Protokoll:
16185

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 185

  • date_rangeDatum: 4. November 2008

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:31 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/185 Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streit- kräfte bei der Unterstützung der gemeinsa- men Reaktion auf terroristische Angriffe ge- gen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Verein- ten Nationen (Drucksache 16/10720) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutsch- land weiter fördern Drucksache 16/10775 (neu)) . . . . . . . . . . b) Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Kampf gegen Antisemitismus verstär- ken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern (Drucksache 16/10776) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 19754 A 19754 B 19755 C 19767 C 19768 D 19769 A 19769 A Deutscher B Stenografisch 185. Sitz Berlin, Dienstag, den 4 I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag des Vizepräsi- denten Dr. h. c. Wolfgang Thierse . . . . . . . . Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Joachim Günther (Plauen) und der Abgeordneten Rita Pawelski . . . . . . . . . . . . . Begrüßung der neuen Abgeordneten Dr. Daniel Volk und Dr. Erwin Lotter . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: Eidesleistung der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präsident Dr. Norbert Lammert . . . . . . . . . . . Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D D D W N D N T P D G 19753 A 19753 B 19753 B 19753 B 19753 B 19753 D Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19757 B undestag er Bericht ung . November 2008 t : r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . infried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . iels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . aul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . r. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . 19758 C 19758 D 19759 A 19760 A 19761 D 19763 A 19763 A 19763 B 19764 D 19765 C 19766 C Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 19770 D 19771 D II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 4. November 2008 Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Vereinbarte Debatte: Wachstum stärken – Beschäftigung sichern – Finanzmarktkrise überwinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO der Abgeord- neten Ulla Jelpke, Cornelia Hirsch, Inge Höger, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dadelen, Karin Binder, Dorothée Menzner, Dr. Diether Dehm, Eva Bulling- Schröter und Dr. Norman Paech (alle DIE LINKE) zur Abstimmung über den Antrag: Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter för- dern (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung zu dem Antrag der Bun- desregierung: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolution 19773 A 19774 B 19776 A 19777 A 19777 D 19779 A 19779 A 19781 A 19782 D 19785 A 19786 D 19788 A 19791 A 19792 B Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 l r T 19789 C 19790 D 386 (2001) und folgender Resolutionen, zu- etzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheits- ates der Vereinten Nationen (183. Sitzung, agesordnungspunkt 6 a) . . . . . . . . . . . . . . . . 19792 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 4. November 2008 19753 (A) ) (B) ) 185. Sitz Berlin, Dienstag, den 4 Beginn: 14.4
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 4. November 2008 19791 (A) ) (B) ) Grütters, Monika CDU/CSU 04.11.2008 Hänsel, Heike DIE LINKE 04.11.2008 Marlene Schauerte, Hartmut CDU/CSU 04.11.2008 Schily, Otto SPD 04.11.2008 Anlage 1 Liste der entschuldigt Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Akgün, Lale SPD 04.11.2008 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 Bätzing, Sabine SPD 04.11.2008 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 Dr. Berg, Axel SPD 04.11.2008 Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 04.11.2008 Bierwirth, Petra SPD 04.11.2008 Blumentritt, Volker SPD 04.11.2008 Brandner, Klaus SPD 04.11.2008 Brunkhorst, Angelika FDP 04.11.2008 Bülow, Marco SPD 04.11.2008 Bulmahn, Edelgard SPD 04.11.2008 Caspers-Merk, Marion SPD 04.11.2008 Edathy, Sebastian SPD 04.11.2008 Ferner, Elke SPD 04.11.2008 Fritz, Erich G. CDU/CSU 04.11.2008 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 04.11.2008 Geis, Norbert CDU/CSU 04.11.2008 Gloser, Günter SPD 04.11.2008 Götz, Peter CDU/CSU 04.11.2008 Gradistanac, Renate SPD 04.11.2008 Grasedieck, Dieter SPD 04.11.2008 Griese, Kerstin SPD 04.11.2008 Gröhe, Hermann CDU/CSU 04.11.2008 H H H H H H K K K K D L M M M M O R R R R A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten aibach, Holger CDU/CSU 04.11.2008 auer, Nina SPD 04.11.2008 erzog, Gustav SPD 04.11.2008 inz (Herborn), Priska BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 öfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 örster, Joachim CDU/CSU 04.11.2008 limke, Jürgen CDU/CSU 04.11.2008 ramer, Rolf SPD 04.11.2008 richbaum, Gunther CDU/CSU 04.11.2008 urth (Quedlinburg), Undine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 r. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 04.11.2008 aurischk, Sibylle FDP 04.11.2008 attheis, Hilde SPD 04.11.2008 einhardt, Patrick FDP 04.11.2008 ortler, Marlene CDU/CSU 04.11.2008 ühlstein, Marko SPD 04.11.2008 tto (Frankfurt), Hans- Joachim FDP 04.11.2008 achel, Thomas CDU/CSU 04.11.2008 amelow, Bodo DIE LINKE 04.11.2008 eiche (Cottbus), Steffen SPD 04.11.2008 upprecht (Tuchenbach), SPD 04.11.2008 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 19792 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 4. November 2008 (A) ) (B) ) Anlage 2 Erklärung nach § 31 Abs. 2 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke, Cornelia Hirsch, Inge Höger, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen, Karin Binder, Dorothée Menzner, Dr. Diether Dehm, Eva Bulling-Schröter und Dr. Norman Paech (alle DIE LINKE) zur Ab- stimmung über den Antrag: Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern (Tagesordnungs- punkt 3 a und b) Wir haben uns an der Abstimmung über den Antrag „Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdi- sches Leben in Deutschland weiter fördern“ nicht betei- ligt, obwohl der Antrag ein richtiges und notwendiges Anliegen formuliert. Die Linke und wir persönlich ha- ben uns stets in Wort und Tat gegen Antisemitismus, gleichgültig in welcher Spielart er vorgetragen wird, ent- schieden engagiert. Jedoch ist der Antrag ein überaus schlechter Kompromiss, der diesem wichtigen Anliegen bei Weitem nicht gerecht wird, und die Umstände seines Zustandekommens sind skandalös. Wir stellen mit Bedauern fest, dass die Unionsfrak- tion versucht, das Gedenken an die Reichspogromnacht und an die faschistischen Verbrechen an der jüdischen B z W a K d e d r d v f s K t t m m f l t u v A l A s v A b b k S t d g f v Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 04.11.2008 Dr. Schmidt, Frank SPD 04.11.2008 Dr. Schwanholz, Martin SPD 04.11.2008 Staffelt, Grietje BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 Steenblock, Rainder BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 Dr. Strengmann-Kuhn, Wolfgang BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 Teuchner, Jella SPD 04.11.2008 Voßhoff, Andrea Astrid CDU/CSU 04.11.2008 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 04.11.2008 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 04.11.2008 Wright, Heidi SPD 04.11.2008 Zapf, Uta SPD 04.11.2008 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 04.11.2008 Zöllmer, Manfred SPD 04.11.2008 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich (C (D evölkerung Europas für eigene, parteitaktische Zwecke u instrumentalisieren. Das degradiert diesen Antrag zur ahlkampfveranstaltung. Der Antrag versucht, diejenigen als antisemitisch und ntiamerikanisch zu diskreditieren, die Kritik an der riegspolitik von Nato, USA und Israel äußern. Unter em Deckmantel der Antisemitismus-Bekämpfung will r damit wesentliche außen- und innenpolitische Ziele er Bundesregierung legitimieren. Die deklaratorische Feststellung, die Solidarität mit Is- ael entspreche der deutschen Staatsräson, soll nicht nur as Existenzrecht Israels bestätigen, sondern sie dient ielmehr dazu, jegliche Kritik an der israelischen Politik ür illegitim zu erklären. Der Antrag suggeriert: Wer für ich das Recht in Anspruch nimmt, den sogenannten rieg gegen Terror abzulehnen oder die israelische Poli- ik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung zu kri- isieren, stelle sich außerhalb der demokratischen Ge- einschaft. Diese undemokratische, anmaßende Tendenz acht den Antrag für uns untragbar. Darüber hinaus drückt der Antrag zu viel Selbstzu- riedenheit mit den tatsächlichen Zuständen in Deutsch- and und dem Eintreten der Bundesregierung gegen An- isemitismus aus und bleibt uns zu unkonkret, wenn es m die praktischen Schritte geht, die zur Bekämpfung on Antisemitismus gegangen werden müssen. nlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Füh- rung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (183. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 6 a) Ich werde dem Antrag der Bundesregierung auf Ver- ängerung des ISAF-Mandates und der Erhöhung der nzahl der Bundeswehrsoldaten von 3 500 auf 4 500 zu- timmen; dies aus folgenden Gründen: Erstens. Die rot-grüne Bundesregierung hat durch den on ihr 2001 in Gang gesetzten Petersbergprozess den fghaninnen und Afghanen gezeigt, dass Deutschland ereit ist, Afghanistan in einem schwierigen Wiederauf- au- und Demokratisierungsprozess zu helfen. Es war lar, dass dieser Wiederaufbau nicht ohne militärischen chutz vonstattengeht. Dieses Vorhaben wurde auch un- er großer Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen auf en Weg gebracht. Wenn es heute schwierig wird und es roße Probleme durch die aggressive Gegnerbekämp- ung im Rahmen von OEF gibt, die rücksichtslos auch iele Tote unter der Zivilbevölkerung in Kauf nimmt, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 4. November 2008 19793 (A) (C) (B) (D) dann darf dies trotz alledem nicht dazu führen, dass wir Afghanistan den Rücken kehren und es wieder den Tali- ban überlassen. Ein Nein bei der Abstimmung würde ge- nau dieses Signal aussenden. Zweitens. Der Wiederaufbau wird nur dann weiterge- hen, wenn er militärisch gestützt wird. Die afghanische Bevölkerung, die dabei ist, ein aufgeklärtes demokrati- sches Staatswesen aufzubauen, in dem Gleichberechti- gung herrscht, Mädchen zur Schule gehen und Frauen öffentliche Ämter innehaben und aus der Abhängigkeit von Patriarchen befreit werden sollen, muss dies ohne Furcht um Leib und Leben tun können. Und dazu bedarf es für eine gewisse Zeit des Schutzes von ISAF. Drittens. Trotz der großen Schwäche der afghanischen Regierung, die zum Beispiel weder ernsthaft die Korrup- tion noch den Drogenhandel bekämpft, trotz der großen Versäumnisse der Bundesregierung und einer mangelhaf- ten Kooperation beim Wiederaufbau, trotz der zögerli- chen Umsetzung eines dringend erforderlichen Strategie- wechsels – welcher zum Beispiel beinhalten sollte: besseren Schutz der Bevölkerung statt aggressive Geg- nerbekämpfung; Intensivierung der Ausbildung afghani- scher Sicherheitskräfte; Stärkung der Zivilgesellschaft; Förderung regionaler Friedensinitiativen – stimme ich mit Ja, um den Taliban keine falschen Signale der Ermu- tigung zu geben. Viertens. Mein Ja ist auch der Tatsache geschuldet, dass in Afghanistan selbst Menschenrechtsorganisatio- nen, Frauenorganisationen, befreundete Politiker und Po- litikerinnen und Aufbauhelfer sich dringend gegen jede Form der Reduzierung der Truppen aussprechen. Ange- sichts der anstehenden Wahlen in Afghanistan ist – im Gegenteil – eine Erhöhung der internationalen Präsenz notwendig. Das Ja ist ein Zeichen an die Menschen in Af- ghanistan, die uns vertrauen und auf unsere Unterstüt- zung hoffen: Wir lassen Euch nicht im Stich! 185. Sitzung Berlin, Dienstag, den 4. November 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1618500000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich.

Vor Eintritt in unsere Tagesordnung habe ich einige
wenige Mitteilungen zu machen. Unser Vizepräsident
Dr. Wolfgang Thierse hat am 22. Oktober seinen
65. Geburtstag begangen. Dazu möchte ich ihm im Na-
men des Hauses unsere herzlichen Glückwünsche über-
mitteln;


(Beifall)


wir werden das auch noch in angemessener Weise wür-
digen. Der Kollege Joachim Günther beging am glei-
chen Tag seinen 60. Geburtstag, die Kollegin Rita
Pawelski am 29. Oktober. Im Namen des Hauses Ihnen
allen alle guten Wünsche für das nächste Jahr und die
kommenden Lebensjahre!


(Beifall)


Die Kollegen Jörg Rohde und Martin Zeil haben am
1. November auf ihre Mitgliedschaften im Deutschen
Bundestag verzichtet. Als Nachfolger begrüße ich herz-
lich die neuen Kollegen Dr. Daniel Volk und Dr. Erwin
Lotter.

h



B
v

l

G

w

Redet

(Beifall)


Herzlich willkommen und auf gute Zusammenarbeit!

Ich rufe nun unseren Tagesordnungspunkt 1 auf:

Eidesleistung der Bundesministerin für Er-
nährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz

Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom
27. Oktober 2008 Folgendes mitgeteilt:

Gemäß Artikel 64 Absatz 1 des Grundgesetzes für
die Bundesrepublik Deutschland habe ich heute auf
Vorschlag der Frau Bundeskanzlerin de
minister für Ernährung, Landwirtschaf
braucherschutz, Herrn Horst Seehofer, a
Amt als Bundesminister entlassen.

(C (D ung . November 2008 6 Uhr In einem weiteren Schreiben vom 31. Oktober 2008 at mir der Herr Bundespräsident mitgeteilt: Gemäß Artikel 64 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland gleiche Fundstelle – habe ich heute auf Vorschlag der Frau Bundeskanzlerin Frau Ilse Aigner zur Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ernannt. Nach Art. 64 Abs. 2 des Grundgesetzes leistet ein undesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 orgesehenen Eid. Frau Bundesministerin Aigner, ich darf Sie zur Eideseistung zu mir bitten. Ich darf Sie, Frau Bundesministerin, bitten, den im rundgesetz vorgesehen Eid zu leisten. Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landirtschaft und Verbraucherschutz: Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des ext deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde, so wahr mir Gott helfe. (Beifall im ganzen Hause – Abgeordnete aller Fraktionen beglückwünschen Bundesministerin Ilse Aigner)


(Vereinzelt Heiterkeit)


(Die Anwesenden erheben sich)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1618500100

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die neue Bundes-

ministerin hat den nach dem Grundgesetz vorgeschriebe-
et. Ich darf ihr in Ergänzung der gerade
eindrucksvollen persönlichen Gratula-
ch die geballten guten Wünsche und die
ganzen Hohen Hauses übermitteln. Ih-
n Bundes-
t und Ver-
us seinem

nen Eid geleist
stattgefundenen
tionskur nun au
Gratulation des






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
nen, verehrte Frau Aigner, wünschen wir für die Über-
nahme des neuen Amtes Freude, Erfolg und Gottes Se-
gen.


(Beifall im ganzen Hause)


Ich möchte gleichzeitig dem ausgeschiedenen Bun-
desminister Horst Seehofer für seine Tätigkeit als Mit-
glied der Bundesregierung herzlich danken und auch
ihm für die neue Aufgabe alles Gute wünschen. Wir wer-
den ihn ja ganz sicher gelegentlich auf der anderen Seite,
der Bundesratsbank, in neuer Funktion erleben und dann
Gelegenheit haben, die einen oder anderen guten Wün-
sche oder Hinweise vorzutragen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2:

Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-
scher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische An-
griffe gegen die USA auf Grundlage des Arti-
kels 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags
sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373

(2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Natio-

nen

– Drucksache 16/10720 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
sehe, dass dazu Einvernehmen besteht. Dann ist das so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst
dem Bundesminister des Auswärtigen, Frank-Walter
Steinmeier, das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Nach den Anschlägen vom 11. September 2001
haben alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag ge-
sagt – wir erinnern uns –: Der Kampf gegen den Terror,
der Kampf gegen al-Qaida wird wohl einen langen
Atem brauchen. Auch wenn es in Europa und den USA
von heute aus gesehen seit mehreren Jahren keinen An-
schlag der al-Qaida mehr gegeben hat und Afghanistan
heute nicht mehr die Brutstätte und das Trainingszen-
trum für die al-Qaida-Terroristen ist, bleibt es dennoch
dabei: Die Gefahr ist in der Tat nicht gebannt. Sie hat
sich aber verändert.

Darum müssen wir diese Mandate, durch die der Rah-
men für unser militärisches Engagement in Afghanistan

g
H
v

a

d
m
T
i
t
s
d
S
L
5
d
a

u
A
I
a
S
l
R
L
n
S
i

m
u
Q
n
t
k
w
w
h
s
r
e

K
w
o
G

T
l
h

(C (D egeben wird, auch an veränderte Situationen und neue erausforderungen anpassen. Das entspricht dem, was iele von Ihnen gefordert haben, nämlich kein simples Weiter so!“. Das gilt auch für das ISAF-Mandat und uch für das OEF-Mandat, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU])


Es hat sich in Afghanistan in der Tat die Erkenntnis
urchgesetzt – das haben wir alle hier in vielen Debatten
iteinander ausgesprochen –, dass der Kampf gegen den
error nicht allein mit militärischen Mitteln zu gewinnen

st und dass wir mehr für den Wiederaufbau von Insti-
utionen und für den Wiederaufbau der zivilen Infra-
truktur tun müssen. Darum ist die Zahl der Soldaten für
ie ISAF-Mission, die neben der Gewährleistung von
icherheit eben auch den zivil-militärischen Aufbau des
andes sicherstellt, in den letzten Jahren von 10 000 auf
0 000 angewachsen, während sich in der gleichen Zeit
ie Zahl der bei OEF eingesetzten Soldaten von 20 000
uf etwa 10 000 halbiert hat.

Auch im Norden Afghanistans spiegelt der Einsatz
nserer Bundeswehr durchaus diese Entwicklung wider.
uch wir haben in der Tat die Zahl der Soldaten unter

SAF erhöht, auch, um den militärischen Wiederaufbau
bzusichern, auch, um mit den zusätzlich eingesetzten
oldatinnen und Soldaten Polizeiausbildung und vor al-

en Dingen Armeeausbildung zu betreiben, damit die
egierung dieses Landes nach und nach mehr in die
age versetzt wird, für Sicherheit und Ordnung im eige-
en Land zu arbeiten. Dafür sind unsere Soldatinnen und
oldaten in Afghanistan. Das ist – der Überzeugung bin

ch – ein weiterhin sinnvoller und notwendiger Einsatz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gleichwohl – auch das gehört dazu – müssen wir uns
it der Veränderung der Lage in der Region auch stärker

m Pakistan kümmern. Sie wissen, dass ein Teil der al-
aida, die früher in Afghanistan tätig und präsent war,
ach Pakistan ausgewichen ist und dort teilweise unkon-
rolliert agieren kann. Deshalb muss es uns gelingen, Pa-
istan zu stabilisieren. Das kann uns nur gelingen, wenn
ir mit der Regierung in Islamabad und dem neu ge-
ählten Präsidenten zusammenarbeiten. Ich füge auch
inzu: Keine Hilfe sind die grenzüberschreitenden Luft-
chläge. Das trägt nicht zur Stabilisierung dieser Regie-
ung bei, wie ich jüngst bei meinem Besuch in Pakistan
rfahren konnte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


onkrete Politik hilft da sehr viel mehr. Darum bemühen
ir uns durch Gespräche mit der Regierung in Pakistan
der wie zuletzt auf der Reise nach Pakistan und in die
olfstaaten.

Worum geht es nämlich? Neben der Bekämpfung von
errorismus geht es darum, Pakistan insgesamt zu stabi-

isieren und dieses Land und seine Regierung fähig zu
alten, Terrorismus im eigenen Land zu bekämpfen. Da-






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
rum beteiligen wir uns mit anderen an einer internationa-
len Pakistan-Freundesgruppe. Wir treffen uns bereits
am 17. November in Abu Dhabi. Daran mögen Sie er-
kennen, warum es sinnvoll ist, das Rettungsseil, das wir
Pakistan jetzt mit der möglichen Bereitstellung von
IWF-Krediten hingehalten haben, an möglichst vielen
Stellen auf der Erde zu verankern. Dafür brauchen wir
die Golfstaaten. Ich bin jedenfalls froh, festzustellen,
dass in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabi-
schen Emiraten offensichtlich Bereitschaft besteht, Pa-
kistan im Konzert mit anderen zu unterstützen.

Was bedeuten die Veränderungen, von denen ich spre-
che, insgesamt für die deutsche Beteiligung am OEF-
Mandat? Wir ziehen jetzt die Konsequenzen daraus,
dass es seit mehreren Jahren keine deutschen OEF-Ein-
sätze mehr in Afghanistan gegeben hat. Wir haben des-
halb die für den Afghanistan-Einsatz vorgesehenen Spe-
zialkräfte aus dem OEF-Mandat herausgenommen. In
Zukunft werden wir uns in Afghanistan militärisch nur
noch im Rahmen von ISAF engagieren.

Das ist gleichzeitig der Grund, weshalb wir die Per-
sonalobergrenze von 1 400 auf zukünftig 800 Soldaten
reduzieren. Wir werden damit weiterhin an der Mission
teilnehmen können, die im Mittelmeer bzw. am Horn
von Afrika operiert, und da die Bewegungsfreiheit von
Terroristen und ihren Unterstützern auch weiterhin nach-
haltig einschränken können. Das beinhaltet noch nicht
– um auch das vorweg zu sagen – den Kampf gegen
Piraterie in der Region. Dazu wird die Bundesregierung
ein gesondertes Mandat vorlegen, das die Beteiligung
Deutschlands an einer geplanten EU-Mission regeln
wird.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, das OEF-
Mandat ist nur ein Faktor in unserer vielfältigen Arbeit
für Sicherheit und Stabilität in Afghanistan. Ich weiß,
dass nach der Rechtsgrundlage gefragt wird. Debattiert
worden ist darüber auch in den Fraktionen. Ich will des-
halb noch einmal darauf hinweisen: Dieser Einsatz ist
nach wie vor durch das Recht auf Selbstverteidigung
durch Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen ge-
deckt. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das
mehrfach bekräftigt und diesen Einsatz, wie Sie wissen,
auch mehrfach positiv gewürdigt.

Alles in allem ist das Grund genug, um Sie als Mit-
glieder des Deutschen Bundestages um eine breite Zu-
stimmung zu einer Verlängerung des OEF-Mandates zu
bitten. Das wäre nicht nur ein politisches Signal, dass
wir uns aus der Solidarität der internationalen Staatenge-
meinschaft nicht verabschieden; es wäre vor allen Din-
gen auch ein starkes Zeichen für unsere Soldatinnen und
Soldaten, die bei ihrem Einsatz für unsere Sicherheit
Leib und Leben riskieren. Wir schulden unseren Solda-
ten dafür nicht nur Dank; wir schulden ihnen dafür vor
allen Dingen unsere volle Unterstützung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich appelliere deshalb an das Hohe Haus: Bitte geben Sie
den Soldatinnen und Soldaten die notwendige politische
Rückendeckung!

F

g
B
i
s
z
h
d
A
1
Ä
v
S
i
d
d
m
d

K
v
n
d
V
g
m
l
d
d

z
b

D
g
t
z
D
A
z
B
v
d
d
M
w
t
k

(C (D Ganz herzlichen Dank. Ich erteile das Wort dem Kollegen Stinner für die DP-Fraktion. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Die FDP-Fraktion wird dem Mandatsantrag der undesregierung zustimmen. Aber diese Zustimmung st mit vielen Fragenzeichen und vielen Forderungen unererseits an die Bundesregierung verbunden. Das jetige Mandat unterscheidet sich wesentlich von dem vorerigen Mandat, und zwar vor allem deshalb, weil iesmal zum ersten Mal die Unterstützung der OEF in fghanistan nicht einbezogen ist. Das heißt, dass die 00 KSK-Kräfte nicht mehr mandatiert werden. Diese nderung des Mandats ist eindeutig parteipolitisch motiiert. Herr Außenminister, das ist die weiße Salbe, die ie auf die Wunden Ihrer SPD-Fraktion auftragen; denn n der SPD-Fraktion ist seit jeher die Diskussion über as „gute“ ISAF-Mandat und das „schlechte“ OEF-Manat im Gange. Das möchte man abmildern, bzw. diesem öchte man ausweichen, indem man diesmal das Man at entsprechend ändert. Es erscheint uns allerdings, liebe Kolleginnen und ollegen von der SPD-Fraktion, als ob Sie die Tatsache erbergen möchten, dass Spezialkräfte in Afghanistan och eingesetzt werden. Deswegen wiederhole ich ganz eutlich, was wir in einem Entschließungsantrag zur erlängerung des ISAF-Mandats vor einigen Wochen esagt haben: Selbstverständlich ist es auch in Zukunft öglich, KSK-Kräfte in Afghanistan einzusetzen. Es ob iegt allein und ausschließlich der militärischen Führung, ie Kräfte einzusetzen, die sie für notwendig hält, um as Mandat zu erfüllen. Aufgabe des Parlamentes, unsere Aufgabe ist, dafür u sorgen, dass die eingesetzten Soldaten richtig ausgeildet und vor allem richtig ausgerüstet sind. azu gibt es gerade im Hinblick auf Afghanistan eine anze Reihe von Fragen. Unsere Soldaten in Afghanisan sind nicht nur dazu da, Sicherheit in Afghanistan herustellen. Sie dienen auch dazu, die Sicherheit in eutschland zu erhalten und zu fördern. Auch das ist ihr uftrag in Afghanistan. Wir haben eine Kleine Anfrage ur Ausrüstung der Soldaten in Afghanistan an die undesregierung gestellt. Interessanterweise – oder freelhafterweise – sind die Antworten klassifiziert woren. Das heißt, sie sind vertraulich gegeben worden, soass mit ihnen politisch nicht gearbeitet werden kann. eine Damen und Herren von der Bundesregierung, das irft ein schlechtes Licht auf das, was Sie in Afghanis an tun. Natürlich wird dadurch das Vertrauen der Bevölerung und auch der Soldaten, dass wir das Richtige tun, Dr. Rainer Stinner nicht gerade gefördert. Ich bitte Sie herzlich, diese Ihre Entscheidung nachhaltig zu überdenken. Ich verhehle nicht, dass die völkerrechtliche Grundlage dieses Mandates auch in unserer Fraktion wieder zu umfangreichen Diskussionen geführt hat. Selbstverständlich ist es richtig, die Frage zu stellen, ob die Begründung noch Bestand hat. Wir müssen darüber diskutieren, ob das Selbstverteidigungsrecht und der Angriff nach Art. 5 des NATO-Vertrages noch heute, sieben Jahre später, Grundlage sein können. Für uns gilt: Ad infinitum kann diese Begründung nicht dafür herhalten, dieses Mandat fortzuführen. Wir müssen darüber gemeinsam nachdenken. Kern dieses neuen Mandats ist also der Marineeinsatz am Horn von Afrika. Es ist ohne jeden Zweifel in unserem deutschen Interesse, dass die Seewege am Horn von Afrika sicherer werden. Wir als größte Exportnation dieser Welt haben ein vehementes eigenes, nationales Interesse daran, dass diese Wege sicher sind. Deshalb ist der Einsatz deutscher Soldaten dort sinnvoll und richtig. Was machen aber nun unsere Soldaten am Horn von Afrika? Genauso wichtig ist die Frage: Stimmen eigentlich die Regeln, unter denen sie arbeiten, mit ihrem Auftrag heute noch überein? Im Antrag zur Erteilung des Mandats steht wörtlich, es sei Aufgabe, „Führungsund Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen …“. Wie können aber Soldaten das machen, wenn sie zum Beispiel ein Schiff gegen den Willen des Kapitäns nicht betreten dürfen? Ganz zu schweigen von der Anwendung militärischer Gewalt, wenn es sich nicht um eng definierte Nothilfe handelt. Wie können eigentlich deutsche Soldaten Führungsund Ausbildungsstrukturen ausschalten, wenn sie militärisch nur im Rahmen eng begrenzter Nothilfe vorgehen können? Das sind offene Fragen, denen wir uns stellen müssen. Das sind nicht Fragen des Mandats, meine Damen und Herren von der Regierung, das sind Fragen, die die Bundesregierung beantworten muss. Es ist Ihre Aufgabe, für unsere Soldaten eindeutige Regeln festzulegen, damit sie den Auftrag, den wir ihnen hier geben, wirklich erfüllen können; denn wenn wir unsere Soldaten nicht mit einem klaren Auftrag und klaren Einsatzregeln versehen, bringen wir sie, wie geschehen – das erfahren wir alle, wenn wir in Einsatzgebieten sind –, in eine unmögliche, in eine ungünstige Situation. Das dürfen wir unseren Soldaten nicht zumuten. Genauso schlimm ist: Wir machen uns leider häufig vor aller Welt lächerlich. Das gilt auch für das Problem der Abgrenzung zwischen Terrorismus und Piraterie. Die Bundesregierung hat bis dato immer wieder gesagt, das könne man klar voneinander abgrenzen. Ich sage Ihnen: Die deutsche Marine ist schon etwas klüger. Das Flottenkommando der deutschen Marine schreibt nämlich in einem B T n S s P i z s D M i D v s u v r e s m l B d b w g G t t d N M D D S d d S d R d d S z d h N Ä A k (C (D ericht, dass der grenzüberschreitende internationale errorismus, der von Piraterie und organisierter Krimialität häufig nicht zu trennen sei, ebenfalls den freien eeverkehr zum illegalen Transport von Waffen und Peronen nutze. Hier ist eindeutig festgehalten, was unsere artnernationen seit Jahren betonen. Selbstverständlich st gerade am Horn von Afrika eine eindeutige Trennung wischen Piraterie und Terrorismus nicht möglich. Unere Partnernationen verfahren entsprechend. as heißt, sie gehen schon heute im Rahmen des OEFandats gegen Piraterie vor, wo es möglich und geboten st. Nur unsere Bundesregierung verstrickt sich hier in eine ebatte, die mittlerweile kein Mensch mehr richtig nachollziehen und verstehen kann. Die Regierungsparteien ind in dieser Frage heillos zerstritten. Wir bekommen auf nsere Anfragen völlig unterschiedliche Mitteilungen om Außenministerium und vom Verteidigungsministeium. So bestätigt zum Beispiel das Auswärtige Amt auf ine schriftliche Anfrage von uns, dass die Bundeswehr elbstverständlich Polizeiaufgaben im Ausland übernehen dürfe und es selbstverständlich weder völkerrecht ich noch verfassungsrechtlich ein Problem sei, dass die undeswehr gegen Piraten vorgehe. Das ist die Aussage es Auswärtigen Amts. Das Verteidigungsministerium ehauptet das Gegenteil. Herr Kossendey geht sogar so eit, die Nothilfe auf einen ganz engen Bereich zu berenzen, nämlich auf den Moment der Piraterie und der efangennahme. Nach Aussage des Verteidigungsminis eriums besteht Nothilfe dann nicht mehr, wenn die Piraen ein Schiff gekapert haben und mit Geiseln abgeampft sind. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, othilfe besteht so lange, wie die Not für die betroffenen enschen anhält. Das ist, glaube ich, eine eindeutige efinition. ie Regierungspraxis steht im klaren Widerspruch zum eerechtsübereinkommen, das wir, der Deutsche Bunestag, im Jahr 1994 ratifiziert haben. Darin ist das eineutig geregelt. Ich kann auch hierzu nur sagen: Unsere oldaten schütteln den Kopf darüber und unsere Verbüneten wundern sich ein weiteres Mal. Dieses Problem setzt sich leider fort. Wir haben im ahmen der NATO einen Verband – er war sowieso auf em Wege zum Horn von Afrika –, der jetzt auf Wunsch er Vereinten Nationen die Aufgabe übernehmen soll, chiffe des World Food Programme am Horn von Afrika u schützen. Sehr geehrte Frau Ministerin Wieczorek-Zeul, die eutsche Bundesregierung, Ihre Bundesregierung, verindert, dass deutsche Soldaten im Auftrag der Vereinten ationen Lebensmittellieferungen schützen, die die rmsten dieser Welt erreichen sollen. Das ist deutsche ußenund Sicherheitspolitik des Jahres 2008. Das ann so nicht weitergehen. Dr. Rainer Stinner Es geht aber weiter. Jetzt ist die Rede davon, eine ESVP-Mission zur Bekämpfung der Piraterie zu unternehmen, wahrscheinlich ab Dezember. Es ist uns – übrigens, wie ich erkannt habe, auch vielen Kolleginnen und Kollegen der SPD – beim besten Willen nicht klarzumachen, wieso der Bezug auf Art. 24 des Grundgesetzes für die ESVP-Mission gilt und möglich ist, aber für die NATO-Mission nicht. Hier sind, glaube ich, Debatten im Gange, die völlig widersprüchlich sind. Deshalb sagen wir: Wir müssen Klarheit schaffen in den Regeln und in den Abgrenzungen zwischen der OEF-Mission und der ESVP-Mission. Hier gibt es erhebliche Schnittstellen. Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als wolle sie unter allen Umständen den Anschein verhindern, dass deutsche Soldaten schließlich auch einmal militärische Mittel einsetzen müssen. Deshalb agiert sie nach unserem Dafürhalten hier in einer unklaren Art und Weise. Mit diesem Verhalten lässt die deutsche Bundesregierung viele Soldaten im Stich, und wir machen uns, wie gesagt, international unglaubwürdig. Dies muss geändert werden. Sie sehen also: Wir haben uns die Entscheidung zu diesem Mandat weiß Gott nicht leichtgemacht. Wir haben weiterhin viele Fragen. Wir stimmen trotzdem zu, weil es als politisch Verantwortliche im Deutschen Bundestag unsere Aufgabe ist, die grundsätzlichen Weichenstellungen im Hinblick auf das, was zu tun ist, hier vorzunehmen. Aber wir verlangen von der Bundesregierung, dass sie ihre Anstrengungen hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung dieses Mandates wesentlich verbessert, damit Sicherheit und Vertrauen herrschen, nicht nur bei unseren Soldaten, sondern insbesondere auch bei denen, für die wir diese Aufgabe weltweit erfüllen. Herzlichen Dank. Ich erteile das Wort Bundesminister Franz Josef Jung. (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wenn wir mit Klatschen fertig sind!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1618500200

(Beifall bei der FDP)

Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1618500300

(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618500400

Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-
gung:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der 11. September 2001 markiert eine sicher-
heitspolitische Zäsur. Auf diesen schrecklichen An-
schlag hat die internationale Gemeinschaft geschlossen
und einmütig reagiert. Ich denke, es ist eine wirkungs-
volle Antwort im Kampf gegen den internationalen Ter-
rorismus gewesen.

Bereits einen Tag nach den Anschlägen erklärte der Si-
cherheitsrat der Vereinten Nationen mit Resolution 1368
die Anschläge zur Bedrohung für den internationalen
Frieden und die internationale Sicherheit, und der Nord-
atlantikrat hat den Bündnisfall ausgerufen. Deshalb war
es folgerichtig, dass der Deutsche Bundestag erstmals
am 16. November 2001 dem Einsatz deutscher Streit-
kräfte im Rahmen der Operation Enduring Freedom zu-

g
d
L
s
G

in
r
te
s
Q
e
a
i
T
t
M
H

u
u
T
t
m

S
k
a
d
c
w
V
v
U

K
I
M
u
w
k
i
d
a

f
k
B
n
I
d
d

N
d
l
g

(C (D estimmt hat. An dieser Grundlage und auch an der Berohung durch den internationalen Terrorismus für unser and hat sich bis heute nichts geändert. Deshalb ist es innvoll, dass wir diesen Auftrag zur Bekämpfung der efahren für unser Land an der Quelle fortsetzen. Seit Ende 2001 erbringen wir unseren Beitrag sowohl Afghanistan als auch im Mittelmeer sowie im Seeraum und um das Horn von Afrika. Es liegt im deutschen Inresse, den Terrorismus und dessen Verbindungslinien, eine Kommunikation und seinen Nachschub an der uelle zu bekämpfen. Wir sind am Horn von Afrika mit inem Marineverband gemeinsam mit Koalitionskräften us Australien, Frankreich, Großbritannien und Pakistan m Einsatz. Die deutschen Einheiten schützen in der askforce 150 die Seeverbindungslinien in einem Opera ionsgebiet, das vom Roten Meer über das Arabische eer und den Golf von Oman bis hin zur Straße von ormuz reicht. Der Auftrag beinhaltet Identifikation, Überwachung nd Aufklärung. Der Seeverkehr im Einsatzgebiet wird mfassend beobachtet und dokumentiert. Ziel ist es, den ransport von Personen und Gütern, Waffen und Muni ion, die der Unterstützung des internationalen Terrorisus dienen, zu unterbinden. Sehr geehrter Kollege Stinner, leider geht das, was ie in dem Zusammenhang zum Thema Pirateriebeämpfung gesagt haben, an der Realität vorbei; ich sage: n unserer Verfassung vorbei. Sie müssen sich schon azu durchringen, einen Beitrag zur verfassungsrechtlihen Klarstellung zu leisten, wenn Sie das Ziel erreichen ollen, das Sie hier ansprechen. Ich bin nicht bereit, die erfassung zu brechen. Wir sollten eine Klarstellung ornehmen, um die Chance zu haben, Piraterie in dem mfang zu bekämpfen, den Sie eben eingefordert haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es ist – ich sage es noch einmal – ein Einsatz zum
ampf gegen den Terrorismus, nicht gegen die Piraterie.

m Hinblick auf jene Bedrohung wird zurzeit die ESVP-
ission vorbereitet. Wir werden in dem Zusammenhang

nseren Beitrag dazu leisten, dass auch dieser Gefahr
irkungsvoll entgegengetreten wird. Neben der Nothilfe
ann man selbstverständlich auch prüfen, ob in Zukunft
m Rahmen des OEF-Mandats eine Unterstellung unter
as ESVP-Mandat möglich ist. Aber das bedarf dann
uch der Zustimmung des Deutschen Bundestages.

Neben unseren Fregatten stellen wir mit unseren See-
ernaufklärungsflugzeugen Orion fallweise auch Fähig-
eiten zur Aufklärung aus der Luft zur Verfügung. Die
undeswehr hält zudem Kräfte für luftgestützte medizi-
ische Notfallversorgung durchgehend in Bereitschaft.
m Januar werden wir, wenn der Deutsche Bundestag
iesem Mandat zustimmt, zum wiederholten Male für
rei Monate die Führung dieser Taskforce übernehmen.

Neben dem Einsatz am Horn von Afrika gehört die
ATO-Operation Active Endeavour im Mittelmeer zu
iesem Mandat. In wechselnder Stärke und Formation
eisten wir hier ebenfalls unseren Beitrag im Kampf ge-
en den internationalen Terrorismus.






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Kol-
lege Stinner, ich finde, die Bilanz unseres Einsatzes kann
sich sehen lassen. Wir haben mit unseren Kräften über
14 500 Abfragen von Schiffen, über 340 Stopps, detail-
lierte Befragungen von Schiffsbesatzungen, 70 Durchsu-
chungen, also Boardings, und über 70 Geleitaufträge für
besonders schützenswerte Schiffe durchgeführt sowie
zusätzlich diverse Hilfeleistungen für Schiffe in Not er-
bracht. Ich bin unseren Soldatinnen und Soldaten sehr
dankbar, die einen wirkungsvollen Einsatz leisten – im
Interesse der Sicherheit unseres Landes und im Kampf
gegen den internationalen Terrorismus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen die Diskussion über dieses Mandat aus
der Zeit heraushalten, in der dieser Bundestag noch am-
tiert, ein neuer aber schon gewählt ist, und schlagen des-
halb vor, das Mandat bis in den Dezember 2009 hinein
zu verlängern. Des Weiteren wollen wir die derzeitige
Obergrenze von 1 400 auf 800 Soldatinnen und Soldaten
zurückführen, weil dies im Hinblick auf unseren Einsatz
sachgerecht ist. Außerdem haben wir die 100 Spezial-
kräfte bei OEF für das Einsatzgebiet Afghanistan he-
rausgenommen. Diese Kräfte waren in den vergangenen
Jahren eine wichtige Rückversicherung. Jedoch hat sich
der Charakter von OEF in Afghanistan mit der schritt-
weisen Übernahme der Verantwortung für die Sicherheit
in ganz Afghanistan durch ISAF spürbar gewandelt. Na-
türlich kann die knappe Ressource der Spezialkräfte wei-
terhin im Rahmen von ISAF eingesetzt werden, falls
dies in Afghanistan erforderlich ist.

Wir wollen in unseren Anstrengungen im Kampf ge-
gen den Terrorismus nicht nachlassen, auch und gerade
im Interesse unserer Sicherheit. Wir stellen uns mit unse-
ren alliierten Partnern, mit der Weltgemeinschaft nach-
drücklich und entschlossen gegen diese Geißel der
Menschheit. Das ist ein wichtiger Teil unseres Beitrages,
die Welt ein Stück friedlicher und sicherer zu machen.
Deutschland wird und darf sich hier seiner Verantwor-
tung nicht entziehen.

Ich denke, wir können insgesamt stolz und dankbar
hinsichtlich des Engagements unserer Soldatinnen und
Soldaten sein, die gut ausgebildet und gut ausgerüstet
sind und diesen Auftrag gut motiviert erfüllen. Er dient
unseren Sicherheitsinteressen, den Sicherheitsinteressen
unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich bitte Sie deshalb
um möglichst breite Zustimmung zur Fortsetzung unse-
res Engagements im Rahmen der Mandate zur Bekämp-
fung des internationalen Terrorismus, Operation Endu-
ring Freedom und Operation Active Endeavour, in dem
einen Fall am Horn von Afrika – in diesem Mandat ha-
ben wir im Übrigen das Seegebiet klar konkretisiert, in
dem die Kräfte im Einsatz sind –, in dem anderen Fall im
Mittelmeer; denn so können wir unseren Beitrag auch in
Zukunft wirkungsvoll leisten. Ich denke, für diesen Ein-
satz im Interesse unserer Sicherheit haben unsere Solda-
tinnen und Soldaten eine breite Unterstützung dieses
Parlamentes verdient.

Recht herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


n

d
b
m

r
ü
t
v
s
b
f
r
d

u
d
n
n
M
s
B
S
p
s

B
E
r
w

P
A
A
d
Ö
b
d
w

g

s
a
c

(C (D Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen Stinner och einmal das Wort. Sehr geehrter Herr Minister! Ich bedanke mich aus rücklich dafür, dass Sie mich direkt angesprochen haen. Das gibt mir die Möglichkeit, die Dinge noch einal sehr deutlich darzustellen. Erstens. Dieses Parlament hat im Jahr 1994 das Seeechtsübereinkommen ratifiziert. In diesem Seerechtsbereinkommen steht ausdrücklich, dass die Vertragsstaaen gegen Piraterie auf hoher See auf der ganzen Welt orgehen können – nicht müssen, aber können. Auf unere Anfrage, ob denn Art. 25 des Grundgesetzes, der esagt, dass völkerrechtlich verbindliche Verträge auch ür deutsches Recht bindend sind, auch für dieses Seeechtsübereinkommen gilt, hat die Bundesregierung eineutig mit Ja geantwortet. Zweitens. Die zweite Ausrede, die Sie, Herr Minister, nd Ihr Ministerium verwenden, ist, die Bundeswehr ürfe angeblich im Ausland keine Polizeiaufgaben wahrehmen. Das ist falsch, Herr Minister. Die Bundeswehr immt schon gegenwärtig im Ausland in umfangreichem aße Polizeiaufgaben wahr. Ich erinnere an den Ko ovo, wo wir nach den Umständen des Jahres 2004 die undeswehr extra mit Polizeiausrüstung wie Schilden, chlagstöcken und Reizgas versehen haben, damit sie olizeiähnliche Aufgaben wahrnehmen kann. Auch diees Argument hilft also nicht. Drittens verweise ich auf meine eben schon gemachte eschreibung der, wie ich finde, völlig unzuträglichen ingrenzung des Begriffes „Nothilfe“ durch Ihr Ministe ium. Das halte ich, Herr Minister, wirklich für völlig abegig. Diese Eingrenzung muss aufgehoben werden. Nein, Herr Minister – ich komme zum Schluss, Herr räsident –, Sie und Ihre Partei wollen – das hat auch die usschussberatung gezeigt – über eine Änderung des rt. 87 unseres Grundgesetzes etwas völlig anderes, und afür haben Sie von Ihren Kollegen von der SPD in der ffentlichkeit und in den Ausschüssen die Rote Karte ekommen. Deshalb gibt es weiterhin einen Konflikt in er Bundesregierung, auf den ich hingewiesen haben ollte. Herzlichen Dank. Herr Minister, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion. Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidiung: Herr Kollege Stinner! Wir haben die Diskussion chon im Ausschuss geführt. Ich will meinen Standpunkt ber gerne noch einmal vor dem Parlament deutlich mahen. Bundesminister Dr. Franz Josef Jung Erstens. Völkerrecht bricht nicht Verfassungsrecht. Für mich gilt die verfassungsrechtliche Grundlage unseres Grundgesetzes; daran werde ich mich halten. Zweitens. Wir bereiten zurzeit eine ESVP-Mission vor, die uns im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 Grundgesetz – da geht es um gegenseitige kollektive Sicherheit – die Rechtsgrundlage gibt, Piraterie wirkungsvoll zu bekämpfen. Das halte ich für richtig und notwendig. Ich hoffe, dass der Deutsche Bundestag einem derartigen Mandat zustimmt, sodass wir einerseits im Rahmen unseres OEF-Mandates, über das wir jetzt beraten, den Terrorismus bekämpfen können und andererseits im Rahmen des zukünftigen Mandats, der ESVP-Mission, Piraterie bekämpfen können. Das dient unserer Seesicherheit und dem freien Seehandel. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten. (Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist ja mehr Absurdistan als Afghanistan!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618500500
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1618500600

(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618500700




(A) )


(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618500800

Das Wort hat nun Kollege Norman Paech, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. Norman Paech (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618500900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Es geschieht ja nicht sehr oft, dass wir die Regierung lo-
ben. Aber in diesem Fall ist es angebracht, da Sie aus der
Kritik die Konsequenz gezogen haben, den Antiterror-
einsatz – zumindest in Afghanistan – einzustellen. Ich
will nicht darüber reden, ob Sie sich vielleicht dadurch
die Zustimmung zu einem Einsatz im Rahmen der ISAF
erkaufen wollen, der sich ohnehin nicht mehr von dem
Kampfeinsatz der OEF unterscheidet. Leider sind Sie
auf halbem Wege stehen geblieben. Sie hätten die Bun-
deswehr vollständig aus diesem vollkommen falschen
und auch völkerrechtswidrigen Einsatz zurückziehen
müssen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Sie wollen uns erneut weismachen, dass alles völker-
rechtlich in Ordnung ist, und verweisen dann auf das
Selbstverteidigungsrecht in Art. 51 der UN-Charta.
Das mag ja unmittelbar nach den Anschlägen am
11. September zugetroffen haben. Aber ein Krieg von
sieben Jahren gegen einen Feind, der kein Staat und
keine Regierung ist, sondern der sich über ein Netzwerk
von über 60 Staaten verteilt, hat mit dem Selbstverteidi-
gungsrecht nach der UN-Charta nichts mehr zu tun.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ich frage Sie: Wie lange wollen Sie noch daran festhal-
ten? Glauben Sie, dass Sie das, was Sie in sieben Jahren
nicht geschafft haben, nämlich al-Qaida militärisch zu
besiegen, im nächsten Jahr schaffen werden? Ich sage
Ihnen: niemals.

t
h
a
a
z
f
d
d

m
m
e
m
h
b
s
m
g
r
r
I
s
v
n
P
e
d
s
K

f
b
f
M
n
T
o
m
u
U

g
t
S
a
n
R
n
a
M
K
i
l

(C (D Sie benutzen OEF als Generalermächtigung für miliärische Abenteuer, die nun ihren Schwerpunkt auf See aben sollten. Sie verweisen auf die unsichere Situation m Horn von Afrika und die Gefahren für Handelswege, uf denen Gas, Öl und andere lebenswichtige Rohstoffe u uns kommen. Natürlich ist sind diese Handelswege ür die Industrieländer von eminenter Bedeutung. Aber ie Frage ist: Rechtfertigt das eine Antiterrormission wie ie OEF? Die Bundeswehr – Herr Jung, wenn Sie ehrlich sind, üssen Sie das zugeben – dümpelt seit Jahren im Rahen von OEF dort herum. Sie hat bisher noch keinen inzigen Terroristen aufgespürt. Konsequenterweise üsste sich die Bundeswehr von dort endlich zurückzie en. Stattdessen instrumentalisieren Sie das Piraterieprolem, um weiterhin am Horn von Afrika militärisch präent zu sein. Dabei verfolgen Sie eine ganz gefährliche ilitärische Doppelstrategie: zum einen Maßnahmen ge en die Piraten im Rahmen der EU – es gibt dazu Vorbeeitungen – und zum anderen Maßnahmen gegen Terroisten im Rahmen der OEF. Ich sage Ihnen aber: Wie bei SAF und OEF wird auch hier wieder eine Vermischung tattfinden. Herr Stinner, ich gebe Ihnen in diesem Punkt ollkommen recht; ich brauche Ihre Äußerung dazu icht zu wiederholen. Denn wer kann schon im Ernstfall iraten von Terroristen unterscheiden? Wir sind gegen ine solche Mission. Sie lösen damit weder das Problem es Terrorismus noch das Problem der Piraterie. Sie chicken vielmehr die Soldaten immer wieder an neue riegsschauplätze. Dagegen sind wir. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Die Sicherheit am Horn von Afrika und die Bekämp-
ung von Piraten und Terroristen sind nur mit einer Sta-
ilisierung der staatlichen Ordnung und mit Bekämp-
ung der Armut zu erreichen. Das ist nur mit politischen

itteln und mit ökonomischer Unterstützung möglich,
iemals militärisch. Dabei ist es gleichgültig, ob die
ruppen aus der Afrikanischen Union, der EU, der UNO
der der NATO kommen. Selbst die Briten – das kann
an nachlesen – haben jüngst den militärischen Ansatz

nd die Militarisierung des Antiterrorkampfes durch die
SA als vollkommen falsches Konzept kritisiert.

Sie machen uns immer den Vorwurf, dass wir zwar
egen den Einsatz des Militärs seien, aber keine Alterna-
iven hätten. Diese liegen aber auf der Hand. Schauen
ie sich einmal die umfassenden Aktivitäten der UNO
n, die sie nach dem 11. September gegen den internatio-
alen Terrorismus unternommen hat. Es gibt zahlreiche
esolutionen und insgesamt zwölf Antiterrorkonventio-
en, in denen die Staaten zu ganz konkreten Maßnahmen
ufgerufen werden. An keiner Stelle ist vom Einsatz des
ilitärs die Rede. Gestehen Sie sich endlich ein, dass die
riege im Irak und in Afghanistan für das Erstarken des

nternationalen Terrorismus ganz wesentlich verantwort-
ich sind.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])







(A) )



(B) )


Dr. Norman Paech
Um die Ursachen des Terrorismus zu bekämpfen, um
gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, die den Men-
schen ein Leben ohne Armut und Gewalt, einen Weg aus
Krieg und Perspektivlosigkeit bieten, was der Nährbo-
den des Terrorismus ist, braucht es ziviler Instrumente
und nicht des Militärs. Die Bundeswehr ist dafür ganz
und gar ungeeignet. Deswegen fordern wir Sie auf: Be-
enden Sie die deutsche Beteiligung an OEF! Wir werden
diesem Mandat nicht zustimmen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618501000

Das Wort hat nun Kollege Winfried Nachtwei, Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618501100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zum siebten Mal haben wir im Bundestag über die Ver-
längerung der deutschen Beteiligung an der Operation
Enduring Freedom zu diskutieren und zu entscheiden.
Ich erinnere mich noch sehr genau: Im November 2001
war diese Entscheidung in den beiden Koalitionsfraktio-
nen der SPD und der Grünen äußerst umstritten. Man
kann sagen, dass sich in den Jahren danach die Befürch-
tungen, die wir damals im November hatten, nicht bestä-
tigt haben. Im Gegenteil: Die Dinge sind in Afghanistan
zunächst viel besser gelaufen. Bis 2005 – da waren wir
wieder in der Opposition – waren wir nach Abwägung
verschiedener Aspekte der Meinung, dass Enduring
Freedom weiterhin notwendig sei, um die zu diesem
Zeitpunkt schwache ISAF in Afghanistan stärken zu
können. Das war damals die Haltung.

Damit wir nicht aneinander vorbeireden: Der inter-
nationale Terrorismus stellt weiterhin eine Bedrohung
der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens dar
und muss weiterhin bekämpft werden.


(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/ CSU])


Überwiegender Konsens ist sicher auch, dass er auf der
einen Seite nicht primär militärisch bekämpft werden
kann, dass dabei auf der anderen Seite aber auch der Ein-
satz militärischer Mittel notwendig sein kann.

Allerdings reicht es bei Mandatsentscheidungen ganz
und gar nicht, nur zu diesen Grundsätzen etwas zu sagen.
Entscheidungen über solche Mandate und solche Ein-
sätze sind ja schließlich keine Bekenntnisfragen. Viel-
mehr muss konkret beantwortet werden, ob dieser
Einsatz weiterhin zur Gewalt- und Terroreindämmung
sicherheitspolitisch dringlich ist, ob er weiterhin legitim
und legal ist und ob er überhaupt geeignet, wirksam und
verantwortbar ist.

Dass die Bundesregierung nun für Afghanistan die
Landkomponente im Rahmen des Kommandos Spezial-
kräfte abgemeldet hat, ist ein richtiger Schritt. Aller-
dings muss man nüchternerweise hinzufügen: Dies ist
seit einigen Jahren überfällig. Im Untersuchungsaus-
schuss, der aus dem Verteidigungsausschuss hervorging,
haben wir herausfinden müssen, dass das KSK im Rah-

m
m
e
w
d
f
f
G

M
i
w
d
r

S
d
m
m
m
d
d

E
n

e
b
s
w
h
r
S
v
d
g
n
n
m

M
l
g
K
R
G
r
T
d
s
u

(C (D en von Enduring Freedom in Afghanistan seit 2002 ilitärisch gar nicht mehr gebraucht wurde. Danach ist s dort nur aus symbolpolitischen Gründen gehalten orden, im Grunde als Solidaritätsbeweis gegenüber en USA. Gerade als Verteidigungspolitiker möchte ich eststellen: Es ist vor allem gegenüber den Soldaten alsch und verantwortungslos, sie aus symbolpolitischen ründen einzusetzen und zu missbrauchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt im Klartext, Herr Minister Jung und Herr
inister Steinmeier: Da dieser Teileinsatz jetzt zu Ende

st, muss auch endlich ein Abschlussbericht vorgelegt
erden. Das ist bisher nicht geschehen. Bisher hat dazu
er Verteidigungsausschuss den bei weitem besten Be-
icht vorgelegt.

Zur anderen Komponente, zum Horn von Afrika.
eit Jahren stellen wir fest, dass der reale Einsatz mit
em Auftrag, terroristische Kräfte an ihren Bewegungs-
öglichkeiten zu hindern, nichts mehr zu tun hat. Wenn
an die Admirale fragt, was sie erkunden, dann erhält
an die Antwort, dass sie alles mögliche andere erkun-

en, aber nicht terroristische Bewegungen. Deshalb ist
as Mandat in diesem Bereich schlichtweg nicht ehrlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


s gibt andere Sicherheitsrisiken, die man klar mit ei-
em UN-Mandat angehen muss.

Die Mandatsentscheidung, die ansteht, ist nicht nur
ine Entscheidung darüber, was die Bundesrepublik da-
ei macht, sondern sie ist schlichtweg auch eine politi-
che Stellungnahme zu Enduring Freedom überhaupt. Es
urde schon darauf hingewiesen, dass die UN-Sicher-
eitsratsresolution vom 12. September 2001 der völker-
echtliche Ausgangspunkt ist, in der das Recht auf
elbstverteidigung betont wurde. Das wurde damals
om größten Teil des Parlaments mitgetragen. Aller-
ings beziehen Sie sich sieben Jahre danach weiterhin
anz allgemein auf das Selbstverteidigungsrecht. Dün-
er könnte die rechtliche Grundlage nicht sein; sie ist
ach unserer Auffassung eindeutig fragwürdig und nicht
ehr zu halten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Dr. Norman Paech [DIE LINKE]: Sie ist sogar falsch!)


an muss dabei immer die Konsequenzen bedenken: Es
äuft auf eine völlige Entgrenzung des Verteidigungsbe-
riffs und de facto auf eine Enthemmung hinaus. Im
lartext: Operation Enduring Freedom setzt sich in der
ealität immer wieder über den völkerrechtlichen
rundsatz territorialer Integrität hinweg. Das, was Endu-

ing-Freedom-Kräfte in Pakistan inzwischen fast jeden
ag machen, nämlich Verdächtige abschießen, liegt in
er Logik von Enduring Freedom; da soll man gar nicht
o überrascht sein. Das aber ist eindeutig verwerflich
nd völkerrechtswidrig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Winfried Nachtwei
Wie sieht heute die Realität von Enduring Freedom
aus? Was sind die Wirkungen? Kollege Stinner, ich
möchte einen Punkt schnell beiseiteräumen: Sie haben
wieder das Bild vom vorigen Jahr gebracht, das Bild von
der angeblich bösen OEF und der guten ISAF. Heutzu-
tage kann man feststellen, dass die Ausbildungskompo-
nente bei Enduring Freedom in Afghanistan nicht mehr
enthalten ist. Das heißt, in Afghanistan ist Enduring
Freedom wieder auf den ursprünglichen Auftrag der mi-
litärischen Terrorbekämpfung reduziert worden. Seit
Jahren frage ich die Bundesregierung, wie wirksam
diese Operation insgesamt ist. Ich erhalte dazu notorisch
null Aussagen.

Die Bundesregierung ist aber nicht die einzige Aus-
kunftsquelle; wir bemühen uns selber um entsprechende
Hinweise. Was besagen die hierbei gewonnenen Er-
kenntnisse?

Erstens. Zur Zielgruppe von Enduring Freedom in
Afghanistan gehören nicht nur al-Qaida als Drahtzieher
und Unterstützer, sondern ziemlich unterschiedslos alle
Aufständischen. Der Effekt davon ist eine Solidarisie-
rung: Es werden diejenigen zusammengebracht, die man
bei einer vernünftigen Antiterrorpolitik eigentlich aus-
einanderbringen müsste.

Zweitens. Entsprechende Personen werden auf Ver-
dacht liquidiert. Noch vor kurzem habe ich im ISAF-
Headquarter gehört, dass der Unterschied zwischen
ISAF und OEF wesentlich ist; OEF tötet auf groben Ver-
dacht.

Drittens. Bei OEF-Einsätzen sind überproportional
oft Zivilopfer zu beklagen. Zudem kommen OEF-Opera-
tionen immer wieder ISAF-Operationen in die Quere;
das habe ich kürzlich von Kommandeuren in Uruzgan,
Südafghanistan, gehört.

Was die Wirksamkeit angeht, fasse ich zusammen:
OEF soll zur Eindämmung von Terrorismus beitragen.
Alle Hinweise, die wir haben, deuten auf das Gegenteil
hin, nämlich darauf, dass islamistische Militanz, Gewalt
und Terror dadurch angefacht werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Norman Paech [DIE LINKE])


OEF steht – das sollte man nicht außer Acht lassen –
für den Global War on Terrorism, für den Irrglauben,
nicht nur mit Militär, sondern ausdrücklich mit Krieg
Terrorismus besiegen zu können. Aufschlussreich sind
jüngste Veröffentlichungen aus den USA, insbesondere
eine RAND-Studie mit dem Titel „How terrorist groups
end – lessons for countering Al Qa’ida“. Das Ergebnis
ist äußerst interessant. Es wurden zwischen 1968 und
2006 über 600 Terrorgruppen untersucht. Die allermeis-
ten davon wurden aufgelöst, weil sie in den politischen
Prozess einbezogen wurden. Das zweitbeste Mittel zur
Auflösung waren polizeiliche und geheimdienstliche
Maßnahmen. Am allerwenigsten haben militärische
Maßnahmen gewirkt. Die Schlussfolgerung dieser Stu-
die ist – gerichtet an die alte und an die neue Regierung –:
Hört auf mit dem War on Terrorism! – Die Alternativen
liegen eindeutig auf der Hand.

s
d
i
n
D
w
i
S
w
v
g
h
s

s
D
n
u
r
R
s
f

t

H
U
k
g
s
T
w
D
K
m
m
s
n

d
a
t
e
i
d

(C (D Ich komme zum Schluss. Ich habe alle Mandatsentcheidungen, die im Bundestag seit 1994 getroffen wuren, mitbekommen. Als alter Oppositioneller war ich mmer wieder überrascht, wie sorgfältig diese Diskussioen geführt wurden. Allerdings muss ich sagen: Die iskussionen der letzten Jahre über Enduring Freedom aren Tiefpunkte der parlamentarischen Beratungen und n Sachen Parlamentsbeteiligung. Herr Minister teinmeier, ich habe heute von Staatsminister Erler Antorten auf von mir gestellte Fragen zur Wirksamkeit on Enduring Freedom usw. erhalten. Ich kann sie Ihnen leich einmal geben. Diese Antworten sind eine Frecheit. Ich glaube, Sie werden sich für diese Antworten chämen. So geht das nicht weiter. Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Heute findet die Wahl eines neuen US-Präsidenten tatt, die wir wohl alle mit großen Hoffnungen begleiten. er Deutsche Bundestag steht gegenüber der US-Admiistration meiner Meinung nach in der Pflicht, ein klares nd aktives Zeichen gegen den „Krieg gegen den Teror“, für einen kooperativen Multilateralismus, für die ückkehr zum Völkerrecht und zur Achtung der Men chenrechte zu setzen, und zwar auch bei der Bekämpung des Terrorismus. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618501200
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618501300


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618501400

Das Wort hat nun Kollege Niels Annen, SPD-Frak-

ion.


Niels Annen (SPD):
Rede ID: ID1618501500

Herr Präsident, vielen Dank. – Meine Damen und

erren! Winni Nachtwei hat eben gesagt, dass der
rsprung des Mandats für den Einsatz deutscher Streit-
räfte im Rahmen von OEF – das dürfen wir nicht ver-
essen, wenn wir über dieses Mandat beraten – die An-
chläge vom 11. September sind. Vielleicht ist es in der
at bezeichnend, dass wir heute hier darüber debattieren,
ährend in den USA ein neuer Präsident gewählt wird.
er amtierende US-Präsident ist mit dem internationalen
ampf gegen den Terrorismus verbunden und wird da-
it verbunden bleiben. Ich glaube, es ist nicht besonders
utig, wenn man voraussagt, dass er nicht aufgrund wei-

er Entscheidungen im Kampf gegen den Terror in Erin-
erung bleiben wird.

So deutlich ich sage, dass es richtig gewesen ist, dass
ieses Haus damals zugestimmt hat, so klar muss man
uch sagen, dass sich das Nebeneinander von zwei un-
erschiedlichen Missionen nicht ausgezahlt hat. Die Ver-
inten Nationen haben, nachdem der eigentliche Auftrag
n Afghanistan relativ schnell erfüllt war – Zerschlagung
er al-Qaida-Camps und Absetzung der Taliban-Regie-






(A) )



(B) )


Niels Annen
rung –, eine Grundlage für die Wiederaufbauarbeit ge-
schaffen, die wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten,
den Entwicklungshelfern und den anderen nach Afgha-
nistan entsandten Menschen, mit allen, die dort arbeiten,
leisten. Wir mussten feststellen – darüber haben wir im
Deutschen Bundestag häufig diskutiert –, dass das
Nebeneinander von OEF und ISAF letztlich dazu ge-
führt hat, dass die Legitimität unserer gemeinsamen in-
ternationalen Anstrengungen in den letzten Jahren Stück
für Stück dadurch untergraben worden ist, dass es immer
wieder, auch in den letzten Tagen und Wochen, zu unab-
gestimmten, unverhältnismäßigen und unkoordinierten
Aktivitäten kam, und zwar in der Regel bei Beteiligung
– das muss ich leider sagen – der amerikanischen Solda-
ten unter dem Mandat von Enduring Freedom.

Vor wenigen Wochen wurde uns eine Studie von
Human Rights Watch vorgelegt, die eindrucksvoll für
die einzelnen Provinzen darlegt, dass der Strategiewech-
sel, den wir in diesem Haus immer wieder eingefordert
haben, der allerdings schwer zu erklären ist, insofern er-
folgreich war, als es so gut wie keine Todesopfer bei ge-
planten Luftoperationen der ISAF-Truppen gegeben hat.
Wir müssen allerdings feststellen, dass es bei Luftunter-
stützungsoperationen zunehmend, auch in den letzten
Tagen, zu zivilen Opfern gekommen ist, wenn amerika-
nische Streitkräfte in sogenannte Antiterroroperationen
verwickelt waren.

An dieser Stelle möchte ich eines deutlich sagen: Wir
haben häufig gehört, dass all das völkerrechtswidrig sei
und unsere ganze Diskussion nur für die Galerie statt-
finde. Auch der Kollege Paech von der Linksfraktion hat
darauf hingewiesen. Er hat gesagt, die Regierung und die
Regierungsparteien müssten endlich begreifen, dass die-
ses Problem nicht mit militärischen Mitteln zu lösen ist.
Ich sage Ihnen: Das ist die tägliche Praxis dieser Koali-
tion und dieser Regierung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich empfehle Ihnen, Herr Paech, sich einmal den An-
trag anzusehen. Ich kann Ihnen gerne daraus vorlesen;
ich habe ihn mitgebracht. Die Bundesregierung schreibt:
Der Kampf gegen den Terrorismus ist in erster Linie
keine militärische, sondern eine umfassende politische
Aufgabe. – Dem ist nichts hinzuzufügen.


(Beifall bei der SPD)


Dass die Diskussion in diesem Hause, aber auch in der
Zivilgesellschaft und die Arbeit der vielen Nichtregie-
rungsorganisationen, die sich vor Ort, aber auch in
Deutschland mit der Lage in Afghanistan und mit dem
Stand des Antiterrorkampfes auseinandersetzen, hier
ernst genommen werden und dass wir Konsequenzen
auch aus dem Nebeneinanderher und dem Mangel an
strategischer Abstimmung im Bündnis gezogen haben,
zeigt die Vorlage, über die der Deutsche Bundestag in
dieser Beratung zu entscheiden hat.

Ich glaube, dass es der richtige Weg ist, zu sagen: Wir
ziehen die 100 KSK-Kräfte aus dem OEF-Mandat zu-
rück. Das ist, wenn ich das einmal sagen darf, keine
virtuelle Entscheidung. Diese Entscheidung hat einen

p
s
d
R
h
U
d
s
F
t

s
u
m

n
A
p
m
w
l
N
P
h
A
u

t
w
g
S
o
g
z
G
h
n
F
a
s
u
h
s

z
s
d
L
t

K

(C (D olitischen Wert und wird von unseren Verbündeten vertanden; denn wir sind nicht die Einzigen, die sich über iese Mängel im Alltag bei der Arbeit in Afghanistan im ahmen dieser Operation beklagen. Kollege Nachtwei at darauf hingewiesen. Wir waren gemeinsam in ruzgan und haben uns beispielsweise mit unseren nieerländischen Kollegen unterhalten. Sie führen dort dieelbe Debatte. Deswegen bitte ich darum, dass wir auf olgendes hinweisen: Wir machen hier keine innenpoli ischen Spielchen. Wir machen auch keine Geschäfte das haben Sie angedeutet, Herr Paech –, um die Zu timmung zu erleichtern. Wir arbeiten hier seit Jahren nd suchen nach Wegen, in der richtigen Art und Weise it dieser Verantwortung umzugehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Beteiligung an einer internationalen Koalition ist
ichts, aus dem man eben einmal aussteigt wie bei einer
ktie, die im Wert abstürzt. Das hat mit Abstimmungs-
rozessen und Diskussionsprozessen zu tun. Das kann
an nicht von heute auf morgen entscheiden. Deswegen
ill ich ganz klar sagen: Die völkerrechtliche Grund-

age steht nicht infrage. Der Sicherheitsrat der Vereinten
ationen – auf den berufen Sie sich ja immer, Herr
aech – hat das am 12. September 2001 festgestellt; er
at den Angriff auf die Vereinigten Staaten mit einem
ngriffskrieg gleichgesetzt. Das ist die Lage, in der wir
ns befinden.

Etwas ganz anderes ist die Frage, ob wir es uns als in-
ernationale Staatengemeinschaft dauerhaft erlauben
ollen, uns auf dieser Rechtsgrundlage zu bewegen. Es
ibt Diskussionen – auch in unserer Fraktion und im
icherheitsrat der Vereinten Nationen – über die Frage,
b wir die Bekämpfung der Piraterie, die hier schon an-
esprochen worden ist, möglicherweise als Anlass nut-
en sollten, um miteinander eine klarere politische
rundlage zu finden. Aber lassen Sie uns hier keine
aarspalterischen Diskussionen führen. Auch in der er-
euten UN-Resolution wird die Operation Enduring
reedom erwähnt. Deswegen sollten wir uns hier nicht
uf Nebenkriegsschauplätze konzentrieren, sondern wir
ollten die politische Diskussion führen. Wir stehen zu
nserer Verantwortung und erkennen die Bedrohung, die
ier genannt worden ist und auch am Horn von Afrika
ichtbar wird.

Ich plädiere dafür, dem Antrag der Bundesregierung
uzustimmen. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, die-
es Zeichen auch an diejenigen zu senden, die nicht nur
arüber diskutieren, sondern auch unter Einsatz ihres
ebens dafür einzustehen haben. Das sind unsere Solda-

innen und Soldaten. Ich bitte um Zustimmung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618501600

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

ollegen Norman Paech.






(A) )



(B) )


Dr. Norman Paech (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618501700

Lieber Kollege Annen, ich kann durchaus lesen. Ich

lese zum Beispiel immer wieder, dass der Kampf gegen
den Terrorismus nicht militärisch zu gewinnen ist. Das
sagen die US-Amerikaner sowieso; das sagen die Gene-
räle immer wieder. Eines aber müssen wir sehen: Wir
führen hier zum wiederholten Mal eine Debatte, in der es
ausschließlich um die Verteilung von Geldern für militä-
rische Maßnahmen geht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Haben wir jemals eine Diskussion von der gleichen Güte
und Länge geführt, in der es um die Finanzierung ökono-
mischer und ziviler Instrumente zur Bekämpfung des
Terrorismus ging? So eine Diskussion haben wir bisher
nicht geführt. Wenn wir sie führen werden, dann werden
wir auch anders zu dem Thema reden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618501800

Kollege Annen, bitte.


Niels Annen (SPD):
Rede ID: ID1618501900

Herr Kollege Paech, es freut mich natürlich sehr, dass

Sie des Lesens mächtig sind. Ich möchte Ihnen deswe-
gen die Lektüre des Protokolls der Plenarsitzung, in der
es um die Ergebnisse der Paris-Konferenz ging, empfeh-
len. Darüber haben wir hier in diesem Hause diskutiert.
Ich würde Sie gerne daran erinnern, dass die Bundesre-
gierung die finanziellen Aufwendungen für den Wieder-
aufbau in Afghanistan verdoppelt hat; da kann ich auch
aus der Rede, die Sie gerade vorgetragen haben, zitieren.
Wir haben Konsequenzen gezogen, auch aus den Dis-
kussionen im Deutschen Bundestag und in der interes-
sierten Öffentlichkeit, in denen man sich mit der Frage
auseinandergesetzt hat: Ist die Beteiligung von über
100 KSK-Kräften am OEF-Mandat eigentlich ein Weg,
der in die richtige Richtung geht? Wenn ich es richtig in
Erinnerung habe, haben Sie selbst, als Sie vor wenigen
Minuten an diesem Pult standen, diese Entscheidung ge-
lobt. – Das sollten Sie sich noch einmal durchlesen.

Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen
sind auf einem guten Weg. Wir führen hier keine Debat-
ten für die Galerie.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618502000

Das Wort hat nun Kollege Thomas Silberhorn, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1618502100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wie schon bei der Verlängerung des ISAF-Man-
dates wird auch in Bezug auf das OEF-Mandat hin und

w
h
b
h

I
e
m
d

W
d
G
z
k
v

a
d

d
n
m
h
w
d
n
d
e
z
g
l

b
s
s
E
g
d
i
A
I
1

a
I
d
n
n
n
B

(C (D ieder gemutmaßt, wir würden die Mandatsdauer desalb auf 13 Monate festlegen, um eine öffentliche Deatte darüber aus dem nächsten Bundestagswahlkampf erauszuhalten. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte? Das kann ja gar nicht sein! Das ist doch völlig undenkbar!)


ch möchte die Gelegenheit nutzen, dem ausdrücklich
ntgegenzutreten. Niemand gibt sich der Illusion hin,
an könne eine Debatte über Auslandseinsätze der Bun-

eswehr aus der Öffentlichkeit heraushalten.


(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])


ir wissen, dass im nächsten Jahr in Afghanistan Präsi-
entschaftswahlen stattfinden. Bei jedem Anschlag, was
ott verhüten möge, ist eine breite öffentliche Debatte

u erwarten. Es wäre geradezu naiv, anzunehmen, man
önne eine solche Diskussion verhindern. Wir sollten sie
ielmehr offensiv führen.

Wir müssen bei der Verlängerung dieses Mandats
ber auch deutlich machen, dass wir aus Respekt vor
em nächsten Deutschen Bundestag


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig! Ganz genau!)


en Kolleginnen und Kollegen, die am 27. September
ächsten Jahres gewählt werden, die Gelegenheit geben
üssen, darüber zu entscheiden, ob das Mandat, das wir

eute verlängern, im nächsten Jahr nochmals verlängert
erden sollte. Es wäre für den nächsten Deutschen Bun-
estag eine Zumutung, wenn dieses Haus nach der
ächsten Bundestagswahl, aber vor der Konstituierung
es dann bereits gewählten Bundestages noch einmal
ine Mandatsverlängerung beschließen würde. Es gehört
ur Selbstbescheidung der Mandatsträger, die auf Zeit
ewählt sind, diese Aufgabe dem nächsten neu zu wäh-
enden Bundestag zu überlassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, die Reduzierung im Hin-
lick auf den Bundeswehreinsatz im Rahmen von OEF,
owohl was den Personalumfang als auch was das Ein-
atzgebiet angeht, ist im Ergebnis eine Anpassung an die
insatzrealität, die nicht mit operativen Einschränkun-
en verbunden ist. Wir bringen damit zum Ausdruck,
ass das OEF-Mandat teilweise dadurch ersetzt worden
st, dass durch das ISAF-Mandat die Sicherheit in ganz
fghanistan gewährleistet werden soll. Wir haben das

SAF-Mandat erweitert und das Kontingent um
000 Soldaten aufgestockt.

Ich füge aber hinzu: Wir können uns der Gesamtver-
ntwortung für Afghanistan, die wir im Rahmen des
SAF-Mandats wahrnehmen, nicht dadurch entziehen,
ass wir uns aus dem OEF-Mandat in Bezug auf Afgha-
istan zurücknehmen; denn die Soldaten, die in Afgha-
istan im Einsatz sind, werden als Bestandteil der inter-
ationalen Gemeinschaft wahrgenommen. In der
evölkerung Afghanistans fragt niemand danach, ob ein






(A) )



(B) )


Thomas Silberhorn
Soldat unter dem OEF-Mandat oder dem ISAF-Mandat
handelt. Deswegen ist es notwendig, dass wir deutlich
machen: Deutschland trägt weiterhin einen Teil der Ge-
samtverantwortung der internationalen Gemeinschaft in
Afghanistan, auch wenn wir mit den 100 Spezialkräften
nicht mehr im Rahmen des OEF-Mandates in Afghanis-
tan im Einsatz sein werden. Wie schon angeklungen ist,
können sie im Rahmen des ISAF-Mandates auch weiter-
hin zum Einsatz kommen.

Ich halte es für wichtig, dass wir zum Ausdruck brin-
gen: Auch wenn keine deutschen Soldaten mehr im Rah-
men des OEF-Mandates in Afghanistan eingesetzt wer-
den, müssen wir uns dennoch weiterhin um eine
gemeinsame Zielsetzung der internationalen Gemein-
schaft in Bezug auf Afghanistan, aber auch um eine ab-
gestimmte und gemeinsame Durchführung militärischer
Aktionen bemühen. Das betrifft auch die Herangehens-
weise, die hier von manchen meiner Vorredner sehr kri-
tisch beleuchtet worden ist.

Ich stimme dem ehemaligen US-Botschafter John
Kornblum zu, der heute in der Frankfurter Rundschau
erklärt hat – ich zitiere –:

Verantwortung übernehmen heißt aber auch: Ein
Ziel zu definieren und es mit unterschiedlichen, ab-
gestimmten Mitteln zu verfolgen.

Vernetzte Sicherheit aus zivilen und militärischen Mit-
teln – das ist genau der Ansatz, den wir in der NATO mit
Erfolg propagiert haben, den wir aber auch in der Ein-
satzrealität einlösen müssen.

Ich stelle mir allerdings schon Fragen, wenn ich
gleichzeitig lese, was der Präsidentschaftskandidat
Barack Obama am vergangenen Sonntag in der Welt am
Sonntag in einem Interview erklärt hat. Ich zitiere auch
hier:

Meine generelle Haltung ist, dass wir al-Qaida
auslöschen, Bin Laden festnehmen und töten müs-
sen, …

Wenige Sätze weiter führt er aus – ich zitiere wieder –:

Wir werden ihn töten oder festnehmen,

– gemeint ist Bin Laden –

ihn anklagen, zum Tode verurteilen.

Für den Fall, dass dieser Präsidentschaftskandidat der
nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
werden sollte, bitte ich Sie, Herr Bundesaußenminister,
uns eine Erläuterung dieser Aussagen des möglicher-
weise künftigen Präsidenten zu geben und uns zu erklä-
ren,


(Zurufe von der SPD)


in welchem Umfang Sie eine deutsche Beteiligung am
Einsatz in Afghanistan mit dieser Zielsetzung weiterhin
für möglich und überhaupt für zulässig erachten.

Meine Damen und Herren, das Ziel unseres Einsatzes
ist nicht Rache, sondern die Stabilisierung Afghanistans
im Interesse der internationalen Sicherheit vor terroristi-
schen Bedrohungen, im Interesse der Sicherheit Afgha-

n
z
w
h

b
b
n
Z
u
g
e
z
i
r
a
c
u
s
t
s

d
w
m
s
A
k

L

h
A
l
l
t
L
d
w
w
d
K
m

t
e
s
d
k
G

(C (D istans vor Aufständen und Terroranschlägen und nicht uletzt auch im Interesse der eigenen Sicherheit. Wir ollen den Bedrohungen dort begegnen, wo sie entsteen, und nicht warten, bis sie bei uns sind. Ich stimme allen Vorrednern zu, die hier erklärt haen, dass wir eigenständige staatliche Strukturen aufauen müssen. Wir tun das in Afghanistan und mit zuehmendem Einsatz auch in Pakistan. Gerade zu diesem weck haben wir das zivile Engagement in Afghanistan nd jetzt auch in Pakistan deutlich ausgeweitet. Ich laube, das ist die beste Voraussetzung dafür, dass uns in Übergang von der militärischen Stabilisierung hin zu ivilem Wiederaufbau gelingen kann. Der Militäreinsatz st also kein Abenteuer, sondern notwendig, um die Voaussetzung dafür zu schaffen, dass der zivile Wiederufbau gelingen kann. Durch das OEF-Mandat soll sihergestellt werden, dass das Einrichten von Rückzugsnd Aktionsräumen für Terroristen auf den Seewegen erchwert wird und dass auch die für den Welthandel straegisch wichtigen Seepassagen am Horn von Afrika geichert werden. Ich danke allen Soldatinnen und Soldaten, die sich an ieser Aufgabe bisher mit Erfolg beteiligt haben. Wir ollen sie weiter darin unterstützen und mit der Zustimung für dieses OEF-Mandat die Voraussetzung dafür chaffen, dass die Bundeswehr weiterhin am Horn von frika und im Mittelmeer erfolgreich im Einsatz sein ann. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1618502200

Das Wort hat nun Kollege Paul Schäfer, Fraktion Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618502300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es

ier darum geht, deutsche Soldatinnen und Soldaten ins
usland zu schicken, dann brauchen wir eine größtmög-

iche Klarheit und Wahrhaftigkeit. Das ist bei dem vor-
iegenden OEF-Mandat aber nicht der Fall. Im Gegen-
eil: Es handelt sich im Grunde genommen um zwei
ügen. Die Unwahrheit Nummer eins ist, dass es bei
em Einsatz am Horn von Afrika darum gehe – 2002
ie auch heute –, Terroristen zu bekämpfen. Die Un-
ahrheit Nummer zwei ist, dass die Bundesrepublik mit
em Verzicht darauf, die Spezialkräfte der Bundeswehr,
SK, unter dem OEF-Mandat einzusetzen, nichts mehr
it dem Antiterrorkrieg in Afghanistan zu tun habe.

Ich bleibe bei Afghanistan. Es ist klar und folgerich-
ig, das KSK nicht mehr im Rahmen des OEF-Mandats
inzusetzen. Unter ISAF wird es aber schon noch einge-
etzt. Der entscheidende Punkt ist aber der: Sie weichen
em grundsätzlichen Streit über OEF und über die Wir-
ung von OEF aus. Damit billigen Sie diesen Einsatz im
rundsatz.






(A) )



(B) )


Paul Schäfer (Köln)

Hier hieß es, es sei doch alles halb so schlimm, OEF
bedeute doch im Wesentlichen Ausbildung für die afgha-
nische Armee. Das wird jetzt ISAF zugeschlagen. Was
verbleibt bei OEF? Die Frage, wozu OEF in Afghanistan
überhaupt nötig ist, müssen Sie hier beantworten.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Die Auskunft der NATO-Militärs ist eindeutig. Sie sa-
gen, dass die bösen Buben – the bad guys – aus dem
Spiel genommen werden müssen. Dafür brauche man
eben besondere Regeln, genauer gesagt, möglichst we-
nig Regeln. OEF-Angehörige dürfen auch ohne begrün-
deten Verdacht festnehmen. Sie müssen sich nicht unbe-
dingt an Landesgrenzen halten, und sie können – auch
das ist hier schon gesagt worden – auf Verdacht töten.
Das macht den Unterschied aus.

Der springende Punkt ist: Die alte Arbeitsteilung
bleibt bestehen. Bei OEF geht es um den schmutzigeren
Teil der Kriegsführung, aber dies ebenfalls im Zusam-
menwirken mit ISAF. Auch das lesen wir weder im
ISAF-Mandat noch im OEF-Mandat. Es geht dabei nicht
um die allgemeine Abstimmung zwischen ISAF und
OEF, und es geht dabei auch nicht um die unmittelbare
Nothilfe. Es geht durchaus auch um gemeinsame Opera-
tionen. Vielleicht fragen Sie die Bundesregierung in den
nächsten Tagen einmal danach.

All das steht nicht in den Mandaten. Das nenne ich
eine Täuschung des Parlaments.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Was die Armada, liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor der somalischen Küste betrifft, so wissen wir aus den
Unterrichtungen der Bundesregierung, dass keine Terro-
risten gefangen genommen wurden. Stattdessen lesen
wir dort, dass der Terrorismus seinen Aktionsraum von
Algerien über den Maghreb bis in die Sahelzone ausge-
weitet hat. Jemen ist weiter Aktions- und Rückzugsraum
für islamistische Terroristen. In Somalia galoppiert die
Gewalt weiter.

Das ist eine ernüchternde Bilanz. Die Marinesoldaten,
die am Horn von Afrika ihren Dienst tun, können am
allerwenigsten etwas dafür. Es zeigt sich nur, dass der
Militäreinsatz das völlig falsche Mittel ist, um diese Pro-
bleme in den Griff zu bekommen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Der Aufwand dafür ist beträchtlich. Ich habe es nachge-
rechnet: Allein der deutsche Kostenanteil am OEF-Ein-
satz am Horn von Afrika beträgt von 2001 bis 2008 circa
1 Milliarde Euro. Mit diesem Betrag hätte man eine
Menge für die Stabilisierung der Region machen kön-
nen. Das ist der entscheidende Punkt.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was ist denn die Alternative?)


Wenigstens in einem Punkt sind Sie ehrlicher gewor-
den. Sie sagen jetzt, beim OEF-Einsatz am Horn von

A
u
g
k
A
b

A
t
t

S
t
u
ß
t

S

l
M
d
b
i
g
d
U
R
d
f
w

i
S
A
w
d
w
ü
E
d
s
s
d
d

B
W
a
A

(C (D frika gehe es auch darum, Handelsschiffe zu begleiten nd Marineeinheiten verbündeter Nationen im Einsatzebiet zu eskortieren. Das erinnert mich fatal an die Esortierung der US-Truppen beim Aufmarsch in den Irak. n dieser Stelle und an diesem Tag sei es gesagt: Good ye and see you again in Den Haag, Mr. Bush. Sie sind zumindest in einem Punkt deutlicher: Der uftrag der Marine in Dschibuti ist die umfassende Kon rolle der Seewege im Interesse mächtiger Industrienaionen. Aber im Mandat steht das so nicht. Es kann auch nicht angehen, dass sich eine Handvoll taaten selbst den Auftrag gibt, Teile der Weltmeere sys ematisch zu überwachen und zu kontrollieren. OEF ist nd bleibt in diesem Zusammenhang eine Amtsanmaung außerhalb des Völkerrechts. Deshalb sagt die Frakion Die Linke dazu entschieden Nein. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618502400

Der Kollege Hans-Peter Bartels hat das Wort für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Rede ID: ID1618502500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vor-

iegende Antrag der Bundesregierung stellt eine gewisse
andatsbereinigung dar. Das heißt, wir beschließen

as, was tatsächlich geplant ist und stattfindet, und wir
eschließen unseren Beitrag jetzt exakt für die Region,
n der dieser Beitrag tatsächlich gebraucht wird. Das ist
ut so. Denn wie beim Bundeshaushalt sollte auch bei
en Bundeswehreinsätzen gelten: Wahrheit und Klarheit.
nser Prinzip der Parlamentsarmee bedeutet, dass der
egierung gerade keine Blankoschecks ausgestellt wer-
en. Der Bundestag kann nur dann die Verantwortung
ür den Einsatz militärischer Gewaltmittel übernehmen,
enn er weiß, was wann wo von wem zu tun ist.

Ich sage ausdrücklich: Das war in der Vergangenheit
nsbesondere bei der Mission OEF nicht immer so. Der
achverhalt, dass KSK-Spezialkräfte unter OEF in
fghanistan eingesetzt wurden bzw. nicht eingesetzt
urden, galt als geheim. Ob also Bundeswehrsoldaten in
iesem Mandatsrahmen seit 2001 tatsächlich im Einsatz
aren, wurde gegenüber dem Parlament – auch gegen-
ber dem Verteidigungsausschuss – geheim gehalten.
rst einer wohl unbeabsichtigten Indiskretion des Vertei-
igungsministers war zu entnehmen, dass seit 2005 un-
ere Beteiligung an OEF in Afghanistan praktisch erlo-
chen ist. In der Sache ist das absolut in Ordnung. Aber
ie Geheimniskrämerei darum herum war nicht beson-
ers parlamentsfreundlich.

Es darf nicht – dies sage ich ganz klar – zweierlei
undeswehren geben: eine normale und eine geheime.
ir müssen wissen, wofür wir als Abgeordnete die Ver-

ntwortung übernehmen, wenn wir hier in namentlicher
bstimmung Entsendebeschlüsse fassen.






(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Bartels

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Uns interessiert nicht das operative Detail oder die
taktische Planung, sondern die Frage, ob überhaupt deut-
sche OEF-Soldaten ein Jahr lang im Einsatzgebiet einge-
setzt werden. Diese Frage kann und darf vor dem Par-
lament und vor der deutschen Öffentlichkeit nicht
unbeantwortet bleiben. Wir haben dazu auch in dem
Untersuchungsausschuss – das wurde bereits angespro-
chen –, zu dem sich der Verteidigungsausschuss in der
Sache Kurnaz erklärt hat, diskutiert und Verabredungen
getroffen, die dieses Problem der, ich sage einmal: blin-
den Flecken im Parlamentsvorbehalt hoffentlich ein für
allemal ausräumen.

Wir sind Außenminister Steinmeier und Verteidi-
gungsminister Jung dankbar, dass sie nun die Konse-
quenz aus der Schwerpunktverlagerung in Afghanistan
gezogen haben und zu OEF dort nichts mehr beitragen.
ISAF ist inzwischen im ganzen Land präsent. Unser
Schwerpunkt liegt auf ISAF, insbesondere auf dem Re-
gionalkommando Nord. Die Doppelstruktur von NATO
und US-geführter Antiterroroperation OEF ist historisch
gewachsen. Aber sie ist mehr und mehr ein Hindernis für
eine einheitliche Sicherheitsstrategie der internationalen
Gemeinschaft in Afghanistan. Das wird mittlerweile
auch auf amerikanischer Seite gesehen. Egal wie die
Präsidentenwahl heute Nacht ausgeht, es wird Anstren-
gungen zu mehr Kohärenz geben müssen. Auch der neue
CENTCOM-Befehlshaber Petraeus hat sich schon in
diese Richtung geäußert.

Meine Damen und Herren, die Fortsetzung unserer
Beteiligung an der Seeraumüberwachung am Horn von
Afrika sollte unstrittig sein. Die deutsche Marine mit ih-
ren Fregatten, Versorgern, Hubschraubern und Aufklä-
rungsflugzeugen leistet hier einen kontinuierlichen, gu-
ten, hoch anerkannten Beitrag fern der Heimat. Wären
die Verbündeten nicht da, wären die Verbindungswege
der Terroristen schnell wiederhergestellt. Deshalb sind
wir da.

Daneben wird wohl noch in diesem Jahr eine ESVP-
Mission zur Pirateriebekämpfung vor der somalischen
Küste starten. Daran sollten wir uns ebenfalls beteiligen.
Die Zahl der Piraterieattacken hat in den vergangenen
Monaten dramatisch zugenommen. Das Schifffahrtsbüro
der Internationalen Handelskammern in Kuala Lumpur
teilt mit, dass es seit Anfang dieses Jahres 200 Piraterie-
fälle weltweit gegeben hat, davon ein Drittel im Seeraum
vor Somalia. Über 500 Seeleute sind dort als Geiseln ge-
nommen worden. Auch Schiffe deutscher Reedereien
sind immer wieder betroffen. Dagegen müssen wir uns
zur Wehr setzen. Das sollten wir wirksam unterbinden
können. Dies mit einem eigenen Bundestagsbeschluss zu
tun, entspricht den Grundsätzen von Mandatswahrheit
und Mandatsklarheit.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Das steht doch gar nicht drin!)


Gut, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken, die es
bei den Mehrheitsfraktionen dieses Hauses wohl gab,

m
t

s
O
Z
b
r
n
e
d
w
m

M

E
J

d
a
z
d
f
n
1
m
r
s
B
r
f

P
S
R
R
d
b
l
o
v
w
h
t
K

a

(C (D ittlerweile ausgeräumt sind! Wir sind uns in der Koaliion einig, wenn ich das richtig sehe. Ob man auf Dauer immer eine deutsche Doppelpräenz am Horn von Afrika braucht – eine Fregatte für EF und eine Fregatte für die Antipiraterie –, wird die ukunft zeigen. Man könnte sich auch vorstellen, dass eide Mandate je nach Bedarf auf die gleichen Mittel zuückgreifen. Ein Schiff kann ja in Sekundenschnelle eiem anderen Kommando unterstellt werden. Das wäre ine Frage pragmatischen Ressourcenmanagements, em der Bundestag gewiss nicht im Wege stehen würde, enn die Beschlüsse klar sind und kontinuierlich inforiert wird. Ich empfehle das von der Regierung bereinigte OEFandat der Zustimmung des ganzen Hauses. Vielen Dank. Jetzt spricht der Kollege Gert Winkelmeier. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! igentlich könnte ich heute meine Rede vom vorigen ahr zum gleichen Anlass halten; (Ulrike Merten [SPD]: Zu Protokoll! – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie stehlen uns die Zeit! Das ist das Wertvollste, was es gibt!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618502600
Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618502700

enn faktisch hat sich nichts geändert, außer dass nun
uch offiziell auf den KSK-Einsatz in Afghanistan ver-
ichtet wird. Aber sonst? Wie ein Mantra wiederholen
ie Juristen der Bundesregierung seit sieben Jahren eine
alsche Behauptung, die Behauptung, dass die Resolutio-
en des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 1368 und
373 die Bundesregierung und die NATO angeblich er-
ächtigten, bei der Bekämpfung des Terrorismus militä-

ische Gewalt anzuwenden. Das wird auch durch noch
o viele Wiederholungen nicht wahrer. Mit einer solchen
egründung würden die Hausjuristen der Bundesregie-

ung mit Pauken und Trompeten durch jede Staatsprü-
ung fallen.

Sie berufen sich immer wieder darauf, dass in den
räambeln der beiden Resolutionen das Recht auf
elbstverteidigung bekräftigt wird. An dieser Stelle der
esolutionen des UNO-Sicherheitsrates hat das dieselbe
elevanz für das Handeln der UNO-Mitglieder, als wenn
ort die Formulierung stünde, dass das schöne Wetter
egrüßt werden würde. Entscheidend ist einzig und al-
ein, was der Sicherheitsrat in den Beschlussteilen an-
rdnet, und das ist eindeutig und glasklar. Um ein Zitat
on Herrn Fischer aus dem Jahre 1994 abzuwandeln: Ich
undere mich nicht zum ersten Mal, wie sich die Mehr-
eit hier im Parlament seit Jahren an der Nase des Rech-
es auf militärische Selbstverteidigung in den globalen
rieg gegen den Terrorismus hineinführen lässt.

Nicht ein einziges Wort ist dort zu finden, das sich
uch nur im Entferntesten als Militäreinsatz interpretie-






(A) )



(B) )


Gert Winkelmeier
ren ließe. Dort steht vielmehr die Aufforderung zur Zu-
sammenarbeit, um Verantwortliche und Hintermänner
der Terroranschläge vom 11. September 2001 vor Ge-
richt zu bringen und den Terrorismus mit politischen,
polizeilichen, gesetzgeberischen, rechtlichen und wirt-
schaftlichen Mitteln auszutrocknen.

Auch die Ausrufung des NATO-Bündnisfalles vom
4. Oktober 2001 führt die Bundesregierung wieder als
Rechtsgrundlage für den OEF-Einsatz an. Das war
nichts anderes als eine Selbstermächtigung zum Krieg-
führen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sicherheitsrat
bereits die zivilen Maßnahmen zur Bekämpfung des Ter-
rorismus beschlossen. Damit war das Recht auf militäri-
sche Selbstverteidigung nach Art. 51 der Charta der
UNO für den vorliegenden Fall ein für alle Mal beendet.
Denn es gilt nur – Zitat – „bis der Sicherheitsrat … die
erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“. Dies hatte er
mit den Resolutionen 1368 und 1373 getan. Ich stelle so-
mit fest, dass sich Bundesregierung und Parlaments-
mehrheit nicht an Recht, Grundgesetz und Völkerrecht
halten wollen.

Das war vor der sogenannten Normalisierung und der
Enttabuisierung des Militärischen in unserem Land ein-
mal anders. Da galt noch – Zitat –:

Wir Deutschen haben angesichts unserer Ge-
schichte im 20. Jahrhundert gute Gründe, mit eige-
ner Beteiligung an militärischen Interventionen zu-
rückhaltend zu sein.

Das Zitat ist von Helmut Schmidt und in der aktuellen
Ausgabe der Zeit nachzulesen.

Wer mitten im Glashaus sitzt, der sollte übrigens nicht
mit Steinen werfen. Mit welcher moralischen Autorität
will der Finanzminister eigentlich die Schweiz in die
Nähe von Schurkenstaaten rücken, indem er das Land
auf die schwarze Liste der OECD setzen lassen will?
Das ist kein Witz. Diese Äußerung ist gemacht worden.
Etwa mit der moralischen Autorität der Bundesregie-
rung, die den usbekischen Geheimdienstchef in Deutsch-
land nach dem Motto empfängt „aber er ist unser
Schweinehund“, Herrn Inojatow, der die Islamische
Dschihad-Union erfunden hat, damit der Bundesregie-
rung die Begründungen für den Krieg gegen den Terro-
rismus nicht abhanden kommen und Herrn Schäuble
nicht die Gründe zur Verschärfung der Sicherheitsge-
setze und der Vermengung von innerer und äußerer Si-
cherheit?

Ich rate Ihnen: Verstecken Sie Ihre machtpolitischen
Ambitionen nicht länger hinter der fadenscheinigen Be-
gründung, es gehe bei OEF um Terrorismus; denn dazu
müssen Sie ständig das Recht beugen. Das wird Ihnen
eines Tages bitter aufstoßen – garantiert.

Der Einsatz der Marine am Horn von Afrika zeigt
doch exemplarisch auf, dass es um alles andere als um
Terrorbekämpfung geht. Seit Jahren ist Ihnen nicht ein
einziger Fang gelungen. Das ist auch verständlich bei
der Jagd nach Phantomen. Geben Sie einfach zu, dass es
Ihnen um die Sicherung einer der wichtigsten Seestraßen
der Welt geht und um nichts anderes. Dann könnten wir
hier im Bundestag endlich eine Debatte führen, die

s
k
d
R
c

t

K
l
B
s
w
E
s
t
r
a
g
d
d
r

D
d
d
t

b
4
g
K
w
g
d
E
A
d
d
h
k
s
u
W

w
d
S
d

(C (D chon seit Jahren überfällig ist und auf die unsere Bevölerung einen Anspruch hat: Welche Rolle soll und darf ie Parlamentsarmee Bundeswehr im Rahmen einer an echt und Verfassung ausgerichteten Außenund Siherheitspolitik spielen? Vielen Dank. Das Wort hat Henning Otte für die CDU/CSU-Frak ion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Die Erteilung eines Mandates für einen Ausandseinsatz gehört für das Parlament des Deutschen undestages nicht zum Alltagsgeschäft, sondern zu den chwersten Entscheidungen. Es ist eine äußerst verantortungsvolle Entscheidung, deutsche Soldaten in den insatz zu entsenden, um gemeinsam auf Basis der einchlägigen Rechtsgrundlagen mit multinationalen Kräfen für die Schaffung und Wahrung des Friedens zu agieen. Dieser Einsatz ist weiter notwendig, um der symmetrischen terroristischen Bedrohungslage entgeenzuwirken und mit der Bekämpfung des Terrorismus ie Sicherheit in Deutschland zu erhöhen. Daher wird ie CDU/CSU-Fraktion der OEF-Mandatsverlängeung zustimmen. as zu beschließende Mandat umfasst eine Reduzierung er Einsatzstärke von 1 400 auf 800 Soldaten. Das zeigt, ass wir lageorientiert handeln und das maximale Koningent entsenden. Eine Reduzierung im OEF-Mandat und eine kürzlich eschlossene Erhöhung des ISAF-Mandates auf 500 Soldaten machen deutlich, dass wir auf dem richti en Weg sind. Deutschland verzichtet auf einen OEF/ SK-Einsatz in Afghanistan und verstärkt gleichzeitig, ie beschlossen, unter dem ISAF-Mandat die Anstrenungen zum zivilen Aufbau Afghanistans. Parallel weren über OEF am Horn von Afrika und über Active ndeavour im Mittelmeer der Zugang zu Rückzugsund ktionsräumen und die Nutzung potenzieller Verbinungswege zu terroristischen Gruppen verhindert sowie er Schutz wichtiger Seepassagen für den freien Weltandel gewährleistet. Den Terrorismus weltweit zu beämpfen, den zivilen Aufbau in Afghanistan zu untertützen, die Sicherheit in Deutschland zu erhöhen, das ist nsere Aufgabe. Dieser Aufgabe stellen wir uns, zum ohle und zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger. Der Antiterrorkampf muss konsequent weitergeführt erden. Die Gefahr muss weiterhin dort bekämpft weren, wo sie entsteht. Ich danke an dieser Stelle unseren oldatinnen und Soldaten sowie allen zivilen Kräften, ie ihren Beitrag dazu leisten. Herzlichen Dank dafür! Henning Otte (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618502800

(Beifall bei der CDU/CSU)

Henning Otte (CDU):
Rede ID: ID1618502900

(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Meine Damen und Herren, gestern ist von Wilhelms-
haven aus die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ in
Richtung Horn von Afrika ausgelaufen, um demnächst
als Führungsschiff der OEF die Spitze der US-geführten
internationalen Überwachungsflotte zu stellen. Dies ist
auch ein sichtbares Zeichen der transatlantischen Koope-
ration mit unseren verbündeten amerikanischen Freunden.
Am heutigen Wahltag wünsche ich allen US-Bürgerinnen
und -Bürgern eine gute Wahl. Wir freuen uns – unabhän-
gig vom Ausgang der Wahl – auf eine gute, auf eine
noch bessere Zusammenarbeit.

Aber es ist auch wichtig, dass wir in Europa unsere ei-
genen Strukturen verbessern. Ich begrüße daher sehr die
Ankündigung unseres Bundesministers der Verteidi-
gung, eine Beteiligung der deutschen Marine am ESVP-
Mandat zur Bekämpfung der Piraterie zu überprüfen.
Die derzeitige Lage ist aus meiner Sicht zu verbessern.
Im Augenblick eines Überfalls gelten die allgemeinen
Grundsätze des Notwehr- und Nothilferechts. Zu diesem
Zeitpunkt könnten unsere Soldatinnen und Soldaten
noch eingreifen. Sobald der Überfall nicht mehr gegen-
wärtig ist, wenn zum Beispiel die Piraten mit dem geka-
perten Schiff abziehen, ist eine Verfolgung durch deut-
sche Marineeinheiten aus rechtlichen Gründen nicht
mehr möglich. Ich glaube, wir sind uns weitestgehend
einig, dass hier reagiert werden muss. Wir müssen über
eine Anpassung des Grundgesetzes nachdenken, die es
unserer Marine ermöglicht, mit eigenen Kräften gegen
Piraten vorzugehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unseren Soldatinnen und Soldaten ist genauso wie al-
len Bundesbediensteten im Auslandseinsatz ein ange-
messener Rechtsschutz zu gewährleisten. Bei meinem
letzten Besuch in Afghanistan ist hier konkret Rege-
lungsbedarf aufgetreten. Werden Soldaten wegen einer
dienstlichen Tätigkeit im Ausland einer Straftat gegen
das Leben oder die körperliche Unversehrtheit beschul-
digt, trägt der Dienstherr nunmehr alle Kosten der
Rechtsverteidigung, sofern abschließend kein vorsätzli-
ches Vergehen festgestellt wird. Die jetzige Regelung
schafft Rechtssicherheit und ist ein wesentlicher Beitrag
zum Rechtsfrieden unter den Soldaten. Auch hier danke
ich unserem Verteidigungsminister dafür, dass er diese
Rechtsschutzlücke so schnell geschlossen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Neben der erfolgten Verbesserung des Rechtsschutzes
halte ich es für notwendig, auch bei den seit 1995 unver-
änderten Auslandsverwendungszuschlägen eine Ver-
besserung zu erzielen. Die Auslandseinsätze unserer
Soldaten erfolgen nicht allein wegen eines Auslandsver-
wendungszuschlages, sondern aus Überzeugung im Ein-
satz für unsere Bundesrepublik. Die finanzielle Aner-
kennung dieser auch lebensgefährlichen Einsätze darf
aber nicht unterschätzt werden. Sie muss deshalb nicht

n
G

t
m
V
d
n
s
1
m
h
w

t
f
m
s
e
A

u
z
g
m
p
s
d
A

V
A
w
a
d
F
s

l
n
s
s

a

(C (D ur der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch der efahrenlage angepasst werden. Ich habe daher gefordert, dass die Zahlungen, orieniert am Gefährdungsgrad, angepasst werden. Ich freue ich, dass das Verteidigungsministerium hierzu einen orschlag unterbreitet hat. Konkret geht es in Anbetracht er gestiegenen Gefahr für Leib und Leben der Soldatinen und Soldaten zum Beispiel in der höchsten Gefahrentufe um eine Anhebung von derzeit 92,03 Euro auf 10 Euro. Es wäre ein richtiges Signal, wenn das Finanzinisterium diese notwendige und angemessene Erhö ung in der aktuellen Haushaltsplanung berücksichtigen ürde. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, am 24. Okober fand in Zweibrücken die Trauerfeier für zwei geallene Soldaten statt. Die Teilnahme an der Feier hat ir einmal mehr verdeutlicht, welche Gefahren und Ri iken die Auslandsmandate beinhalten und wie wichtig s ist, den Sinn dieser Einsätze zu verdeutlichen. Unsere nteilnahme gilt den Hinterbliebenen. Ich bin mir sicher, dass wir alles unternehmen, um für nsere Soldaten im Einsatz den größtmöglichen Schutz u gewährleisten. Eine absolute Sicherheit jedoch kann erade in einer asymmetrischen Bedrohungslage nieand garantieren. Für uns ergibt sich daraus die Ver flichtung, unseren Kräften die größtmögliche Untertützung zu bieten und klar zum Ausdruck zu bringen, ass der Deutsche Bundestag hinter der verdienstvollen rbeit unserer Soldaten sowie der zivilen Kräfte steht. Dass die Fraktion Die Linke oder der fraktionslose orredner durch populistische Reden diese schwierige ufgabe für sich instrumentalisieren möchte, ist verantortungslos. Die CDU/CSU-Fraktion steht zu ihrer Ver ntwortung für eine friedliche Weltordnung und zu den araus resultierenden Verpflichtungen. Wir werden der ortsetzung der deutschen Beteiligung an OEF daher zutimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618503000

Damit schließe ich die Aussprache.

Es ist zwischen den Fraktionen verabredet, die Vor-
age auf Drucksache 16/10720 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. – Damit
ind Sie einverstanden. Dann ist die Überweisung so be-
chlossen.

Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b
uf:

a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken,
jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern

– Drucksache 16/10775 (neu)






(A) )



(B) )



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618503100

b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE

Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken,
jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern

– Drucksache 16/10776 –

Nach einer interfraktionellen Verabredung ist für die
Aussprache hier eine Stunde vorgesehen. – Dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl für die CDU/CSU-Frak-
tion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fängt schon mal gut an!)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1618503200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

und Kollegen! Mit dem Datum des 9. November 1938
verbinden wir in besonderer Weise das Gedenken an den
bestialischen Versuch der Nazis, jüdisches Leben in
Deutschland durch Gewalt und millionenfachen Mord zu
beseitigen. Mit diesem einmalig frevelhaften Verbrechen
hat sich Deutschland selbst einer seiner wesentlichen
kulturellen Wurzeln beraubt; schließlich sind die jüdi-
sche Religion und die jüdische Kultur ein fester Bestand-
teil der deutschen Geschichte und der deutschen Gesell-
schaft.

Nach alldem grenzt es an ein Wunder, dass nach Jahr-
zehnten jüdisches Leben in Deutschland wieder gedeiht
und dass sich Juden in diesem Land wieder beheimatet
fühlen. Mitten in unseren Städten haben sie wieder ihren
angestammten Platz erhalten. Gerade in einer Stadt wie
München, aus der ich komme, ist es ganz wichtig, dass
in Rufweite des Alten Rathaussaales, nämlich am Ja-
kobsplatz, die neue jüdische Synagoge errichtet worden
ist. Ich freue mich, dass wir gemeinsam mit der Präsi-
dentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Frau Charlotte
Knobloch, dieses Tages gedenken – am 9. November,
am kommenden Sonntag, abends, in München.

Doch leider, meine verehrten Kolleginnen und Kolle-
gen, ist Antisemitismus kein abgeschlossenes Kapitel
der deutschen Geschichte. Selbst in Deutschland hält
sich bei vielen Menschen nach wie vor die fatale Bereit-
schaft, Verschwörungstheorien und Negativbilder zu
pflegen. Noch heute werden in bestimmten Kreisen mit
– in Anführungsstrichen – „den Juden“ Misstrauen und
Vorbehalte verbunden. Das Bild der viel zu mächtigen
Gruppe der Juden, wie man dort sagt, dieser Mythos hält
sich zählebig, und zwar leider in allen Teilen der Gesell-
schaft.

Was mit dummen Vorurteilen und unreflektierten Kli-
scheebildern beginnt, endet leider nicht selten in üblen
antisemitischen Drohbriefen und Hetzreden. Es ist be-
dauerlich, dass auch heute noch in Deutschland sämtli-
che jüdische Einrichtungen von der Polizei bewacht
werden müssen. Nach Auskunft der Bundesregierung
beläuft sich die Zahl der antisemitischen Straftaten in
diesem Jahr auf circa 800.

s
P
s

W
i
t
t
m
f
A

t

I
A
l

E
t
w

D
m
n

D
t

m

D
d
s

e
A
b

d
k
a
r

(C (D Da das Gift des Antisemitismus quer durch alle geellschaftlichen Kreise wirksam werden kann, sind alle olitiker aufgerufen, in besonderer Weise und besonders orgfältig mit diesem Thema umzugehen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle!)


ir dürfen uns antisemitische Reflexe in unseren Reden
n keiner Form zunutze machen. Wir müssen uns eindeu-
ig erklären: für die Aufarbeitung latent vorhandener an-
isemitischer Stimmung, für die Pflege jüdischer akade-

ischer, kultureller und gesellschaftlicher Institutionen,
ür eine angemessene Erinnerungskultur und ernsthafte
nstrengungen zur Werte- und Wissensvermittlung.

Dem dient unser Antrag, den wir seit Monaten frak-
ionsübergreifend gemeinsam erarbeitet haben.


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, gemeinsam!)


n der Tat handelt es sich hier um ein überparteiliches
nliegen. Das ist nicht Sache einer Fraktion; dieses An-

iegen sollten wir möglichst alle verfolgen.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Alle!)


s geht hier auch nicht um parteipolitische Prinzipienrei-
erei. Genau das aber ist uns in den letzten Tagen vorge-
orfen worden.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Mit Recht leider!)


ie Frage ist, warum die CDU/CSU diesen Antrag ge-
einsam mit der FDP, den Grünen und der SPD, aber

icht gemeinsam mit den Linken formuliert.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben wir zweimal denselben Text!)


eshalb möchte ich einiges klarstellen; das ist mir wich-
ig an dieser Stelle.

Es ist unbestritten, dass ein verkappter Antisemitis-
us geradezu zur Staatsräson der DDR gehört hat.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die DDR sitzt nicht im Bundestag!)


ieses Thema muss 18 Jahre nach dem Zusammenbruch
er DDR nicht im Mittelpunkt der heutigen Diskussion
tehen;


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau!)


s muss an anderer Stelle aufgearbeitet werden. Es gibt
ntisemitismus in allen politischen Lagern, von rechts
is links;


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


as ist meine Kernaussage. Die Linke – nicht alle Lin-
en, Herr Gysi, aber Teile – spielt allerdings bisweilen
uf der Schalmei einer überzogenen Israel-Kritik. Da-
auf wird einzugehen sein.






(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Uhl
Es ist inakzeptabel, wenn Bundestagsabgeordnete der
Linken – Jelpke, Dağdelen, Hirsch – im Juli 2006 in
Berlin zusammen mit radikalislamischen Hisbollah-An-
hängern gegen Israel demonstrieren. Wir wissen, dass
Hisbollah-Anhänger das Volk der Juden, soweit sie sich
in Israel aufhalten, ins Meer treiben wollen. Wer mit die-
sen Menschen gemeinsam durch die Straßen zieht, kann
kein Partner im Kampf gegen Antisemitismus sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In diese Reihe gehört auch die Behauptung, Israel be-
treibe einen Vernichtungskrieg. Presseberichten zufolge
sagte der Bundestagsabgeordnete Gehrcke im April die-
ses Jahres unter Applaus seiner Anhänger, dem Bild des
kleinen jüdischen Jungen im Warschauer Getto – wir
kennen alle das Bild – entspreche heute das Bild von pa-
lästinensischen Jungen vor anderen Gewehrläufen. Wer
solche Bilder zusammenstellt und in solcher Weise anti-
semitische Kreise in ihren Vorurteilen bedienen will, der
spielt mit dem Feuer. Das ist nicht unsere Art des Um-
gangs mit dem Thema.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will Israel-Kritik nicht per se verbieten. Jeder
Mensch hat das Recht, das tagespolitische Handeln der
israelischen Regierung zu kritisieren. Aber es gibt eine
Israel-Kritik, die etwas anderes bezwecken will. Wir
wollen keine Kritik, die in verhängnisvoller Weise an an-
tiisraelische Klischees anknüpft.

So hat der Abgeordnete Paech von den Linken in ei-
nem Reisebericht aus Palästina Investitionshilfen der
Europäischen Union für das Westjordanland in folgender
Weise diffamiert:

Sie

– also diese Hilfen –

dienten vor allem israelischem und internationalem
Kapital als Investitionsmöglichkeit zur Beschäfti-
gung billiger palästinensischer Arbeitskräfte.

Das ist nicht die Israel-Kritik, die wir zulassen dürfen.


(Lachen bei der LINKEN)


Ich möchte mich mit der Linken aus folgendem
Grund nicht weiter beschäftigen. Herr Gysi, ich habe
sehr aufmerksam Ihre Grundsatzrede vom April dieses
Jahres gelesen, die Sie vor der Rosa-Luxemburg-Stif-
tung gehalten haben.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Uhl, Sie machen alles kaputt!)


Sie haben mit Ihrer Feststellung recht, die Sie anlässlich
des 60. Jahrestages der Gründung Israels und des
75. Jahrestages der Machtübernahme durch die Natio-
nalsozialisten getroffen haben:

Schon diese beiden Daten weisen auf die besonde-
ren Beziehungen Deutschlands und somit auch auf
die besondere Haltung der deutschen Linken zum
Staat Israel hin.

Sie sprachen auch davon, dass die Linke die Haltung zu
Israel überdenken muss, und weiter sagten Sie:

S
S

a
a
n
h

W
d
s
c
g
m

W
d
W
w
s
k

d

u
g
N
w
a
b

n
z
I
H
f

(C (D … denn die Haltung der Linken zu Israel ist keineswegs so eindeutig … Es besteht also durchaus Klärungsbedarf in der Linken, … (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen das ganze Anliegen kaputt!)


ie haben recht, diese Haltung ist keineswegs eindeutig.
ie müssen das klären.

Wenn Sie die Position der Linken zum Staate Israel,
lso zu dem Staat, in dem die Juden leben, ehrlich und
ufrichtig geklärt haben, könnten Sie ein Partner für ei-
en solchen Antrag sein. Solange Sie dies nicht getan
aben, können Sie nicht unser Partner sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! – Zuruf von der LINKEN: Thema verfehlt!)


Lassen Sie mich zum Schluss kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ir müssen den 9. November, den Schicksalstag der Ju-
en in Deutschland, in einer würdigen, ehrlichen und an-
tändigen Form begehen, indem wir den Juden verspre-
hen: Antisemitismus wird es in diesem Land nicht mehr
eben. Die politische Klasse, egal welcher Coleur, will
it dieser Ideologie nichts zu tun haben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie doch verhindert!)


ir werden auf keinen Fall antisemitische Klischees be-
ienen, um auf diese Weise den einen oder anderen
ähler zu uns herüberzuziehen. Mit solchen Wählern
ollen wir nichts zu tun haben. Hier halten wir alle zu-

ammen. Es darf in Deutschland nie mehr dieses Gedan-
engut geben.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618503300

Der Kollege Christian Ahrendt hat jetzt das Wort für

ie FDP-Fraktion.


Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1618503400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Der 9. November 1938 jährt sich in weni-
en Tagen zum 70. Mal. Es war eine der schrecklichsten
ächte, die Deutschland erlebt hat. Jüdische Geschäfte
urden zerstört, Friedhöfe geschändet und Synagogen

ngezündet. In dieser Nacht verloren 400 jüdische Mit-
ürger ihr Leben.

Sich im Bewusstsein unserer Geschichte mit einem
euen Antisemitismus in Deutschland auseinanderzuset-
en, gehört zu den wichtigsten Aufgaben dieses Hauses.
ch glaube, es ist unbestritten, dass alle Mitglieder dieses
auses eine Überzeugung eint – das kann ich zumindest

ür meine Fraktion sagen –: Antisemitismus, egal wel-






(A) )



(B) )


Christian Ahrendt
cher Ausprägung, darf in Deutschland keine Chance
mehr haben.


(Beifall im ganzen Hause)


Dennoch ist vor dem Hintergrund des Themas, mit
dem wir uns hier befassen, die Diskussion über einen ge-
meinsamen Antrag, die wir in den letzten Tagen erlebt
haben, eher ein kleinliches Parteiengezänk. An dieser
Stelle darf ich Ihnen, Herr Dr. Uhl, sagen, dass Sie sich
diesem Thema insofern etwas kleinmütig genähert ha-
ben, als Sie sich an dieser Stelle nur mit der Linken aus-
einandergesetzt haben.


(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Der interfraktionelle Antrag, den wir heute beraten,
hat eine doppelte Natur. Er erinnert an die Ereignisse vor
70 Jahren, und hieran anknüpfend wird in dem Antrag be-
schrieben, dass Antisemitismus trotz vielfältiger Fort-
schritte noch immer ein ernstzunehmendes gesellschaft-
liches Problem in Deutschland ist. Wir begegnen
Antisemitismus bei Sportveranstaltungen. Jüdische Ein-
richtungen in Deutschland müssen besonders gesichert
werden. Oftmals ist Polizeischutz vonnöten. Im Jahr
2007 wurden laut Verfassungsschutzbericht 1 541 Straf-
taten registriert, die antisemitisch motiviert waren.
1 541 Straftaten sind 1 541 Einzelschicksale.

Eines möchte ich Ihnen kurz schildern: Eine Klein-
stadt in Deutschland, 3 000 Einwohner, Tatort ist ein
Gymnasium. Die Täter sind drei Jugendliche im Alter
von 15 und 16 Jahren. Das Opfer ist ebenso alt. Die Tat
besteht darin, dass man dem Mitschüler ein Schild um-
hängt. Das, was auf dem Schild geschrieben steht, ist
2006 geschrieben worden. Der Satz, der auf dem Schild
zu lesen ist, stammt aus der Zeit vor 70 Jahren. Auf dem
Schild steht – ich zitiere diesen Satz –:

Ich bin im Ort das größte Schwein, ich lass mich
nur mit Juden ein.

Deutschland 2006. Diese Entwicklung ist bedrohlich
und muss uns zutiefst ängstigen.


(Beifall im ganzen Hause)


Erschreckend ist aber auch, dass die antisemitische
Einstellung nicht nur bei den Ewiggestrigen vorkommt
und nicht nur bei extremistischen Parteien anzutreffen
ist, sondern dass sie auch einen Resonanzboden in der
Mitte der Gesellschaft hat. Wir müssen uns in diesem
Zusammenhang die Frage stellen: Was müssen wir heute
unter Antisemitismus verstehen? Das Spektrum von
Antworten, die hier gegeben werden, ist recht vielfältig.
Eine Erklärung gibt Professor Werner Bergmann vom
Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen
Universität Berlin – ich zitiere –:

Es handelt sich beim Antisemitismus … nicht bloß
um Xenophobie oder um ein religiöses und soziales
Vorurteil, das es gegenüber Juden auch gibt, son-
dern um ein spezifisches Phänomen: eine antimo-
derne Weltanschauung, die in der Existenz der Ju-
den die Ursache sozialer, politischer, religiöser und

w
v
m
s
b
k
m
w

W
d
g
W
s
e

V
d
m
A
d
K

f

g
t
b
h
s

M
f

(C (D kultureller Probleme sieht. Entsprechend wurden und werden bestimmte moderne politische Strömungen und Ordnungen … oder wirtschaftliche Entwicklungen … als Erfindungen jüdischen Geistes betrachtet, die den anderen Nationen als etwas Fremdes aufgezwungen werden. Wenn man sich diesen Erklärungsversuch vergegenärtigt und ihn mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit erknüpft, wird eines deutlich: Wir können Antisemitisus nicht allein mit einer Ausrichtung an zwölf Jahren chrecklicher deutscher Geschichte bekämpfen. Wir rauchen neue und vor allen Dingen moderne Bildungsonzepte, um uns mit dem Vorurteil, dass Antisemitisus zeitlich nur auf die Jahre von 1933 bis 1945 fixiert erden kann, auseinanderzusetzen. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: So ist es!)


ir dürfen uns auch nicht dem Irrglauben hingeben,
ass die Mahnung an unsere jüngere Geschichte bereits
enug ist, um Antisemitismus erfolgreich zu bekämpfen.
er so argumentiert und es beim ausschließlich histori-

chen Bildungsansatz bewenden lassen möchte, macht
s sich am Ende zu einfach.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618503500

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.


Christian Ahrendt (FDP):
Rede ID: ID1618503600

Ich bemühe mich, mich kurzzufassen.

Für ein Urteil gilt, dass es widerlegt werden kann. Für
orurteile gilt das nicht; sie können nicht widerlegt wer-
en. Im Sinne des eben vorgetragenen Zitates ist Antise-
itismus ein Vorurteil. Deswegen ist der Kampf gegen
ntisemitismus keine befristete Aufgabe, sondern eine
auernde Aufgabe. Lassen Sie uns gemeinsam in diesen
ampf gehen!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall im ganzen Hause)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618503700

Die Kollegin Gabriele Fograscher hat jetzt das Wort

ür die SPD-Fraktion.


Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1618503800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Ich bedauere – das sage ich für die SPD-Bundes-
agsfraktion –, dass es trotz vielfältiger Bemühungen, die
is zum Schluss angehalten haben, nicht gelungen ist,
ier einen gemeinsamen Antrag aller fünf Fraktionen zu-
tande zu bringen.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


it den Äußerungen einiger Unionspolitiker in der öf-
entlichen Diskussion, die einzig zum Ziel hatten, die






(A) )



(B) )


Gabriele Fograscher
Linke mit fragwürdigen, historisch falschen Argumenten
auszugrenzen – Herr Uhl, Sie haben das hier wiederholt –,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


haben sie selbst ein unwürdiges Zeichen gesetzt. Das
müssen Sie auch verantworten.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu Ihrer Erinnerung: Bei dem Antrag „Existenzrecht
Israels ist deutsche Verpflichtung“ sind Sie über Ihren
Schatten gesprungen und haben die Linksfraktion als
Mitantragsteller akzeptiert. Ich zitiere in diesem Zusam-
menhang Salomon Korn, den Vizepräsidenten des Zen-
tralrats der Juden in Deutschland:

Es wäre wichtig gewesen, an diesem besonderen
Datum auch den Zeitzeugen gegenüber ein Zeichen
der Solidarität zu setzen.

Es hätte Ihnen gut angestanden, diese Gelegenheit
heute hier zu nutzen.


(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In wenigen Tagen jährt sich eines der schlimmsten
Kapitel der deutschen Geschichte zum 70. Mal: die
Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November
1938. In jener Nacht im November brannten jüdische
Synagogen in ganz Deutschland. Angehörige der SA
und der SS zertrümmerten die Schaufenster jüdischer
Geschäfte, demolierten die Wohnungen jüdischer Bürge-
rinnen und Bürger und misshandelten ihre Bewohner.
Mehr als 1 300 Menschen starben in jener Nacht. Mehr
als 1 400 Synagogen und Gebetshäuser gingen in
Deutschland und Österreich in Flammen auf, wurden be-
schädigt oder ganz zerstört. Mehr als 30 000 männliche
Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Die
Reichskristallnacht war der Höhepunkt eines staatlichen
Antisemitismus, der mit der Machtübernahme der Natio-
nalsozialisten 1933 begonnen hatte.

Große Teile der Bevölkerung zeigten keinen zivilen
Widerstand gegen die Verbrechen. Im Gegenteil: Auch
Nichtangehörige von SA und SS beteiligten sich aktiv an
den Zerstörungen und Brandschatzungen oder sie sahen
weg. Wenige – zu wenige – leisteten Widerstand, ver-
steckten und schützten jüdische Mitbürgerinnen und
Mitbürger und riskierten damit ihr eigenes Leben.

In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Ent-
rechtungen, Enteignungen, Zwangsarisierungen. Juden
wurden zur Auswanderung gezwungen. Es begann die
systematische Ermordung der Juden in den Konzentra-
tionslagern. Diese Geschehnisse im Herbst 1938 waren
der Auftakt; jegliches Zeugnis jüdischen Lebens in
Deutschland sollte vernichtet werden.

Doch heute, 70 Jahre nach der Reichspogromnacht,
gibt es zum Glück wieder jüdisches Leben in Deutsch-
land. Seit 43 Jahren unterhält Deutschland freundschaft-
liche und diplomatische Beziehungen mit dem Staat
Israel. Diese Geste Israels, 20 Jahre nach dem Holocaust

a
w

d
r
W
h
m
s
d
s
t

I
t
m
b
t
d
t
n
d
F
B
u

u
a
u
z
r
i
f
w
R

P
s
d
L
k
g
t
K
v
b

b
g
e
n
n
S
g
z
z

(C (D uf Deutschland zuzugehen, ist beispiellos. Dafür sind ir dankbar. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die
eutsche Sozialdemokratie begrüßen die kulturelle Be-
eicherung durch das jüdische Leben in Deutschland.

ir wollen und müssen Lehren aus der Geschichte zie-
en. Antisemitismus ist auch heute noch ein ernstzuneh-
endes Problem in Deutschland. Noch heute müssen

ämtliche jüdische Einrichtungen in Deutschland beson-
ers gesichert werden. Im Jahr 2007 wurden 1 541 anti-
emitische Straftaten registriert, darunter 59 Gewaltta-
en, die sich gegen Jüdinnen und Juden gerichtet haben.

Antisemitismus ist Bestandteil der rechtsextremen
deologie. Nicht nur die Wahlerfolge rechtsextremer Par-
eien und die seit Jahren hohe Zahl rechtsextremistisch

otivierter Straftaten, sondern auch die durch Studien
elegte rechtsextremistische Einstellung in allen Schich-
en der Bevölkerung erfordern unser entschiedenes Han-
eln. Die große Mehrheit der Deutschen lehnt Antisemi-
ismus entschieden ab. Aber es gibt eben auch eine
ennenswerte konstante Minderheit, die antisemitisch
enkt. 8,4 Prozent haben – so die in diesem Jahr von der
riedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte Studie „Ein
lick in die Mitte“ – Vorurteile gegen Mitbürgerinnen
nd Mitbürger jüdischen Glaubens.

Politik allein kann das Problem des Antisemitismus
nd des Antizionismus nicht lösen. Politik kann und muss
ber Impulse geben, um die Zivilgesellschaft zu stärken
nd alle demokratischen Akteure und Kräfte zu unterstüt-
en. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
ung deshalb auf, ein Expertengremium einzusetzen, das
n regelmäßigen Abständen einen Antisemitismusbericht
ür Deutschland erstellen und Empfehlungen zur Ent-
icklung und Weiterentwicklung von Programmen gegen
echtsextremismus und Antisemitismus geben soll.

Neben der Förderung des weiteren Aufbaus und der
flege jüdischer akademischer, kultureller und gesell-
chaftlicher Institutionen möchten wir dafür werben,
ass jüdisches Leben und die jüdische Geschichte in die
ehrpläne an Schulen aufgenommen und unsere demo-
ratischen Werte, die Menschenrechte sowie die reli-
iöse und kulturelle Vielfalt aktiv im Unterricht vermit-
elt werden. Nur so können wir es erreichen, dass unsere
inder und Jugendlichen tolerante, selbstbewusste und
orurteilsfreie Erwachsene werden, die diese Werte le-
en und an die folgenden Generationen weitergeben.

Die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus
einhalten und fördern auch Projekte und Initiativen ge-
en Antisemitismus. Viele dieser Projekte arbeiten sehr
rfolgreich, können aufgrund des Modellcharakters aber
icht langfristig fortgesetzt werden und somit nicht
achhaltig wirken. Das vorwiegende Anliegen von uns
ozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist, Lösun-
en zu finden, diese erfolgreichen Projekte nicht nur
eitlich befristet zu fördern, sondern nachhaltig finan-
iell abzusichern.






(A) )



(B) )


Gabriele Fograscher

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ich möchte schließen mit einem Zitat aus einer Rede,
die Johannes Rau im Jahr 2000 vor der Knesset gehalten
hat:

Deutschland will ein offenes, liberales und gast-
freundliches Land sein, in dem Menschen unter-
schiedlicher Religionen und Kulturen ihren Platz
haben und zusammenleben können. Das setzt die
Bereitschaft zur guten Nachbarschaft voraus, die
sich im Alltag bewähren muss. Das heißt, nicht das
Trennende, sondern das Verbindende zu suchen.
Bei allen kulturellen und religiösen Unterschieden
sollten wir die gemeinsamen Werte suchen und
pflegen.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall im ganzen Hause)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618503900

Petra Pau hat jetzt das Wort für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618504000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Mein erster Gedanke gilt den Millionen Jüdinnen
und Juden, die in der NS-Zeit gedemütigt, vertrieben und
ermordet wurden. Mein zweiter Gedanke gilt den Jüdin-
nen und Juden, die trotz alledem heute wieder mit uns le-
ben. Der Schmerz und der Dank gehören zusammen,
ebenso die Sorge, dass sich nie wiederholen möge, was
schon einmal geschehen ist.

Vor 70 Jahren, am 9. November 1938, ging das NS-
Regime zum offenen Angriff auf Jüdinnen und Juden
über. Die sogenannte Pogromnacht war die General-
probe für den Holocaust. Allzu viele sahen zu. Eine
Lehre aus dieser furchtbaren Geschichte war: Das NS-
Regime kam nicht an die Macht, weil die NSDAP so
stark war. Es kam an die Macht, weil die Demokraten in
zentralen Fragen zerstritten und deshalb zu schwach wa-
ren. Ich wünschte, alle hätten diese Lektion gelernt.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ich möchte an vier Ereignisse jüngeren Datums er-
innern. Vor reichlich einem Jahr wurde in Berlin eine jü-
dische Schule mit antisemitischen Parolen beschmiert.
Auf das Spielzeug des dazugehörenden jüdischen Kin-
dergartens wurden SS-Runen geschmiert.

Die Fußballer des jüdischen Vereins TuS Makkabi
brachen ein Spiel ab. Sie wurden fortwährend antisemi-
tisch beschimpft und mit Sprechchören wie „Hier regiert
die NPD und nicht der DFB“ bedroht.

2
s
a

F
s
g

d
F
w
m
h
I
M
ü
s
g
m
B
C

t
ü
d
n
s
n
d

m
t
k
l
t
a
f
s

w
d
s
p

d
h
F
z

(C (D Aktuelle empirische Untersuchungen belegen, dass 5 Prozent der Bevölkerung latent antisemitisch eingetellt sind; im Westen der Bundesrepublik übrigens mehr ls im Osten. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Frage der raktion Die Linke ergab, dass seit Jahren im statistichen Schnitt Woche für Woche ein jüdischer Friedhof eschändet wird, und zwar bundesweit. Die letztgenannte Meldung war übrigens der Anlass afür, dass sich vor Jahresfrist Abgeordnete aus allen raktionen des Bundestages fanden, um gemeinsam etas gegen diese schlimmen Befunde zu tun. Auch daran öchte ich erinnern: Im Mai dieses Jahres hatten wir ier eine Debatte aus Anlass des 60-jährigen Bestehens sraels. Ich mahnte damals für die Fraktion Die Linke: an kann nicht 60 Jahre Israel würdigen, ohne zugleich ber den aktuellen Antisemitismus zu sprechen. Abchließend sprach ich von der überfraktionellen Arbeitsruppe gegen Antisemitismus. Im Protokoll ist dazu vererkt: Beifall bei der Linken, bei der SPD, beim ündnis 90/Die Grünen, bei der FDP und bei der CDU/ SU. Die gemeinsame Arbeit kam gut voran. Die Fachpoliiker suchten das Gemeinsame im Trennenden. Dann bernahmen Machtpolitiker das Vorhaben. Sie suchten as Trennende im Gemeinsamen. Seither kann von eiem starken Signal des Bundestages keine Rede mehr ein. Viele Kommentatoren, auch jüdische Organisatioen bescheinigen uns stattdessen ein Trauerspiel. Ich beauere das außerordentlich. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Wie aber kommt es, dass die Union im Mai ein ge-
einsames Vorhaben beklatscht und dasselbe im Sep-

ember vehement bekämpft? Ich habe dafür nur eine Er-
lärung. Die neue Wahlstrategie der Union für 2009
autet kurz gefasst: Die Linke prügeln, um die SPD zu
reffen. Dass man dafür sogar ein mögliches Miteinander
ller Bundestagsfraktionen gegen Antisemitismus und
ür jüdisches Leben opfert, das wiederum finde ich ge-
chichtsvergessen, kurzsichtig und würdelos.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Dasselbe trifft auf die meisten bemühten Unionsvor-
ürfe gegen die Linksfraktion zu. Erst wurde suggeriert,
ie DDR sei mit den Juden genauso umgegangen wie
einerzeit das NS-Regime. Schließlich wurde die Linke
auschal als antisemitisch diffamiert. Beides ist infam.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wieder und wieder wurde ich von Journalisten be-
rängt, ich möge nun doch endlich mit gleicher Elle
eimzahlen. Ich habe das nicht getan und auch meine
raktion nicht. Ich wollte das kleinkarierte Parteienge-
änk nicht noch selbst vergrößern. Mein Rat ist älter. Ich






(A) )



(B) )


Petra Pau
empfehle insbesondere den vermeintlich christlichen
Parteien Johannes 8: Wer von euch ohne Sünde ist,
werfe als Erster einen Stein.

Es gibt ohnehin bessere Beispiele. In Delmenhorst
fand sich parteiübergreifend ein sehr breites gesell-
schaftliches Bündnis, um zu verhindern, dass Neonazis
dort ein bundesweites Schulungszentrum errichten. Die-
ses Bündnis hatte Erfolg. Im Land Brandenburg ver-
hinderte ein ebenso breites Bündnis mit einem „Fest der
Demokratie“, dass rechtsextreme Kameraden auf dem
Soldatenfriedhof Halbe ein Heldengedenken für die
Wehrmacht inszenieren konnten. Erst vor wenigen Wo-
chen hat die CSU im bayerischen Memmingen gemein-
sam mit der Linkspartei und vielen anderen gegen einen
Aufmarsch der NPD demonstriert; ich war dabei. Alle,
die solche Zivilcourage zeigen, haben einen Anspruch
darauf, dass der Bundestag sie in ihrem täglichen Kampf
gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitis-
mus unterstützt und keine egoistischen Signale dagegen-
setzt.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Linke hat den
Antrag der anderen Fraktionen übernommen. Wir stellen
ihn als eigenen Antrag wortgleich zur Abstimmung. Ich
appelliere an uns alle: Gehen wir souverän damit um!
Die Linke tut dies, wohl wissend, dass der aktuelle An-
trag, was seine konkreten Vorhaben angeht, schwächer
ist als der Entwurf, den der überfraktionelle Arbeitskreis
im Konsens unterbreitet hatte, und wohl wissend, dass
die eigenen Vorschläge der Linksfraktion weitgehender
sind, als es der Kompromiss des Arbeitskreises war.
Aber die aktuelle Alternative heißt: Entweder schwächt
der Bundestag die gesellschaftlichen Bündnisse, oder
wir kehren gemeinsam zur Vernunft zurück. Ich plädiere
für Vernunft. Alles andere wäre fatal.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618504100

Renate Künast hat jetzt das Wort für Bündnis 90/

Die Grünen.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618504200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alle

Fraktionen des Deutschen Bundestages verpflichten sich
heute gemeinsam, jüdisches Leben in Deutschland zu
fördern, den Kampf gegen den Antisemitismus zu ver-
stärken und für konkrete Projekte Geld in die Hand zu
nehmen. Ich bin froh darüber, dass wir im Vergleich zu
dem Antrag, der noch bis vor kurzem vorgelegen hat,
zwei Verbesserungen erzielt haben; hier bin ich anderer
Ansicht als Frau Pau.

d
d
d
n
n
d
a

j
a
I
P
M
D
I

d
e
v
j
f
g
L
d
h
m

s
h
s
i
b
m
h
n

s

u
L
s
h
j
m
j
m
d

(C (D Der erste Punkt ist, dass die Formulierung, durch die ie Linkspartei ausgeschlossen wurde, gestrichen woren ist. Darüber bin ich froh, weil ich finde, dass man es 70. Jahrestages der Pogromnacht und ihrer Folgen ur dann angemessen gedenken kann, wenn man jetzt icht wieder das tut, was auch damals am Anfang stand, ass man nämlich jemanden ausgrenzt, welcher Partei uch immer er angehört. Frau Pau, der zweite Verhandlungserfolg ist, dass etzt konkrete Projekte benannt sind. Wer für den Beuftragten war, fand den alten Antrag vielleicht besser. ch finde es aber besser, dass nun avisiert ist, konkrete rojekte – quer durch das ganze Land, überall dort, wo enschen vor Ort mühevolle Arbeit verrichten – auf auer zu finanzieren und nicht nur als Modellprojekte. nsofern glaube ich, dass uns ein guter Antrag vorliegt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich will an dieser Stelle all denen danken, um die es
abei auch geht. Denn wir gedenken nicht nur, sondern
s muss hier und heute auch um all diejenigen gehen, die
or Ort in den Projekten arbeiten. Beispiele sind das Pro-
ekt Exit, dessen finanzielle Förderung leider ausgelau-
en ist, und die weiteren Anlaufstellen für NPD-Ausstei-
er. Außerdem werden in vielen Städten quer durch das
and Jugendprojekte durchgeführt. Diejenigen, die sich
ort engagieren, sind zum Teil selbst Druck und Bedro-
ungen ausgesetzt. All diesen Menschen sollten wir ge-
einsam danken, egal welcher Fraktion wir angehören.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ich glaube, wir im Deutschen Bundestag haben buch-
täblich in letzter Minute eine sehr große Blamage ver-
indert. Früher, als ich Jugendliche und junge Erwach-
ene war, hatte ich manchmal einen Kloß im Hals, wenn
ch an die Art dachte, wie wir in der alten Bundesrepu-
lik mit der NS-Zeit umgegangen sind; da lag nämlich
anches im Argen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Als ich

eute die Rede von Herrn Uhl hörte, hatte ich wieder ei-
en Kloß im Hals, und er ist noch nicht weg.

Ich muss jetzt sagen: Trotz alledem, trotz seiner Rede,
timmen wir diesem Antrag zu.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Christian Ahrendt [FDP])


Das war unglaublich selbstgerecht, Herr Uhl.

Ich glaube, die Jüdinnen und Juden in Deutschland
nd alle Demokratinnen und Demokraten in diesem
and dürfen erwarten, dass wir uns in dieser Frage einig
ind, dass wir tatsächlich nach vorne gehen und dass wir
eute und hier das Signal senden: Jeder Antisemit und
ede Antisemitin soll wissen, dass sie außerhalb des de-

okratischen Spektrums stehen. Jeder Antisemit und
ede Antisemitin in diesem Land soll wissen, dass sie da-
it außerhalb des Spektrums aller im Deutschen Bun-

estag vertretenen Parteien stehen.






(A) )



(B) )


Renate Künast

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist das notwendige Signal und Zeichen.

Wir alle wissen – das ist hier schon gesagt worden –,
dass Antisemitismus nicht auf den politischen Extremis-
mus beschränkt ist. Er ist auch kein Unterschichtenpro-
blem, sondern er ist quer durch die verschiedenen
Schichten dieses Landes vertreten. Es gibt täglich An-
griffe auf jüdische Einrichtungen. Gerade am Wochen-
ende hat es in Berlin einen Angriff auf einen jüdischen
Rabbiner und seine Schülerinnen und Schüler gegeben.
Die Menschen erleben diese Angst also heute hier. Wir
alle zusammen müssen sagen: Wir stehen mit euch zu-
sammen und kämpfen für dieses „Nie wieder“.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir dürfen das auch nicht kleinreden. Wir wissen,
dass es innerhalb des Rechtsextremismus Leute gibt, die
seit vielen Jahren versuchen, in diesem Land, wie sie es
nennen, national befreite Zonen zu organisieren, sodass
es Bereiche gibt, in denen junge Menschen gar kein Ju-
gendzentrum mehr finden, in dem nicht alle anderen an-
tisemitisch und rechtsextrem sind. Wie sollen denn diese
zehn-, elf- und zwölfjährigen Kinder – gerade die Jun-
gen, die aus dem Elternhaus herausgehen und eine Be-
zugsgruppe suchen, an der sie teilhaben und sich orien-
tieren können – eigentlich als kleine Demokraten
aufwachsen können, wenn wir nicht alle gemeinsam an
dieser Stelle stehen und „Nie wieder“ und „Gegen den
Antisemitismus“ sagen?

Gerade weil Herr Uhl von seinen elf Minuten Rede-
zeit, ich glaube, fast zehn Minuten für die Auseinander-
setzung mit der Partei Die Linke verwendet hat, muss
ich sagen: Lassen Sie uns an dieser Stelle keine Lebens-
lügen aufbauen. Deshalb sage ich klar: Es gab eine lü-
ckenhafte Aufarbeitung. Das war ja auch das Desaster
dieser Länder. Es gab personelle und ideologische Kon-
tinuitäten nach dem Ende des Dritten Reichs. Die gab es
aber überall. Es gab sie in der DDR, und es gab sie in der
frühen Bundesrepublik. Wer hier spricht und andere kri-
tisiert, dabei aber nur das eine benennt, ohne auch das
andere zu benennen, Herr Uhl, ist nicht glaubwürdig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Die DDR hat Israel nie anerkannt. Sie hat alte NS-
Vertreter und Soldaten weiterbeschäftigt und so getan,
als sei nichts. Ich bin in der frühen Bundesrepublik groß
geworden und weiß, dass es einen Globke gab, dass es
herbe Auseinandersetzungen über Filbinger gab, dass es
lange dauerte, bis klar war, dass die, die nach der KZ-
Zeit im Nationalsozialismus im Westen irgendeiner wil-
den K-Gruppe angehörten, keine Opferentschädigung
erhielten, und dass kein einziger NS-Jurist letztinstanz-
lich rechtskräftig verurteilt wurde. Das alles liegt mir auf
der Seele und war mir sowieso wie ein Kloß im Hals.
Durch Herrn Uhls Rede ist er noch größer geworden.

L
g

d

B
b
s
a
u
I
w
w
W
u
m

C
L
S
w
a
d
t
I
F

d
M
b
n
n
n
G
r
w
E
E
n
I
e

C
m
G
K
h

C

(C (D assen Sie uns an dieser Stelle keine falschen Signale eben! Ich will Ihnen zwei Leute aus Ihren Reihen benennen, ie mich in diesem Zusammenhang beeindrucken. 1992 es war am 8. November 1992 am Lustgarten – hat es in erlin eine sehr große Demonstration gegeben. Viele haen gesagt, dass diese Demonstration von 400 000 Menchen unter dem Titel „Die Würde des Menschen ist unntastbar – Gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus nd Antisemitismus“ die größte der Nachkriegszeit war. ch habe sie gemeinsam mit anderen initiiert, und ich eiß noch, wie wir im Berliner Abgeordnetenhaus – das urde später von vielen anderen, auch von von eizsäcker, Süssmuth und anderen unterstützt – saßen nd auch die CDU sagte: nicht mit der PDS, wie sie daals noch hieß. Ich ging dann zu einer der stärksten Frauen, die die DU in Berlin je hatte, nämlich zu Hanna-Renate aurien. Sie war Präsidentin des Abgeordnetenhauses. ie saß da und sagte: Wenn sie das untereinander nicht ollen, dann rufe ich als Parlamentspräsidentin für alle uf. – Das ganze Abgeordnetenhaus sagte: Die Würde es Menschen ist unantastbar. – 400 000 Menschen, Pareien, NGOs, Gewerkschaften: Alle waren auf der Straße. ch finde, Hanna-Renate Laurin ist eine große und starke rau. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich muss noch jemanden aus der CSU nennen. Denn
amals hat sich die CSU geweigert, daran teilzunehmen.
ax Streibl hat es als bloße Schaufensterveranstaltung

ezeichnet, an der die CSU nicht teilnehme – und das
ach Hoyerswerda, Hünxe und Lichtenhagen. Er ist
icht hingegangen. Enoch zu Guttenberg, der Vater des
euen CSU-Generalsekretärs zu Guttenberg, hat einen
roßonkel – er ist also der Urgroßonkel des CSU-Gene-

alsekretärs – namens Karl Ludwig zu Guttenberg. Er
ar Widerstandskämpfer in dem Kreis um Stauffenberg.
noch zu Guttenberg war damals über Streibl entsetzt.
r hat mit ihm diskutiert, und weil Streibl sich immer
och weigerte, hat er seinen Austritt aus der CSU erklärt.
ch finde, er ist ein mutiger Mann, weil er die Sache über
ine Partei stellte, der er nahestand.

Ich finde es gut, dass uns die Geschäftsordnung die
hance gibt, das Ganze zu retten, und dass wir heute ge-
einsam über die Anträge abstimmen. Es geht um das
edenken an die NS-Opfer und den gemeinsamen
ampf gegen Antisemitismus. Wir werden das Thema
ier wieder diskutieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1618504300

Kristina Köhler ist die nächste Rednerin für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Kristina Köhler (CDU):
Rede ID: ID1618504400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In wenigen Ta-
gen jähren sich zum 70. Mal die Novemberpogrome des
Jahres 1938. In der Nacht vom 9. zum 10. November
wurden über 1 000 jüdische Synagogen in ganz Deutsch-
land beschädigt oder in Brand gesetzt. Unzählige jüdi-
sche Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört. Hun-
derte Menschen verloren ihr Leben. 30 000 Juden
wurden am nächsten Tag, dem 10. November, in Kon-
zentrationslager verschleppt.

Zuvor waren an menschenfeindlichem Zynismus
nicht mehr zu überbietende Fernschreiben, gezeichnet
vom damaligen SS-Führer Heydrich, bei Stellen der
Staatspolizei eingegangen. In diesen hieß es zum Bei-
spiel – ich zitiere –:

Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden,
die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Ei-

(zum Beispiel Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist)


Diese Nacht des organisierten Terrors war nicht der
Ausgangspunkt des Holocaust. Seine Wurzeln liegen
viel früher und tiefer. Diese Nacht lieferte jedoch für alle
im In- und Ausland den sichtbaren Beweis, dass die Na-
tionalsozialisten mit dem von Goebbels ausgerufenen
Ziel eines sogenannten judenfreien Reiches ernst ma-
chen wollten – zumindest für alle, die das Sichtbare auch
sehen wollten.

In dieser Nacht wurden die jüdischen Bürger unseres
Landes zum Objekt degradiert. Der Historiker Hans
Mommsen schrieb dazu – ich zitiere –:

Zweifellos trugen die Ereignisse des Pogroms und
seine Folgen entscheidend zu der „Entpersönli-
chung“ der jüdischen Mitbürger bei, die eine wich-
tige psychologische Voraussetzung des Genozids
war.

Der Einzelne mag mit diesen damals organisierten
Ausschreitungen noch nicht verbunden haben, was spä-
ter in den Todesfabriken von Treblinka oder Auschwitz
passierte, wie es der leider viel zu früh verstorbene ehe-
malige Präsident des Zentralrates der Juden, Paul
Spiegel, formulierte. Er sagte aber:

Doch war nicht alles, was bis Mitte November 1938
geschehen war, schon schrecklich und menschen-
verachtend genug?

Das war es. Dies zu wissen, verpflichtet uns alle, auf An-
tisemitismus und Menschenverachtung nicht mit Er-
schrecken oder Schweigen zu reagieren, sondern aufzu-
stehen und zu sagen: „Nie wieder! Erst recht nicht in
Deutschland!“


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Bekämpfung des Antisemitismus muss für uns alle
in diesem Haus auch im Jahr 2008 eine besondere Auf-
gabe sein.

h
l
n
s
t
A
c
ü
d
v
1
g
5
d
L
r

G
w
i
e
s

n
d
n
s
m
F
v
n
H
S
w
ü
w
A
i
r
b

A
h
L
n
P
z
d
a

w
m
M
B

(C (D Freilich ist es nicht so – auch dieses Signal wäre vereerend oder falsch –, dass Bundesregierungen in den etzten Jahrzehnten die Bekämpfung des Antisemitismus icht ernst genommen hätten, ganz im Gegenteil. Dabei chließe ich alle in diesen Jahren an den Regierungen beeiligten Fraktionen ein. Es ist auch nicht so, dass der ntisemitismus in Deutschland in diesen Jahren, vergli hen mit anderen Ländern, besonders auffällig wäre oder berproportional zugenommen hätte. Auch dieser Einruck ist falsch. Aber zum einen müssen wir nach wie or zur Kenntnis nehmen, dass etwa im Jahr 2007 500 antisemitische Straftaten, darunter 1 300 Propa andadelikte oder Fälle von Volksverhetzung sowie 9 Gewalttaten registriert wurden. Zum anderen gibt es en Satz unseres Bundestagspräsidenten Norbert ammert, der immer wieder eindringlich mahnt und ichtigerweise formuliert hat: Antisemitismus, wo immer er auftritt, ist nicht akzeptabel. In Deutschland ist er unerträglich. erade weil er in Deutschland unerträglich ist, haben ir eine besondere Verantwortung. Diese Verantwortung st ein Auftrag ohne Verfallsdatum. Diese Verantwortung rschöpft sich nach meiner festen Überzeugung nicht in ymbolischen Gesten. Der Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündis 90/Die Grünen, über den wir heute beraten, kann eshalb nicht nur der Erinnerung und der Symbolik dieen; denn das Geschwür des Antisemitismus entwickelt ich weiter. Deswegen muss sich auch die Antisemitisusbekämpfung weiterentwickeln. Sie muss es in der rage der Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiatien. Sie muss es in der Frage der Bildung, die mit zuehmendem persönlichen und zeitlichen Abstand vom olocaust vor neuen Aufgaben der Vermittlung steht. ie muss es aber auch in der grundsätzlichen Frage, aus elchen Quellen sich der Antisemitismus von heute berhaupt speist; denn ohne eine umfangreiche Analyse, oher das Geschwür des Antisemitismus kommt, ist die ntisemitismusbekämpfung nur ein Placebo. Deswegen st es richtig, in regelmäßigen Abständen Expertenbeichte zum Antisemitismus erstellen zu lassen. Das haen wir gefordert, und das unterstützen wir. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Zum Thema Linke und zum Thema antisemitischer
ntizionismus nur ein einziger Satz: Der Kollege Uhl
at Ihnen Zitate von hochrangigen Funktionsträgern der
inken vorgetragen. Das Schlimme ist nicht in erster Li-
ie, dass es solche Äußerungen gibt. Dagegen ist keine
artei gefeit. Das Schlimme ist vielmehr, dass kein Ein-
iger dieser Abgeordneten oder Funktionsträger für
iese Äußerungen seinen Hut nehmen musste. Das sagt
lles.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Deutsche Bundestag wird heute seiner Verant-
ortung gerecht. Wir werden niemals mehr verstum-
en, und wir werden niemals mehr schweigen, wenn
enschenverachtung oder Judenhass versuchen, sich
ahn zu brechen. Für mich als relativ junge Abgeord-






(A) )



(B) )


Kristina Köhler (Wiesbaden)

nete ist dabei der Auftrag maßgebend, den unser damali-
ger Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner
Rede vom 8. Mai 1985 formuliert hat:

Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was
damals geschah. Aber sie sind dafür verantwortlich,
was in der Geschichte daraus wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1618504500

Ich erteile das Wort dem Kollegen Markus Löning,

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1618504600

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es ist

unsere Verantwortung als Abgeordnete des Deutschen
Bundestages, die Freiheit unserer Gesellschaft und unse-
rer Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Es ist unsere
Verantwortung als frei gewählte Abgeordnete des deut-
schen Volkes, uns für die Werte unserer Verfassung ein-
zusetzen und für die Werte unserer Verfassung zu kämp-
fen. Das ist eine Verpflichtung, die uns die Geschichte
lehrt. Die Weimarer Republik ist daran gescheitert, dass
die Mitte der Gesellschaft nicht bereit war, sich für die
Werte und die Freiheit der Gesellschaft einzusetzen.
Daraus müssen wir die Lehre ziehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Es ist daher unsere Verantwortung als Abgeordnete,
die Feinde der Freiheit und Angriffe auf die Freiheit ab-
zuwehren. Antisemitismus in all seinen Facetten ist ein
schwerwiegender Angriff auf die Freiheit von Menschen
in unserem Land, auf die Freiheit einer Minderheit und
damit ein Angriff auf die Freiheit unserer Gesellschaft,
ein Angriff auf unser aller Freiheit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Gradmesser für die Freiheit einer Gesellschaft ist
immer die Freiheit von Minderheiten. Wie frei und wie
sicher fühlt man sich in Deutschland, wenn man eine
Kippa oder als Schmuckstück einen kleinen silbernen
Davidstern trägt? Es wurden heute schon verschiedene
Beispiele genannt. Frau Künast, Sie haben die Angriffe,
die gerade in dieser Woche in Berlin stattgefunden ha-
ben, angesprochen. Wie sicher und wie frei fühlt man
sich, wenn man sich erkennbar als Jude in unserer Ge-
sellschaft bewegt? Da müssen wir ansetzen, meine Da-
men und Herren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Versuche, im Kampf gegen Antisemitismus etwas
zu erreichen, wirken oft hilflos. Wir haben über ver-
schiedene Maßnahmen diskutiert, die wir als Abgeord-
nete ergreifen können: die Einrichtung einer Enquete-
Kommission, die Einsetzung eines Beauftragten für den

K
g
w
o
w
Ö
s
w

D
s
P
s
n
w
ö
d
h
g
d
s

K

n
f
d
w

D
D
i
w
u
D
t
h

o
w
d

w

(C (D ampf gegen Antisemitismus; jetzt sollen ein Expertenremium eingesetzt und ein jährlicher Bericht erstellt erden. Der Kern der Sache ist doch, dass wir als Abgerdnete unsere Verantwortung wahrnehmen, das, was ir in diesem Land sehen, zum Thema zu machen, in die ffentlichkeit zu tragen, Übergriffe zu geißeln und zu agen, dass es in unserem Land nicht akzeptabel ist, enn Leute ausgegrenzt werden. Eines ist ganz klar für unsere Gesellschaftsordnung: er Kampf gegen den Antisemitismus, der entschlos ene gemeinsame Kampf aller Demokraten und aller arteien ist ein konstitutives Element unserer Gesellchaft, unserer freien Bundesrepublik. Wir dürfen nicht achlassen, dies immer wieder gemeinsam zu tun. Wenn ir die Geschlossenheit an dieser Stelle aufgeben, so ffnen wir die falsche Tür. Ich denke, es ist unerlässlich, ass wir als Deutscher Bundestag hier geschlossen steen, um ein gemeinsames und entschlossenes Signal geen Antisemitismus, gegen Diskriminierung von Minerheiten und für die Freiheit in unserer Gesellschaft zu etzen. Vielen Dank. Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der ollege Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin en und Kollegen! Liebe Frau Kollegin von der Unionsraktion, ja, Antisemitismus gibt es in vielen Ländern ieser Erde, aber für uns Deutsche ist es noch einmal etas anderes. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Das hat sie doch gesagt!)


(Beifall im ganzen Hause)


(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1618504700
Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1618504800

enn wir wissen: Der Antisemitismus kommt wie der
ieb in der Nacht, und wenn er da ist, dann greift er von

nnen an. Wir haben in der Weimarer Republik erlebt,
ohin das führt. Es führt zum Mord an der Demokratie,
nd es führt dazu, dass Menschen ausgerottet werden.
as ist es, was Antisemitismus für uns Deutsche bedeu-

et. Deswegen darf es für uns nicht darum gehen, zu ver-
armlosen, zu beschönigen, gar davonzulaufen


(Zuruf des Abg. Siegfried Kauder [VillingenSchwenningen] [CDU/CSU])


der mit dem Finger auf andere zu zeigen; denn immer
enn man mit einem Finger auf andere zeigt, weisen
rei Finger auf einen selbst zurück.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der 9. November 1938, als die vielen Synagogen – es
aren wohl 1 500 an der Zahl – in Flammen aufgegan-






(A) )



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)

gen sind und viele Hunderte von Juden erschlagen, er-
mordet worden sind, war der Vorschein dessen, was sich
im Holocaust zeigte: die industrielle Ermordung von
Menschen. Ihnen wurde das Recht genommen, Rechte
zu haben, wie Hannah Arendt es ausgedrückt hat. Das
war der Vorschein dessen, was damals am 9. November
in vielen Städten Deutschlands geschah.

Dieser Vorschein hat dazu geführt, dass bis zum Ende
aller Zeit, dass bis an das Ende aller Tage der Name Ho-
locaust in den Namen Deutschlands eingebrannt bleibt,
ich wiederhole: eingebrannt bleibt. Weil das so ist, müs-
sen wir – ich bin der Frau Bundeskanzlerin dafür dank-
bar, dass sie das vor der Knesset so gesagt hat – anerken-
nen, dass die unverbrüchliche Zustimmung zum
Existenzrecht Israels unsere eigene Staatsräson ist.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Kein Beifall der Linken! – Da bleiben die Hände unten!)


Das ist ein Satz, der in die Geschichte gemeißelt ist und
der für uns Aufruf bleibt, auch für immer und für alle
Zeit.

Was bedeutet das heute, wenn wir uns anschauen,
dass Jüdinnen und Juden zurückkehren nach Deutsch-
land, hierher kommen, in ein Land, lieber Kollege
Kauder, aus dem sie fliehen mussten, aus dem sie ver-
trieben wurden von Deutschen, die gemordet haben?
Wenn sie heute zurückkommen: Was bedeutet das für
unser eigenes Selbstverständnis? Ich finde, liebe Frau
Goodman-Thau – Sie sind aus Israel hierher gekommen
und hören dieser Debatte zu –, das ist ein ermutigendes
Zeichen für uns. Warum sind Jüdinnen und Juden nach
Deutschland zurückgekommen? Weil sie hier versuchen,
gemeinsam mit Deutschen an einem kollektiven Ge-
dächtnis zu arbeiten, nämlich an einem Gedächtnis, das
immer getrennt bleiben wird – das ist der Schmerz, der
uns von Nazideutschland überlassen bleibt – zwischen
Tätern und Opfern. Nur das Partikulare der Opfer wird
uns und allen, die nach uns kommen, als Stachel und als
Pfeiler der Erinnerung in unserem eigenen politischen
Handeln bleiben.

Dieser Pfeiler, dieser Stachel des kollektiven Ge-
dächtnisses wird uns aber auch das Fundament einer
Brücke in eine andere Zukunft sein, in eine Zukunft, in
der Jüdinnen und Juden erneut bei uns leben können und
versuchen, den Teil ihres historischen Gedächtnisses, der
von den Tätern immer getrennt bleiben wird, weil sie
Opfer waren, zu bewahren. Er wird ihnen aber eine
Chance geben, eine gemeinsame neue Brücke in die Zu-
kunft zu bauen.

Ich verweise zum Beispiel auf Hermann Cohen, ein
deutscher Jude aus Marburg, demokratischer Sozialist.
Er war einer derjenigen, die mitgeholfen haben – wie
Rudolf Hilferding; man braucht nur das Buch Das
Finanzkapital zu lesen –, die Konflikte jener Zeit zu er-
kennen, zu bearbeiten und neue Wege zu gehen. Ich
muss sagen: Ich bin stolz darauf, dass jemand wie
Rudolf Hilferding Mitglied unserer sozialdemokrati-
schen Fraktion war. Er hat uns deutlich gemacht, dass es

i
l

e
w
f
D
m
d
g

i
j
i
d
m
e
l

n
w
D
v
i
l
f

ü
C
w
d

F
o

i
s

D
d

s

s
f
G

1)

(C (D n jener Zeit andere Wege aus der Krise des internationaen Finanzkapitals geben konnte. Also: Das, was an jüdischem Vermächtnis für unser igenes Gedächtnis unverzichtbar ist und bleibt, ist, dass ir gemeinsam eine Brücke in die Zukunft bauen dür en. Das erlauben uns sowohl diejenigen, die als Opfer eutschlands durch den Rauch von Auschwitz gehen ussten, als auch diejenigen, die haben zurückkommen ürfen, weil sie zurückkommen wollten. Das ist ein roßartiges Geschenk. Ich bin dankbar dafür, dass wir dieses Geschenk jetzt n dem Text gemeinsam festhalten. Das ist die Aufgabe, eden Tag neu gegen den Antisemitismus anzukämpfen, hm ein Stoppsignal entgegenzusetzen; denn wenn wir as nicht tun, besteht die gleiche Gefahr wie in der Weiarer Republik: Er kommt wie der Dieb in der Nacht, rmordet die Demokratie, und am Ende wird Deutschand im Innersten zerstört. Das ist der Auftrag der Geschichte: Wir bauen an eiem gemeinsamen neuen historischen Gedächtnis, und ir tun das mit den jüdischen Gemeinden hier in eutschland – für eine neue, eine europäische Zukunft, ielleicht sogar mit dem Ziel, dass Jüdinnen und Juden n Deutschland wieder den Ort finden, der zuvor ausgeöscht worden war. Darum geht es. Ich bin dankbar daür, dass wir das gemeinsam hier so beschließen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1618504900

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Es ist vereinbart, dass
ber die gleichlautenden Anträge der Fraktionen von
DU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen so-
ie der Fraktion Die Linke gemeinsam abgestimmt wer-
en soll.

Dazu liegt mir eine Erklärung von elf Mitgliedern der
raktion Die Linke nach § 31 Abs. 2 unserer Geschäfts-
rdnung vor,


(Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Da bin ich mal gespannt!)


n der sie erklären und erläutern, dass und warum sie
ich an dieser Abstimmung nicht beteiligen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha! – Gegenruf von der LINKEN: Lest sie doch erst einmal!)


ie Erklärung fügen wir, wie immer in solchen Fällen,
em Protokoll bei.1)

Wir stimmen jetzt ab über die Anträge auf den Druck-
achen 16/10775 (neu) und 16/10776 mit dem Titel
Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdi-
ches Leben in Deutschland weiter fördern“. Wer stimmt
ür diese Anträge? – Stimmt jemand dagegen? – Eine
egenstimme. Gibt es Enthaltungen? – Dann ist das mit

Anlage 2






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
überwältigender Mehrheit des Deutschen Bundestages
so beschlossen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Vereinbarte Debatte

Wachstum stärken – Beschäftigung sichern –
Finanzmarktkrise überwinden

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie,
Michael Glos.


(Beifall bei der CDU/CSU – Unruhe)


– Vielleicht warten wir noch einen Augenblick, bis der
neue Tagesordnungspunkt die notwendige Aufmerksam-
keit findet.

Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Für unsere Wirtschaft müssen wir jetzt auf zwei Feldern
entschlossen handeln. Zum Ersten müssen wir wieder
Vertrauen schaffen – das ist ungeheuer wichtig –, und
zum Zweiten müssen wir das Wachstum stärken. An den
Finanzmärkten ist in den letzten Wochen, wie wir wis-
sen, sehr viel Vertrauen zerstört worden. Vertrauen ist
eine kostbare Pflanze, die sehr leicht vernichtet werden
kann, aber nur ganz schwer wieder nachwächst. Deswe-
gen dürfen wir nicht abwarten, bis sich in der Wirtschaft
alles zum Schlechteren wendet, sondern müssen Maß-
nahmen ergreifen, die einen Abschwung abwenden.

Die Wirtschaft kann weder ohne das nötige Vertrauen
noch ohne die nötigen Finanzmittel arbeiten. Insofern
begrüße ich, dass sich jetzt immer mehr Banken bereit
erklären, das anzunehmen, was wir als Bund insgesamt
anbieten. Wir möchten nämlich, dass die Banken ihr Ei-
genkapital so stärken, dass sie der Wirtschaft – darum
geht es uns – wieder Kreditmittel gewähren können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nur so können wir verhindern, dass die Finanzkrise zu
einer Krise der realen Wirtschaft wird.

Ich habe bei mir im Hause zusätzlich ein Sorgentele-
fon für den Mittelstand eingerichtet.


(Lachen bei der LINKEN)


– Uns werden sehr viele Sorgen mitgeteilt. Wir hören
den Menschen auch zu – offensichtlich im Gegensatz zu
Ihnen. Der Mittelstand hat auch noch Vertrauen in un-
sere Handlungsfähigkeit. Wir wollten vor allen Dingen
wissen, wie es mit der Kreditversorgung aussieht. Da
hören wir erste Klagen. Wenn die Banken also nur ihre
Bilanzen konsolidierten oder möglicherweise sogar ihr
Kreditvolumen verkleinerten, um zu erreichen, dass die

K
W

w
z
c
d
n
w
n
t
a
B
z
g
B

W
a

d
W
Ö
z
h
v

d
S

n
d
g
u
5
g
s
m
m
f
i
B
f
v

t
a
g

D
t

(C (D ernkapitalquote stimmt, dann wäre das der falsche eg. Wir möchten das Gegenteil erreichen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher, die gegenärtig sozusagen noch gut handeln – ich höre vom Ein elhandel, dass der Konsum nicht zurückgeht –, brauhen weiterhin die nötige Kaufkraft. Um zu verhindern, ass der Konsum zurückgeht, dürfen nun allerdings icht so hohe Löhne gefordert werden, dass möglichereise die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Vielmehr ist es otwendig, dass nicht nur negative, sondern auch posiive Entwicklungen auf dem Markt, die es ja auch gibt, n die Verbraucher weitergegeben werden. Ich kann zum eispiel nicht verstehen, warum es unseren Energiekonernen bzw. -versorgern nicht möglich ist, dafür zu soren, dass sich die stark gesunkenen Ölpreise noch vor eginn der Heizperiode auf die Gaspreise auswirken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ir brauchen hier offensichtlich noch mehr Wettbewerb,
ls wir ohnedies haben;


(Ernst Burgbacher [FDP]: Richtig!)


enn der Wettbewerb löst die Probleme am allerbesten.
enn dieser durch die Koppelung des Gaspreises an den
lpreis nicht ohne Weiteres möglich ist, dann könnten

umindest die Abschlagszahlungen gesenkt werden. Ich
abe den Eindruck, hier steckt ein Kaufkraftvolumen
on circa 15 Milliarden Euro,


(Zuruf von der LINKEN: Dann müsst ihr mehr regieren!)


as ansonsten im wahrsten Sinne des Wortes durch den
chornstein geht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber zurück zu dem Paket, das wir morgen im Kabi-
ett verabschieden wollen. Uns geht es dabei insbeson-
ere darum, das Wachstum zu stärken und die Beschäfti-
ung zu sichern. Das Paket fördert in den Jahren 2009
nd 2010 Investitionen in Höhe von insgesamt circa
0 Milliarden Euro. Zum einen werden langfristige Pro-
ramme und Investitionsprojekte verstärkt, zum Bei-
piel der Ausbau der Infrastruktur. Das sind Maßnah-
en, die nötig sind und jetzt vorgezogen werden
üssen. Zum anderen wird die Energieeinsparung ge-

ördert. Wir geben befristet Impulse für diejenigen, die
n der Lage sind, jetzt zu investieren. Ich nenne nur ein
eispiel für einen solchen Impuls: die auf zwei Jahre be-

ristete Wiedereinführung der 30-prozentigen degressi-
en Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter.

Genauso wichtig ist es, dem Handwerk zu mehr Auf-
rägen zu verhelfen. Das tun wir, indem wir Schwarz-
rbeit bekämpfen und den Handwerkerbonus, der un-
efähr 600 Euro beträgt, auf 1 200 Euro erhöhen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


amit werden nötige Renovierungs- und Wartungsarbei-
en sowie Energiesparinvestitionen angestoßen.






(A) )



(B) )


Bundesminister Michael Glos
Vor allen Dingen darf es keine Kreditklemme für den
Mittelstand geben. Wir müssen den Mittelstand weiter
mit Kapital versorgen können. Hier kann der Staat nur
flankierende Hilfe leisten. Wir werden das tun, indem
wir die Kreditanstalt für Wiederaufbau zu einem Kredit-
programm in Höhe von 15 Milliarden Euro veranlas-
sen.

Die Haushaltsbelastungen für dieses Programm lie-
gen also weit unter dem Umfang der angestoßenen In-
vestitionen. Es ist wichtig, zu sehen, wie viel mehr wir
mit dem, was an Haushaltsmitteln fließt, in Bewegung
setzen können.

Trotz der Krise müssen wir, wie ich meine, auch die
Angebotsseite verstärken, um so langfristige Wachstums-
aussichten für unsere Volkswirtschaft zu ermöglichen.
Das steht nicht im Widerspruch zu konkreten Maßnah-
men.

Ich will ein Beispiel herausgreifen, das sehr umstrit-
ten ist, auch in der eigenen Fraktion. Wir haben jetzt das
Problem, dass die Automobilproduktion stoppt. Viele
Bänder wurden angehalten, viele Fabriken pausieren.
Der Druck wird hauptsächlich auf die Zulieferer abgege-
ben, insbesondere auf die kleinen Zulieferer, die mit die-
ser Krise schwerer fertig werden. Ich kann nur an die
Automobilfirmen appellieren, dass sie mit ihren Zuliefe-
rern pfleglich umgehen. All diese wird man wieder brau-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir wollen deswegen per Kabinettsbeschluss die
Kfz-Steuer für Neuwagen – das ist eine Art symboli-
scher Akt, der zeigt, wie wichtig für uns die Automobil-
industrie ist, von der jeder sechste Arbeitsplatz in
Deutschland abhängt – für ein Jahr aussetzen, weil jedes
neu gekaufte Auto weniger Schadstoff ausstößt als die
alten Stinker, die auf unseren Straßen relativ stark ver-
breitet sind. Für diejenigen Autos, die jetzt schon vor-
bildlicherweise die Euro-5- und die Euro-6-Norm erfül-
len, wollen wir die Kfz-Steuer für zwei Jahre aussetzen.

All dies sind Beispiele, die zeigen, dass wir rasch
handeln, um das Vertrauen der Märkte zu stärken. Ohne
Vertrauen in die Zukunft lässt sich nämlich keine Sta-
bilisierung erreichen. Es kann alles nur funktionieren,
wenn auch weiterhin, sowohl von den Verbrauchern als
auch von den Investoren, an die Leistungsfähigkeit unse-
rer Wirtschaft geglaubt wird.

Wir haben in der Großen Koalition sehr viel erreicht.
Die Arbeitslosenzahl im Oktober lag zum ersten Mal seit
vielen Jahren wieder unter 3 Millionen. Wir haben bei
der Sanierung der öffentlichen Haushalte Fortschritte er-
zielt. Deswegen ist der Staat handlungsfähig, und wir
konnten gezielt Abgaben und Steuern senken. Auf die-
sem Weg müssen wir weitergehen. Die erfolgreiche
Haushaltssanierung, die wir in der nächsten Legislatur-
periode fortsetzen müssen, eröffnet Spielräume.

Wir müssen aber als Welthandelsnation Nummer eins
auch aufpassen. Wir wissen, dass wir auf vielen Export-

m
f
W
s
g
M
r
s
m
g
d

S
s
E
i
r
d
d
r
T
v
W
f
t

c
w
a

u
D
r
s
u
s
f

h

B

(C (D ärkten Schwierigkeiten haben und dass die Zahlungsähigkeit einer Reihe von Staaten gefährdet ist. Für die irtschaft sind die Risiken manchmal nicht zu überchauen, die mit der Lieferung von Waren und Leistunen nach außen verbunden sind. Wir haben durchaus die öglichkeit, unsere Maßnahmen der Kreditversiche ung, die sogenannte Hermes-Deckung, weiter zu vertärken, ohne dass wir gesetzliche Maßnahmen ergreifen üssen. Ich habe mein Haus angewiesen, hier großzügi er zu sein. Ich kann die Wirtschaft nur einladen, sich ieser Instrumente zu bedienen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir möchten aber nicht, dass international eine Art
ubventionswettlauf entsteht. Deswegen müssen wir
chauen, dass die Regeln der WTO eingehalten werden.
s geht nicht an, dass einzelne Staaten, wie angekündigt,

hre Automobilindustrie überdimensional subventionie-
en. Auch hier müssen die Spielregen eingehalten wer-
en. Das Allerfalscheste wäre, wenn man in dieser Krise
en freien Welthandel gefährden würde. Es ist deswegen
ichtig, dass sich die Bundeskanzlerin auf dem G-20-
reffen dafür einsetzt – das hat sie heute noch einmal
or unserer Fraktion erklärt –, dass die Doha-Runde der
TO weitergeht; denn Protektionismus wäre die aller-

alscheste Antwort, die wir auf diese Krise geben könn-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Meine werten Kolleginnen und Kollegen, wir brau-
hen die richtige Mischung aus Marktwirtschaft, Wettbe-
erb und natürlich sozialer Absicherung. Wir brauchen

ber auch weiterhin die private Risikobereitschaft.

Ich möchte einen letzten Punkt erwähnen. Der Kampf
m Investitionskapital ist jetzt überall ausgebrochen.
eswegen meine ich, dass wir die Erbschaftsteuer so

egeln müssen, dass die Betriebsübergänge im Mittel-
tand und in der gewerblichen Wirtschaft in einer Art
nd Weise erfolgen können, dass den Firmen nicht zu-
ätzlich Kapital entzogen wird, das dann anderweitig
ehlt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der Staat kann immer nur flankierend tätig sein und
elfen. Handeln müssen die Menschen selber.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618505000

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Rainer

rüderle das Wort.


(Beifall bei der FDP – Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Der stimmt dem Wirtschaftsminister uneingeschränkt zu! Das wäre ein schöner Einstieg!)







(A) )



(B) )


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1618505100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Bundesregierung hat allen Grund, sich Sorgen um das
Wirtschaftswachstum in Deutschland zu machen. Die
Europäische Kommission prognostiziert Stagnation. Das
Land befindet sich am Rande der Rezession. Im Herbst-
gutachten wird eine Spannbreite von plus 0,2 bis minus
0,8 Prozent Wachstum angegeben. Die Finanzkrise hat
die Realwirtschaft erreicht. Das Geschäftsklima ist in
den letzten fünf Monaten permanent gesunken. Die Sig-
nale aus den verschiedenen Wirtschaftsbranchen – aus
dem Automobilsektor, aus dem Maschinenbau – sind
alarmierend. Auftragseinbrüche und Kurzarbeit sind
wieder an der Tagesordnung.

In einer solchen Situation ist von einer Regierung ent-
schlossenes Handeln gefragt. Doch das, was die Regie-
rung auf den Weg zu bringen beabsichtigt, ist eine Anei-
nanderreihung von Einzelmaßnahmen. Ein Konzept
ist hinter der Auflistung von Gebäudesanierungsmaß-
nahmen, Autohilfen, Handwerkersubventionen und
Luftfahrtfonds nicht erkennbar. Das alles ist zwar im
Einzelnen durchaus liebenswert; aber es ist kein Kon-
zept. Das sind Konjunkturprogrämmchen; aber das ist
kein klares Antirezessionsprogramm.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Selbst in der Unionsfraktion können viele keinen rechten
Sinn dahinter erkennen; ich erinnere an die Äußerungen
von Herrn Kampeter und Herrn Dr. Fuchs in den letzten
Tagen. Offenbar will man im beginnenden Wahljahr die
eigene Klientel bedienen. Schwarz-Rot hat kein wirt-
schaftspolitisches Konzept. Dies ist vordergründiger Ak-
tionismus mit wenig ökonomischer Substanz.


(Beifall bei der FDP)


Wichtig wären Schritte, die die Nettoeinkommen
der Bürger erhöhen und zu einer steuerlichen Entlas-
tung führen. Die Nettoeinkommen sind in den letzten
Jahren gesunken. Die private Nachfrage macht zwei
Drittel des Bruttosozialprodukts aus. Sie zu stärken,
wäre der richtige Ansatz, um die Wachstumskräfte zu
stärken und Deutschland angesichts der Gefahr einer Re-
zession wieder ein Stück zu kräftigen. Hier müsste man
vorankommen.


(Beifall bei der FDP)


Steuersenkungen werden aber abfällig beurteilt. Es
wird gesagt, die Leute gäben das Geld dann falsch aus.
Der Staat weiß viel besser, wie die Verwendung auszuse-
hen hat! – Das ist eine Lenkung in bestimmte Sektoren,
in bestimmte Konsumbereiche hinein. Da wird ein biss-
chen für die Automobilindustrie gemacht. Es glaubt
doch keiner, dass jemand, weil er ein Jahr lang keine
Kfz-Steuer zahlen muss, ein neues Auto für 35 000 Euro
kauft. Es grenzt an Volksverdummung, ein solches Kon-
zept zur Wirtschaftsbelebung vorzutragen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Eduard Oswald [CDU/CSU])


Ähnlich ist es im Handwerksbereich. Es dient viel-
leicht der Bekämpfung von Schwarzarbeit, wenn man

H
k
s
z
u

6
m
d
s
b

A
z
c

s
s
u
f
P
k
E

A
f
g
w
f
k
J
W
s
O

w
g
c
d
s
9
e
s
t
k

b
g
D
d
g
B
v
f
6

(C (D andwerkerrechnungen etwas höher steuerlich absetzen ann. Aber es wird sich keiner deshalb ein neues Bad intallieren lassen, weil er 600 Euro mehr steuerlich abseten kann. Auch das ist nicht der Push, den man braucht, m jetzt die Wachstumskräfte zu stärken. Die SPD glaubt, mit diesen Subventionen Aufträge von 0 Milliarden Euro zu mobilisieren. Der Wirtschaftsinister erklärt, 1 Million Arbeitsplätze könne man amit sichern bzw. schaffen. Chefökonomen der Deutchen Bank und der deutschen Wirtschaft sagen, dazu rauche man 8 Prozent Wachstum. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Deutsche Bank hat sich noch nie geirrt?)


ber offenbar besteht bei der Regierung die Einschät-
ung, mit diesen Progrämmchen könne man das errei-
hen.

Symptomatisch ist der Umgang mit der Pendlerpau-
chale. Erst wurde sie in weiten Teilen abgeschafft. Jetzt
oll der Kauf von Autos mit subventionierten Krediten
nd einer Befreiung von der Kfz-Steuer für ein Jahr ge-
ördert werden. Setzen wir doch die alte Regelung der
endlerpauschale wieder in Kraft! Das würde sofort wir-
en und würde gerade für die Bürger in der Fläche eine
ntlastung darstellen.


(Beifall bei der FDP)


Verbesserte Abschreibungsbedingungen sind gut.
ber hier gibt es ein Hickhack. Die Wirtschaft braucht

ür Wachstum Konstanz. Vor einiger Zeit wurde die de-
ressive Abschreibung für zwei Jahre eingeführt. Dann
urde sie abgeschafft. Jetzt ermöglichen Sie sie wieder

ür zwei Jahre. Dann wird sie wieder abgeschafft. Dann
ommt sie vielleicht wieder einmal für ein oder zwei
ahre in die Wundertüte. Das ist keine Politik, die der

irtschaft eine klare Richtung und Stabilität gibt. Eine
olche Wirtschaftspolitik gibt keine klare, verlässliche
rientierung.

Es gäbe eine Reihe von Maßnahmen, die sofort wirken
ürden. Der Wirtschaftsminister hat zu Recht vorgeschla-
en, die steuerliche Absetzbarkeit der Krankenversi-
herungsbeiträge um ein Jahr vorzuziehen. 2010 muss
ies sowieso eingeführt werden. Dies könnten wir doch
chon für 2009 vorsehen. Das würde die Bürger um
Milliarden Euro entlasten. Hier könnte man schnell

ine Wirkung erzielen. Diese Maßnahme und die voll-
tändige Wiedereinführung der Pendlerpauschale bräch-
en eine Entlastung von 12 Milliarden Euro; damit
önnte man eine Wirkung erzielen.


(Beifall bei der FDP)


Man kann diese Beträge auch sehr schnell zu verfüg-
arem Einkommen machen – noch vor dem Weihnachts-
eschäft –, etwa durch Steuerschecks. Auch das wird in
eutschland immer belächelt. Aber immer mehr fordern
ies – vom liberalen Professor Straubhaar vom Hambur-
ischen Welt-Wirtschaftsinstitut bis hin zu Herrn
ofinger, dem DGB-nahen Wirtschaftsweisen des Sach-
erständigenrats. Das ist der Weg, der in Amerika mehr-
ach gegangen wurde. Diese Maßnahme ging zu über
0 Prozent direkt in den Konsum, in die Nachfrage.






(A) )



(B) )


Rainer Brüderle
Aber dann kommt der Einwurf, dass die Menschen die-
ses Geld sparten. Sparen ist aber nichts Schlechtes.
Wenn die Bürger einen Teil des Geldes zu den Banken
tragen, haben die Banken Geld und können wieder Kre-
dite, zum Beispiel in Form von Mittelstandsdarlehen, ge-
ben. So funktioniert eine soziale Marktwirtschaft. Das
Sparen zu diskreditieren, ist deshalb eine volkswirt-
schaftliche Dummheit.


(Beifall bei der FDP)


Sie sollten froh sein, wenn die Bürger sparten; Sie soll-
ten froh sein, wenn sie Geld auf die Bank brächten, wenn
sie dabei Vertrauen in Wachstum und Entwicklung unse-
rer Wirtschaft hätten.

Den Gesundheitsfonds zu stoppen, würde sofort eine
Entlastung von 6 Milliarden Euro bringen. Fast alle wis-
sen – das muss man zugeben, wenn man ehrlich ist –,
dass diese Gesundheitsreform Murks ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Egal wie die nächste Bundestagswahl ausgeht: Man wird
dies neu regeln müssen. Jetzt erhöhen wir aber die Bei-
träge auf 15,5 Prozent, was zu einer Mehrbelastung von
6 Milliarden Euro führt. Das soll ein Beitrag sein, um die
Wirtschaft zu beleben? Das ist eine Lachnummer! Alle
wissen, dass es falsch ist. Haben Sie den Mut, etwas Fal-
sches zu korrigieren und die Bürger zu entlasten, nicht
zu belasten!


(Beifall bei der FDP)


Bei der Erbschaftsteuer gibt es ein Hickhack; die
großen Heroen kämpfen. Es gäbe eine ganz einfache Lö-
sung: Destinatar, Begünstigter der Erbschaftsteuer sind
die Länder. Gebt doch den Ländern, die das Geld be-
kommen, auch die Kompetenz, zu entscheiden!


(Ernst Burgbacher [FDP]: Richtig!)


Das wäre das Einfachste. Die Länder sind volljährig.
Wir haben einen Föderalismus; die Länder haben Selbst-
entscheidungsfähigkeiten. Lasst die Bundesländer ent-
scheiden! Ich sage voraus, dass die neuen Bundesländer
als Erste sagen würden: Die Erbschaftsteuer ist Unsinn;
wir schaffen sie ab; dann brauchen die Unternehmen
nicht mehr nach Österreich, Schweden, Frankreich oder
sonst wo hinzugehen, sondern können in Deutschland
bleiben.


(Beifall bei der FDP)


Lasst es die Länder entscheiden! Das ist Föderalis-
mus. Wir wollen eine Föderalismusreform, führen Dis-
kussionen, machen dicke Backen, aber entschieden wird
nichts. Am Schluss kommt dann etwas Komisches he-
raus, das weiterhin eine Belastung von 4 Milliarden Euro
mit sich bringen soll.

Wir brauchen eine vernünftige Ordnungspolitik. Die
Finanzmarktarchitektur ist nicht stimmig. Da ist vieles
aus dem Ruder gelaufen. Hier müssen Freiheit und Ver-
antwortung, Gewinnchancen und die Pflicht zur Haftung
wieder zusammengebracht werden. Hier besteht drin-
gender Handlungsbedarf. Ich würde nicht darauf warten,

d
s
d
d
D
A
k
S
r
m
w
d
S
w

W
q

b


n
g

S
e
s
A
d
5
r
M
a

S
n
e
w

S

H
v
v
w
d
m
b
i
r

(C (D ass sich die ganze Welt einigt. Wir können bei uns chon mit ersten Regelungen anfangen, etwa die Anforerungen für Eigenkapital bei den Finanzinstituten änern. Der Staat sollte eine Vorreiterrolle übernehmen. ie KfW sollte wieder eine Förderbank sein. Die ganzen benteuer, die Versuche, Privatbanker zu spielen – das onnte ja nicht gutgehen –, bei denen 10 Milliarden Euro teuergelder riskiert wurden, müssen endgültig aufhöen. Die Landesbanken müssen zu einem Institut zusamengelegt werden. Sie können es aber nicht, denn alles ird politisch besetzt, nach Farbenlehre. Da fahren sie ie Kiste an die Wand und verbrennen das Geld der teuerzahler. Auch das belastet unsere Wirtschaftsenticklung. o sind denn die Reformansätze, die endlich konseuent dieses Problem angehen? Dass wir uns in einer Mischung aus Konjunkturprolematik und Strukturkrise befinden, hat damit zu tun – – Es hat nichts mit Karneval zu tun; Sie haben es immer och nicht verstanden. Sie treiben Karneval mit den Bürern: ie werden für dumm verkauft, sie dürfen nicht selbst ntscheiden. Sie dürfen eine halbe Billion Euro – das ind 500 Milliarden Euro – Steuern zahlen, sind in Ihren ugen aber nicht fähig, eigenverantwortlich zu entscheien, was sie mit ihrem Geld machen, wenn man sie um bis 10 Prozent steuerlich entlastet. Wir haben ein ande es Bild von den Bürgern und von den Menschen: Die enschen in Deutschland können sehr wohl eigenver ntwortlich entscheiden, wie sie ihr Geld ausgeben. ie brauchen keinen Vormund, weder einen schwarzen, och einen roten; denn sie sind eigenständige Bürger in inem freien Land. Solange Sie das nicht respektieren, erden Sie die Sache nicht wieder flottkriegen. Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer teinbrück. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Die erste Aufgabe des Staates ist es, Schaden on den Bürgerinnen und Bürgern fernzuhalten und sie or Gefahren zu schützen. Das ist die Hauptaufgabe, der ir uns stellen müssen. Wir haben mit staatlichem Haneln, wie ich glaube, richtig auf die aktuelle Finanzarktkrise reagiert. Es ging darum, einen Zusammen ruch der Geldmarktkreisläufe zu verhindern, nicht nur m Interesse der Banken, sondern im Interesse von Spaern, im Interesse derjenigen, die für ihr Alter sparen, im Bundesminister Peer Steinbrück Sinne der Kommunen, im Sinne des Mittelstandes, im Sinne der großen Unternehmen, die Investitionen nicht allein über ihren Cashflow finanzieren können, sondern dazu intakte und stabile Finanzmärkte brauchen. Wir sind dieser Bedrohung, wie ich glaube, richtig entgegengetreten. Es geht jetzt darum, dafür zu sorgen, dass wir zukünftig neue Verkehrsregeln auf den Finanzmärkten bekommen. Dies wird Gegenstand wichtiger Veranstaltungen in den nächsten Wochen sein: beim Europäischen Rat, bei einem Finanzgipfel in Washington, zu dem die Bundeskanzlerin und ich fahren werden. Heute komme ich von Beratungen in Brüssel, wo diese wichtigen Termine vorbereitet worden sind. Nun droht zusätzlich, verstärkt durch die Finanzmarktkrise, eine Konjunkturabschwächung, und zwar weltweit, nicht nur in Deutschland. Auch hier ist in unseren Augen der Staat gefordert, ökonomisch sinnvoll, zielgenau und mit der größtmöglichen Hebelwirkung, also mit einem Euro ein Maximum an Investitionen zu bewirken, um dieser Konjunkturabschwächung entgegenzuwirken. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Karneval!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618505200

(Beifall bei der SPD)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1618505300




(A) )


(B) )


Wir dürfen nicht in eine Beliebigkeit verfallen und ir-
gendwelche Wunschzettel bedienen, sondern müssen
sehr gezielt vorgehen, um ein Maximum an Wirkung zu
erzielen, insbesondere bezogen auf die Arbeitsplätze.
Man muss hinzufügen, dass der deutsche Staat – das gilt
insbesondere für den Bundeshaushalt, aber auch für die
Haushalte der anderen Gebietskörperschaften – nicht in
der Lage ist, mit nationalstaatlichen Programmen allein
gegen einen weltwirtschaftlichen Abschwung anzufinan-
zieren. Wir sollten den Menschen ehrlicherweise sagen,
dass das nicht möglich sein wird.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Ja! Genauso ist es! – Ernst Burgbacher [FDP]: Richtig!)


Der Staat, die Politik kann aber in und für Deutschland
durchaus sinnvoll und wirksam handeln. In unseren Au-
gen ist es in diesen konjunkturell schwierigen Zeiten das
wichtigste Ziel, einen Schutzschirm für Arbeitsplätze
zu spannen. Das heißt, wir müssen alles dafür tun, dass
die Arbeitslosigkeit nicht wieder zunimmt, dass die Ar-
beitsplätze gesichert werden. Das tut die Bundesregie-
rung durch das, was morgen Gegenstand unserer Bera-
tungen im Kabinett sein wird. Sie tut dies nicht mit
einem klassischen Konjunkturprogramm nach dem
Motto „Viel hilft viel“. Das wäre Inputorientierung nach
dem Motto „Nimm doch einfach 10, 20, 30, 35 Milliar-
den Euro in die Hand“. Dann setzte sofort ein politischer
Überbietungswettbewerb ein, ohne dass die Frage beant-
wortet wird, was im Sinne der Sicherung von Arbeits-
plätzen schnell, ohne irgendwelche Zeitverzögerungen
– Herr Brüderle, auf die Zeitverzögerungen komme ich
gleich zu sprechen – wirkt. Dabei ist dies die entschei-
dende Fragestellung. In meinen Augen standen klassi-
sche Konjunkturprogramme daher nicht auf der Tages-
ordnung. Mit der Gießkanne übers Land zu gehen, hätte
im Ergebnis viel Geld verbrannt, und der Schuldenstand

f
d

s
A
S
n

d
n
r
r
v
m
b
J
m

S
d
d

h
s
a
s

F
s
w

f
m
n
c
e
g
S
W
1
B
2
m
S
d
B
b

(C (D ür nachfolgende Generationen wäre noch größer geworen. Ich füge hinzu, wohl wissend, dass Teile dieses Haues darüber anders denken: Kein wirksamer Schutz für rbeitsplätze wären Steuersenkungen, die durch neue chulden finanziert werden müssen. Wir werden das icht tun. Keiner diskreditiert die Spartätigkeit. Herr Brüderle, as ist ein völliger Irrtum. Die Wirksamkeit von Maßahmen für die Inlandsnachfrage würde dann allerdings elativiert, wenn viel Geld auf Sparkonten geht. Bei Ihem Hinweis darauf, dass man die Absetzungsfähigkeit on Krankenversicherungsbeiträgen hätte vorziehen üssen, haben Sie völlig übersehen, dass die damit ver undenen Vorteile erst mit einem Zeitverzug von einem ahr über die jeweiligen Steuererklärungen geltend geacht werden können. Das verschweigen Sie. (Jan Mücke [FDP]: Deshalb kann man noch ein Jahr warten, oder was ist die Logik dahinter? Das ist doch völlig unlogisch!)


(Beifall der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD])


(Beifall bei der SPD)


ie tun so, als wäre das eine Art goldener Schlüssel, mit
em man jetzt etwas tun könnte. In Wirklichkeit wirkt
as zeitversetzt.

Herr Brüderle, auch der Eindruck, dass der Gesund-
eitsfonds das große Problem ist, ist falsch. Alle in die-
em Saal wissen, dass die Krankenversicherungsbeiträge
uch ohne Gesundheitsfonds hätten erhöht werden müs-
en. Insofern ist das, was Sie sagen, sachfremd.


(Jan Mücke [FDP]: Und deswegen warte ich ein Jahr?)


Die Art und Weise, in der Sie die gute und richtige
örderpolitik der KfW in Ihrem Potpourri mitver-
chwirbeln, ist nicht sehr hilfreich für die Debatte, die
ir im Augenblick zu führen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es wäre auch kein wirksamer und dauerhafter Schutz
ür Arbeitsplätze, jetzt die Staatsausgaben wahllos und
aßlos hochzufahren. Es macht keinen Sinn, mit natio-

alen Ausgabenprogrammen ein Strohfeuer zu entfa-
hen, wenn am Ende langwirksame Belastungen durch
ine neue Schuldenaufnahme entstehen. Wenn Sie sa-
en, man könnte das am besten organisieren, indem man
teuernachlässe bietet, dann stellen sich die Fragen:
elche Größenordnung hätten Sie denn gerne?
Prozent des Bruttosozialproduktes? 2 Prozent des
ruttosozialproduktes oder 3 Prozent? Sind Sie bereit,
5, 50 oder 75 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden
it dem damit verbundenen Kapitaldienst zu schultern?
ie müssen schon konkreter werden und unseren Kin-
ern und Enkelkindern erklären, was das auf Dauer an
elastungen mit sich bringt, statt in einer solchen De-
atte einfach darüber hinwegzusurfen.






(A) )



(B) )


Bundesminister Peer Steinbrück
Ich will darauf hinaus, dass die Komponenten dieses
Programms in meinen Augen sinnvoll sind. Das sind
Impulse für Investitionen: angefangen bei einer zeit-
lich befristeten Wiedereinführung der degressiven AfA,
über dringlich notwendige Verkehrsinvestitionen und
eine Ausweitung der Gemeinschaftsaufgabe, über ein
CO2-Gebäudesanierungsprogramm, das auch strukturell
langfristig richtige Effekte hinsichtlich des Klima- und
Umweltschutzes hat – das wird gut angenommen und ist
ein Erfolgsmodell –,


(Beifall bei der SPD)


bis hin zur Sicherung der Finanzierung der kleinen und
mittleren Unternehmen, indem wir, ähnlich wie wir es
bei den Banken gemacht haben, eine Garantieposition
auch für das Kreditangebot an den Mittelstand in Gang
setzen. Letztlich übernehmen wir die Haftung, damit das
Kreditangebot zunimmt. Wir entlasten auch private
Haushalte und tragen dabei zugleich den Interessen der
Handwerker Rechnung, die gern in privaten Haushalten
Dienstleistungen erbringen möchten.

Wir bauen ein weiteres Sicherheitsnetz für die Be-
schäftigung, indem wir zum Beispiel die Bezugsdauer
des Kurzarbeitergeldes von zwölf auf 18 Monate verlän-
gern und – auch über die Programmangebote der Bun-
desagentur – den wichtigen Grundsatz verfolgen: Quali-
fizieren statt entlassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mein Appell an die Unternehmen lautet: Halten Sie die
Arbeitsplätze! Diese gut qualifizierten oder zu qualifi-
zierenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brau-
chen Sie aufgrund der weiteren demografischen Ent-
wicklung in zwei, drei Jahren dringend. Deshalb setzen
Sie sie nicht auf die Straße, sondern nehmen Sie die
Qualifizierungsangebote, die es gibt, an.

Ich möchte dieses Paket, über das immer einige sa-
gen, es sei das kleine „k“ oder es sei nicht genug, noch
einmal in einen Gesamtzusammenhang stellen, der
sehr schnell verloren geht.

Das Kabinett hat am 7. Oktober dieses Jahres Maß-
nahmen verabschiedet, die den deutschen Steuerzahler
bzw. Abgabenzahler im nächsten Jahr um 6 Milliarden
Euro und ab dem Jahr darauf um 14 Milliarden Euro ent-
lasten werden. Das ist knapp vier Wochen her.

Ich erinnere daran, dass wir eine Unternehmensteu-
erreform in Gang gesetzt haben, die die Unternehmen
im nächsten Jahr um ungefähr 7 Milliarden Euro entlas-
ten wird.

Ich erinnere daran, dass diese Große Koalition inner-
halb von drei Jahren die Beiträge zur Arbeitslosenver-
sicherung gesetzlich von 6,5 Prozent auf 3,0 Prozent
und weitergehend auf 2,8 Prozent gesenkt hat. Das ist
eine Entlastung um 30 Milliarden Euro,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Richtig! Das hat Kollege Brüderle vergessen!)


u
A
S
b
b

s
t
w
P
V

a
R
t

g
n
b
z

m
d
d
i
s
s
K
i
f

k
a
f
B

w
v
w
L
t
c
w
a
j
d
s
d
z

L

(C (D nd zwar paritätisch: Arbeitgeber auf der einen Seite, rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der anderen eite. Dies erhöht die verfügbaren Einkommen der Areitnehmerinnen und Arbeitnehmer und entlastet die Areitgeber von Bruttoarbeitskosten. Wir haben insbesondere über deutliche Personalvertärkungen eine Erhöhung der Vermittlungsaktivitäen der BA in Gang gesetzt, weil wir bei den Tests, die ir durchgeführt haben, festgestellt haben, dass eine ersonalverstärkung eindeutig bessere Ergebnisse in der ermittlung von Arbeitslosen zur Folge hat. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, das wir verbschiedet haben, zielt auf eine Kreditversorgung der ealwirtschaft und ist dadurch ein stabilisierender Fak or. Nicht zuletzt – das ist kein Verdienst der Bundesreierung oder des Parlaments – sind die deutlich gesunkeen Ölund Rohstoffpreise eindeutig das größte Verraucherförderungsprogramm, das es gibt, und zwar im weistelligen Milliardenbereich. Ich wäre dankbar, wenn das, was wir jetzt tun bzw. orgen im Kabinett beschließen werden, in Bezug zu iesen Komponenten gesetzt wird. Dann wird daraus urchaus ein System mit einer Größenordnung, von dem ch überzeugt bin, dass es wirksam ist. Es wird die typichen Reaktionen geben. Man wird alldem mit Geringchätzung begegnen und sagen, die Dimension und das onzept seien falsch. Herr Brüderle, ich habe allerdings n Ihrem Potpourri kein überzeugenderes Konzept geunden. Ich sage abschließend: Wenn die Stimmen, die sich ritisch äußern, mithelfen würden, wenn sie nicht nur us dem zweiten Rang Buhrufe organisieren oder mit aulem Obst auf diejenigen werfen würden, die auf der ühne Verantwortung haben, enn diese kritischen Stimmen etwas mehr Zuversicht erbreiten und sich dafür einsetzen würden, dass wir ieder Vertrauen gewinnen, wenn diejenigen, die die eute auf die Bäume reden, gelegentlich auch die Lei ern nehmen würden, um sie auf den Boden der Tatsahen zurückzuholen, und die Leute an die Hand nehmen ürden, statt sie nur rhetorisch hochzujubeln, wenn sich ll diese Stimmen für das einsetzen würden, worum es etzt in dieser schwierigen Lage geht, dann würden wir ie jetzigen konjunkturellen und finanziellen Probleme ehr viel schneller und sehr viel besser überwinden als urch manche ritualisierte politische Auseinandersetung. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Oskar afontaine das Wort. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben einen riesigen Schutzschirm für die Banken aufgespannt; das wird niemand in Abrede stellen. (Jochen Borchert [CDU/CSU]: Nicht für die Banken!)


(Dr. Peter Struck [SPD]: So ist es!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618505400

(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )

Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618505500

In letzter Zeit ist auch das Bild vom Schutzschirm für
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wieder
bemüht worden. Nach allem, was die Bundesregierung
hier vorgetragen hat, bleibt folgende Bilanz: Der Schutz-
schirm für die Banken ist riesig, der Schirm für die Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist kaum zu sehen.
Das ist ein falscher Ansatz der Wirtschaftspolitik. Dies
will ich begründen.


(Beifall bei der LINKEN)


Man hätte erwartet, dass Sie irgendeine Konsequenz
aus dem ziehen, was täglich draußen passiert. Sie, Herr
Bundesfinanzminister, bitten die Arbeitgeber, nieman-
den zu entlassen, sondern die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer zu qualifizieren. Wer würde das nicht gern
unterstreichen? Wer würde nicht gern sagen: Bitte macht
das so? Aber was geschieht denn draußen? Zigtausende
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter werden entlassen.
Die erste Konsequenz wäre doch gewesen, diese löch-
rige Regelung für die Leiharbeiter abzuschaffen, damit
sich solches nicht wiederholt.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie reden hier immer nur über Dinge, ziehen aber über-
haupt keine Konsequenzen.

Nun haben Sie vorhin einen Ansatz vorgetragen, auf
den man eingehen kann. Sie haben gefragt: Wollen Sie
1 Prozent, 2 Prozent oder 3 Prozent vom Sozialprodukt?
Das ist ein Ansatz, über den man diskutieren kann. Sa-
gen Sie doch, dass Sie der Überzeugung sind,
0,3 Prozent des Sozialprodukts pro Jahr seien ausrei-
chend. Das wäre allerdings ein lächerlicher Ansatz, Herr
Bundesfinanzminister. Wenn Sie in der jetzigen Situa-
tion von einer Größenordnung von 0,3 Prozent sprechen,
zeigt das, dass Sie die Größe des Problems überhaupt
nicht erfasst haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Als es damals in Schweden eine regionale Krise gab,
wurden dort 3 Prozent des Sozialprodukts zur Verfügung
gestellt. Sie können zwar sagen, das sei alles falsch und
völlig übertrieben gewesen. Aber die Schweden haben
mit immerhin 3 Prozent des Sozialprodukts pro Jahr ver-
sucht, gegenzusteuern. Diese Krise war allerdings eine
regionale Krise. Jetzt befinden wir uns in einer globalen
Krise. Wir werden im nächsten Jahr eine sehr tiefe Re-
zession erleben. Um es in aller Klarheit zu sagen: Die
Schrittlein, die Sie machen wollen, sind überhaupt nicht
geeignet, diese Rezession zu stoppen.


(Beifall bei der LINKEN)


Man muss nur einmal genau zuhören, was Sie hier
vortragen. Der Wirtschaftsminister hat gesagt, wir müss-
ten die Angebotsseite stärken. Da traut man den eigenen

O
h
U

t
7
t
3
1
1
S
s
g
e
D
k
g
s
d

d
b
o
l
S
n
s
c
N
s

J
r
n
e
J
a
z

d
k
i
i
S
d
t
s
o
z

m
s
d
w
t
n
c

(C (D hren nicht mehr. Sie haben in den letzten Jahren überaupt nichts anderes gemacht, als die Angebotsseite der nternehmen zu stärken. Sie haben sogar nachgelegt, Herr Bundesfinanzminiser, und vorgetragen: Den Unternehmen haben wir Milliarden Euro erlassen. Sie haben außerdem vorge ragen: Bei der Arbeitslosenversicherung haben wir 0 Milliarden Euro erlassen. Hier muss man ergänzen: 5 Milliarden Euro wurden den Arbeitnehmern und 5 Milliarden Euro den Unternehmen erlassen. Wenn ie redlich gewesen wären, hätten Sie hinzufügen müsen: Das, was wir den Arbeitnehmern an dieser Stelle geeben haben, haben wir ihnen durch die Mehrwertsteuerrhöhung doppelt und dreifach wieder genommen. – ann würde daraus ein Gesamtbild werden. Aber man ann sich, wenn man das will, natürlich auch in die eiene Tasche lügen. Sie haben in den letzten Jahren eineitig entlastet. Das geht Ihnen anscheinend aber nicht in en Kopf, weil Sie die Zahlen nicht saldieren. Weil das so ist, stellt sich die Frage: Wie kann man ie Konjunktur überhaupt stabilisieren? Was die Angeotsseite angeht, wenn man also aus Sicht der angebotsrientierten Theorie argumentiert, haben Sie sich wirkich die Note „sehr gut“ verdient. Aber was ist mit den taatsausgaben? Beim letzten Mal haben Sie hier von eier sinkenden Staatsquote geredet. Ich habe Ihnen geagt: Lassen Sie diesen Unsinn! Erzählen Sie keinen solhen Quatsch, den Sie nirgendwo vertreten können! atürlich kann die Staatsquote in diesen Zeiten nicht inken. Sie haben ernsthaft am Ziel festgehalten, bis zum ahre 2011 eine Nullverschuldung des Haushalts zu ereichen. Ich habe Ihnen gesagt: Das Lachen wird Ihnen och vergehen. – So kann man nicht analysieren, und rst recht darf man an diese Sache nicht so herangehen. etzt wäre es notwendig – überall auf der Welt wird das uch gemacht –, die investiven Staatsausgaben deutlich u erhöhen, um die Nachfrage zu stabilisieren. Wenn Sie von Zweitoder Dritteffekten sprechen, ann handelt es sich dabei um das international anerannte Mittel. Glauben Sie doch nicht, wir könnten hier n Deutschland die Ökonomie neu erfinden! Das ist das nternational anerkannte Mittel. Wenn wir unsere eigene ituation analysieren, stellen wir fest: Beim Export ist ie Situation seit vielen Jahren hervorragend. Viele Unernehmen haben exorbitante Gewinne gemacht. Seit ehr vielen Jahren haben wir aber auch eine stagnierende der sogar sinkende Nachfrage auf dem Binnenmarkt u verzeichnen. Wenn man an der richtigen Stelle ansetzen möchte, üsste man also die Nachfrage auf dem Binnenmarkt tabilisieren. Das heißt nicht, Steuersenkungen anzukünigen, von denen wir alle, die wir hier sitzen, profitieren ürden. Vielmehr muss man die Treppe einmal von un en kehren. Es geht also um Hartz-IV-Empfänger, Renterinnen und Rentner und die Einführung des gesetzlihen Mindestlohns. Das wäre eine Reaktion auf die Oskar Lafontaine Krise, um die Nachfrage, wenn auch nur ganz bescheiden, zu stabilisieren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus Zeitgründen kann ich diesen Gedanken nicht weiter fortführen. Ich will aber noch etwas zu den Konsequenzen, die Sie aus der Finanzkrise gezogen haben, sagen. Ich kann nicht erkennen, dass Sie irgendwo ansetzen, um Konsequenzen zu ziehen. Sie betteln lediglich bei den Banken und sagen: Nehmt unser Geld! – Ansonsten machen Sie nichts. Es waren mehrere Punkte, die diese Entwicklung ermöglicht haben. Ein Aspekt war zum Beispiel die Möglichkeit, in Zweckgesellschaften auszulagern. Warum haben Sie diese Möglichkeit nicht gestrichen? Warum gibt es noch keine Vorlage, durch die dies in Zukunft vermieden wird? Das ist doch die Frage. Ferner haben Sie der Verbriefung Tür und Tor geöffnet. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Warum gibt es aber keine Vorlage, durch die diese Geschäfte in Zukunft eingeschränkt bzw. verboten werden? Warum ziehen Sie keine Konsequenzen? Wir haben weitere Vorschläge gemacht, um aus der Finanzkrise Konsequenzen zu ziehen. Auf einen unserer Vorschläge, der einen Grundsatz der wirtschaftlichen Ordnung thematisiert, will ich jetzt zu sprechen kommen. Wir haben Ihnen gesagt: Setzt keine falschen Anreize im Hinblick auf das Handeln der Manager, nicht nur bei den Banken – allerdings insbesondere bei den Banken –, sondern auch in der Wirtschaft generell. Wir haben auch von Ihnen gefordert: Verbieten Sie Aktienoptionen! – Aber Sie haben all das abgelehnt. Warum haben wir das gefordert? Weil die einseitige Orientierung auf Shareholder-Value und auf das eigene Einkommen eine grundsätzliche Fehlentwicklung ist. Man muss nachhaltig wirtschaften und darf nicht kurzfristig Aktien hochjubeln, um das eigene Einkommen zu steigern. Das ist ein Fehlanreiz. Warum tun Sie hier nichts? Sie beklagen die Bonuszahlungen der Banken. Die Frage ist doch: Warum gibt es keine Vorlage, um die Zahlungen solcher Boni einzuschränken? Sie haben gesagt, weil das populistisch ist – ich habe Ihnen das schon einmal vorgehalten –: Bei den Banken, die so gnädig sind, das Kapital, das wir anbieten, anzunehmen – so muss man das heute ja fast formulieren –, wollen wir die Managergehälter befristet begrenzen. – Hier geht es um einen Grundgedanken der Wirtschaft, den ich als Fraktionsvorsitzender der Linken gerne und mit Genuss ansprechen möchte. Ich zitiere Walter Eucken: Eine Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn Freiheit auf der eine Seite ist, aber auch Verant w S r H U c I n w g k a g s d w n E m K W j g d d W d s j S b T M s k M W d g l (C (D ortung und Haftung für das eigene Tun auf der anderen eite. Durch falsche Anreizsysteme sind in den letzten Jahen insbesondere bei den Banken Verantwortung und aftung im Management ausgesetzt worden. Das ist eine rsache für die Fehlentwicklung der marktwirtschaftli hen Ordnung. ch habe nicht erkennen können, dass Sie irgendwo eien Anreiz geben, um daran etwas zu ändern. Eine letzte Bemerkung. Ich wiederhole es hier immer ieder, obwohl ich nicht den Eindruck habe, dass das roßartige Wirkung zeigt: Wir haben derzeit Währungsrisen in der Welt. Unter diesen Währungskrisen leidet uch die deutsche Exportwirtschaft. Deswegen wäre es anz nett, wenn Sie angesichts einer Reihe von Vorchlägen, die schon sehr, sehr lange im Raum sind, etwas azu sagen würden, wie Sie in Zukunft dazu beitragen ollen, dass Währungskrisen dieser Art – ich denke jetzt ur einmal an die Bewegung des Yen gegenüber dem uro – in Zukunft vermieden werden; denn nur so kann an das Wachstum dauerhaft stabilisieren. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der ollege Fritz Kuhn das Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! enn man über die Ursachen der Krise redet, die sich etzt abzeichnet, dann kommt man auf ein vielschichties Bild. Die einen sagen wahrscheinlich nicht zu Unrecht, ass es starke psychologische Faktoren dafür gibt, dass ie Investitionen laut den Umfragen jetzt zurückgehen. ahrscheinlich schlägt die Finanzkrise auch schon urch, weil Kreditverkürzung und -verknappung angeagt sind. Vielleicht ist das auch ein allgemeiner Konunkturrückgang im Rahmen einer Weltkonjunkturkrise. chließlich gibt es den Krisenfaktor – den erkennen wir ei der Automobilindustrie –, also dass gegenwärtig zum eil versucht wird, mit falschen Produkten auf den arkt zu gehen, mit Produkten, die niemand abnimmt. Es ist also ein ganz diffuses Bild der Krise. In einem olchen Moment kann und muss der Staat reagieren. Er ann aber nicht blind mit einem Sammelsurium von aßnahmen agieren, sondern er muss – ich greife das ort des Finanzministers auf, wenn wir auch eine an ere Konsequenz ziehen – zielgenau und effektiv einreifen, da es sonst nicht funktioniert. Für ein Konjunkturprogramm im großen Stil – Entastung auf allen Ebenen – fehlen die Mittel natürlich Fritz Kuhn vollständig. So etwas kann man nicht mit 30 Milliarden Euro, sondern so etwas müsste man mit 100 oder 150 Milliarden Euro machen. Dabei käme aber eine große Verschuldung heraus, und bei vielen würde das wahrscheinlich nur ein Strohfeuer bewirken. Deswegen ziehen wir Grüne eine andere Konsequenz. Wir haben heute in der Fraktion ein Papier beschlossen, das jetzt vorliegt. Wir sagen: Wenn wir gegen solche schillernden, also vielschichtigen Krisenphänomene effektiv und wirksam vorgehen wollen, dann dürfen wir das nicht mit einem blinden und wilden Konjunkturprogramm und auch nicht mit einem Sammelsurium tun, sondern dann müssen wir gezielte Investitionen in Bereichen tätigen, in denen wir ohnehin Probleme haben und etwas tun müssen, weil uns die Folgekosten unterlassenen Handelns teuer zu stehen kommen würden. Dadurch entstehen letztendlich Arbeitsplätze, und wir lösen Probleme, die wir ohnehin lösen müssen, die wir verdrängen und vor uns herschieben. Deswegen muss jetzt ein vernünftiges Investitionsprogramm – ich sage noch einmal: kein blindes Konjunkturprogramm – für drei Bereiche greifen. Der erste Bereich ist die ökologische Modernisierung. Wir haben hinsichtlich der Themen Energie, Verkehr und auch ökologische Modernisierung Vorschläge gemacht, mit denen wir weiter als die Bundesregierung gehen. Es geht zum Beispiel um Wasserentsorgung und -aufbereitung; hier schieben wir viele Kosten vor uns her. Wir sagen: Mit grünen Ideen und ökologischen Investitionen kann man schwarze Zahlen schreiben und Arbeitsplätze schaffen, wenn man etwas mehr Mittel richtig in die Hand nimmt und Investitionen vorzieht, die wir für den Klimaschutz ohnehin tätigen müssen. Herr Steinbrück und Herr Glos, dabei darf man aber keinen solchen Unsinn machen, wie Sie ihn bei der KfzSteuer vorhaben. Dass man jetzt die großen Fahrzeuge – auch die CO2-Dreckschleudern –, die von den Leuten übrigens zu Recht nicht mehr abgenommen werden, weil sie nicht blöd sind, für ein Jahr von der Kfz-Steuer befreit – in der Glos’schen Variante wird noch ein Kaufkredit gewährt –, ist doch der blanke Unsinn. Keynesianismus zulasten der Umwelt – das ist es, was Sie vorhaben, Herr Glos – kann nicht funktionieren. Erklären Sie den Menschen, warum für einen Geländeschlitten eine Steuervergünstigung von 1 800 Euro vorgesehen ist, für ein kleines Auto aber nur 130 Euro! Das ist doch Unsinn. Deswegen richte ich einen Vorschlag an Sie: Räumen Sie diesen Mist weg! Führen Sie endlich eine CO2-bezogene Kfz-Steuerreform durch, die dazu führt, dass endlich die Fahrzeuge gefördert werden, die wenig emittieren, damit wir die strukturelle Krise im Fahrzeugbau in Deutschland überwinden und endlich Autos bauen, die der modernen Zeit – das heißt dem Klimaschutz – adäquat sind, statt solcher Schrottdinger, die man nicht mehr fahren kann. Das ist eine ganz einfache Antwort. M a i d b w d r t i s z I H s G – c g d H g i c s s d G s s k h d r z h d d z a U (C (D Das zweite Investitionsfeld neben der ökologischen odernisierung – es erstaunt mich, dass Sie das nicht ufgreifen, obwohl Sie an anderen Stellen darüber reden – st die Bildung in Deutschland. Wenn wir mehr für Bilung tun – damit meinen wir Personalausstattung, Geäude, Ganztagsschulen, also die ganze Breite dessen, as auf dem Bildungsgipfel ergebnislos diskutiert woren ist –, dann erreichen wir zwei Ziele: erstens mehr Geechtigkeit – denn Bildung ist Gerechtigkeit –, und zweiens machen wir unser Land innovationsfähig. Meiner Meinung muss man gerade dann, wenn man n Krisen kommt, die Innovationsfähigkeit eines Landes teigern. Das geht nur über Bildung. Deshalb liegt der weite Investitionsschwerpunkt auf der Bildung. Der dritte Investitionsschwerpunkt – ich sage bewusst nvestitionsschwerpunkt und nicht Konsumschwerpunkt, err Kauder – bezieht sich auf die Frage, wie wir in un erem Land gerade in einer solchen Situation für mehr erechtigkeit sorgen können. Dabei komme ich in einem allerdings in einem einzigen – Punkt zu einem ähnlihen Ergebnis wie Herr Lafontaine. Das Arbeitsloseneld II ist nach allgemeiner Überzeugung zum Beispiel er Wohlfahrtsverbände und auch schon von Gerichten in essen – es wird auch bald vor das Bundesverfassungsericht kommen – zu niedrig und mit Blick auf die Kinder n Arbeitslosengeld-II-Haushalten nicht mehr ausreihend. Warum erhöhen wir nicht das Arbeitslosengeld II, tatt diffuse Steuersenkungen vorzunehmen, die breit getreut sind und kaum konjunkturelle Effekte haben weren? Damit schaffen wir mehr Gerechtigkeit. Dass das eld wieder zurückkommt, ist logisch; denn die Men chen können es gar nicht sparen. Sie müssen es für Konum ausgeben, wenn die Mittel im Familienhaushalt napp sind. Herr Steinbrück, auch wenn Sie anders argumentiert aben, kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass ie von Ihnen vorgelegten Vorschläge ein Sammelsuium sind, dem keine klare ordnungspolitische Theorie ugrunde liegt und das keine klare Konzeption hat. Stattdessen schlagen wir vor: Lasst uns mit den vorandenen Mitteln oder mit Mitteln, die vorgezogen weren müssen oder gegenfinanziert werden können wie bei er Kfz-Steuer, in Klimaschutz, Bildung und mehr soiale Gerechtigkeit investieren. Damit tun wir das Beste uch gegen die drohende Wirtschaftskrise. Vielen Dank. Der Kollege Dr. Michael Fuchs spricht nun für die nionsfraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Lafontaine, als Allererstes muss ich Ihnen sagen, dass ich mich darüber wundere, dass Sie anscheinend mittlerweile nicht einmal mehr Zeitung lesen. Der Dollar ist im letzten Monat gegenüber dem Euro um über 20 Prozent an Wert gestiegen. Das bedeutet ein dickes Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft, weil damit die Exporte in die dollarabhängigen Regionen – das sind fast 40 Prozent unseres Exports – erleichtert werden. Darüber können wir alle froh sein. Das wird auch letztlich der Automobilindustrie vermutlich mehr helfen als eine Einsparung bei der Kfz-Steuer für ein, eineinhalb oder zwei Jahre. Ich meine, dass die Bundesregierung mit diesem Paket schon einige richtige Maßnahmen vorgesehen hat. Sie hat bei der Finanzkrise gezeigt, dass sie schnell, vernünftig und zielgenau gehandelt hat. Wir haben meiner Meinung nach im Vergleich mit den Programmen weltweit das vernünftigste Programm hinbekommen, und zwar in großer Einigkeit in diesem Hause. Sie haben dazu gar nichts beigetragen; Sie haben nur gestört. (Widerspruch des Abg. Oskar Lafontaine [DIE LINKE])


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618505600
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1618505700

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618505800

(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )

Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1618505900

Ich glaube auch, dass wir jetzt weiter in die richtige
Richtung unterwegs sind, weil wir mit den Maßnahmen,
die der Bundeswirtschaftsminister zusammen mit dem
Bundesfinanzminister ausgearbeitet hat, gerade im Be-
reich der Gebäudesanierung, Herr Kuhn, die CO2-Ein-
sparung etc. fördern, dem Handwerk helfen und auch in
diversen anderen Bereichen hilfreich tätig sind. Gezielte
Investitionen müssen jetzt her. Es darf nicht irgendwo
herumgekleckert werden; das bringt gar nichts. Nach
meiner Meinung gewährleistet das dieses Programm.

Ich weiß genau, dass wir in bestimmten Bereichen
viel mehr machen müssten. Aber das zentrale Ziel der
Großen Koalition war immer, so schnell wie möglich ei-
nen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Wir haben
uns das für 2011 vorgenommen. Wir hätten das auch er-
reicht, wenn die Finanzmarktkrise nicht auch unser Land
getroffen hätte. Dem kann sich kein Mensch entziehen.
Das konnte keine Bundesregierung ahnen. Man kann
nicht argumentieren, dass das unser Fehler ist. Das war
es ganz sicherlich nicht. Ich finde, dass der Bundes-
finanzminister und der Bundeswirtschaftsminister genau
den richtigen Weg aufgezeigt haben, den wir jetzt zu ge-
hen haben. Dennoch darf das Ziel, einen ausgeglichenen
Haushalt vorzulegen, nicht aus den Augen verloren wer-
den. Wir müssen uns fragen, ob es nicht möglich ist, in
dem einen oder anderen Bereich, vor allen Dingen dort,
wo wir konsumtiv Gelder ausgeben, Einsparungen vor-
zunehmen, um den Folgen der Finanzmarktkrise ein
bisschen entgegenzusteuern, damit wir dieses Ziel nicht
allzu weit aus den Augen verlieren.

Ich halte es für richtig, die KfW-Mittel aufzustocken,
wie der Bundeswirtschaftsminister eben erklärt hat. Al-
lerdings müssen wir dabei die Banken auffordern, dafür
zu sorgen, dass diese KfW-Mittel durchgereicht werden.
Ich selber habe als Unternehmer erlebt, dass KfW-Mittel
nicht unbedingt sofort angeboten werden, weil die Ban-

k
e
j
g
t
m
t
s
w
d
o
m

h
e
r
g
B
i
F
w
B
w
r
s
G
i
w
w
e
n
n
D
h

m
l
s
z
l
E
V
f
b
s
i
c
s
n
H
v
e
8
w
r
d
d
l
d
f

(C (D en natürlich ein Interesse daran haben, dem Kunden zurst ihre eigenen Produkte zu verkaufen. Dafür habe ich edes Verständnis. Auf jeden Fall müssen wir die günstien KfW-Mittel publik machen. Dafür ist eine Bundesagsdebatte sicherlich gut und richtig. Aber parallel dazu üssen die Banken aufgefordert werden, die KfW-Mit el so schnell wie möglich an die mittelständische Wirtchaft weiterzureichen, damit diese Mittel abgerufen erden. Wenn man sich das eine oder andere Programm er KfW anschaut, dann stellt man fest, dass die Mittel ft nicht dort ankommen, wo sie ankommen sollten. Hier uss noch nachgearbeitet werden. Ich halte es für notwendig – Herr Lafontaine, auch hier aben Sie wieder unrecht; aber das sind wir gewohnt –, in internationales Programm für Finanzmarktregulieungen anzugehen. Es nutzt uns gar nichts, wenn wir irendetwas in Deutschland machen. Dann machen die anken es eben in Irland, auf den Cayman Islands oder rgendwo anders auf der Welt. Wir können mit einem inanzmarktregulierungsprogramm nur etwas erreichen, enn wir alle mitnehmen. Ich erinnere daran, dass die undeskanzlerin schon in Heiligendamm genau das geollt hat; das ist eineinhalb Jahre her. Aber damals wa en Blair und Bush nicht bereit, mitzuspielen. Wir wären onst schon ein gutes Stück weiter und hätten auf diesem ebiet den einen oder anderen Ansatz. Wir haben heute n meiner Fraktion dazu ein Papier beschlossen. Wir erden mit den Kollegen von der SPD in Kürze tätig erden. Die Bundeskanzlerin wird auf dem G-20-Gipfel in solches Programm einfordern. Das funktioniert aber ur, wenn alle mitspielen. Ich hoffe, dass die Amerikaer und die Engländer das mittlerweile begriffen haben. ie angelsächsischen Länder waren bislang nicht gerade ilfreich. Für mich ist noch ein anderer Punkt wichtig. Wir üssen alles auf den Prüfstand stellen, was zurzeit be astend wirkt und was zusätzlich belastend auf die deutche Wirtschaft sowie auf die Bürgerinnen und Bürger ukommt. Folgendes möchte ich wirklich infrage stelen: Es kann in meinen Augen nicht angehen, dass das mission-Trading, der Emissionshandel, aufgrund der erteuerung durch die Vollauktionierung der CO2-Zerti ikate dazu führt, dass gerade die deutsche Wirtschaft esonders betroffen wird, und zwar in zweierlei Hinicht. Wir haben hier die meisten Industrieunternehmen n Europa. Das können Sie nicht mit Schweden vergleihen. In Schweden gibt es beispielsweise keine chemiche Industrie. Bei uns ist das größte chemische Unterehmen der Welt angesiedelt, nämlich BASF in meinem eimatland Rheinland-Pfalz. Sie können auch nicht daon ausgehen, dass wir so günstig Energie erzeugen, wie s Frankreich tut, wo der Anteil der Kernkraft bei 7 Prozent liegt. Wir müssen also sehr aufpassen, dass ir die deutschen Unternehmen mit der Vollauktionie ung nicht zu sehr belasten. Sie hat ungefähr 5 Milliaren Euro zusätzliche Belastung pro Jahr zur Folge, und as nur im Energiesektor. Ob wir uns das in dieser Phase eisten können, weiß ich nicht. Wir sollten den Beginn ieses Programms ein wenig verschieben. Ich halte das ür notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Michael Fuchs
Lassen Sie mich noch einen Satz zur Automobil-
industrie sagen. Ich glaube wirklich, dass die Auto-
mobilindustrie durch den stärker gewordenen Dollar
sehr schnell wieder Tritt fassen wird. Ich halte es auch
für richtig, dass wir so schnell wie möglich mit den Bun-
desländern eine Einigung finden und dafür sorgen, dass
dieses CO2-Minderungspaket eingebaut wird und wir
eine CO2-abhängige Kfz-Steuer hinbekommen. Das
muss schnell gehen, weil es meiner Meinung nach sehr
gefährlich ist, die Leute in Unsicherheit zu lassen, weil
sie nicht wissen, welche Steuern sie nachher zu zahlen
haben. Wir sollten nicht noch zwei Jahre warten. Wenn
wir 500 Milliarden Euro innerhalb einer Woche bereit-
stellen können, dann muss auch so etwas schnell gehen
können.

Herr Bundesfinanzminister, ich habe eine Bitte an
Sie. Bitte streichen Sie so schnell wie möglich die im
Jahressteuergesetz vorgesehene Einschränkung des Vor-
steuerabzugs für dienstlich genutzte Kraftfahrzeuge.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das führt dazu, dass heftigst gespart und darüber nach-
gedacht wird, nicht zu investieren. Ich halte es für not-
wendig, dass das so schnell wie möglich getan wird.

Zum Schluss. Im Herbstgutachten, das vor drei Wo-
chen erschienen ist, steht eine Reihe von Punkten. Die-
ses Maßnahmenpaket haben wir zum Teil umgesetzt,
aber nicht alles. Es ist richtig, dass wir nicht alles umge-
setzt haben, weil wir für diese Einsparungen einfach
nicht die Steuermittel haben. Dennoch glaube ich, dass
eine weitere Direktentlastung der Bürger notwendig
wäre. Herr Bundesfinanzminister, in einem Punkt bin ich
mit Ihnen nicht einig – sonst bin ich fast immer mit Ih-
nen einig –: Wenn Sie beispielsweise die steuerliche Ab-
setzbarkeit der Kranken- und Pflegeversicherungsbei-
träge vorziehen würden, hätte das sehr wohl Wirkungen
in 2009; denn die Menschen sind nicht blöde. Sie tragen
das auf der Lohnsteuerkarte ein, oder sie senken ihre Vo-
rauszahlungen. Das alles kann man machen, und damit
wird das schon 2009 wirksam. Ich halte das für richtig.

Wir sollten auch darüber nachdenken, ob nicht wei-
tere Spielräume bei den Lohnzusatzkosten erarbeitet
werden können. Hier haben wir mit dem Ausgleichsbei-
trag, den die Bundesagentur für Arbeit zu zahlen hat, ein
verfassungsrechtlich größeres Problem. Dass uns das er-
halten bleiben wird, wage ich zu bezweifeln. Wenn wir
wissen, dass uns das nicht erhalten bleiben wird, dann
wäre es sinnvoll, bereits jetzt nach einer Lösung zu su-
chen.

Das Programm, das jetzt aufgelegt wird, bedeutet ei-
nen Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen aber
sehr genau die Situation am Arbeitsmarkt und in der ge-
samten Wirtschaft beobachten. Es kann durchaus sein,
dass wir das eine oder andere noch nachsteuern müssen.
Wir sind dazu bereit, wenn es sein muss.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


l

n

d
m

E
K
a
s
B
L
k
g
p
S
a

D

d
w
z
S
s
d
D
f
u
g
g

n
n
G
h
d
s
u
u
w
f
d

a
w

(C (D Als letzter Redner in dieser Debatte hat nun der Kol ege Ludwig Stiegler für die SPD-Fraktion das Wort. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu ächst möchte ich der Bundesregierung, em Bundesfinanzminister und dem Bundeswirtschaftsinister danken. (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das kommt jetzt überraschend!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618506000

(Beifall bei der SPD)

Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1618506100

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Danken!)


s ist fast wie in der ersten Großen Koalition: Wenn die
rise da ist, sind auch Plisch und Plum da, die dagegen

nkämpfen müssen. Ich denke, Sie haben mit dem Ge-
amtmosaik durchaus ein richtiges Bild gezeichnet. Herr
rüderle war mit der Nase zu nahe dran, und Oskar
afontaine will eh nur das sehen, was er bekämpfen
ann. Aber wenn man mit dem nötigen Abstand heran-
eht, dann sieht man: Dieses Mosaik von Maßnahmen
asst zu der ökonomischen Landschaft. Deshalb sollten
ie, Herr Brüderle, uns lieber unterstützen, anstatt Ihre
lten Steckenpferde hier zu reiten.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Aber er hat keine Scheuklappen!)


as passt nicht für diesen Bereich.

Das Wichtigste ist: Wir nehmen zur Kenntnis, dass
ie Weltwirtschaft in einem schweren Abschwung ist,
as vor Wochen noch nicht der Fall war; wir nehmen

ur Kenntnis, dass die europäische Wirtschaft zu einem
tillstand gekommen ist und das Risiko eines Ab-
chwungs besteht; und wir nehmen zur Kenntnis, dass
ie deutsche Wirtschaft in einer Gefährdungslage ist.
agegen gehen wir an. Wir sagen nicht wie manche Pro-

essoren, das sei Schicksal und man müsse unter dem
nteren Bogen des Zyklus durchlaufen, sondern wir sa-
en, dass wir uns gegen den Wind lehnen und etwas ge-
en die falsche Entwicklung tun können.

Was wir hier brauchen, Herr Brüderle, sind Investitio-
en. Wir haben in Deutschland aber weit mehr Erspar-
isse, als es Investitionen von Bund, Ländern und
emeinden sowie von privater Wirtschaft gibt. Darum
aben manche Banken Ersatzinvestitionen, nämlich in
iese toxischen Papiere, getätigt. Wenn wir es jetzt
chaffen, die Privaten zu veranlassen, zu investieren,
nd wenn die öffentliche Hand, und zwar Bund, Länder
nd Gemeinden, investiert, Herr Brüderle, dann nutzen
ir die Ersparnisse in diesem Land für Wachstum und

ür Beschäftigung. Darauf zielt dieses Programm, das
ie Bundesregierung aufgelegt hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir sollten auch darauf achten, dass wir international
ktiv bleiben. Wir Deutschen allein können uns nicht
ie Münchhausen selber aus dem Sumpf ziehen; viel-






(A) (C)



(B) )


Ludwig Stiegler

mehr brauchen wir bei G 7, bei G 8, bei G 20 oder bei
Gott weiß welchen Gs eine internationale Abstimmung.


(Heiterkeit bei der FDP)


– Ja, Sie denken wieder an den G-Punkt oder irgendet-
was Ähnliches; aber das ist nicht in Ordnung. – Wir
brauchen eine internationale Abstimmung. Deshalb ist
es wichtig, dass alle europäischen Länder – wie damals

eine E-Mail verschickt werden, in der gesagt wird: Schi-
cken Sie Ihre Leute weg!

Wir werden erleben, dass die Kurzarbeit, die fast ver-
schwunden war, wiederkehrt. Ich bin froh, dass Olaf
Scholz in diesem Paket verankert hat, dass während der
Kurzarbeit Qualifikation, Weiterbildung für die Zukunft
durchgeführt werden. Das Entscheidende ist, nicht zu
entlassen und anschließend wieder zu suchen, sondern
die Zeit der Produktionspause zu nutzen, um sich auf
beim Venedig-Gipfel von Helmut Schmidt vorgemacht –

und die wichtigsten Volkswirtschaften der Welt in
Kooperation mit dem Weltwährungsfonds zusammen-
arbeiten, damit wir uns weltweit gegen die Entwicklung
lehnen, damit wir weltweit durch ein abgestimmtes Ver-
halten auch in der Ökonomie vorankommen. Der Welt-
währungsfonds forderte das schon seit dem April dieses
Jahres. Er hat diese Entwicklung eher überschätzt als un-
terschätzt.

Es geht um die Hebelwirkung. Mit der Gebäudesanie-
rung, mit der Investitionsförderung lösen wir durch eine
überschaubare Förderung mit staatlichen Mitteln erheb-
liche private Investitionen aus. Diese Hebel müssen wir
nutzen. Diese Hebel werden uns auch dabei helfen, dass
wir wieder an den Problemen ansetzen. Unsere Wirt-
schaft ist bisher auf dem Exportmotor gefahren. Dieser
Motor stottert. Ihn können wir nur international wieder
zum Laufen bringen. Es fehlen im Inland eben auch die
Investitionen in Bauten, in Ausrüstungen, in Maschinen
und in Anlagen. All das können wir durch diese Anstöße
voranbringen. Deshalb sollten wir diese Möglichkeiten
miteinander nutzen.

Wir müssen, gerade was die Automobilindustrie an-
betrifft, weniger auf die fetten Daimlers und BMWs
schauen, auf diese großen Gesellschaften, die sehr gut
verdient haben, die sehr viel Speck angesetzt haben. Sie
repräsentieren nur etwa 25 Prozent der Wertschöpfung.
75 Prozent der Wertschöpfung werden von den Zuliefe-
rern erbracht, und deren Bilanz schaut nicht so gut aus.
Denen müssen wir helfen, damit sie Produktionskürzun-
gen überleben können. Wenn wir nicht aufpassen, befin-
den sich am Ende der Krise ein Drittel oder mehr der Zu-
lieferer nicht mehr auf dem Markt, und dann haben wir
es mit einem quasi automatischen Outsourcing zu tun.
Hier muss die Automobilindustrie selber ihren Zuliefe-
rern, denen sie die Aufträge kürzt, auch mit Krediten
beistehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


Die KfW und der Bund werden dabei sicher helfen. Wir
haben die ganz wichtige Aufgabe, das Gespräch mit
diesen Herrschaften zu suchen. Es darf nicht einfach

d
F
s

n
d
K
d
d

K
t
i
c
w
r
h
W
s
F
D

d
W
w

o

d
e

(D en neuen Aufschwung vorzubereiten. Das ist unsere orm, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu chützen. Das ist eine Vielzahl von Maßnahmen, die wir interational und national durchführen müssen. Ich bin froh, ass auch die Haushälter der Union – auch wenn Herr ampeter aus Protest weggeblieben ist – sehen: Nur ann, wenn wir uns jetzt gegen die Krise stemmen, weren wir einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Als der Kollege Runde und ich zu Beginn der Großen oalition für das große Investitionsprogramm eingetre en sind, haben manche gesagt – ich kann mich noch ernnern –: Um Gottes willen; wir gefährden den ausgeglihenen Haushalt. – Das Gegenteil war der Fall. Wir achsen aus der Krise heraus; wir können uns nicht da aus heraussparen. Das muss in die Köpfe hinein. Desalb ist der Ansatz, den die Bundesregierung wählt, gut. ir unterstützen ihn. Es muss noch nicht jedes Detail timmen. Auch da gilt das Struck’sche Gesetz, das den ortschritt in der parlamentarischen Beratung definiert. as werden wir wieder in Anspruch nehmen. Entscheidend ist: Wir beugen uns nicht dem Geschick er Wirtschaft, sondern wir stemmen uns gegen den ind und kämpfen für Wachstum und Beschäftigung soie sichere Arbeitsplätze. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall des Abg. Ortwin Runde [SPD])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1618506200

Ich schließe die Aussprache.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 12. November 2008, 13 Uhr,
in.

Die Sitzung ist geschlossen.