in den künftigen Jahren fortsetzt. Denn wir meinen, es ist notwendig, daß das Parlament diesen Lagebericht über die Probleme und Schwierigkeiten, die aus der Bundeswehr an den Wehrbeauftragten herankommen und die dann, mit seinem Votum versehen, im Verteidigungsausschuß gemeinsam mit den Beauftragten des Ministeriums beraten werden, so schnell wie möglich berät und daß die Erkenntnisse so schnell wie möglich an die Truppe weitergegeben werden. Wir begrüßen also, daß der Bericht dieses Jahr so schnell beraten werden kann.Dies liegt zu einem Teil daran, daß der Herr Wehrbeauftragte eine neue, den Wünschen des Ausschusses entsprechende Form gewählt hat. Wir sind in völliger Übereinstimmung mit dem Herrn Wehrbeauftragten darin, daß der Bericht, den er uns hier vorlegt, in dieser neuen Form gestaltet werden soll. Es soll sich dabei eben nicht nur um eine Aufzählung von negativen Einzelbeispielen handeln, sondern der Bericht des Wehrbeauftragten hat sich durch drei kardinale Erkenntnisquellen auszuzeichnen.Der Bericht hat uns erstens einen Durchblick durch die Probleme der Bundeswehr zu verschaffen. Das ist in diesem Jahr ganz ausgezeichnet gelungen.Zweitens haben wir in der Vergangenheit immer wieder zu beklagen gehabt, daß mißverständliche Betrachtungen über die Arbeit des Wehrbeauftragten und die Institution als solche dadurch hervorgerufen wurden, daß in der Publizistik Einzelbeispiele, die diesem Bericht zwangsläufig als Erkenntnisquelle beigefügt waren, zum Hauptinhalt der Betrachtung der Lage der Bundeswehr im Hinblick auf diesen Bericht geworden sind. Der Herr Wehrbeauftragte hat sich diesmal mit unserer völligen Zustimmung dazu entschlossen, diese Einzelbeispiele jeweils in eine Gesamtbetrachtung der Problematik einzufügen.Ferner begrüßen wir die neue Aufgliederung des Berichts, die dem Hohen Hause die Möglichkeit verschafft, Erkenntnisse über die Hauptprobleme, die die Bundeswehr beschäftigen, zu gewinnen. Vor wenigen Wochen haben wir hier über den vorletzten Bericht des Wehrbeauftragten gesprochen. In der nachfolgenden Diskussion über diesen Bericht sind in der Publizistik zum Teil auch kritische Kommentare zu den vom Ausschuß mit dem Wehrbeauftragten vereinbarten Richtlinien über seine Arbeit als Hilfsorgan des Parlaments geschrieben worden. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß es sowohl die Meinung des Wehrbeauftragten wie die meiner Kollegen, wie die des ganzen Ausschusses gewesen ist, daß wir mit diesen Richtlinien für seine Tätigkeit als Hilfsorgan des Parlaments endlich eine Präzisierung seiner Stellung herbeigeführt haben, daß es niemandem darum ging, Einschränkungen vorzunehmen, sondern daß wir — und das, glaube ich, hat sich in der weiteren Tätigkeit schon sehr nützlich niedergeschlagen — hier einen Weg gefunden haben, der es uns ermöglicht, die einzelnen Verantwortlichkeiten und Verfahrensweisen so korrekt wie möglich zu gestalten.Die Berichterstattung kann sich nicht auf die Details erstrecken. Aber ich möchte doch folgende Dinge hervorheben.Erstens zeichnet sich dieser Bericht nicht nur durch eine gute Analyse und einen Einblick in manche Probleme aus, er enthält auch eine Reihe sehr guter Vorschläge. Wir haben deshalb in unserem Beschlußantrag ausdrücklich und — das, glaube ich, kann ich für meine Kollegen sagen — sehr gern darauf verwiesen, daß diese Vorschläge vom Ministerium für Verteidigung sorgfältig geprüft und nach Möglichkeit in Betracht gezogen werden sollen.Zum zweiten hat sich auch bei diesem Bericht die Frage von Bildung und Ausbildung als das zentrale Problem herausgestellt. Die großen Fortschritte, die an einigen Stellen dieses Berichts sowohl beim jüngeren Offizierskorps wie auch beim Unteroffizierskorps vom Wehrbeauftragten ausdrücklich attestiert wurden, sind seines und unseres Erachtens darauf zurückzuführen, daß Bildung und Ausbildung immer mehr vervollkommnet werden.Nun wäre es nicht richtig, nicht darauf zu verweisen, daß die Betrachtung eines solchen Berichts eine Erscheinung vor unser aller Auge rückt, die wir jedes Jahr wieder haben werden, nämlich daß
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Dr. Klepsches noch Schwierigkeiten, Mißstände, Probleme in der Bundeswehr gibt. Wie jeder Organismus unseres Staatsapparats wie unserer Gesellschaft wird die Bundeswehr auch durch die sorgfältigen Anstrengungen, alle Fehlerquellen auszuschalten, nicht daran vorbeikommen, daß solche Mitteilungen festzuhalten sind. Aber ich möchte doch ausdrücklich sagen, daß wir dankend empfunden haben, wie sehr man sich darum bemüht, erkannte Fehlerquellen abzustellen und Problemen zu Leibe zu rücken. Ich möchte deshalb ausdrücklich hervorheben, daß dieser Bericht, der uns in der Drucksache V/1926 zur Zustimmung empfohlen wird, ein Dokument ist, das geeignet ist, jedem von uns Erkenntnisse über die Lage der Bundeswehr zu verschaffen.Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ganz sicher ist eine Fülle von Punkten in diesem Bericht enthalten, die uns nachdenklich stimmen müssen. Ich will nur zwei davon herausgreifen.Das eine ist der Hinweis des Wehrbeauftragten darauf, daß das Beschwerderecht noch immer nicht die richtige Anerkennung, die richtige Stellung gefunden hat. Ich glaube, daß die Richtlinien, die das Ministerium für Verteidigung für den Verkehr mit der Institution des Wehrbeauftragten an die Truppe gegeben hat, schon sehr nützlich gewesen sind und sehr gut gewirkt haben. Ich glaube aber, daß diese ganze Problematik auch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden muß, daß verbesserte Ausbildung, verbesserte Kenntnisse über diese Fragen hier abtragen werden, was noch an Schwierigkeiten besteht.Ein Zweites — und das müssen wir ganz ernst nehmen — ist die Darlegung des Wehrbeauftragten über das Problem des sogenannten Gammelns. Es kehrt wieder als ein Problem, das von der Öffentlichkeit auf die Armee hin in der Diskussion ebenso ausgestrahlt wird, wie es von der Truppe selber zur Erörterung gestellt wird. Ich glaube, es ist sehr gut, daß in dem Bericht auch einmal die verschiedenen Kennzeichnungen für dieses „Gammeln" aufgezeichnet worden sind und damit sichtbar gemacht worden ist, daß mit diesem Begriff auch sehr vieles bezeichnet wird, was gar nicht „Gammeln", sondern durchaus ernste Anstrengung, Wiederholung — vielleicht ermüdende Wiederholung — von notwendigen Verhaltensweisen oder Übungen ist. Aber wir sind uns darüber klar, daß es wegen des noch immer vorhandenen Fehlbestandes bei Offizieren und Unteroffizieren für die Truppe sehr schwierig ist, jeweils die notwendige Zahl geeigneter Führungskräfte für die Ausbildung bereitzuhalten. Es ist deshalb richtig, daß der Herr Wehrbeauftragte dankbar die großen Anstrengungen und Leistungen anerkannt hat, die gerade das Offiziers- und das Unteroffizierskorps hier erbracht haben.Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend sagen: Wir danken dem Wehrbeauftragten für diesen Bericht, wir pflichten dem Antrag des Ausschusses voll bei und bitten Sie, diesem Antrag zuzustimmen.Ich möchte schließen, indem ich der Hoffnung Ausdruck gebe, daß wir in künftigen Jahren die Möglichkeit haben werden, auf dieser Form des Berichts aufbauend jeweils auch vergleichende Querschnitte durch die Bundeswehr und ihre Probleme von Jahr zu Jahr anzustellen. Das wird, glaube ich, uns und der Bundeswehr nützlich sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern und auch den Berichterstattern für ihre gewiß nicht einfache Arbeit danken. Ich kann mir vorstellen, daß die Aufdeckung von Mängeln, Lücken oder Schwächen, auf die in diesem Bericht aufmerksam gemacht wird, nicht immer sehr einfach ist. Der Hinweis auf Mängel oder Schwächen ist, wie der Wehrbeauftragte in seinem Bereich betont, nicht als Mißtrauen gegenüber der Bundeswehr zu werten; vielmehr können Mängel nur dann beseitigt werden, wenn sie erkannt sind. So gesehen, ist also dieser Bericht eine echte Hilfe für die Bundeswehr, und wir haben die Hoffnung, daß auch das Bundesverteidigungsministerium aus ihm die entsprechenden Konsequenzen zieht.Lassen Sie mich auf einige wenige Punkte in diesem Bericht eingehen, die mir besonders bedeutsam erscheinen. So schreibt der Wehrbeauftragte, wie schon Herr Dr. Klepsch aufzeigte, von den zahlreichen an ihn herangetragenen Klagen über „Leerlauf im Dienst", über „Gammeldienst" und „Beschäftigungstherapie". Das sind nach unserer aller Ansicht sehr schwerwiegende Klagen. Das weitverbreitete Gefühl des Unausgefülltseins und der Unlust ist sicherlich ein schweres psychologisches Handikap, das sogar geeignet ist, die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ernsthaft zu gefährden. Ich bezweifle, daß man allein durch Appelle an die Phantasie und den Einfallsreichtum der Kommandeure oder der Kompaniechefs der Einförmigkeit des Dienstes entgegenwirken kann.Die Schwierigkeiten sind in der Struktur unseres gegenwärtigen Wehrdienstsystems begründet. Die politische Führung der Bundeswehr muß sich zu einer Radikalkur entschließen. Die ausbildenden Offiziere und Unteroffiziere können ihren Aufgaben nur dann gerecht werden, wenn ihre Zahl zu der der auszubildenden Wehrpflichtigen in einem vernünftigen Verhältnis steht. Bisher haben wir aber immer noch einen erheblichen Fehlbedarf an Ausbildern. Die Kompaniechefs tun zwar ihr bestes, sind aber in allen Fällen überfordert. Eine Lösung kann nur dadurch gefunden werden, daß man die Zahl der auszubildenden Wehrpflichtigen herabsetzt und sie dadurch dem Ist-Bestand an Ausbildern anpaßt. Erst dann wird es möglich sein, daß sich die Offiziere und Unteroffiziere dem einzelnen Wehrpflichtigen und seiner Ausbildung in einem ausreichenden Maße widmen.Die Freien Demokraten haben einen Weg aufgezeigt, wie man durch Herabsetzung der Wehr-
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Jungdienstzeit auch die zu hohe Quote — etwa 47 % — an Wehrpflichtigen in der Bundeswehr vermindern kann. Wenn Soldaten dem Wehrbeauftragten berichten, sie würden nach Abschluß ihrer Grundausbildung häufig für die restlichen 15 Monate nur noch zu Sicherungs- und Wachdiensten herangezogen, so beweist das am Ende, daß in vielen Einheiten eben nicht 12 oder, wie hier immer wieder gefordert wurde, 18 Monate für eine sinnvolle Ausbildung vonnöten sind. Diesen Klagen kann man nur wirksam begegnen, wenn man die Dauer des Wehrdienstes herabsetzt und damit den Ausbildern die Möglichkeit eröffnet, die verbleibende Zeit wirklich intensiv zu nutzen. Dabei ist gar nicht erforderlich, daß, wie bisher im Durchschnitt geschehen, praktisch jeder dritte Tag dienstfrei ist. Sie werden, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Kürze Gelegenheit haben, die Vorstellungen der FDP, nämlich die Neuorganisation in drei Säulen, hier zu unterstützen und diesen Klagen damit wirksam zu begegnen.Ich möchte zweitens zu den Bemerkungen des Wehrbeauftragten über die negativen Folgen der häufigen Versetzungen innerhalb der Bundeswehr Stellung nehmen und insbesondere zu den negativen Auswirkungen für Ehe und Familie der Betroffenen. Ich begrüße den Hinweis, daß der grundsätzlich garantierte Schutz von Ehe und Familie im Rahmen des Möglichen auch bei dieser Frage berücksichtigt wird. Denken Sie aber daran, welche Tragödien sich in vielen Soldatenfamilien abspielen, wenn der Vater immer wieder an einen neuen Standort versetzt wird. Hier möchte ich insbesondere auf die schulischen Schwierigkeiten hinweisen. Sie kennen alle das Wort: Der Vater wird versetzt, und die Kinder bleiben sitzen. Das ist natürlich eine Folge unseres föderalistisch orientierten Schulsystems. Wie gesagt, diese Schwierigkeiten vergiften allzu häufig die Atmosphäre in den Soldatenfamilen. Nach unserer Meinung müssen unbedingt Mittel und Wege gefunden werden, um die Versetzungen aur ein Mindestmaß zu beschränken und, wenn sie gar nicht zu umgehen sind, sicherzustellen, daß die Familien möglichst bald wieder zusammengeführt werden.Lassen Sie mich zu dem Punkt Fürsorge noch einige wenige Beispiele anfügen, die wir vor kurzem Gelegenheit hatten kennenzulernen. Hier möchte ich dem Bundesverteidigungsministerium empfehlen, sich der Versetzungen von Soldatenfamilien ins Ausland besonders anzunehmen. Wir hatten Gelegenheit, auf einem sardinischen Flugplatz festzustellen, daß die Frage der Wohnungsfürsorge, die Frage der Mieten, die ja für einen Haushalt sehr bedeutsam ist, nur sehr mangelhaft geregelt ist und daß z. B. die dort weilenden Soldatenfamilien selbst Vorsorge treffen müssen, um ihre Kinder in eine Schule schicken zu können, ja, daß sie sogar selbst dafür sorgen müssen, daß entsprechende Lehr- und Lernmittel vorhanden sind. Hier ist auch ein Punkt der Fürsorge gegeben. Das gleiche gilt bei der Frage der Mieten, da dies für uns auch von besonderer finanzieller Bedeutung ist. Wir sehen nicht ein, daß eine Wohnung in einem Falle 40 000 Lire kostet, während eine gleichwertigeWohnung einen deutschen Soldaten 55 000 Lire kostet. Schließlich müssen wir das Wohngeld bezahlen.Das sind alles Dinge, die mit zur Fürsorge gehören.Bei den Familien wird es auch nicht gerade günstig aufgenommen, wenn für die Soldaten die Anweisung kommt, daß wegen der in dem dortigen Gebiet herrschenden Schweinepest nur aus Deutschland eingeflogenes Schweinefleisch zu verwenden ist, die Familie aber nicht in den Genuß dieses eingeflogenen Fleisches kommen kann. Auch das ist eine Frage der Fürsorge, die sich das Bundesverteidigungsministerium angelegen sein lassen muß.Im Bericht des Wehrbeauftragten ist die Rede davon, daß der technische Dienst sehr oft nicht sinnvoll genug gestaltet sei und daß Wehrpflichtige nicht entsprechend ihren Fachkenntnissen eingesetzt seien und einmal erworbene Fachkenntnisse nicht genügend anwenden könnten. Auch hierfür gibt es ein Beispiel. Alljährlich rücken nahezu 300 graduierte Ingenieure als Wehrpflichtige zu den einzelnen Einheiten ein. Ein Teil davon klagt, daß er z. B. beim Heer nach der Grundausbildung nicht entsprechend seiner Vorbildung eingesetzt sei. Die Betreffenden werden nur dann entsprechend ihrer Vorbildung eingesetzt, wenn sie sich als Zeitsoldaten verpflichten. Auch hier muß, um dem allgemeinen Gefühl der Unlust entgegenzuwirken, das Bundesverteidigungsministerium Maßnahmen ergreifen, damit diese Leute auch sinnvoll und entsprechend ihren fachlichen Kenntnissen in der hochtechnisierten Bundeswehr verwendet werden.Ferner ist davon die Rede, daß eine Laufbahn für technisches Personal und die Förderung kriegsgedienter Unteroffiziere vordringliche Probleme seien. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die FDP sowohl in Fragestunden wie auch in Anfragen der Fraktion diese Probleme besonders herausgestellt und eine dritte Laufbahn für technisches Personal gefordert hat.Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Problem ansprechen, das der Wehrbeauftragte ebenfalls umschreibt. Er sagt, Soldaten aller Dienstgrade würden die Befürchtung aussprechen, daß sie benachteiligt würden, wenn sie eine Beschwerde oder eine Eingabe machten. Wir hatten gestern Gelegenheit, im Rahmen der Debatte um den Bericht über den Rücktritt der Generale Trettner und Panitzki von einem Kollegen der CDU/CSU-Fraktion zu hören, es sei durchaus loyal und legitim, daß der Offizier als Bürger in der Öffentlichkeit seine Meinung darstelle, auch wenn diese von der der politischen Führung abweiche. Ich frage mich allerdings, ob dieser Kollege auch bedacht hat, daß sich ein Offizier, der eine Meinung äußert, die von der eines Abgeordneten abweicht, getroffen fühlt, wenn er dann ein Schreiben bekommt, in dem der Abgeordnete fragt, wie es ein Offizier denn mit seiner Loyalität gegenüber der politischen Führung halte, wenn er in der Öffentlichkeit Zahlen und Angaben, die Abgeordnete in der Öffentlichkeit verwenden, korrigiere. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir als Abgeordnete sollten uns fragen, wem gegenüber diese Loyalität der Offiziere, die in diesen Spezialdingen die größere Sachkenntnis
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Junghaben, zu üben ist. Ich meine: nicht nur der politischen Führung gegenüber.Diese Bundeswehr ist nicht die Bundeswehr irgendeiner Partei, sondern sie ist die Bundeswehr des ganzen Volkes. Deswegen haben diese Offiziere auch ihre ganz besondere Loyalität gegenüber dem Volk und dem Soldaten zu erfüllen.In diesem Sinne begrüßen wir den Bericht des Wehrbeauftragten und hoffen, daß die Schwächen, die hier aufgezeigt wurden, vom Verteidigungsministerium erkannt werden und sich bald in einer zukunftsträchtigen Konzeption niederschlagen werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Buchstaller.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt es ebenso wie die CDU/CSU und der Berichterstatter, daß nach den Jahren der Verzögerung bei der Einreichung des Jahresberichts des Wehrbeauftragten in diesem Jahr die Möglichkeit gegeben ist, den Jahresbericht 1966 sowohl im Verteidigungsausschuß als auch hier im Plenum zu diskutieren. Es war sicherlich der Institution des Wehrbeauftragten nicht dienlich, daß wegen der verspäteten Erstellung der Jahresberichte in der Vergangenheit die parlamentarische Beratung oft erheblich hinter der öffentlichen Erörterung hinterherhinkte. Es bleibt zu hoffen, daß diese verfehlte Praxis nicht wiederkehrt.Wir freuen uns, daß im Jahresbericht 1966 eine Reihe von Anregungen der Arbeitskreise der Fraktionen, der Berichterstatter und des Verteidigungsausschusses ihren Niederschlag gefunden haben. So halten wir es für gut, daß der Herr Wehrbeauftragte in seinen Vorbemerkungen zum Jahresbericht 1966 das durch einstimmigen Bundestagsbeschluß vom 21. September 1966 bekundete Vertrauen zur Bundeswehr an die Spitze stellt und dabei seine Aufgabe, zur engen Einbeziehung der Bundeswehr in unsere staatliche und gesellschaftliche Ordnung beizutragen, unterstreicht.Für ebenso gut halten wir es, daß erstmals dieser Jahresbericht frei ist von den seitenlangen Kompetenzerörterungen, die als Spannungsherd zwischen der Institution des Wehrbeauftragten und des Verteidigungsministeriums oft zum Kernstück der öffentlichen Erörterung der Jahresberichte wurde.Daß der Herr Wehrbeauftragte das vom Verteidigungsausschuß und vom Parlament bestimmte Verfahren für das Tätigwerden als Hilfsorgan ausdrücklich begrüßt, beweist, daß die auf diesem Gebiet lange Zeit vorhanden gewesenen Schwierigkeiten nun weitgehend ausgeräumt . werden konnten. Es wurde ein Weg gefunden, die Arbeit des Wehrbeauftragten damit in allen Bereichen voll und unkompliziert praktikabel zu machen.Mit Genugtuung hat unsere Fraktion zur Kenntnis genommen, daß der Herr Wehrbeauftragte imBerichtszeitraum verstärkt Truppenbesuche durchgeführt hat, womit er einer Bitte nachgekommen ist, die wir wiederholt an ihn herangetragen hatten. Dem Dank hierfür füge ich die Bitte hinzu, dies weiterhin zu tun und, wenn möglich, noch zu verstärken.Im Bericht 1966 wird erstmals auf die ausführliche Darstellung von Einzelfällen verzichtet. Damit wird vermieden, daß aus Einzelbeispielen verallgemeinernde Schlußfolgerungen gezogen werden, die den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht werden. Wir halten das im Prinzip für richtig. Allerdings sind wir der Meinung, daß der Wehrbeauftragte in besonders gravierenden Fällen und bei Vorgängen, die sowohl für die Bundeswehr als auch für 'die Öffentlichkeit von allgemeiner Bedeutung sind, nicht darauf verzichten sollte, sie im Jahresbericht aufzuführen und ausführlich Auskunft darüber zu geben, wie die Fälle behandelt und welche Maßnahmen eingeleitet wurden.Einen besonderen Vorzug dieses Jahresberichts sehe ich darin, daß Herr Hoogen ihn in Beziehung zu den vorangegangenen Jahresberichten bringt und damit zu einer kontinuierlichen Berichterstattung kommt. Mit dieser Methode werden immer wiederkehrende Probleme deutlich und ergeben sich Hinweise darauf, wo den Soldaten am meisten der Schuh drückt.Wie der uns vorliegende Jahresbericht ausweist, ist das nach wie vor im Fürsorgebereich der Fall. Solche Beschwerden machen schon seit Jahren rund zwei Drittel aller Eingaben an den Wehrbeauftragten aus. Dabei fällt auf, daß einige Probleme seit Jahren in den Berichten des Wehrbeauftragten wiederkehren. Darunter fallen Fragen der Wohnraumbeschaffung und der Unterkünfte in den Kasernen und auf den Übungsplätzen, Fragen der Berücksichtigung berechtigter familiärer Anliegen bei Versetzungen und Kommandierungen, die schon so lange in der Diskussion befindliche Frage einer Laufbahnneuregelung und die auch den Verteidigungsausschuß immer wieder bewegende Frage des Mangels an Unteroffizieren in der Bundeswehr. Vom Herrn Wehrbeauftragten in ganz besonders erfreulicher Weise angesprochen worden ist die Frage der Stellung der kriegsgedienten Unteroffiziere.Zu den letzten drei Punkten sind vom Verteidigungsministeriums bis Mitte September Lösungvorschläge zugesagt. Nach jahrelanger Diskussion, Versprechungen und Vertröstungen ist es auch höchste Zeit, zu konkreten Maßnahmen zu kommen. Auch die Zusage des Ministeriums, die Notwendigkeit einer Versetzung eingehend zu prüfen, wenn dadurch nachweislich der Bestand einer Ehe oder Familie gefährdet ist, nehmen wir gern zur Kenntnis. Wir hoffen, daß damit einige Härten in Zukunft vermieden werden können.Im Bereich der Wohnraumbeschaffung und der Unterkünfte muß man wohl den Hinweis auf die Haushaltslage in Kauf nehmen. Trotzdem halte ich es nicht für gut, ich möchte sagen, für unerträglich, daß es Einheiten gibt, die, obwohl man sie schon vor zehn Jahren in Kasernen untergebracht hat, die in jeder Hinsicht als nur bedingt tauglich angesehen
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Buchstallerwerden können, von Jahr zu Jahr mit dem Hinweis vertröstet werden, daß sie in Bälde in eine geeignete Kaserne am endgültigen Standort umquartiert würden. Das ist nicht nur der Sache nach schlecht, sondern macht auch den Dienstherrn unglaubwürdig.Der Herr Wehrbeauftragte spricht in seinem Bericht besonders die ärztliche Verantwortung an. Auch wenn man sich, wie die Diskussion im Verteidigungsausschuß ergeben hat, seinen Schlußfolgerungen nicht anzuschließen vermag, muß doch sichergestellt werden, daß zumindest bei der Einstellungsuntersuchung die Hinweise durch Gutachten privater oder beamteter Ärzte nicht außer acht gelassen werden.Im Abschnitt „Disziplinarwesen und Strafrechtspflege" greift der Herr Wehrbeauftragte das leidige Thema der Doppelbestrafung auf. Dieses und andere Probleme der Wehrdisziplinarordnung werden nur gelöst werden können, wenn eine Anpassung an die Neufassung der Bundesdisziplinarordnung erfolgt, die uns vom Bundesministerium der Verteidigung zugesagt wurde. In diesem Zusammenhang möchte ich aber die Anregung des Herrn Wehrbeauftragten nicht untergehen lassen, die Dauer der Strafaussetzung zur Bewährung zu verlängern.Der Wehrbeauftragte macht auch für eine Reihe anderer Gebiete Vorschläge und gibt Anregungen, die ernsthaft geprüft werden sollten. Das betrifft die Behandlung der Krankmeldungen, das betrifft die Vorschrift über die Beschäftigung von Soldaten, die nicht am Gottesdienst oder am lebenskundlichen Unterricht teilnehmen, das betrifft die Einbeziehung von Vertretern der Öffentlichkeit in die Gestaltung des staatsbürgerlichen Unterrichts, und das betrifft das Liedgut und die Truppenbücherei.Ganz besonders möchte ich namens meiner Fraktion den Vorschlag des Herrn Wehrbeauftragten, den er schon wiederholt gemacht hat, unterstreichen, den sehr abstrakt gefaßten Erlaß „Bundeswehr und Tradition" in eine klare Form zu bringen, die keinen Spielraum für falsch verstandene Traditionspflege läßt.In ausführlicher Form ist der Herr Wehrbeauftragte auf Fragen der Dienstgestaltung eingegangen. Er kam dabei auf den bei der militärischen Führung ebenso verpönten wie bei den Wehrpflichtigen beliebten Begriff des Gammelns zu sprechen. Die Wehrpflichtigen verstehen darunter aber nicht das Nichtstun, sondern vielmehr eine nach ihrer Ansicht wenig sinnvolle Beschäftigung. Dabei wird nicht selten der militärische Wert des Wach- und Sicherungsdienstes ebenso verkannt wie die Notwendigkeit der ständigen Pflege und Wartung des hochwertigen militärischen Geräts aller Gattungen. Daß das für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr von elementarer Bedeutung ist, kann meines Erachtens nicht bestritten werden. Daß das für den Ausübenden nicht immer voll befriedigend sein kann, liegt in der Natur der Sache. Mit „Gammeln" — um bei diesem Ausdruck zu bleiben — hat das nichts zu tun.Trotzdem stellt sich einem bei allen Beobachtungen in der Truppe die Frage, ob nicht zu viele Fähigkeiten und zuviel berufliches und fachliches Können Wehrpflichtiger in der Bundeswehr ungenützt bleiben. Wenn man — und ich würde Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, soweit Sie in Kasernenbereichen zu tun haben, bitten, das einmal zu untersuchen — die personellen Anforderungslisten militärischer, vor allen Dingen hochtechnischer militärischer Einheiten mit dem vergleicht, was dann von den Wehrersatzämtern zugeleitet wird, kann man teilweise nur verwundert darüber sein, daß der militärische Betrieb in diesen Spezialeinheiten überhaupt noch funktioniert. In sehr vielen Fällen weiß und hört man, daß gerade die Tatsache, daß die berufliche Qualifikation nicht mit in den militärischen Dienst einbezogen wird, dazu führt, daß diese jungen Leute den Dienst in der Bundeswehr unwillig tun.Ich hoffe, daß der Herr Wehrbeauftragte auf Grund der Änderung der Geschäftsordnung noch das Wort nehmen wird. Für alle hier von ihm aufgeworfenen Fragen gibt es keine Patentlösung. Der Herr Wehrbeauftragte hat sich offensichtlich auf Grund seiner Aufgabenstellung mehr Sorgen gemacht als eine Fraktion dieses Hauses, die glaubt, die Patentlösung für alle diese Fragen in der Tasche zu haben. Nach ihrer Ansicht können das Gammeln und viele andere Erscheinungen dadurch abgeschafft werden, daß man die Dauer der Wehrpflicht verkürzt.Ich würde allerdings vor allen Dingen meinen Vorredner von der FDP bitten, sich noch einmal die Seite 6 des Berichts des Wehrbeauftragten zu Gemüte zu führen, wo deutlich von der Überforderung die Rede ist, der die Bundeswehr ausgesetzt ist. Die nicht voll befriedigende Auslastung ist ja nur die eine Seite des Dienstes in der Bundeswehr. Die andere Seite ist die manchmal nicht glaubhafte Überforderung. Wer die Art seines Berichts kennt und wer weiß, wie abgewogen er sein Urteil abfaßt, muß diesen wenigen Bemerkungen, zu denen sich der Herr Wehrbeauftragte gezwungen gesehen hat, außerordentliches Gewicht beimessen.
Herr Abgeordneter Buchstaller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jung?
Gern.
Herr Kollege Buchstaller, würden Sie mir zugestehen, daß der Teil des Berichts des Wehrbeauftragten, in dem von der Überforderung die Rede ist und in dem auch praktische Beispiele angeführt sind, von einer Spezialeinheit handelt, nämlich von der Luftwaffe, von der wir ohnehin fordern, daß die Mindestzeit 41/2 Dienstjahre ist?
Daß sich diese Untersuchung im Bericht des Wehrbeauftragten auf eine solche Einheit bezieht, ist mir bekannt, Herr Kollege. Aber daß die Überforderung nicht nur in der Luftwaffe festzustellen ist, ist mir zumindest, auch wenn es
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Buchstallernicht im Bericht des Wehrbeauftragten steht, ausdem Kasernenbereich in Koblenz genauso bekannt.
— Ja, man kann aus eigenen Erfahrungen etwas hinzufügen.Ich möchte auf die Bemerkung zurückkommen, der Wehrbeauftragte habe sich verpflichtet gefühlt, auch diesmal wieder darauf hinzuweisen, daß die Kenntnisse über die Grundrechte und ihre überragende Bedeutung auch bis heute noch nicht hinreichend verbreitet seien. Ich möchte sagen — und damit eine Empfehlung an meine Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause aussprechen —: Lassen Sie sich einmal beim Besuch einer militärischen Einheit die Testergebnisse zeigen, die bei den Zuweisungen z. B. an eine Kompanie bekannt werden. Wenn Sie die orthographischen Testseiten hinter sich haben, die schon genug Bestürzung hervorrufen, und zur staatsbürgerlichen Auswertung kommen, dann werden Sie begreifen, mit welchem großen Problem die Bundeswehr es gerade auf dem Gebiet zu tun hat, wo es darum geht, die Grundwerte und die Grundrechte zu verdeutlichen, was offensichtlich den vorhergehenden Erziehungseinrichtungen nicht in ausreichendem Maße gelungen ist.
— Man kann sich alle Probleme möglichst einfach machen.Ich habe mit Interesse vermerkt, daß der Herr Wehrbeauftragte sich gezwungen sah, noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Grundsätze der Inneren Führung ein bindendes Gesetz darstellen und daß Zuwiderhandlungen als Gesetzesverstoß betrachtet werden müssen. Darin scheint mir eine Begründung dafür zu Degen, daß der Herr Wehrbeauftragte es für notwendig hielt, diesen Tatbestand auch in diesem Bericht noch einmal deutlich zu machen. Offenbar hat er das Gefühl, daß der eine oder andere dieses Hinweises noch bedarf.Im Verteidigungsausschuß — da sind die Berichterstatter, Mitberichterstatter und die Mitglieder des Verteidigungsausschusses einig — haben wir mit sehr viel Sorge die Bemerkungen des Herrn Wehrbeauftragten über die Verkennung des Beschwerderechts zur Kenntnis genommen. Es sind Bemerkungen über immer noch vorhandene Beschwerdeunterdrückung und vor allen Dingen über das Gefühl der Soldaten, daß Beschwerden zwangsläufig Benachteiligungen nach sich ziehen. Es ist deshalb notwendig, dem Nachdruck zu verleihen, was der Herr Wehrbeauftragte In dieser Passage seines Berichtes ausspricht: wie wichtig es ist, auf die Respektierung des Beschwerderechts besonders bei Kommandeursbesprechungen und bei anderen Gelegenheiten hinzuweisen.Mit einer abschließenden Bemerkung richte ich eine Bitte an das Plenum dieses Hohen Hauses. Vieles, was der Herr Wehrbeauftragte in dem Jahresbericht sagt, sagt er weniger für die Bundeswehr als für das Parlament, Ich möchte nicht gern, daß die immer wiederkehrenden Mahnungen des Herrn Wehrbeauftragten, seine Anregungen und Empfehlungen sich nur deshalb von Jahresbericht zu Jahresbericht fortpflanzen, weil in den zuständigen Gremien des Parlaments die allfälligen und notwendigen Entscheidungen hinausgezögert wurden. Das heißt: es wäre nicht gut, wenn die Truppe zu der Ansicht käme, der Jahresbericht des Wehrbeauftragten sei sozusagen der schriftliche Kummerkasten, der durch das Parlament zu den Akten gelegt werde. Gerade deshalb sollten wir dem Herrn Wehrbeauftragten sehr zu Dank verpflichtet sein, daß er uns die Handhabe liefert und Anregungen gibt, vorhandene Mißstände und auch vorhandenen Unmut durch notwendige Maßnahmen innerhalb der und für die Bundeswehr auszuräumen. Daß sowohl der Verteidigungsausschuß und dieses Hohe Haus als auch der Herr Wehrbeauftragte ihre wichtigste Aufgabe darin sehen, dem Anliegen unserer bewaffneten Streitkräfte zu dienen, versteht sich ganz von selbst. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und seinem Hilfsorgan, dem Wehrbeauftragten, bietet die Möglichkeit, viel Sorge und viel Unmut, der sich teilweise schon seit Jahren angestaut hat, abzuräumen und für ein gutes, gedeihliches Klima in der Bundeswehr Sorge zu tragen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Klepsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre nicht ein zweites Mal ans Rednerpult gegangen, wenn nicht der Kollege Jung sich in seinen Ausführungen bemüht hätte, erneut an der alten Legende von der Parteiarmee in der einen oder anderen Form zu häkeln.
— Ich werde es Ihnen gleich darlegen, Kollege Rutschke. Ich glaube, daß endlich einmal der Zeitpunkt gekommen sein muß — und gerade der Bericht des Wehrbeauftragten hat uns einen sehr guten Ausgangspunkt dafür geboten —, wo es für uns alle ganz selbstverständlich ist, daß der demokratische Rechtsstaat und seine Struktur in der Armee, wie es in der Entschließung des Bundestages vom 21. September des vergangenen Jahres heißt, voll anerkannt und auch von uns als eine politische Realität gesehen wird.Lassen Sie mich verdeutlichen, was ich meine. Herr Kollege Jung hat hier davon gesprochen — man muß das doch einmal in der Tiefe durchdenken —, daß der Offizier nicht nur gegenüber der politischen Führung, sondern auch gegenüber den Soldaten und dem Volk loyal sein müsse. Da stellt man sich natürlich die Frage: Was soll eine solche Aussage, auch noch auf dem Hintergrund des von ihm vorher zitierten, was weiß ich, Schriftverkehrs. Man muß sich doch einmal die Frage stellen: Was ist nun eigentlich die Grundlage der Beziehung, die jeder Waffenträger, speziell aber jeder Offizier und Unteroffizier, zu diesem Staat hat?
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Dr. KlepschDie Grundlage ist doch sein Diensteid, den er abgelegt hat, nämlich der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und Freiheit und Recht des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Es geht nicht an, etwa auch nur Andeutungen davon in unsere politischen Überlegungen und Verhaltensweisen hinüberzunehmen, daß der Soldat als Staatsbürger manipuliert oder gegängelt würde. Nur die kommunistischen Parteien gebärden sich als die Herren des Staates. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland sind eben Organe, die berufen sind, an der Willensbildung mitzuwirken und der Gemeinschaft zu dienen.Deshalb möchte ich ausdrücklich folgendes hervorheben. Der Herr Wehrbeauftragte hat dankenswerterweise davon geschrieben, daß seine Zusammenarbeit mit der Truppe und mit dem Ministerium getragen war vom Geiste des Vertrauens; ich brauche diesen Geist nicht noch einmal zu beschwören. Falls es aber an jenem 26. Juni 1957, als die Institution des Wehrbeauftragten hier in diesem Hause geschaffen wurde — also vor fast genau zehn Jahren —, strittig gewesen sein sollte, ob der Wehrbeauftragte als ein Organ des Mißtrauens gegenüber der Armee anzusehen sei, so muß ich darauf hinweisen, daß es heute völlig unstreitig ist, daß der Wehrbeauftragte — er hat das auf den ersten zwei Seiten seines Berichts ganz klar dargelegt — seine Funktion darin sieht, vertrauensvoll mit der Armee und mit diesem Hause zusammenzuarbeiten, um gerade die Möglichkeiten, die in unseligen Entwicklungsprozessen liegen könnten, von vornherein auszuschalten. Ich bin glücklich darüber, daß sein Bericht widerspiegelt, welch große und entscheidende Fortschritte wir gemacht haben.Deshalb möchte ich ganz nachdrücklich hervorheben: wir wollen doch nicht an der Loyalität eines Soldaten Differenzierungen vornehmen. Seine Stellung ist ganz klar durch das Soldatengesetz geregelt. Seine Stellung ist ganz klar durch die Einordnung in die verfassungsmäßige Ordnung des Staates bestimmt. Ich sehe deshalb nicht, wie wir auseinanderzudividieren versuchen könnten: Loyalität gegenüber Führung, Loyalität gegenüber Soldaten — wobei Soldat ja ein sehr weit gespannter Begriff sein kann — und Loyalität gegenüber Volk. Für mich gibt es immer nur die Reflektion auf die fixierte Ordnung, also die Bestimmung nach dem Diensteid und die Festlegung seiner Rechte und seiner Pflichten, die dem Offizier wie jedem anderen in dieser Gesellschaft zukommt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordnerten Schultz?
Bitte schön!
Schultz (FDP) : Herr Kollege Klepsch, ich kann mich also in Zukunft vertrauensvoll an Sie wenden, wenn ich das Gefühl habe, daß bestimmte Leute wegen einer bestimmten Parteizugehörigkeit benachteiligt werden bzw. wenn bestimmte Abgeordnete nicht die Auskünfte bekommen, die sie eigentlich bekommen sollten?
Aber verehrter Kollege Schultz, in dieser Frage können Sie sich immer an mich wenden!
Sie werden aus dem Ausschuß wissen, daß ich sicher zu den Kollegen gehöre, die am kritischsten darauf achten, daß alle derartigen Bedenken, alle derartigen Sorgen sorgfältig geprüft und geklärt werden. Ich glaube, daß gerade Sie sich nicht beschweren können, daß der Ausschuß zu wenig Zeit darauf verwendet, Anliegen, die Sie in diesem Fragenkomplex vortragen, zu behandeln.
— Na, gut, wenn Sie das Ministerium meinen, sollten Sie sich aber nicht an mich wenden, verehrter Herr Kollege.
Ich möchte zum Schluß nur noch einmal sagen: auch für den Offizier — und für ihn besonders — gilt in seinem Verhältnis zum Staat und zur Führung des Staates der Grundsatz von Befehl und Gehorsam, wie es in der ganzen Armee gilt. Der oberste Befehlsgeber — das muß an dieser Stelle noch einmal gesagt werden — ist die verfassungsmäßige Ordnung, sind die Gesetze, ist die Struktur dieses demokratischen Rechtsstaates, so wie sie fixiert ist. Ich glaube, wir sollten nicht versuchen, das durch eine Art parteipolitischer Auseinandersetzung, wofür gerade die Armee der ungeeignetste Faktor ist, in Frage zu stellen. Ich möchte sagen, gerade in der gegenwärtigen Situation sind solche Anmerkungen, die als Verdächtigungen erscheinen können, meines Erachtens deplaziert.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Klepsch hat soeben hier ausgeführt, ich hätte den Begriff der Parteiarmee wieder ins Gespräch gebracht oder wieder aufgewärmt. Nun, ich habe mich abschließend an dieses Haus gewandt, weil ich dazu nämlich Anlaß hatte. Ich habe ja ausgeführt, daß ein Kollege Ihrer Fraktion sich gegen einen Offizier ausgesprochen hat, der es wagte, ihn zu korrigieren. Herr Kollege Klepsch, nun sehe ich mich natürlich veranlaßt, Ihnen diesen Passus vorzulesen, damit das deutlicher wird. Dieser Ihr Kollege schreibt an diesen Offizier, der ihn in der Öffentlichkeit korrigierte, weil er falsche Zahlen verwandt hat:Darüber hinaus wäre ich Ihnen dankbar — Sie wissen, daß ich ein neuer Abgeordneter bin und daher mit den Gepflogenheiten der Deutschen Bundeswehr noch nicht sehr vertraut —, wenn Sie mich einmal darüber aufklären könnten, wie es mit der Loyalität eines aktiven Offiziers zu vereinbaren ist, wenn er Zahlen, die ein Abgeordneter in der Presse veröffentlicht und die er von dem diesem Offizier vorgesetzten Ministerium bekommen hat, in der Öffentlichkeit in dieser Weise korrigiert und dadurch entweder
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Jungden Abgeordneten oder — was noch schlimmer wäre — seine eigene vorgesetzte Behörde unrichtiger Angaben beschuldigt.Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war der Grund, weswegen ich sagte: der Offizier hat eben seine Loyalität nicht nur gegenüber der vorgesetzten Behörde oder gegenüber einem Abgeordneten einer bestimmten Partei zu wahren, vielmehr hat er, wenn er sieht, daß in der Öffentlichkeit irgendwelche falschen Angaben umhergeistern, nicht nur das Recht, sondern meines Erachtens sogar die Pflicht, diese Angaben richtigzustellen. Das, Herr Kollege Klepsch, war der Grund, weswegen ich mich an die Kolleginnen und Kollegen wandte.
— Ich wollte das hier nur noch einmal klargestellt haben.
Meine Damen und Herren, die Herren Geschäftsführer der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben gemäß § 116 c der Geschäftsordnung gebeten, der Herr Wehrbeauftragte möge jetzt das Wort ergreifen. Dem ist zu entsprechen, wenn 30 anwesende Mitglieder dieses Verlangen unterstützen. Darf ich fragen, ob das der Fall ist. — Das dürfte gut reichen. — Herr Wehrbeauftragter, Sie haben das Wort.Hoogen, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich danke Ihnen, Herr Präsident, und dem ganzen Hohen Hause dafür, daß ich heute an dieser Stelle zwar nicht zum erstenmal, zum erstenmal aber als Wehrbeauftragter zu Ihnen sprechen darf. Ich freue mich 'darüber aus zwei Gründen.Der erste Grund: Aus mancherlei Anlässen stand das Amt des Wehrbeauftragten in der Vergangenheit in der öffentlichen Kritik und Diskussion. In dieser Diskussion mußte ich als Wehrbeauftragter mir selber Zurückhaltung auferlegen. Ich bin nämlich der Meinung, wenn über Amt und Aufgabe des Wehrbeauftragten .diskutiert werden muß, dann ist diese Stelle hier, jedenfalls für den Wehrbeauftragten, der richtige Ort. Deswegen glaubte ich, mich an der öffentlichen Auseinandersetzung nicht beteiligen zu können, bis ich zum erstenmal die Gelegenheit gehabt hätte, an dieser Stelle meine Meinung zu sagen.
Zum anderen freue ich mich, folgendes feststellen zu können, und damit darf ich gleich auf die Gedanken zurückkommen, die Sie, Herr Abgeordneter Dr. Klepsch, soeben ins Gespräch gebracht haben. Bei vielen Truppenbesuchen und in vielen Gesprächen mit Soldaten aller Dienstgrade aus anderen Anlässen habe ich erfahren, daß vielfach die Meinung verbreitet ist, das Grundgesetz habe die Soldaten unter eine Art Sonderkontrolle gestellt,weil man ihnen mißtraue. Obwohl es mir, wie ich glaube, gelungen ist, meinem jeweiligen Gesprächspartner gegenüber diese Meinung und Befürchtung zu widerlegen, bin ich doch froh, daß ich in meinem heute zur Beratung anstehenden Jahresbericht für das vergangene Jahr in der Lage war, die Soldaten auf 'den Beschluß des Hohen Hauses vom September des vergangenen Jahres, der heute in der Diskussion schon einige Male angesprochen wurde, hinzuweisen. Die Stelle scheint mir so bedeutsam zu sein, .daß ich sie aus meinem eigenen Jahresbericht verlesen sollte, da dieser Jahresbericht, wie Sie wissen, in einer Gesamtzahl von 8000 Exemplaren bis zu den einzelnen Kompanien, Batterien und Staffeln verteilt wird. In diesem Beschluß des Bundestages, der, wie ich glaube, der einzige in diesem Hohen Hause einstimmig gefaßte Beschluß dieser Art ist, heißt es:Der Deutsche Bundestag dankt den Angehörigen der Bundeswehr, an welcher Stelle sie immer stehen — Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeitern —, für ihre Leistung, die sie in den zehn Jahren des Aufbaus vollbracht haben.Die Bundeswehr hat ihren staatspolitischen Auftrag verfassungsgetreu und zielstrebig erfüllt, ohne sich durch Mißtrauen und Schwierigkeiten vielfältiger Art beirren zu lassen. Das verdient uneingeschränkte Anerkennung. Der Deutsche Bundestag ist überzeugt, daß sie auch weiterhin im Dienst an Volk und Staat ihr Bestes leisten wird.Meine Damen und Herren Abgeordneten, einen solchen Vertrauensbeweis, eine solche Vertrauenskundgebung hat der Bundestag der Armee bis zu diesem Tag, bis zu diesem 21. September 1966, noch nie ausgesprochen. Auf dieser Vertrauensbasis baut auch die Tätigkeit des Wehrbeauftragten auf. Staat und Soldat .sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden.Meine Damen und Herren, das ist keine unverbindliche Deklamation, sondern die wörtliche Wiedergabe des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Soldatengesetzes. Deshalb beinhalten diese Worte für alle, auch für dieses Hohe Haus und für sein Hilfsorgan, den Wehrbeauftragten, eine Rechtspflicht. Diese Treue schuldet der Soldat dem Staate. Diese Treue schuldet aber auch der Staat, d. h. seine verfassungsmäßigen Organe, seinen Soldaten. Treue ohne Vertrauen ist nicht denkbar, aber nicht nur weil es im Soldatengesetz allen Soldaten gewissermaßen gesetzlich befohlen ist, sich gegenseitig ,die Treue zu halten, Vertrauen zueinander zu haben und dieses Vertrauen auch ,durch entsprechende Taten zu bekunden, sondern weil mangelndes Vertrauen in Mißtrauen ausarten müßte, Mißtrauen der Soldaten, Mißtrauen der Bundeswehr gegenüber dem Staat und seinen Organen. Eine von Mißtrauen erfüllte oder angekränkelte Armee würde aber in ihrem Kampfwert erheblich herabgesetzt und beeinträchtigt. Treuer Dienst, Tapferkeit im Kampf, Tapferkeit auf ,dem Gefechtsfeld, hohe Kampfmoral setzen ein Höchstmaß an Vertrauen voraus. Deshalb bekämpfe ich da und dort auftretendes Mißtrauen mit aller Entschiedenheit und werbe um Vertrauen bei den
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Wehrbeauftragter HoogenSoldaten. Mein Jahresbericht soll dazu nur ein Betrag sein.Nunmehr zu einzelnen Fragen, die in der Diskussion angeschnitten wurden. Es war vom Gammeldienst die Rede. Es ist schon gesagt worden — und ich habe es in meinem Bericht ausgeführt —, daß nicht aller Dienst, der dem Soldaten eintönig erscheint und ihm nicht gefällt, schon Gammeldienst sei, wie ich überhaupt das Wort „Gammeldienst" nicht gerne ausspreche, aber es gehört nun einmal zum Sprachschatz des Soldaten. Was mir sehr große Sorge macht und wie ich aus vielen Eingaben weiß und auch bei einem Truppenbesuch mit dem Inspekteur der diesbezüglichen Teilstreitkraft zusammen erfahren habe, ist das Problem des sehr eintönigen Schichtdienstes, den manche Soldaten ein Jahr und länger zu leisten haben. Nicht einmal die unintelligentesten Soldaten müssen diesen Dienst leisten, weil er einen sehr verantwortungsbewußten Soldaten erfordert, weil die zu bewachenden Gegenstände das erforderlich machen und weil auch nicht alle Soldaten sich dazu eignen, da eine Sicherheitsüberprüfung diesem Wachdienst vorangehen muß; darüber kann ich hier nicht mehr sagen. Im Verteidigungsausschuß habe ich es deutlicher gesagt. Sie wissen, was gemeint ist. Daß der Inspekteur der Luftwaffe sich darum bemüht, diesen Zustand zu ändern, weiß ich. Ich hoffe, daß ich im nächsten Jahresbericht über Erfolge in diesem Punkte berichten kann.Herr Abgeordneter Jung, Sie haben die Frage der Versetzung angeschnitten. Daß Soldaten in einem höheren Maße als Beamte versetzt werden können, wissen wir alle. Wogegen ich mich aber wende, und zwar weil die Ehe mit einem Grundrechtsschutz ausgestattet ist, ist die unsinnige Versetzung, bei der es einfach heißt: Aus dienstlichen Gründen war die Versetzung notwendig, und bei der mir keine Tatsachen vorgetragen werden, aus denen ich die dienstlichen Gründe schließen kann. Darauf dränge ich, damit das stereotype Abschreiben von Gesetzesvorschriften in diesem Bericht endlich aufhört.Zur Wohnungsfürsorge darf ich sagen, daß sämtliche Ministerien in Bund und Land auf diesem Gebiet Erhebliches geleistet haben. Für die Schwierigkeiten, die jetzt zunehmend auftauchen, kann man, glaube ich, nicht den Bundesverteidigungsminister und schon gar nicht die Bundeswehrführung verantwortlich machen; denn sie hängen weitgehend mit folgendem zusammen. Es ist die Zeit gekommen, in der mehr Berufssoldaten in .den Ruhestand treten, die in Dienstwohnungen wohnen, aber bei Beendigung des Dienstverhältnisses aus diesen Dienstwohnungen nicht entfernt werden können, weil ihre Ruhestandsbezüge nicht dazu ausreichen, eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu bekommen. Es gehört, glaube ich, zur Sorgepflicht des Vorgesetzten und des Bundes als Dienstherren, den Soldaten, die dem Staate treu gedient haben, über die Beendigung der Dienstzeit hinaus die Wohnung mindestens zunächst einmal zu belassen. Dadurch entstehen die Schwierigkeiten.
Dann ist gesagt worden, daß die Soldaten nicht ihren Fachkenntnissen entsprechend eingesetzt würden. Bei der Größe der Bundeswehr wird es sehr schwierig sein, alle Soldaten ihren Fachkenntnissen entsprechend einzusetzen.
Aber wogegen ich mich wende und mit welcher Bitte ich mich auch vor einigen Wochen an den Herrn Generalinspekteur gewendet habe, ist folgendes: daß bei den Einstellungsgesprächen Freiwilligen und auch Wehrpflichtigen von militärischen Dienststellen oft Versprechungen gemacht werden, die später nicht eingehalten werden können. Das dient nicht dem Ansehen der Bundeswehr und ihrer — auch zivilen — Behörden, und das bringt den Soldaten Enttäuschung für die weitere Lebensplanung. Das sollte man vermeiden. Dann lieber gar keine Versprechung als eine Versprechung, die später nicht gehalten wird!
Ich sage das nicht deswegen, weil es mir zwei- oder dreimal vorgekommen ist. Es ist mir verhältnismäßig oft vorgekommen, und zwar bei Soldaten aller Dienstgrade.Herr Abgeordneter Buchstaller, Sie haben mir dafür gedankt, daß ich auf die Aufstellung der einzelnen Fälle, die immer diese unangenehme Nebenfolge hatte — ich habe es im Bericht ausgeführt —, verzichtet habe, und haben mich gebeten, natürlich auf die Darstellung gravierender Fälle in der Zukunft nicht zu verzichten. Ich bitte Sie, versichert zu sein, daß ich das auf keinen Fall tue, sondern daß Dinge, die beim Namen genannt werden müssen, auch beim Namen genannt werden. Ich glaube nicht, daß Sie von mir den Eindruck haben, daß ich mich da irgendwie fürchte.Ferner ist in der Diskussion davon gesprochen worden — auch Sie, Herr Abgeordneter Buchstaller, haben darauf hingewiesen —, daß die Grundsätze der Inneren Führung ein Gesetzesgebot seien. Ich habe mich in der Tat veranlaßt gesehen, darauf hinzuweisen. Daß über ihre Ausgestaltung in Einzelheiten, über ihre Verfeinerung diskutiert und gesprochen werden kann, weil sich diese mit der gesellschaftspolitischen Lage mitentwickeln, ist selbstverständlich. Aber über die Frage, ob überhaupt, kann mit mir jedenfalls nicht diskutiert werden.
Um mich dagegen zur Wehr zu setzen, habe ich das ein für allemal klar und deutlich in den Bericht hineingeschrieben und werde auch nicht aufhören, das weiter zu tun.
Zum Schluß darf ich noch etwas sagen, was ich auch während meiner Ausführungen schon angedeutet hatte. Mein nächster Bericht wird einen Absatz zusätzlich enthalten, nämlich den Absatz, der auf den Antrag des Ausschusses, .der Ihnen zur Abstimmung vorliegt, eingeht, in dem es heißt:Die in dem Bericht enthaltenen Empfehlungenwerden als Anregungen für weitere, die Bun-
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Wehrbeauftragter Hoogendeswehr fördernde Arbeit entgegengenommenund der Bundesregierung zur Kenntnis gebracht.In meinem nächsten Bericht, der zu Beginn des kommenden Jahres fällig ist, wenden Sie einen Abschnitt darüber finden, inwieweit der Bundesverteidigungsminister auf diese Anregungen eingegangen ist.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte diese Debatte zum Anlaß nehmen, dem Herrn Wehrbeauftragten insbesondere im Hinblick darauf, daß die Institution des Wehrbeauftragten nun auf zehn Jahre Tätigkeit zurückblicken kann, Dank und Anerkennung auszusprechen. Der Bericht des Wehrbeauftragten bringt konkrete, allgemein gültige Erkenntnisse. Ich begrüße diesen Bericht mit seinen sachlichen Schlußfolgerungen, an die bei der weiteren Arbeit angeknüpft wird. Lassen Sie mich aber noch einige grundsätzliche Gedanken zu dem inneren Gefüge der Bundeswehr äußern.Die Einordnung unserer Streitkräfte in Staat und Gesellschaft ist im ganzen als geglückt anzusehen. Der Auftrag, Recht und Freiheit im Rahmen des Bündnisses zu verteidigen, mußte selbstverständlich auch innerhalb der Bundeswehr an erster Stelle der Zielsetzung stehen, um den Grundsätzen der Inneren Führung wie auch den Erfordernissen des Staatsbürgers in Uniform gerecht zu werden. Hieraus haben sich in den Jahren des raschen Aufbaus zunächst fast zwangsläufig Unsicherheiten und Schwierigkeiten ergeben. Das für die Bundeswehr zu schaffende Wehrrecht war in Abweichung ehemaligen militärischen Rechts neu zu fassen und bedurfte erst praktischer Bewährung. Erfahrungen in der Umsetzung juristischer Formulierung in praktikable Arbeitsgrundlagen für Nichtjuristen des Truppenbereiches fehlten häufig und mußten erst gesammelt werden. Zahlreiche Fragen des Komplexes „Führung und Verwaltung" waren auch auf den für das Innere Gefüge wichtigen Gebieten zu regeln. Schließlich waren Mißtrauen und Vorbehalte abzubauen.Zu berücksichtigen ist, daß die Mehrzahl der kriegserfahrenen Offiziere keine Praktiker einer langjährigen Friedensarbeit waren und ihnen somit Erziehungs- und Ausbildungsaufgaben des Friedens nicht selten erstmals in der Bundeswehr übertragen wurden. Diejenigen unter uns, die selbst im Kriege standen, können ermessen, wie schwer es ist, Vergleiche zwischen dem militärischen Dienst im Kriege und dem im Frieden zu ziehen. Auch ist zu bedenken, daß das Führer- und Unterführerkorps auf Grund der außerordentlich unterschiedlichen Entwicklung zwischen 1945 und 1955 — mit zum Teil jahrelanger Kriegsgefangenschaft — erst einer einheitlichen Ausrichtung bedurfte, die nicht vorhanden und auch nicht vorauszusetzen war. So darf es nicht verwundern, wenn sich die Bundeswehr, besonders in ihrem inneren Gefüge, erst finden und festigenmußte. Manche Schwierigkeiten sind erst jetzt nach Jahren der sorgsamen Prüfung und praktischen Erprobung so abzugrenzen, daß Berichtigungen möglich werden.Die im Bericht hervorgehobene zunehmende Bewährung insbesondere der jungen Generation ist sehr ermutigend, zeigt sie doch, daß unsere Bundeswehr auf einem guten Wege ist. Manches ist sicher noch auszugleichen und zu verbessern. Hier kommen auch auf das Hohe Haus — ich bin Ihnen, Herr Abgeordneter Buchstaller, für Ihren Appell sehr dankbar — wichtige Fragen zu, zu deren Lösung es durch eigene Initiativen beitragen kann. Hierzu gehört z. B. die Regelung der Unteroffizierslaufbahn — das ist auch von dem Bundesminister der Verteidigung während der zweiten Lesung .des Haushalts angesprochen worden —; die seit Sommer 1963 immer wieder versuchte Schaffung einer neuen Laufbahnordnung bedarf endgültiger Entscheidung. Wir werden das Parlament auf einigen, das innere Gefüge besonders berührenden Gebieten um tatkräftige Unterstützung bitten.Der weitere Aufbau des Offizier- und Unteroffizierkorps ist von herausragender Bedeutung, um allen Erfordernissen des inneren Gefüges gerecht zu werden und Überbelastungen zu vermeiden. Die Zahl der Offiziersbewerber ist seit Anfang 1967 erfreulich angestiegen; auch bei den Unteroffizieren hat es eine Entlastung gegeben. Trotzdem ist — wir wissen es alle — die Personallage noch immer nicht ausgeglichen.Es wird weiterhin darauf ankommen, bei Einsparungen zu bedenken, daß die in allen Sparten für den Menschen aufzubringenden Mittel nur in begrenztem Umfang Streichungen erlauben. Ich denke hierbei an Besoldung, Laufbahnfragen, Fürsorge und Betreuung. Ein Zuviel an Sparmaßnahmen würde nicht nur für das innere Gefüge der Bundeswehr, sondern auch für die Personalentwicklung schwerwiegende Rückwirkungen halben.Praktizierung und Weiterentwicklung der Erziehung und Bildung von Offizieren und Unteroffizieren sind von gleich hoher Bedeutung. Der Bundesminister der Verteidigung hat die Vorarbeiten für ein erweitertes Bildungssystem bald abgeschlossen. Es werden noch in diesem Jahr entsprechende Lehrgänge beginnen.Die Angleichung des Bildungsstandes an praktizierte Forderungen anderer Armeen ist vordringliche Aufgabe geworden. Der Soldat muß als Vorgesetzter in einer modernen demokratischen Armee die untrennbaren politischen, zivilen und militärischen Zusammenhänge übersehen können, um seiner Aufgabe gerecht zu werden und in der Gesellschaft zu bestehen. Die Verwirklichung dieser Bildungsförderung wird erheblichen Einfluß auf das Ansehen des Offizier- und des Unteroffizierstandes in der Öffentlichkeit haben und die Attraktivität dieser Berufe erhöhen. Gerade in diese Überlegungen sind auch die Forderungen an ,die Neuregelung der Laufbahn des Unteroffiziers einzubeziehen.Meine Damen und Herren, in den ersten Abschnitten des Aufbaus der Bundeswehr mußten diese Fragen etwas zurückgestellt werden. Jetzt gilt es
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Parlamentarischer Staatssekretär Adornoaber, sie zu verwirklichen. Dabei wind es vor allem darauf ankommen, daß die Bundeswehr ohne schwerwiegende Eingriffe in ihre Struktur in Ruhe arbeiten kann. Wir sollten gemeinsam unser besonderes Augenmerk darauf richten.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Verteildigungsausschusses auf Drucksache V/1926. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich darf dann noch einen Punkt aufrufen, den Punkt 45 unserer Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes
— Drucksuche V/1921 —
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Dann kommen wir zur Abstimmung in zweiter Beratung. Ich rufe die Art. 1, 2 und 3, Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme!
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer dem Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes zuzustimmen wünscht, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 30. Juni 1967, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.