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Wer hat denn den Sieg zum Auszug der Parlamentarier im Bunker bestellt, die ganze Bundesregierung, nur einzelne Minister dieser Regierung? Das geht aus dem Schreiben ,des Bundesverteidigungsministers leider nicht hervor, sondern da steht nur, daß die Bundesregierung diesen Sieg bestellt hat. Wir fragen also, Herr Bundeskanzler: Ist es richtig, daß in Ihrem Kabinett auch heute noch derjenige sitzt, der diesen Sieg bestellt hat, und wenn, wie lange wollen Sie eigentlich diesen neuzeitlichen Potemkin in Ihrer Regierung behalten?
Meine Damen und Herren, die Vorlage dieser Regierung Kiesinger-Brandt, der alle Kabinettsmitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zugestimmt haben, bringt eine ganze Reihe von Verbesserungen, nicht vorhandenen Grundrechtseinschränkungen, die in der vorigen Legislaturperiode noch diskutiert werden mußten und bei denen Sozialdemokraten und in einer Reihe von Fällen auch wir uns gemeinsam mit ihnen nicht gegen die CDU/CSU haben durchsetzen können. Wir erkennen an, daß hier ohne Zweifel Verbesserungen dieses Gesetzentwurfs liegen. Nach Pressemeldungen zu urteilen, soll das auch der Grund gewesen sein, weshalb der Herr Bundesminister Schröder diesem Gesetzentwurf dann in der ersten Kabinettsberatung nicht zugestimmt haben soll.
Aber es ist genauso unbestritten, daß eine große Anzahl höchst bedenklicher Bestimmungen in diesem Gesetzentwurf enthalten sind, ,die zum Teil überhaupt zum ersten Mal in der Diskussion über die Notstandsgesetzgebung auftauchen. „In diesem Gesetzentwurf ist eindeutig eine Strömung gegen die Arbeitnehmerschaft enthalten."
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde mit einer Reaktion dieser Art noch etwas warten, es kommt noch besser.
„Nicht nur die Regelung des Streikrechts,
sondern auch andere Bestimmungen der Regierungsvorlage stimmen mit den Parteitagsbeschlüssen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands nicht überein."
— Das, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei — ich bitte zu entschuldigen,
daß ich das nicht vorher gesagt habe —, ist kein Zitat von mir, sondern von Ihrem Fraktionskollegen Matthöfer,
das er so wörtlich in einer Veranstaltung der Universität Frankfurt am 19. Juni dieses Jahres vorgetragen hat.
Wie ganz anders klingt das, was der Herr Bundesinnenminister hier verkündet hat: „Die Notstandsverfassung richtet sich weder gegen die Arbeiterschaft noch gegen die Gewerkschaften." Wir überlassen es den Betroffenen selbst, ihr Urteil zu fällen und selbst zu entscheiden, ob Herr Kollege Matthöfer, der immerhin Mitglied einer Regierungsfraktion ist, oder .das Kabinett einschließlich der sozialdemokratischen Minister in dieser Sache recht hat.
Aber .es ist nicht uninteressant, daß Carlo Schmid vor dem Sozialdemokratischen Hochschulbund im Januar dieses Jahres sagte: „Ein künftiger Regierungsentwurf zur Notstandsgesetzgebung wird sozialdemokratisch geprägt sein."
Wir fragen die Herren der Sozialdemokratischen Partei
— denn der Bundesvorsitzende und sein Stellvertreter sitzen in diesem Kabinett und haben diesem Regierungsentwurf zugestimmt —,
ob sie nicht zeitweilig vielleicht doch ihren Prägestempel unterwegs verloren oder vergessen hatten.
Wir denken dabei an einzelne Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs.
War die Begründung für die Ablehnung im Jahre 1965 unter Berufung auf die Parteitagsbeschlüsse der wesentliche Grund für die SPD-Fraktion, den Gesetzentwürfen nicht zuzustimmen? Warum nehmen dann die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder bei ihrer Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf heute keinen Anstoß daran, daß die jetzige Regierungsvorlage in ganz entscheidenden Fragen gegen die Parteitagsbeschlüsse der SPD verstößt?