Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 79. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ehe ich mit den Verhandlungen beginne, beehre ich mich, dem Hohen Hause mitzuteilen, daß nach erhaltener Auskunft das Befinden unseres Präsidenten Dr. Köhler sich erheblich gebessert hat. Ich halte mich für ermächtigt, ihm gute Wünsche des Hauses zu übermitteln.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, zu verlesen, wer abwesend ist.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Dr. Orth, Welke, Mißmahl, Kalbitzer, Meitmann, Frau Albrecht,
Dr. Gülich, Hellwege, Dr. Bertram, Frau Dr. Brökelschen. Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Dr. Povel, Dr. Holzapfel, Ehren, Dr. Kopf, Müller , Zinn, Kriedemann, Dr. Suhr, Imig, Dr. Middelhauve, Juncker, Wallner, Dr. Henle, Schüttler, Gockeln, Nuding, Frau Thiele, Niebergall, Agatz. Außerdem fehlen die Abgeordneten Reimann, Renner, Rische, Vesper, Müller (Offenbach).
Ich habe dem Hause folgende amtliche Mitteilungen zu machen.
Der Bundesrat hat mit Schreiben vom 21. Juli 1950 mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage beschlossen hat, dem Gesetz über die Finanzverwaltung gemäß Art. '78 in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 18. Juli 1950 zu dem Beschluß des Bundestages in seiner 70. Sitzung am 21. Juni 1950 wegen des Ausbaus von Autobahnen — Drucksachen Nr. 228, 365, 407 und 901 — Stellung genommen. Die Stellungnahme wird als Drucksache Nr. 1227 vervielfältigt werden und den Damen und Herren zugehen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat mit Schreiben vom 18. Juli 1950 die Anfrage Nr. 90 der Abgeordneten Frau Meyer-Laule, Dr. Arndt und Fraktion der SPD — Drucksache Nr. 1094 — betreffend Regelung von Besatzungs-Personenschäden beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 1217 verteilt worden.
Der Herr Bundesminister des Innern hat mit Schreiben von 24. Juli 1950 die Anfrage Nr. 92 der Abgeordneten Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei — Drucksache Nr. 1098 — betreffend Erfüllung der Bestimmungen des Art. 36 des Grundgesetzes beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1225 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 22. Juli 1950 die Anfrage Nr. 93 der Abgeordneten Dr. Etzel , Dr.-Ing. Decker, Dr. Besold und Fraktion der Bayernpartei — Drucksache Nr. 1099 — betreffend Einfuhr gerahmter Bilder aus Holland beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1226 verteilt.
Gemäß den Beratungen in der gestrigen Sitzung des Ältestenrates wird die vorliegende Tagesordnung wie folgt geändert und ergänzt:
Zwischen die Punkte 3 und 4 wird eingeschoben der Mündliche Bericht des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über die Anträge der Fraktion der Deutschen Partei betreffend deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjetunion und der Abgeordneten Mende und Genossen betreffend Verurteilung deutscher Kriegsgefangener zu Zwangsarbeit in der Sowjetunion, Nr. 1233, 378 und 385 der Drucksachen. Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.
Zwischen die Punkte 7 und 8 wird eingeschoben: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine vorläufige Finanzhilfe für das Land Schieswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950; es erhält die Nr. 1231 der Drucksachen.
Hierzu wird mir mitgeteilt, daß es bisher noch nicht möglich gewesen ist, von der Regierung die Vorlage zu erhalten, so daß sie noch nicht gedruckt werden konnte. Ich hoffe, daß dies im Laufe des Vormittags noch geschehen kann, so daß bei Aufruf
des Punktes die Drucksache in Ihren Händen sein wird.
Außerdem wird zwischen die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung eingeschoben die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten — Milch- und Fettgesetz — Nr. 1232 der Drucksachen. Die not-. wendigen Drucksachen werden verteilt werden.
Punkt 11 der Tagesordnung, Mündlicher Bericht des Wirtschaftspolitischen Ausschusses über Watenstedt-Salzgitter, wird auf die Freitagsitzung vertagt. Ich bitte Sie jedoch, meine Damen und Herren, die Drucksachen, die Ihnen heute schon gegeben worden sind, zu behalten und am Freitag wieder mitzubringen, weil es aus technischen Gründen nicht möglich ist, sie neu zu verteilen.
Weiter gebe ich bekannt, daß der Ältestenrat dem Hohen Hause empfiehlt, nach Erledigung der ersten Punkte vor 12 Uhr keine Abstimmung durchzuführen, weil eine Reihe von Ausschüssen heute morgen noch tagen müssen. Sind Sie damit einverstanden, meine Damen und Herren?
— Dann ist es so beschlossen.
Weiter habe ich Ihnen im Auftrage des Ältestenrates den Vorschlag zu machen, keine Mittagspause zu halten, sondern durchzuverhandeln. Wir werden sowieso, auch wenn wir durchverhandeln, sehr weit in den Abend und vielleicht in die Nacht hinein beraten müssen.
Ich habe Ihnen noch weiter bekanntzugeben, daß die nächste Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik heute, Mittwoch, 14 Uhr, stattfinden soll Die Sitzung des Ausschusses für Geld und Kredit findet nicht eine Stunde nach Beginn, sondern eine Stunde nach Beendigung des Plenums statt. Ich bewundere den Optimismus des Herrn Vorsitzenden dieses Ausschusses. —
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik setzt seine Beratungen über das Preisgesetz während der Plenarsitzung fort. Die Sitzung beginnt um 10 Uhr in Zimmer 12 des Südflügels. Der Haushaltsausschuß wird ebenfalls seine Beratungen fortsetzen, nachdem die ersten Punkte betreffend Europarat und Kriegsgefangenenresolution hier erledigt worden sind.
Meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung steht als erster Punkt die dritte Beratung des Umsatzsteuergesetzes. Ich schlage Ihnen vor, mit Punkt 2 zu beginnen und dann fortzufahren mit Punkt 3, dann die Kriegsgefangenenresolution zu behandeln und anschließend als Punkt 4 den jetzigen Punkt 1 der Tagesordnung zu nehmen, im übrigen dann nach der Tagesordnung, wie sie Ihnen vorliegt, zu verfahren.
Ich rufe auf:
Beratung, des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, BP, DP und des Zentrums betreffend Entschließung zum Europäischen Bundespakt .
Diese Parteien haben interfraktionell eine Entschließung eingebracht, die ich verlese:
Der Bundestag wolle beschließen, folgende Entschließung anzunehmen:
In der Überzeugung, daß die gegenwärtige Zersplitterung Europas in souveräne Einzelstaaten die europäischen Völker von Tag zu Tag mehr in Elend und Unfreiheit führen muß, tritt der in freien Wahlen berufene Bundestag der Bundesrepublik Deutschland für einen Europäischen Bundespakt ein, wie ihn die Präambel und der Artikel 24 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vorsehen.
Dieser Europäische Bundespakt soll
1. eine übernationale Bundesgewalt schaffen, die sich auf allgemeine, unmittelbare und freie Wahlen gründet und über gesetzgebende, ausübende und richterliche Kornpetenzen verfügt,
2. diese Gewalt mit allen Befugnissen ausstatten, die erforderlich sind, um
a) die wirtschaftliche Einheit Europas. auf der Grundlage sozialer Gerechtigkeit herbeizuführen,
b) eine gemeinsame europäische Außenpolitik zu ermöglichen, die dem Frieden in der Welt dient,
c) die Gleichheit der Rechte aller europäischen Völker herzustellen und weiterhin zu sichern,
d) die Grundrechte und menschlichen Freiheiten der europäischen Bürger zu garantieren und unter Rechtsschutz zu stellen.
Ich eröffne die Aussprache hierzu. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, hierfür eine Gesamtdebatte von 40 Minuten zu beschließen. Ist das Haus einverstanden? — Wer meldet sich zum Wort? — Der Herr Abgeordnete Fisch hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich habe namens der kommunistischen Fraktion folgende Erklärung abzugeben:
1. Die Erklärung über die Befürwortung eines europäischen Bundespaktes, die von allen Fraktionen von der äußersten Rechten
bis zu der Sozialdemokratischen Partei abgegeben worden ist, ist ein Hilfsmanöver für die amerikanische Politik auf europäischem Boden. Sie entspricht den aggresiven Plänen des amerikanischen Imperialismus, aus Westeuropa einen wirtschaftlich, politisch und militärisch einheitlich organisierten Block zu schaffen, der seiner Direktive untersteht und das wichtigste amerikanische Kriegspotential gegen die Sowjetunion, die Volksdemokratien und die deutsche Demokratische Republik bilden soll.
2. Die Behauptung, es handle sich um einen „europäischen Bund", ist eine zweckbestimmte Irreführung. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Zusammenschluß Westeuropas unter amerikanischer Führung, einen Zusammenschluß derjenigen Regierungen von Europa, die sich zum imperialistischen Kriegslager der Welt zählen.
3. Die Behauptung, es handle sich um einen Schritt zur Sicherung der Gleichheit der Rechte aller europäischen Völker und zur Sicherung der Grundrechte und menschlichen Freiheiten, ist eine bewußte Täuschung, die den wahren Charakter des sogenannten europäischen Bundespaktes tarnen soll. In Wirklichkeit würde dieser Pakt die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit der
europäischen Völker zerstören und insbesondere der Bevölkerung Westdeutschlands den Weg zur Bildung eines geeinten, unabhängigen demokratischen Deutschlands zu versperren suchen.
4. Die ausdrückliche Berufung auf den Art. 24 des Grundgesetzes ist ein Beweis für den entscheidenden militärischen Inhalt des geplanten Paktes. Durch diesen soll der Wunsch des amerikanischen Imperialismus erfüllt werden, daß aus der deutschen Jugend Infanteriedivisionen unter amerikanischem Kommando bereitgestellt werden.
Der ausdrückliche Hinweis auf Art. 24 des Grundgesetzes über die Beschränkung der Hoheitsrechte des Bundes bei der Aufstellung militärischer Einheiten ist der Beweis für die beabsichtigte Preisgabe der Souveränitätsrechte des deutschen Volkes zugunsten der amerikanischen Kolonialherren und ihrer Generale.
5. Die Fraktion der KPD wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen das neue Manöver zugunsten der amerikanischen Politik in Europa und ruft die Bevölkerung Westdeutschlands auf, diese Betrugsmanöver abzulehnen und sich mit Mut und Entschlossenheit für die Schaffung eines geeinten, unabhängigen, demokratischen Deutschlands und zur Sicherung des Friedens einzusetzen.
Weitere Wortmeldungen? —
Herr Abgeordneter Frommhold!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Gruppe Deutsche Reichspartei möchte ich bekanntgeben, daß wir uns vorbehaltlos dem Wortlaut der Entschließung zum Europapakt anschließen. Ich bedaure lebhaft, daß man uns nicht rechtzeitig Gelegenheit gegeben hat, vor Drucklegung dieser Drucksache unsere Stellungnahme hierzu bekanntzugeben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, wer für die Annahme der Drucksache Nr. 1193 ist, den bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bekunden. — Ich danke Ihnen.
Die Gegenprobe! — Die Entschließung ist gegen 4 Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe als Punkt 2
den Punkt 3 der gedruckten Tagesordnung auf: Wahl der Vertreter und Stellvertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Beratenden Versammlung des Europarates.
Hier haben die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, und DP folgende Kandidaten benannt:
CDU/CSU:
Vertreter:
Dr. von Brentano
Schütz
Dr. Pünder
Dr. Gerstenmaier Fürst Fugger von Glött
Kiesinger
Frau Dr. Rehling Stellvertreter:
Dr. Tillmanns Gerns
Junglas
Frau Dr. Weber
Dr. Lehr
Dr. Semler
Dr. Edert
SPD:
Vertreter:
Eichler
Dr. Lütkens Dr. Nölting
Ollenhauer
Ritzel
Dr. Schmid
Frau Schroeder
Stellvertreter: Altmeier
Birkelbach
Erler
Kalbitzer
Frau Krahnstöver
Dr. Mommer
Paul
FDP:
Vertreter:
Dr. Schäfer
Dr. Becker
Dr. Freiherr von Rechenberg Stellvertreter:
Dr. von Golitschek
Dr. Pfleiderer
DP:
Vertreter:
Dr. Mühlenfeld Stellvertreter: Dr. von Campe
E i n Stellvertreter ist noch nicht benannt. Er wird, wie mir mitgeteilt worden ist, später benannt werden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion legt dagegen Protest ein, daß sich die großen Parteien gegen alle demokratischen und kollegialen Grundsätze die Sitze im Europarat gegenseitig aufgeteilt haben, ohne die kleineren Parteien zu berücksichtigen. Wir haben uns in ehrlicher Überzeugung zum Europarat bekannt. Unsere Arbeitsgemeinschaft des Zentrums und der WAV hat 21 Abgeordnete mehr als die Deutsche Partei und die Bayernpartei. Sie hat ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet, und der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer hat dem Kollegen Schumacher gegenüber auch diese Ansprüche als richtig bezeichnet.
Noch eine persönliche Bemerkung. Die Konferenz der französisch-deutschen Parlamentarier in Rheinfelden hat in ihrer letzten Tagung einmütig beschlossen, die Errichtung eines Flüchtlingsamtes und einer Flüchtlingskommission im Europarat zu verlangen. Der Zentralverband der Vertriebenen hat in voller Berechtigung verlangt, daß man nach Straßburg eine entsprechende Anzahl von Vertriebenen entsendet. Auch dies hat man negiert.
— Aber wieviel?
Ich bitte, nicht so unfreundlich zu dem Redner zu sein.
So werden Sie die Demokratie
nicht festigen; das kann ich Ihnen sagen!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seelos.
Meine Damen und Herren! Die Ernennung der Delegierten zum Europarat steht unter einem ungünstigen Stern. Es ist einmal der Bundesrat völlig ausgeschaltet worden und auch gerade solche Vorkämpfer der europäischen Idee, wie Kogon und andere. Der Ausschußvorsitzende für Auswärtige Angelegenheiten im Bundesrat, Ministerpräsident Ehard, hat sich persönlich hier einen Tag lang bemüht und mit allen Fraktionen und Fraktionsvorsitzenden verhandelt, um den berechtigten Anspruch des Bundesrates durchzusetzen.
Der Art. 50 sieht vor, daß der Bundesrat bei der Gesetzgebung und Verwaltung ,des Bundes mitwirkt. Wenn nun in den Ausschüssen des Europarates, wie z. B. im Kulturpolitischen Auschuß, diese Stimme überhaupt nicht zur Geltung kommt, dann widerspricht es einfach der verfassungsmäßigen Konstruktion des Bundes.
Ich bedauere sehr, daß man diese Ausschaltung in dieser Form gemacht hat und daß man nicht einmal als Vertreter, die ja im wesentlichen Sachverständige sein sollen, einige Leute genommen hat, die sich mit dieser Idee seit Jahren beschäftigen und für sie eintreten.
Es geht nicht an, daß man für eine gesamtdeutsche Repräsentation, die in gewisser Weise ein Schaubild der vorhandenen Strömungen sein soll, durch ein Verfahren Parteien, die bei einigen Dezimalen mehr auch noch dazugekommen wären, ausschaltet und daß man sogar so weit geht, einer kleineren Partei einen Vollsitz zu genehmigen und der Bayernpartei dies zu verwehren. Nur um die Vollsitze handelt es sich.
Nach der uns zugegangenen Mitteilung bedeuten Vertretersitze nur, daß sie im Rahmen des Publikums Platz nehmen dürfen, daß sie als Sachverständige auf besondere Ladung vor den Ausschüssen erscheinen dürfen und daß sie aufgefordert werden, nach einigen Tagen wieder abzureisen. Also ein Stellvertreter bedeutet keine Vertretung im Europarat.
Es ist ein Zeichen, daß die Parteien, die zentralistisch eingestellt sind, sich durchgesetzt haben und daß föderalistische Organe wie der Bundesrat und diese ausgeprägteste föderalistische Partei des Bundestages, die Bayernpartei,
ausgeschaltet werden sollen; ein schlechter Auftakt für die Zusammenarbeit in einem föderalistischen Europa!
— Es handelt sich nicht um die Einschätzung, sondern um das Prinzip! —
Wenn die Flüchtlinge angesichts dieses europäischen Problems mit Recht verlangen, daß sie vertreten sind, und man ihnen aus allen Parteien drei Sitze gibt, dann ist es interessant, daß man Bayern nur einen Sitz durch den CSU-Abgeordneten Fürst Fugger von Glött genehmigt.
und daß unter 18 nur 1 Bayer dort ist. Das zeigt die bewußte Einstellung gegen alle Bayern dieses Bundestages.
Wir haben uns bereit erklärt, im Rahmen einer gesamtdeutschen Vertretung mitzuarbeiten; Sie wollen uns in einer gesamtdeutschen Vertretung nicht haben; Sie stellen uns zur Seite und behandeln uns in einer Weise, wie es einfach für eine europäische föderalistische Idee ein Hohn ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! Auch die Zentrumspartei bedauert,
daß die Europarat-Angelegenheit einen so unglücklichen Start nimmt.
— Herr Dr. Wuermeling, wenn Sie uns nichts Besseres zu sagen wissen als das, dann beschränken Sie das doch auf die Wahlversammlungen. Ich bin der Ansicht, daß Sie doch nicht verwechseln sollten, wo Sie sind. Wir sind nicht in einer Wahlversammlung, sondern vor dem Deutschen Bundestag und sprechen über den Europarat. Auch eben habe ich bei den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Seelos bedauert, daß die Mehrheit des Hauses, die sich sehr gern der Stimmen der Bayernpartei bedient, wenn sie sie gebrauchen kann, so wenig Verständnis für die Darlegungen seines Standpunktes hatte,
den ich nur unterstreichen und anerkennen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem hier der Beschluß in Sachen Europarat unlängst gefaßt worden ist, ist in der Öffentlichkeit viel darüber debattiert worden, und es wäre der
Mühe wert, sich diese Gedanken auch einmal in
diesem Gremium durch den Kopf gehen zu lassen.
Der Deutsche Rat der Europäischen Bewegung hat seine Ansprüche angemeldet, und es scheint, daß es nicht grundlos und nicht sinnlos ist, wenn gerade diese Trägerin des Europagedankens Ansprüche erhebt. Es ist vom Bundesrat ein Anspruch angemeldet worden. Über alles das wird nicht etwa nach den Gesichtspunkten der inneren Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit entschieden, sondern man hat den Eindruck: es wird majorisiert; die Parteien, die die Mehrheit haben, können sich das leisten.
Aus diesen inneren Gründen erklären wir unser Bedauern über diese Art des Vorgehens. Man sollte eine solche Delegation so auswählen, daß sie ein Widerspiel, ein Abbild des Parlaments darstellt, aber nicht nach machtpolitischen Gesichtspunkten und nicht in dem Bestreben: wir haben die Macht und setzen uns deswegen durch.
Ich erinnere noch daran, daß man die Arbeitsgemeinschaft, die die WAV und das Zentrum zum Zwecke der Ausübung des Stimmkartells, wie es die Geschäftsordnung vorsieht, gebildet haben, bei dieser Gelegenheit übergehen will. Wir haben dasselbe Recht, das die Deutsche Partei und die FDP bei einem der nächsten Punkte der Tagesordnung für sich in Anspruch nehmen werden, wo sie nämlich für den Richterwahlausschuß beim Bundesfinanzhof sich darauf berufen.
— Es ist gestern im Ältestenrat von dem Vertreter der FDP gesagt worden, daß sie sich darauf berufen.
— Ich habe Ihnen das sofort gestern vorgehalten, und Sie haben es nicht für richtig gehalten, mir zu widersprechen. Sie haben es also doch getan.
Aber wenn Sie schon die Geschäftsordnung nur nach Belieben anwenden wollen, meine Damen und Herren, dann fehlt uns allerdings die Diskussionsgrundlage. Ich bedauere, daß bei dieser Gelegenheit so kraß zum Ausdruck kommt, daß die Mehrheit dieses Hauses die Geschäftsordnung nicht nach Recht und Gerechtigkeit, sondern vom Machtstandpunkt aus anwenden will.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich mache Ihnen den Vorschlag, daß wir über die von mir verlesene Liste en bloc abstimmen. Sind Sie damit einverstanden? —
Dann ist so beschlossen. Wer dafür ist, daß die
von mir verlesenen Mitglieder dieses Hauses als
Delegierte oder als stellvertretende Delegierte zum
Europarat in Straßburg entsandt werden, den
bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Die vorgeschlagenen Mitglieder sind gegen 18 Stimmen gewählt.
— Ich bitte um Entschuldigung. — Die Vorschläge sind gegen 34 Stimmen angenommen.
- Die habe ich mitgezählt; darauf können Sie sich
verlassen. Mein Blick geht bei Abstimmungen immer zuerst nach dieser Seite.
Ich rufe nun als dritten Punkt der Tagesordnung auf den
Mündlichen Bericht des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über die Anträge der Fraktion der Deutschen Partei betreffend deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjetunion und der Abgeordneten Mende und Genossen betreffend Verurteilung deutscher Kriegsgefangener zu Zwangsarbeit in der Sowjetunion
und erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier als Berichterstatter. In der Zwischenzeit ist die Drucksache Nr. 1233 verteilt worden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und die Auswärtigen Angelegenheiten hat in den letzten Wochen und Monaten in einer sehr sorgfältig durchgeführten Untersuchung unter Heranziehung namhafter deutscher Sachverständiger die deutsche Kriegsgefangenenfrage noch einmal durchberaten. Der Antrag des Ausschusses, den ich Ihnen hiermit vortragen darf, lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjet-Union und den Antrag der Abgeordneten Mende und Genossen betreffend Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener zu Zwangsarbeit in der Sowjet-Union (Drucksache Nr. 385) als erledigt zu erklären durch die Annahme folgender Entschließung:
Die Moskauer Konferenz der Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Französischen Republik und der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken hat am 23. April 1947 beschlossen, als Endtermin für die Heimsendung sämtlicher Kriegsgefangenen den 31. Dezember 1948 festzusetzen.
Zur bitteren Enttäuschung des deutschen Volkes kehrten viele deutsche Kriegsgefangene bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht zurück. Noch mehr wurde das deutsche Volk durch die TASS-Meldung vom 5. Mai 1950 erschüttert, mit Ausnahme von 13 645 Verurteilten, Untersuchungsgefangenen und Kranken seien nunmehr alle Kriegsgefangenen entlassen. Diese Meldung kann schon deswegen keinen Glauben finden, weil allein die Zahl der namentlich bekannten deutschen Kriegsgefangenen, die nachweislich um die Jahreswende 1949/50 noch gelebt haben und inzwischen nicht zurückgekehrt sind, im Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen die in der TASS-Meldung enthaltenen Angaben um ein Mehrfaches
übersteigen. Es bestehen gute Gründe für die Annahme, daß darüber hinaus eine große Anzahl von Kriegsgefangenen in der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken, den von ihr besetzten und abhängigen Gebieten sowie in der Äußeren Mongolei leben, die noch keine Nachricht über ihr Schicksal geben konnten.
Wir beklagen tief, daß die Machthaber des Dritten Reiches bei der Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener vielfach gegen das Völkerrecht verstoßen haben. Aber auch bei der Behandlung deutscher Kriegsgefangener ist von allen Gewahrsamsländern in mehr oder minder großem Maße gegen das Völkerrecht verstoßen worden. Äußerungen offizieller sowjetischer Vertreter und die Teilnahme von sowjetischen Rechtspflege-Organen am Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg und Tokio beweisen, daß die Union Sozialistischer Sowjet-Republiken sich im Prinzip an das für Kriegsgefangene gültige völkerrechtliche Gewohnheitsrecht, wie es vor allem in der Haager Landkriegsordnung von 1907 niedergelegt ist, zu halten gebunden fühlt. Dies wird auch dadurch bewiesen, daß sie die neue Genfer Konvention von 1949 unterzeichnet hat.
Trotz dieser Anerkennung des völkerrechtlichen Vertrags- und Gewohnheitsrechtes ist das tatsächliche Verhalten der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken durch schwere Verletzungen der unter allen Völkern anerkannten Zivilisationsnormen gekennzeichnet:
1. Sie hat niemals die von ihr festgehaltenen Kriegsgefangenen namentlich bekanntgegeben.
2. Sie hat zu keinem Zeitpunkt Angaben darüber gemacht, welche deutschen Kriegsgefangenen in der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken verstorben sind.
3. Sie hat entgegen den bei allen Völkern feststehenden Gebräuchen nicht als Kombattanten im Sinne der Haager Landkriegsordnung geltende Frauen als Kriegsgefangene festgehalten und sie zu schwersten Arbeiten herangezogen .
4. Sie hat die Möglichkeiten des Schriftverkehrs zwischen den Kriegsgefangenen und ihren Angehörigen teils unzulässigerweise beschränkt, teils überhaupt nicht gestattet.
5. Sie hat Ende 1949, also 4 1/2 Jahre nach Einstellung der Feindseligkeiten, zu einem Zeitpunkt, als der von ihr selbst in Aussicht gestellte Termin für die Heimsendung der Kriegsgefangenen herannahte, Massenverurteilungen von Kriegsgefangenen zu langjährigen Freiheitsstrafen vorgenommen, die klar erkennen lassen, daß mit diesen Verurteilungen etwas anderes beabsichtigt wird als die Sühne für etwa begangene Verbrechen.
a) Die Verurteilungen erfolgten gruppenweise und betrafen einen größeren Teil der zu diesem Zeitpunkt in sowjetischer Hand befindlichen Kriegsgefangenen.
b) Die Anklagepunkte - soweit bekannt geworden — beziehen sich nicht auf Kriegsverbrechen, wie sie in der Haager Landkriegsordnung und in den beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg aufgestellten Grundsätzen definiert wurden.
c) Kollektive Verurteilungen ohne individuellen Schuldennachweis überwiegen.
d) Die Verfahren waren geheim, sie ermangeln einer wesentlichen Rechtsgarantie, die unter allen Völkern gebräuchlich ist, der Möglichkeit einer wirklichen Verteidigung.
e) Die angewandten Strafmaße von 10 bis 25 Jahren Zwangsarbeit sind in ihrer Anwendung vollkommen starr und stehen in keinem Verhältnis zur Schwere der angeblich verübten Verfehlungen.
f) Die verurteilten Personen sind von jeglichem Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten. Nicht einmal von der Tatsache ihrer Verurteilung können sie Kenntnis geben.
Durch ihre Teilnahme an der Rechtsprechung des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg hat nun die Union Sozialistischer Sowjet-Republiken vor aller Welt zu erkennen gegeben, daß auch sie die Verschleppung von Zivilpersonen als Kriegsverbrechen ansieht. Trotzdem hat die Union Sozialistischer Sowjet-Republiken entgegen allen völkerrechtlichen Grundsätzen große Massen von deutschen und volksdeutschen Zivilpersonen, Männer, Frauen und Kindern aus den von der Roten Armee besetzten oder abhängigen Gebieten verschleppt, ohne daß diese Menschen bisher in der Lage waren, ein Lebenszeichen von sich zu geben.
Weder über die Tatsache der Verschleppung noch über die Zahl der Verschleppten ist bisher eine Äußerung der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken erfolgt. Nachweislich handelt es sich um Hunderttausende.
Diese Tatsachen erfüllen das ganze deutsche Volk mit ernster Besorgnis um das Schicksal der in der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen und Zivilpersonen.
Der Deutsche Bundestag weist mit großem Ernst darauf hin, daß bei der Behandlung deutscher Kriegsgefangener und verschleppter Zivilpersonen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen worden ist. Die fortgesetzte Nichtbeachtung der allgemein verbindlichen Norm hat nicht nur den deutschen Kriegsgefangenen und verschleppten Zivilpersonen unermeßliche Leiden zugefügt, sondern auch die schmerzliche Tatsache einer Zersetzung der Völkerrechtsgemeinschaft geschaffen. Die Folgen sind für die gesamte Menschheit unübersehbar.
Im Vertrauen auf die Unterstützung aller friedliebenden Völker und im Vertrauen auch auf den Gerechtigkeitssinn der Völker der Union Sozialistischer Sowjet - Republiken richtet daher das deutsche Volk durch seinen Bundestag an diese die Aufforderung:
1. Alle noch in der Union Sozialistischer Sowjetrepubliken gegen ihren Willen zurückgehaltenen Deutschen unverzüglich freizulassen, soweit ihnen persönlich keine Kriegsverbrechen, wie sie in der Haager Landkriegsordnung und in den beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg aufgestellten Grundsätzen definiert sind, nachgewiesen werden können.
2. Bis zur Heimsendung der noch zurückgehaltenen Deutschen ihnen den Brief- und Paketverkehr mit ihren Angehörigen zu gestatten.
3. Für die wegen solcher Kriegsverbrechen oder anderer Vergehen abgeurteilten Deutschen eine Revision des Urteils in einem geordneten Gerichtsverfahren zu ermöglichen.
4. Die Namen aller noch in der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken befindlichen Deutschen einschließlich der wegen Kriegsverbrechen oder sonstiger Vergehen Verurteilten zu nennen.
5. Die Namen der seit ihrer Gefangennahme bzw. auch ihrer Verbringung in das Gebiet der Union Sozialistischer Sowjet-Republiken verstorbenen Kriegsgefangenen und Zivilgefangenen mitzuteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Ansprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Gesamtaussprache auf 40 Minuten zu beschränken. Ist das Haus damit einverstanden?
— Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl. Sie haben drei Minuten.
Meine Damen und Herren! Zur Frage der Rückkehr deutscher Kriegsgefangener oder, wie behauptet wird, zur Zurückhaltung deutscher Kriegsgefangener haben wir in einer Sitzung des Bundestages eingehend Stellung genommen. Ich brauche dieser Erklärung, die wir damals abgaben, nichts hinzuzufügen. Aber wir halten es für notwendig, auf die heute von dem Berichterstatter des Ausschusses für das Besatzungsstatut vorgetragenen Argumente immerhin einiges zu erwidern, um auch in der Öffentlichkeit Klarheit über die Rolle zu schaffen, die die Kriegsgefangenen in dieser Angelegenheit, in Ihrer politischen Konzeption spielen sollen.
In der vorgelegten Entschließung wird in dem ersten Abschnitt auf die Moskauer Konferenz Bezug genommen und dabei allerdings vergessen zu sagen, daß dort etwas wesentlich anderes beschlossen worden ist bzw. daß dort verlangt worden ist, in die Zahl auch diejenigen einzubeziehen, die auf dem zivilen Sektor beschäftigt sind und für gewisse militärische Dienstleistungen mit in Anspruch genommen werden. Der Vertreter der Sowjet-Union hat auf dieser Moskauer Konferenz damals sehr eindeutig verlangt, daß die Zahlen veröffentlicht werden sollen. Die Veröffentlichung dieser Zahlen ist leider abgelehnt worden. Aber etwas ist in dieser Erklärung besonders charakteristisch. Ich empfehle es der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, daß man in dieser Entschließung bereits nicht mehr positive Zahlen angibt, so wie es in der Regierungserklärung durch Herrn Kanzler Adenauer auf die TASS-Meldung geschehen ist, sondern hier nur noch rein platonisch von mehrfachen Übersteigerungen spricht.
Ich bin auch der Meinung, daß es objektiv und den Tatsachen entsprechend wäre, wenn auch in dieser Erklärung festgestellt worden wäre, daß auf derselben Moskauer Konferenz — und die Konferenz war im April 1947 — die Zahl von 890 000 Kriegsgefangenen mitgeteilt worden ist. Diese Zahl ist damals von der englischen Regierung als richtige Zahl bestätigt worden.
Das hierzu!
Ich glaube, daß eine Zusammenstellung von Pressemeldungen gerade über die sogenannte Zurückhaltung oder über die angebliche Zurückhaltung von Kriegsgefangenen wirklich nicht uninteressant ist. So hat die „Frankfurter Rundschau" Ziffern des Herrn Pfarrer Mertens zitiert, der nach der von Ihnen durchgeführten Registrierung der angeblich noch zurückgehaltenen Kriegsgefangenen von einer Zahl von 69 000 spricht.
Wenn wir uns die Entwicklung einmal chronologisch überlegen, dann stellen wir folgendes fest. Herr Bundeskanzler Adenauer hat zunächst von eineinhalb Millionen gesprochen. Ein paar Wochen später waren es noch eine Million; dann waren es 69 000, die noch zurückgehalten werden. Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe von Pressemeldungen aller Schattierungen zitieren, z. B. der „Welt", der „Frankfurter Rundschau", die eindeutig zeigen, welche Rolle man den Kriegsgefangenen zuzuschieben gedenkt und welche Mittel man anwendet, um im deutschen Volk eine Stimmung gegen die Sowjetunion, eine Stimmung der Kriegsvorbereitung zu schaffen. Dazu geben wir unter keinen Umständen die Hand her.
Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich, ob Sie qualifiziert sind, immer in starken moralischen Tönen über die angebliche Zurückhaltung der Kriegsgefangenen zu reden, Sie, die Sie täglich und stündlich die Sowjetunion mit Ihren Schmutzkübeln beehren.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer mit der Entschließung auf Drucksache Nr. 1233 einverstanden ist, den bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bekunden. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Gegen 4 Stimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe als vierten Punkt die Ziffer 1 der gedruckten Tagesordung auf:
Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedereinführung der Befreiung nichtöffentlicher Schulen und Erziehungsanstalten von der Umsatzsteuer (Nr. 656, 1123 der Drucksachen);
Zusammenstellung der Beschlüsse der zweiten Beratung ; (erste Beratung: 31. und 52. Sitzung, zweite Beratung: 78. Sitzung).
Ich soll Ihnen bekanntgeben, daß der Haushaltsausschuß nunmehr tagen wird.
Die Abstimmung über Drucksache Nr. 1123 werden wir entsprechend dem Beschluß, den Sie zu Beginn der Sitzung gefaßt haben, nach 12 Uhr vornehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat in der vorigen Sitzung der dritten Lesung widersprochen. Inzwischen hat sie überlegt, ob sie einen konstruktiven Beitrag zu einer möglichst einheitlichen Lösung dieser Frage leisten kann. Sie bittet heute, zuzustimmen, daß der Gesetzentwurf der Drucksache Nr. 1123, soweit er sich mit dem § 7 des Umsatzsteuergesetzes beschäftigt, nochmals an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zurückverwiesen wird. Bisher hat nur zur Erörterung gestanden, ob der Absatz 4, der sich mit den bekannten Unternehmungen beschäftigt, die einen Einzelhandelsumsatz von mehr als 1 Million Mark haben, bestehenbleiben oder fortfallen soll. Nach unserer Auffassung gibt es auch eine dritte Lösung. Man muß sich fragen, ob der Betrag von 1 Million Mark, der im Jahre 1932 festgesetzt worden ist, den heutigen Verhältnissen noch entspricht. Wir verneinen diese Frage. Wir halten es deshalb für gut — nur deshalb —, daß die Angelegenheit in dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen nochmals überlegt wird. Wir haben die Hoffnung, daß wir dann zu einer Lösung kommen werden, der der größte Teil dieses Hauses zustimmt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die dem Nicht-Steuerkenner etwas ferner liegenden Grundsätze und maßgeblichen Umstände, die für den § 7 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 1930 entscheidend sind, sind in der zweiten Lesung hier im Hause deutlich angesprochen worden. Bei der Novelle des Jahres 1930, die der Reichskanzler Dr. Brüning herbeigeführt hat, handelt es sich ausgesprochenermaßen um eine Steuergesetzgebung zum Schutz der breiten Schichten des Mittelstandes, weil der kleine Einzelhändler nicht etwa nur durch die Genossenschaften und die Warenhäuser, sondern viel mehr noch durch die sogenannten Großfilialbetriebe wie Kaisers Kaffee-Geschäft, Tengelmann, Thams & Garffs, und wie alle die Unternehmungen heißen, immer mehr zum Filialleiter in abhängiger Stellung umgeformt und aufgesogen wurde. Dieser Schutz des Mittelstandes sollte uns von der Koalition, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, heute mindestens so sehr am Herzen liegen wie Herrn Reichskanzler Dr. Brüning im Jahre 1930. Ich möchte hier nicht wie der Herr Abgeordnete Mensing die SPD anreden, die sich schützend vor ihre Konsumvereine stellt, und an irgendwelche Worte des Parteiführers Dr. Schumacher erinnern, sondern ich möchte hier an die Worte des Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer in der Regierungserklärung vom 20. September 1949 zu erinnern. Dort heißt es:
Die Bundesregierung wird es sich besonders
am Herzen liegen lassen, den Mittelstand in
allen seinen Erscheinungsformen zu festigen und ihm zu helfen.
Darauf: „Bravo! in der Mitte", also von den Kollegen der CDU/CSU. Dr. Adenauer sagt weiter: Wir sind durchdrungen von der Überzeugung, daß dasjenige Volk das sicherste, ruhigste und beste Leben führen wird, das möglichst viele mittlere und kleinere unabhängige Existenzen in sich birgt.
Auch darauf: „Sehr richtig! in der Mitte und rechts". Ich bitte, das im Stenographischen Bericht nachzulesen. Wenn wir diese Worte in der Regierungserklärung mit „Bravo!" versehen haben, so begreife ich nicht, wie die größte Koalitionsfraktion es über sich bringen kann, eine Bestimmung zum Schutze des Mittelstandes, die jetzt seit genau 20 Jahren mehr oder weniger unbeanstandet in Kraft ist, deshalb aufheben zu lassen, weil gewisse Konsumgenossenschaften auch davon betroffen sind.
Ich weiß nicht, wie wir zum Beispiel in Schleswig-Holstein im Deutschen Wahlblock gemeinsam Politik machen sollen und können, wenn eine maßgebliche Fraktion in dieser Weise mittelstandsfeindlich ist. Ich bitte doch, die weitgehenden Konsequenzen der Abstimmung in diesem Punkte zu bedenken und dem Antrag der FDP auch seitens der Fraktion der CDU zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre an sich, nachdem wir in der zweiten Lesung zu den Fragen, die uns heute bei diesem Punkt der Tagesordnung beschäftigen, eingehend Stellung genommen haben, nicht notwendig gewesen, daß nochmals groß dazu geredet wird. Ich bin der Meinung, daß wir die Dinge leidenschaftslos betrachten sollten. Es hat wenig Überzeugungskraft, wenn zum Ausdruck gebracht wird, diese erhöhte Umsatzsteuer sei ein Schutzgesetz. Wir haben einen Gesamtumsatz von zirka 35 Milliarden im Einzelhandel, und wenn wir davon den Gesamtumsatz der Gruppen nehmen, die von der erhöhten Umsatzsteuer erfaßt werden, dann beträgt dieser 4,1 %, und zwar im Jahre 1949. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß der Gesamtumsatz der Konsumgenossenschaften, die mit darunter fallen, nur 716, 720 Millionen von 35 Milliarden, also ganze 2 % beträgt. Ich kann mir daher nicht vorstellen, daß in diesem Falle die 90 bzw. 98 % vor den 10 bzw. 2 %, die unter die erhöhte Umsatzsteuer fallen, Furcht haben müssen.
Ich bin der Meinung, daß gerade in dieser erhöhten Umsatzsteuer Härten liegen. Alle diese Betriebe müssen Backwaren und Mehl mit 3 3/4 % versteuern gegenüber nur 1 1/2 % beim sonstigen Einzelhandel.
Wenn wir uns das bei der geringen Spanne vor Augen halten — wir haben uns ja dieser Tage wieder über den Brotpreis gestritten, und eine Möglichkeit, diese Erhöhung im Bäckergewerbe und in der Mühlenindustrie aufzufangen, wurde bestritten; gut, wir wollen das anerkennen — und wenn dann ein großer Teil der Betriebe, die unter die erhöhte Umsatzsteuer fallen, 2 1/4 % mehr zahlen muß, dann ist das unerträglich. Ich
Deutscher Bundestag — Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juli 1950 2843
bitte deshalb, Einsicht walten zu lassen und das Unrecht, das 1930 durch diese erhöhte Umsatzsteuer herbeigeführt wurde, jetzt endlich abzuschaffen.
Ich bin auch der festen Überzeugung, daß, wenn wir diese erhöhte Umsatzsteuer fallen lassen, dadurch der Einzelhandel nicht geschädigt wird.
Denn wir werden in den Konsumvereinen auch in den nächsten vier Wochen nach Abschaffung des Gesetzes, nach Fortfall der erhöhten Umsatzsteuer nicht ein einziges Mitglied mehr zu verzeichnen haben. Wir werden nicht feststellen können, daß auch nur ein einziger Käufer mehr da sein wird.
Wenn Sie es aus fiskalischen Gründen ablehnen, dann könnten Sie sagen, daß es sich um 22 oder 25 Millionen handelt. Bedenken Sie, daß die Umsatzsteuer absetzbar ist, so daß praktisch doch die Hälfte dieses Betrages in den Staatssäckel zurückfließt. Da es darauf ankommt, daß wir gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, — —
— Das hat der Finanzminister — —
— Es freut mich, daß Sie das zugeben.
— Dann bestätigen Sie ja das, was der Finanzminister mehr als einmal betont hat, indem er sagte: ich will in der Steuer eine gleiche Linie;
ich will nicht Vorbelastungen. Stimmen Sie also unserm Antrage zu!
Sie sagen nun, daß hier eine Stufe übersprungen wird.
— Den Beweis bleiben Sie uns ja schuldig! — Obwohl Sie die Zahlen ablehnen werden, will ich sie doch zur Kenntnis des Hauses bringen. Das Handelswissenschaftliche Institut der Universität Köln hat eine genaue Prüfung dieser Dinge vorgenommen und ermittelt, daß im gesamten Lebensmitteleinzelhandel 17 % direkt beim Hersteller, 60 % im Großhandel und 21 % bei Großeinkaufsgesellschaften — Edeka usw. — gekauft werden. Bei den Drogerien sind die Zahlen: 42 % direkt beim Erzeuger, 46 % im Einzelhandel und 10 % bei Einkaufsgemeinschaften. Im Textileinzelhandel lauten die Ziffern: 63, 24 und 7 %, und so könnte ich Ihnen noch weitere Zahlen nennen. Ich will damit zum Ausdruck bringen, daß auch der Einzelhandel, soweit er nicht unter die erhöhte Umsatzsteuer fällt, in großem Maße direkt bei der Produktion kauft. Im Schuhwareneinzelhandel geht das bis über 90 % hinaus. Also wird auch da die Stufe übersprungen, und wenn das da schon der Fall ist, dann müßte nach meiner Meinung das Haus dem Rechnung tragen, was beantragt worden ist, und dafür eintreten, daß diese erhöhte Umsatzsteuer endlich fällt.
Dieser Antrag hat auch nichts mit einer Mittelstandsfeindlichkeit zu tun.
Es ist nicht daran zu denken, — —
Herr Kollege Mensing, ich habe Sie das letztemal ja auch nicht unterbrochen. Ich bitte Sie doch, auch mich reden zu lassen. — Der Antrag hat mit Mittelstandsfeindlichkeit nichts zu tun. Wir wollen einen gesunden Mittelstand und werden den auch dadurch nicht treffen, daß wir jetzt gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus dringend, dem Antrag so wie in der zweiten Lesung auch in der dritten Lesung zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Semler.
— Haben Sie sich nicht gemeldet? Ich bitte, meinen Irrtum zu entschuldigen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.
— Der Abgeordnete Paul steht auf meiner Liste vor dem Abgeordneten Schuler.
Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu dem Art. I des vorliegenden Gesetzentwurfs einige Ausführungen machen. Wir haben bei der Beratung des Grundgesetzes durch unsere Vertreter zum Ausdruck gebracht, daß wir uns gegen die Einrichtung von nichtöffentlichen Schulen und Erziehungsanstalten wenden. Wir sind der Meinung, daß man die öffentlichen Schulen und Erziehungsanstalten so ausgestalten sollte, daß sie den pädagogischen und schulischen Zweck vollständig erfüllen. Wir können aus diesem Grunde dem Art. I, der die privaten Schulen begünstigt, nicht zustimmen. Wenn es Eltern für nötig halten, ihre Kinder in nichtöffentliche Schulen, Internate und Erziehungsanstalten zu schicken, und dies auf Grund des angedeuteten Artikels des Grundgesetzes auch tun, dann massen sie für die Unterhaltung dieser Schulen schon selbst aufkommen. Öffentliche Mittel dafür bereitzustellen, halten wir für verfehlt. Man sollte die Mittel vielmehr in die staatlichen Schulen hineinstecken.
Dem Art. III, der eine Ermäßigung der Umsatzsteuer vor allem für die Konsumgenossenschaften vorsieht, werden wir zustimmen.
Dies wollte ich im Namen der kommunistischen Fraktion zum Ausdruck gebracht haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schuler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den verschiedenen Ausführungen, die von der CDU zu dem Antrag Drucksache Nr. 420 gemacht werden, werden Sie ohne weiteres merken, daß wir uns innerhalb unserer Fraktion zu keiner einheitlichen Stellungnahme durchringen konnten. Weil aber in der CDU bekanntlich kein Fraktionszwang besteht,
haben wir die Abstimmung freigegeben. Deshalb ist es uns auch erlaubt, vor dem Plenum unsern Standpunkt zu vertreten.
Nun zur Sache! Die Voraussetzungen, die im Jahre 1930 zum Einzelhandelsschutzgesetz geführt haben, nach welchem die Mammutbetriebe des
Handels, soweit sie über eine Million Mark Umsatz im Einzelhandel erreichen, in eine höhere Umsatzsteuer genommen wurden, die zur zeit ein Mehr von 3/4 % beträgt, um den gewerblichen Mittelstand vor Aufsaugung zu schützen, — diese Voraussetzungen, meine Damen und Herren, bestehen heute noch.
Heute mehr denn je ist der kleine und mittlere Geschäftsmann gefährdet, durch die Großbetriebe auf dem wirtschaftlichen Erntefeld immer mehr zurückbugsiert und zuletzt zum Ährenleser degradiert zu werden.
Lassen Sie mich aus dem schweren Daseinskampf des Einzelhandels nur ein Beispiel nennen. Bei der Verteilung der ERP-Kredite, die über unsere Wirtschaft ausgeschüttet wurden, ist der Einzelhandel bekanntlich mit leeren Händen ausgegangen; denn diese Kredite wurden der Industrie und der Landwirtschaft und mit einem ganz minimalen Restbetrag dem Handwerk zugeteilt. Daraus erhellt ohne weiteres, daß der Einzelhandel auf die Kreditangebote des freien Geldmarktes angewiesen ist. Ich darf als bekannt voraussetzen, daß seit der Währungsreform der Andrang bei den Sparkassen sehr bescheiden ist. Dementsprechend wird auch nur sehr knapp Leihkapital angeboten, und es ist unerhört teuer. Daraus ergibt sich, daß sich die Unternehmer, wenn von den Geldinstituten Kreditangebote ausgeschrieben werden, wie hungrige Wölfe darauf stürzen, um sie mit Dreck und Speck unbesehen hinunterzuschlingen, unbesehen sowohl bezüglich der Zinshöhe als auch bezüglich der geforderten Sicherheiten. Es hat sich herumgesprochen, daß heutzutage ein Geschäftsmann nicht nur Hab und Gut, sondern beinahe Weib und Kind verpfänden muß, um überhaupt Fremdkapital ins Geschäft hineinzubekommen.
Die seither gewährten kurzfristigen Kredite sind dem Geschäftsmann durch die steuerliche Überlastung ebenso kurzfristig wieder abgesaugt worden. Erschwerend kommt noch in Betracht, daß im. Einzelhandel der Inanspruchnahme teurer Bankkredite immer eine ganz langsam beginnende, sich aber nachher immer schneller steigernde Verschuldung bei den Vorlieferanten vorausgeht. Es kommt weiter verschärfend in Betracht, daß Zehntausende kleiner Geschäftsleute durch Feindeinwirkung ihre Habe verloren haben und ihre Existenz neu aufbauen müssen. Die zur Zeit so zahlreich zu Protest gehenden Wechsel beweisen die Richtigkeit meiner Ausführungen; sie beweisen aber auch, daß es ganz absurd ist, einer kapitalkräftigen Wirtschaftsgruppe derartig die Hasen in die Küche zu jagen, daß man ihnen eine Steuerermäßigung von mindestens 40 Millionen DM in einer Notzeit ohnegleichen in den Schoß wirft,
in einer Zeit, in der wir nicht einmal die berechtigten Fürsorgeanträge, die an uns gestellt werden, befriedigen können und in der unser Bundesfinanzminister auf der Einnahmeseite mit zunehmender Atemnot zu kämpfen hat.
Ich kann verstehen, daß sich die SPD geschlossen
für diese Steuerermäßigung für die 716 Millionen
DM Umsatz der Konsumvereine einsetzt. Aber ich I kann es nicht verstehen, daß sie dazu die Steuerfreiheit der Warenhäuser für 4 1/2 Milliarden Umsatz in Kauf nehmen will. Deshalb bitte ich das Hohe Haus, diesen Antrag auf Drucksache Nr. 420 abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Koch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Wellhausen hatte uns im Namen seiner Fraktion einen konstruktiven Vorschlag versprochen, den sich seine Fraktion in der vergangenen Woche überlegt hätte. Wenn nun der konstruktive Vorschlag so aussieht, daß die hier zu beratende Angelegenheit wieder in den zuständigen Ausschuß zurückverwiesen werden soll, dann — das muß ich offen sagen — kann mir die Fraktion leid tun,
denn diese Umsatzsteuerangelegenheit ist in so vielen Beratungen des Ausschusses für Finanzen und Steuern durchgesprochen worden, daß meines Erachtens keine Veranlassung mehr besteht, sie noch einmal im Finanzausschuß zu behandeln.
— Der „neue" Gedanke, die Grenze von einer Million, die in § 7 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes für den Einzelhandel festgelegt ist, meinetwegen auf 5 oder 10 Millionen heraufzusetzen, ist nicht neu; denn auch er ist schon angetippt worden.
Vor allem aber ist er nicht gut, denn wir treffen mit dieser Sondersteuer nicht etwa — das habe ich in der letzten Sitzung schon betont — die Warenhäuser oder Kaufhäuser oder Konsumgenossenschaften oder Filialgeschäfte, sondern wir treffen in jedem Fall, ganz einerlei, wo Sie die Grenze festsetzen, ob bei einer oder hei 10 Millionen, die breiten Schichten des Volkes, die in diesen Kaufhäusern, Warenhäusern, Konsumgenossenschaften und Filialgeschäften zu billigen Preisen einkaufen, weil sie gezwungen sind, nicht etwa nur die Mark, sondern den Pfennig in der Hand umzudrehen. Sie wissen genau so gut wie wir, daß diese Sonderbesteuerung eine ganz unsoziale Angelegenheit ist,
weil sie nicht den Einzelhandel trifft, sondern immer wieder die breiten Schichten des Volkes. Sie hätten Ihre Stimme bei der Änderung der Einkommensteuer erheben sollen; denn die Einkommensteuer, meine Damen und Herren, ist eine Steuer, die sozial gestaffelt sein kann und sozial gestaffelt sein muß, während die Umsatzsteuer diese Bedingungen nicht kennt, sondern eine gleichmäßig kalkulierbare Steuer ist, die in jedem Fall der letzte Verbraucher zu tragen hat.
Sie gehen, meine Damen und Herren, von ganz falschen Voraussetzungen aus, wenn Sie meinen, daß durch diese Sonderbesteuerung dem Einzelhandel irgendwelcher Schutz gewährt würde. Wenn der Kollege Ewers hier gesagt hat, der Mittelstand habe Herrn Brüning besonders am Herzen gelegen und aus diesem Grunde habe Brüning diese Sonderbesteuerung 1930 eingeführt,
so ist dazu zu sagen: Herr Brüning hätte überhaupt nicht an diese Sonderbesteuerung gedacht, wenn nicht damals die Wirtschaftspartei als legitime Vorgängerin der NS-HAGO die Regierung zu dieser unsozialen Steuer gezwungen hätte,
weil diese Wirtschaftspartei damals das Zünglein an der Waage war.
— Sie pflegen das sonst mit „Kuhhandel" zu bezeichnen, Herr Kollege Mensing!
— Ich betone noch einmal, meine Damen und Herren, daß diese Sonderbesteuerung dem mittelständischen Einzelhandel tatsächlich keinen Schutz gibt. Ich beziehe mich auf diesen Kronzeugen: „Der deutsche Handel", die Schrift des Einzelhandels, und ich möchte Ihnen einige Sätze aus dem Aufsatz über den Kollektiveinkauf hier zur Kenntnis geben.
Es heißt da:
Der mittelständische Handel zielt seit Jahrzehnten auf eine Drosselung der Genossenschaften, Warenhäuser und Filialunternehmen hin. Es zeigt sich nun aber, daß die im Sinne der Bekämpfung der Großbetriebe getroffenen Maßnahmen sich als Fehlmaßnahmen erwiesen haben.
Die Folge der staatsinterventionistischen Sonderbesteuerung war und ist die Tatsache, daß die betroffenen Unternehmen ihre Bemühungen auf Weiterrationalisierung der Betriebe verdoppelten.
Und dann noch dieser Satz aus dieser Schrift des deutschen Einzelhandels:
Weite Kreise des mittelständischen Einzelhandels haben erkannt, daß mit Verboten und Sondersteuern der Konkurrenz der Genossenschaften, Warenhäuser und Filialgeschäfte nicht beizukommen ist, sondern nur die eigene Leistungssteigerung zur Rettung ihrer Stellung führen kann.
Und darum, meine Damen und Herren, ist es durchaus richtig, wenn der Kollege Pelster im Finanzausschuß diese Sonderbesteuerung eine „Prämie auf die Bequemlichkeit der Kleinbetriebe" genannt hat.
Meine Damen und Herren! Es ist von den Konsumvereinen als von „Ihren Vereinen" — mit dem Blick zur SPD hin — gesprochen worden. Es dürfte Ihnen längst bekannt sein, daß die Konsumgenossenschaften ebenso wie die Gewerkschaften irgendeine Unterscheidung in parteipolitischer Hinsicht oder in konfessioneller Hinsicht nicht mehr kennen. Wir freuen uns darüber, daß wir solche Wortführer wie den Kollegen Pelster und andere, wie wir eben gehört haben, in den Reihen der CDU-Fraktion haben.
Es ist bedauerlich, daß insbesondere der Kollege
Ewers diese Dinge auf ein absolut parteipolitisches
Gleis geschoben hat, wohin diese Sonderbesteuerung als ein soziales Problem bestimmt nicht gehört.
Wir haben an diesem Ort, meine Damen und Herren, mit sehr ernster Sorge in den vergangenen Wochen Überlegungen über die Brotpreise angestellt. Wer von Ihnen kann es denn verantworten, daß auch bei den Konsumgenossenschaften, insbesondere bei den konsumgenossenschaftlichen Bäckereien, eine Umsatzsteuer von 3 3/4 % auf das Brot gelegt wird, während im übrigen das Brot nur 1 1/2 % Umsatzsteuer zu tragen hat. Machen Sie aus Ihren Worten Wirklichkeit und helfen Sie uns, das Brot billiger zu verkaufen. Sie können das, wenn Sie diese unsoziale Steuer beseitigen.
— Ich verstehe Ihren Zwischenruf nicht. Wenn Sie dies nicht verstehen wollen, muß ich darauf verzichten, Sie weiter zu belehren.
Der Kollege Schuler hat davon gesprochen, daß der Einzelhandel an den ERP-Krediten keinen Anteil gehabt hat. Das ist absolut richtig. Aber zu diesem Einzelhandel, der an den ERP-Krediten nicht teilgenommen hat, gehören auch Warenhäuser, Filialgeschäfte und insbesondere auch die Konsumgenossenschaften, die sich um derartige Kredite bemüht haben. Seine Argumentation geht hier also an unserem Thema völlig vorbei.
Wenn dann der Kollege Schuler, beinahe weinend, von der Not des mittelständischen Einzelhandels gesprochen hat, so ist ja zu unserer Freude unser Kollege Mensing ein wandelndes Beispiel dafür, daß es dem Einzelhandel nicht ganz so schlecht gehen kann, wie der Kollege Schuler es ausgeführt hat.
Herr Kollege Mensing, ein bißchen mehr Humor!
Ich habe gesagt: zu unserer Freude!
Ich bitte, das zu beachten.
Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Wirtschaft, in der uns insbesondere die Preisbildung immer wieder sehr große Sorge macht, und gerade Sie, die Sie für diese Wirtschaftspolitik verantwortlich sind, sollten Interesse daran haben, daß die Unternehmen des Einzelhandels, die nachgewiesenermaßen preisregulierend wirken, nicht auch noch für ihre preisregulierende Tätigkeit bestraft werden. Ich darf an eine Edeka-Verbandstagung in Konstanz erinnern. Sie können nicht behaupten, daß die Edeka den Konsumgenossenschaften besonders nahe stünde. Dort hat Dr. Hartmann von der Verwaltung für Wirtschaft ausdrücklich betont, daß „die Genossenschaften bei der Preisbildung eine entscheidende Rolle gespielt und eine ausgleichende Wirkung ausgeübt hätten; die Verwaltung für Wirtschaft begünstige das Genossenschaftswesen, das
möglicherweise den letzten Schutzwall gegen den Staatskapitalismus darstelle". Ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie, die Sie immer von gleichen und gerechten Startbedingungen in der Wirtschaft sprechen, mit derartigen Sondersteuern, mit dieser Sonderumsatzsteuer noch weiterarbeiten können und wollen.
Darum bitte ich im Namen meiner Fraktion, nun endlich in der dritten Lesung dieses Gesetz anzunehmen, für das sich der Finanzausschuß entschieden hat, für das sich auch früher schon mit allen Stimmen der CDU der Wirtschaftsrat entschieden hatte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freudenberg.
Meine Damen und Herren! Ich stehe hoffentlich nicht unter dem Verdacht, daß ich aus irgendwelchen egoistischen Gründen eine Mittelstandspolitik unterstreiche. Ich kann Sie sogar versichern, daß ich unmittelbar von dem Vorschlag, zu dessen Hauptsprecher sich eben Herr Koch gemacht hat, Vorteile hätte. Ich stehe aber auf dem Standpunkt, daß gerade bei den Filialgeschäften eine Senkung dieser Sondersteuer wirklich nicht am Platze ist.
Es ist doch zur Genüge bekannt, daß insbesondere die Filialgeschäfte den unerhörten Vorteil haben, daß sie in ihrem Warenumschlag von Fabrik zu Detailhandel die Umsatzsteuer von 3 % in einer Stufe sparen. Dafür nun einen Ausgleich in 3/4 % Höhe zu haben, scheint mir nicht mehr als absolut billig zu sein.
Unter diesen Umständen, glaube ich, hat der Finanzausschuß die Tragweite dieser Gesetzgebung nicht voll übersehen.
Es wäre vielleicht richtig, wenn man dieses Gesetz auch dem wirtschaftspolitischen Ausschuß noch einmal zur Prüfung geben würde.
Meine Damen und Herren! Es ist schon von einem der Vorredner erklärt worden, daß wir bei der Enge der Finanzlage des Bundes, wie auch ich glaube, wirklich wichtigere Dinge zu erledigen haben, als diese Steuer in einem Augenblick zu senken, in dem wir noch nicht einmal wissen, wie die Mittel gerechterweise aufgebracht werden können, um z. B. unseren Verpflichtungen nach Art. 131 gerecht zu werden.
Weitere Wortmeldungen zur Sache liegen nicht vor.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Mensing zu einer persönlichen Bemerkung das Wort, bitte ihn aber, sich im Rahmen dieser Sprecherlaubnis zu halten.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Dr. Koch hat in sehr netter Form darauf hingewiesen, daß ich hier der Repräsentant des gewerblichen Mittelstandes sei und dieses auch äußerlich verkörpere. Das haben Sie sehr schön zum Ausdruck gebracht, und da ich Humor besitze, will ich Ihnen humorvoll zurückgeben, daß ich auf jeden Fall den Vergleich mit einer großen Anzahl Ihrer Herren aushalte.
Nunmehr noch etwas Positives. Ich halte eine derartige Kampfesweise für höchst unsachlich, um nicht den Ausdruck „unfair" zu gebrauchen. Was würden Sie, meine Herren von der SPD, sagen, die Sie doch immer angeben, die Vertreter der Arbeiterschaft zu sein, wenn ich ein solches Argument benutzen würde, um damit die Arbeiterschaft zu diffamieren, genau so wie neulich ein anderer Kollege Ihrer Fraktion — es war der Herr Kollege D r. Seuffert, ich lege Wert auf diese Betonung —, sagte: d e r Fleischermeister Mensing. Ich glaube; es ist in diesem Haus nicht üblich, sich solcher Umgangsformen zu bedienen. Bringen Sie mich nicht in die Verlegenheit, daß ich gezwungen werde, einzelnen Ihrer Herren „Knigges Umgang mit Menschen" zusenden zu müssen.
Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir haben vereinbart, Abstimmungen erst von 12 Uhr ab vorzunehmen. Ich stelle daher diesen Tagesordnungspunkt insoweit bis 12 Uhr zurück. Um die Damen und Herren zu orientieren, worüber abgestimmt werden muß, stelle ich fest: Es muß um 12 Uhr zu diesem Punkt einmal über den Antrag Wellhausen auf Zurückverweisung an den Ausschuß abgestimmt werden; und dann wird artikelweise abgestimmt werden und wird die Schlußabstimmung erfolgen.
Ich rufe als nächsten Punkt Ziffer 4 der Tagesordnung alter Numerierung auf:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der Bayernpartei und des Zentrums sowie der Gruppe der Deutschen Reichspartei betreffend Aufwertung des Kapitals der Altsparer .
Ich habe hierzu bekanntzugeben, daß der Ältestenrat Ihnen vorschlägt: für die Begründung 10 Minuten, für die Beantwortung noch einmal 10 Minuten, Gesamtaussprache 40 Minuten. —
Sind Sie einverstanden, meine Damen und Herren? — Ich stelle es fest.
Hierzu hat der Vertreter des Herrn Finanzministers mitgeteilt,
daß er außerstande sei, heute auf die Interpellation zu antworten. Ich habe das gestern im Ältestenrat verlesen. Die Antragsteller haben aber darauf bestanden, daß die Interpellation heute behandelt wird.
Werden Sie antworten, Herr Finanzminister?
— Danke schön! — Wer wird von den Interpellanten das Wort nehmen? — Herr Dr. Besold! 10 Minuten!
Dr. Besold , Interpellant: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die vorliegende Interpellation Drucksache Nr. 1131 verfolgt das Ziel, den Antrag der Bayernpartei auf Aufwertung des Kapitals der Altsparer vom 7. Oktober 1949 einer beschleunigten Erledigung zuzuführen. Die Verwirk-
lichung des Antrages wurde von seiten der Bundesregierung bis jetzt in keiner Weise gefördert.
Wohl bezeichnete der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung die Zurückgewinnung des Vertrauens der Altsparer zur staatlichen Gesetzgebung als eine staatspolitische Forderung ersten Ranges.
Eine beschleunigte Prüfung der vermeidbaren sozialen Härten der Währungsgesetzgebung wurde zugesichert. Unmittelbar nach Einbringung des Aufwertungsantrages der Bayernpartei am 7. Oktober hat der Herr Bundesfinanzminister in seiner Hamburger Rede am 9. Oktober selbst erklärt, daß es unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen darauf ankommt, das verlorene Sparkapital zu ersetzen und neues für den Wiederaufbau zu beschaffen. Der Minister hat insbesondere betont, daß das Vertrauen der Sparer zurückzugewinnen sei und daß den Sparern das Gefühl genommen werden müsse, daß sie um ihre Ersparnisse betrogen worden seien. Eine besondere sorgfältige Prüfung einer nachträglichen Entschädigung der Altsparer wurde auch von ihm zugesichert. Insbesondere wurde von ihm damals angekündigt, daß an einem diesbezüglichen Gesetzentwurf gearbeitet werde.
Was aber ist nun in der Zwischenzeit geschehen? Nichts anderes, als daß dem zuständigen Ausschuß für Geld und Kredit unmittelbar vor Ostern umfangreiche Erwägungen zur Frage eines Altsparergesetzes, datiert vom 22. Januar 1950, überreicht wurden, die aber keineswegs eine Stellungnahme der Bundesregierung darstellten. Diese umfangreichen Erwägungen waren zweifellos eine gründliche Feinarbeit, aber diese Erwägungen dürfen unter gar keinen Umständen die tragenden Gesichtspunkte, die dem Aufwertungsantrag zugrunde liegen, verdunkeln.
Die Bundesregierung wurde daher mit Schreiben des Geld- und Kreditausschusses vom 26. April aufgefordert, ihre Stellungnahme zum Aufwertungsproblem bekanntzugeben. Erst mit Schreiben vom 28. Juni, vorgelegt am 3. Juli, wurde vom Herrn Bundesfinanzminister die entsprechende Antwort erteilt. Ich darf die einschlägige Antwort kurz verlesen:
Bei dieser Prüfung
— so heißt es in diesem Schreiben —
mußte davon ausgegangen werden, daß für die Bundesregierung eine Regelung des Altsparerproblems im Wege der Währungsgesetzgebung aus formellen Gründen nicht ohne weiteres möglich ist, solange nicht die Besatzungsmächte auf besonderen Antrag der Bundesregierung die von den etwa beabsichtigten Maßnahmen abweichenden Bestimmungen der Währungsgesetze aufgehoben haben. Da ein solcher Antrag nur im größeren Rahmen erörtert werden kann, braucht die materielle Frage, ob die mit einem währungsrechtlichen Schritt etwa verbundene Erhöhung des Zahlungsmittelumlaufs geldpolitisch zu verantworten wäre, zur Zeit nicht entschieden zu werden.
Was die Möglichkeit einer Entschädigungsleistung an Altsparer außerhalb des Bereichs der Währungsgesetze angeht, hat die Prüfung eindeutig ergeben, daß jede gesetzliche Regelung vor Verabschiedung eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich sehr großen politischen Schwierigkeiten begegnen würde. Die
endgültige Regelung des Lastenausgleichs wird
in jeder möglichen Weise beschleunigt werden.
Durch die Verkoppelung des Aufwertungsantrages mit dem Lastenausgleich hat der Herr Bundesfinanzminister den Antrag auf ein totes Geleise geschoben. Er kehrt geflissentlich angebliche politische Schwierigkeiten hervor, die einer Regelung auf dem Wege einer währungspolitischen Maßnahme entgegenstehen. Er hat aber in keiner Weise dargetan —und deshalb unsere Interpellation —, daß ernste Versuche unternommen wurden, diese Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. So kann und darf das Aufwertungsproblem der Altsparer unter keinen Umständen behandelt werden. Zu viele Leidensstationen hat dieser beste Teil der deutschen Bevölkerung bereits hinter sich: die Inflation im Jahre 1923, das Versagen der Goldklausel bei der Währungsumstellung, die Ablehnung des Homburger Abkommens, die Festkontenstreichung durch die Militärregierung und nunmehr die Währungsgesetzgebung und die bei Versprechen gebliebenen Zusicherungen der Bundesregierung seit der Regierungserklärung und seit Einreichung dieses Antrages.
Das Problem der Aufwertung ist vor allem und seinem innersten Wesen nach ein rechtsstaatliches und ein wirtschafts- und finanzpolitisches Problem und darf kein Teilproblem des Lastenausgleichs werden, weil sonst eben die beabsichtigten Erfolge niemals eintreten werden. Wenn das Aufwertungsproblem dem Lastenausgleich zugeführt wird, dann werden nur Teilprobleme gelöst, vielleicht die Aufwertung der Konten der Heimatvertriebenen oder der alten Leute oder der sozial Schwachen erfaßt, und damit wird der währungspolitische Erfolg, der wirtschafts- und finanzpolitische Erfolg, nämlich die Rückgewinnung des Vertrauens aller zur Sparkapitalbildung nicht erreicht. Das soziale Unrecht der Währungsgesetzgebung muß repariert werden.
Den Altsparern wurde ein dreifaches Unrecht zugefügt: erstens: das durch öffentliche Rechte gesicherte Sparkapital wurde dem ungesicherten Inflationsgeld gleichgestellt; zweitens: die Altsparer wurden als einzige Kategorie im voraus zum Lastenausgleich herangezogen; drittens: die Altsparer wurden zu 90 % ohne jede Entschädigung zugunsten des Staates enteignet.
Wie sinnfällig diese Unrechtsmethoden gegenüber den Altsparern zum Ausdruck kommen, dazu darf ich insbesondere auch auf die Wertpapiersparer verweisen: Pfandbriefe und Hypotheken waren seit Menschengedenken die mündelsichere Anlage, die Vormündern, Nachlaßpflegern, Stiftungen von den Vormundschafts- und Nachlaßgerichten und den Aufsichtsbehörden zur angeblichen Sicherung der ihnen anvertrauten Vermögen zwangsweise vorgeschrieben wurde. Dieser gleiche Staat, der das getan hat, der die gesetzlichen Vertreter dieser armen und hilflosen Wesen und die Träger wohltätiger Körperschaften gerade zu diesen Vermögensanlagen zwang, hat ihnen mit einem Schlage über Nacht 92 % wieder weggenommen. Und darin liegt das Problem, daß die Aufwertung ein rechtsstaatliches Problem ist: die Wiederherstellung von Recht, die Beseitigung von Unrecht.
Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß gerade die Altsparer ob dieser ungerechten Behandlung eine beredte Quittung in der Zwischenzeit gegeben haben, und daraus ergibt sich auch, daß das Aufwertungsproblem ein wirtschafts- und finanz-
politisches ist. Ich darf kurz darauf hinweisen, daß in der „Deutschen Zeitung" im März dieses Jahres gestanden hat:
Im Januar war der bisher niedrigste Absatz an Schuldverschreibungen des Boden- und Kommunalkredits seit 1949 zu verzeichnen. Noch unbefriedigender war das Ergebnis der Emissionen der Bundesbahn und der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
— Den Sparer konnte eine höhere Verzinsung nicht
veranlassen, diese Wertpapiere zu kaufen, oder gar
die Inaussichtstellung von steuerlichen Vorteilen. —Wie gering der Anteil des Wertpapiersparens
an der gesamten Sparkapitalbildung ist
Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Dr. Besold , Interpellant:
geht daraus hervor, daß von den Obligationen der zehn besten deutschen Elektrizitätsunternehmen nur ein Bruchteil plaziert werden konnte.
Das ist die Quittung der Altsparer, des ehrlichen Sparervolkes auf die bisher unerledigten Probleme der Aufwertung, deren Lösung auf der andern Seite aber von maßgebenden Persönlichkeiten zugesichert worden ist.
Die überragende allgemeine wirtschatliche Bedeutung des Aufwertungsantrags liegt darin, daß jede Volkswirtschaft, die nicht auf einer totalitären Staatswirtschaft fundieren will, auf die Mitarbeit des privaten Sparkapitals angewiesen ist und daß die Wiedergewinnung von Vertrauen nach dem Unrecht der Währungsreform die erste Voraussetzung für eine Gesundung des Kapitals und der Kreditverhältnisse und damit der gesamten Volkswirtschaft darstellt.
Wir erwarten daher heute eine Stellungnahme auf die Interpellation und insbesondere auf die dort gestellten Fragen. Wir sind darüber enttäuscht, daß gestern noch der Versuch unternommen worden ist, die Beantwortung dieser Interpellation bis nach den Ferien hinauszuschieben.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Vorredner, daß er mit so heimatlicher Ehrlichkeit und Biederkeit seine Rede begonnen und geschlossen hat. Davon, daß das Bundesministerium der Finanzen noch den Versuch gemacht hätte, der Beantwortung der Interpellation auszuweichen, kann wirklich keine Rede sein. Ich gestehe, daß ich gestern zum ersten Mal von der Existenz dieser Interpellation erfahren habe,
und zwar dadurch, daß sie in mein Haus gekommen ist, während ich anderweitig zu tun hatte.
Ich habe mich, als ich davon erfuhr, sofort bereit erklärt, die Interpellation persönlich zu beantworten.
— Des Herrn Staatssekretärs Hartmann, weil ich außerhalb des Hauses war!
Ich möchte zunächst einmal folgendes feststellen: Ich glaube, mit dem Herrn Vorredner darin einig zu sein, daß es der lebhafteste Wunsch ist, alle die Härten, die durch die Währungsreform für die Altsparer entstanden sind, so bald wie möglich auszugleichen. Es ist richtig, daß in der seinerzeitigen Regierungserklärung der Herr Bundeskanzler das Versprechen abgegeben hat, die Frage, ob und in welchem Umfang diese Mängel beseitigt werden können, zu überprüfen. Es ist richtig, daß ich in diesem Bestreben auch in Hamburg seinerzeit diese Erklärung abgegeben habe und daß ich auch dieser Erklärung gefolgt bin.
In meinem Hause war ein Referentenentwurf über diese Frage eines Altsparergesetzes aufgestellt. Wir sind mit der Bank deutscher Länder, ohne deren Mitwirkung sich ein solches Gesetz überhaupt nicht denken und überhaupt nicht vollziehen läßt, auch ins Benehmen getreten. Wer die Presse von damals kennt, weiß ja ungefähr, wie die Verhandlungen seinerzeit gelaufen sind. Auf Grund dieser Beratungen und der dabei gemachten Erfahrungen hat das Bundesministerium der Finanzen dem Ausschuß für Geld und Kredit des Deutschen Bundestages am 22. Januar 1950 auch eine Denkschrift, die das gesamte Material enthielt, unterbreitet, eine Denkschrift, von der auch der Herr Vorredner zugab, daß sie eine gründliche und feine Arbeit gewesen sei.
Diese Denkschrift hatte den Sinn, daß auf Grund dieses Materials jedem Mitglied dieses Hauses auch die Möglichkeit gegeben sein sollte, nachzuprüfen, welche weiteren Schritte auf diesem Wege gegangen werden können und welche Schritte dieser Art etwa vorgeschlagen werden können. Positive Anregungen nach dieser Seite sind nicht erfolgt.
Ich darf zunächst einmal den Fragenkomplex, wie er in dieser Denkschrift umrissen war, noch einmal in ein paar ganz nüchterne Tatsachen und Zahlen zusammenfassen. Wenn ich eine Gesamtaufwertung von ungefähr 20 % annehme, dann würde es sich um etwa 5 Milliarden Sparanlagen handeln. Die Jahresaufwendungen an Zinsen und Verwaltungskosten würden mindestens 300 Millionen DM betragen. Diese Mittel aufzubringen, gibt es nur drei Wege. Der eine Weg ist der einer Kaufkraftschöpfung, man kann auch sagen: Geldnachreform. Der andere Weg ist der Weg der Verbindung mit dem allgemeinen Lastenausgleich, und der dritte ist der Weg, aus dem allgemeinen Bundeshaushalt Mittel zu nehmen.
Die Bundesregierung hält es bei der augenblicklichen geldpolitischen Situation nicht für vertretbar, die Entstehung von neuen Sparkonten in Höhe von rund 5 Milliarden DM im Wege einer Geldnachreform vorzusehen. Denn wenn eine solche Maßnahme für die Altsparer einen praktischen Wert haben sollte, müßte die Verfügung über diese Konten zur Schöpfung neuer Kaufkraft mindestens von einem Teilbetrag führen. Das würde nach Überzeugung der Bank deutscher Länder die Stabilität der deutschen Mark gefährden, die unter allen Umständen erhalten bleiben muß. Die Bundesregierung hat es deshalb bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht für richtig gehalten, einen solchen Gesetzentwurf vorzuschlagen.
Ich darf bemerken, daß mit der Stelle, die letzten Endes der Gesetzgeber auf diesem Gebiete heute noch ist, mit den Besatzungsmächten, Gespräche geführt wurden, das Ergebnis dieser Gespräche aber derart gewesen ist, daß es unrätlich erschien, förmliche Verhandlungen zu beginnen.
Was zweitens die Regelung des allgemeinen Lastenausgleichs betrifft, so sage ich ja dem Hohen Hause nichts Neues, wenn ich mitteile, daß der Gesetzentwurf über den allgemeinen Lastenausgleich als Referentenentwurf fertiggestellt ist und zur Zeit Gegenstand von Besprechungen der Ressorts ist. Ich hoffe, daß diese Ressortbesprechungen spätestens Mitte August ein Ende gefunden haben und der Gesetzentwurf dann den gesetzgebenden Körperschaften zugehen kann.
Die Frage der Altsparer steht mit diesem Gesetzentwurf in innigem Zusammenhang. Es wäre politisch wahrscheinlich Widerständen begegnet, wenn vor einer Lösung der Frage des allgemeinen Lastenausgleiches und vor Vorlage eines Gesetzentwurf es über dieses Thema allein die Frage der Altsparer herausgegriffen worden wäre und damit die Wirtschaftskraft, die für die Regelung des allgemeinen Lastenausgleiches in Frage kam, in gewissem Sinne vorbelastet worden wäre.
Das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung in dieser Denkschrift den inneren Zusammenhang zwischen allgemeinem Lastenausgleich und spezieller Frage des Altsparers betont hat. Sie hat im Ausschuß für Geld und Kredit — und ich glaube, daß sie auch in allen anderen Ausschüssen das gleiche erlebt hätte — keinen Widerspruch, sondern volle Übereinstimmung gefunden.
Das ist ein zeitlicher Umstand gewesen.
Es könnte nun die dritte Frage aufgeworfen werden, ob Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden können. Ich nehme an, daß dem Hohen Hause allgemein die Denkschrift Drucksache Nr. 1000 bekannt ist. Ich brauche also weiter nichts hinzuzufügen. Ich kann hinzufügen, daß in den letzten Stunden zwei Gesetze im Kabinett verabschiedet worden sind, das Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes und das Bundesversorgungsgesetz, und daß diese Gesetze notwendigerweise Ansprüche an den Haushalt stellen müssen, die, wenn ich mich vorsichtig ausdrücke, die letzte Kraft des Haushalts in Anspruch nehmen. Ob in diesem Haushaltsjahr daneben noch Mittel, die für eine jährliche Verzinsung von 300 Millionen DM ausreichen würden, zur Verfügung stehen, diese Frage kann jeder selbst beantworten. Ohne Schaffung einer neuen steuerlichen Belastung und neuer Einkünfte ist das haushaltsmäßig jedenfalls nicht möglich.
Ich darf also kurz zusammenfassen: Die Frage vor dem Gesetzentwurf über den allgemeinen Lastenausgleich zu lösen, wäre sicherlich politischen Bedenken begegnet. Die Frage bei der heutigen Haushaltslage und bei der Belastung dieses Haushalts mit anderen Aufgaben aus Haushaltsmitteln zu lösen, könnte nicht verantwortet werden, wenn diese Lösung zur Folge hätte, daß die anderen Aufgaben dadurch gekürzt werden müßten. Die Frage im Wege einer Geldnachreform zu lösen, bedarf einer besonders dringlichen Überlegung und hängt von Umständen und einer Betrachtung einer Gesamtlage ab, die sich nun einmal nicht nach dem Willen des einzelnen richten. Ich möchte also sagen: Ich halte es nicht für unmöglich, daß wir noch zu einer Lösung des Problems kommen. Es mag die Möglichkeit bestehen — und die Bundesregierung wird diese Möglichkeit prüfen —, ob nicht im Zusammenhang mit großen investitionspolitischen Aufgaben der Zukunft gleichzeitig eine Lösung dieser Frage erfolgen kann, wenn sie dazu dient, im deutschen Bundesgebiet zugleich neue Werte zu schaffen. Auf diesem Wege würde jeder Kaufkraftschöpfung wenigstens ein Teil der mit ihr verbundenen Gefahren genommen werden können.
Wenn die Frage bisher nicht angeschnitten wurde, so lag es an den Gründen, die ich Ihnen genannt habe. Ich wiederhole sie noch einmal: vor dem allgemeinen Lastenausgleich politisch bedenklich, bei der Haushaltslage aus Haushaltsmitteln derzeit wohl nicht durchführbar. Eine Geldnachreform kann nur in einem günstigen Zeitpunkt, nur in Verbindung mit Investitionsaufgaben und nur in Zusammenarbeit nicht allein mit der Bundesregierung, sondern mit dem Zentralbankensystem und den Kräften, die heute noch die Währungsgesetzgebung in der Hand haben, erfolgen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Ruhnke. 8 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es unterliegt keinem Zweifel, daß wohl jeder hier in diesem Hohen Hause der Ansicht ist, daß dem Altsparer und nicht nur dem Altsparer, sondern dem Sparer überhaupt durch die Währungsgesetze ungeheures Unrecht zugefügt worden ist und daß jeder bestrebt ist, diese Dinge zu ändern. Gerade auch die Versprechungen, die der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesfinanzminister in ihren Erklärungen gemacht haben, haben dazu geführt, daß diese Sparer sich Hoffnungen hingegeben haben, die nicht erfüllt worden sind.
Daraus lernt man wieder, daß ein Politiker, ein hoher Funktionär des Staates oder ein Minister mit solchen Äußerungen in der Öffentlichkeit sehr vorsichtig sein sollte und daß man die Probleme doch erst einmal durchdenken muß, ehe sie zur Perfektion kommen. Diese Wirkung auf die Sparer ist von Herrn Kollegen Dr. Besold hier schon eingehend erörtert worden. Es ist klargestellt worden, daß wir alle in eine Lage versetzt sind, aus der man in diesem Falle nur sehr schwer herauskommen kann.
Wir dürfen dieses Problem nicht allein von unserem eigenen Standpunkt aus sehen. Das Problem einer Aufwertung der Altsparer- oder der Sparerkonten überhaupt — die Frage des Begriffes „Altsparerguthaben" müßte erst einmal restlos geklärt sein - kann ohne die Regelung der Ansprüche der Vertriebenen keinesfalls vorweg gelöst werden.
Wir können uns einfach nicht denken, daß man ein solches Zweigproblem vorwegnimmt und die Ansprüche der Vertriebenen hintanstellt. Deshalb stimmen wir durchaus dem Vorschlag zu, daß vor einer Regelung dieser Angelegenheit zunächst das Lastenausgleichsgesetz beraten werden muß.
Meine Damen und Herren, wie war es denn in dieser Beziehung hier im Hause? Es war doch so, daß auch wir immer darauf gedrängt haben, die Regierung solle endlich das Lastenausgleichgesetz vorlegen. Heute, nach einem Jahr, hören wir nun, daß wir die Hoffnung haben dürfen, uns in den nächsten Wochen damit beschäftigen zu können. Darüber ist nun bedauerlicherweise eine so lange Zeit vergangen, — die draußen natürlich anders gesehen wird —, daß uns in dieser Frage der Vorwurf gemacht wird, wir hätten nicht genügend und nicht schnell genug gehandelt. Ich stimme dem Herrn Bundesfinanzminister darin zu, daß wir zunächst einmal dieses Lastenausgleichsgesetz haben müssen,
um uns dann wieder der Beratung der Frage einer Aufwertung der Altsparerkonten zuwenden zu können.
Aber etwas ist dabei doch noch interessant. Was zeigt uns denn diese Forderung? Was zeigen uns überhaupt die Forderungen im allgemeinen? Sie zeigen uns, daß wir den Krieg verloren haben und daß wir die Kosten des Krieges zu tragen haben. Die Frage, wer die Kosten des Krieges trägt, können wir nur so beantworten: das ganze deutsche Volk und damit auch die Altsparer. Wenn es bei der Entnazifizierung so gewesen wäre, daß man die Belasteten, wie man sie nannte, nicht in Gruppen eingeteilt hätte, sondern daß man sie herangezogen hätte, um die Kosten dieses Krieges mittragen zu helfen, ich glaube, das wäre die beste Lösung gewesen.
Meine Damen und Herren! Dieser Rechtsstaat, in dem wir ja leben und auch leben wollen, kann und darf nur ein Sozialstaat sein, und wehe uns, wenn wir diese Dinge anders sehen. Denn die augenblicklichen Freunde dieser Aufwertung der Altsparer stützen sich auf den Rechtsstaat, und das ist auch unsere Ansicht. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß dieser Rechtsstaat ein Sozialstaat sein muß und daß wir uns nicht etwa erlauben dürfen, all die anderen berechtigten Forderungen beiseitezustellen und e i n Problem vorweg zu lösen. Wir werden also in die Lage versetzt sein, wenn wir uns in Kürze mit dem Lastenausgleichsgesetz befassen, die Wünsche der Altsparer noch einmal zu beraten.
Das Wort hat der Abgeordnete Semler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Interpellanten sind der Ansicht, daß die Bundesregierung in den vergangenen Monaten ihr Versprechen, diese überaus wichtige Frage zu prüfen, nicht eingehalten hat. Wir können uns dieser Auffassung nicht anschließen. Es wäre einfach und wohl von jedem Mitglied dieses Hohen Hauses gewünscht, wenn das Problem der Aufwertung der Altsparerkonten so gelöst werden könnte. wie es der Antrag in der Drucksache Nr. 84 vorschlägt. So einfach liegen aber die Dinge leider nicht.
Wir haben doch eben aus dem Munde des Herrn Finanzministers gehört, welche drei beachtlichen Schwierigkeiten dieser Lösung entgegenstehen. daß wir nicht die Kompetenz besitzen, auf dem Währungsgebiet heute diejenigen Beschlüsse zu fassen, die wir vielleicht fassen möchten, daß wir auf die Lage unserer Währung Rücksicht zu nehmen haben, daß es im Augenblick nicht möglich ist. den Haushalt mit solchen Beträgen zu belasten, die überhaupt erst eine nennenswerte Leistung an die Altsparer bedeuten würden,
und drittens, daß wir Rücksicht zu nehmen haben, wie eben von meinem Herrn Vorredner mit Recht ausgeführt wurde, auf die Lage der anderen Gruppen. die ebenfalls auf Hilfe und Beseitigung geschehenen Unrechts warten.
Herr Abgeordneter Dr. Besold, Sie haben ausgiebig Zeit gehabt, darüber zu sprechen!
Die Bundesregierung hat durch den Mund des Herrn Bundeskanzlers und später durch den Mund des Herrn Finanzministers die Notwendigkeit betont, das Vertrauen der Altsparer wiederherzustellen. Das ist richtig. Das mußte die Bundesregierung tun. Denn ich glaube, mit ihr sind wir alle einig, daß wir alle Mittel und Wege suchen wollen, dieses Unrecht an den Altsparern zu beseitigen. Denn nunmehr folge ich Ihnen gerne darin, daß es sich darum handelt, eine besondere Situation zu regeln, die anders liegt, als die Situation anderer Geschädigter, insbesondere anders liegt als die Situation der Vertriebenen.
Hier handelt es sich ja nicht allein darum, daß die Altsparer mit den anderen Angehörigen dieses Volkes die Folgen einer vergangenen Politik zu tragen haben. Wenn dem so wäre mußten die Altsparer ihr Schicksal wohl oder übel auf sich nehmen. Was hier schmerzt, was notwendig zu tun ist, insoweit der Rechtsstaat wiederhergestellt werden muß, von dem auch mein Herr Vorredner sprach, ist ja, daß sich die Kreise des Volkes, die sich hier vornehmlich als Altsparer zu Wort melden, aus Menschen zusammensetzen, denen eben eine Altersversorgung auf anderem Wege als durch Sparen nicht geboten war. Wenn sie sehen, daß auf Grund wohlerworbener Rechte Altersversorgungen 1 zu 1 umgestellt sind, wenn wir dazu kommen, daß auch in allen Renten dieses Verhältnis 1 zu 1 eines Tages rechtens wird, dann muß also etwas geschehen, um dieses Unglück auszugleichen.
Wir billigen die Haltung des Herrn Bundesfinanzministers. Im Gegensatz zu dem Herrn Begründer der Interpellation sind wir sogar der Meinung, daß der Herr Bundesfinanzminister in dieser Zeit nichts anderes tun konnte, als was er getan hat. In einer überaus eingehenden und sorgfältigen Denkschrift sind die Probleme niedergelegt. Allerdings gehen wir weiter als er. Wir halten es nicht für möglich, daß lediglich in Verbindung mit dem Lastenausgleich auch für die Altsparer etwas mit geschieht. Wir sind der Ansicht — so schwierig die Situation ist —, daß es notwendig ist, für die Altsparer — allerdings zeitlich in Verbindung mit dem Lastenausgleich — eine Beseitigung dieses Unrechts herbeizuführen. Diesen Wunsch möchten wir dem Herrn Bundesfinanzminister unterbreiten.
Dagegen halten wir auch das Verhalten des Finanzministers in der Vergangenheit für richtig, der es nämlich in dieser Frage noch nicht zu einer Machtprobe in bezug auf die Zuständigkeit in Währungsfragen hat kommen lassen. Wahrscheinlich hätten wir erleben müssen, daß uns in diesem Punkte eine glatte Ablehnung zuteil geworden wäre. Hier braucht nicht ausgeführt zu werden, welch schreiendes Unrecht gerade in diesem Punkte durch die Währungsumstellung geschehen ist. Es ist schwer vorstellbar, daß ein deutsches Parlament eine Mehrheit für eine solche Regelung gefunden hätte. Aber wir hätten den Interessen gerade dieses Kreises von Menschen nicht gedient, wenn wir uns in der vergangenen Zeit eine Ablehnung geholt hätten, die es uns vielleicht unmöglich gemacht hätte, zu gegebener Zeit eine endgültige Regelung herbeizuführen.
Was wir vom Finanzminister erbitten, ist, daß er im Zuge der Verhandlungen des Lastenausgleichs — dann allerdings mit dem ganzen Nachdruck der Bundesregierung — versucht, soweit es notwendig ist — und es wird nach unseren Auffassungen notwendig sein —, gewisse Korrekturen der bestehenden Währungsgesetze herbeizuführen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohl. Drei Minuten!
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat bei der Beantwortung der Interpellation auf die Tatsache hingewiesen, daß die Frage der Aufwertung der Altsparguthaben eine Angelegenheit sei, die am besten im Zusammenhang mit dem allgemeinen Lastenausgleich geregelt werden müßte. Er hat weiter darauf hingewiesen, daß er guter Hoffnung sei, daß Mitte August die Referenten den Lastenausgleich abgeklärt hätten und er dann dem Bundestag zugeleitet werden könnte. Wir vertreten die Meinung, daß das Problem der Altsparguthaben, gleichgültig ob es so behandelt werden sollte, wie es die Bayernpartei vorgeschlagen hat, oder im Rahmen des allgemeinen Lastenausgleichs, eine Angelegenheit ist, die mit einer viel größeren Schnelligkeit hätte behandelt werden müssen, um endlich, wie der Herr Finanzminister selbst sagte und wie das bereits in der Regierungserklärung zum Ausdruck kam, Härten so bald wie möglich auszugleichen.
Die Bundesregierung und auch das Finanzministerium — und das soll man im Zusammenhang mit dieser Frage sehr eindeutig feststellen — haben eine außerordentliche Schnelligkeit entwickelt, wenn es galt, anderen, bereits besitzenden Kreisen etwas zuzuschustern, während sie nach der sozialen Seite hin mit außerordentlicher Langsamkeit gearbeitet haben. Ich darf auf ein Problem hinweisen, das in den letzten Wochen hier im Bundestag eine Rolle gespielt hat, und zwar auf die Haltung der FDP in der Frage der Behandlung der Ausgleichsforderungen, an denen natürlich nicht die Altsparer interessiert waren, sondern an denen einmal die Banken und dann die großen Versicherungsunternehmen interessiert waren.
Wir stellen hier eindeutig fest, daß gerade in der Behandlung dieser Frage der Ausgleichsforderungen in den letzten Jahren Millionen an Zinsen bezahlt worden sind, wozu die Mittel von den Ländern aufgebracht werden mußten. Allein das Land Hessen hat in einem halben Jahre 21 Millionen DM Zinsen für diese Ausgleichsforderungen bezahlen müssen. Es besteht nach dem Währungsumstellungsgesetz zweifelsohne die Möglichkeit, eine Aufwertung, sagen wir: eine Entschädigung von 10 zu 100 oder von 20 zu 100 in irgendeiner Form durchzuführen und die Frage der Schattenquote endlich einmal abzuklären.
Wir haben dem Bundestag zwei Anträge vorgelegt, die voraussichtlich nach den Ferien behandelt werden sollen, und zwar Anträge, die sich mit der Frage der Besatzungskosten beschäftigen. Der Herr Bundesfinanzminister stellt ja immer bei seiner ablehnenden Haltung bestimmten Dingen gegenüber die Frage der Aufbringung der Mittel in den Vordergrund. Nach einer Mitteilung der „Deutschen Zeitung" ist bereits jetzt zu verzeichnen, daß die Besatzungskosten um 800 Millionen DM überschritten sind, also nicht 4,5, sondern 5,3 Milliarden betragen. Wir verlangen, daß das Problem der Besatzungskosten im engen Zusammenhang mit dem Lastenausgleich und mit der Aufwertung der Sparguthaben behandelt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Krause. 3 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Zentrumsfraktion darf ich zunächst darauf hinweisen, daß das Zentrum schon
bei der Debatte über die Regierungserklärung der Bundesregierung am 22. September 1949 zum Ausdruck gebracht hat, für die Altsparer müsse die Aufwertung der sogenannten Schattenquote durchgeführt werden, und außerdem sollte einmal überlegt werden, wieweit eine bessere Aufwertung als 10 zu 1 möglich sei.
Darüber hinaus aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich persönlich diese Debatte dazu benutzen, urn darauf hinzuweisen, daß die Frage der Aufwertung auch der Ostsparkonten endlich einmal in Angriff genommen werden muß. Es ist in weitesten Kreisen des Bundesgebietes noch immer nicht bekannt genug, daß von den 8 Millionen Heimatvertriebenen aus den Gebieten östlich der Oder und der Lausitzer Neiße wie auch aus dem Sudetenland etwa 2 Millionen ihre Ostsparbücher ins Bundesgebiet gerettet haben. Der Gesamtwert ihrer Sparguthaben wird auf etwa 4 Milliarden Reichsmark geschätzt. Bei der Umwandlung in D-Mark würden 6,5 %, also 260 Millionen als auszahlungsfähig herauskommen, während 140 Millionen DM festgeschrieben würden.
Ich darf weiter darauf hinweisen, daß sich der Ausschuß für Heimatvertriebene bereits in seiner Sitzung am 25. April dieses Jahres mit allem Nachdruck dafür eingesetzt hat, daß über die Anerkennung der aus dem deutschen Osten verlagerten Geldinstitute nach Maßgabe der 35. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz unverzüglich entschieden werden soll und daß darüber hinaus am 20. Juni der Ausschuß für Geld und Kredit erklärt hat, er habe gegen diese Fassung keine Bedenken zu erheben. Es wäre mir nun interessant, von Herrn Bundesfinanzminister Schäffer einmal zu erfahren, wie sich die Bundesregierung die Aufwertung der Ostsparkonten denkt, da sie ja auch zu dieser Frage in ihrer Regierungserklärung mit großen Versprechungen Stellung genommen hat. Die Heimatvertriebenen-Millionenmassen warten darauf!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete. Dr. Hoffmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen meiner Freunde mitteilen, daß wir uns der Erklärung, die der Herr Vertreter der CDU hier abgegeben hat, anschließen. Auch wir sind der Meinung, daß es zwar außerordentlich erwünscht gewesen wäre, wenn man im Wege einer Nachwährungsreform die vermeidbaren Härten. die bei der Währungsreform unterlaufen sind, hätte korrigieren können. Wir haben uns im Ausschuß für Geld und Kredit ja sehr eingehend mit der Frage beschäftigt, ob dies möglich sei. Ich kann nur sagen, daß Übereinstimmung unter allen. mit Ausnahme des Vertreters der heutigen Interpellanten, darüber bestanden hat, daß eine solche Nachwährungsreform wenigstens zur Zeit undurchführbar sei. Niemand hat dabei verkannt, daß es schon im Interesse der Anregung des Sparwillens außerordentlich erwünscht gewesen wäre. wenn man diesem Personenkreis hätte helfen können. Es ist aber nicht so. wie oft ausgeführt wird und wie es auch von dem Vertreter der Interpellanten im Ausschuß für Geld und Kredit behauptet worden ist, daß infolge des Fehlens einer solchen Regelung die Spartätigkeit zurückgegangen sei. Erfreulicherweise ist das Gegenteil der Fall: die Entwicklung ist trotz der schlechten Behandlung der Sparer günstig gewesen. Die Spartätigkeit hat ständig zugenommen, womit aber nicht in Zweifel gezogen wer-
den soll, daß sie noch steigerungsfähig wäre, wenn das Vertrauen der Sparer durch eine Hilfe für die Altsparer noch stärker angeregt werden könnte.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen dem Herrn Bundesfinanzminister darin zustimmen, daß man diese Frage nur in Verbindung mit dem allgemeinen Lastenausgleich lösen kann, daß mindestens eine zeitliche Vorwegnahme nicht in Betracht kommen kann und daß auch die übrigen Personengruppen, die an dem Lastenausgleich partizipieren sollen, kein Verständnis dafür haben würden, wenn man eine einzelne Gruppe aus dem Gesamtkomplex herauslösen wollte. Andererseits sind auch wir der Meinung, daß es erwünscht wäre, in zeitlicher Übereinstimmung mit der Lösung des Lastenausgleichsproblems noch einmal, wie es der Herr Bundesfinanzminister auch als immerhin möglich angekündigt hat, zu prüfen, ob nicht doch im Wege einer Nachwährungsreform zu einem günstigeren Zeitpunkt und in Verbindung mit etwaigen allgemeinen Investitionsvorhaben geholfen werden könnte.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Nur einen Satz! Zunächst spreche ich meine Freude darüber aus, daß die Haltung der Bundesregierung und des Bundesfinanzministeriums in der Debatte im allgemeinen Zustimmung gefunden hat.
Eine Frage des Herrn Kollegen Krause bezüglich der Aufwertung der Sparguthaben der Ostvertriebenen möchte ich in folgender Weise beantworten. Die Frage der Aufwertung der Sparguthaben von Ostvertriebenen ist in dem Gesetzentwurf über den allgemeinen Lastenausgleich geregelt. Diese Regelung wird Ihnen mit dem betreffenden Gesetzentwurf vorgelegt werden.
Das Schlußwort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort der Regierung hat uns nicht befriedigt. Sowohl aus der Antwort der Regierung als auch aus der Debatte hört das Volk draußen und hören die Altsparer nur das Nein heraus. Wir sind der Auffassung, daß die vorgetragenen Argumente und Einwände nicht stichhaltig sind. Wenn die Bank deutscher Länder sagt, daß die Stabilität der Währung durch eine Aufwertung gefährdet würde, so kann man dem sehr wohl entgegenhalten: wir wollen doch nicht, daß diese 5 Milliarden bei einer 20 %igen Aufwertung in den Konsum gehen; es besteht doch die Möglichkeit, daß das Geld blockiert wird. Wenn man z. B. im ersten Jahr nur 1 % Zinsen zahlt, sind das 50 Millionen. Aber das Vielfache wird gewonnen, wenn das Vertrauen wiederhergestellt wird; denn eine Kapitalvernichtung, wie sie hier durch gesetzliche Maßnahmen vorgesehen worden ist, kann lediglich durch eine wenigstens teilweise Wiederaufhebung gutgemacht werden. Man hat das bei der früheren Aufwertung eingesehen. Man hat damals die Pfandbriefe auf 25 % aufgewertet. In allen ausländischen Aufwertungen hat man die Sachwerte, die Altsparer usw. weitgehend herausgenommen. Aber die Politik des Herrn Finanzministers Schäffer geht eben dahin, den ganzen Wiederaufbau möglichst aus den Steuergeldern statt durch eine neue Kapitalbildung zu finanzieren. Diese Kapitalbildung bekommen Sie nur durch die Wiederherstellung des Vertrauens, das das Volk so völlig verloren hat.
Wir machen der Regierung, wenn sie jetzt all die Schwierigkeiten schildert, indem sie darauf hinweist, daß die Besatzungsmächte Einspruch dagegen erheben könnten, daß die Bank deutscher Länder erklärt, das gehe einfach nicht, den Vorwurf: Warum hat man denn dann die Hoffnung der Altsparer geweckt, indem man ihnen mehr oder weniger zusagte: wir wollen eine Nachaufwertung durchsetzen? Glauben Sie mir das eine: Wenn man die Nachaufwertung nicht spätestens noch in diesem Jahr durchführt, dann hat sie allerdings keinen Sinn mehr; denn dann würde wieder eine neue Bewegung und eine neue Unsicherheit geschaffen werden. Diese Nachaufwertung muß man schon jetzt, zwei Jahre nach der Währungsreform, machen, oder man kann sie eben nie durchführen. Jedenfalls wird der Altsparer von der hier gepflogenen Diskussion aufs tiefste enttäuscht sein, und das schwarze Geld, das heute schon überall in der Wirtschaft fließt, wird nicht gebunden werden, wird nicht für den Wiederaufbau eingesetzt werden können.
Ich bedauere die Haltung des Bundestages sehr und hoffe, daß vielleicht im September oder Oktober dieses Problem doch noch einmal aufgegriffen wird, allerdings nicht in Verbindung mit dem Lastenausgleich; denn der Lastenausgleich wird dadurch, daß man die größte Gruppe der Geschädigten nicht vorwegnimmt, nur gehindert. Wir wollen dadurch die Flüchtlinge oder die Heimatvertriebenen nicht schädigen, sondern wir wollen in diesem Falle für' die Altsparer, die vielleicht den Nachweis am leichtesten in der alteingesessenen Bevölkerung liefern können — der Nachweis fällt den Heimatvertriebenen schwerer, aber wir wollen sie keineswegs ausschalten —, etwas tun. Jedenfalls bedeutet für die Altsparer die heutige Gesamthaltung des Bundestages einen schweren Schlag.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 5 der Ihnen vorliegenden Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr.
Kather und Genossen sowie der Fraktion der
FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste .
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Gesamtaussprache 60 Minuten vor. Offenbar soll die Vorlage von den Herren Abgeordneten Wackerzapp und Dr. Trischler eingebracht werden. Für die Einbringung durch Herrn Wackerzapp wird eine Redezeit von 15 Minuten vorgesehen. Die Fraktion der CDU hat sich damit einverstanden erklärt. sich die die Redezeit von 10 Minuten überschreitenden 5 Minuten von Ihrer Redezeit abziehen zu lassen und Herrn Dr. Trischler die übliche Redezeit zuzugestehen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Als Antragsteller hat das Wort der Herr Abgeordnete Wackerzapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste, Drucksache Nr. 1140. das wir Ihnen vorgelegt haben, ist nicht etwa eine flüchtige Improvisation, sondern im Gegenteil das Ergebnis einer sehr langwierigen
und eingehenden fachlichen Arbeit der Sachkundigen, insbesondere aus den Kreisen der Vertriebenenorganisationen. Der Grund dafür, daß wir das Gesetz nicht eher eingebracht haben, liegt darin, daß wir glaubten, die Regierung würde die Initiative ergreifen. Zehn Monate sind es jetzt her, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung versichert hat, die Herbeiführung eines sozialen Lastenausgleichs sei eines der dringendsten Erfordernisse. Wir haben nun den Eindruck, als ob die zur Ausführung dieser Worte berufenen Regierungsstellen sich nicht mit der erforderlichen Wärme und mit dem notwendigen Eifer hinter die Einlösung dieses Versprechens gestellt hätten. Erst zu Beginn dieses Jahres hat der Herr Bundesfinanzminister dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit eine urn-fangreiche Denkschrift über den Lastenausgleich vorgelegt. Sie enthielt im wesentlichen das wertvolle wissenschaftliche Gedankengut, das der Frankfurter Wirtschaftsrat und die Gutachterkommission sich in langwierigen Beratungen erarbeitet hatten. Aber es fehlte der zur Ausmünzung dieses wissenschaftlichen Schatzes erforderliche konstruktive Gesetzesvorschlag, durch den erst die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis hätten übergeführt werden können. Deswegen ist es notwendig, daß auf diesem Gebiet endlich etwas Durchgreifendes geschieht.
Nun sind wir der Meinung, daß der Lastenausgleich ein Problem von so umfassender Bedeutung ist, daß er nicht allein vom Finanzministerium gelöst werden kann. Deshalb sehen wir mit einiger Sorge dem Entwurf entgegen, den nunmehr das Finanzministerium zum Lastenausgleich vorbereitet hat. Wir sind der Ansicht, daß das Lastenausgleichproblem nicht die Angelegenheit eines einzigen Ressorts sein darf, daß es nicht durch noch so hochwertige finanztechnische Sachverständige gemeistert werden kann, sondern nur in einer großen staatsmännischen Gesamtkonzeption, getragen von sozialpolitischem Verantwortungsgefühl, aber auch vermischt mit einem Tropfen Herzblut. Denn der Lastenausgleich ist besonders für uns Heimatvertriebene nicht eine Frage, die sich lediglich im materiellen Bereich erschöpft, sondern eine Angelegenheit, die auch auf ideelle und psychologische Gebiete übergreift.
Wir sind nun der Meinung, daß der Lastenausgleich dringend in Angriff genommen werden muß. Die Linderung der Not unter den Vertriebenen und auch unter den Fliegergeschädigten erduldet keinen längeren Aufschub. Die Entwicklung zum Radikalismus ist unübersehbar. Sturmzeichen zeigen sich am Horizont. Ich brauche nur das Wort Schleswig-Holstein zu erwähnen. Deshalb muß alles getan und darf nichts unterlassen werden, was den Lastenausgleich schnell in eine gesetzgeberische Form bringen kann und auch seinen praktischen Vollzug zu sichern in der Lage ist. Zu diesem Zweck haben wir unser Feststellungsgesetz als eine wesentliche Grundlage für den künftigen Lastenausgleich, die unbedingt vorweg erarbeitet werden muß, eingereicht.
Nun hat auch die Regierung in ihrem Entwurf zum allgemeinen Lastenausgleichsgesetz vorgesehen, daß eine Feststellung der Vermögensschäden eintreten soll. Aber dies kann doch erst dann erfolgen, wenn das große allgemeine Lastenausgleichsgesetz endgültig durchgesetzt worden ist. Hierbei bitte ich jedoch zu bedenken, daß ich den Optimismus, als ob das große allgemeine Lastenausgleichsgesetz schnell zur Tat werden könne, in keiner Weise teilen kann. Dazu ist das Problem viel zu tiefgreifend und zu umfassend. Es greift über in die allgemeine Staatspolitik, in die Sozialpolitik, in das Geld- und Kreditwesen und hat auch außenpolitische Ausstrahlungen. Zu den in der Natur der Sache liegenden Schwierigkeiten treten aber zusätzlich noch die in dem kunstvollen, aber komplizierten Gang unserer Gesetzgebungsmaschinerie enthaltenen Hemmungen. Ich bitte Sie, einmal ganz kurz zu verfolgen, wie sich mutmaßlicherweise das allgemeine Lastenausgleichsgesetz parlamentarisch entwickeln wird. Wenn der Herr Finanzminister seinen Referentenentwurf im Kabinett durchgesetzt haben wird — so ganz einfach wird es auch dort nicht sein, weil von den verschiedenen Ressorts dazu besondere Bedenken oder Vorschläge zu erwarten sind —, geht der Entwurf an den Bundesrat. Der Bundesrat, dessen sachkundige und hochwertige Arbeitsweise wir kennen und schätzen, wird zu vielen Punkten aus guten Gründen Bedenken erheben und selbständige Vorschläge machen. Danach wird die Gegenäußerung des Bundesrats der Regierung zugeleitet. Sie nimmt dazu Stellung. Die Angelegenheit kommt schließlich vor das Plenum, und nun wandert sie üblicherweise in die Ausschüsse. Da setzt nun eine weitere zeitraubende Hemmung ein. Die Last, die wir uns selber über die Maßnahmen des Grundgesetzes hinaus noch aufgebürdet haben, nämlich daß wir die einheitliche politische Willensbildung aus dem Plenum überwiegend in die Ausschüsse — in 39 Ausschüsse — verlagert haben, kommt nunmehr zum Tragen. Nach der Geschäftsordnung wird das allgemeine Lastenausgleichsgesetz etwa folgenden Ausschüssen überwiesen werden: dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen — wegen des Blicks nach dem Osten hin —, dem Ausschuß für Berlin, dem Haushaltsausschuß, dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, dem Ausschuß für Geld und Kredit, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik, dem Ausschuß für Lastenausgleich, dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen, dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft, dem Ausschuß für Sozialpolitik, dem Ausschuß für Heimatvertriebene, dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, dem Ausschuß für Bau-und Bodenrecht.
Das sind also 14 Ausschüsse.
— Meine Damen und Herren! Ich bitte, darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß dieses die nach der Geschäftsordnung zu erwartende Entwicklung ist.
Nun kennen und schätzen wir alle die Arbeit unserer Ausschüsse. Wir wissen, was hier für eine ungemein große Leistung vollbracht wird, die in der Öffentlichkeit niemals Anerkennung findet. Aber wir kennen auch die Schatten dieser Vorzüge, daß nämlich unsere Ausschüsse sehr viel Zeit brauchen, um zu einem Ergebnis zu kommen. In dieser schwierigen Materie des Lastenausgleichs wird das ganz besonders der Fall sein.
Nun werden sich die Zuständigkeiten überschneiden. Es kommen Voten der verschiedenen Ausschüsse mit unvereinbarem Inhalt heraus, die koordiniert und auf einen Nenner gebracht werden müssen. Wenn dies alles gelungen ist, dann kommt die ganze Angelegenheit endlich vor das Plenum. Wir finden dann als Material vor: den Gesetzentwurf der Regierung, die Gegenerklärung des Bundesrates sowie die Stellungnahme der
Regierung, weiter die Voten und Gegenvoten von 14 Ausschüssen und, was wir nicht vergessen wollen, einige Zentner oder Tonnen von Denkschriften, Protestresolutionen und von Statistiken, was wir nun alles hier verarbeiten sollen.
Es wird des ganzen taktischen Geschicks - oder ich darf viel besser sagen: der ganzen diplomatischen und strategischen Kunst unseres Präsidenten bedürfen, das Schiff der Gesetzgebung so zu steuern, daß es wirklich den rettenden Hafen erreicht. Aber wenn wir nun auch hier im Bundestag durchgekommen sind, geht das ganze Gesetzeswerk doch noch an den Bundesrat. Er muß ja seine Zustimmung geben. Dann setzt das geistvolle Geschicklichkeitsspiel des Art. 77 des Grundgesetzes ein, um eine Koordinierung zu erzielen. Wenn wir das endlich erreicht haben, dann muß letzten Endes auch die Hohe Kommission noch ihr Einverständnis dazu geben. Da vieles ins währungspolitische Gebiet hinüberspielt und wir jetzt bereits erlebt haben, daß schon bei einem so relativ einfachen Problem wie der Spareraufwertung große Hemmungen sowie staatspolitische Verwicklungen zu erwarten sind, braucht man keine große Phantasie zu haben, um sich vorzustellen, daß das endgültige Lastenausgleichsgesetz auch beim besten Willen aller Beteiligten nicht schnell über die Bühne gehen kann.
Es ist aber dringend notwendig, daß dennoch bald etwas geschieht. Die Not unter den Vertriebenen ist riesengroß. Für viele von ihnen ist der Lastenausgleich die letzte Hoffnung und der letzte Halt, der sie vor dem Versinken ins Proletariat und in die Deklassierung bewahren soll. Diese Kreise dürfen nicht enttäuscht werden, und es darf kein Mittel unversucht bleiben, um die endgültige Gestaltung des Lastenausgleichs möglichst rasch durchzuführen.
Diesem Zweck soll nun unser Gesetz dienen, das einen wichtigen Bestandteil, eine technische Voraussetzung des allgemeinen Lastenausgleichs vorwegziehen will. Wir sind der Meinung, daß der echte Lastenausgleich, wenn er mit dem Begriff des Rechts und der Gerechtigkeit vereinbar sein soll, auf einer individuellen Feststellung der erlittenen Verluste fußen muß, die nach bestimmten Grundsätzen zu erfolgen hat. Ich möchte auf den Inhalt unserer Vorlage nicht im einzelnen eingehen, sondern nur darauf hinweisen, daß wir in unserem Gesetz nicht etwa eine Aussage darüber machen wollen, ob, in welcher Höhe und in welcher Art etwa die von uns festgestellten Vermogensschäden auszugleichen sind. Das alles ist die Aufgabe des endgültigen und allgemeinen Lastenausgleichsgesetzes. Der Sinn unseres Gel setzes ist mehr statistischer Natur; es sollen die Daten festgehalten werden, die nachher die Grundlage für ' die endgültige Gestaltung des Lastenausgleichs bilden sollen. Weher wollen wir in unserem Gesetz, daß die Wertbemessung möglichst einfach stattfindet. Die Pauschalierung soll in weitem Umfang Platz greifen. Wir wollen für die Feststellung auch keine aufgeblähte Verwaltungsbürokratie haben, sondern wünschen, daß die Organisationen der Vertriebenen und der Fliegergeschädigten weitgehend selbstverantwortlich eingeschaltet werden.
Ich darf zum Schluß kommen, indem ich darauf hinweise, daß wir Heimatvertriebenen über den materiellen Charakter und über die finanzielle Bedeutung hinaus auch noch ein ideelles Interesse an dem Gesetz haben. Wir Vertriebenen sind vielfach infolge des unmenschlichen Zwanges, unterdem die Austreibung erfolgt ist, zerrissen und zerlumpt hier im Westen angekommen, und bei der oft verblüffenden Unkenntnis der heimischen Bevölkerung über die Verhältnisse im Osten hat man oft geglaubt, uns als ein kümmerliches Pack ansehen zu können, das immer in armseligen Verhältnissen gelebt hat. Und wenn man beteuerte, man habe früher bessere Zeiten gekannt, dann wurde das oft mit mitleidigem Lächeln abgelehnt. Es ist auch für die Erhaltung des Selbstgefühls und der Selbstachtung der Vertriebenen durchaus wichtig, daß sie nunmehr eine Bescheinigung in die Hand bekommen, wodurch sie nachweisen können, daß auch sie früher einmal Männer von Einkommen, Besitz, Vermögen und sozialer Geltung gewesen sind.
Deswegen richte ich an Sie die Bitte, diesem unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, der in keiner Weise dem materiellen Lastenausgleichsgesetz vorgreifen soll, sondern so gestaltet ist, daß er in die künftige Konzeption systematisch eingefügt werden kann. Dieser unser Gesetzentwurf ist ein geeignetes, taugliches, aber auch notwendiges Instrument, um die Lastenausgleichsgesetzgebung an den Punkten, wo es überhaupt möglich ist, vorwärtszutreiben und zu positiven Erfolgen zu führen. Wir bitten Sie, unseren Antrag den zuständigen Ausschüssen, aber mit weiser Beschränkung nur dem Vertriebenenausschuß und dem Lastenausgleichsausschuß zu überweisen, wobei der Lastenausgleichsausschuß die Federführung haben soll.
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Dr. Trischler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der ausführlichen Begründung meines Herrn Vorredners kann ich mich im Namen meiner Fraktion sehr kurz fassen. Unsere Fraktion hat sich in klarer Erkenntnis der großen Bedeutung dieses Fragenkomplexes entschlossen, in ihrer Geschlossenheit den Gesetzentwurf zu unterstützen und einzureichen. Wir bedauern es, daß dieser Fragenkomplex hier im Bundestag nicht schon früher behandelt und ein Gesetz über die Feststellung der kriegsbedingten Verluste nicht schon früher eingebracht und erledigt worden ist. Wir anerkennen klar und eindeutig den Anspruch der einzelnen Geschädigten darauf, daß ihnen von amtlicher Stelle bestätigt wird, was und wieviel sie infolge des Krieges verloren haben.
Wir sind uns darüber im klaren, daß die Bedeutung dieser Feststellung sehr groß ist, auch wenn wir die Frage gar nicht mit dem Lastenausgleich verquicken. Es ist notwendig, daß wir sowohl unseren einheimischen Volksgenossen als auch dem ganzen Ausland sagen können, was das deutsche Volk und einzelne von ihm im Laufe dieses Krieges verloren haben. Insbesondere halten wir es für sehr wichtig, daß nicht nur all die Schäden auf dem Gebiete des ehemaligen Dritten Reiches, sondern auch all die Schäden einwandfrei festgestellt werden, die sowohl reichsdeutsche Staatsangehörige als auch Volksdeutsche in anderen Ländern der Welt während dieser Zeit und infolge dieses Krieges verloren haben. Wir glauben, daß diese Zahlen bei allen kommenden Friedensverhandlungen nicht nur nützlich, sondern unerläßlich sind, weil sie im Zusammenhang mit den Reparationen unbedingt Berücksichtigung finden müssen.
Wir begrüßen es insbesondere, daß bei der Durchführung dieser Schadensfeststellung die gebietlich zuständigen Landsmannschaften mit eingeschaltet werden.
Wir bitten Sie also, dem Antrag des Kollegen Wackerzapp stattgeben zu wollen, daß dieser Gesetzentwurf den beiden angeführten Ausschüssen zur weiteren Behandlung überwiesen wird.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für uns Heimatvertriebene bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf über die Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste mehr, als man denkt. Schon die Tatsache, daß der Gesetzentwurf von Flüchtlingsabgeordneten nicht nur der Mehrheitskoalition, sondern auch der Opposition gemeinsam überreicht worden ist, läßt die Bedeutung und auch den Ernst der Situation erkennen. Mit keinem Schlagwort ist bei den letzten Wahlen — und das wiederholt — mehr Schindluder getrieben worden als mit dem Wort Lastenausgleich, um die Stimmen der Geschädigten zu gewinnen. Selbst die Regierungserklärung spricht von einem gerechten und sozialen Lastenausgleich. Dieselbe Regierung amtiert heute bald ein Jahr mit dem gleichen Finanzminister, und was geschehen ist, ist gleich Null. Der Bundesfinanzminister hat vor Monaten eine Denkschrift verfaßt, in der nur die Schattenseiten des Lastenausgleichs an die Wand gemalt werden und seine Schlüsse auf Schätzungen über Verluste und vorhandenes Vermögen beruhen, ohne daß etwas Positives gesagt wird. D Der als sogenannte „Geheime Bundessache" bezeichnete letzte Entwurf Schäffers über den Lastenausgleich ist, soweit er das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat, so geartet, daß er von allen öffentlichen Faktoren der Geschädigten abgelehnt werden muß und nie eine Grundlage für eine ernstzunehmende Verhandlung bieten kann. Auch uns ist es klar, daß die Lösung des ganzen Problems zu einer Staatsaufgabe werden wird, die genau so ernst ist wie die des Mitbestimmungsrechtes, das in den nächsten Tagen verhandelt wird. Genau so wie beim Mitbestimmungsrecht geht es hier um -die Einlösung eines von fast allen Parteien gegebenen Versprechens; und daß der Kampf um den Lastenausgleich ernst sein wird, ist uns ebenso klar wie dem Herrn Finanzminister, der ja vor einiger Zeit von einem Bürgerkrieg sprach, wenn Sachwerte durch den Lastenausgleich irgendwie berührt würden.
Wenn nun der Finanzminister erklärt, daß sich auf der einen Seite wahre Staatsverantwortung und auf der andern Seite die Agitation der Parteipolitiker gegenüberstehen, dann verkennt er unseren Kampf um den Lastenausgleich. Selbst wenn das so wäre, verlangen wir von denen, die von Staatsverantwortung sprechen, daß sie nicht zum Werkzeug nackter egoistischer, kapitalistischer Interessen werden, die dem jungen Staat in seinem Gefüge ungeheuren Schaden bringen.
Vor kurzer Zeit hat der Herr Finanzminister behauptet, daß die Soforthilfemittel, insbesondere die Hausrathilfe, mißbräuchlich verwendet werden würde. Das sind Pauschalverdächtigungen, die aus dem Munde eines Ministers ganz anders klingen und ganz anders abgewogen werden, als wenn sie von einem untergeordneten Referentenausgesprochen werden. Das Verhalten des Finanzministers in der Frage der Überbrückungshilfe und bei der Regelung der Gleichstellung der heimatvertriebenen Beamten sowie bei der Steuerreform, bei der er Schwierigkeiten gemacht hat, wirkt natürlicherweise in den Kreisen der Heimatvertriebenen aufreizend und schafft einen bestimmten Gegensatz zu ihm, so daß man es verstehen kann, daß der Zentralverband der Vertriebenen als führende Organisation der Heimatvertriebenen in den westdeutschen Ländern die Abberufung Schäffers als Finanzminister verlangt.
Das Gesetz über die Feststellung kriegsbedingter Vermögensverluste ist notwendig, um eine klare, auf sicherer zahlenmäßiger Grundlage beruhende Bilanz der Vermögensverluste festzustellen; denn nur so ist die Voraussetzung für die Durchführung eines richtigen Lastenausgleichs gegeben. Auch wir wollen es verhüten, daß Spekulanten Schäden anmelden, die sie nie erlitten haben. Natürlich wäre es notwendig, daß man auf der anderen Seite das für den Lastenausgleich in Betracht kommende Vermögen feststellt und sicherstellt. Es besteht die Gefahr, daß diesen Zugriffen bedeutende Vermögen entzogen werden, vor allem die geheimen Bankkonten der Kriegsgewinnler, Schwarzhändler und anderer Schieber, die sich bei jeder Gelegenheit solchen Zugriffen entzogen haben.
Wir nehmen an, daß der vorliegende Gesetzentwurf nach dem Antrag des Kollegen Wackerzapp die Zustimmung des ganzen Hauses finden wird. Daß damit eine Verzögerung in der Gesetzwerdung des Lastenausgleichs herbeigeführt wird, ist ein dummes Gerede und wird nur mit einer ganz bewußten Tendenz verbreitet. Wir sind natürlich bereit, wie bei der Soforthilfe den ganzen guten Apparat unserer Flüchtlingsorganisation, auch der Landsmannschaften, einzusetzen, um eine rasche und objektive Schadenfeststellung herbeizuführen.
Das Wort hat nun der Herr Finanzminister, indem er die notwendigen Weisungen gibt, wenn das Gesetz angenommen wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert. 12 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst mein Bedauern aussprechen, daß bei dieser wichtigen Debatte. die Regierungsbank überhaupt nicht besetzt ist und insbesondere der Herr Finanzminister nicht anwesend ist.
Ich hätte ihn einiges zu fragen.
Ich muß weiter mein Bedauern darüber aussprechen, daß wir in einem Zeitpunkt, in dem wir nach allen Versprechungen mit Recht erwarten durften, über das Lastenausgleichsgesetz debattieren zu können, heute lediglich über ein sogenanntes Feststellungsgesetz sprechen. Wenn Sie das Gesetz allerdings selber lesen und nicht die Erklärungen dazu nehmen, die ein Teil der Antragsteller heute abgegeben hat, so könnten Sie auf die Frage kommen: Was hat dieses Gesetz denn überhaupt mit dem Lastenausgleich zu tun? Denn wenn Sie nur das Gesetz selber lesen, so hören Sie zwar von Behörden, Kontrollausschüs-
sen und Beschwerdeinstanzen, deren Kosten natürlich getragen werden müssen und die eingerichtet werden sollen, Sie hören von Bescheiden, die in Rechtsmittelverfahren aller Art zustande kommen; Sie lesen aber kein Wort darüber, was denn diese so feierlich zustande gekommenen Bescheide, was diese Papierehen überhaupt zu besagen haben sollen. Wenn Sie das Gesetz lesen, so haben Sie den Eindruck, als wäre es ein Glasperlenspiel, das um der reinen Kunst der Feststellung halber betrieben wird, und Sie können nicht sagen, wohin das alles führen soll.
Nun, ein Teil der Antragsteller allerdings hat uns heute gesagt, das sei der erste und entscheidende Schritt zum Lastenausgleich.
Hier möchte ich aber von vornherein einer Meinung widersprechen, nämlich daß wir uns, wenn wir nur recht eifrig solche Feststellungsspiele betreiben, mit dem Lastenausgleich dann ruhig und geruhsam Zeit lassen können. Wir sind ganz anderer Ansicht in diesem Punkt. Ich fürchte allerdings sehr, daß das, was uns der Herr Kollege Wackerzapp vorhin vorgetragen hat, nicht nur beiläufig ein Leitfaden für Anfänger über das Gesetzgebungsverfahren war, sondern tatsächlich die Vorstellungen aufzeigte, die einige Leute darüber haben, wie sich der Lastenausgleich entwickeln soll.
Nun haben wir allerdings, wie gesagt, von dem Herrn Kollegen Wackerzapp gehört, daß dieses Feststellungsgesetz ein entscheidender Anfang des Lastenausgleichs sein soll. Wenn das der Fall ist, muß man sich fragen: in welcher Situation stehen wir denn eigentlich? Die Regierung hat zusammen mit den Regierungsparteien vor einiger Zeit ein Kommuniqué über ihre Absichten zum Lastenausgleich der Öffentlichkeit übergeben. Ich sehe nur auf die zwei ersten Sätze dieses Kommuniqués:
Ausgangspunkt für alle Entschädigungen ist der festgestellte Schaden des Einzelnen, sei er Vertriebener oder Kriegssachgeschädigter. Über die Höhe der Entschädigung läßt sich heute noch nichts sagen, da die Höhe abhängt von der gesamten anerkannten Schadenssumme.
Soll das heißen — und offenbar soll es das heißen —, daß über wirkliche Leistungen aus dem Lastenausgleich überhaupt nicht gesprochen wird, bevor eine gesamte anerkannte Schadenssumme feststeht? Soll das heißen, daß eine Konkursquote ausgeschüttet wird, die über Arme und Reiche, über Starke und Schwache gleichmäßig herabträufelt? Und welcher Art kann denn diese Konkursquote sein? Was bedeutet denn diese Konkursquote, die auf einer gesamten anerkannten Schadensfeststellung beruhen könnte?
Ich will Sie nicht mit vielen Zahlen überschütten; aber einige Zahlen darf ich nennen, die ich der Einfachheit halber der Denkschrift des Finanzministers entnehme. Die Flüchtlingsschäden betragen 25 bis 30 Milliarden DM, wenn Sie die Geldschäden mitrechnen, die Sachschäden im Währungsgebiet vielleicht 28 Milliarden DM, die Verluste an Reichswerten, die nach diesem Gesetzentwurf auch festgestellt werden sollen, 30 Milliarden DM; von den übrigen Währungsschäden, die sich dann immer noch in der Größenordnung von 120 Milliarden DM bewegen, überhaupt nicht zu reden. Was für Vorstellungen darüber, welche
Konkursquote überhaupt herauskommen könnte, haben Sie denn? Wagen Sie es denn wirklich, einmal zu sagen, daß nach den Entwürfen und den Ziffern, die man aus dem Finanzministerium hat hören können, auf eine solche Schadenssumme vielleicht 1 % pro Jahr gezahlt werden könnte? Das ist noch nicht einmal eine Verzinsung, geschweige denn eine Tilgung, geschweige denn eine Konkursquote.
Wenn Sie hiervon ausgehen und solche festgestellten Summen zugrunde legen wollen, so frage ich weiter: kann denn an solchen Zahlen das wirkliche Gewicht der Verluste und das wirkliche Gewicht der daraus hervorgehenden Ansprüche richtig gewogen werden? Wo bleibt denn da dasjenige, was in Zahlen gar nicht zu fassen ist? Will man sich denn gar nicht klarmachen, was der Verlust der Heimat bedeutet, was es bedeutet, in der Mitte seines Lebens aus allem, was man geschaffen hat, aus allem, was man gekannt hat, herausgerissen, neu anfangen zu müssen? Glauben Sie, das in Zahlen und Konkursquoten und in Schadensfeststellungen festhalten zu können? Will man sich nicht klarmachen, was es für den jungen Menschen heißt, aus dem Elternhaus, aus der Heimat, aus allem, was ihn beschützt hat, aus allem, worin er verwurzelt war, herausgerissen, in diese heute besonders schlimme und gefährliche Welt hinauszukommen? Wollen Sie das in solchen Zahlen und Feststellungen festhalten, oder soll diese Feststellung, wie wir von Herrn Dr. Trischler gehört haben, nicht für den Lastenausgleich, sondern für höhere Zwecke dienen?
Es ist von Herrn Wackerzapp auch von dem ideellen Interesse gesprochen worden, das man daran hätte, künftigen Generationen beweisen zu können, wieviel Besitz man einmal gehabt habe. Offenbar wird das für eine besondere Ehre angesehen! Es ist vom Interesse für Reparationsfeststellungen usw. gesprochen worden. Halten Sie es wirklich für möglich, solcher Dinge halber die Soforthilfeämter lahmzulegen? Denn das passiert, wenn Sie ihnen, wie es hier vorgesehen ist, diese Feststellungen übertragen, diese in ihrer Bedeutung durchaus unbestimmten Feststellungen.
Ich will in diesem Stadium nicht über den Wert von Feststellungen sprechen, die sich auf Bescheinigungen von Landsmannschaften gründen; aber ich möchte darauf hinweisen, daß Bescheinigungen dieser Art denn doch schon in großem Umfang vorliegen. Ich habe hier ein Schreiben des Hilfsvereins Pinneberg für Kriegsgeschädigte — solche Schreiben können genau so gut von jedem anderen Kreisverein dieser Organisation kommen —, das darauf hinweist, daß allein schon in diesem Landkreis 25 000 solcher Anträge -registriert sind, die auch nichts anderes bedeuten als diese Feststellungen, die hier getroffen werden sollen. Mit Recht stellt man hier die Frage: Warum will man neue Formulare herausgeben und damit die Soforthilfeämter zusätzlich beauftragen? Ein neuer Beamten- und Angestelltenapparat wird in kostspieliger Weise aufgezogen, und Papier- und neue Druckkosten zu Lasten der Steuerzahler werden verursacht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei hat es sich immer und in erster Linie zur Aufgabe gemacht, für die Flüchtlinge, für ihre Ansprüche und für die Ansprüche aller Geschädigten zu sprechen. Die Sozialdemokratische Partei lehnt es ab, sich zum
Sprachrohr von Funktionären von Flüchtlings-und Geschädigtenverbänden zu machen, deren Funktion offenbar darin gesehen wird, den Flüchtlings- und Geschädigtenbegriff zu verewigen, der schon längst verschwunden sein sollte, wenn es mit rechten Dingen zuginge.
Wir wollen uns nicht auf einen Weg drängen lassen, auf dem der Lastenausgleich .n einem Interessengegensatz zwischen den verschiedenen Geschädigtengruppen, die alle gleichen Anspruch auf unsere Hilfe und unser Verständnis haben, ersticken muß.
Wir wünschen die Situation zu klären. Ich möchte daher folgende Fragen an die Regierung stellen: Ist es die Absicht der Regierung, von dem Grundsatz, daß das Stichtagsvermögen des 20. Juni 1948 dem Lastenausgleich unterliegt — ein Grundsatz, zu dem wir uns in Frankfurt mehrfach einstimmig bekannt haben —, abzugehen? Beabsichtigt sie, die größere Hälfte der Lastenausgleichsfinanzierung auf laufende Steuergelder, auf Zahlungen, die auf andere Steuern verrechnet werden, auf die allgemeine Fürsorge abzuwälzen, und beabsichtigt sie, auf diese Weise der Abwälzung auf die Schultern der breiten Massen Tür und Tor zu öffnen?
Zweitens: Ist es die Absicht der Regierung, die Leistungen der Soforthilfe auf etwa die Hälfte zu kürzen und wegen des Restes dieses so mühsam errungenen Rechtsanspruchs für die Armen und Schwachen wieder auf die Fürsorge zu verweisen?
Drittens: Sind in den Plänen der Regierung überhaupt Mittel für Vermögensentschädigungen, wie sie hier in Frage kommen könnten, vorgesehen? Wenn ja, welche Quote würde sich denn nach diesen Grundsätzen hier errechnen; und noch einmal: wenn ja, beabsichtigt man, diese Quote in gleichmäßiger Gerechtigkeit eines Konkursverwalters oder auch Finanzministers auf Arme und Reiche gleichmäßig niederregnen zu lassen? Und wenn nein, wie ist denn nun die Stellungnahme der Regierung zu diesem Gesetz? Was bedeutet denn dann dieses Gesetz?
Herr Bundesfinanzminister und meine Herren von der Bundesregierung, diese Fragen werden nicht im Protokoll hier vermodern, sondern sie werden Ihnen so lange wiederholt werden, bis Sie eine eindeutige Antwort darauf gegeben haben und die Folgen dieser Antwort auch auf sich nehmen. Die Sozialdemokratische Partei möchte es in aller Deutlichkeit klarmachen, daß sie allen Versuchen, eine Minderung der Soforthilfeleistungen, die immerhin das Allermindeste sind, mit Ablenkungsmanövern, Feststellungsmanövern und anderen Berechnungsmanövern in die Wege zu leiten, schärfsten Widerstand entgegensetzen wird. Unserer Ansicht nach sind, wenn die Mittel knapp sind -- und sie werden immer zu knapp sein —, nicht Arme und Schwache, Große und Kleine vor der Konkursquote gleichzusetzen, sondern wir müssen zwischen denen, die wirklich geschädigt, die wirklich an der Wurzel getroffen sind, und denen, die irgendwann einmal etwas verloren haben, unterscheiden. Wir sind gegen eine Schadensfeststellung zur Ablenkung von der eigentlichen Lastenausgleichsaufgabe.
Wir halten ein Feststellungsverfahren erst dann
für sinnvoll, wenn feststeht, was geleistet werden soll, nach welchen Gesichtspunkten es geleistet werden soll und was festzustellen deswegen notwendig und zweckmäßig ist.
Wir wünschen nicht die Feststellung von Vermögensverlusten, sondern die Feststellung der Leistungen und Abgaben des Lastenausgleichs. Mit andern Worten: Wir wünschen kein Feststellungsgesetz, wir wünschen das Lastenausgleichsgesetz!
Und um das ganz klar zu machen und Ihnen auch Gelegenheit zu geben, klar dazu Stellung zu nehmen, habe ich die Ehre, Ihnen den Antrag der Abgeordneten Reitzner, Frau Krahnstöver, Matzner, Zuhlke, Ollenhauer und Fraktion der SPD vorzulegen. Er heißt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Bundestag bis zum 1. September 1950 den Gesetzentwurf über den Lastenausgleich vorzulegen.
Ich darf den Antrag übergeben. Meine Damen und Herren! Sie haben eben aus dem Munde des Herren Finanzministers gehört, daß technische Bedenken gegen diesen Termin nicht geltend gemacht werden können.
Herr Abgeordneter, ich bitte, zum Schluß zu kommen!
Sprechen Sie sich darüber aus, wie ernst es Ihnen mit dem Lastenausgleich ist! Die Regierung wird dann den Beschluß zu befolgen haben, oder sie wird ihn mißachten, wie sie es mit anderen Beschlüssen schon getan hat. Das wird seine Folgen haben. Aber, meine Damen und Herren, keine Verzögerungen mehr, keine Ablenkungen! Kommen wir zur Sache!
Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei hält das eingebrachte Feststellungsgesetz besonders aus psychologischen Gründen für notwendig. Sie unterstützt es vor allen Dingen auch deshalb, weil sie weiß, daß ein Lastenausgleichsgesetz fertiggestellt ist und in nächster Zeit dem Kabinett vorgelegt wird. Sie wünscht allerdings, daß die Auswertung der Feststellungen nach diesem Gesetz, die ohne Zweifel eine lange Zeit in Anspruch nehmen werden, nicht dazu führt, daß die Ingangsetzung des Lastenausgleichs dadurch hinausgezögert wird. Sie wird darauf dringen, daß auch vor der vollen Auswertung die Leistungen aus dem Lastenausgleich in Gang gesetzt werden.
Meine Damen und Herren! Ich fühle mich gedrängt, Ihnen den Abgeordneten Farke als nachahmenswertes Beispiel, zumindest was die Kürze seiner Ausführungen be-
trifft, zu empfehlen.
Wir haben einen sehr langen Tag vor uns.
Herr Kollege Kather, Sie haben das Wort!
— Sie haben das Wort. Sie haben noch 8 Minuten für Ihre Fraktion.
Meine Damen und Herren! Wenn man einen Lastenausgleich durchführen will, dann heißt das doch, daß man eine Entschädigung für Verluste geben will. Es würde ja allen Vernunftsgründen widersprechen, wenn man diese Entschädigung nicht in einen gewissen Zusammenhang mit oder in eine Abhänigkeit von der Höhe des Verlustes bringen würde. Das setzt also begrifflich voraus, daß der Lastenausgleich und die damit verbundene Vermögensentschädigung gar nicht ohne eine Feststellung der Höhe des Schadens vorgenommen werden kann. Man kann darüber streiten, wie man diese Feststellung macht. Man kann große Pauschalierungen usw. wählen, um die Sache zu vereinfachen. Aber um eine Feststellung kommt man logischerweise nicht herum. Ich darf darauf hinweisen, daß auch die Gesprächspartner in Unkel sich darüber einig waren, daß wir eine Feststellung haben müßten. Die Unterhaltung ging zunächst nur darum, ob man die notwendige gesetzliche Grundlage für eine Feststellung zusammen mit dem Lastenausgleichsgesetz schafft oder ob man sie vorwegzieht.
Wir haben erstrebt, daß diese gesetzliche Grundlage vorweg geschaffen wird, weil wir der Meinung sind, der schon der Herr Kollege Wackerzapp Ausdruck gegeben hat, daß man ein solches Gesetz sehr viel schneller verabschieden und dann mit der Feststellung beginnen kann, während man bei dem andern Weg ja warten muß, bis das wirklich langwierige Verfahren des Lastenausgleichs abgeschlossen ist. Ich möchte allerdings hier nicht unterlassen zu sagen, daß ich mich in diesem einen Punkte der Auffassung meines Freundes Wackerzapp nicht anschließen kann. Ich würde eine solche Inflation von Ausschüssen nicht mitmachen. Wenn es nach meinem Geschmack ginge, würde überhaupt nur der Lastenausgleichsausschuß allein mit diesem Gesetz befaßt werden. Die anderen Interessenten können ja dort durchaus zu Wort kommen.
Ich muß sagen, daß mich die Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert in ihrer großen Schärfe außerordentlich überrascht haben. Herr Kollege Seuffet, es handelt sich für uns um kein Spiel.
Die Vertriebenen wollen endlich einmal sehen, daß Ernst gemacht wird, und logischerweise muß der Anfang mit der Feststellung gemacht werden.
— Es ist vollkommen abwegig zu sagen, daß durch diese vorweggezogene Feststellung die Beratungen über den Lastenausgleich etwa verzögert würden. Wir haben das Gesetz ja noch nicht, und wir werden es nach Ihrem Antrag, den Sie heute gestellt haben, erst in etwa zwei Monaten bekommen. Dann haben wir ja schon Zeit, inzwischen dieses Gesetz, das wir heute hier vorgelegt haben, zu verabschieden.
— Meine Herren, bleiben Sie sachlich! Gerade die heimatvertriebenen Abgeordneten der SPD möchte ich doch bitten, sich einmal zu überlegen, ob sie uns dasselbe unterstellen wollen, was Herr Kollege Seuffert uns unterstellt hat, nämlich daß wir dieses ganze Gesetz nur eingebracht haben, um ein Ablenkungsmanöver zu machen. Ich weise das als eine unerhörte Beleidigung der heimatvertriebenen Abgeordneten hiermit zurück.
— Das ist vollkommen zutreffend.
Der Herr Kollege Seuffert hat mehrfach von der Konkursquote gesprochen und hat angedeutet, daß wir etwa ein Prozent im Jahre geben wollten. Ich kann Ihnen, Herr Kollege Seuffert, verraten, daß wir sogar — der Antrag liegt uns heute zur Beratung in internen Besprechungen vor — verlangen, dais die Vermögensabgabe mit 4, 3 oder bei der Landwirtschaft mit 2 % pro anno verzinst wird. Sie brauchen uns nicht zu erzählen, Herr Seuffert, daß man die Entschädigung — —
— Nein, ich spreche zu Ihnen; das müssen Sie mir schon überlassen, wohin ich mich wende. Uns brauchen Sie nicht zu erzählen, daß wir die Entschädigung sozial staffeln sollen. Darüber sind wir uns ja, wie Sie aus den Unkeler Beschlüssen wissen, vollkommen einig. Wir sind uns auch darüber einig, daß wir natürlich nicht gleich alles geben können. Wir sind uns auch darüber einig, daß wir die Priorität derer anerkennen, die infolge ihres Alters oder ihrer Erwerbsunfähigkeit nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen, und die Priorität derer, die wieder einen neuen Anfang machen wollen und können. Wir denken auch gar nicht daran — jedenfalls wir, die wir den Antrag gestellt haben —, daß wir etwa die Soforthilfe lahmlegen würden. Wir denken auch gar nicht daran, daß dadurch die Soforthilfeämter stillgelegt werden.
Ihre ganzen Ausführungen, Herr Kollege Seuffert laufen doch darauf hinaus, daß Sie überhaupt keine Feststellungen machen wollen. Denn wenn Sie eines Tages Feststellungen machen wollen, dann müssen sie auch von irgendwelchen Behördenapparaten ausgeführt werden. Sie wissen hier nur zu erzählen, daß man Kosten zu Lasten des Staates — Papier- und Druckkosten usw. — aufwendet. Man kann etwas Notwendiges nicht unterlassen, weil es Geld kostet. Ich bin der Meinung: auch wenn absolut feststünde, daß wir den Geschädigten keinen Pfennig geben können, könnten wir ihrem Wunsch das Gehör nicht versagen, daß sie eimal schwarz auf weiß haben wollen: was haben wir verloren und was haben wir für das Vaterland geopfert?
Darin liegt die starke psychologische Wirkung.
Ich muß mich auch dagegen verwahren, daß Sie hier die Organisationen der Vertriebenen ganz allgemein angegriffen haben, indem Sie von dem „Wert" sprachen, den man etwa landsmannschaftlichen Bescheinigungen zumessen könne. Wir haben hier die sogenannten Heimatprüfstellen vorgesehen, gerade weil wir erreichen wollen, daß nicht Phantasieanmeldungen kommen. Wenn Sie den Entwurf aufmerksam gelesen haben, dann haben Sie auch gesehen, daß wir auf wissentlich falsche Angaben den Verlust des Rechtes gestellt haben. Wir haben also so weit wie möglich Vorkehrungen getroffen, um fehlerhafte Feststellungen zu verhindern.
Ich muß mich noch einmal dagegen verwahren, daß Sie hier sagen: wir können hier kein Gesetz mitmachen, das nur dazu da ist, um Funktionären der Heimatvertriebenen zu irgendwelchen Dingen zu verhelfen. Das ist eine unerhörte Unterstellung, die ich zutiefst bedauere, Herr Seuffert. Ich habe immer größten Wert darauf gelegt, in den Organisationen auch mit den Vertretern der SPD Hand in Hand zu arbeiten. Ich muß zu meinem Bedauern erklären, daß es sehr schwer sein wird, das Porzellan wieder zu kitten, das Sie heute zerschlagen haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen. Wir wollen also mit diesem Gesetz, mit dem es uns selbverständlich vollkommen ernst ist, das wir ja gegen den Widerstand des Herrn Finanzministers — wir sind ja in dieser Beziehung nicht seine Bundesgenossen, er wollte ja diese Schadenfeststellung nicht haben — eingereicht haben, tatsächlich den Vertriebenen helfen. Das ist der erste Gesetzentwurf, der hier überhaupt zum Thema des Lastenausgleichs vorgelegt worden ist, und es ist auch der erste Entwurf, den heimatvertriebene Abgeordnete interfraktionell eingereicht haben. Ich bedaure es sehr, da bei solcher Gelegenheit nicht ein besserer Widerhall aus dem Hause gekommen ist.
Ich schließe mich dem Antrage des Herrn Kollegen Wackerzapp auf Verweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene und an den Ausschuß für den Lastenausgleich an und möchte insbesondere auch an den Ausschuß für den Lastenausgleich die Bitte richten, dieses Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann. — Verzeihung, der Herr Bundesfinanzminister hat sich zum Wort gemeldet; er hat das Vorrecht vor Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte den eben aufgerufenen Herrn Redner um Entschuldigung, wenn ich ihm vorgreife. Aber ich mußte für einige Minuten aus dem Saal und möchte die Gelegenheit ergreifen, um die präzise gestellten Fragen des Herrn Kollegen Seuffert möglichst in derselben Präzision zu beantworten. Er hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, zuerst zu dem Gesetzentwurf über den allgemeinen Lastenausgleich gefragt, ob die Bundesregierung beabsichtige, die benötigten Mittel zur größeren Hälfte aus laufenden Steuern aufzubringen; zweitens, ob die Bundesregierung beabsichtige, die Lasten auf die allgemeine Fürsorge abzuwälzen, die Leistungen auf die Hälfte zu kürzen und die Geschädigten für den Rest an die Fürsorge zu verweisen; drittens, ob Mittel für Vermögensentschädigungen vorgesehen seien und ob diese Mittel gleichmäßig auf alle ohne Unterschied, ob arm oder reich, verteilt werden sollen.
Zur Frage 1: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die benötigten Mittel zur größeren Hälfte aus laufenden Steuern aufzubringen. Die Bundesregierung beabsichtigt, die benötigten Mittel aus Vermögensabgaben verschiedener Art und mit möglichster Heranziehung der Währungsgewinne aufzubringen, die technisch noch erfaßbar und ergreifbar sind.
2: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Lasten auf die allgemeine Fürsorge abzuwälzen, sie um die Hälfte zu kürzen und die Geschädigten für den Rest auf die Fürsorge zu verweisen. Sie beabsichtigt jedoch, das Schwergewicht bei den Leistungen auf die Frage der produktiven Leistungen zu verlegen und den Kriegsgeschädigten aller Art, die durch Krieg und Kriegsfolgen ihre wirtschaftliche Existenz verloren haben, eine Hilfe für die Gründung einer neuen Existenz zu geben als Vorauszahlung für den im Gesetz vorgesehenen und notwendigerweise erst im Laufe der Zeit berechenbaren Anspruch auf eine Hauptentschädigung. Für die Erwerbsunfähigen und Arbeitsunfähigen soll nach dem Gesetzentwurf daneben das System einer Kriegsschadenrente beibehalten werden, deren Höhe sich nach den verfügbaren Mitteln und dem Kreis und der Zahl dieser Personen berechnet.
Die Frage 3 ist durch meine Antwort zur Frage 2 in gewissem Sinne schon beantwortet. Eine gleichmäßige Verteilung von Mitteln, die für Vermögensentschädigungen gegeben werden, ist nicht beabsichtigt. Es soll ein Unterschied nach den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Geschädigten gemacht werden.
Was nun den Antrag betrifft, der gestellt worden ist, so darf ich auf die Erklärung verweisen, die ich heute schon abgegeben habe. Ich habe ja das Vergnügen, in meiner Post manchmal solch einen schönen Brief mit einer Zeichnung zu bekommen, in der ich am Galgen hänge, und die notwendige Begleitmusik in einer gewissen Presse zu lesen, in der mir zum Vorwurf gemacht wird, daß ich den Lastenausgleich verzögere.
Ich möchte einmal vor dem ganzen Hause feststellen: Derjenige, der den Lastenausgleich seit November 1949 mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln betrieben hat und der das in Erkenntnis dessen getan hat, daß das Thema Lastenausgleich gerade für denjenigen, der zu einer praktischen Lösung und zu einer praktischen Durchführung kommen will, politisch sozusagen ein Todesurteil bedeutet, der aber aus Pflicht dem deutschen Volke und den Kriegsgeschädigten gegenüber diesen Lastenausgleich betrieb, den Gesetzentwurf psychologisch durch die Denkschrift vorbereitet und dann auch ausgearbeitet hat — den Gesetzentwurf, der heute als fertig betrachtet werden kann und in Ressortbesprechungen ist —, das ist doch eigentlich im Zusammenhang mit der gesamten Bundesregierung der Bundesminister der Finanzen gewesen.
Und er hat heute schon erklärt, daß er seinem Hause die Weisung gegeben hat, die Referentenbesprechungen nicht lange hinauszuziehen, sondern möglichst rasch abzuschließen, in der Hoffnung, daß auch den gesetzgebenden Körperschaften der Gesetzentwurf noch im August vorgelegt werden kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um dieses Feststellungsgesetz gibt so einen kleinen Vorgeschmack von dem, was wir demnächst zu erwarten haben, wenn es um den Lastenausgleich selber geht. Ich glaube nicht, daß die, die dafür in
Betracht kommen, also die Bombengeschädigten und die Heimatvertriebenen, den Eindruck haben, daß es sich hier um ein Ablenkungsmanöver handelt. Ich verstehe nicht, wie man auf den Gedanken kommen kann; denn bei aller Vernachlässigung gerade dieser Frage muß man doch sagen, daß das erste, was hier geschieht, auch das Notwendigste ist. Wenn irgendeiner glaubt, von einem Lastenausgleich sprechen zu können, ohne ein Inventar aufzunehmen, ohne festzustellen, was auf der einen Seite da ist und auf der anderen Seite geschuldet wird, so kann das doch von den Berechtigten draußen nur so verstanden werden, daß er den Rechtscharakter ihrer Ansprüche überhaupt nicht einmal anzuerkennen geneigt ist. Wenn Sie diesen Gedanken durchdenken, meine Herren von der SPD, so werden Sie sicher zu dem Ergebnis kommen, daß Sie sich im Grunde der Forderung nach einer Feststellung der Schäden gar nicht entziehen können. So sehr wie ich selbst namentlich im Interesse auch der Ausgebombten, von denen bisher überhaupt nicht die Rede gewesen ist — —
— Die sind mit erwähnt in Ihrem Antrag, ich weiß, aber in der Debatte, ist noch gar nicht von ihnen gesprochen worden. Es gibt nicht bloß Flüchtlinge, die darauf warten, sondern auch die Kriegsgeschädigten der anderen Kategorie hier in der Heimat warten genau so dringend darauf, daß man sich ihrer erinnert.
So sehr wir also begrüßen, daß das Problem des Lastenausgleiches eiligst in Angriff genommen wird, so halten wir doch eine Festlegung auf einen Tag nicht für zweckmäßig, schon am allerwenigsten für zweckmäßig, weil man gerade den Herrn Finanzminister Schäffer, den „Laß-den-AusgleichsMinister", nicht zwingen sollte, es in aller Eile so, wie es jetzt vorliegt, zu erledigen. Das geplante Lastenausgleichsgesetz kann doch nur besser werden unter dem Druck der Öffentlichkeit, der hier dringend notwendig ist, auch gerade unter dem Druck der Teile seiner eigenen Fraktion, die das bisherige Verhalten des Herrn Finanzministers in der Frage Lastenausgleich nicht billigen. Dieser Druck wird sich zum besseren auswirken und die Möglichkeit bieten, das bisherige Vorhaben des Finanzministeriums noch zu verbessern.
Ich begrüße deswegen, daß jetzt dieser Antrag vorgelegt wird, schon darum, weil er das Schweigen bricht, und weil dieser Antrag der erste Schritt auf dem Wege ist, tatsächlich etwas zu tun. Es bedarf im einzelnen allerdings noch der Beratung dieser Vorlage, und ich glaube, daß Herr Kollege Kather, der wohl ihr Inaugurator ist, nicht daran gedacht hat, daß in einigen Ländern schon erhebliche vorbereitende Arbeit getan worden ist. Die Vorlage könnte bei einer schematischen Behandlung zu einer überflüssigen Behördenarbeit führen. Es müßte also zunächst einmal festgestellt werden, welche Vorarbeiten in den einzelnen Ländern schon getan sind, um das zu vermeiden.
Eben ist von einer Konkursquote gesprochen worden. Sicherlich darf man die Angelegenheit nicht unter dem privatrechtlichen Gesichtspunkt des Konkurses bearbeiten und betrachten. Allein mit diesem Gesichtspunkt der Quote kann man nicht fertig werden. Man kann aber auf der anderen Seite nicht verkennen, daß es nicht gleich sein kann, ob der eine wenig, der andere viel verloren hat, und der Herr Finanzminister hat eben auch zugeben müssen, daß eine individuelle Betrachtung notwendig ist. Diese individuelle Betrachtung kann sich nicht nur auf die einzelnen Personen und ihre persönlichen Verhältnisse erstrecken, sondern sie muß sich natürlich auch auf die Verluste erstrekken, die der einzelne gehabt hat.
Wenn ich insgesamt — wir haben ja heute nur die Besprechung im Sinne einer Generaldebatte — den Blick auch auf die Behandlung der Kriegsgeschädigten zurückwerfe, so muß ich sagen, daß das, was jetzt beantragt ist, schon vor dreiviertel Jahren Aufgabe der Regierung gewesen wäre.
Die Regierung nimmt so gern und so oft die Initiative in gesetzgeberischen Arbeiten für sich in Anspruch, die ihr gar nicht zukommt. Hier aber hat sie bei ihrer Regierungserklärung feierlich erklärt, daß sie so sozial wie möglich verfahren wolle. Von dieser Stelle aus ist das Wort gefallen. Gerade dazu hätte es gehört, daß sie schon längst die Initiative wenigstens dahin ergriffen hätte, daß sie ihren guten Willen zum Ausdruck gebracht hätte. Während dieser gute Wille von der Regierung bisher nur höchst unvollkommen gezeigt worden ist und da das, was vom Lastenausgleichsentwurf der Regierung bisher bekanntgeworden ist, auch nur höchst unbefriedigend war, ist es ein ehrendes Zeichen, daß aus der Mitte des Hauses ein interfraktioneller Antrag gekommen ist, ein ehrendes Zeichen für dieses Haus, daß es selber die Initiative ergriffen hat und sich gerade derer erinnert, die man von seiten breiten Kreise unseres Volkes am liebsten totschweigen möchte.
Weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Dr. Oellers!
Meine Damen und Herren! ich habe nicht die Absicht, noch eine lange Rede zu halten. Die Tatsache, daß meine Fraktion sich geschlossen hinter den Antrag gestellt und ihn initiativ eingereicht hat, besagt für unsere Haltung in der Materie selbst genug.
Ich möchte mich nur mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert noch mit wenigen Worten befassen. Ich kann allerdings meine Herren Vorredner verstehen, wenn sie sich die Frage vorlegen, wie man überhaupt einen Lastenausgleich durchführen will, wenn man darauf verzichtet, die Vermögensschäden, die man ausgleichen will, festzustellen. Wenn man Anhänger eines individuellen Lastenausgleichs ist, der selbverständlich, Herr Kollege Seuffert, in einer sozialen Staffelung . jedem einen Teil dessen wiedergeben will, was er einstmals besessen hat, dann wird man allerdings um ein Feststellungsverfahren nicht herumkommen. Aber ich gebe Ihnen durchaus zu, daß auch die von Ihnen vertretene Auffassung, auf ein solches Feststellungsverfahren zu verzichten, einer Konzeption entspricht. Wenn man nämlich einen kollektiven Lastenausgleich durchführen will, der nichts weiter vorhat, als in den Händen des Staates Flüchtlingsindustrien und große Siedlungsunternehmen aufzuziehen und den einzigen Zweck eines Lastenausgleichs darin sieht, den Geschädigten eine Wohnung und einen Arbeitsplatz zu verschaffen, dann allerdings, meine Damen und Herren, brauchen wir kein Feststellungsverfahren!
Wenn wir aber schon den schweren Schritt gehen, große Vermögenswerte aus dem Privateigentum zu enteignen,
dann legen wir Wert darauf, daß damit auch wieder Privateigentum geschaffen wird, und auf dem
Wege des kollektiven Lastenausgleichs werden wir Ihnen meine Herren von der SPD, nicht folgen und auch nicht die Heimatvertriebenen!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.
Meine Damen und Herren! Wenn man die Regierungsparteien hier reden hört, dann sollte man annehmen, daß die Regierung und die hinter ihr stehenden Parteien einen wirklich sozial tragbaren Lastenausgleich wollten. In Wirklichkeit geht es diesen Parteien nur darum, die Großkapitalisten zu schützen und die kleinen Leute weiter an der Nase herumzuführen.
Wir sehen in diesem Antrag ebenfalls den Versuch, die kleinen Leute erneut zu täuschen und zu vertrösten.
Wenn man von Feststellungen über die Schäden spricht, die den einzelnen Personenkreisen entstanden sind, dann hätte man dieses Feststellungsgesetz ja zugleich mit dem Lastenausgleichsgesetz vorlegen können.
Ohne die Vorlegung des Lastenausgleichsgesetzes muß man dieses Vorgehen und diesen Antrag als ein großes Täuschungsmanöver gegenüber den betroffenen Bevölkerungsschichten ansehen.
Wir schließen uns dem Antrag der Sozialdemokratie an. Wir verlangen, daß die Regierung in kürzester Frist ihre Stellungnahme bekanntgibt. Es wirr' sich herausstellen, daß auch in diesem Lastenausgleichsgesetz die Politik fortgesetzt wird, die in dei Steuernovelle und in anderen Vorschlägen der Regierung bereits zum Ausdruck kam, nämlich die Reichen zu schützen und die Armen nach Möglichkeit niederzuhalten.
Wollen Sie noch das Wort haben, Herr Abgeordneter Seuffert? Nach der Erklärung des Herrn Finanzministers erteile ich Ihnen das Wort.
— Meine Damen und Herren! Nach der Geschäftsordnung wird, wenn die Regierung gesprochen hat, die Debatte wieder eröffnet.
— Herr Kollege Kunze, wir haben darüber schon gesprochen. Es heißt in der Geschäftsordnung: wenn die Regierung nach Abschluß
der Beratungen gesprochen hat. Das Haus hat immer nach dem Grundsatz gehandelt, daß ebensoverfahren werden soll,
wenn die Regierung spricht, nachdem eine Fraktion ihre Redezeit konsumiert hat. Es geht dabei um dasselbe Anliegen.
Sonst könnte es doch sein, daß die Regierung spricht, ohne daß sich eine Fraktion noch dazu äußern kann.
Sie haben das Wort, Herr Abg. Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde Sie nicht lange in Anspruch nehmen. Auf die Antwort des Herrn Bundesfinanzministers werden wir zurückzukommen haben, wenn uns die Entwürfe wirklich vorliegen. Nur die Bemerkungen insbesondere des Herrn Kollegen Dr. Oellers
geben mir Anlaß zu einigen Gegenbemerkungen, weil hier der Anfang einer Legendenbildung gesehen werden könnte.
Sie unterschieben uns, daß wir für den kollektiven Lastenausgleich, wie Sie es nennen, seien. Wenn Sie die Äußerungen der Sozialdemokratischen Partei, die sie zeitgerecht, schon vor einiger Zeit der Öffentlichkeit übergeben hat, wirklich kennen — und ich nehme an, Sie kennen sie —, so wissen Sie, daß nichts dergleichen richtig ist.
Wenn Sie fragen, wie man dann eine Feststellung entbehren könnte, so verweise ich Sie auf den Wortlaut meiner Ausführungen vorhin, die Sie im Protokoll nachlesen können, wo ich gesagt habe, daß es unserer Ansicht nach sinnlos ist, Feststellungen zu treffen, bevor man weiß, was für die Leistungen überhaupt festzustellen ist, was für sie von Belang ist und was man deswegen feststellen muß.
— Gewiß sind wir anderer Meinung. Aber ich wollte, wie gesagt, nur diese Legendenbildung unterbinden.
Im übrigen muß allerdings das klar sein, daß nach unseren Vorstellungen im Lastenausgleich die notwendigste Hilfe für die Armen und die Schwachen und für diejenigen, die ohne diese Hilfe nicht vorwärts kommen können, den Vorrang hat vor der Wiederherstellung früherer Vermögensverhältnisse, mag man sie bei Ihnen für so wichtig wie möglich halten.
Weitere Wortmeldungen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, — —
— Zur Geschäftsordnung Herr Kollege Euler!
Zu dem Antrag der Sozialdemokratie, das Haus möge beschließen, daß der Herr Finanzminister den Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes bis zum 1. September vorzulegen hat, möchte ich das Haus bitten, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß dieser Antrag gegenstandslos ist, nachdem der Herr Finanzminister hier erklärt hat, der Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes werde demnächst, und zwar noch im August, in den Gesetzgebungsgang kommen.
Das Haus hat diese Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers angehört. Wir sind deshalb der Auffassung, daß der Antrag der Sozialdemokratie damit gegenstandslos ist.
Es ist der Antrag
gestellt, die Drucksache Nr. 1140 an den Ausschuß für den Lastenausgleich federführend und
den Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Dann lasse ich abstimmen über den Antrag der Fraktion der SPD, der überreicht wurde. Ich verlese ihn:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem
Bundestag bis zum 1. 9. 1950 den Gesetzentwurf zum Lastenausgleich vorzulegen.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, zurückzublättern. Wir schreiten jetzt zur Abstimmung über die Vorlage unter Ziffer 1 der gedruckten Tagesordnung, also zur
Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur 4 nderung des Umsatzsteuergesetzes .
Wir sind in der dritten Beratung. Ich muß zuerst über den Antrag Wellhausen auf Zurückverweisung an den Ausschuß abstimmen lassen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich fürchte, wir werden zum Hammelsprung übergehen müssen. — Auch die Herren Schriftführer sind der Meinung, daß das Abstimmungsergebnis nicht sicher zu ermitteln ist. Dann müssen wir mittels Hammelsprungs abstimmen. Wer für die Verweisung ist, den bitte ich, durch die Tür rechts von mir einzutreten, wer gegen die Verweisung ist, durch die Tür links von mir, und wer sich der Stimme enthalten will, durch die Mitteltür einzutreten. Ich bitte, den Saal zu verlassen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen. — Meine Damen und Herren, die Abstimmung beginnt.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte die Herren Schriftführer um das Ergebnis ihrer Zählung.
Meine Damen und Herren! Hier ist das Ergebnis: Für die Verweisung an den Ausschuß 157, gegen die Verweisung an den Ausschuß 157,
6 Enthaltungen. Damit ist der An trag abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die einzelnen Artikel des Gesetzentwurfs zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes.
— Die Abstimmung ist vorbei!
— Der Herr Abgeordnete Euler hat das Wort.
Für die dritte Lesung des Gesetzes beantrage ich namentliche Abstimmung.
Wird der Antrag von 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt? — Ich danke; offensichtlich! Wer für namentliche Abstimmung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen. Dann bitte ich die
Herren Schriftführer, sich zu rüsten und die Urnen aufzustellen.
Meine Damen und Herren! Ich Litte einen Augenblick um Ihr geneigtes Gehör. Es ist meiner Unkenntnis im Steuerrecht zu verdanken, daß ich über die namentliche Abstimmung in Bausch und Bogen habe abstimmen lassen. Mir wird gesagt, interessant sei der Antrag nur bezüglich der Ziffer 2 des Art. I.
Also „im § 7 wird Abs. 4 gestrichen.". Ist das auch Ihre Meinung?
Dann werden wir also namentlich nur über die Ziffer 2 des Art. I abstimmen lassen. Im übrigen stimmen wir nach dem in diesem Hause üblichen Verfahren ab. Vielleicht kann ich, solange die Vorbereitungen für die namentliche Abstimmung getroffen werden, Art. I und die einzelnen Ziffern in der üblichen Weise zur Abstimmung bringen. Sind Sie einverstanden?
Art. I Ziffer 1. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Dann käme die namentliche Abstimmung zu Ziffer 2. Sind die Vorbereitungen getroffen? Ich bitte die Herren Schriftführer, die Karten einzusammeln.
Wir brauchen bei diesem Modus der Abstimmung keine Namen zu verlesen.
— Herr Abgeordneter Euler!
Darf ich zur Abstimmung darauf aufmerksam machen, daß noch keine Karten mit Namensaufdruck vorliegen.
Vizepäsident Dr. Schmid: Meine Damen und Herren, ich frage: haben alle Anwesenden von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht?
— Es besteht sonst noch die Möglichkeit der Stimmabgabe.
Das Wort zur Abstimmung hat der Herr Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Ich möchte beantragen, daß die Abstimmung wiederholt wird, da die Abstimmungsfrage mißverständlich war und infolgedessen einige Abgeordnete falsch abgestimmt haben.
Meine Damen und Herren! Ich halte diesen Antrag nicht für zulässig; denn ich habe die Frage genau und, wie ich glaube, so präzise wie möglich gestellt.
Die Folge eines Irrtums oder eines Verhörens hat derjenige zu tragen, der den Irrtum begangen oder sich verhört hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es liegt im Wesen der namentlichen Abstimmung, daß ein Abgeordneter seine Stimmabgabe korrigieren kann.
Wenn also Abgeordnete nach ihrer Meinung falsch
abgestimmt haben, müssen sie erklären können:
Wir wollten nicht mit Ja, sondern mit. Nein stimmen oder: „Wir wollten uns enthalten" oder
„Wir wollten anstatt mit Nein mit Ja stimmen".
Das liegt im Wesen der namentlichen Abstimmung. Eine solche Korrektur der Stimmabgabe muß möglich sein.
Meine Damen und Herren! Es scheint hier ein echter Notstand vorzuliegen.
— Es ist, glaube ich, nicht ganz angemessen, darüber zu lachen. Es liegt schon ein echter Notstand vor. Jedem von uns kann es passieren, daß er sich irrt. Ich werde keine weitere Abstimmung vornehmen lassen, bitte Sie aber um Ihr Einverständnis dazu, daß beim Namensaufruf den Abgeordneten, die, weil sie sich verhört haben oder aus anderen Gründen glauben, nicht so gestimmt zu haben, wie sie eigentlich stimmen wollten, das Recht zu geben, zu erklären, wie ihre Stimmabgabe gewertet werden soll. Ich glaube, das entspricht der Billigkeit.
Die Namen werden jetzt aufgerufen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihr Gehör. Es scheint auch im Reichstag so gewesen zu sein, daß bei diesem Modus der Abstimmung beim Zählen der Karten nicht die Namen aufgerufen wurden. Es besteht noch eine Möglichkeit, etwaige Irrtümer zu korrigieren; sie liegt bei Ihnen, wenn Sie den betreffenden Abgeordneten gestatten, ihre Karten auszuwechseln. Sind Sie damit einverstanden?
Das kann am Schluß, also nachdem die Karten gezählt sind, geschehen.
Meine Damen und Herren! Bei der Zählung hat sich herausgestellt, daß einige Damen und Herren zwei Karten abgegeben haben.
Unter diesen Umständen müssen wir die Abstimmung wiederholen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist früher so üblich gewesen, daß zunächst das vorläufige Ergebnis der Abstimmung festgestellt wurde. Später .wurde dann das endgültige Ergebnis festgestellt. Der frühere Reichstagspräsident Löbe wird das bestätigen. In den Fällen, in denen zwei Karten abgegeben sind — was sich dann herausstellt, wenn sie
unterschiedlich sind und unterschiedliche Willensmeinungen zum Ausdruck bringen —, sind die Stimmen ungültig.
Deshalb bitte ich, jetzt einmal das vorläufige Ergebnis, so wie es nach den Karten vorliegt, festzustellen und dann auf Grund des endgültigen Ergebnisses zu revidieren. Vielleicht kann man die Sache so machen, daß der Herr Präsident jetzt diesen Punkt der Tagesordnung in der Abstimmung unterbricht und in der Tagesordnung fortfährt, bis die Sache in Ordnung gebracht ist.
Herr Abgeordneter Euler zur Geschäftsordnung!
Meine Damen und Herren! Ich
glaube, der Herr Präsident war wohlberaten, als
er eben anregte, die Abstimmung zu wiederholen.
Denn ganz offensichtlich haben bei dieser ersten
Praktizierung eines neuen Abstimmungsverfahrens eine Reihe von Mitgliedern des Hauses
irrtümliche Entscheidungen getroffen. Ganz abgesehen davon bestanden ja auch vielfache Unklarheiten über den Gegenstand der Abstimmung.
— Das ist Tatsache. Aus diesen Gründen ist es richtig, die Abstimmung zu wiederholen.
Herr Abgeordneter Bucerius.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute nicht mit Ruhm bekleckert.
Nachdem unter Brausen der Sirenen in den Wandelhallen die Abgeordneten hier hereingerufen worden sind, passierte uns eine Panne nach der anderen. Ich glaube — obwohl ich selbst zugestimmt habe —, es war schon nicht ganz unbedenklich, daß wir dem einen oder anderen Abgeordneten gestattet haben, die Stimmabgabe nachträglich zu revidieren. Bei der ersten Abstimmung dieser Art mag man darüber hinwegsehen. Ich würde vorschlagen, daß wir in Zukunft dieses Entgegenkommen nicht mehr zeigen, weil die Würde dieses Hauses es erfordert, daß wir uns unverzüglich darüber klarwerden, was eigentlich entschieden werden soll.
Das zweite ist folgendes: Die Lösung dieses jetzt anstehenden Problems scheint mir wirklich sehr einfach zu sein. Diejenigen Abgeordneten, die versehentlich zwei Karten mit „Ja" abgegeben haben, weil sie anscheinend zusammengeklebt waren, werden selbstverständlich nur einmal gezählt. Es steht ja der Name und ihre Willenserklärung darauf. Es war ein lauteres „Ja", aber es wird nur einfach gezählt.
Diejenigen Abgeordneten, die einmal mit Ja und einmal mit Nein gestimmt haben, fallen definitiv aus; ihre Stimmabgabe ist ungültig.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kunze.
Meine Damen und Herren! Die Abstimmung zu wiederholen, weil diese Pannen passiert sind oder sein sollen, würde bedeuten, daß bei allen namentlichen Abstimmungen jeder Abgeordnete die Wiederholung der namentlichen Abstimmung möglich machen könnte, indem er zwei verschiedene Karten hineinsteckt. Es muß bei der Ordnung des früheren Reichstags bleiben, indem wir feststellen: die Karten, die von einem Abgeordneten mit Ja und Nein abgegeben sind, sind ungültig.
Ich beantrage daher, die Abstimmung nicht zu wiederholen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bausch.
Meine Damen und Herren! Ich bitte zu bedenken, daß eine ganze Anzahl der Mitglieder dieses Hohen Hauses sich während des ganzen Vormittags bei Ausschußsitzungen befunden haben. Sie sind soeben hier hereingekommen und waren genötigt, auf Knall und Fall abzustimmen, ohne die Möglichkeit zu haben, sich eingehend darüber zu unterrichten, worüber abgestimmt wird.
Das ist eine unbestreitbare Tatsache, an der wir meiner Ansicht nach nicht vorbeigehen können. Es sind meiner Schätzung nach mindestens 60 bis 70 Abgeordnete gewesen, die sich bei Ausschußberatungen befunden haben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Meine Damen und Herren! Wenn die Geschäftsordnung keine Bestimmung enthält, die einen vorliegenden Fall regelt, dann ist es der Interpretation, d. h. dem freien Beschluß des Hauses überlassen, die Geschäftsordnung entsprechend zu interpretieren. Nur muß man sie im Rahmen der Vernunft interpretieren, und da liegt die Situation so: Wir haben die Praxis aus . dem alten Reichstag. Wenn sich dort einer bei der Abgabe der Stimme geirrt hatte, dann ist das geschehen, was hier eingeleitet wurde: er konnte dann diesen Irrtum nachträglich berichtigen. Wenn jemand zwei Stimmen abgegeben hatte, dann wurden die Stimmen nur dann gewertet und gezählt, wenn die Abgabe der Stimmzettel einheitlich war, also entweder zwei Ja, zwei Nein, zwei Enthaltungen. War aber eine Differenz vorhanden, eine Ja- und eine Nein-Stimme oder eine Enthaltung und ein Ja und umgekehrt, dann wurden beide Stimmen nicht gewertet.
Das ist wohl der korrekte Vorgang. Wenn wir diesen Maßstab zugrunde legen, dann haben wir auch die Möglichkeit, auf die Wiederholung der Abstimmung zu verzichten.
Was nun die Bemerkung des Kollegen Bausch angeht, so kann ich erklären, daß ich am Vormittag auch in der Ausschußsitzung war. Ich glaube, wir haben uns wohl alle verantwortlich erst orientieren müssen, ehe wir unsere Stimmkarten abgegeben haben.
Die Herren Abgeordneten Bausch und Euler haben den Antrag auf Wiederholung der Abstimmung gestellt. Ich lassedas Haus darüber entscheiden. Wer für Wiederholung der Abstimmung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Das vorläufige Ergebnis*), das nunmehr im Büro nachgeprüft werden wird, ist: abgegebene Stimmen 338, mit Nein haben 177, mit Ja 156 gestimmt; 5 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten.
Herr Abgeordneter Schoettle zur Abstimmung!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist im Hause die Auffassung verbreitet, daß bei dieser Abstimmung, der ersten dieser Art, Stimmzettel für Herren und Damen — ich weiß nicht, um was es sich im einzelnen handelt — abgegeben worden sind, die zur Zeit der Abstimmung nicht im Hause anwesend waren.
Ich glaube, daß dieser Vorfall untersucht werden muß,
daß die Aussagen geprüft werden müssen, die zu diesem Punkt gemacht worden sind, weil sonst die ganze Prozedur der namentlichen Abstimmung, wie sie heute durchgeführt worden ist, völlig unmöglich wäre.
Ich kann im Augenblick nicht zu einem konkreten Antrag kommen. Der Antrag, den man stellen könnte, sollte nur das Verlangen enthalten, die Abstimmung für ungültig zu erklären.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der schwere Verdacht, der auf diesem Hause lastet, geklärt werden muß.
Ich glaube nicht, daß hier der Ort und die Zeit ist, einen Beschluß zu fassen. Die Sache wird wohl an den Ältestenrat gehen müssen. Man wird sich im Ältestenrat darüber schlüssig werden müssen, in welchem Verfahren festgestellt werden soll, ob dieser Verdacht begründet ist oder nicht.,
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Mensing.
Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, an die Abgeordneten die Frage zu richten, ob hier jemand anwesend ist, der zwei Stimmzettel oder einen Stimmzettel für einen Kollegen abgegeben hat, der nicht im Saal anwesend ist.
Meine Damen und Herren! Ich halte diese Frage für inopportun; ich werde sie nicht stellen.
Wir fahren in der Abstimmung fort. Ich rufe Ziffer 3 des Art. I auf. Nach dem vorläufigen Ergebnis der Abstimmung zu Ziffer 2 erübrigt sich eine Abstimmung zu Ziffer 3.
Dann rufe ich Ziffer 4 auf. Wer für die Ziffer 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 2926
— Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Wir sind in der Abstimmung über Ziffer 4 von Art. I. Wer für Ziffer 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
Ziffer 4 ist gegenstandslos geworden, denn sie bezieht sich auf § 7.
Erhebt sich Widerspruch?
Das Wort hat Herr Dr. Koch.
Ich glaube, das ist ein Versehen, Herr Kollege Wellhausen. Die Ziffer 4 von Art. I des vorliegenden Gesetzes — ich habe leider das Gesetz nicht zur Hand — bezieht sich meines Erachtens auf das ganze Umsatzsteuerrecht und nicht nur auf den § 7 Abs. 4. Diese Bestimmung spricht, wenn ich mich nicht irre, von Voranmeldungen und von Zeiträumen, innerhalb deren Voranmeldungen abzugeben sind. Ich glaube daher, der Herr Kollege Wellhausen hat sich versehen. Wir müssen also doch über Ziffer 4 abstimmen.
Herr Dr. Wellhausen erklärt, daß die Ausführungen des Kollegen Dr. Koch richtig sind.
Wir stimmen ab über Ziffer 4. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist angenommen.
Ich rufe auf Art. II. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. III. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Der Artikel ist gemäß § 7 gegenstandslos. Wir brauchen also nicht darüber abzustimmen.
Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Meine Damen und Herren, wir hätten nunmehr zur Schlußabstimmung zu kommen. Ich halte es aber für bedenklich, vor Nachprüfung des Abstimmungsergebnisses durch das Büro die Schlußabstimmung vorzunehmen. Wir stellen daher die Schlußabstimmung zurück, bis das Ergebnis dieser Nachprüfung vorliegt. — Sie sind einverstanden.
Dann rufe ich als nächsten Punkt der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes .
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, keine Aussprache vorzunehmen, sondern die Vorlage nach Einbringung unmittelbar an den Ausschuß zu überweisen.
Wer bringt das Gesetz ein? — Der Herr Bundesfinanzminister hat das Wort zur Einbringung und Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz hat in Art. 114 eine Rahmenbestimmung über den Rechnungshof getroffen. Hiernach ist die
Rechnung über die Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden des Bundes durch einen Rechnungshof, dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit besitzen müssen, zu prüfen. Ferner ist hier bestimmt, daß die allgemeine Rechnung und eine Übersicht über das Vermögen und die Schulden dem Bundestag und dem Bundesrat im Laufe des folgenden Rechnungsjahres mit den Bemerkungen des Rechnungshofes zur Entlastung der Bundesregierung vorzulegen sind und daß die Rechnungsprüfung durch Bundesgesetz zu regeln ist. Hiernach ist es notwendig, gesetzliche Bestimmungen über den Aufbau des Rechnungshofes und die ihm obliegende Rechnungsprüfung zu treffen.
Um in der Rechnungsprüfung keine Unterbrechung eintreten zu lassen, war bereits in § 1 des Haushaltsgesetzes 1949 und der Vorläufigen Haushaltsordnung vom 7. Juni 1950 übergangsweise bestimmt worden, daß für die Rechnungsprüfung im Aufgabenbereich der Bundesverwaltung die Vorschriften des Gesetzes des Wirtschaftsrats über die Errichtung eines Rechnungshofes im Vereinigten Wirtschaftsgebiet vom 3. November 1948 zunächst weiter gelten und daß der durch dieses Gesetz errichtete bizonale Rechnungshof zunächst die Aufgaben des Bundesrechnungshofes zu übernehmen hat.
Mit dem Ihnen heute vorgelegten Gesetzentwurf sollen die nach dem Grundgesetz vorgeschriebene Errichtung des Bundesrechnungshofes verwirklicht und die Bestimmungen festgelegt werden, nach denen er die Rechnungsprüfung durchzuführen hat. Für den Aufbau des Bundesrechnungshofes, für die Festlegung seiner Aufgaben und deren Durchführung sollen nach dem Gesetzentwurf grundsätzlich die in vieljähriger Praxis erprobten und bewährten einschlägigen Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung weiterhin Anwendung finden, durch die die Finanzkontrolle einer unabhängigen obersten Reichsbehörde, dem Rechnungshof anvertraut wird. Die Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung mußten aber in gewissen Einzelheiten den Notwendigkeiten der Gegenwart angepaßt werden. Hierbei ist insbesondere auf die heutige staatsrechtliche Struktur des Bundes als eines Föderativstaates besondere Rücksicht genommen worden. Die Länder führen bekanntlich heute im Auftrag des Bundes in weitem Umfange Teile des Bundeshaushaltsplanes durch oder verwalten auftragsweise Bundesmittel und Bundesvermögen. Soweit sie hierbei auch mit eigenen Haushaltseinnahmen oder Haushaltsausgaben beteiligt sind, soll die Rechnungsprüfung gemeinsam durch den Bundesrechnungshof und die obersten Rechnungsprüfungsbehörden der Länder erfolgen. Auch ist die Möglichkeit einer gegenseitigen Übertragung von Prüfungsaufgaben durch Vereinbarung zwischen Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfen vorgesehen worden. Die Gemeinschaftsarbeit zwischen Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfen findet ihren Ausdruck insbesondere darin, daß in Fällen der genannten Art Entscheidungen in grundsätzlichen Fragen der Rechnungsprüfung durch einen Vereinigten Senat getroffen werden sollen, der sich aus Vertretern des Bundesrechnungshofes und der obersten Prüfungsbehörden der Länder zusammensetzt. Dem Vereinigten Senat soll ferner die Aufgabe zufallen, zu Prüfungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung Stellung zu nehmen, die im Aufgabenbereich des Bundesrechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes anfallen.
Neben der sich in der Rechnungsprüfung auswirkenden Verwaltungskontrolle soll dem Bundesrechnungshof die weitere Aufgabe zufallen, sich auf Ersuchen der obersten Organe des Bundes — Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesminister der Finanzen — gutachtlich über Fragen zu äußern, die für die Bewirtschaftung öffentlicher Mittel in der Bundesverwaltung von Bedeutung sind. Es hat sich schon früher im Reich wie auch in letzter Zeit im Vereinigten Wirtschaftsgebiet als sehr zweckmäßig erwiesen, die vom Rechnungshof bei der Rechnungsprüfung gemachten Erfahrungen den obersten Bundesorganen und obersten Bundesbehörden zu vermitteln und beim Aufbau der Organisation auszuwerten. Eine Überprüfung der Verwaltungsorganisation durch den Rechnungshof und die Verwertung seiner hierbei erarbeiteten Vorschläge und Anregungen zur Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung werden gerade bei dem noch in vollem Fluß befindlichen Aufbau der Bundesverwaltung von besonderer Bedeutung sein.
Wegen aller Einzelheiten darf ich auf den Inhalt des Gesetzes und auf die demselben beigegebene Begründung Bezug nehmen.
Die Bundesregierung legt auf die alsbaldige Verabschiedung des Gesetzes größten Wert. Ich wäre deshalb dankbar, wenn die Ausschußberatungen über die Vorlage bald aufgenommen werden könnten.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf ohne Aussprache an den zuständigen Ausschuß zu überweisen. Ich möchte Ihnen vorschlagen, die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu beschließen, da ja dieser Ausschuß in erster Linie für diese Dinge zuständig ist. Ich bitte diejenigen, die diesem Vorschlag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zu Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- und Bausparwesen .
Wird der Gesetzentwurf begründet?
— Herr Dr. Oellers hat das Wort zur Geschäftsordnung.
Nach dem Beschluß des Ältestenrats soll dieser Gesetzentwurf unter Annahme der gedruckten amtlichen Begründung, die dem Gesetzentwurf beigefügt ist, und ohne Debatte an den Ausschuß für Geld und Kredit gehen.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Oellers gehört. Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen wollen, die Hand zu erheben. — Damit ist die Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit beschlossen.
Es ist nun gestern im Ältestenrat beschlossen worden, zwischen die Tagesordnungspunkte 7 und 8 die Beratung und Abstimmung über die Drucksachen Nr. 1231 und 1232 einzuschieben. Die Drucksachen liegen aber bisher nicht vor. Ich glaube, daß infolgedessen die Beratung an dieser Stelle der Tagesordnung nicht durchgeführt werden kann.
Ich rufe daher den Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (Nr. 1200 der Drucksachen).
.
Dazu liegt mir eine Mitteilung des Bundesverkehrsministers vor, daß er zu Verhandlungen auf den Petersberg gerufen worden ist und bittet, in die Erörterung dieses Tagesordnungspunktes nicht vor drei Uhr einzutreten. Ich nehme Ihre Zustimmung dazu an, daß wir die Beratung über diesen Punkt zurückstellen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 1138 der Drucksachen).
.
Zunächst erteile ich das Wort zur Generalberichterstattung dem Herrn Abgeordneten Dr. Laforet.
Meine Damen und Herren! Dem Bericht für die einzelnen Fachgebiete habe ich für das Hohe Haus wie zur Festlegung für die rechtsgeschichtliche Entwicklung als Vorsitzender des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht einen kurzen allgemeinen Bericht vorauszuschicken.
Lange vor der Rechtseinheit im bürgerlichen Recht war für das Deutsche Reich die Rechtseinheit im Strafrecht geschaffen und durch die Gesetzgebungswerke des Jahres 1877 die Rechtseinheit im Verfahrensrecht erreicht. Sie ist in den Jahren 1945 bis 1949 völlig verlorengegangen, und es ist ein unerträgliches Maß von Verschiedenheiten und Unklarheiten entstanden. Aufgabe des Wiederherstellungsgesetzes, das Ihnen in einem umfangreichen Druckstück jetzt zur Beschlußfassung vorliegt, war es, diese Rechtseinheit wieder zu schaffen. Ich kann mich dem Herrn Referenten des Bundesrats, Minister Dr. Katz, nur anschließen, wenn er in seinem allgemeinen Bericht im Bundesrat dem Bundesjustizministerium die besondere Anerkennung für die geleistete mühsame und wohlüberlegte Arbeit ausgesprochen hat.
Der Entwurf des Gesetzes hat davon Abstand genommen, grundsätzliche Neuerungen zu bringen. Auch bei der Behandlung des Gegenstandes im Rechtsausschuß des Bundestags und in seinen Unterausschüssen wurde wie im Bundesrat mit voller Absicht davon Abstand genommen, grundsätzliche Fragen des Verfahrensrechts zu erörtern und zu Gesetzesvorschlägen zu schreiten. So ist, um nur ein Beispiel zu geben, die wichtige Frage, ob der Rechtsschutz auch im Strafprozeß wie im bürgerlich-rechtlichen Verfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verlangt,
grundsätzlich stets eine zweite Rechtsstufe mit der Feststellung des Tatbestandes zu befassen, also die sogenannte zweite Tatsacheninstanz zu schaffen, der späteren Neufassung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung überlassen.
Bei der Vereinheitlichung ist man im Entwurf, wie die Begründung der Bundesregierung sagt, in jedem Fall auf eine Regelung zurückgegangen, die in Deutschland bereits einmal einheitlich Rechtens war und sich bewährt hat. Beseitigt wurden selbstverständlich die Vorschriften, die aus nationalsozialistischen Irrgängen und Vorstellungen gewachsen waren; beseitigt sind aber auch die Vorschriften, die aus der Zwangslage eines Weltkriegs und eines allumfassenden Wirtschaftskrieges zu einer Verminderung des Rechtsschutzes geführt hatten. Im übrigen ist im wesentlichen die Rechtslage wiederhergestellt, wie sie vor 1933 gegeben war. Beibehalten wurden außerdem später eingeführte und im ganzen Reichsgebiet gültig gewesene Änderungen, soweit sie auf Beratungen und Entwürfe aus der Zeit vor 1933 zurückgehen und eine Verbesserung darstellen.
Von der Regel der Zurückstellung aller Neuerungen sind wie im Regierungsentwurf und in den Verhandlungen des Bundesrats so auch in den Beratungen und Vorschlägen des Rechtsausschusses und seiner Unterausschüsse nur Ausnahmen gemacht, wo die Anforderungen des wirksamen Rechtsschutzes eine Verbesserung in Einzelheiten forderten.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat nach der Beschlußfassung über die Ziele und die Begrenzung des sehr umfangreichen Gesetzgebungswerks für jedes Fachgebiet der Gerichtsverfassung, der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung einen besonderen Unterausschuß gebildet. Diese Unterausschüsse haben in vielen ausgedehnten Sitzungen die Entwürfe eingehend geprüft. Die Übergangs- und Schlußbestimmungen wie die Vorschriften anderer mit dem Gesetzgebungswerk zusammenhängender Gesetze sind teils von dem für die erwähnten Gebiete zuständigen Fachausschuß, teils in einem besonderen Unterausschuß behandelt worden. Dann hat der gesamte Rechtsausschuß in einer Reihe von Sitzungen die aufgetretenen Streitfragen behandelt und über sie beschlossen.
Der Bundesrat hat zu dem Gegenstand überaus wertvolle Anregungen gegeben. Ich nehme hierzu Bezug auf die Anlage II der Drucksache Nr. 530, Abänderungsvorschläge des Deutschen Bundesrats, und den Bericht über die Sitzungen des Bundesrats vom 27. Januar 1950, Sitzungsbericht Seite 172 ff. Die Anregungen des Bundesrats haben weit überwiegend die Zustimmung des Ausschusses des Bundestags gefunden.
Der Ausschuß unterbreitet dem Hohen Haus den Antrag, den Entwurf des Wiederherstellungsgesetzes, wie er Ihnen in der Drucksache Nr. 1138 vorgelegt ist, zu genehmigen. Nach Art. 9 des Regierungsentwurfs soll der Bundesjustizminister ermächtigt werden, den Wortlaut des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung mit den Änderungen, wie sie sich aus dem Wiederherstellungsgesetz ergeben, weiter mit den bis zu seinem Inkrafttreten erlassenen Gesetzen und Verordnungen in Einklang zu bringen und dabei etwaige Unstimmigkeiten des Gesetzestextes zu beseitigen. Die Ermächtigung sollte auch die Befugnis umfassen, die Vorschriften der drei Gesetze den veränderten staatsrechtlichen
Verhältnissen anzupassen. Der Rechtsausschuß hat sich der Anschauung des Bundesrats angeschlossen, die Neufassung des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung selbst vorzunehmen, die drei Gesetze als Anlagen des Wiederherstellungsgesetzes zu bezeichnen und sie damit zum Bestandteil des Wiederherstellungsgesetzes selbst zu machen. Die vom Bundesrat danach geforderte Prüfung des Gesetzestextes der drei Gesetze ist im Einvernehmen mit den Herren Vertretern des Bundesjustizministeriums erfolgt. Es sollen demnach gemäß Art. 9 des Wiederherstellungsgesetzes das Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung vom Tag des Inkrafttretens des Wiederherstellungsgesetzes an die aus den Anlagen I bis III ersichtliche Fassung erhalten.
Das Gesetz soll nach dem Beschluß des Rechtsausschusses am 1. Oktober 1950 in Kraft treten. Ich stelle deshalb im Auftrag des Rechtsausschusses den Antrag, den Art. 8 Ziffer I des Wiederherstellungsgesetzes wie folgt zu fassen: „Das Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1950 in Kraft".
Nach Art. 86 Satz 2 des Grundgesetzes regelt die Bundesregierung, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Einrichtung der Behörden. Es entspricht der wohlüberlegten deutschen Rechtsanschauung, den Sitz der höchsten Gerichtshöfe in einem Gesetz zu bestimmen. So war auch im § 125 des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877 gesagt, daß der Sitz des Reichsgerichts durch Gesetz bestimmt wird, und das Gesetz über den Sitz des Reichsgerichts vom 1. April 1877 sprach aus, daß das Reichsgericht seinen Sitz in Leipzig erhält. Der Entwurf des Gerichtsverfassungsgesetze sah in § 123 vor, in ihm den Sitz des Bundesgerichtshofs zu bestimmen. Im gedruckten Entwurf des Wiederherstellungsgesetzes und des Gerichtsverfassungsgesetzes, wie er Ihnen vom Rechtsausschuß vorgelegt worden ist, ist über den Sitz des Obersten Gerichtshofs keine Bestimmung enthalten. Um den Sitz des Obersten Gerichtshofs haben sich die Städte Bamberg, Berlin, Braunschweig, Frankfurt, Göttingen, Hamburg, Karlsruhe, Kassel, Köln, Wetzlar und Wiesbaden beworben. Die Ergebnisse der Erhebungen des Bundesjustizministeriums mit den Plänen und Darlegungen für die meisten der Städte waren mehrere Monate lang in einem der Sitzungszimmer der allgemeinen Prüfung unterstellt. Der Rechtsausschuß hat dann beschlußmäßig Grundsätze der Anforderungen an den Sitz des Bundesgerichtshofs aufgestellt und ein Unterausschuß des Rechtsausschusses hat dann die Vorlagen der einzelnen Städte nach diesen Anforderungen geprüft. Darüber wird der Herr Vorsitzende des Unterausschusses, Herr Kollege Maier, besonderen Bericht erstatten.
Der Rechtsausschuß hat dann über den Sitz des Bundesgerichtshofes Beschluß gefaßt. In seinem Auftrag stelle ich den Antrag, in Art. 1 unter Ziffer 51 als § 123 des Gerichtsverfassungsgesetzes einzusetzen:
Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe.
Meine Damen und Herren! Bei der überaus schwierigen Arbeit, dem verwickelten Rechtsstoff, aus der vollen Zersplitterung wieder eine Einheit zu schaffen, wird es uns nicht restlos gelungen sein, alle Zweifel zu beseitigen. Die langen, eingehenden Verhandlungen in den Unterausschüssen
des Rechtsausschusses wie in diesem selbst wurden geführt in voller kollegialer Zusammenarbeit der Mitglieder ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit. Die Arbeit war getragen von dem nachdrücklichen Willen, den deutschen Richtern und Rechtsanwälten, vor allem aber dem deutschen Volke selbst, auf entscheidenden Gebieten wieder eine sichere und einheitliche Grundlage des Rechts zu geben.
Vizeprasident Dr. Schäfer: Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Generalberichterstatter.
Zur Berichterstattung über das Gerichtsverfassungsgesetz erteile ich dem Herrn Abgeordneten Kiesinger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen das Ergebnis der Beratungen des Rechtsausschusses zur Vorlage der Regierung über Änderungen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung zu berichten. Sie finden eine Zusammenstellung der Regierungsvorlage und der Beschlüsse des Rechtsausschusses auf den Seiten 3 bis 22 der Drucksache Nr. 1138. Außerdem enthält Art. 8 des Gesamtgesetzes auf den Seiten '79 bis 88 der Drucksache Nr. 1138 eine Anzahl wichtiger Schluß- und Übergangsvorschriften aus dem Bereich der Gerichtsverfassung. Diese Drucksache enthält die Änderungsvorschläge zum bisherigen Recht der Gerichtsverfassung. Den der Regierungsvorlage und dem Beschluß des Ausschusses entsprechenden vollständigen Wortlaut des GVG finden Sie in der Anlage 1 zur Drucksache Nr. 1138. Ferner darf ich Sie auf Anlage II zu Drucksache Nr. 530, Seite 1 bis 6, verweisen, welche die Änderungsvorschläge des Deutschen Bundesrates zu der Regierungsvorlage enthält; sie wurden in die Beratungen des Rechtsausschusses einbezogen und zu einem erheblichen Teil übernommen.
Meine Damen und Herren! Bei Gelegenheit ähnlicher Berichterstattung über die spröde Materie des gerichtlichen Verfassungs- und Verfahrensrechtes äußerte einmal der österreichische Jurist Josef Unger die Befürchtung, dem Juristen viel zuwenig, und dem Nicht-Juristen viel zuviel zu bieten; er müsse versuchen, zwischen diesen Klippen das Schifflein seiner Rede hindurchzusteuern, so gut es eben gehe. Ich befinde mich in derselben Verlegenheit und will versuchen, den etwa anwesenden stoffhungrigen Juristen nicht zu wenig und dem tapferen Häuflein der übriggebliebenen Nicht-Juristen nicht zu viel des Langweilenden zu bieten.
Die leitenden Prinzipien für das gesamte Gesetzgebungswerk hat Ihnen soeben Professor Laforet dargestellt. Sie finden in der Begründung des Regierungsentwurfs eine Darstellung des seit dem nationalsozialistischen Zusammenbruch im Bereich der Länder der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone eingetretenen uneinheitlichen, unsicheren und verworrenen Rechtszustandes, der einer Bereinigung dringend bedarf.
Das Recht der Gerichtsverfassung enthält Vorschriften über das Richteramt, über die Gerichte der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit, ihre Organisation und ihre -sachliche Zuständigkeit in Zivil- und Strafsachen. Abgesehen von den in
§ 14 des Gerichtsverfassungsgesetzes zugelassenen besonderen Gerichten handelt es sich also um Organisationen und sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte, der Schöffengerichte, der Landgerichte, der Schwurgerichte, der Kammern für Handelssachen, der Oberlandesgerichte und des nun an die Stelle des früheren Reichsgerichts tretenden Bundesgerichtshofes. Über diese Materie handeln die wichtigen ersten neun Titel oder 140 Paragraphen des Entwurfs. Ein besonderer zehnter Titel regelt die Staatsanwaltschaft. Die dann folgenden Titel — Geschäftsstelle, Zustellungs-
und Vollstreckungsbeamte, Rechtshilfe, Öffentlichkeit und Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung, Gerichtsferien — sind von geringerem Interesse und können in dem von mir zu erstattenden Bericht summarisch behandelt werden.
Ich will die wichtigsten Änderungen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand vorwegnehmen. Sie sind folgende: erstens volle Wiederherstellung des unabhängigen Berufsrichtertums; zweitens einheitliche Regelung der Beteiligung von NichtJuristen — Laien — an der Rechtspflege; Auswahl von Schöffen und Geschworenen nach einem neuen demokratischen Verfahren; drittens Einführung der sogenannten Präsidialverfassung bei sämtlichen Gerichten — auch bei gewissen großen Amtsgerichten — an Stelle des durch den Nationalsozialismus auch hier eingeführten sogenannten „Führergrundsatzes"; viertens Wiederherstellung des Kollegialprinzips bei den Landgerichten in Zivilsachen an Stelle der Entscheidung durch nur einen Richter wie bisher; fünftens einheitliche Regelung der Schwurgerichte nach dem Rechtszustand vor 1933, nach der sogenannten Emmingerschen Reform; sechstens Errichtung des Bundesgerichtshofes als höchstem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit an Stelle des früheren Reichsgerichts und siebtens einheitliche Neuregelung der Zuständigkeit und des Rechtszuges in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Strafsachen.
Zur Frage der Wiederherstellung des unabhängigen Berufsrichtertums darf ich Sie auf den ersten Titel des Gesetzes verweisen. In § 6 ist auf Anregung des Bundesrats ausdrücklich die Bestimmung „Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt" als Bundesrecht wieder neu gefaßt worden; denn die Ernennung der Richter auf Lebenszeit ist ja eine der stärksten Garantien für ihre persönliche und sachliche Unabhängigkeit. Allerdings haben wir im Anschluß an den bisherigen Rechtszustand in § 10 Zugeständnisse an die Notwendigkeiten der Praxis machen müssen, d. h. es ist nach wie vor so wie auch vor 1933 möglich, daß bei bestimmten Gerichten Hilfsrichter verwendet werden, ohne gemäß § 6 zum Richter auf Lebenszeit ernannt zu sein: die bekannten Assessoren-Richter, die natürlich nicht in dem Maße unabhängig sind, wie ein planmäßig auf Lebenszeit angestellter Richter. Das ist in Kauf genommen worden bei den Amtsgerichten und bei den Landgerichten; nicht in Kauf genommen worden ist es dagegen bei den höheren Gerichten, also bei den Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof. Dort können nur lebenslänglich angestellte Richter verwendet werden. Auch die Verwendung von Gerichtsreferendaren in richterlicher Tätigkeit ist nach alter Tradition wieder aufgenommen worden, derart nämlich, daß Gerichtsreferendare mit einzelnen richterlichen Geschäften betraut werden können. Einem Antrag des Lan-
des Baden, nach dort bestehender 70jähriger Tradition befähigten Referendaren auch kommissarisch, also generell, richterliche Aufgaben zu übertragen, ist im Hinblick auf das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit nicht stattgegeben worden. Hinsichtlich der Stellung des bewährten Berufsstandes der Rechtspfleger in diesem Zusammenhang hat sich der Auschuß auf den Standpunkt gestellt, trotz der Eingaben dieses Berufsstandes in diesem Augenblick keine Neuregelung zu treffen, d. h. getreu dem allgemeinen Prinzip seiner Arbeit jetzt keine große, sondern nur eine kleine Justizreform durchzuführen und die Dinge beim gegenwärtigen Rechtszustand zu belassen.
Über die Vorbildung der Richter enthält der § 2, wobei einige nicht unbeträchtliche Neuerungen insbesondere in § 2 Absatz geschaffen worden sind, die übliche Vorschrift über Vorbildung durch ein juristisches Studium, wobei als Übergangsbestimmung zugunsten unserer kriegsgefangenen Studenten die Bestimmung aufgenommen wurde, daß die Landesjustizverwaltung die Teilnahme an wissenschaftlichen Lehrgängen in einem Kriegsgefangenenlager auf die Studienzeit anrechnen kann. Dasselbe gilt auch für das Studium an einer anderen Hochschule. Dies ist ein Zugeständnis an bayerische Verhältnisse; denn dort sind an den beiden Hochschulen in Bamberg und Regensburg juristische Fakultäten eingerichtet. Wenn diese Übergangsvorschrift nicht geschaffen worden wäre, dann würden die Studenten, die da studiert haben oder jetzt noch studieren, in große Schwierigkeiten kommen. Um deren Notlage — sie ist ja allgemein bekannt — zu berücksichtigen, hat der Rechtsausschuß sogar die Frist, innerhalb derer sie noch auf den alten Hochschulen weiter studieren können, bis zu 2 Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes verlängert.
Der Vorbereitungsdienst der Referendare an den Gerichten und an anderen Behörden und Instituten ist ausgedehnt worden, und zwar auf mindestens 3 1/2 und höchstens 4 Jahre. Die Zahl der Ausbildungsstationen ist erheblich erweitert worden, derart nämlich, daß nicht nur eine reine Justizausbildung möglich ist, sondern daß die Referendare neben ihrem Dienst bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Notaren und Rechtsanwälten auch bei Verwaltungsbehörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts und im übrigen in einer dem Ausbildungszweck dienenden Weise beschäftigt werden können. Das wäre also denkbar etwa bei Banken; es besteht aber auch die Möglichkeit, wie es zum Beispiel in Hessen üblich ist und sich, wie es scheint, bewährt hat, Referendare bei Rechtsberatungsstellen der Gewerkschaften zu beschäftigen, wobei eine gewisse Fühlungnahme von beiden Seiten offenbar gute Dienste geleistet hat. Allerdings mußte auch hierbei wieder auf die Lage der jüngeren Generation, auf die bisher bestehenden Vorschriften Rücksicht genommen werden; daher ist eine Übergangsvorschrift getroffen worden, die Landesjustizverwaltung kann eine von diesen Bestimmungen abweichende Regelung des Vorbereitungsdienstes, die bis zum 31. Dezember 1949 ausgesprochen ist, aufrechterhalten. Soviel über die Vorbereitungszeit der Referendare.
Wichtig ist auch § 8, wonach die Richter, wie es alten Rechtes ist, nicht wider ihren Willen und nur in bestimmten Formen versetzt oder abgesetzt werden können. Nach bisherigem Recht nach dem
Zusammenbruch war es nämlich möglich, daß der Oberlandesgerichtspräsident jeden Richter seines Bezirks an ein beliebiges Gericht oder zur Staatsanwaltschaft abordern konnte. Das ist natürlich eine Bestimmung, die mit der Unabhängigkeit des Richterstandes unverträglich ist. Abgesehen von einer Übergangsbestimmung in Nr. 80 ist deswegen dieser Rechtszustand beseitigt worden.
Sehr viel Debatte hat es dann im Titel Gerichtsbarkeit gegeben zur Frage der Streichung des § 13 a. § 13 a hatte es durch übereinstimmende Gesetze der Länder der amerikanischen Zone gestattet, daß bei Rechtsstreitigkeiten bis zu 150 DM Streitwert in Zivilsachen und in Strafsachen einschließlich der Privatklagesachen mit Zuständigkeit des Amtsgerichts die Landesgesetze Friedensrichter oder Friedensgerichte zuständig machen konnten. Diese Bestimmung ist gestrichen worden. Nur ein einziges Land der amerikanischen Zone, Württemberg-Baden, hatte von der Einrichtung der Friedensgerichte Gebrauch gemacht, und dieses Land kämpft nun zäh um die Aufrechterhaltung dieser Friedensgerichte. Aus allen Kreisen der Bevölkerung, von der Anwaltschaft abgesehen, ist dafür plädiert worden, daß diese Friedensgerichte erhalten bleiben sollen, und zwar im Interesse einer Entlastung des Richterstandes und im Interesse einer volksnahen Justiz. Dagegen sind von anderer Seite Bedenken erhoben worden, daß diese Friedensgerichte unter Umständen gewisse Gefahren in sich trügen, daß die Laien, die da tätig würden, vielleicht nach Verwandtschaft, Sippschaft und Freundschaft entscheiden könnten, insbesondere gegenüber zugezogenen Flüchtlingen. Andere Länder stellten auch in Aussicht, solche Friedensgerichte einzuführen. Wir kamen schließlich zu einer Kompromißregelung: in Württemberg-Baden sollen die Friedensgerichte weiter tätig sein. Sie sollen beobachtet werden, das Für und Wider soll sich dann in der kommenden Zeit ergeben, und die endgültige Entscheidung dieser sehr wichtigen Frage, ob wir tatsächlich für diese sogenannten Bagatellsachen — wobei das Wort Bagatelle höchst problematisch ist — die Friedensgerichte in Zukunft anerkennen werden, soll dann bei der großen Justizreform getroffen werden.
§ 12 tauft übrigens das im Grundgesetz Art. 96 vorgesehene Obere Bundesgericht für die ordentliche Gerichtsbarkeit auf den Namen „Bundesgerichtshof".
Ich komme zum dritten Titel über die Amtsgerichte. Ich erwähnte schon, daß auch bei gewissen Amtsgerichten nunmehr das Präsidialprinzip eingeführt würde — § 22 a —. Das ist eine Neuerung; vor 1933 hat es das nicht gegeben. Sie ist in der britischen Zone eingeführt worden und hat sich dort bewährt. Bei den Amtsgerichten hat die Frage der Zuständigkeit nach dem Streitwert erhebliche Debatten verursacht. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte ist ja seit dem ersten Weltkrieg von zunächst 500 Mark auf 800 Mark, auf 1000 Mark und zuletzt durch Kontrollratsgesetz Nr. 4 auf 2000 Mark erhöht worden. Das bedeutete, daß zuletzt die große Masse der Rechtsstreitigkeiten bei den Amtsgerichten anfiel. Der Rechtsausschuß hatte sich mit der Frage zu befassen, ob nunmehr eine Senkung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit auf 1000 Mark, wie es der Regierungsentwurf und der Bundesrat vorsahen, vorgenommen werden, oder ob es bei 2000 Mark bleiben sollte. Die Argumente für die Belassung bei 2000 Mark waren: die Amtsgerichte lägen für
das rechtsuchende Publikum regelmäßig näher, die Entscheidungen der Amtsgerichte erfolgten schneller, und da kein Anwaltszwang bei den Amtsgerichten bestehe, seien die Prozesse auch billiger. Die Gegenargumente waren, man müsse bei einem gewissen Streitwert doch dafür sorgen, daß besonders sorgfältige Entscheidungen fielen; und drei Paar Augen sähen nun einmal mehr als nur ein Paar Augen. Deswegen solle man gerade jetzt, wo für die Landgerichte in Zivilsachen wieder das Kollegialprinzip eingeführt werde, also drei Richter entscheiden, die Zuständigkeit der Landgerichte erweitern. Schließlich hat sich die Mehrheit des Rechtsausschusses auch unter Berücksichtigung zahlreicher Eingaben, die an ihn gelangt sind, für die Beibehaltung der Streitwertgrenze von 2000 Mark entschieden.
Hinsichtlich der Zuständigkeit der Amtsgerichte verweise ich auf die §§ 24 und 25, Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen. Dabei sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Amtsrichter allein entscheidet, und die, in denen das Schöffengericht entscheidet. Wichtig ist der auf Antrag des Bundesrates angenommene Abs. 2 des § 24, wonach das Amtsgericht nicht auf eine höhere Freiheitsstrafe als auf zwei Jahre Zuchthaus und nicht auf Sicherungsverwahrung erkennen darf. Damit ist eine sichere Abgrenzung der Zuständigkeit des Amtsgerichts in Strafsachen erreicht worden.
Ich komme zum vierten Titel: Schöffengerichte. Die Schöffengerichte waren seit der Vereinfachungsverordnung vom 1. September 1939 aufgehoben. Sie sind dann nach 1945 in den einzelnen Ländern wieder eingeführt worden, und es handelte sich darum, diesen uneinheitlichen Rechtszustand wieder zu vereinheitlichen. Auf Anregung des Bundesrats wurde im § 29 ein im Regierungsentwurf enthaltener Satz, daß mindestens ein Schöffe ein Mann sein müsse, gestrichen, weil dieser Grundsatz gegen das Gleichheitsprinzip, das im Grundgesetz garantiert ist, verstößt.
Dasselbe gilt übrigens nachher von der entsprechenden Bestimmung des § 84. Bei der Frage der Unfähigkeit zum Schöffenamt war zu prüfen, ob die politische Belastung auch weiterhin ein Grund für die Unfähigkeit zum Schöffenamt sein sollte. Der Ausschuß hat sich schließlich auf die Formulierung in Ziff. 83 a der Übergangsvorschriften geeinigt, wonach es bei den in den Landern erlassenen Vorschriften hierüber sein Bewenden hat. Er hat nicht, wie es in der Bundesverfassung stand, diese Vorschriften bundesrechtlich aufrechterhalten, sondern hat einfach auf den bestehenden Rechtszustand in den Ländern verwiesen. Den Hinweis auf kleinere weitere Änderungen darf ich mir in diesem Zusammenhang schenken.
Dagegen ist von großer Bedeutung die Neuregelung über die Auswahl der Schöffen und gleichzeitig der Geschworenen. Der Regierungsentwurf sah hier an Stelle des früheren umständlichen und langwierigen Verfahrens der Urliste eine Vorschlagsliste durch die Gemeindevertretungen vor, und zwar derart, daß die Gemeindevertretungen eine Vorschlagsliste für die Schöffen aufstellen und diese an den Amtsrichter übersenden. Bei dem Amtsrichter besteht nach diesem Vorschlag ein Ausschuß, bestehend aus dem Amtsrichter, einem Verwaltungsbeamten, der durch die Landesregierung zu bestellen ist, und sieben Vertrauensmännern, die durch Selbstverwaltungsverbände gewählt werden sollten.
Im Ausschuß sind dann Gegenvorschläge gemacht worden, die vor allen Dingen auf folgender Erwägung beruhten. Man sagte, es müsse in den Gemeinden ein bestimmtes Mehrheitsprinzip für die Aufstellung dieser Schöffenliste gefunden werden, denn sonst könnte es, wenn im Gemeinderat die Schöffenliste etwa mit einfacher Mehrheit aufgestellt wird, passieren, daß die Schöffenliste nur durch eine einzige Partei gestellt würde. Daher die Einführung der Zweidrittelmehrheit im § 36!
Schließlich gab es noch Auseinandersetzungen über den Ausschuß beim Amtsrichter, der die endgültige Schöffenwahl aus den Schöffenlisten vornehmen sollte. Man einigte sich darauf, daß der Amtsrichter und der von der Landesregierung ernannte Verwaltungsbeamte dabei sein sollen, daß aber die Zahl der Wähler auf zehn erhöht werde, und man hat auch hier das Prinzip einer Zweidrittelmehrheit eingeführt. So dürfte die Garantie gegeben sein, daß bei der Auswahl der Schöffen nach diesem einfacheren Verfahren alle Volkskreise in einer wünschenswerten Weise zum Amte des Schöffen herangezogen werden.
Ich komme zum Abschnitt über die Landgerichte. Daß das Präsidialprinzip eingeführt wurde, § 64, wurde schon erwähnt. Die Zuständigkeit der Landgerichte in Zivilsachen und in Strafsachen entspricht auch dem Rechtszustand vor 1933. Die Zivilkammern sind wieder mit drei Richtern besetzt. Damit erhält überhaupt die Unterscheidung zwischen Amtsgericht und Landgericht jetzt erst wieder ihren Sinn. Denn der kann nur darin bestehen, daß die größere Rechtsgewähr bei den Landgerichten in der Besetzung mit drei Richtern gesehen wird.
Die Strafkammern entscheiden außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Mitgliedern. Es gibt eine kleine und eine große Strafkammer. Die kleine Strafkammer wird mit einem Vorsitzenden und zwei Schöffen vorgeschlagen, die große Strafkammer mit drei Richtern und zwei Schöffen. Das letztere mußte geregelt werden, weil es in den verschiedenen Ländern anders ist. In Bayern z. B. war der Rechtszustand so, daß bei der großen Strafkammer bisher zwei Berufsrichter und drei Schöffen mitgewirkt haben. Zu der kleinen Strafkammer hatte der Bundesrat den Vorschlag gemacht, sie mit zwei Richtern und zwei Schöffen zu besetzen. Er begründete dies mit der Hebung der Autorität der kleinen Strafkammern gegenüber den Amtsgerichten, weil praktisch der Posten des einen Berufsrichters, der nur zwei Schöffen zur Seite hat, nicht sehr begehrt sei und zu befürchten sei, daß auf diese Stelle nicht begabte und energische Richter, sondern ältere und etwas müde gewordene Richter abgeschoben würden. Der Rechtsausschuß konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen und hat diesen Antrag des Bundesrates also nicht berücksichtigt.
In § 78 des Entwurfes finden Sie die Möglichkeit der sogenannten detachierten Strafkammer, also der Strafkammer außerhalb des Sitzes des Landgerichts. Der Regierungsentwurf hatte auch detachierte Zivilkammern vorgesehen. Aber der Rechtsausschuß konnte sich diesem Vorschlag nicht anschließen. Er konnte die Notwendigkeit und Nützlichkeit detachierter Zivilkammern nicht einsehen.
Ich komme zu den Schwurgerichten. Die Schwurgerichte sind nun wieder entsprechend dem Rechtszustand vor 1933 eingerichtet. Nach der sogenannten Emmingerschen Strafrechtsreform sind die Geschworenen nicht nur berufen, über die Schuld-
frage abzustimmen, sondern sie stimmen über die Schuld und das Strafmaß gemeinschaftlich mit den Berufsrichtern ab.
Die Zuständigkeit der Schwurgerichte ist derartig geregelt, daß nunmehr im wesentlichen die Delikte mit Todesfolge zu der Zuständigkeit der Schwurgerichte gehören. Sie finden diese im Katalog des § 80 aufgezählt.
Ich muß noch auf ein Versäumnis im Rechtsausschuß hinweisen. In § 84 Abs. 2 steht wie in § 29 eine diskriminierende Bestimmung, die gegen den Grundsatz der Gleichheit von Männern und Frauen gerichtet ist:
Mindestens die Hälfte der zu einer Tagung heranzuziehenden Geschworenen müssen Männer sein.
Diese Bestimmung muß gestrichen werden.
Ich komme zu den Kammern für Handelssachen. Hier kann ich mich kurz fassen. Auch hier ist jetzt wieder eine kollegiale Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei Beisitzern eingeführt.
Zu den Oberlandesgerichten, §§ 115 ff. des Gesetzes: Bei den Oberlandesgerichten ist ebenfalls im wesentlichen der alte Zustand wiederhergestellt. § 116 Abs. 2 enthält wieder die Möglichkeit detachierter Senate, und zwar hier sowohl detachierter Zivil- als auch Strafsenate, wegen des sehr viel größeren Umfanges der Bezirke der Oberlandesgerichte.
Eine Sonderregelung in den Übergangsbestimmungen hat die eigentümliche Institution des sogenannten Nebensitzes Karlsruhe des Oberlandesgerichts Stuttgart erhalten, welche für eine bestimmte Zeit noch weiterexistieren darf.
§ 118 regelt den Grundsatz — ich erwähnte ihn schon —, daß beim Oberlandesgericht auch zu Hilfsrichtern nur auf Lebenszeit ernannte Richter berufen werden können. Dies hat in den Ländern Hessen und Bremen zu Schwierigkeiten geführt, weil nach den dort bestehenden Gesetzen die Regelung eine andere ist. Um den Ländern eine Übergangsmöglichkeit zu schaffen, wurde daher in den Übergangsvorschriften Nr. 84 a das Inkrafttreten dieser Bestimmungen in den genannten Ländern auf 18 Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes hinausgeschoben.
Die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte ist im übrigen dieselbe wie vor der ersten und zweiten Kriegsmaßnahmenverordnung. Wegen der Einzelheiten darf ich auf den Gesetzestext verweisen.
Ich komme zum neunten Titel, dem Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof tritt an die Stelle des früheren Reichsgerichts. Die Kapitel des Gerichtsverfassungsgesetzes über das frühere Reichsgericht sind an sich nie ausdrücklich aufgehoben worden. Sie sind aber durch die politische Entwicklung und durch die Kontrollratsgesetzgebung obsolet geworden. Der Bundesgerichtshof ist nunmehr als oberes Bundesgericht für Zivil-und Strafsachen mit denselben Zuständigkeiten und in derselben Form wie das frühere Reichsgericht zur Errichtung vorgeschlagen. Wichtig ist hierbei § 130 Abs. 2, wonach der Bundesminister der Justiz ermächtigt wird, Zivil- und Strafsenate auch außerhalb des Bundesgerichtshofes zu bilden; eine Bestimmung, an der sich besonders die Stadt Berlin interessiert gezeigt hat. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes ist, wie gesagt, die gleiche wie die des früheren Reichsgerichts. Der Bundesgerichtshof ist also in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vor allen Dingen Revisionsgericht gegen die Endurteile der Oberlandesgerichte und — das wurde noch eingefügt — gegen die Endurteile der Oberlandesgerichte in den Fällen des § 56 a der Zivilprozeßordnung und in Beschwerdesachen. In Strafsachen ist er ausschließliche Instanz in den Fällen des Hochverrats und der Parlamentssprengung und Revisionsinstanz.
Im zehnten Titel, Staatsanwaltschaft, ist ebenfalls der frühere Rechtszustand wiederhergestellt. Ich darf zwei Besonderheiten erwähnen: erstens, daß der Oberbundesanwalt keine Weisungsbefugnis gegenüber den Landesstaatsanwaltschaften hat, was aus der Regelung des Grundgesetzes folgt, wonach die Justiz Ländersache ist.
Nicht unbedeutend ist ferner eine Änderung in § 152 Abs. 2 des Gesetzes. Nach dem Regierungsentwurf hat die Landesjustizverwaltung die Beamtenklassen zu bezeichnen, auf die die Vorschrift des § 152 Abs. 1 Anwendung findet, d. h. die sogenannten Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Hier drohte die Gefahr, daß eine besondere Verwaltung sich eine besondere Polizei schuf. Man hat sich also dagegen gewehrt, daß die Landesjustizverwaltung das tun könne, und hat entsprechend dem früheren Rechtszustand dieses Recht der Landesregierung gegeben. Gleichzeitig hat man aber der Landesjustizverwaltung zugestanden, daß sie dabei mitwirkungsbefugt ist. Deswegen heißt es:
Die Landesregierung bezeichnet im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung die
Beamtenklassen, auf die diese Vorschrift anzuwenden ist.
Ich habe schon erwähnt, daß die folgenden Vorschriften vom elften Titel ab weniger Interesse bieten; sie laufen auf den früheren Rechtszustand hinaus. Ich erwähne den § 170, demzufolge nach dem Standpunkt des Ausschusses — übrigens auch der Regierungsvorlage — die Verhandlungen in Ehesachen nicht öffentlich sind. Der Bundesrat hatte hierzu die Formulierung vorgeschlagen:
In Ehesachen ist die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn eine der Parteien es beantragt oder das Gericht es für angemessen hält. Die Begründnung des Bundesrates war die, daß, wenn das Gericht die strikte Vorschrift der Nichtöffentlichkeit nicht beachte, bei dem Gerichtsbetrieb, wie er sich praktisch vollziehe, wenn etwa Anwälte im Gerichtssaal zurückbleiben, häufig ein Revisionsgrund geschaffen werde. Der Ausschuß hat aber doch in Abwägung der Gründe und Gegengründe geglaubt, an dem Grundsatz festhalten zu müssen, daß in Ehesachen die Öffentlichkeit grundsätzlich ausgeschlossen bleiben soll.
Der Ausschuß hat dann in Abweichung vom Regierungsentwurf im siebzehnten Titel den Abschnitt über Gerichtsferien neu eingeführt. Die Vorstellungen im breiten Publikum über die Gerichtsferien sind ja recht irrig. Es ist nicht so, daß in dieser Zeit die Gerichte schließen und die Richter in Ferien gehen. Die Notwendigkeit, die Gerichtsferien nach alter Weise einzuführen, d. h. in einem bestimmten Zeitraum, vom 15. Juli bis 15. September, nur in sogenannten Feriensachen, also wichtigen und eilbedürftigen Sachen, Termine abzuhalten, war nicht nur eine Rücksichtnahme — und zwar eine wohlverständliche Rücksichtnahme — auf die Anwaltschaft, sondern auch eine Rücksichtnahme auf die Richter selbst. Das Gegenargument, daß bei der gegenwärtigen Überlastung
der Gerichte die Ferien der Richter über das ganze Jahr verteilt werden müßten, überzeugte nicht völlig. Überdies wollte man auch den Richtern die Möglichkeit lassen, die Ferien mit ihrer Familie, also mit ihren Kindern, die dann Schulferien haben, zu verbringen.
Die wesentlichen Übergangsvorschriften die für das GVG in Betracht kommen, habe ich bereits erwähnt.
Es mußte dann noch eine sorgfältige Prüfung derjenigen Vorschriften vorgenommen werden, die im Zuge dieser kleinen Justizreform aufgehoben werden mußten. Sie finden die Zusammenstellung, die auch für das Gerichtsverfassungrecht gilt, auf Seite 179 der Drucksache Nr. 1138. Ich kann mir ersparen, darauf in diesem Zusammenhang einzugehen. Es ist eine große Fülle von Vorschriften, die da aufgehoben werden müssen, und gerade diese Fülle aufzuhebender Vorschriften zeigt, wie dringlich die vorgenommene Flurbereinigung war.
Ein letztes Wort noch zu der Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz. Sie finden diese auf Seite 22 der Drucksache Nr. 1138. Hier ist im § 8 die Möglichkeit der Einrichtung eines Obersten Landesgerichts vorgesehen, wie es früher in Bayern bestanden hat und wie es in Bayern seit dem 11. Mai 1948 wieder besteht. Der auf Antrag des Bundesrats eingeführte § 10, Nr. 81 a, bestrebt sich, die Verhältnisse bei diesem Obersten Landesgericht einerseits dem Bundesgerichtshof anzugleichen und zugleich auf die bei der Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts getroffenen Regelungen Rücksicht zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Berichterstattung über die Zivilprozeßordnung hat Herr Abgeordneter Neumayer.
Ich darf inzwischen darauf aufmerksam machen, daß eine dringende Sitzung des Ausschusses für Beamtenrecht für die Zeit ab 15 Uhr im Sitzungszimmer 102 einberufen ist.
— Auch der Haushaltsausschuß ist auf 15 Uhr einrufen, Zimmer 02.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Unterausschuß für bürgerliche Rechtspflege, dessen Vorsitz zu führen ich die Ehre hatte, hat sich in langen Sitzungen und in eingehenden Beratungen mit der Regierungsvorlage beschäftigt und hat offen gebliebene Zweifelsfragen schließlich dem Gesamtrechtsausschuß zur Entscheidung vorgelegt. Wissenschaft und Praxis kamen in dem Unterausschuß gleichermaßen zu Wort, und ich darf sagen, daß hier in stiller, gründlicher Arbeit eine Tätigkeit entfaltet worden ist, die sich, wie wir hoffen, zum Segen der Vereinheitlichung unseres deutschen Rechtes auswirken wird.Meine Damen und Herren! Ich schmeichle mir nicht, den spröden Stoff des Verfahrensrechtes in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten hier anschaulich vortragen zu können. Dieser spröde Stoff hat schon — und tut es wohl auch heute noch — den jungen Studenten ein leichtes Gruseln eingeflößt. Ich will mich daher im wesentlichen darauf beschränken,Ihnen die Änderungen hier vorzutragen, die in der Zivilprozeßordnung vorgenommen worden sind und die von besonderer Bedeutung sind.Meine Damen und Herren! Der Unterausschuß ging von dem Leitmotiv aus, daß es seine höchste Aufgabe sei, die Rechtssicherheit und den Rechtsschutz wieder zu gewährleisten. Sie finden in dem Art. 2 der Drucksache Nr. 1138 eine Zusammenstellung der Änderungen, die in der Zivilprozeßordnung vorgenommen worden sind. Es lassen sich einige größere Gruppen herausschälen, die zusammengefaßt werden können. Diese Gruppen sind zunächst das Zustellungswesen; sie umfassen außerdem das Güteverfahren bei den Amtsgerichten, sie beziehen sich auf die Rechtsmittel und auch auf das Verfahren in Ehesachen.Der Rechtsausschuß hat den Grundsatz der mündlichen Verhandlung, wie dies auch in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, auferechterhalten. Er erblickte darin eine der bedeutendsten Garantien für die Rechtssicherheit und den Rechtsschutz. Eine Ausnahme von diesem Prinzip der Verhandlungsmaxime ist nur für die Entscheidung nach Lage der Akten beim Ausbleiben einer Partei und bei Einverständnis beider Parteien nach § 128 Abs. 2 vorgesehen.Von wesentlicher Bedeutung für die Rechtssicherheit ist auch die Frage der Ablehnung von Gerichtspersonen. Meine Damen und Herren! Nach der Vereinfachungsverordnung war die alte Bestimmung der Zivilprozeßordnung abgeschafft worden und die Entscheidung über Ablehnungsgesuche war der Dienstaufsichtsstelle übertragen worden. Ich glaube, mich nicht weiter darüber verbreiten zu müssen, daß hierin eine große Gefahr für die Rechtssicherheit liegt. Der Gedanke an die Lenkung der Rechtsprechung läßt sich hier nicht zurückdrängen. Deshalb hat die Regierungsvorlage den alten Zustand wieder hergestellt, und auch der Ausschuß hat sich der Regierungsvorlage angeschlossen, wonach § 45 der Zivilprozeßordnung in seiner früheren Fassung wiederhergestellt worden ist.Ich komme nun zu dem Zustellungswesen. Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich auch hier im wesentlichen den Vorschlägen des Regierungsentwurfs angeschlossen, wonach nunmehr auch im landgerichtlichen Verfahren die Zustellung und Ladung von Amts wegen durchgeführt werden soll. Bis zur vierten Vereinfachungsverordnung vom 12. Januar 1943 lagen im landgerichtlichen Verfahren Zustellung und Ladung in den Händen der Parteien. Durch § 2 der genannten Verordnung wurde der Amtsbetrieb, der im amtsgerichtlichen Verfahren bereits seit der Novelle von 1909 gilt, auch im landgerichtlichen Verfahren eingeführt. Diese Maßnahme hat sich nach übereinstimmendem Urteil aller Fachkreise durchaus bewährt. Der Ausschuß sah daher keine Veranlassung, die von dem Entwurf vorgesehene Aufrechterhaltung des Amtsbetriebes zu ändern. Während aber nach der Vereinfachungsverordnung die Einführung des Amtsbetriebes nur dem Grundsatz nach angeordnet war, ist nunmehr eine ausdrückliche Änderung aller von dieser Umstellung berührten Vorschriften der Zivilprozeßordnung vorgenommen worden. Infolgedessen mußten eine Reihe Paragraphen neu gefaßt und andere wieder aufgehoben werden. Die §§ 214-216, 239 Abs. 2 und 3, 241, 244, 246 Abs. 2 wurden neu gefaßt, die §§ 235 und 236 Abs. 2 aufgehoben. Auch eine Reihe weiterer Vorschriften mußten wegen der Einführung des Amtsbetriebes
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Deutscher Bundestag — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juli 1950 2873
leine Änderung erfahren, so die §§ 63, 132 und 133. Während diese Paragraphen in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen wurden, erhielten die §§ 70 Abs. 1 und 250 Abs. 1 durch den Ausschuß die von dem Bundesrat vorgeschlagene Fassung, die aber nur eine redaktionelle Änderung der Regierungsvorlage darstellt. Auch eine Änderung der Abs. 2 und 3 des § 253 'erwies sich mit Rücksicht auf die Einführung des Amtsbetriebes als notwendig. Sie gilt übrigens bereits in der britischen Zone. Auch die Einfügung der neuen §§ 261 a und 261 b ist eine Folge des Amtsbetriebes.Hervorzuheben ist, daß die in der Praxis sehr bewährte Zustellung von Anwalt zu Anwalt, also bei reinen Parteischriftsätzen, auch weiterhin aufrechterhalten bleibt. Nur wenn dem Gegner gleichzeitig mit dem Parteischriftsatz eine gerichtliche Anordnung zugestellt werden soll, genügt die Zustellung von Anwalt zu Anwalt nicht, und es muß auch hier die Zustellung von Amts wegen eintreten.Im übrigen sei zu den Zustellungen noch bemerkt, daß § 180 Abs. 2 aufgehoben bleibt; denn das frühere Recht, die Annahme der Zustellung außerhalb der Geschäftsstelle oder der Wohnung zu verweigern, konnte leicht mißbraucht werden. Auch die durch § 1 der Zustellungsverordnung vom 9. Oktober 1940 erweiterte Möglichkeit der Heilung von Zustellungsmängeln wurde in § 187 beibehalten. Für die in § 190 Abs. 3 und § 191 Nr. 6 vorgesehene vereinfachte Zustellung wählte der Ausschuß die nur redaktionelle Änderung des Bundesrates. Diese durch die 4. Vereinfachungsverordnung festgelegten Änderungen sind dem Bedürfnis der Praxis entsprechend neu gefaßt worden; sie gelten bereits in der amerikanischen und in der britischen Zone, nicht aber in der französischen Zone.Die Hinzufügung eines zweiten Satzes zu § 195 Abs. 2 wurde vom Ausschuß unverändert gebilligt. Danach kann die Übergabe der Abschrift der Zustellungsurkunde dadurch ersetzt werden, daß der Postbedienstete den Tag der Zustellung auf der Sendung vermerkt. Die ebenfalls der Vereinfachung des Zustellungsrechtes dienende Vorschrift des § 195 a wurde beibehalten. Das gleiche gilt für den unter § 3 der Zustellungsverordnung vom 9. Dezember 1940 in die Zivilprozeßordnung eingefügten § 212 b, der ebenfalls der Vereinfachung des Zustellungsrechtes dient.Soviel über die Veränderungen, die in dem Zustellungsrecht durch die Annahme des Grundprinzips, daß auch im landgerichtlichen Verfahren alle Zustellungen von Amts wegen zu erfolgen haben, vorgenommen werden mußten.Meine Damen und Herren! Ich komme nun zu einer zweiten wichtigen Änderung, die in der Zivilprozeßordnung vorgenommen worden ist, und zwar betrifft diese Änderung das Güteverfahren vor den Amtsgerichten. Der Ausschuß ist hier der einhelligen Auffassung gewesen, daß das obligatorische Güteverfahren, das durch die Verordnung vom 13. Februar 1924 in das amtsgerichtliche Verfahren eingefügt worden war, sich nicht bewährt, sich vielmehr als ein Hemmschuh, als ein Verzögerungsmoment in der Prozeßdurchführung erwiesen hat. Die Bedenken, die gegen das Güteverfahren geltend gemacht werden, beruhen vor allem auf der Tatsache, daß eine scharfe Zäsur zwischen Güteverfahren und Streitverfahren eintritt, so daß selbst bei einem Anerkenntnis des Beklagten ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen konnte. Diesescharfe Zäsur hat zweifellos dazu beigetragen, den Rechtsstreit zu verzögern, indem bei Eintritt in das Streitverfahren der ganze Prozeßstoff nochmals vorgetragen werden muß. Der Ausschuß trat daher dem Regierungsvorschlag bei und entschied sich für die Abschaffung des Güteverfahrens, das in der britischen und französischen Zone noch gilt, während es in der amerikanischen Zone bereits aufgehoben ist.Um aber dem Gütegedanken besonderen Ausdruck zu verleihen, wurde in § 495 eine Vorschrift eingebaut, die den Richter verpflichtet, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken. Ich glaube hier aussprechen zu dürfen, daß sich der Gütegedanke bei den Gerichten allgemein durchgesetzt hat, so daß es wohl heute jedem Richter als selbstverständlich erscheint, wenn irgend möglich, zu versuchen, eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits zu erreichen und damit den Prozeß durch einen Vergleich zu erledigen.Die §§ 495 a, 499 a bis 499 g, 500 a waren nunmehr, nachdem die Bestimmungen über das Güteverfahren wegfielen, aufzuheben.Das gleiche gilt von den §§ 496 Abs. 3 und 4, 497 Albs. 1, 498 Abs. 1, 499 Abs. 1 und 500. In diesen Paragraphen waren die Bestimmungen, die das Güteverfahren betreffen, zu streichen. In § 500 mußten sie auf das Streitverfahren umgestellt werden.In allen diesen Vorschriften hat der Ausschuß den Regierungsentwurf unverändert angenommen. Dasselbe gilt für den neu eingefügten § 510 c, der die durch die Entlastungsverordnung vom 13. Mai 1924 in § 20 bestimmten Vorschriften übernimmt. Im amtsgerichtlichen Verfahren ist demnach das obligatorische Schiedsurteilsverfahren bei einem Streitwert bis zu 100 DM beibehalten worden. Diese Vorschrift hat sich in der Praxis durchaus bewährt, so daß für den Ausschuß keine Bedenken bestanden, sie der Übersichtlichkeit halber in die Zivilprozeßordnung selbst aufzunehmen.Neu ist die im Interesse der Rechtssicherheit aufgenommene Vorschrift, daß der Verzicht auf eine schriftliche Urteilsbegründung im Schiedsurteilsverfahren ausdrücklich in das Protokoll aufgenommen werden muß. Durch diese ausdrückliche Bestimmung tritt zweifellos eine Verstärkung der Rechtssicherheit ein. Auch trat der Ausschuß dem Entwurf insofern bei, als dieser dem Richter ausdrücklich die Befugnis verleiht, auch im Schiedsurteilsverfahren ein Versäumnisurteil zu erlassen. Dagegen wurden die Vorschriften der Entlastungsverordnung über das Schiedsurteilverfahren, das auf Parteiantrag eintritt, nicht übernommen, weil dieses Verfahren nur eine geringe praktische Bedeutung erlangt hat.Meine Damen und Herren! Ich komme nun zu den sehr wichtigen Abschnitten über das Rechtsmittelverfahren. Durch die verschiedenen Vereinfachungsverordnungen war eine erhebliche Einschränkung der Rechtsmittel durchgeführt worden. Der Ausschuß hielt es im Anschluß an den Entwurf für notwendig, im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes die alten Rechtsgarantien wiederherzustellen. Das bedeutet, daß zunächst die Berufungsmöglichkeit gegen die landgerichtlichen Urteile in vollem Umfange wieder eingeführt und von den Einschränkungen befreit wurde, die ihr bisher auferlegt waren. Die Kriegsgesetzgebung hatte das Berufungsverfahren gegenüber dem früheren Rechtszustand grundlegend um-
gestaltet. Die dritte und vierte Vereinfachungsverordnung hatte dem Verfahren den Charaker eines ausschließlichen Nachprüfungsverfahrens gegeben und deshalb neues Vorbringen im Berufungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen.Gegen diese weitgehenden Beschränkungen der Berufung sind aus der Praxis und auch von der Wissenschaft schwerwiegende Bedenken erhoben worden. Der Ausschuß empfiehlt daher, gestützt auf die Erfahrungen der Praxis und auf die aus weitesten Kreisen der Richter und Rechtsanwälte geäußerten Wünsche, die Wiederherstellung des früheren Rechtszustandes, wie er durch die Novelle vom 27. Oktober 1933 geschaffen worden war. Damit soll es möglich sein, nun auch in der Berufungsinstanz neue Tatsachen vorzubringen und neue Beweisanträge zu stellen. Um aber dieses Novenrecht nicht zu überspannen und um der Gefahr einer Verlagerung des Schwergewichts der Entscheidung von der ersten in die zweite Instanz vorzubeugen, sieht § 529 eine gewisse Beschränkung dieses Novenrechtes vor. Der Ausschuß sah davon ab, eine Änderung des Regierungsentwurfs vorzuschlagen, weil sich in der Anwendung des § 529 bereits eine feste Gerichtspraxis entwickelt hatte.Als Berufungssumme wird der Betrag von 100 DM in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vorgeschlagen. Der Ausschuß ist nur sehr ungern an eine Beschränkung der Berufungsmöglichkeit durch die Abhängigmachung von einem gewissen Streitwert herangegangen, weil er der Überzeugung ist, daß hierdurch in gewissem Sinne gegen die Grundsätze des Rechtsstaats verstoßen wird. Wenn er Ihnen trotzdem als Berufungssumme einen Streitwert von 100 DM empfehlen zu sollen glaubt, so tut er dies aus rein prozeßökonomischen Gründen und auch deshalb, weil heute noch eine Reihe von Gerichten nur sehr schwach besetzt sind.Meine Damen und Herren! Mit der Wiedereinführung des durch die Novelle vom 27. Oktober 1933 geschaffenen Rechtszustandes sind auch Widerklagen in gewissem Umfange wieder zulässig. Der anhängige Prozeß wird also — ich rede immer nur vom Rechtsmittelverfahren — wieder, soweit eine gewisse, als notwendig empfundene gemäßigte Konzentration dies zuläßt, alle noch offenstehenden Streitpunkte auch tatsächlicher Art in der Berufungsinstanz aufklären können. Infolgedessen war auch hinsichtlich der Nachholung von Parteierklärungen der frühere Zustand wiederherzustellen.Die bisherige Regelung, wonach über die Ausschließung oder Zulassung neuen Vorbringens das Berufungsgericht auf Grund mündlicher Verhandlung durch besonderen Beschluß zu entscheiden hatte, ist nicht übernommen worden. Dieses besondere Beschlußverfahren hat sich nicht bewährt. Es war durch § 7 der dritten Vereinfachungsverordnung eingeführt worden und bedeutete eine Zäsur des Verfahrens, die sich nur als eine Verzögerung auswirken konnte.Dagegen ist in § 626 für den Eheprozeß eine gewisse Lockerung der Bestimmungen des § 529 gegeben worden. Es ist bekannt, daß die Parteien gerade im Eheprozeß oft aus triftigen Gründen davon absehen, bereits in erster Instanz von allen ihnen auf dem Gebiet des tatsächlichen Vorbringens zur Verfügung gestellten Möglichkeiten Gebrauch zu machen. In Übereinstimmung mit der Lehrmeinung entschied sich daher der Ausschuß für eine unbeschränkte Zulässigkeit der Widerklage im Eheprozeß. Die in der Dritten Vereinfachungsverordnung gegebene Möglichkeit, offensichtlich unbegründete Berufungen durch Beschluß zu verwerfen, mußte aufgehoben werden. Denn diese kriegsbedingte Änderung bedeutete eine wesentliche Einschränkung der Rechtsgarantien. Es muß als eine Einschränkung der Rechtsgarantien angesehen werden, wenn eine Berufung im Beschlußwege wegen Unbegründetheit verworfen werden kann. Dies ist nach den nunmehr in der Vorlage vorgesehenen Bestimmungen nicht mehr möglich.Auch die früheren Vorschriften über die Anschlußberufung wurden wiederhergestellt, nachdem sie durch § 4 Abs. 4 der Vierten Vereinfachungsverordnung beseitigt waren.Durch den Entwurf war nun dem § 514 ein zweiter Absatz beigefügt worden, wonach in Ehesachen auch eine nicht durch einen Anwalt vertretene Partei selbständig einen Verzicht auf das Recht der Berufung abgeben kann. Im Interesse der Rechtssicherheit und um voreilige und nicht genügend durchdachte Erklärungen einer Partei zu verhüten, hat sich der Ausschuß in dieser Hinsicht dem Entwurf nicht angeschlossen. Er vertrat vielmehr den Standpunkt, daß zur Abgabe solcher Erklärungen nur der Anwalt befugt sein soll, weil er als der sicherste Garant dafür betrachtet werden kann und muß, daß auch wirklich das, was im Interesse der Partei liegt, geschieht oder beantragt wird. Zu den wichtigsten und einschneidensten Erklärungen, die in einem Prozeß abgegeben werden können, gehört zweifellos der Verzicht auf die Berufung. Deswegen hat der Ausschuß die Vorlage der Regierung in diesem Punkte abgelehnt und schlägt die Streichung des zweiten Absatzes des § 514 vor.§ 515 erfuhr durch den Ausschuß insofern eine Änderung, als die Zurücknahme der Berufung, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichen eines Schriftsatzes erfolgt.Die alte Fassung des § 516 über die besondere Frist für die Berufung wurde wiederhergestellt.Der Ausschuß hat sich sodann nach Wiederherstellung der Berufungsbegründungsfrist sehr eingehend mit der Frage beschäftigt, ob die Pflicht zur Vorauszahlung der Prozeßgebühr bei Einlegung der Berufung oder Revision wieder eingeführt werden soll. Diese Frage, deren Entscheidung der Unterausschuß dem gesamten Rechtsausschuß vorlegte, wurde im Interesse der Rechtssicherheit dahin entschieden, daß die Vorauszahlungspflicht zu entfallen hat.
Die alten Bestimmungen des § 519 hatten zu erheblichen Zweifeln Anlaß gegeben, insbesondere auch in Fällen, in denen einer Partei das Armenrecht noch nicht gewährt war. Wenn der Zahlungsnachweis nicht innerhalb der gesetzten Frist erbracht war, so galt nach dem damals geltenden Recht die Berufung als nicht gesetzlich begründet. Daraus ergab sich schließlich die Folge, daß die Berufung verworfen wurde. Eine derartige Bestimmung hielt der Rechtsausschuß mit der Rechtssicherheit nicht für vereinbar. Die Anberaumung eines Verhandlungstermines ist daher nicht mehr vom Nachweis der Zahlung der Prozeßgebühr abhängig.Aus der Wiederherstellung der §§ 529 und 531 ergab sich zwangsläufig die Rückkehr zur alten Fassung des § 532, der bisher in der französischen Zone noch nicht gilt. Dem gerichtlichen Geständnis wird somit wieder Wirksamkeit für die Berufungs-
instanz beigelegt, selbst wenn es nur für die erste Instanz abgegeben war.Die in § 538 alter Fassung zwingend vorgeschriebene Zurückverweisung in den dort besonders aufgeführten Fällen wurde wiederhergestellt; ebenso die nach dem früheren § 539 bestehende Möglichkeit, eine Sache wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels vor das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Diese letztere Vorschrift gehört zu den Rechtsgarantien, die die genaue Beachtung der verfahrensrechtlichen Vorschriften verbürgen sollen und auf die eine geordnete Rechtspflege nicht verzichten kann. Eine gewisse Lockerung von dem Zwang der Zurückverweisung wurde durch den neu eingefügten § 540 gegeben, dem der Ausschuß ebenfalls beitritt.Die Festsetzung der Revisionssumme wurde von dem Unterausschuß dem Gesamtausschuß zur Entscheidung vorgelegt. Die überwiegende Mehrheit sprach sich für eine Revisionssumme von 6000 DM aus, so daß insofern eine Änderung des § 546 des Entwurfs eintritt, der 10 000 DM vorsieht. Während nach § 546 alter Fassung die Zulässigkeit der Revision in vermögensrechtlichen Streitigkeiten sich nur nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes richtet, soll jetzt die Anrufung des Bundesgerichtshofes in erster Linie von einer besonderen Zulassung abhängig gemacht werden. Dies ist eine sehr bedeutsame Neuerung, die die Revisionsmöglichkeiten erheblich erhöht und auch dadurch zur Verstärkung der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes beiträgt. Um nämlich eine gewisse Einseitigkeit zu vermeiden, die darin liegt, daß frühere Bestimmungen Parteien eine gewisse Bevorzugung einräumten, die Prozesse von hohen Werten führten, stellt der Entwurf neben die Zulässigkeit der Revision nach der Wertbemessung auch die besondere Zulassung der Revision ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwertes. Sie wird immer dann auszusprechen sein, wenn wegen der grundsätzlichen Bedeutung eine Klärung der Rechtslage durch das Revisionsgericht angebracht erscheint. Die Revision muß zugelassen werden, wenn der Berufungsrichter von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweicht.Meine Damen und Herren! Nach eingehenden Beratungen entschied sich sodann der Ausschuß für die im Entwurf nicht vorgesehene Wiedereinführung der sogenannten Sprungrevision. Wenn man auch nicht verkannte, daß von diesem Recht — nach statistischen Feststellungen — bisher kein bedeutender Gebrauch gemacht worden ist, so hielt man die Wiedereinführung doch für richtig; denn es wird immer wieder Fälle geben, in denen kein Streit über das tatsächliche Vorbringen besteht und die Entscheidung des gesamten Rechtsstreites nach der einheitlichen Überzeugung beider Parteien von der Beantwortung einer oder mehrerer Rechtsfragen abhängt. Der Rechtsausschuß beantragt daher, dem von ihm eingefügten § 566 a, der also die Sprungrevision wieder zuläßt, in der vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen.Die Anschlußrevision, die durch § 4 Abs. 11 der Vierten Vereinfachungsverordnung beseitigt worden ist, wurde durch Annahme des § 556 in der alten Fassung wiederhergestellt.Was das Beschwerdeverfahren betrifft, so gibt der Entwurf der Beschwerdeinstanz — ähnlich wie das auch im Berufungsverfahren geschehen ist — wieder die Möglichkeit, die rechtlichen wie auch die tatsächlichen Gesichtspunkte nachzuprüfen. Die Einschränkungen, die bisher hier bestanden, wurden wieder beseitigt.Im Zusammenhang damit steht auch die Frage, ob der judex a quo, also der Richter, der bereits entschieden hatte, im Verfahren der sofortigen Beschwerde zu einer Abänderung seiner Entscheidung befugt sein soll. Der gesamte Ausschuß hat nach längerer Beratung eine derartige Bestimmung abgelehnt, so daß § 577 damit wieder in der Fassung des Regierungsentwurfs angenommen wurde.Eine längere Aussprache entspann sich sodann über die Frage, ob gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte eine Beschwerde zugelassen werden solle. Von den Befürwortern dieser Beschwerde wurde insbesondere geltend gemacht, daß gegen die Versagung des Armenrechtes in oberlandesgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit einer Beschwerde an das Revisionsgericht gegeben werden müsse. Der Ausschuß konnte sich dagegen dieser Auffassung mit seiner Mehrheit nicht anschließen. Für ihn war vor allem maßgebend, daß das Revisionsgericht in solchen Fällen den Sachverhalt nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht nachprüfen müßte. Dies würde aber außerhalb des eigentlichen Aufgabenbereiches eines Revisionsgerichtes liegen und außerdem zu einer nicht vertretbaren Mehrbelastung führen. Der Gesamtausschuß, dem diese Frage vorgelegt wurde, entschloß sich daher, dem Regierungsentwurf beizutreten und eine Beschwerde gegen Entscheidungen der Oberlandesgerichte prinzipiell abzulehnen. Im Zusammenhang damit verfiel auch der Vorschlag des Bundesrats, die sofortige Beschwerde für den Fall zu gestatten, daß das Oberlandesgericht die Revision für nicht zulässig erklärt, der Ablehnung, und zwar aus den gleichen ökonomischen Gründen, die auch im wesentlichen für die Ablehnung der Beschwerde gegen die Versagung des Armenrechts im oberlandesgerichtlichen Verfahren maßgebend waren.Meine Damen und Herren! Ich komme nun zu einem anderen Gebiet, nämlich zu der Frage, ob die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft in Ehesachen beibehalten werden soll. Auch diese Frage wurde dem gesamten Rechtsausschuß vorgelegt. Es wurde gegen diese Vorschrift insbesondere geltend gemacht, daß die Staatsanwaltschaft seit längerer Zeit in Ehesachen nicht mehr in Erscheinung getreten sei und daß kein Bedürfnis bestehe, sie wieder zu beteiligen. Der Ausschuß trat jedoch in seiner Mehrheit dem Regierungsentwurf bei und entschloß sich, § 607 in seiner alten Fassung wiederherzustellen. Die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft in Ehesachen bleibt demnach bestehen, jedoch wurden die durch die Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 27. Juli 1938 vom sogenannten Standpunkt der Volksgemeinschaft aus eingeführten Bestimmungen beseitigt. Maßgebend für den Ausschuß war die Auffassung, daß die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates gestellt werden und daher insbesondere im Interesse etwa vorhandener Kinder vermieden werden müsse, daß Ehen grundlos geschieden werden.Die Frage, ob im landgerichtlichen Verfahren und auch im Rechtsmittelverfahren die Partei selbst zur Rücknahme der Klage oder zum Verzicht auf ein Rechtsmittel berechtigt sein soll, verneinte der Ausschuß. Denn wenn der Anwaltsprozeß die Partei vor unbesonnenen Erklärungen schützen soll, so kann auf diesen Schutz gerade für so entscheidende Fragen nicht verzichtet werden. In diesem Sinne änderte daher der Ausschuß den Regierungsentwurf in § 271 ab.
Meine Damen und Herren! Ich komme nun zu der Frage der Blutgruppenuntersuchung. Diese Frage hat zu längeren Erörterungen geführt. Es entstand nämlich hier vor allem die Frage, ob die in § 372 a des Entwurfs statuierte Pflicht zur Duldung von Blutprobenuntersuchungen in das Gesetz aufgenommen werden solle. Zunächst wurde festgestellt, daß der Parlamentarische Rat die Auffassung vertreten hat, die Einführung einer Pflicht zur Duldung von Untersuchungen widerspreche nicht dem Grundgesetz. Dieser Auffassung schloß sich der Gesamtrechtsausschuß an. Die in den Bestimmungen des § 372a vorgesehenen Kautelen gegen gesundheitsschädliche Rückwirkungen reichen nach Auffassung des Ausschusses aus und gewährleisten, daß das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nicht beeinträchtigt wird. Es ist der Rechtspflege nicht möglich, an den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vorüberzugehen. Die Rechtspflege muß diese Erkenntnisse nützen; denn oberster Grundsatz muß ihr immer sein, die Wahrheit, die objektive Wahrheit aufzuklären, und hierzu dienen in hervorragendem Maße die medizinischen Erkenntnisse, die im Laufe der letzten Jahrzehnte gefunden worden sind. Daraus ergibt sich auch, daß es keine unvertretbare Zumutung bedeutet, wenn eine Pflicht zur Duldung einer Blutuntersuchung statuiert wird.Auch gegen den zweiten Abschnitt des § 372a, der bei wiederholter unberechtigter Verweigerung der Untersuchung die Ausübung unmittelbaren Zwanges, insbesondere die zwangsweise Vorführung zum Zwecke der Untersuchung vorsieht, bestanden nach eingehender Erörterung bei der Mehrheit des Ausschusses keine Bedenken. Der im Verlauf der Debatte vorgeschlagene Beugezwang reicht nach Auffassung des Ausschusses nicht aus, da die bloße Androhung von Geldstrafen in den meisten Fällen nur zu Verzögerungen führen würde. Die Mehrheit des Ausschusses entschloß sich daher, auch den Abs. 2 des § 372a anzunehmen, zumal auch bei Zeugen die zwangsweise Vorführung angeordnet werden kann. In Zusammenhang damit beschloß der Ausschuß, in § 15 des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit die Worte „durch Augenschein" entsprechend der Regierungsvorlage einzufügen.Gestatten Sie mir nun noch, meine Damen und Herren, eine Reihe kleinerer Änderungen zu erwähnen, die Ihnen der Ausschuß vorschlägt. Nach eingehender Erörterung kam der gesamte Ausschuß in seiner Mehrheit zu der Überzeugung, daß in allen in Frage kommenden Bestimmungen der Zivilprozeßordnung an Stelle der Worte „Bundesgebiet" oder „Deutsches Reich" die Bezeichnung „Inland" gesetzt werden soll. Die §§ 904 und 905 der Zivilprozeßordnung, die sich mit der Unzulässigkeit der Haft im Anschluß an ein Offenbarungseidverfahren bei den Mitgliedern der Parlamente befassen, wurden dahin geändert, daß die dort festgelegten Bestimmungen auch für die Mitglieder einer Zweiten Kammer, sofern eine solche in dem einen oder andern Lande bestehen sollte, gelten sollen.In den §§ 219 Abs. 2, 375 Abs. 2, 376 Abs. 4 und 479 Abs. 2 sind in der Vorlage die dort vorgesehenen besonderen Rechte des Bundespräsidenten auch auf die Staatsoberhäupter der Länder ausgedehnt worden. Der Ausschuß war allerdings in weiten Teilen der Auffassung, daß es sich hier nur um echte Staatsoberhäupter handeln könne und handeln dürfe und daß man durch die Beibehaltung dieses Ausdrucks einer Entscheidung der Frage selbst nicht vorgreifen wolle; denn nach Auffassung des Ausschusses muß ein echtes Staatsoberhaupt für die Dauer seiner Wahlperiode vom Parlament völlig unabhängig sein und darf vor allem auch nicht Mitglied der Exekutive sein. Ob diese Voraussetzungen bei den jetzt amtierenden Staatsoberhäuptern des einen oder anderen Landes. gegeben sind, hatte der Ausschuß nicht zu entscheiden. Man entschloß sich, ohne irgendwie präjudizieren zu wollen, die Bezeichnung Staatsoberhaupt in die angeführten Vorschriften aufzunehmen, da das Grundgesetz an sich die rechtliche Möglichkeit zuläßt, in deutschen Ländern ein Staatsoberhaupt zu schaffen.In § 311 hat der Ausschuß als neuen Abs. 1 die Vorschrift eingefügt, daß das Urteil im Namen des Volkes ergeht. Die §§ 376 und 408 wurden in der Fassung des Bundesrates angenommen, indem der Ausschuß der Auffassung beitrat, daß das zusammenfassende Wort „Dienstzeit" für die Pflicht der Amtsverschwiegenheit dem Ausdruck „Amtsführung" vorzuziehen sei. In § 481 wurde ein neuer Abs. 2 eingefügt, wonach der Eid auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden kann.Die Regelung des Regierungsentwurfs bezüglich der Entscheidung über die Prozeßkosten bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache fand die einmütige Billigung des Ausschusses. Das Gericht kann nunmehr seine Entscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach-und Streitstandes treffen, ohne daß, wie dies bisher der Fall war, der ganze Prozeß durchgeführt zu werden braucht, ohne daß also gewissermaßen fiktiv der Prozeß, als ob er in der Hauptsache noch anhängig wäre, durchgeführt werden muß, um festzustellen, wen bei Durchführung die Kostenpflicht getroffen hätte und wen nicht. Aus Gründen der Prozeßökonomie ist daher die jetzt vorgesehene Entscheidung nach billigem Ermessen dem Verfahren nach den früheren Vorschriften vorzuziehen.Im übrigen wurde in verschiedenen Bestimmungen eine Reihe mehr redaktioneller Änderungen vorgenommen, auf die im einzelnen einzugehen ich mir wohl versagen darf.Im gesamten Gesetzestext wurden auch sprachliche Verbesserungen gegenüber der alten Fassung der Zivilprozeßordnung angebracht, auf die ich hier ebenfalls nicht einzugehen brauche.Ich komme nun noch kurz auf einige Änderungen anderer Gesetze zu sprechen, die ebenfalls die bürgerliche Rechtspflege betreffen. So mußten die §§ 7 und 8 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozeßordnung geändert werden. Wenn in einem Lande ein oberstes Landesgericht errichtet ist — und dies ist meiner Kenntnis nach bis jetzt in Bayern der Fall —, so wird das Rechtsmittel der Revision zunächst bei diesem Gericht eingelegt. Das ist eine Bestimmung, die auch früher gegolten hat und auch früher niemals zu irgendwelchen Unzuträglichkeiten geführt hat. Dieses oberste Landesgericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung endgültig über die Zuständigkeit für die Behandlung und Entscheidung der Revision. Erklärt es sich für unzuständig, weil die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs gegeben sei, so sind diesem die Prozeßakten zu übersenden. Die Entscheidung des obersten Landesgerichts über die Zuständigkeit ist auch für den Bundesgerichtshof bindend.Im übrigen werden die früheren Zuständigkeiten des Reichsgerichts und des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone auf den Bundesgerichtshof übertragen. Verfahren, die bei dem Obersten Gerichtshof für die Britische Zone anhängig sind,
gehen mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in der Lage, in der sie sich befinden, auf den Bundesgerichtshof über. Dagegen bleibt aus prozeßökonomisehen Gründen für Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht anhängig sind, dieses Gericht nach den bisher geltenden Vorschriften zuständig, auch soweit nach den Vorschriften des neuen Gesetzes der Bundesgerichtshof zuständig wäre. Damit hier kein Mißverständnis entsteht, betone ich: dies gilt also nur für Verfahren, die dort bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängig sind.Bis zum Inkrafttreten einer Bundesrechtsanwaltsordnung sollen für die Zulassung der Rechtsanwälte bei dem Bundesgerichtshof besondere in den Übergangsvorschriften näher ausgeführte Bestimmungen gelten. Die Zulassung beim Bundesgerichtshof erfolgt durch den Bundesminister der Justiz nach Anhörung der Vereinigung der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet.In den Übergangsvorschriften interessiert vielleicht auch die Bestimmung, daß der Anerkennung von Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe festgestellt wurde, die Vorschrift des § 606 ZPO nicht entgegensteht, wenn der Ehemann deutscher Staatsangehöriger ist und die Anerkennung der von einer ausländischen Behörde getroffenen Entscheidung beantragt. Diese Übergangsvorschrift tritt übrigens spätestens am 31. Dezember 1952 außer Kraft.Nun mußten noch einige kleinere Änderungen für Rheinland-Pfalz getroffen werden. Die Notarordnung für Rheinland-Pfalz vom 3. September 1949 wurde in § 22 Abs. 5 dahin geändert, daß, soweit nach den bisherigen Vorschriften außer den Notaren auch die Ortsgerichte für Beurkundungen und Beglaubigungen zuständig sind, es dabei verbleibt. Infolgedessen mußte für Rheinland-Pfalz noch eine Sonderbestimmung aufgenommen werden, wonach Beurkundungen und Beglaubigungen dieser Gerichte, die sie in der Zeit vom 6. September 1949 — das ist der Tag des Inkrafttretens der Notarordnung — bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes vorgenommen haben, nicht deshalb unwirksam sind, weil die Zuständigkeit der Gerichte nach § 22 Abs. 4 der Notarordnung für Rheinland-Pfalz vom 3. September 1949 nicht mehr gegeben war.Eine Änderung des § 12 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte hielt der Ausschuß nicht für veranlaßt. Wenn auch nicht bestritten werden konnte, daß die Festlegung der Beschwerdesumme auf 50 DM insofern eine Härte bedeutet, als der Rechtsanwalt nur dann gegen die Streitwertfestsetzung Beschwerde einlegen kann, wenn die Differenz 50 DM übersteigt, so glaubte doch der Rechtsausschuß, im Interesse der Entlastung Beschwerden nur bei einem gewissen Streitwert zulassen zu dürfen. Nachdem die Beschwerdesumme allgemein auf 50 DM festgesetzt worden war, konnte sich der Ausschuß nicht dazu entschließen, eine Ausnahme für die Beschwerde des Rechtsanwalts gegen die Streitwertfestsetzung zu begründen.Über eine eventuelle Änderung der Gebührenordnung für Sachverständige wurde ebenfalls eingehend gesprochen. Es wurde darauf hingewiesen, daß die jetzigen Stundensätze mit einer Höchstgebühr von 6 DM in der heutigen Zeit sehr gering erscheinen. Der Sachverständigenverband insbesondere hat eine Änderung angeregt, da sonst erstklassige Sachverständige unter Umständen ihre Mitwirkung versagen würden. Der Rechtsausschuß nahm trotzdem § 20 der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige in der Fassung der Regierungsvorlage an, und zwar insbesondere im Hinblick darauf, daß im übrigen weder eine Erhöhung der Gerichtsgebühren noch eine Erhöhung der Anwaltsgebühren vorgenommen wurde.Die in Art. 8 des Gesetzes verfügte Aufhebung einer Reihe von Vorschriften wurde durch einen besonderen Ausschuß nachgeprüft, so daß ich mir Ausführungen hierüber wohl ersparen kann.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich bemüht, die wichtigsten Bestimmungen, die eine Änderung erfahren haben, hier herauszustellen. Ich bin mir bewußt, daß ich nur Stückwerk leisten konnte und geleistet habe. Es ist hier ein umfassendes Gesetzeswerk, eine Gesetzesvorlage geschaffen worden, die nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, die aber in stiller, zäher Arbeit fertiggestellt wurde und die, wie wir alle nicht bezweifeln, dazu dienen wird, in Deutschland wieder die Rechtssicherheit und den Rechtsschutz in Reichseinheit zu gewährleisten.Meine Damen und Herren! Es soll nach dieser Vorlage jeder in Deutschland das Gefühl und das Bewußtsein haben, daß er bei Gericht wieder unparteiisches Recht gesprochen bekommt.Ich möchte meine Ausführungen nicht schließen, ohne den Mitarbeitern meines Ausschusses, ohne auch insbesondere dem hochverehrten Vorsitzenden des gesamten Rechtsausschusses, Herrn Geheimrat Laforet, den Dank für die unermüdliche Arbeit auszusprechen, für die vorbildliche Leitung der Verhandlungen und für die aufopfernde Tätigkeit, der sich sämtliche Mitglieder des Ausschusses unterzogen haben.
Mein Dank gilt auch und insbesondere den Herren des Justizministeriums, dem Herrn Minister selbst und den Herren, die uns, mit ihrer Sachkenntnis jederzeit zur Verfügung stehend, beraten haben.Meine Damen und Herren! Die Form ist nun geprägt, möge sie lebend sich entwickeln. Das Instrument ist geschaffen. Möge die Rechtsprechung es nutzen, Recht zu finden und Recht zu bilden.
Das Wort zum Abschnitt Strafprozeßordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen, die der Herr Generalberichterstatter 'des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht gemacht hat, bleibt mir für den Teil, über den ich zu berichten habe, zwar noch sehr viel zu berichten übrig; aber das, was allgemein gesagt worden ist, gilt auch für den Teil dieses Vereinheitlichungsgesetzes, der vielleicht am meisten im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, nämlich für die Strafprozeßordnung.
Die Regierung hat in der Begründung Ausführungen über die Änderung der Strafprozeßordnung gemacht, die von dem Plenum in erster Lesung gebilligt worden sind und die auch die Arbeit des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht und auch den Unterausschuß Strafprozeßordnung bei seiner Arbeit geleitet haben. Das Justizministerium hat in dieser Begründung auf eine
ganze Reihe von Vorschriften hingewiesen, deren Lösung notwendig ist, weil auch auf dem Gebiete der Strafprozeßordnung manche Unzuträglichkeiten in Erscheinung getreten waren.
Das Justizministerium hat insbesondere herausgestellt, daß alte Vorschriften, die aus der Zeit nach 1933 stammen, insoweit geändert wurden, als sie auf typisch nationalsozialistisches Gedankengut zurückgingen. Es hat aber auch darauf hingewiesen, daß Änderungen deswegen notwendig geworden sind, weil über das Maß des Erträglichen hinaus eine Vereinfachung durchgeführt worden war.
Ich darf mir erlauben, zunächst nur einige der wichtigsten Punkte zu erwähnen, bei denen wir sowohl im Unterausschuß als auch im Gesamtausschuß der Stellungnahme der Bundesregierung gefolgt sind. Es handelt sich in erster Linie um die Frage des verstärkten Rechtsschutzes auf dem Gebiete der Untersuchungshaft und der vorläufigen Festnahme, um die Wiedereinführung des Haftprüfungsverfahrens und die sich daraus ergebenden Folgebestimmungen, um die Besserstellung des Angeklagten und seines Verteidigers gegenüber der Stellung, die sie zur Zeit des Nationalsozialismus gehabt haben; es handelt sich um die Wiederherstellung der obligatorischen Voruntersuchung und der Voruntersuchung, die unter ganz bestimmten Voraussetzungen stattfinden kann, wenn sie der Angeklagte beantragt, es handelt sich um die Wiederherstellung des Zwanges für das Gericht, das Verfahren durch den Eröffnungsbeschluß einzuleiten, und damit um die Tatsache, daß der Staatsanwaltschaft weitgehend der Einfluß auf die Durchführung des Verfahrens genommen wird, den sie in der Zeit des Nationalsozialismus gehabt hat. Es handelt sich weiter um eine Reihe von Ausführungen, auf die im einzelnen hier einzugehen nicht notwendig ist.
Darüber hinaus hat allerdings — vielleicht in Abweichung von der Arbeit der beiden Ausschüsse, über die meine beiden Herren Vorredner berichtet haben — der Strafprozeßunterausschuß sich unter dem Zwang der Notwendigkeit entschlossen, eine Reihe weiterer wesentlicher Änderungen vorzunehmen, und zwar deswegen, weil man glaubte, damit nicht bis zur großen Justizreform warten zu sollen. Selbstverständlich haben wir uns nur auf das beschränkt, was nach unserer Auffassung zu tun notwendig war. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich fast einstimmig dem angeschlossen, was vom Unterausschuß vorgeschlagen worden ist.
Wenn ich in diesem Zusammenhange vorab einmal diejenigen Fragen aufwerfe, um die es sich handelt, dann deswegen, weil ich sie im Zusammenhang erwähnen möchte. Es handelt sich um die Frage der Ablehnung des Richters wegen Befangenheit, ferner um die Frage des Eides, der gerade im Strafprozeß eine ausschlaggebende Rolle spielt, womit ich in keiner Weise in Abrede stellen will, daß der Eid im Zivilprozeßverfahren nicht auch seine Bedeutung hätte. Aber gerade im Strafprozeß haben wir damit zu rechnen, daß diese Fragen viel mehr der Kritik der Öffentlichkeit unterworfen sind, als es im Zivilprozeßverfahren der Fall ist. Es tauchten gerade beim Eid die Frage des obligatorischen Eides, des Voreides oder des Nacheides und das Problem auf, wem man den Eid als Verfügungsmittel in die Hand geben soll: dem Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagten auf der einen Seite oder dem Gericht auf der anderen Seite. Dabei ist das, was ich Ihnen
nachher als Ergebnis zu berichten habe, keine Lösung, die als endgültig betrachtet wird, es ist aber eine Lösung, von der wir glauben, daß sie bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die große Justizreform durchgeführt sein wird, das schafft, was eben nach unserer Auffassung notwendig ist.
Wir hatten uns weiter mit der Frage der körperlichen Untersuchung von Beschuldigten und anderen Personen zu befassen, mit dem Fragerecht an Angeklagte, Zeugen und Sachverständige, das auch anders gestaltet worden ist, als es die Regierung uns vorgeschlagen hat. Wir hatten uns mit der Frage der Strafverfügungen und ihrer Stellung im Strafsystem überhaupt zu befassen, mit dem Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle. Das letztere Verfahren haben wir entgegen dem Vorschlag der Regierungsvorlage aus der Strafprozeßordnung gestrichen.
Uns beschäftigte schließlich auch ein Problem, das allerdings von uns keiner Lösung entgegengeführt worden ist, nämlich die Frage, ob es überhaupt zugelassen werden sollte, daß im Strafprozeß für gewisse Fälle eine einzige Tatsacheninstanz auch fürderhin bestehen bleiben sollte. Ich erledige vorab den letzten Punkt, weil er in meinen Ausführungen, die ich an Hand der einzelnen Bestimmungen zu machen haben werde, nicht mehr wiederholt werden wird.
Meine Damen und Herren! Es war die allgemeine Auffassung aller an den Beratungen Beteiligten, daß es wünschenswert wäre, daß in keinem Verfahren — vor allen Dingen nicht in den Verfahren, in denen es sich um die Behandlung sogenannter Kapitalverbrechen handelt — eine einzige Tatsacheninstanz als ausreichend zu erachten sei. Es war die allgemeine Auffassung — und dieser Wunsch ist auch an das Justizministerium herangetragen worden —, daß man sich bei der Vorbereitung der großen Justizreform sehr eindringlich mit dem Gedanken befassen möge, daß unser Verfahrensrecht in Deutschland in keinem Falle auf eine einzige Tatsacheninstanz abgestellt werden sollte, daß wir in Zukunft in jedem Falle zwei Tatsacheninstanzen wünschen. Der derzeitige Entwurf der Strafprozeßordnung, der Ihnen heute zur Verabschiedung vorliegt, beläßt es bei einer Tatsacheninstanz, deren Urteile nur in den Fällen mit der Revision angefochten werden können, in denen die Große Strafkammer oder das Schwurgericht erstinstanzlich zuständig sind. Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Großen Strafkammer und der Schwurgerichte ist gerade in den Fällen gegeben, in denen es sich um schwere Verbrechen handelt. Wir haben also ein System, das vielleicht gerade für denjenigen, der nicht Jurist ist, überhaupt nicht verständlich ist, daß nämlich in allen den Fällen, in denen es sich um minder schwere Verbrechen oder Vergehen handelt, zwei Tatsacheninstanzen und möglicherweise eine Revisionsinstanz und in den schwereren Fällen von Verbrechen nur eine Tatsacheninstanz und eine Revisionsinstanz vorhanden sind.
Es ist allerdings von meinem Kollegen Kiesinger in seinem Bericht schon darauf hingewiesen worden, daß der Bundesgerichtshof noch in zwei Fällen in erster und letzter Instanz zuständig ist, in den Fällen des Hochverrats und der Parlamentssprengung. Hier gibt es keine Möglichkeit, gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs ein Rechtsmittel einzulegen. Die davon Betroffenen haben nur die Möglichkeit, im Wiederaufnahmeverfahren das zu er-
reichen, was sonst möglicherweise in einem Rechtsmittelverfahren hätte erreicht werden können.
Bevor ich zu der Erörterung der einzelnen Punkte komme, darf ich darauf hinweisen, daß gerade an den Unterausschuß, der die Strafprozeßordnung zu beraten hatte, von Außenstehenden, von beteiligten, aber auch von unbeteiligten Kreisen sehr viele Wünsche herangetragen worden sind, damit den speziellen Wünschen dieser Beteiligten oder auch Unbeteiligten stattgegeben würde. Es waren die Anwälte, die durch ihre Kammervorstände bzw. durch den Deutschen Anwaltsverein Wünsche an uns herantrugen. Es waren die Rechtspfleger, die das gleiche taten, der Deutsche Gemeindetag, der Deutsche Industrie- und Handelstag, der Berufsverband der freien Berufe und eine Reihe von Einzelpersonen.
Meine Damen und Herren! Es war natürlich außerordentlich schwierig, hier einen Weg zu finden und einen Weg zu gehen, der sowohl berechtigten Wünschen Rechnung trug, aber auch alles das außer Betracht ließ, was nun einmal nicht unsere Aufgabe sein konnte, nämlich reinen Berufsinteressen in irgendeiner Form Rechnung zu tragen. Wenn gewisse Kreise der Anwaltschaft, der Rechtspfleger oder auch sonstige Kreise ihre Wünsche durch die Vorlage, über die Sie hier heute zu beraten haben, nicht erfüllt sehen, dann ist das bestimmt nicht auf ein Unverständnis gegenüber den Wünschen zurückzuführen, sondern nur darauf, daß wir uns in unserer Aufgabe auf das Allernotwendigste zu beschränken hatten. Ich glaube allerdings, daß der Herr Bundesjustizminister und seine Beamten nicht immer der Auffassung gewesen sind, daß wir uns die notwendige Beschränkung auferlegt haben, sondern daß er vielleicht manches gern der großen Justizreform vorbehalten hätte, was wir schon geregelt haben. Immerhin ist die Vorlage, die Ihnen heute zugeleitet worden ist, das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Parlament und Bundesjustizministerium, und zwar in ihrer Gesamtheit, auch wenn der einzelne von uns in diesem oder jenem Punkte vielleicht eine andere Auffassung vertritt, als sie im Gesetz ihren Niederschlag gefunden hat.
Meine Damen und Herren! Da die Strafprozeßordnung ohnehin in einem Umfang geändert worden ist, wie das weder beim Gerichtsverfassungsgesetz noch bei der Zivilprozeßordnung der Fall ist, fällt es mir außerordentlich schwer, mich im Hinblick auf die Zeit so zu beschränken, wie es von Ihnen vielleicht gewünscht wird. Es wird außerordentlich schwierig sein, Ihnen in der Zeit, die mir zur Verfügung steht, einen Überblick über das zu geben, was wir getan haben. Ich muß deswegen schon im vorhinein um Nachsicht bitten.
Meine Damen und Herren! Ich komme zur Darstellung der einzelnen Bestimmungen, und zwar nur der wichtigsten, bei denen eine Änderung oder Ergänzung der Strafprozeßordnung vorgeschlagen wird. In § 15 der Vorlage der Regierung heißt es, daß das obere Gericht die Untersuchung und Entscheidung auch einer anderen Kammer des gleichen Gerichts übertragen kann. Der Ausschuß war der Auffassung, daß dies keine glückliche Lösung sei. Wir kommen auf einen ähnlichen Fall später noch zurück. Die Gerichtsbehörden sind unteilbar, und es ist deswegen nicht möglich, die Gerichte in einzelne Kammern anders als nach organisatorischen Gesichtspunkten aufzuteilen. Die Bestimmung ist nach Auffassung des Ausschusses im übrigen auch nicht folgerichtig; denn wenn alle Richter an der Ausübung des Richteramtes rechtlich und tatsächlich verhindert sind, so ist auch jede einzelne Kammer verhindert, so daß also zwischen einzelnen Kammern überhaupt nicht mehr unterschieden werden kann. Der Ausschuß sah sich also veranlaßt, den vorgeschlagenen Satz 2 des § 15 zu streichen.
Zu § 24 der Strafprozeßordnung, über den Sie in dem Gesetzentwurf auf Seite 40 keine Bemerkungen finden, sind Ausführungen gemacht worden, die sich der Ausschuß nicht zu eigen gemacht hat. Es handelt sich in diesem Falle um die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit. Der Ausschuß ist bei der Fassung der Regierungsvorlage geblieben, obwohl von einzelnen Mitgliedern die Auffassung vertreten wurde, daß Richter, die in ganz bestimmten Fällen über ganz bestimmte Vorgänge aus der Zeit von 1933 bis 1945 zu entscheiden haben würden, möglicherweise wegen ihrer eigenen Zugehörigkeit zur NSDAP oder zu einzelnen Gliederungen derselben nicht mit dem Grad von Unbefangenheit an die Entscheidung eines solchen Vorganges herangehen könnten, wie es bei anderen Richtern, die diese Einstellung nicht gehabt haben, der Fall sein würde.
Ich muß Ihre Aufmerksamkeit nun auf die Bestimmungen des § 25 lenken, in dem eine Änderung gegenüber der Regierungsvorlage vorgenommen worden ist. Nach der neuen Fassung ist die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit bis zum Beginn des an die Vernehmung des Angeklagten zur Sache anschließenden Teils der Hauptverhandlung zulässig. Gerade in diesem Falle lagen uns Anregungen aus der Anwaltschaft vor, die so weit gingen, daß die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit sogar bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung möglich sein soll, wenn nämlich die Tatsache, daß Besorgnis der Befangenheit besteht, sich erst in einem späteren Stadium der Verhandlung herausstellt.
Über diese Fragen haben eingehende Erörterungen sowohl im Unterausschuß als auch im Hauptausschuß stattgefunden, und wenn wir uns zu der Formulierung, die Ihnen im § 25 vorgelegt wird, entschlossen haben, dann, meine Damen und Herren, aus dem Grunde, weil die Beibehaltung des bisherigen Zustandes nach Auffassung aller Mitglieder des Ausschusses nicht möglich ist, weil man andererseits im Rahmen dieser Justizreform nicht so weit gehen wollte, wie es die Anwälte vorschlugen. Es ist eine Mittellösung gefunden worden, nach der in Zukunft der Angeklagte oder sein Verteidiger auch nach der Vernehmung des Angeklagten, in der sehr oft gerade zum Ausdruck kommen kann, ob ein Richter befangen ist oder nicht, die Möglichkeit hat, denselben abzulehnen. Ich glaube, daß die Lösung, die hier gefunden worden ist, eine zwar nicht allen Wünschen Rechnung tragende, aber doch eine solche ist, von der man annehmen kann, daß sie bis zur großen Justizreform tragbar ist.
In den §§ 49 und 50 sind Ausführungen über die Vernehmung des Bundespräsidenten, über die Vernehmung der Mitglieder der Bundesregierung und der gesetzgebenden Körperschaften gemacht. Der Ausschuß hat sich hier im wesentlichen den redaktionellen Änderungen der Vorlage der Regierung angeschlossen. Ich darf in diesem Zusammen-
hang die Meinung des Ausschusses dahingehend kundtun, daß die Formulierung im § 49, in dem es heißt:
Der Bundespräsident und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes sind in ihrer Wohnung zu vernehmen,
nicht dahin zu verstehen ist, daß die derzeitigen in Süddeutschland so genannten Staatspräsidenten als Staatsoberhäupter eines deutschen Landes im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind. Die in Süddeutschland so genannten Staatspräsidenten sind nach Auffassung des Ausschusses nichts anderes als Ministerpräsidenten, zumal sie zum Teil sogar Ressortminister sind.
Eine wesentliche und sicher auch von weiten Kreisen begrüßte Ergänzung ist die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Nr. 4, nach der Redakteure, Verleger und Drucker einer periodischen Druckschrift sowie die bei der technischen Herstellung der Druckschrift beschäftigten Personen über die Person des Verfassers oder Einsenders einer Veröffentlichung strafbaren Inhalts, wenn ein Redakteur der Druckschrift wegen dieser Veröffentlichung bestraft ist oder seiner Bestrafung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind.
Meine Damen und Herren! Es wurde ein Vorschlag gemacht, auch die Redakteure und Sprecher des Rundfunks in die Bestimmung mit einzubeziehen. Das ist, weil hier wesentliche technische und rechtliche Schwierigkeiten zu klären sind, nicht möglich gewesen. Es muß dieser Fall der Regelung im Rahmen der großen Justizreform vorbehalten bleiben.
§ 57 enthält eine sehr wesentliche Änderung, und ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf die Fassung hinlenken, die Ihnen der Ausschuß vorschlägt. Vor der Vernehmung sind die Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen und darauf hinzuweisen, daß sie ihre Aussage zu beeidigen haben, wenn keine im Gesetz bestimmte und zulässige Ausnahme vorliegt. Hierbei sind sie über die Bedeutung des Eides sowie die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren.
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um den Eid im Strafprozeß. Ich erwähnte schon, daß, ich glaube, alle, aber bestimmt fast alle Mitglieder des Ausschusses die Auffassung vertreten haben, daß die beste Regelung der früher im deutschen Strafprozeß übliche Voreid auch jetzt wieder sein würde, d. h. daß der Zeuge an den Richtertisch herantritt und vor seiner Aussage zu beeiden hat, daß er die reine Wahrheit usw. sagen werde. In den letzten Jahren hat sich — darin sind sich auch alle an ,der Rechtspflege Beteiligten einig — eine Nachlässigkeit im Hinblick auf die Bedeutung des Eides und eine geringschätzige Auffassung . von der Bedeutung des Eides bei allen, die für eine solche Auffassung überhaupt in Frage kommen, herausgebildet, daß oft das, was vor den Gerichten, selbst unter der Androhung der nachträglichen Beeidigung, ausgesagt worden ist, so offenkundig die Unwahrheit war, daß wir es bei dem bisherigen System, das die Beeidigung lediglich in das Ermessen des Gerichtes stellte, nicht belassen konnten. Diejenigen, die als Zeugen vor den Gerichten auftraten, wußten ganz genau, sie würden ja doch nicht beeidigt. Diejenigen Fälle, in denen eine Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen — besonders kommen Zeugen in Frage — stattgefunden hat, waren so verschwindend gering, daß gegenüber dem Zustand von früher hier dringend eine Änderung geboten erschien.
Diese Änderung hätten wir am liebsten in der Form vorgenommen, daß wir den Voreid eingeführt hätten. Da uns dies im Hinblick auf die Beobachtung der Verhältnisse, die Beobachtung der Entwicklung nicht tunlich erschien, sondern wir die endgültige Regelung auch dieser Frage der großen Justizreform vorbehalten wollten, haben wir eine Mittellösung gefunden, nach der die Zeugen einzeln und nach ihrer Vernehmung zu vereidigen sind, d. h., daß das Gericht heute grundsätzlich jeden Zeugen nach seiner Vernehmung zu beeidigen hat, daß nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen von der Vereidigung nach dem Ermessen des Gerichtes abgesehen werden kann. Die entsprechenden Bestimmungen finden Sie in § 61. Absehen kann das Gericht nach seinem Ermessen nur dann noch von der Vereidigung, wenn es sich um Personen handelt, die zur Zeit der Vernehmung das 16. Lebensjahr überschritten, aber das 18. noch nicht vollendet haben, sowie bei Verletzten und bei Personen, die im Sinne des § 52 Abs. 1 Angehörige des Verletzten oder Beschuldigten sind, und wenn das Gericht der Aussage keine wesentliche Bedeutung beimißt und nach seiner Überzeugung auch unter Eid keine wesentliche Aussage zu erwarten ist.
Gerade über die Ziffer 3 des § 61 der Strafprozeßordnung sind sehr lange und sehr ins einzelne gehende Ausführungen von allen Beteiligten gemacht worden. Es handelte sich hier zum Teil um Wörter, ob man beispielsweise in Ziffer 3 sagen sollte „soweit das Gericht der Aussage keine wesentliche Bedeutung beimißt" oder ob man sagen sollte „wenn das Gericht ...", ob man dann sagen sollte „und" oder „oder".
Meine Damen und Herren, es würde zu weit führen, hier alles das im einzelnen vorzutragen, was zu diesen verschiedenen Punkten gesagt worden ist. Der Ausschuß hat sich allein von dem Gesichtspunkt leiten lassen, daß einmal das Gericht grundsätzlich jeden Zeugen vereidigen und nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen nicht dazu gezwungen sein soll, diese Vereidigung vorzunehmen. Diese Voraussetzungen sind in § 61 Ziffern 1, 2 und 3 aufgeführt.
Ich mache besonders darauf aufmerksam, daß in der Ziffer 3 für die Gerichte nicht die Möglichkeit gegeben ist, mit einer sehr weitgehenden Auslegung wieder den Zustand herzustellen, den wir bisher im Strafprozeß gehabt haben. Das Gericht muß der Aussage keine wesentliche Bedeutung beimessen, und es muß auch nach seiner Überzeugung unter Eid keine wesentliche Aussage zu erwarten sein, wenn es, außer in den Fällen 1 und 2, von der Vereidigung eines Zeugen absehen will. Wenn aber — das sei an dieser Stelle gesagt — das Gericht der Auffassung ist, daß der Aussage keine wesentliche Bedeutung zuzumessen und keine wesentliche Aussage unter Eid zu erwarten ist, dann wird es jedem Gericht schwer fallen, in den Entscheidungsgründen auf diese Aussage Bezug zu nehmen. Das wird dem Gericht vor allen Dingen deswegen unmöglich sein, weil es sonst die Beeidigung des Zeugen hätte vornehmen müssen.
Es ist uns nicht entgangen, daß über diesen Punkt Meinungsverschiedenheiten entstehen werden, daß man auch versuchen wird, den §§ 59 und 61 durch die Auslegung eine Bedeutung zu geben, die vielleicht doch wieder dahinfährt, daß man weitgehend von der Vereidigung von Zeugen absieht.
Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie in der derzeitigen Fassung die entsprechenden Paragraphen annehmen, dann ist damit der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht, den bisherigen Zustand zu beenden und den Weg über das, was wir hier jetzt niedergelegt haben, freizumachen zu dem Voreid, zu dem System, das wir früher im Strafprozeß gehabt haben. Das ist jedenfalls der Wunsch des Ausschusses. Wenn das Parlament in seiner Gesamtheit diesem Wunsche Rechnung trägt, dann wird auch keine andere Möglichkeit der Auslegung dieser Paragraphen gegeben sein, als sie der klare Wortlaut allein zuläßt.
Ich gehe über zu § 79 Abs. 1 Satz 2. Wenn hier gesagt wird, daß der Sachverständige nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden kann und auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Verteidigers zu vereidigen ist, dann ist damit zum Ausdruck gebracht, daß hier der Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Verteidigers konstitutive Wirkung hat.' Insofern bedeutet diese Ergänzung „auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Vereidigers ist er zu vereidigen" eine sachliche Änderung von wesentlicher Bedeutung. Nach Auffassung des Ausschusses ist unter gar keinen Umständen einzusehen, warum auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des Verteidigers ein Sachverständiger nicht soll vereidigt werden können.
Die §§ 81a, 81b, 81c und 81d stellen Neuerungen in unserem Prozeßrecht dar, die allerdings nicht ohne irgendwelche Vorarbeiten von uns in die Prozeßordnung hineingenommen worden sind. Die körperliche Untersuchung von Beschuldigten und von anderen Personen, die in diesen Paragraphen ihre gesetzliche Regelung gefunden hat, ist schon im ehemaligen Reichstag erörtert worden. Die hier gefundene Fassung der §§ 81a, 81b, 81c und 81d, die zum Teil, wie ich aus meiner eigenen Fraktion weiß, auf erhebliche Widerstände gestoßen ist, ist das Ergebnis einer sehr langwierigen und sehr schwierigen gemeinsamen Beratung von Regierungsvertretern und Ausschußmitgliedern. Ich weiß, daß es durchaus möglich ist, über diese Dinge eine andere Auffassung zu haben. Ich weiß, daß insbesondere die Bestimmung des § 81c, nach der auch andere Personen als der Beschuldigte untersucht werden können, einer sehr gründlichen Überlegung bedarf. Wir kommen aber nach Auffassung des Ausschusses — und ich habe hier nur für den Ausschuß zu berichten, wenngleich ich mich persönlich in diesem Falle auch mit der Auffassung des Ausschusses identifiziere — nicht darum herum, daß es gewisse gesellschaftliche Interessen, Interessen des Staates gibt, die dem Recht auf körperliche Unversehrtheit entgegenstehen. Meine Damen und Herren, hierüber haben sich schon die Mitglieder des Parlamentarischen Rates unterhalten. Es mag keiner auf den Gedanken kommen zu sagen, daß dieser Eingriff eine Verletzung des Grundgesetzes bedeute. Gewiß ist nach Art. 2 des Grundgesetzes das Recht auf körperliche Unversehrtheit gewährleistet. Es ist aber in demselben Art. 2 des Grundgesetzes zum Ausdruck gebracht, daß Ausnahmen davon durch Gesetz zulässig sind. Hier handelt es sich um eine gesetzliche Regelung, und Sie haben zu überlegen, ob Sie in den Fällen der §§ 81a, 81b und 81c das Interesse der Gesellschaft und das Interesse des Staates, auch das Interesse an der objektiven Findung der Wahrheit nicht über das Interesse des einzelnen stellen sollen. Der Ausschuß vermochte jedenfalls nicht anzuerkennen, daß in diesen Fällen der §§ 81a, 81b, 81c und 81d, die als ein Ganzes aufzufassen sind, das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 des Grundgesetzes berührt wird.
Wenn darin, daß die körperliche Untersuchung oder der körperliche Eingriff auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder sogar der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft erfolgt, eine Gefahr erblickt wird, dann, meine Damen und Herren, will ich darauf hinweisen, daß natürlich jede Maßnahme, die die Staatsanwaltschaft oder die Polizei ergreift, eine Gefahr bedeutet, daß aber die Zahl derjenigen Fälle, in denen nicht auf Anordnung des Richters, sondern bei Gefahr im Verzuge auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft oder der Polizei etwas geschieht, im Verhältnis zu den Fällen sehr gering sein wird, in denen so schwerwiegende Eingriffe vorgenommen werden, wie man sie hier befürchtet.
In den Entgegnungen, die zu diesem Punkt gemacht worden sind, werden im wesentlichen nicht Bedenken gegenüber den Juristen erhoben, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern — das muß ich einmal zur Schonung der Juristen sagen — gegenüber den Medizinern. Zwar werden auch Bedenken gegenüber diesem oder jenem Richter erhoben werden. Aber im wesentlichen richten sich die Bedenken dagegen, daß von seiten der Mediziner Eingriffe zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, die nach Lage der Dinge nicht gerechtfertigt sind.
Diese Bedenken mögen im Hinblick auf das, was in den Jahren nach 1933 in Deutschland geschehen ist, zum Teil durchaus berechtigt sein; ich will das nicht verkennen. Aber, meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht, daß es sich hier um etwas handelt — ich gebe die Auffassung des Ausschusses wieder —, was im Interesse aller Beteiligten eingeführt worden ist.
Die folgenden Ziffern sind insofern für die Beratung hier nicht von wesentlicher Bedeutung, als die Vorschläge der Regierung unverändert angenommen worden sind. Im Falle des § 114 a handelt es sich um eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die Tatsache, daß jemand in Haft genommen worden ist. Der § 114 a geht zurück auf eine Bestimmung des Grundgesetzes. Es wurde erörtert, ob von der Verhaftung und jeder weiteren Entscheidung über die Fortdauer der Haft von Amts wegen unverzüglich ein Angehöriger des Verhafteten oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen ist. Die Auffassung, daß dies nicht von Amts wegen zu geschehen habe, sondern daß es in die freie Entscheidungsbefugnis des Verhafteten selbst gestellt sein könne, ob er von seiner Inhaftnahme einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens benachrichtigen wolle, ist nach dem Grundgesetz nicht möglich. Die Bedenken, daß möglicherweise die Verhaftung eines Menschen ganz bestimmte unangenehme Folgen persönlicher, wirtschaftlicher und beruflicher Art mit sich bringen könne und aus diesem Grunde die Bekanntgabe der Verhaftung nicht tunlich sei, konnten nicht geteilt werden. Es ist einwandfrei festgestellt worden, daß nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers von Amts wegen von der Verhaftung einer Person unverzüglich seinen Angehörigen oder einer Person seines Vertrauens Nachricht zu geben ist. Und das aus gutem Grunde. Wenn in einem Falle jemand, der in Haft genommen worden ist, nicht wünscht, daß seine Familie davon Kenntnis erhält, dann hat er durchaus die Möglich-
keit, die Tatsache, daß er in Haft genommen worden ist, einer Person seines Vertrauens kundzutun. Wenn er sich hierzu eines Anwalts bedient oder irgendeiner anderen Person, die eben sein Vertrauen hat, so ist damit auch die Verschwiegenheit. auf die der Betreffende selbst möglicherweise Wert legen könnte, gewährleistet, und es ist ihr Rechnung getragen. Die Einführung des § 114 a in dieser Fassung bedeutet die Ergänzung oder die Folgemaßnahme aus der entsprechenden Bestimmung des Grundgesetzes.
Eine der wesentlichsten Änderungen, auf die gestern schon in einer Pressekonferenz Senatspräsident Rotberg vom Bundesjustizministerium hingewiesen hat, ist die Fassung der Bestimmung des § 136 a, auf die ich Ihre ganz besondere Aufmerksamkeit lenken möchte. Herr Präsident Rotberg hat zum Ausdruck gebracht, daß wir in Deutschland damit mit unserem Strafprozeß in die Reihe der modernsten Staaten Europas gerückt sind. Das ist zweifelsohne richtig. Wenn wir uns entschlossen haben, die Bestimmung des § 136 a in die Strafprozeßordnung aufzunehmen, dann einmal deswegen, weil wir es aus allgemein menschlichen Gründen für notwendig hielten, etwas Derartiges gesetzlich zu fixieren, zum anderen aber auch, weil wir aus der hinter uns liegenden Erfahrung keine andere Möglichkeit sahen, um Wiederholungen zu vermeiden.
Meine Damen und Herren! Die Bestimmung:
Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Zwang darf nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt. Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten —
stellt tatsächlich das Äußerste dar, was auf diesem Gebiete von uns getan werden kann. Hiermit bringen wir zum Ausdruck, daß keine Mittel angewandt werden dürfen, die heute weithin zur Erforschung der Wahrheit angewendet werden. Es soll eben auch zur Feststellung dessen, was ein Beschuldigter möglicherweise in Wirklichkeit getan hat, keine Narko-Analyse angewandt werden, und es sollen keine sogenannten Wahrheitsspritzen verabfolgt werden, nur um einen Beschuldigten in einen Zustand zu versetzen, von dem man annimmt, daß er in ihm möglicherweise entgegen dem normalen Zustand die Wahrheit sagt, daß damit die Möglichkeit gegeben wird, gegen ihn strafrechtlich vorzugehen, was bei Anwendung normaler Mittel nicht möglich gewesen wäre.
In diesem Zusammenhang sind die weiteren Bestimmungen in § 136 a von Bedeutung: Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.
und
Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.
Ich glaube, wenn man überhaupt diesen Weg gehen wollte, den wir mit dieser Bestimmung gegangen sind, dann konnte man nicht weiter gehen, als wir gegangen sind. Es ist das letzte, was überhaupt möglich ist, um Maßnahmen auszuschließen, die wir nicht anwenden wollen nur zu dem Zweck, um unter Druck und durch alle möglichen Mittel die Wahrheit — die angebliche Wahrheit — zu erforschen.
Meine Damen und Herren! Die notwendige Mitwirkung des Verteidigers, die in § 140 gesetzlich geregelt ist, gibt mir Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß wir im allgemeinen die Stellung des Angeklagten und des Verteidigers, wie ich eingangs auch schon ausgeführt habe, wesentlich verbessert haben gegenüber der Stellung des Angeklagten und seines Verteidigers in der Zeit von — sagen wir ruhig einmal, um die ganze Zeit zu umfassen —1933 bis 1945. Die notwendige Verteidigung haben wir auch für die Fälle eingerichtet, daß der Beschuldigte bis zur Hauptverhandlung sich in Haft befunden und diese länger als drei Monate gedauert hat und die Staatsanwaltschaft oder der Beschuldigte oder sein gesetzlicher Vertreter die Stellung eines Verteidigers beantragt. Auch in diesen Fällen wollen wir den 'Schutz des Angeklagten so weit gehen lassen, daß — auf seinen Antrag hin — die notwendige Verteidigung gesichert ist. Wir haben uns hier durchaus in Übereinstimmung mit der Bundesregierung bzw. mit dem Bundesjustizministerium befunden.
Gegenüber der Fassung des § 145 der Regierungsvorlage hat der Ausschuß eine andere Fassung beschlossen. Es handelt sich darum, daß in den Fällen, in denen eine Verteidigung notwendig ist und der Verteidiger aus irgendeinem Grund seine Verteidigung niederlegt oder als Verteidiger aus einem sonstigen Grund nicht in Frage kommt, der Vorsitzende dem Angeklagten einen neuen Verteidiger zu bestellen hat. Das Gericht soll jedoch in einem solchen Falle die Aussetzung der Verhandlung beschließen können, damit dem Verteidiger die Möglichkeit gegeben wird, sich die Kenntnis des Prozeßstoffes zu verschaffen, die notwendig ist, um ihn die Verteidigung ordnungs- und sachgemäß führen zu lassen. Wenn der Verteidiger erst im Laufe der Hauptverhandlung bestellt wird, so kann das Gericht eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihre Aufmerksamkeit dann auf eine Bestimmung lenken, die in § 154 b enthalten ist. In diesem § 154 b heißt es:
Ist eine Nötigung oder Erpressung durch die Drohung begangen worden, eine Straftat zu offenbaren, so kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Tat, deren Offenbarung angedroht worden ist, absehen.
So hieß es in der Fassung, die uns die Regierung vorgelegt hatte, allerdings noch mit der Ergänzung, daß der Amtsrichter zustimmen mußte. Wir sind hier im Laufe der Verhandlungen noch einer Anregung der Herren Vertreter des Bundesjustizministeriums gefolgt und haben an den eben von mir verlesenen Satz angefügt:
wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerläßlich ist.
Es kann sich immerhin um eine sehr schwerwiegende strafbare Handlung handeln, die es nicht angebracht erscheinen läßt, hier grundsätzlich das zu tun, was in dem ersten Teil des Satzes des § 154 b zum Ausdruck gekommen ist. In den Fällen muß es auch möglich sein, die strafbare Handlung zu verfolgen.
In § 156 ist ebenfalls eine Änderung vorgenommen worden, daß nämlich die öffentliche Klage nach Eröffnung der Voruntersuchung oder des Hauptverfahrens nicht zurückgenommen werden kann. Wenn die Voruntersuchung oder auch das Hauptverfahren eröffnet ist, dann hat der Angeklagte einen Anspruch darauf, daß er freigesprochen wird, falls sich herausstellt, daß die vorgebrachten Beweismittel für eine Verurteilung nicht ausreichen. Es soll dann nicht mehr möglich sein, daß lediglich durch Zurücknahme der Klage das Verfahren abgeschlossen wird.
In § 178, in dem Bestimmungen darüber enthalten sind, daß die Voruntersuchung in Strafsachen stattfindet, die zur Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes, des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug oder des Schwurgerichts gehören, haben wir folgende Ergänzung vorgenommen:
In den zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehörenden Sachen entfällt die Voruntersuchung, wenn der Beschuldigte durch einen Richter vernommen ist, der Tatbestand einfach liegt und die `Voruntersuchung nach dem Ermessen der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich ist. Doch kann der Angeschuldigte in der Erklärung über die Anklageschrift die Durchführung einer Voruntersuchung beantragen; dem Antrag ist stattzugeben.
Meine Damen und Herren, gerade über diese Frage sind Ausführungen verschiedener Art gemacht worden, und zwar nach der Richtung hin, ob dem Antrage des Angeschuldigten stattzugeben sei oder nicht. Es lag auch eine Fassung des Bundesrats vor. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung konnte der Ausschuß jedoch nicht annehmen, sondern er beließ es im wesentlichen bei der Regierungsvorlage, und zwar mit der Maßgabe, daß die Änderungen vorgenommen werden, die ich Ihnen soeben vorgetragen habe. Insbesondere gilt das für die Bestimmung: „wenn der Beschuldigte durch einen Richter vernommen ist" sowie für die Bestimmung: „dem Antrag ist stattzugeben".
Eine Änderung wurde in § 193 Abs. 2 insofern vorgenommen, als nunmehr ein Zeuge oder Sachverständiger vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden kann, wenn wegen großer Entfernung — das ist die Fassung, die die Strafprozeßordnung früher gehabt hat — ihm nicht zugemutet werden kann, in der Hauptverhandlung zu erscheinen.
Nun bitte ich, zu Ziffer 70 auf Seite 52 der Drucksache Nr. 1138 eine Änderung vorzunehmen. Ich weiß nicht, ob sie dem Herrn Präsidenten bereits mitgeteilt worden ist. Unter Ziffer 70 heißt es links: „§ 197 Abs. 1 erhält folgende Fassung", und dann kommt der Text. Rechts heißt es: „70. Unverändert". Das ist nicht zutreffend. Der Ausschuß hat eine Änderung der Fassung der Regierungsvorlage beschlossen, und zwar lautet die vom Ausschuß beantragte Fassung:
Erachtet der Untersuchungsrichter den Zweck der Voruntersuchung für erreicht, so übersendet er die Akten der Staatsanwaltschaft zur Stellung ihrer Anträge.
Auch hierüber ist es zu einer sehr lebhaften Debatte gekommen, nämlich darüber, ob im Falle der Voruntersuchung der Untersuchungsrichter, der eine sehr maßgebende Rolle im Laufe des Verfahrens spielt, mit seinem abschließenden Bericht die Voruntersuchung beenden und die Akten der Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfolgung der strafbaren Handlung übersenden soll. Der Ausschuß hat sich — ich glaube, einstimmig — zu der Auffassung bekannt, daß der Untersuchungsrichter keinen abschließenden Bericht über die wesentlichen Ergebnisse der Voruntersuchung anfertigen soll, weil dieser abschließende Bericht eine subjektive Würdigung des Vorganges enthalten muß. Auch bei objektiver Darstellung des Sachverhalts und der Ergebnisse der Voruntersuchung kommt selbstverständlich der Untersuchungsrichter zu einer ganz bestimmten Stellungnahme, muß dazu kommen. Die Zusammenstellung der wesentlichen Ergebnisse der Voruntersuchung in einem Bericht schließt die Gefahr der Beeinflussung der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Beurteilung des Vorganges durch sie in sich. Es soll der Staatsanwaltschaft nicht die Möglichkeit genommen werden, die wesentlichen Ergebnisse der Voruntersuchung ohne einen Abschlußbericht des Untersuchungsrichters nach ihrer tatsächlichen und nach ihrer rechtlichen Seite hin aus eigenem zu beurteilen, zu würdigen und sich dementsprechend darüber schlüssig zu werden, ob eine Anklage erhoben werden muß oder nicht.
Es wurde von einem Kollegen — ich glaube, es war der Kollege Ewers — darauf hingewiesen, daß dieselbe Gefahr bei dem Schlußbericht der polizeilichen Ermittlungen besteht, daß man tunlichst nicht den Fehler begehen solle, der sich hier sehr oft zeigt. Aus diesem Grunde hat sich entgegen der Ihnen in der Drucksache vorgelegten Fassung auf unveränderte Annahme der Ausschuß dazu entschlossen, Ihnen die Formulierung vorzuschlagen, die ich eben verlesen habe.
Meine Damen und Herren! Die dann vorgeschlagenen Änderungen, die die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens betreffen, sind sicherlich sehr wesentlich. Sie bringen zum Ausdruck, daß nicht mehr lediglich auf die Erhebung der Anklage hin das Hauptverfahren durchgeführt wird, sondern nach Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft hat sich zunächst das Gericht mit dem Vorgang zu befassen, und das Gericht hat durch einen — wie es früher üblich war — eigenen Eröffnungsbeschluß, der auch dem Angeklagten zugestellt wird, das Hauptverfahren zu eröffnen. Es wird also, wie ich schon eingangs sagte, ein wesentliches Moment dessen beseitigt, was unter dem Nationalsozialismus üblich war, nämlich die Beherrschung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft schließt ihre Tätigkeit zunächst mit der Erhebung der Anklage ab. Dann ist es in die Hand des Richters gelegt, darüber zu entscheiden, ob das Hauptverfahren eröffnet werden soll oder nicht. Erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens ist dem Staatsanwalt wieder die Möglichkeit gegeben, in der Hauptverhandlung oder, wenn es das Gesetz sonst in bestimmten Fällen zuläßt, tätig zu werden. Der Eröffnungsbeschluß hat seinen guten Grund und seinen guten Sinn auch heute wieder, wie er ihn früher gehabt hat. Das Gericht soll selbst feststellen, ob jemand mit Recht zur Anklage gezogen wird oder nicht, ob gegen jemand das Hauptverfahren eröffnet wird oder nicht.
Die Einzelbestimmungen, die sich aus dieser Veränderung gegenüber dem bisherigen Zustand ergeben, sind ganz zwangsläufig. Ich kann es mir daher ersparen, auf Einzelheiten einzugehen.
Nur auf eine Bestimmung möchte ich noch Ihre Aufmerksamkeit lenken: das ist die Fassung des
§ 208, in dem zum Ausdruck kommt, daß, wenn die Staatsanwaltschaft beantragt, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen, das Gericht das Hauptverfahren nur eröffnen kann, nachdem es den Angeschuldigten aufgefordert hat, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist darüber zu erklären, ob er eine Ergänzung der Voruntersuchung oder die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragt oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen will. Wenn also die Staatsanwaltschaft beantragt, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen, das Gericht aber das Verfahren eröffnen will, muß das Gericht vorerst dem Angeklagten die Möglichkeiten geben, die ich Ihnen eben auf Grund der Bestimmungen des § 208 vorgelesen habe. Das ist wichtig, weil sonst dem Angeklagten die Möglichkeit der Voruntersuchung genommen wäre, wenn sie nämlich von der Staatsanwaltschaft nicht beantragt wurde.
Die nun folgenden Bestimmungen sind vom Ausschuß — von ganz geringen Änderungen abgesehen — im wesentlichen so übernommen worden, wie sie die Regierung vorgelegt hatte, mit Ausnahme der Absätze 2 und 3 des § 223, die eine andere Fassung erhalten haben. Die Vernehmung von Zeugen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter hat eidlich zu erfolgen, soweit nicht Ausnahmen vorgeschrieben oder zugelassen sind. Das entspricht der Regelung, die in den §§ 59 bis 62 über den Eid im allgemeinen ihren Niederschlag gefunden hat.
Wichtig ist dann die Bestimmung des § 240. Es war bisher Übung in jedem Verfahren, daß der Vorsitzende sowohl den beisitzenden Richtern als auch dem Angeklagten und dem Verteidiger
gestattete, selbständig Fragen an Zeugen und Sachverständige zu richten. Es war auch bisher in der Strafprozeßordnung die Bestimmung enthalten, daß auf gemeinsamen Antrag von Staatsanwalt und Verteidiger diesen die Möglichkeit des Kreuzverhörs gegeben ist. Immerhin war es in das Ermessen des vorsitzenden Richters gestellt, ob er die entsprechenden Fragen direkt stellen lassen wollte oder nicht. Wir haben hier eine gesetzliche Fixierung getroffen, die im wesentlichen der Usance Rechnung trägt, die sich bei den Gerichten herausgebildet hat. Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an die Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen. Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Geschworenen und Schöffen zu gestatten. Lediglich eines ist auch nach unserer Auffassung nicht zulässig und dementsprechend im letzten Satz des Abs. 2 des § 240 geregelt, die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig. Das ist eine notwendige Schutzbestimmung, damit nicht Angeklagte und Mitangeklagte verabreden, durch Fragespiel irgend etwas dem Gericht vorzutragen oder zur Kenntnis aller Beteiligten zu bringen, was möglicherweise zu einer Verwirrung des Verfahrens selbst führt und was der Findung der Wahrheit durchaus würde abträglich sein können.
In § 244 ist vom Ausschuß eine Änderung vorgenommen worden, die sehr wesentlich ist. Es hieß früher: das Gericht hat von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist, während in der Fassung des Ausschusses jetzt gesagt wird, daß das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat,
die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Es ist nämlich nicht so, daß das Gericht alles zu tun hat, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist, sondern das Gericht hat seine Arbeit zur Erforschung der Wahrheit nur auf die Feststellung derjenigen Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, und nicht mehr. Was für die Entscheidung nicht von Bedeutung ist, geht das Gericht nichts an, auch wenn damit eine Erforschung der Wahrheit verbunden sein sollte. Was dem einzelnen Richter zu wissen wünschenswert erscheint, ist hier nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist nur, was für die Entscheidung von Bedeutung ist. Was für die Entscheidung nicht von Bedeutung ist, hat das Gericht nicht festzustellen, auch wenn es zu wissen möglicherweise wünschenswert ist, wünschenswert nur im engeren Sinne. Wenn es für die Entscheidung darauf ankommt, dann ist es eben von Bedeutung und nicht allein wünschenswert.
Die weiteren Änderungen, die im § 244 enthalten sind, ergaben sich ganz zwangsläufig und bedeuten keine Änderungen, auf die im einzelnen eingegangen werden müßte.
Ich möchte Ihr Augenmerk noch auf die Bestimmung des § 260 Abs. 1 Satz 1 lenken, in dem gesagt ist, daß die Hauptverhandlung mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils schließt. Diese neue Fassung haben wir deswegen gewählt, weil die Beratung der Verkündung des Urteils im allgemeinen unmittelbar voraufgehen soll. Es soll nicht so sein, daß der Vorsitzende eines Gerichts die Hauptverhandlung schließt, daß das Gericht sein Urteil im wesentlichen schon fertigmacht, bevor die Plädoyers des Staatsanwalts und der Anwälte gehalten werden, der Angeklagte sein Schlußwort gesprochen hat, das Gericht sich dann zurückzieht, nach kurzer Zeit wiederkommt und sein Urteil verkündet, das in Wirklichkeit schon vor den Plädoyers des Staatsanwalts und der Anwälte gefunden worden ist.
Meine Damen und Herren, ich will die heutigen Richter in keiner Weise verdächtigen, daß sie es im allgemeinen so machen. Ich glaube, auch sagen zu können, daß solche Fälle, wenn sie heute bekannt geworden wären, gerügt worden wären. Wir haben aber aus der Zeit, die hinter uns liegt, genügend Erfahrungen, die uns Veranlassung geben, auch in einem solchen Fall zum Ausdruck zu bringen, daß wir uns den Schluß der Hauptverhandlung so denken, daß eben im Anschluß an die Beendigung der Beweisaufnahme die Plädoyers des Staatsanwalts und der Anwälte stattfinden, daß dann der Angeklagte sein letztes Wort bekommt und das Gericht sich zur Beratung zurückzieht, aus der es dann mit dem Urteil, das es zu verkünden hat, zurückkehrt. Es darf nicht sein, daß vorher irgendwelche Urteile fertiggemacht werden, so daß der Angeklagte und sonstige Prozeßbeteiligte den Eindruck bekommen müssen, als würde hier nach Gesichtspunkten Recht gesprochen, die wir überwunden zu haben glaubten.
Nach § 268 ergeht in Übereinstimmung mit der Regierungsvorlage jedes Urteil in Zukunft wieder im Namen des Volkes — nicht im Namen des Rechts —, im Namen des Volkes deswegen, weil vom Volk die Staatsgewalt ausgeht und weil die rechtsprechende Gewalt ein Teil der Staatsgewalt ist.
Wesentlich ist dann, daß die Verkündung des Urteils durch die Verlesung der Urteilsformel und die Eröffnung der Urteilsgründe am Schluß der Verhandlung oder spätestens am vierten Tage nach
dem Schluß der Verhandlung stattzufinden hat. Auch hier hat es zu Auseinandersetzungen geführt, ob es möglich ist, daß in sehr umfangreichen Prozessen bereits am vierten Tage nach Schluß der Verhandlung das Urteil verkündet werden kann. Wir sind uns dahin schlüssig geworden, daß es im Interesse aller am Prozeß Beteiligten, insbesondere aber des Angeklagten, auch in den schwierigsten Fällen möglich sein muß, innnerhalb von vier Tagen nach Schluß der Verhandlung das Urteil zu verkünden und den Beteiligten die Urteilsgründe zu eröffnen, zumal da die Gründe, die in der Sitzung nach der Verkündung des Urteils eröffnet werden, nicht dem vollen Umfang der Gründe entsprechen, die später schriftlich abgesetzt werden.
Es darf natürlich nicht so sein, daß die mündlichen Urteilsgründe ihrem tatsächlichen und rechtlichen Inhalt nach von den Gründen abweichen, die später schriftlich abgesetzt werden. Es ist aber nicht notwendig, daß in einem sehr schwierigen und sehr umfangreichen Prozeß in der mündlichen Urteilsbegründung mit aller Minutiösität auf das eingegangen wird, was später vielleicht in der schriftlichen Urteilsbegründung zum Ausdruck gebracht werden muß. Das übergeordnete Interesse, insbesondere dasjenige des Angeklagten, erfordert, daß das Urteil sobald wie möglich im Anschluß an die Beendigung der Hauptverhandlung verkündet wird. Aus diesem Grunde muß es möglich sein, auch in den schwierigsten und umfangreichsten Fällen am vierten Tage nach Schluß der Verhandlung das Urteil zu fällen.
Meine Damen und Herren! Mir fällt in diesem Zusammenhang ein, daß ich möglicherweise auf etwas nicht eingegangen bin, was wir ebenfalls geändert haben, nämlich auf die Unterbrechung einer Hauptverhandlung. Wir haben uns an die Bestimmungen angelehnt, die wir früher gehabt haben, nämlich daß spätestens am elften Tage eine unterbrochene Verhandlung fortgesetzt werden muß, andernfalls die Verhandlung von neuem zu beginnen hat. Auch diese Regelung ist nach Auffassung des Ausschusses vernünftig und trägt allen Möglichkeiten Rechnung.
Im nächsten Abschnitt der Strafprozeßordnung sind Fragen behandelt, bei denen sich der Ausschuß mit der Bundesregierung im wesentlichen in Übereinstimmung befindet.
Was die Frage der Rechtsmittel, die in den §§ 296 bis 358 behandelt werden, angeht, so brauche ich auf Einzelheiten nicht einzugehen.
Auch die Bestimmungen, die über die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt von der Regierung vorgelegt worden sind, haben die Billigung des Ausschusses gefunden.
In § 354 Abs. 2 mußte der Ausschuß zu einer anderen Regelung kommen — ich beziehe mich hiermit auf das, was ich eingangs schon gesagt habe —, als sie die Regierung vorgeschlagen hat. In den Fällen nämlich, in denen ein Gericht eine Sache zur anderweitigen Verhandlung an ein anderes Gericht zurückverweisen will, hatte die Regierung auch die Möglichkeit vorgesehen, daß die betreffende Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Gerichtes zurückverwiesen wird, dessen Urteil aufgehoben worden ist. Mit dieser Regelung haben wir uns nur im Ausnahmefall einverstanden erklären können. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, es bei der bisherigen Regelung zu belassen, weil man ein Gericht als ein Ganzes auffassen muß und weil man grundsätzlich nicht einer Kammer die Möglichkeit geben soll, nach anderen Möglichkeiten der Entscheidung zu suchen, als die andere Kammer desselben Gerichtes sie gefunden hat oder nicht gefunden hat. Wir meinen, daß in den Fällen, in denen ein Rechtsmittelgericht der Auffassung ist, daß eine Sache zur erneuten Verhandlung an ein anderes Gericht — im engeren Sinne des Wortes — zurückverwiesen werden muß, dieses Gericht nicht die andere Kammer eines Landgerichtes sein kann, sondern daß in solchen Fällen ein anderes Gericht, und zwar ein benachbartes Gericht erneut entscheiden muß.
Nur in zwei Fällen müssen wir auf Grund der derzeitigen Verhältnisse in Deutschland eine anders geartete Regelung zulassen, nämlich in den Fällen, in denen es sich darum handelt, daß Urteile von Hamburger oder Bremer Gerichten aufgehoben werden sollen, weil beispielsweise das Land Bremen und auch das Land Hamburg nur ein Landgericht haben, es aber auf Grund der Bestimmungen, die nach dem Grundgesetz zu beachten sind, dem Oberlandesgericht Hamburg in den Fällen, in denen es beispielsweise ein Urteil des Landgerichts Hamburg aufheben will, nicht möglich ist, ein anderes Landgericht auszusuchen, weil ihm nur ein einziges Landgericht, nämlich das Landgericht Hamburg, nachgeordnet ist. In diesen Fällen also, in denen einem Gericht nur ein einziges Gericht nachgeordnet ist, das für eine Rückverweisung in Frage kommt, soll es möglich sein, auch an eine andere Kammer desselben Gerichts zu verweisen.
Meine Damen und Herren, bei den dann folgenden Bestimmungen hat es keine verschiedenen Auffassungen bei der Bundesregierung und uns gegeben. Lediglich in § 363 hat der Ausschuß eine andere Auffassung vertreten als die Bundesregierung. Der Ausschuß wünscht, daß eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dem Zweck, eine Änderung der Entscheidung über Maßregeln der Sicherung und Besserung auf Grund desselben Strafgesetzes herbeizuführen, zulässig ist. Demgemäß ist die Bestimmung in § 363 geändert worden, und ich habe Ihnen vorzuschlagen, die Fassung des Ausschusses zu akzeptieren.
Wir kommen nun zu Bestimmungen von grundsätzlicher Bedeutung, und zwar zu den Vorschriften bei besonderen Verfahrensarten, d. h. Vorschriften über den Strafbefehl und die Strafverfügung. Es bleibt nach der Vorlage, wie sie Ihnen vom Ausschuß vorgelegt wird, bei dem Verfahren bei Strafbefehlen. Bei dem Verfahren bei Strafverfügungen hat der Ausschuß jedoch lediglich den § 412 a, und zwar auch in veränderter Fassung, bestehen lassen, während die bisherigen §§ 413 bis 429 aus dem Gesichtspunkt heraus, daß nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit des Ausschusses Strafen in Zukunft nur noch durch die Gerichte ausgesprochen werden können, samt und sonders gefallen sind. Es ist, nachdem die rechtsprechende Gewalt eine ganz andere Stellung im Rahmen unseres staatlichen Organismus erhalten hat, als es bisher der Fall gewesen ist, nicht mehr möglich, daß die Polizei richterliche Funktionen wahrnimmt. Die Strafverfügungen, die in Zukunft vom Richter erlassen werden, sollen auf Grund landesrechtlicher Bestimmungen in Fällen, in denen es sich um Übertretungen handelt, von den Polizeibehörden bearbeitet werden, und sie sollen, statt daß sie der Staatsanwaltschaft zur Weiterverfolgung zugeleitet werden, von der Polizeibehörde direkt dem Amtsrichter zur Festsetzung der Strafe mit einem entsprechenden Strafvorschlag
zugeleitet werden können. Der Richter ist jedoch nicht an den Vorschlag der Polizeibehörde gebunden. Der Richter ist vollkommen frei, sowohl im Hinblick darauf, ob er bestrafen will oder nicht, als auch in bezug darauf, ob er die von der Polizei vorgeschlagene oder eine andere Strafe festsetzen will. Eigene polizeiliche Strafverfügungen gibt es in Zukunft in Deutschland nicht mehr, soll es auch nach Auffassung des Ausschusses nicht mehr geben.
Die darüber hinaus von der Regierung vorgeschlagene Beibehaltung der §§ 413 bis 418 a hat der Ausschuß gestrichen, weil in diesen Bestimmungen enthalten sind, die nach Ansicht des Ausschusses überflüssig und auch zum Teil deswegen nicht mehr möglich sind, weil damit das Prinzip, das der Ausschuß aufgestellt hat, durchbrochen werden würde.
Das gleiche, meine Damen und Herren, trifft für den gesamten bisherigen Dritten Abschnitt des Sechsten Buches über das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle zu. Hierüber ist im Ausschuß ein harter Meinungsstreit entbrannt. Es wurde die Auffassung vertreten, daß es gerade in den Fällen, in denen es sich um Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhehebung öffentlicher Abgaben und Gefälle handelt, nicht notwendig sei, den ordentlichen Weg zu gehen, sondern nach den Bestimmungen der Reichsabgabenordnung oder nach den Bestimmungen zu verfahren, wie sie im übrigen bezüglich der polizeilichen Strafverfügungen gelten. Hier hätten die Gemeinden ein weites Betätigungsfeld zur Erledigung von geringfügigen Verstößen und Zuwiderhandlungen, und man solle es auch weiterhin den Gemeinden überlassen, nach den bisherigen Bestimmungen zu verfahren. Meine Damen und Herren, das war leider nicht möglich, wenn wir den Gesichtspunkt der Unteilbarkeit der rechtsprechenden Gewalt in allen Fällen, in denen es sich um Bestrafung handelt, aufrechterhalten wollen. Es ist nur die eine Ausnahme gemacht worden, daß diejenigen Fälle, die bisher nach der Reichsabgabenordnung zu behandeln waren, auch weiterhin nach der Reichsabgabenordnung behandelt werden. Darüber sind in § 6 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung nähere Bestimmungen enthalten, die Sie aus der Nr. 185 b auf Seite 73 der Drucksache Nr. 1138 ersehen können. Der gesamte Dritte Abschnitt des Sechsten Buches ist somit gestrichen worden. Der Ausschuß bittet, es bei der Streichung zu belassen, da keine Notwendigkeit besteht, in all den Fällen, die hier bisher geregelt worden sind, das Verfahren aufrechtzuerhalten. Jede Gemeinde, jede Dienststelle, die sich bisher mit der Verfolgung derartiger Zuwiderhandlungen befaßte, muß in Zukunft den üblichen, nach dem Gesetz vorgeschriebenen Weg wählen.
Was nun die §§ 449 bis 474 a über die Strafvollstreckung und die Kosten des Verfahrens angeht, so sind hier wesentliche Änderungen nicht vorgenommen worden. Lediglich § 470 ist dahin gefaßt, daß in den Fällen, in denen das Verfahren wegen Zurücknahme des Antrags, durch den es bedingt war, eingestellt wird, der Antragsteller die Kosten sowie die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
Meine Damen und Herren, damit ist die Berichterstattung über die Strafprozeßordnung selbst erledigt. Ich habe, wie gesagt, naturgemäß nur auf die allerwichtigsten Änderungen hinweisen können. Eine Vielzahl von Änderungen sowohl sachlicher als auch formeller Art ist erfolgt, auf die einzugehen hier nicht möglich gewesen ist, weil der Umfang der vorgenommenen Änderungen dem entgegenstand.
Das Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung mußte durch die Streichung des Dritten Abschnitts des Sechsten Buches geändert werden. Nach der jetzigen Fassung des § 6 treten die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze für alle Strafsachen, über die gemäß § 3 nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zu entscheiden ist, außer Kraft, soweit nicht in der Strafprozeßordnung auf sie verwiesen ist. Außer Kraft treten insbesondere die Vorschriften über die Befugnis zum Erlaß polizeilicher Strafverfügungen. Das ist das, was ich eben schon erwähnte. Unberührt bleiben allein landesgesetzliche Vorschriften erstens über die Voraussetzungen, unter denen gegen Mitglieder eines Organs der Gesetzgebung eine Strafverfolgung eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, und zweitens über Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle, soweit sie auf die Reichsabgabenordnung verweisen. Um insoweit keine Lücke eintreten zu lassen, mußten wir die landesrechtlichen Vorschriften aufrechterhalten, wenn sie auf die Reichsabgabenordnung Bezug nehmen. Soweit sie nicht auf die Reichsabgabenordnung verweisen, sind sie außer Kraft getreten, und es ist kein Raum mehr für die Fortsetzung des bisherigen Verfahrens.
Meine Damen und Herren, in den Schlußvorschriften sind einzelne Bestimmungen enthalten, die auch die Strafprozeßordnung berühren. Es handelt sich hier um die Nummern 44, 45, 46 und 47, deren Inhalt hier im einzelnen nicht vorgetragen zu werden braucht.
Für mich ist wichtig, Ihnen noch eines zu berichten. Ich glaube allerdings, daß es schon vom Herrn Kollegen Kiesinger erwähnt worden ist. Es handelt sich darum, daß nach Nr. 81 die Gesetze eines Landes unberührt bleiben, die auf Grund des im Art. 1 Nr. 10 aufgehobenen § 13 a des Gerichtsverfassungsgesetzes ergangen sind. Das Land WürttembergBaden kann künftig diese Gesetze ändern, aber die Zuständigkeit der Friedensgerichte nicht erweitern. Das bedeutet, daß die Friedensgerichte im Land Württemberg-Baden ihre Tätigkeit fortsetzen können. Es war der Wunsch an uns herangetragen worden, dem Land Hessen die Möglichkeit zu geben, ebenfalls die Friedensgerichtsbarkeit einzuführen, weil bereits ein entsprechender Gesetzesvorschlag in Bearbeitung genommen worden ist. Der Ausschuß hat sich, nachdem er ursprünglich für das Land Württemberg-Baden die Beibehaltung der Friedensgerichte abgelehnt hat, auf den Standpunkt gestellt, daß es dabei sein Bewenden haben soll und daß man dem Land Württemberg-Baden die Möglichkeit läßt, weiterhin Erfahrungen mit der Tätigkeit der Friedensgerichte und der Anerkennung ihrer Sprüche zu sammeln, daß man aber nicht die Einrichtung der Friedensgerichte auch auf das Land Hessen ausdehnen soll, selbst dann nicht, wenn ein entsprechender Gesetzesvorschlag bereits im Lande Hessen in Arbeit ist. Ich glaube, daß diese Lösung, die der Ausschuß gefunden hat, keine ungerechte Lösung gegenüber dem Lande Hessen ist; denn das Land Hessen hätte genau so wie das Land WürttembergBaden die Möglichkeit gehabt, innerhalb derselben Zeit Friedensgerichte einzurichten. Unseres Erachtens ist es nicht möglich gewesen, anders als so zu verfahren, zumal da alle Mitglieder des Ausschusses die Auffassung vertreten haben — auch
wenn von einzelnen Herren und Damen dieses Hauses aus Württemberg-Baden die Auffassung vertreten sein sollte, daß die Friedensgerichte eine endgültige Einrichtung sind —, daß die endgültige Regelung dieser Angelegenheit auch für das Land Württemberg-Baden im Rahmen der großen Justizreform erfolgen muß. Wenn man im Rahmen der Beratung und Beschlußfassung über die große Justizreform zu der Einrichtung von Friedensgerichten kommen sollte, dann müssen sich diese Friedensgerichte nach der Auffassung des Ausschusses einheitlich über das ganze Bundesgebiet erstrecken. Eine Ausnahmeregelung soll es nach der Durchführung der großen Justizreform für kein Land mehr geben, weil die Einheitlichkeit des Rechtswesens auch auf diesem Gebiet über allen Sonderwünschen steht.
Meine Damen und Herren, in den Schlußbestimmungen sind weiter keine erwähnenswerten Veränderungen gegenüber dem, was Ihnen die Regierung vorgeschlagen hat, enthalten. Mir selbst obliegt es, lediglich noch darauf hinzuweisen, daß die Schlußbestimmungen, die in Art. 8 des Gesetzes enthalten sind, nicht allein vom Ministerium aufgestellt worden sind, sondern daß der Gesamtausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht drei seiner Mitglieder beauftragt hatte, im Einvernehmen mit den zuständigen Sachbearbeitern des Bundesjustizministeriums festzustellen, ob die Aufhebung von Vorschriften, wie sie Ihnen jetzt vorliegt, notwendig, umfassend und richtig ist. Die Durchführung dieser Aufgabe ist zweifelsohne keine sehr leichte gewesen. Wenn auch der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht Ihnen gegenüber die Verantwortung dafür zu übernehmen hat — und sie auch übernimmt —, daß die Vorschriften in Art. 8 des Gesetzes zutreffend sind, so darf ich sowohl für die Herren Vertreter des Justizministeriums als auch für uns selbst um Nachsicht bitten, wenn sich in Zukunft doch noch herausstellen sollte, daß diese oder jene Vorschrift aufzuheben vergessen worden ist. Es ist bei der Fülle der Bestimmungen, die seit dem Jahre 1933 erlassen worden sind und die seit 1945 die Einheit auf dem Gebiete der Gesetzgebung in Deutschland zersplittert haben, eine fast unmögliche Arbeit, alles das festzustellen, was aufgehoben werden muß.
Meine Damen und Herren! Damit bin ich am Ende meines Berichts. Ich muß um Nachsicht dafür bitten, daß er etwas weniger zusammenhängend als vielleicht die anderen Berichte erstattet worden ist. Ich hatte ursprünglich vor,
um den Bericht so vollkommen zu gestalten, wie es meines Erachtens notwendig ist, sehr viel längere Ausführungen hier zu machen. Das würde wahrscheinlich allein vier bis fünf Stunden gedauert haben. Aber ich hoffe, Sie sind mir dankbar, wenn ich jetzt schließe und auf meinen Platz gehe.
Wir danken dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen eine Mitteilung zu machen. Die für den Europarat gewählten Delegierten und ihre Stellvertreter versammeln sich jetzt im Ausschußzimmer Nr. 10 im Südflügel, um einige technische Dinge zu besprechen.
Meine Damen und Herren, die Frage, wie weiter verfahren werden soll, bedrückt mich. Nach der Vereinbarung, die getroffen worden ist, können wir erst ab 18 Uhr abstimmen. Eine Reihe von Ausschüssen tagt offenbar drüben im Südflügel, andere mehr im Nordflügel, wo sich das Restaurant befindet.
Immerhin ist dieses Embargo für Beschlüsse nur bis 18 Uhr vereinbart. Andererseits: wenn wir jetzt, wie es offenbar vorgesehen war, in eine Debatte eintreten, wird das eine Generaldebatte. Nun sollte man in der zweiten Lesung aus gutem Grund keine Generaldebatte machen. Ich fürchte auf der andern Seite, daß, wenn wir eine Debatte, die als artikliche Debatte gemeint ist, aber zur Generaldebatte wird, eröffnen, wir uferlos debattieren werden. Ich mache Ihnen deswegen folgenden Vorschlag. Ich rufe die einzelnen Artikel auf. Wo ein Abänderungsantrag gestellt ist, möge dieser Antrag begründet werden. Es möge dagegen, es möge dafür gesprochen werden. Wir setzen die Abstimmung jeweils bis 18 Uhr aus und gehen dann zu den nächsten Artikeln über. Auf diese Weise beschränken wir die Aussprache auf die wirklich kontroversen Fälle und haben so die Chance, die Gesamtzeit zu verkürzen. Sind die Damen und Herren damit einverstanden?
— Gut! Dann bitte ich Sie, die Drucksache — —
— Sie sind dagegen? Alle anderen Damen und Herren scheinen dafür gewesen zu sein.
Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß ich etwas vergessen habe. Über den Sitz des Bundesgerichtshofs soll noch berichtet werden. Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Maier das Wort als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Der Herr Generalberichterstatter hat schon darauf aufmerksam gemacht, daß dem Rechtsausschuß oblag, den Sitz des Bundesgerichtshofes zu bestimmen. Die Regierungsvorlage selbst hatte keinen Vorschlag enthalten. Nur in einem frühen Stadium der Verhandlungen im Rechtsausschuß hat der Vertreter des Herrn Justizministers einmal bemerkt, daß Karlsruhe und Kassel geeignete Angebote gemacht hätten. Der Rechtsausschuß hat sich während der ganzen Verhandlungen über die Vorlage nicht mehr mit dem Sitz befaßt, bis am 1. Juni ein Brief des Herrn Bundeskanzlers vorlag, der den Regierungsvorschlag enthielt, Köln zum Sitz des Bundesgerichtshofes zu bestimmen. Inzwischen waren von den Städten Bamberg, Braunschweig, Frankfurt, Göttingen, Hamburg, Karlsruhe, Kassel, Köln, Wetzlar und Wiesbaden Bewerbungen eingegangen.
In zwei Sitzungen hat sich der Rechtsausschuß mit dem Sitz des Bundesgerichtshofes befaßt und dabei sowohl den Ländervertretern als auch den Vertretern der sich bewerbenden Städte ausreichend Gelegenheit gegeben, ihre Bewerbungen näher zu begründen. Um aber zu einem Entschluß zu kommen, sah sich der Rechtsausschuß genötigt, einen Unterausschuß einzusetzen, der eine Anzahl der Städte auszuscheiden hatte, die den vom Rechtsausschuß aufgestellten Richtlinien, als Voraussetzung für den künftigen Bundessitz, nicht entsprachen. In einer Unterausschußsitzung wurden dann die einzelnen Bewerbungen geprüft. Nach dieser Prüfung waren
von den vorhin genannten Städten Karlsruhe, Kassel und Braunschweig übriggeblieben.
Die Richtlinien, die dieser Ausschußberatung zugrunde lagen, beschränkten sich auf acht Punkte, die von jeder der sich bewerbenden Städte erfüllt sein mußten. Einer dieser Punkte bezog sich auf die Raumfrage. In dem vorgesehenen Gebäude sollten mindestens 120 Arbeitsräume, 5 Sitzungssäle, Bibliotheksräume, Registratur usw. vorhanden sein; außerdem sollten alle Räume möglichst in einem Gebäudekomplex vereinigt sein.
Der zweite Punkt enthielt die Forderung, das Gebäude müsse sofort beziehbar sein und dürfe nicht nur als ein Provisorium angesehen werden.
Der dritte Punkt beschäftigte sich mit der Unterbringung von Richtern und Beamten. Es wurden rund 100 Wohnungen gefordert, die sofort beziehbar sein sollten.
Außerdem wurde verlangt, daß für die Bereitstellung von Gebäuden und Wohnungen keine größeren Aufwendungen des Bundes notwendig würden; daß der Bundesgerichtshof entweder in einer Universitätsstadt oder in der Nähe einer Universitätsstadt liegen solle und daß ihm Bibliotheken und andere entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden müßten.
Der Ort sollte nicht außerhalb des politischen und wirtschaftlichen Lebens liegen und — nach dem Grundsatz der Streuung — möglichst ein Ort sein, in dem keine Bundesorgane untergebracht sind.
Endlich wurde gefordert, daß die Verkehrsverhältnisse günstig sein müßten.
Auf Grund dieser Richtlinien blieben, wie gesagt, die drei Ihnen genannten Städte als ernste Bewerber übrig. Dem Rechtsausschuß oblag es nun, von den drei Städten eine auszuwählen, die dann in den Entwurf des Gesetzes aufzunehmen war.
In diesem Stadium der Verhandlungen hat nun die Stadt Köln, obwohl der Unterausschuß übereingekommen war, daß Köln aus den Reihen der Bewerber auszuscheiden sei, weil das angebotene Gebäude nicht den in den Richtlinien niedergelegten Forderungen entsprach, im Ausschuß erneut Vorschläge gemacht und bei dieser Gelegenheit gegen die in Aussicht genommene Stadt Karlsruhe polemisiert. Eine solche Polemik ist nur von dieser Stadt betrieben worden, während sich die anderen Bewerber lediglich darauf beschränkten, dem Ausschuß ihre Vorzüge darzustellen.
Nach dieser Intervention der Stadtverwaltung Köln hatte der Ausschuß noch einmal die Frage der Bewerbung dieser Stadt erneut zur Diskussion gestellt. Aber die Mitglieder des Ausschusses haben einen Antrag eines Ausschußmitglieds, Köln in den Bereich der zur Auswahl stehenden Städte miteinzubeziehen, mit 18 gegen 3 Stimmen abgelehnt, so daß auch die erneute Forderung, Köln als Sitz des Bundesgerichtshofs zu bestimmen, der Ablehnung verfallen war.
Neuerdings hat sich nun der Präsident des Obersten Gerichtes der britischen Zone mit dem Ersuchen an den Ausschuß gewandt, die Gründe, die seitens der Richter dieses Obersten Gerichts der britischen Zone geltend gemacht werden, zu würdigen und die Frage Kölns heute erneut zur Diskussion zu stellen. Wie Ihnen der Herr Generalberichterstatter schon mitteilte, hat der Rechts- und Verfassungsausschuß mit einem Stimmenmehr von 18 bei 4 Enthaltungen die Stadt Karlsruhe als den
Sitz des Bundesgerichtshofs gewählt, nachdem festgestellt war, daß Karlsruhe die in den 8 Punkten der Richtlinien aufgestellten Forderungen erfülle. Der Ausschuß fand sich dabei auch in Übereinstimmung mit dem Vertreter des Herrn Justizministers, der die vorgeschlagenen Gebäudekomplexe in den sich bewerbenden Städten selbst in Augenschein genommen hat und auch seinerseits feststellen konnte, daß in Karlsruhe die Voraussetzungen für den Sitz des Bundesgerichtshofes erfüllt seien.
Ehe der Rechtsausschuß zu dieser Abstimmung kam, hatte er einem Antrage der sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses zufolge darüber zu befinden, ob nicht die Stadt Berlin Priorität vor allen anderen Städten besäße. Die Wahl Berlins wurde von den übrigen Mitgliedern des Ausschusses abgelehnt mit der Begründung, daß schon bei der Festlegung für den Sitz des Reichsgerichts in Leipzig maßgebend gewesen sei, dieses höchste Gericht nicht am Sitz der Bundesorgane zu etablieren. Da Berlin als kommende Bundeshauptstadt vorgesehen ist, mußte man aus logischer Konsequenz auch von Berlin als Sitz des Bundesgerichtshofes Abstand nehmen.
Es blieb also, wie ich Ihnen schon mitteilte, bei dem Beschluß, Karlsruhe in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Der Herr Generalberichterstatter hat die entsprechenden Änderungen und Ergänzungen des Gesetzentwurfs bekanntgegeben, wonach in Art. 1 unter Ziffer 51 der rechten Spalte bei § 123 anstelle des Wortes „unverändert" zu setzen ist „Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe" und § 123 der Anlage 1 zu Drucksache Nr. 1138 „Gerichtsverfassungsgesetz" den Wortlaut erhält „Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe".
Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, entsprechend zu bestimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Wir treten nun in die Einzelberatung ein. Ich bitte Sie, die Drucksache Nr. 1138 zur Hand zu nehmen. Ich rufe artikel-und ziffernweise auf. Wer das Bedürfnis empfindet, zu einer Ziffer das Wort zu ergreifen, den bitte ich, mir dies kundzutun.
Artikel 1 — I 1, — 2, — 3, — 3a. — Hier liegt ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 1238 vor. Es ist ein Abänderungsantrag der Fraktion der SPD. Wer will ihn begründen?
Er soll nicht begründet werden. — Er lautet: § 6 erhält folgende Fassung:
Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Sie treten mit Ablauf des auf die Vollendung des 68. Lebensjahres folgenden Monats in den Ruhestand.
— Keine Begründung.
— Ich habe eben gesagt: Wer das Bedürfnis empfindet, zu einer Ziffer das Wort zu ergreifen, den bitte ich, sich zu melden. — Bitte! Das Wort hat Herr Abgeordneter Wagner.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den Antrag gestellt, der Ihnen vorliegt, daß ein Richter mit Vollendung des 68. Lebensjahres in den Ruhestand treten soll. Wir halten diesen Antrag für erforderlich. Wir haben jetzt zum Teil in den Ländern Bestimmungen, die
eine niedrigere Altersgrenze festsetzen. So haben wir in Rheinland-Pfalz die Bestimmung, daß der Richter mit Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand tritt. Wir halten es für notwendig, ähnlich wie bei den Beamten auch bei den Richtern eine Altersgrenze zu bestimmen. An und für sich waren wir geneigt zu beantragen, genau wie es bei den Beamten gilt, das 65. Lebensjahr als Altersgrenze anzunehmen. Im Hinblick darauf, daß auf Grund der Unterhaltungen mit Vertretern anderer Parteien keine Neigung bestand, die 65-Jahres-Grenze zu akzeptieren, haben wir beantragt, um ein möglichst einheitliches Votum zu bekommen, das 68. Lebensjahr anzunehmen.
Wir bitten Sie, diesem Antrage zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch.
Meine Damen und Herren! Man muß schon sagen, dab der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, der uns hier vorgelegt worden ist, von einer wirklichen Grundsatzlosigkeit zeugt. Ich hatte bei einer fruheren Debatte bereits Gelegenheit, auf einen alten Aufruf der Sozialdemokratischen Partei hinzuweisen, der u. a. auch den N amen des gleichen Herrn trug, dessen Name heute unter dem Abanderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion steht, namlich des Abgeordneten Ollenhauer. In jenem Aufruf im Jahre 1934 wird als eine der Grundlehren der Erfahrungen der Weimarer Republik und ihrer Justiz die Streichung des Grundsatzes der Unabsetzbarkeit der Richter verlangt. Das war eine der wesentlichen Erkenntnisse der Sozialdemokraten in den Konzentrationslagern und in der Emigration. Heute, im Jahre 1950, ist dieser Grundsatz langst vergessen, und man bemüht sich, solch eine wirklich — man muß sagen — lächerliche Einschrankung an dem reaktionären Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter vorzunehmen wie die Fixierung der Altersgrenze auf 68 Jahre. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, mit einem Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion über eine andere Grundsatzfrage zu diskutieren, und er gab mir auf meine Frage, wie sich denn die Entscheidung der Sozialdemokratischen Partei zu einem bestimmten alten Grundsatz der sozialistischen Arbeiterbewegung verhalte, zur Antwort: „Ja, es gibt erstens Grundsätze, und es gibt zweitens eine Parteidisziplin; und in diesem Falle haben wir uns nun einmal für die Parteidisziplin entschieden."
Es ist ein sehr betrübliches Zeichen für die Entwicklung der sozialdemokratischen Fraktion und der Parteiführung, daß man eine Parteidisziplin in den Himmel hebt, die nur basiert auf der Zerschlagung alter sozialistischer Grundsätze der deutschen Arbeiterbewegung. Ich denke, es würde sich wirklich lohnen, statt einen Bericht zu erstatten, wie wir ihn vorhin vom sozialdemokratischen Sprecher über 1 1/2 Stunden lang gehört haben, danach zu fragen, welche Lehren wir heute aus den Erfahrungen der Weimarer Justiz und der Hitler-Justiz zu ziehen haben. Davon war in der 1 1/2-stündigen Rede des Herrn Berichterstatters Dr. Greve keineswegs die Rede. Ich denke, die Erfahrungen aus jener Zeit zeugen davon, daß es ein falsches, ein gefährliches, ein undemokratisches Prinzip ist, der Justiz eine Sonderstellung über dem Staat, über dem Parlament, über dem Volk einzuräumen. Wir haben bekanntlich in der Praxis der Gerichte der Weimarer Zeit genügend erlebt, wie sich die Justiz zum willigen Werkzeug der reaktionärsten Elemente machte und wie sie schließlich darum konsequent auch zum bereitwilligsten Instrument der Hitlersehen Terrorpraxis geworden ist.
Es gibt einen Kontrollratsbeschluß, das Kontrollratsgesetz Nr. 4, in dem verlangt wird, daß alle jene Richter und Staatsanwalte, die wahrend der Nazizeit maßgeblich beteiligt waren an der terroristischen Urteilssprechung, aus den Diensten der Justiz zu verschwinden haben. Dieses Kontrollratsgesetz, das vom Oktober 1945 stammt und unter anderem von Eisenhower mitunterschrieben wurde, ist gröblichst vernachlassigt und mit Füßen getreten worden, sonst ware es nicht möglich, daß 90 % der Richter und der gleichgestellten Staatsanwalte, die unter Hitler ihren Dienst versehen haben, in höheren Funktionen sich auch heute in den Diensten der AdenauerRegierung befinden und sich den N amen einer demokratischen Justiz geben.
Das Prinzip der Unabsetzbarkeit der Richter ist eines der Grundprinzipien der antidemokratischen reaktionären Justiz und muß darum in einer wirklichen demokratischen Ordnung beseitigt werden. Die Tatsache, dab die sozialdemokratische Fraktion sich auch hier im Schlepptau der Rechten des Hauses befindet, beweist, daß sie von ihren alten Grundsatzen abgegangen ist und nichts anderes als Leitmotiv ihres Handelns empfindet als die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen reaktionären antidemokratischen Ordnung unter amerikanischem Kommando.
Gestatten Sie mir, daß ich noch eine Bemerkung zum § 2 Abs. 3 dieses gleichen Artikels 1 mache. In diesem Absatz wird cue Verlängerung der Ausbildungszeit zwischen erster und zweiter Staatsprufung auf mindestens dreieinhalb Jahre verlangt. Besser hatte man auch hier nicht auszudrücken vermocht, wie sehr man sich die Justiz ais Klasseninstrument der reaktionärsten Schichten denkt. Sie haben kein Gefühl fur die Not der jungen Referendare, ebensowenig wie für die Not der übrigen Schichten der Jungakademiker! Es macht Ihnen nichts aus, daß die Absolventen der juristischen Fakultäten keine Aussicht haben, eine ordentliche Stellung zu bekommen. Es macht Ihnen nichts aus, daß darum die ausgebildeten Juristen in den ohnedies überfüllten Rechtsanwaltsberuf gedrängt werden. Hauptsache ist, das Privileg der herrschenden Schichten, das Privileg der Reichen auf die führenden Stellungen der Justiz wird gewährleistet. Ich frage Sie: welcher Arbeitersohn und welche Arbeitertochter kann es sich erlauben, eine siebenjährige Ausbildungszeit bis zur Richterreife aus eigenen Mitteln zu finanzieren?
Niemand kann das. Aber Sie wollen das nicht! Sie wollen, daß Ihre Justiz, die Sie über das Parlament, über die Legislative und Exekutive und isoliert über das Volk stellen, der kleinen Schicht, jener privilegierten Oberschicht angehört, die es seit je vermocht hat, den Staatsapparat zu lenken dm Sinne der großen Herren des Kapitals und der Finanzen. Darum auch hier der Vorschlag auf Erweiterung auf dreieinhalb Jahre Ausbildungszeit zwischen den beiden Prüfungen.
Ich erspare es mir, namens meiner Fraktion Anträge einzubringen,
die eine wirkliche demokratische Regelung dieser Grundfragen der Justiz beinhalten. Es würde bedeuten, vor diesem Forum Anträge zu stellen, über deren Ablehnung Sicherheit besteht, darum, weil Sie nicht wollen, daß die Justiz ein demokratisches
Organ wird. Wir beschränken uns deshalb darauf, diese beiden Artikel abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Herr Justizminister!
Nur ein Wort zu der Frage des Ruhestandsalters der Richter! Der Rechtsausschuß war sich darüber einig, daß diese Frage nicht an dieser Stelle geregelt werden soll, sondern im Richtergesetz. Darum möchte ich die Herren von der SPD bitten, den Antrag nicht aufrechtzuerhalten. Das Richtergesetz steht ja vor der Tür. Wir werden uns hier über dieses Problem im einzelnen unterhalten müssen. Sie wissen, daß wir im vorläufigen Beamtengesetz hinsichtlich der Richter für die oberen Bundesgerichte eine Ausnahme von der Bestimmung über das Ruhestandsalter bis zum Jahre 1952 zugelassen haben. Ich glaube nicht, daß die Bestimmung hier im Gerichtsverfassungsgesetz an der rechten Stelle wäre.
Herr Abgeordneter Wagner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich mit dem kommunistischen Redner auseinanderzusetzen über die Frage der Disziplin in meiner Partei. Wenn ein Kommunist, also ein Angehöriger einer Partei, die nur aus Disziplin selbst und sonst nichts besteht,
einer anderen Partei gegenüber eine Vorlesung
halten wollte, daß ihre Disziplin zu groß sei, so muß
man sagen: da könnte Lächerlichkeit tödlich wirken!
Und nun eine Richtigstellung.
Der kommunistische Redner hat erklärt, daß die Richter unabsetzbar seien. Das ist gar nicht richtig. Im Art. 98 Abs. 2 des Grundgesetzes haben wir das Institut der Richteranklage. Wenn der Herr Abgeordnete, der darüber sprach, sich der Mühe unterziehen will, diesen Absatz 2 nachzulesen, wird er feststellen, daß man die Möglichkeit hat, Richter durch diese Richteranklage in ein anderes Amt oder in den Ruhestand zu versetzen oder im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes auf Entlassung zu erkennen.
Das ist an und für sich für die Bundesrichter vorgesehen. Es heißt aber dann im Abs. 3, daß die Rechtsstellung der Richter in den Ländern durch besondere Landesgesetze zu regeln ist und daß der Bund durch Rahmenvorschriften bestimmen kann, wie diese Regelung erfolgen soll. Das Grundgesetz hat also durch die Einführung dieses Instituts an und für sich die Absetzbarkeit der Richter vorgesehen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen zu betonen, daß ich nicht wünschen möchte, daß überhaupt von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden muß.
Meine Damen und Herren! Wir stellen die Abstimmung über den Abänderungsantrag zurück.
Ich rufe weiter auf Ziffer 4, — 5, — 6, — 7, — 8, —
9, — 10, — 11, — 12, — 13, — 14, — 15, — 16, —
17, — 18, — 19, —Zu Ziffer 20 ist ein Antrag Dr. Weber und Genossen Drucksache Nr. 1228 gestellt:
Ziffer 20 der Drucksache Nr. 1138 erhält folgende Fassung:
„Im § 23 Nr. 1 wird die Streitwertgrenze auf eintausend Deutsche Mark festgesetzt. Nr. 2 Abs. 2 wird gestrichen."
Wer will dazu das Wort ergreifen? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Schneider!
Ich stelle namens meiner Fraktion den gleichen Antrag, wie er hier schon vorliegt:
In § 23 Ziffer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes
wird „zweitausend" durch „eintausend" ersetzt. Herr Präsident, ich überreiche Ihnen den Abänderungsantrag, der in gleichem Inhalt bereits vorliegt und den ich auch mit unterschrieben habe.
Ich bin der Meinung, daß wir das unbedingt tun sollten. Von dem Herrn Berichterstatter Kollege Kiesinger wurde schon eingehend auf den Paragraphen eingegangen. Wir sind der Auffassung, daß bei der Begrenzung der Zuständigkeit des Amtsgerichts diese 1000 DM gerade diese Grenze sind, die wir wählen sollten. Das geschieht nicht im Interesse der Rechtsanwälte, wie hier immer gesagt wird. Ich bin zwar selbst Rechtsanwalt, bin beim Amtsgericht und beim Landgericht, die am gleichen Orte sind, zugelassen. Ich brauche also nicht pro domo zu sprechen. Für mich ist es gleichgültig, ob diese Streitwertgrenze auf 1000 DM oder 2000 DM festgesetzt wird bezüglich der Amtsgerichte. Aber bei objektiver Überlegung stellen 2000 DM heute schon einen Wert dar, der für einen ganz erheblichen Teil der Bevölkerung verhältnismäßig groß ist. Das wollen wir berücksichtigen, wenn wir hier fragen, ob solche Vermögenswerte durch den Einzelrichter oder ein Richterkollegium entschieden werden. Beim Landgericht ist das Richterkollegium da, und sechs Augen sehen mehr als zwei Augen, wie der Herr Berichterstatter Kiesinger schon gesagt hat. Ich kann das nur wiederholen.
Das ist es, was ich zur Begründung des Abänderungsantrages vortragen wollte.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Herr Kollege Ewers!
Darf ich die Herren Abgeordneten, die nicht Juristen sind, noch mit einigen Worten zu den Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners über die Sachlage aufklären! Als unsereiner, der heute 60 Jahre alt ist, in die Praxis eintrat, also vor dem ersten Weltkrieg, war die Zuständigkeitsgrenze des Amtsgerichts 300 Mark. Das wurde bald auf 500 Mark erhöht und ist erst in den Jahren nach 1924 — von der Inflationszeit schweige ich — auf über 500 Mark gestiegen. Sie betrug zuletzt vor dem Ausbruch des Krieges 1939 1000 RM. Es hat bis dahin niemals eine Zeit gegeben, wo die Amtsgerichtszuständigkeit höher als 1000 Mark bemessen war. Die 1500-Mark-Grenze ist erst in einer der ersten Kriegsnotverordnungen eingeführt worden, nicht im Dienste der Rechtspflege, sondern weil man allerdings selbstverständlich Richter spart, wenn man die Zuständigkeit der untersten Instanz möglichst weit gestaltet; eine typische Verordnung im Sinne eines immer totaler werdenden Krieges, der die Rechtspflege als nebensächlich behandelte und sie im Interesse des Kriegsdienstes verschlechterte.
Daß 2000 Mark festgesetzt worden sind, das hat sich niemals ein deutscher Gesetzgeber träumen lassen, das war den Besatzungsmächten im Herbst 1945 vorbehalten, als sie uns eine gewisse eigene
Justiz langsam zu erlauben anfingen. Damals, im Jahre 1945, waren 2000 RM bei einem Schwarzhandelspreis der Zigarette von zunächst 5 Mark — erinnern wir uns kurz — immerhin ein sehr mäßiges Objekt auf dem freien Markt. Mit Lebensmittelkarten, soweit man Zuteilungen bekam, konnte man sich davon noch allerhand kaufen.
Wir können heute aber bei der D-Mark nicht davon ausgehen, daß 2000 DM, ungeachtet aller Kaufkraftminderung für den täglichen Bedarf, im Kapitalsektor nur wenig Geld seien. 2000 DM sind etwa das Objekt eines normalen Erbschaftsprozesses bei einer Familie, die ein kleines Häuschen hat, das unter drei bis vier Geschwistern geteilt werden soll. Dabei geht es also de facto um die Spargroschen einer ganzen Familie, die in erster Instanz vor dem Amtsrichter anhängig gemacht werden sollen und in zweiter und letzter Instanz an das Landgericht gehen würden, das ohnehin überlastet ist, statt in erster Instanz das Landgericht und in zweiter Instanz das für eine gewisse Rechtseinheit sorgende Oberlandesgericht zu beschäftigen. Das ist eine Art der Rechtsgestaltung und Wahrnehmung der Justizaufgaben, die ich für minderwertig halte. Ich sage das ganz offen. Denn das Amtsgericht ist für Zivilsachen nun einmal in unserer Systematik nur für Bagatellsachen zuständig. Nur derjenige, der annimmt, bis zu 2000 DM reiche für den normalen deutschen Staatsbürger heute der Bagatellbegriff, kann dafür eintreten, daß man zum ersten Male in Friedenszeiten in Deutschland die Wertgrenze über 1000 DM hinaus festsetzt.
Ich möchte daher bitten, in der Annahme, daß sich der Ausschuß in diesem einen Punkte, so sehr ich sonst seine Arbeit als vorzüglich und sachlich anerkenne, geirrt hat oder irrigen Vorstellungen hingab, ihm in diesem einen Falle nicht zu folgen, sondern dem zu folgen, was alle, die mit Rechtspflege zu tun haben, für erforderlich halten. Ich betone ausdrücklich: für meinen Herrn Vorredner wie für mich, die wir am Sitze eines Landgerichts als Anwälte praktizieren, ist es selbstverständlich günstiger, wenn Sie 2000 Mark als Grenze nehmen. Dann haben wir nämlich bei den Berufungssachen vor dem Landgericht auch die 2000-DM-Prozesse in zweiter Instanz mit erhöhten Gebühren, während wir nach unserem Antrag die Sachen mit Objekten von 1- bis 2000 Mark an die Oberlandesgerichtsanwälte abgeben müssen. Wir sprechen also de facto gegen unsere eigenen Wirtschaftsinteressen, die hier gar keine Rolle spielen dürfen. Hier handelt es sich allein um die Rechtspflege. Ich möchte das betonen, weil natürlich der normale Staatsbürger nicht wissen kann, wie hoch die Wertgrenzen des Amtsgerichts in der Vergangenheit jeweils festgesetzt waren.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Der Änderungsantrag stellt die Regierungsvorlage wieder her. Ich möchte bitten, dementsprechend zu beschließen. Durch die Veränderung des Streitwertes für die Zuständigkeit der Amtsgerichte im bürgerlichen Rechtsstreit verschiebt sich beinahe die gesamte Struktur unseres Gerichtswesens. Denn die Belastung der Amtsgerichte wird wesentlich größer. Die Landgerichte, die für die bedeutsameren Streitigkeiten auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechtes vorgesehen sind, werden weitgehend entlastet.
Nun ist die Geschäftslage so, daß allgemein die Amtsgerichte überlastet sind. Die Länderjustizverwaltungen waren überwiegend mit mir darin einig, daß wir dahin streben müssen, Rechtsstreitigkeiten von größerer Bedeutung dorthin zu bringen, wo sie nach der Struktur unseres Gerichtswesens behandelt und entschieden werden müssen, nämlich an die Landgerichte.
Die übrigen Argumente sind schon vorgetragen. Zusätzlich nur noch eines. Wir haben die Revisionsmöglichkeit in unserem Entwurf erweitert. Das Oberlandesgericht kann bei jedem Rechtsstreit die Revision zum Bundesgerichtshof zulassen. Es ist also eine erhebliche Garantie für eine bessere und sorgfältigere Behandlung eines Rechtsstreites gegeben, wenn die Zuständigkeit beim Landgericht liegt. Alle maßgebenden Wirtschaftsverbände, auch sämtliche Anwaltskammervorstände haben sich dafür ausgesprochen, den Streitwert für die Zuständigkeitsgrenze der Amtsgerichte auf 1000 Mark festzulegen.
Keine weitere Wortmeldung.
Ich fahre fort im Aufruf: Ziffer 21, — 22, — 23, — 24, — 25, — und nunmehr paragraphenweise: § 28, — § 29, — § 30, — § 31, — § 32, — § 33, —§ 34.
Dazu hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.
Meine Damen und Herren! Ich habe einen weiteren Abänderungsantrag zu stellen, den ich aber nur sachlich zusammenhängend stellen kann, weil er auch andere Teile der Vorlage, die wir heute zu behandeln haben, berührt. Es handelt sich bei diesem Antrag um den Begriff des Staatsoberhauptes eines deutschen Landes. Die Herren Berichterstatter, und zwar gerade der Herr Kollege Greve, aber auch Herr Kollege Kiesinger, sind darauf eingegangen. Wir waren jedenfalls im Rechtsausschuß und auch in den Unterausschüssen, auch in dem Ausschuß, in dem mitzuarbeiten ich die Ehre hatte, überwiegend der Auffassung, daß es zur Zeit ein Staatsoberhaupt eines deutschen Landes innerhalb des Bundesgebietes nicht gibt.
— Zur Zeit, das habe ich ja betont! Da das auch die richtige Auffassung ist, sehe ich mit meiner Fraktion nicht ein, daß wir hier einen Begriff gesetzgeberisch normieren, der tatbestandsmäßig überhaupt nicht irgendwie ausgefüllt werden kann, es sei denn, daß wir schon auf die erstrebte bayerische Restaurierung Rücksicht nehmen und den Begriff extra für diesen Zweck schaffen.
Meine Fraktion beantragt deshalb:
1. In § 34 Abs. 1 Ziffer 1 GVG werden die Worte „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" gestrichen.
Ich darf dann vielleicht noch die anderen Abänderungsanträge verlesen, weil diese sich aus dem ersten Antrag logischerweise ergeben:
2. In den §§ 219 Abs. 2 und 375 Abs. 2 ZPO werden die Worte „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" gestrichen und „sind" durch „ist" ersetzt.
3. In § 376 Abs. 4 ZPO werden die Worte „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" gestrichen und „können" durch „kann" ersetzt.
4. In § 479 Abs. 2 ZPO werden die Worte „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" gestrichen und „leisten" durch „leistet" sowie „ihrer" durch „seiner" ersetzt.
5. In § 49 StPO werden in Satz 1 die Worte „das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" gestrichen und „sind" durch „ist" sowie „ihrer" durch „seiner" ersetzt. In Satz 2 werden die Worte „werden sie" ersetzt durch „wird er". In Satz 3 wird „ihre" durch „seine" ersetzt.
6. In § 54 Abs. 3 StPO werden die Worte „das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" gestrichen und „können" durch „kann" ersetzt.
Ich muß diesen Abänderungsantrag im Zusammenhang stellen, da er sich materiell nicht auseinanderziehen läßt.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich bei Aufruf der einzelnen Paragraphen melden würden.
Das Wort hierzu hat der Abgeordnete Dr. Etzel .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die verfassungsrechtlichen Ausführungen, die hier zur Begründung des Antrags gemacht worden sind, kann ich nicht anerkennen. Nach dem Grundgesetz ist es durchaus möglich, daß in den einzelnen Ländern des Bundes Staatsoberhäupter bestehen, und zwar nicht Staatsoberhäupter oder Staatspräsidenten, die in Wahrheit nur Ministerpräsidenten sind, sondern echte Oberhäupter eines deutschen Staates innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Der Art. 28 des Grundgesetzes läßt für eine solche Möglichkeit vollen Raum.
Im Interesse einer klaren Scheidung der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten und Befugnisse halten es meine Partei und meine Fraktion und mit uns viele andere Gesinnungsfreunde in Bayern für unbedingt notwendig, die Gewaltenteilung reinlich und sauber durchzuführen. Die Ministerpräsidenten der einzelnen deutschen Länder sind heute nicht nur die geschäftsleitenden Direktoren der Regierungen, die présidents du conseil, sie sind auch Kanzler in dem Sinne, daß sie die Richtlinien der Politik bestimmen. Sie haben aber außerdem durchaus oberhauptliche Befugnisse, die sich vor allem in der Pflicht und der Befugnis der Unterzeichnung und Ausfertigung der Gesetze, in der Ausübung des Begnadigungsrechtes und im Abschluß von Staatsverträgen äußern, die zweifellos im Rahmen des Grundgesetzes noch in einem gewissen Ausmaß den Ländern möglich sind.
Wir haben bereits im Jahre 1946 in Bayern erlebt, daß mit einer einzigen Stimme — sie gehörte einem Nichtbayern oder einer Nichtbayerin - die Einrichtung des Staatspräsidenten in Bayern abgelehnt worden ist. Diese eine Stimme ist inzwischen längst in ihre Heimat an den Rhein zurückgekehrt.
Wir sollten nicht einer künftigen neuzeitlichen Entwicklung und einer lebendigen Ausgestaltung der Bundesrepublik Deutschland den Weg verbauen, indem wir verfassungsrechtlich die unrichtige Feststellung treffen, daß es keine Staatsoberhäupter in den einzelnen Ländern des Bundes geben könne. Wir sind der Meinung, daß die präsidentiellen, d. h. ministerpräsidentiellen Aufgaben, Befugnisse und Geschäfte von denen eines Staatsoberhauptes in Zukunft zu trennen sind, und wir glauben, daß der Bund durchaus nicht Schaden leidet, sondern nur gewinnen kann, wenn die einzelnen deutschen Länder auch eine volle staatsrechtliche Persönlichkeit innerhalb des Bundes darstellen. Es ziemt den einzelnen Ländern, die sich freiwillig dem Bunde angeschlossen, besser, die den Bund kreiert haben — sie sind ja seine Träger, seine Mitglieder —, daß diese Völker, diese Länder in die Lage kommen, sich ein solches Oberhaupt in Zukunft zu geben. Wir sind durchaus der Meinung, daß sich in Bayern, käme es zu einer Volksabstimmung über diese verfassungsrechtliche Grundfrage, eine überwältigende Mehrheit für die verfassungsrechtliche Schaffung des Amtes eines Staatsoberhauptes als eines Zentrums der Sauberkeit, als eines Rocher de bronze aussprechen würde.
Daher wenden wir uns mit aller Entschiedenheit
gegen den soeben eingebrachten Antrag.
Das Wort hat Herr Abgeordneter von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich in tiefgründigen verfassungsrechtlichen Darlegungen zu verlieren, möchte aber den Wunsch meiner Fraktion zum Ausdruck bringen, daß dem Antrag auf Streichung des Begriffes „Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" nicht stattgegeben werde. Die Frage, die damit in einem Gesetz für Theorie und Praxis präjudiziert werden sollte, ist noch keineswegs soweit geklärt, daß man eine solche Entscheidung treffen könnte. Man kann darüber streiten, ob es nach dem gegenwärtigen Grundgesetz oder nach den Länder-Verfassungen Staatsoberhäupter eines deutschen Landes gibt oder geben kann. Die verfassungsrechtliche Entwicklung ist dahin gegangen, daß die Rechte des Staatsoberhauptes und die Rechte des Regierungschefs in einer Person zusammengeflossen sind. Meine Fraktion und meine Freunde halten es für ein Zuviel und für etwas Unnötiges, durch Streichung dieses Begriffes in diesem Gesetz irgendeine Meinungsäußerung kundzutun. Sie halten es für nützlich, auch im Hinblick auf eine künftige Entwicklung der Landesverfassungen, hierdurch ein Bundesgesetz nicht zu präjudizieren und den Begriff stehenzulassen. Denn die Streitfrage — ich wiederhole —, ob der Begriff des Staatsoberhauptes wirklich für alle Landesverfassungen gegenstandslos geworden ist, ist noch durchaus offen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Meine Damen und Herren! Ich wundere mich über den Anlaß, diese Frage hier aufzurollen. Im Ausschuß ist davon, diese Worte zu ändern, nicht gesprochen worden. Aber nachdem einmal die Frage aufgerollt ist, muß zu ihr Stellung genommen werden. Wir sind Bundesstaat, wir sind eine Vereinigung von Staaten in einem höheren Verband, dem Bundesstaat, aber es sind Staaten, die diesen Bund zusammenfügen, und es ist vom Standpunkt des Grundgesetzes aus jedem einzelnen dieser Staaten überlassen, ob er ein förmliches Staatsoberhaupt schaffen will oder nicht. Daß wir zur
Zeit nur Ministerpräsidenten haben, beweist gar nichts.
Es ist von einem der Herren Vorredner bereits betont worden, daß in einem der Länder ein Staatspräsident gefordert wird. Er ist jedenfalls bundesrechtlich durchaus zulässig, und dieser Zulässigkeit muß Rechnung getragen werden. Die Streichung hätte — und das will ganz gewiß nicht hier ausgesprochen werden — höchstens eine Bedeutung, nämlich die Zulässigkeit der Schaffung eines Staatsoberhauptes zu verneinen, und dagegen müßte nachdrücklich Verwahrung eingelegt werden.
Keine weiteren Wortmeldungen? —
Der Abgeordnete Loritz!
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Beratung dieses Entwurfs dient anderen Zwecken, als komplizierte staatsrechtliche Fragen hier zu lösen. Unsere Fraktion ist deshalb nicht in der Lage, einer Streichung des Wortes „Staatsoberhaupt" ihre Zustimmung zu geben.
— Darum dreht es sich hier nicht, Herr Zwischenrufer, es dreht sich lediglich darum, was in der Bundesverfassung drinnen steht, und danach müssen wir uns richten, und der Bundestag ist nicht in der Lage, die Bundesverfassung hier einfach dadurch irgendwie abzuändern. Ich wiederhole deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie diesen Antrag auf Streichung unterstützen würden, tragen Sie hier nicht staatsrechtliche Fragen herein in zivilrechtliche und strafprozessuale Angelegenheiten!
§ 35, — § 36. — Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Die vorliegende Fassung bedeutet gegenüber dem jetzigen Zustand zweifellos eine Verschlechterung. Man muß in dieser neuen Fassung eine Parallele zu dem Versuch der Abänderung des Wahlrechts in fast sämtlichen Ländern des Bundesstaates sehen. Überall in diesen Ländern wird gegenwärtig der Versuch gemacht, das ursprünglich bestehende Verhältniswahlrecht umzuwandeln in ein Mehrheitswahlrecht. Die Absicht, die mit diesen Versuchen verfolgt wird, ist klar, nämlich den reaktionären Kräften auch in den Landtagen eine unberechtigte Mehrheit zu verschaffen, mit der sie die Länder nach dem System von Bonn gleichschalten können.
In diesem § 36 wird versucht, dasselbe Prinzip auf die Zusammensetzung der Schöffengerichte in Anwendung zu bringen. Bisher war es den Parteien vorbehalten, ihre Vorschläge für die Zusammenstellung der Schöffenlisten einzureichen. Von dieser Regelung wird hier offensichtlich Abstand genommen, und statt dessen wird für die Aufnahme in die Liste der Schöffen die Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder verlangt. Dies ist zweifellos eine beabsichtigte Vergewaltigung der Minderheiten in den Gemeinden und der Versuch, Angehörige der politischen Minderheiten in den Gemeinden von der Teilnahme an den Schöffengerichten auszuschalten. Meine Fraktion verlangt darum die Einschaltung der Worte „auf Vorschlag der Parteien" hinter den Worten: „die Gemeinde stellt". Außerdem schlagen wir vor, den folgenden Satz zu streichen. Er lautet:
Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung erforderlich.
Dementsprechend beantragen wir — um das gleich vorwegzunehmen, weil es zusammengehört — eine Änderung in § 42, und zwar soll demnach der erste Satz lauten:
Aus der berichtigten Vorschlagsliste wählt der
Ausschuß nach dem Grundsatz der Verhältniswahl für die nächsten zwei Geschäftsjahre: Auch hier werden also die Worte „mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen" gestrichen und eingefügt: „nach dem Grundsatz der Verhältniswahl".
Keine weiteren Wortmeldungen? —§ 37, — § 38, — 39, — 40, — 41, — 42 mit dem eben angekündigten Abänderungsantrag der kommunistischen Fraktion, — 43, — 44, — 45, — 46,
—47, — 48, — 49, — 50, — 51, — 52, — 53, — 54,
— 55, — 56, — 57, — 58. Damit ist die Ziffer 25 erschöpft.
Ziffer 26, — 27, — 28, — 29, — 30.
Nunmehr wieder paragraphenweise: § 63, — 64,
—65, — 66, — 67, — 68, — 69, — 70.
Ziffer 31, — 32, — 33, — 34, — 35, — 36, — 37,—
38, — 39.
Meine Damen und Herren! Ich mache Ihnen den Vorschlag, da es 5 Minuten über 18 Uhr ist, nunmehr die zurückgestellten Abstimmungen nachzuholen und künftig unmittelbar, wenn eine Abstimmung ansteht, abzustimmen.
— Doch, das Haus ist voll besetzt.
Sind Sie einverstanden? — Ich schlage Ihnen vor, daß wir zu einer gesonderten Abstimmung nur bei den Abänderungsanträgen schreiten und daß wir sonst bei den Paragraphen, die ich verlesen habe, uns darauf beschränken, im ganzen des bisher Verlesenen mit Ja oder mit Nein zu stimmen. Sind Sie einverstanden?
Dann wäre zunächst abzustimmen über den Abänderungsantrag der SPD, Drucksache Nr. 1238 zu Ziffer 3a. Es handelt sich um die Altersgrenze der Richter. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der nächste Abänderungsantrag bezieht sich auf Seite 6, Ziffer 20, und zwar handelt es sich um die Streitwertfestsetzung. Der Abänderungsantrag lautet:
In § 23 Nr. 1 wird die Streitwertgrenze auf eintausend Deutsche Mark festgesetzt. Nr. 2 Abs. 2 wird gestrichen.
Das ist der Antrag auf Drucksache Nr. 1228. In der neuen Fassung hat der Antrag noch keine Nummer. Es ist der eben übergebene Antrag der Abgeordneten Dr. Schneider, Dr. Schäfer und Genossen. Wer für diesen Abänderungsantrag ist — die beiden Anträge stimmen wörtlich überein —, den bitte
ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das
erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Der nächste Abänderungsantrag ist zu § 34 gestellt und lautet:
In § 34 Abs. 1 Ziffer 1 GVG werden die Worte „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" gestrichen.
Wer für die Streichung dieser Worte ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Die Worte: „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" sind also gestrichen.
Der nächste Abänderungsantrag bezieht sich auf § 36. Herr Kollege Fisch, Sie haben Ihren Antrag nicht schriftlich überreicht.
— Nein, nach der Geschäftsordnung müssen Sie den Antrag schriftlich überreichen.
— Wir stellen die Abstimmung noch zurück. Ebenso die Abstimmung zu § 42.
Damit sind die Abänderungsanträge, die gestellt worden sind, bis auf den soeben zurückgestellten Abänderungsantrag zu § 36 und § 42 erledigt.
Meine Damen und Herren! Ich bitte nun diejenigen, die für die bisher verlesenen Ziffern und Paragraphen sind, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Diese Ziffern und Paragraphen sind damit angenommen.
Ich bitte, mir zu gestatten, künftig ebenso zu verfahren, nur dort eine besondere Abstimmung vorzunehmen, wo ein Abänderungsantrag vorliegt, und sonst jeweils die Ziffern bis zum nächsten Abänderungsantrag lediglich aufzurufen.
Wir kommen zu Ziffer 40. Hier ist ein Antrag
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe weiter auf die Ziffern 41, — 42, — 43, — 44, — 45, — 46, — 47, — 48, — 49, — 50. — Wer für die bisher verlesenen Ziffern ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun kommen wir zu Ziffer 51. — Hierzu liegt ein Abänderungsantrag vor. Es handelt sich um die Frage des Sitzes des Bundesgerichtshofes. Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion beantrage ich, die Beratung und Abstimmung über § 123, d. h. über die Frage des Sitzes des Bundesgerichtshofs, mit Rücksicht darauf, daß eine ganze Reihe von Abänderungsanträgen vorliegen, die keine Systematik erkennen lassen, bis zur dritten Lesung zurückzustellen bzw. diesen Punkt auszuklammern.
Wünscht jemand zu diesem Antrag das Wort? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag des Herrn Kollegen Dr. von Merkatz abzulehnen. Es ist geschäftsordnungsmäßig gar nicht möglich, die zweite Lesung unvollständig zu lassen und eine so wesentliche Frage in der Form zu erledigen, daß im Gesetz Punkte stehen bleiben. Wir müssen über die Abänderungsanträge abstimmen. Im übrigen besteht andernfalls auch die Gefahr, daß sich in der dritten Lesung eine Zufallsmehrheit für das eine oder andere ergibt, während wir in der zweiten Lesung sehr viel besser übersehen können, wie sich diese Fragen verhalten.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Geschäftsordnung halte ich es durchaus für möglich, daß dieser Punkt aus der zweiten Lesung ausgeklammert wird. Ich habe mit Absicht diesen Ausdruck gewählt. Es wären dann bei der dritten Lesung zu diesem Punkt die zweite und dritte Lesung nachzuholen. Das ist vernünftigerweise möglich, und dieser Weg sollte hier gegangen werden; denn gerade bei dem Vorliegen so vieler Abänderungsanträge besteht — das möchte ich meinem Herrn Vorredner erwidern — die Gefahr einer Zufallsmehrheit. Es bedarf noch einer gewissen Abklärung dieses Punktes.
Ich lasse über den Antrag abstimmen. Es bestehen zwar an sich Bedenken, ob man auf Grund der Geschäftsordnung so verfahren kann; denn logischerweise kann man mit der dritten Lesung erst beginnen, wenn die zweite Lesung abgeschlossen ist. Da zwischen zweiter und dritter Lesung ein Tag liegen kann oder soll, sehe ich nicht gut, wie man nach diesem Antrag verfahren könnte. Aber ich lasse abstimmen.
— Ich habe gesagt, daß nach meiner Meinung gegen diesen Antrag geschäftsordnungsmäßige Bedenken bestehen.
Man kann die dritte Lesung nicht gut abhalten, ehe die zweite Lesung völlig abgeschlossen ist.
Wenn wir also diesen Punkt jetzt nicht bescheiden, müssen wir am nächsten Tag eine zweite Lesung über diesen Punkt abhalten. Erst dann kann man zur dritten Lesung schreiten.
Das bedeutet, daß wir so die zweite Lesung dieser Vorlage heute nicht zum Abschluß bringen können. Ob man das Ausklammern nennt oder Herübernahme in die dritte Lesung, ist eine Sache der Terminologie. Aber ich stelle den Antrag mit dieser Interpretation zur Abstimmung. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
Für den Antrag des Herrn Dr. von Merkatz! — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, der Vorschlag des Rechtsausschusses zu § 123 lautet:
Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe.
Nun liegt eine Reihe von Abänderungsanträgen vor. Ein Antrag Dr. Pünder und Genossen auf Drucksache Nr. 1221 besagt:
Sitz des Bundesgerichtshofes ist Köln.
Ein Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 1237 lautet:
Sitz des Bundesgerichtshofes ist Berlin.
Die Bayernpartei beantragt auf Drucksache Nr. 1240:
Sitz des Bundesgerichtshofes ist Bamberg. Diese Abänderungsanträge zu dem Antrag des Ausschusses sind vorher zu behandeln. Das altbewährte Rezept, zuerst den weitestgehenden Antrag zur Abstimmung zu bringen, ist leider hier nicht anwendbar.
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir nach dem Alphabet vorgehen.
Herr Abgeordneter Ewers hatte sich zum Wort gemeldet. Ich hatte das vorhin nicht gesehen. Herr Abgeordneter Ewers, wollen Sie zu diesem Punkt das Wort ergreifen?
— Offenbar ist die Lautsprecheranlage nicht in Ordnung. Ich spreche wirklich nach Kräften. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage des Sitzes des Obersten Bundesgerichtes ebenso wie die Frage. wo die übrigen obersten Bundesbehörden in Zukunft ihren Sitz haben sollen, ist deshalb in eine etwas sonderbare Situation geraten, weil unsere verehrte Bundesregierung in diesem Punkte leider jede Führung hat vermissen lassen.
Ich bin soweit mit der verehrten Opposition völlig einer Meinung, wie ich für meine Person betonen darf. Ich habe auch rechtliche Bedenken, ob es überhaupt zulässig ist, daß die Bundesregierung in einer Gesetzesvorlage Punkte einsetzt, bei denen eine materielle Entscheidung zu fällen ist. Das ist nur dort am Platz, wo etwas Formales einzutragen ist, wie das Datum eines Gesetzes, das noch nicht festliegt. Wo materielle Entscheidungen zu treffen sind, hat die Bundesregierung dem Parlament einen Gesetzesvorschlag vorzulegen.
Das hat sie in der Vorlage versäumt, versäumt vor dem Bundesrat und versäumt im Ausschuß bis in das letzte Stadium hinein. Dadurch ist es gekommen, daß sich der Ausschuß, wie überall, auch hier, sehr intensiv und sehr genau arbeitend, um jedem landschaftlichen Ehrgeiz nach der Melodie „Preisend mit viel schönen Reden" vorzubeugen, sich selbst objektive Grundsätze, allerdings nur für diesen Bundesgerichtshof, erarbeitet hat und daß dann auf Grund dieser selbst erarbeiteten Grundsätze Städte mit mehr oder weniger Chancen festgelegt wurden, so daß sich aus der Vielzahl der angemeldeten Bewerber zuletzt die drei Städte Braunschweig, Kassel und Karlsruhe herauskristallisiert haben, wobei Karlsruhe dann auf Grund von Erwägungen, die hier keine Rolle spielen, als Sieger im Ausschußplenum zuletzt hervorging. Daher der Vorschlag des Ausschusses.
Bei diesen Grundsätzen spielten zwei Fragen insbesondere eine Rolle, über die man sich im Ausschuß gewisse Gedanken gemacht hat. Die eine Forderung ist die, daß der Ort eine Universitätsstadt oder eine Stadt sein soll, die einer Universität möglichst benachbart ist. Die andere Forderung — es ist Punkt 6 der Grundsätze — ist die, daß der Ort ein Ort mit einem gewissen wirtschaftlichen und geistigen Leben sein muß, so daß die Verbindung des Gerichts zu dem Leben der Rechtsuchenden nicht abreißt. Wir haben im Ausschuß — ich habe an seinen Sitzungen nur teilweise teilgenommen — alle die Meinung gehabt, diese Anforderungen träfen nach der Ansicht aller maßgeblichen Kreise sowohl für Braunschweig wie für Kassel wie auch für Karlsruhe cum grano salis zu.
Es hat sich nun aber für mich ganz überraschend folgendes ergeben: Gestern waren die Abgesandten des Präsidenten des vorläufigen Obergerichts in der britischen Zone hier in Bonn und haben ihre Auffassungen dargelegt, insbesondere darüber, welche Voraussetzungen nach der Meinung der Gerichtsangehörigen für einen möglichen Sitz des Bundesgerichtshofes gegeben sein müßten. Sie haben dabei dargestellt, daß sie — insbesondere die älteren Herren Anwälte beim Obergericht, die schon seit Jahrzehnten auch in Leipzig beim Reichsgericht tätig waren — vielfache Erfahrungen darüber hätten, wie die Stadt etwa beschaffen sein müßte, in der das höchste Gericht im Geiste des Reichsgerichts in Leipzig in der Lage wäre, von sehr hoher Warte aus das Recht fortzuentwickeln und zu vereinheitlichen. Es hat sich dabei ergeben, daß die „Nähe" einer Universität nicht gegeben ist, wenn sie etwa 50 km entfernt ist, also vielleicht mit dem Auto unschwer zu erreichen wäre; denn der persönliche Verkehr ist den Richtern und den meisten Anwälten nicht möglich, weil sie kein Auto zur Verfügung haben und Dienstwagen für solche persönlichen Fühlungnahmen nicht gestellt werden. Es hat sich ergeben, daß die Nähe einer Universitätsbibliothek in einer benachbarten Stadt nicht ausreicht, weil man erst beim Studium in der Bibliothek selbst die ganze Fülle des Materials übersehen kann, das man in einer bestimmten Rechtsfrage braucht.
— Nein, wir sind in der Debatte zu dem Punkt der Vorlage. Es ist keine Rede von Abstimmung. Ich spreche hier zu Ziffer 51.
Ich möchte zur Klärung feststellen, daß ich lediglich die vorliegenden Abänderungsanträge verlesen habe.
Erst kommt die Debatte, in der Begründungen zu den Anträgen im einzelnen vorgetragen werden können.
Ich stelle nun also fest, daß die Ausschußmitglieder mangels Unterrichtung durch die Bundesregierung über die offenbar notwendige Beschaffenheit des zu bestimmenden Sitzes nicht im Bilde sind. Es fragt sich nun. welche Konsequenzen zu ziehen sind. Die Herren des Gerichts erklären, daß für sie nur eine Leipzig vergleichbare Stadt der Bundesrepublik in Frage kommen kann. Leipzig kommt als Sitz des Bundesgerichtshofes leider nicht in Betracht. Bonn als vorläufiger Sitz der Bundesregierung scheidet für diesen Zweck aus. Berlin als künftiger Sitz der Bundesregierung scheidet an sich nach der Meinung der Herren Gerichtsangehörigen, die ich hier nur referiere, auch aus. Sie haben erklärt, es gebe unter diesen Umständen im Bereich des Grundgesetzes nur vier Städte, nämlich München, Frankfurt, Köln und Hamburg, die ihrer Größe und Bedeutung nach als Sitz in Betracht kämen, indem sie einmal ein bestimmtes kulturell gefärbtes und wirtschaftlich abgestelltes Eigenleben zeigen und damit den Richtern Fühlungnahme zu einem solchen Leben
ermöglichen und weil sie zum anderen Sitz berühmter Universitäten mit zum größten Teil vollständigen Bibliotheken seien und damit die Fühlung zur Wissenschaft, und zwar die persönliche Fühlungnahme — nicht nur durch amtliche Zeitschriften — zu pflegen ermöglichen. Sie könnten sich im Sinne der Fortentwicklung des Rechts, ihrer vornehmen Aufgabe, an einem Platze wie Braunschweig. Karlsruhe oder Kassel nicht wohlfühlen, weil dort die Voraussetzungen für das, was für führende Juristen notwendig ist, einfach schlechterdings nicht gegeben sei.
Wir müssen im Bundestag bei der Stadt, die wir auswählen, auch in Betracht ziehen, ob sich das Gericht in ihr wohlfühlt. Ich gehe nun davon aus, daß für Köln — die Herren, die für Köln sind, sollen das Wort haben und die Vorzüge, die sicherlich vorhanden sind. schildern; ich will von meinem Standpunkt aus nichts gegen Köln gesagt haben —, wie die Dinge einmal gelaufen sind und wie sie sie die verehrte Bundesregierung hat „schlieren" lassen, kaum eine greifbare Aussicht vorhanden ist.
Die Herren haben mir dann erklärt, daß ihnen München, Frankfurt und Hamburg gleich lieb seien, am liebsten aber Hamburg, weil die weit überwiegende Zahl von Fällen beim Reichsgericht — ich glaube zwischen 2/3 und 3/4 aller Fälle — aus dem norddeutschen Gebiet, nämlich aus NordrheinWestfalen, Niedersachsen und den Hansestädten kam. Die Rechtsuchenden befinden sich also vorwiegend in dem Bereicht von Hamburg, was bei Beurteilung der Verkehrslage eine gewisse Rolle spielt.
So komme ich zu dem Ergebnis, daß, wenn Frankfurt sich nicht bewerben will — es hat sozusagen aufgegeben —, wenn Köln aus politischen Gründen ausscheidet, man nur zwischen München und Hamburg wählen dürfte. München hat nun schon zwei oberste Bundesbehörden, nämlich den Bundesfinanzhof und das Bundespatentamt. Ich möchte meinen, wenn man der „Streuung" Rechnung tragen will, von der in Punkt 10 der Ausschußrichtlinien die Rede ist, kann man nicht auch noch den Bundesgerichtshof nach München verlegen. Ich bin daher der Ansicht, daß man letzten Endes auf Hamburg abkommen muß, wenn dort die technisch-materiellen Voraussetzungen der Richtlinien gegeben sein sollten. Leider ist ein Hamburger Bundesratsvertreter hier nicht anwesend. Ich habe mich mit dem Vertreter von Hamburg in Verbindung gesetzt und möchte hier — für meine Person mit allem Vorbehalt — folgendes erklären; ich betone dabei ausdrücklich, daß ich hier kein- Hamburger Interessen vertrete; ich bin zwar als Referendar und Assessor in Hamburg ausgebildet worden und verehre Hamburg als die große Hansestadt im Norden. Ich habe aber keine Vollmacht, Hamburg zu vertreten, möchte also nur referieren, daß man von Hamburg aus folgendes erklärt: Man ist bereit, das völlig intakte Oberlandesgerichtsgebäude, das, glaube ich, nur irgendwo eine Bombenschramme abbekommen hat, zur Verfügung zu stellen. Das Oberlandesgericht selbst zieht dann in die Räume des früheren Zonenjustizamtes zurück. Was die Zahl der Wohnungen angeht — es handelt sich übrigens nicht um 400, wie der Herr Kollege Maier gesagt hat, sondern um 80 bis 120 Wohnungen; insoweit liegt ein Irrtum vor, bei „400" handelt es sich um eine Zahl in anderem Zusammenhang —, so sind 80 bis 120 Wohnungen in einer Millionenstadt wie Hamburg mit einer ungeheuren Baukapazität kein besonderes Problem. Wie sehr in Hamburg heute gebaut wird, weiß jeder, der einmal durch Hamburg gefahren ist. Die benötigten Wohnungen könnten in Hamburg jedenfalls rascher und bequemer und in besserer Auswahl als in jeder anderen Stadt gestellt werden. Das gebe ich hier ohne besonderen Auftrag und ohne Obligo für mich wieder. Es ist bedauerlich, daß man die genauen Daten nicht zur Stelle hat. Ich habe daher für den Antrag meiner Fraktion Verständnis gehabt, die Beratung auszusetzen.
Ich habe nunmehr den Antrag zu stellen, daß der § 123 GVG den Wortlaut bekommt:
„Sitz des Bundesgerichtshofes ist Hamburg".
Ich weiß nun nicht, wie abgestimmt werden soll. Meines Erachtens muß, da es hier „weitergehende" Anträge nicht gibt, in der Reihenfolge der Einbringung der Anträge abgestimmt werden. zuletzt natürlich über den Ausschuß-Antrag auf Wahl von Karlsruhe. Aber das ist eine Frage, die das Präsidium entscheiden muß.
— Der Antrag Hamburg ist in gar keiner Weise am „weitestgehenden". Es ist der zuletzt gestellte Antrag.
Will jemand das Wort zur Geschäftsordnung haben?
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Oellers.
Meine Damen und Herren! Ich kann mir nichts davon versprechen, daß nun „preisend mit viel schönen Reden" jedes Land durch seine Abgeordneten seine eigene Stadt anpreist. Wir sollten uns dahin verständigen, daß nur die Anträge, und zwar ohne Begründung, eingereicht werden. Dann brauchen wir uns nur noch über den Wahlmodus zu unterhalten. Ich schlage vor, das wie bei einer Personenwahl zu regeln. Die sämtlichen Anträge werden den Abgeordneten vorgetragen. Jeder hat seinen Stimmzettel. Dann wird nachher zwischen den drei Städten. die die meisten Stimmen bekommen haben, eine Stichwahl vorgenommen. Fällt bei dieser Stichwahl die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf eine dieser Städte, ist die Geschichte in Ordnung. Wenn nicht, muß man zwischen den beiden meist votierten Städten noch einmal eine Stichwahl machen. Mit diesem Verfahren sind wir in 20 Minuten fertig. Sonst können wir bis in die späte Nacht hinein sitzen, insbesondere wenn wir für jeden Vorschlag eine eingehende Begründung anhören sollen.
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Sind Sie damit einverstanden?
— Ich bitte, mich ausreden zu lassen. — Sind Sie mit dem ersten Teil des Vorschlages einverstanden, daß man sich damit begnügt, die Anträge einzubringen, und daß man nicht dazu übergeht, hier einen kleinen Baedecker zu den einzelnen Städten zu sprechen? Ich bitte die Damen und Herren, die damit einverstanden sind, die Hand zu erheben. —
Gegenprobe! — Dann ist so beschlossen.
Zur Geschäftsordnung Herr Dr. Seelos!
— Wir haben schon abgestimmt.
Es ist ein weiterer Antrag eingekommen:
Sitz des Bundesgerichtshofes ist Frankfurt/Main. Zur Orientierung des Hauses darf ich mitteilen, daß der Ausschußantrag mit Karlsruhe und Abänderungsanträge mit Köln, Berlin, Bamberg, Hamburg, Frankfurt am Main und Braunschweig vorliegen. Nun ist die Frage, nach welchem Modus hier gewählt werden soll.
Zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Gengler das Wort.
Der vorhin gemachte Vorschlag, mit Stimmzetteln abzustimmen, ist nach unserer Geschäftsordnung nicht durchführbar. Ich muß feststellen, daß gemäß einem Beschluß der Mehrheit des Hauses die geheime Abstimmung aus unserer Geschäftsordnung verschwunden ist.
Ich sehe geschäftsordnungsmäßig nur zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist die, daß wir in der Nummernfolge abstimmen, wie die Anträge eingelaufen sind.
— Ich glaube, Herr Kollege Oellers, zum Schluß wird eine übrigbleiben. Das wäre wohl der Weg, den wir gehen müßten. Im andern Falle könnten wir nach dem Abc der beantragten Städte abstimmen.
— Ich halte es für richtig, daß wir gemäß der Nummernfolge der Abänderungsanträge abstimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Oellers zur Geschäftsordnung.
Ich habe mit dem Stimmzettel keineswegs für eine geheime Wahl plädieren wollen. Man kann unsere normalen Stimmkarten, auf denen die Namen stehen, nehmen. Wenn wir das Verfahren wählen, das der Kollege eben vorgeschlagen hat, dann kann es geschehen und es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß wir eine Reihe von Abstimmungen veranstalten und trotzdem immer noch keinen Sitz für den Bundesgerichtshof haben, weil für keine Stadt eine Mehrheit gefunden worden ist.
Meine Damen und Herren! Geschäftsordnungsmäßig können wir nicht anders als folgendermaßen vorgehen. Es liegt ein Antrag des Ausschusses vor. Das ist die Vorlage, von der ausgegangen werden muß. Zu diesem Antrag liegen Abänderungsanträge vor. Die Frage ist, nach welcher Reihenfolge diese Abänderungsanträge hier zur Abstimmung gestellt werden.
— Nach dem Eingang abzustimmen, ist sehr schwierig, weil eine Reihe dieser Anträge ohne Nummern ist.
— Ich hatte Ihnen vorgeschlagen, nach dem Alphabet
abzustimmen. Dann wäre die Reihenfolge: Bamberg,
Berlin, Braunschweig, Frankfurt, Hamburg, Köln.
— Karlsruhe ist der Ausschußantrag. Das Haus ist damit einverstanden, daß nach dem Alphabet abgestimmt wird?
Ich stelle zunächst den Abänderungsantrag zur Abstimmung, statt Karlsruhe Bamberg zu wählen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Wir kommen zum nächsten Abänderungsantrag: statt Karlsruhe Berlin. Wer dafür ist, den bitte ich, dei Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Es kommt der nächste Antrag: Braunschweig. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Nächster Antrag: Frankfurt am Main. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Nächster Antrag: Hamburg. Wer dafür ist, den
— Ich bitte, die Abstimmung wiederholen zu dürfen. Wer für Hamburg ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Nein, es ist nicht festzustellen. Es tut mir leid, meine Damen und Herren, wir müssen wieder den Hammelsprung machen. Wer für Hamburg ist, muß durch die rechte Tür, vor mir aus gesehen, wer gegen Hamburg ist, durch die linke Tür, wer keine Meinung hat, durch die mittlere Tür gehen. Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal inständig darum bitten, die Prozedur zu beschleunigen.
— Meine Damen und Herren; wer für Hamburg ist, muß durch die Ja-Tür kommen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Wir beginnen mit der Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zu beeilen; ich lasse die Türen schließen.
Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, die Abstimmung hat folgendes Ergebnis: mit Nein haben 178, mit Ja 145 Abgeordnete gestimmt. 6 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Abänderungsantrag betreffend Hamburg abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Abänderungsantrag: Köln. Wer für Köln ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, damit sind sämtliche Abänderungsanträge abgelehnt.
Ich stelle nunmehr den Antrag des Ausschusses zur Abstimmung: Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
§ 124, — 125, — 130, — 131, — 132, — 133, — 134, — 135, — 136, — 137, — 138, — 139, — 140. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir haben nunmehr eine Abstimmung nachzuholen: die zurückgestellten Abänderungsanträge der Fraktion der KPD zu § 36 und zu § 42.
Ich stelle zunächst den Antrag zu § 36 zur Abstimmung, der lautet:
Die Gemeinde stellt auf Vorschlag der Parteien in jedem zweiten Jahr eine Vorschlagsliste für Schöffen auf;
und der danach folgende Satz soll gestrichen werden. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist abgelehnt.
Der Antrag zu § 42 lautet:
Aus der berichtigten Vorschlagsliste wählt der
Ausschuß nach dem Grundsatz der Verhältniswahl für die nächsten zwei Geschäftsjahre usw. Wer für diese Abänderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Damit sind wir bei Ziffer 52. Ich rufe auf Ziffer
52, — 53, — 54, — 55, — 56, — 57, — 58, — 59,
60, — 61, — 62, — 63, — 64, — 65, — 66, — 67, —
68, — 69, — 70, — 71, — 72, — 73.
Zur Geschäftsordnung Herr Kollege Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Ich entdecke soeben in § 70 einen offensichtlichen Druckfehler. Im Ausschuß ist entschieden worden, daß in § 70 Abs. 2 und 3 an Stelle des Ausdrucks „Die Beiordnung eines nichtständigen Richters" der Klarstellung halber die Formulierung gewählt werden solle: „Die Beiordnung eines auf lebenszeit ernannten Richters". Die Fassung müßte also korrigiert werden.
Darf ich noch mal bitten, ich habe es nicht ganz genau verstanden.
In der Fassung Ziffer 70.
— Es ist ein Irrtum.
Es war ein Irrtum. Sie ziehen den Antrag zurück?
Ja!
Ziffer 78, - 79, - 80, -81, - 81a. Damit wäre der Art. 1 erschöpft. Wer für diese eben noch aufgerufenen Ziffern ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Es ist angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Art. 2 in derselben Art, wie Art. 1 aufgerufen wurde. I. Ziffer 1, - 2, - 3, -4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11.
— Zu Ziffer 11 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Dr.' Reismann : In § 91 ist vorgesehen, daß, falls die Parteien in einem Prozeß sich nur über die Hauptsache verständigt haben oder besser: falls die Hauptsache auf andere Weise erledigt ist, das Gericht ohne Berücksichtigung der formalen Rechtslage nach billigem Ermessen entscheiden soll. Ich schlage vor, diesen Satz zu streichen. Es muß auch dann, wenn die Hauptsache erledigt ist, über die
Kosten, die dann noch zur Entscheidung stehen, nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen entschieden werden. Bei den unter Umständen sehr erheblichen Objekten bedeutet es nicht etwa eine Verbesserung der Rechtspflege, wenn man von dem Verfahren nach dem normalen und strengen Recht abgeht, sondern eine Verschlechterung. „Nach billigem Ermessen", das bedeutet die Erlaubnis zur Bequemlichkeit für das Gericht; das bedeutet, daß man aus dem Ärmel schüttelt und über den Daumen peilt, daß man über Hunderte oder Tausende von Kosten frei entscheiden darf. Eine solche Ermessensentscheidung, ohne irgendeinen Beweis zu erheben — auch die schlichteste Form des Beweises wird durch diese Formel überflüssig —, eine Entscheidung, ohne sich sogar an die Rechtsvorschriften zu halten, diese Entscheidung nach billigem Ermessen bedeutet die Erlaubnis, vom geschriebenen Recht abzuweichen, das bedeutet, daß man über Tausende von Mark entscheiden kann unter Außerachtsetzung des geschriebenen Rechts, obwohl dabei unter Umständen eine Verzögerung nicht um eine Stunde Platz greifen, würde. Denn ob eine Rechtsnorm angewandt werden soll oder nicht, dafür bedarf es überhaupt keiner Beweiserhebung. Man sage nicht, es soll nur von Beweisen abgesehen werden. Es kann nach der Vorlage schlechthin nach billigem Ermessen, also gegen das geschriebene Recht, entschieden werden.
Ich konnte bei der Beratung dieser Angelegenheit im Ausschuß nicht dabei sein, aber ich glaube nicht, daß man sich der Tragweite dieser Worte bewußt geworden ist, meine Damen und Herren Kollegen. Ich glaube sicherlich nicht, daß es in der Absicht irgendeines Mitglieds des Rechtsausschusses liegt, von dem klaren geschriebenen Recht abzusehen, sondern höchstens von Beweiserhebungen; und ich bitte Sie deswegen, diesen Paragraphen nicht in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Form durchgehen zu lassen, sondern dem von mir soeben dem Herrn Präsidenten überreichten Abänderungsantrag Folge zu leisten, worin es heißt: „In diesen Fällen entscheidet das Gericht durch Beschluß", aber ohne daß dabei die Worte gebraucht werden: „nach billigem Ermessen". Es hat nach dem Recht zu entscheiden. Und bei großen Objekten — es kann sich ja um Millionen oder Tausende handeln — sind die Werte, über welche durch Kostenurteile entschieden wird, unter Umständen viel höher, als das beim Bagatellprozeß von, sagen wir einmal, einem Objekt von 500 bis 600 DM der Fall gewesen ist.
Ich habe selber wiederholt Gelegenheit gehabt, über große Objekte Prozesse zu führen, die sich erledigten, und gerade bei großen Objekten findet im Laufe des Prozesses oftmals eine Erledigung statt. Die Beteiligten sind gerade bei größeren Objekten meist nicht so in den Streit verbissen, sondern einsichtig und verständigen sich oder erledigen die Hauptsache. Dann ist noch über die Kosten zu entscheiden, und gerade diese Kostenentscheidung muß nach dem Recht und nicht aus dem Ärmel geschüttelt nach irgendwelchen Vorstellungen von Recht und Billigkeit erfolgen. Entscheidung nach billigem Ermessen, das sieht so aus, als ob Recht und Billigkeit etwas anderes wären. In Wirklichkeit sollte es doch dasselbe sein, und wir bemühen uns, es so einzurichten, daß Recht und Billigkeit sich decken.
Ich möchte deshalb mit allem Nachdruck der vorliegenden Fassung widersprechen. Sie ist in der britischen Zone seit ungefähr eineinhalb Jahren in Gebrauch, und ich habe persönlich in meiner Anwaltspraxis oft die schlechtesten Erfahrungen da-
mit gemacht. Danach glaubte jeder Amtsrichter sich für berechtigt halten zu dürfen, das Recht aus dem Ärmel zu schütteln, und so, wie er es sich vorstellte, sollte es dann Recht sein.
Herr Kollege, Sie haben Ihren Antrag noch nicht eingereicht.
Doch, darf ich vorlesen? Es heißt in Ziffer 4 meines überreichten Antrags:
Der § 91 a erhält folgende Fassung:
Abs. 1: Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht durch Beschluß.
Abs. 2: unverändert.
— Über die Kosten durch Beschluß!
Ich bitte, zu ergänzen: .,über die Kosten durch Beschluß".
Herr von Brentano hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Reismann für den Hinweis sehr dankbar, und ich glaube, daß ich jedes Wort, das er gesagt hat, unterstreichen muß. Es würde tatsächlich die Gefahr entstehen, daß hier Entscheidungen nach billigem Ermessen möglich wären, die in ihrer Auswirkung außerordentlich unbillig wären. Ich möchte deswegen dringend darum bitten, daß sich das Hohe Haus dem Abänderungsantrag des Kollegen Reismann anschließt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Ich stimme ebenfalls den Ausführungen des Herrn Dr. Reismann zu, glaube aber, daß er seinen Antrag ergänzen muß. Jedenfalls darf er die Worte nicht weglassen: „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes".
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Auch ich stimme dem Antrag, den Herr Kollege Reismann vorgetragen hat, zu. Ich bin allerdings der Auffassung, daß auch die Worte „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes" ausfallen müssen, weil es notwendig sein kann, auch über die Kosten noch Beweis zu erheben, und die Beweisaufnahme durch die Streichung der Worte ,,unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes" nicht ausgeschlossen werden kann.
Ich bitte also, dem Antrag des Herrn Kollegen Reismann in dem Wortlaut zuzustimmen, in dem er ihn gestellt hat.
Ich habe hier Ihren Antrag ergänzt. Er heißt jetzt so:
Haben die Parteien den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet
das Gericht über die Kosten durch Beschluß.
Ist es so richtig?
Herr Kollege Kiesinger, wollen Sie nicht Ihren Antrag zurückziehen?
Ja, ich ziehe ihn zurück.
Sie ziehen ihn zurück. Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Die Sache hat eine merkwürdige Entwicklung genommen. Der Rechtsausschuß hat meine Vorlage einstimmig gebilligt. Jetzt habe ich das Empfinden, das Gefühl des Hauses steht einstimmig gegen mich. Aber so einfach sind die Dinge nicht.
Das Problem ist folgendes: Die Parteien erklären einen Rechtsstreit für erledigt. Wenn Herr Kollege Reismann sagt, es müsse in diesem Falle über die Kosten streng nach dem Recht entschieden werden, dann heißt das: der Prozeß muß durchgeführt werden; die Parteien haben einen Anspruch darauf, daß der letzte Beweis erhoben wird. Sinnlos in vielen Fällen! Gewiß, die Kostenentscheidung kann in Prozessen mit großem Streitwert von Bedeutung sein. Aber sie werden doch keinen Richter für so töricht halten, daß er diesem Umstand nicht Rechnung trägt; er kann ja nicht willkürlich entscheiden, nein, er muß „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes" entscheiden. Wir muten ihm lediglich nicht zu, in jedem Falle noch auf die Beweisanträge der Parteien zur Sache eingehen zu müssen, wenn es sich nur um die Kosten handelt. Nach billigem Ermessen! Gewiß, sein Ermessen ist frei, er ist nicht an die strengen Prozeßformen und -notwendigkeiten gebunden. Aber so viel dürfen Sie doch unserm Richter vertrauen,
daß diese freiere Stellung nicht mißbraucht wird. Ich bitte doch, die Frage — verzeihen Sie das Wort — nicht zu advokatisch, sondern auch vom Standpunkt der Prozeßökonomie zu sehen. Es ist sinnlos, Beweise zu erheben, wenn man nur noch über die Kosten streitet.
— Ja, Herr Kollege Greve, dann wird jeder Richter die Bedeutung dieser Kostenentscheidung für die Parteien in Erwägung ziehen und von der Möglichkeit des freien Ermessens sorgfältig Gebrauch machen. Also ich halte die Bestimmung, die im Rechtsausschuß von den Sachverständigen einmütig gebilligt worden ist, für richtig.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! Ich vermag dem Herrn Justizminister nicht zu folgen, wenn er meint, es sei nicht sinnlos, um 100 Mark zu streiten, wenn das das Objekt ist, aber es sei sinnlos, etwa über 1000 Mark zu streiten, wenn es Kosten sind. Das ist doch die einzige Frage. Es gibt eben doch gerade viele Fälle, wo die Kosten nennenswert und hoch genug sind. Warum soll da der Richter — darauf hat der Justizminister nicht geantwortet — die Erlaubnis haben, vom Recht abzusehen? Er werde das schon „billig" machen, „nach billigem Ermessen", er werde schon den richtigen Streitstand berücksichtigen. Wenn er das will, dann gut; dann möge er nach dem Gesetz verfahren. Aber dieses Richterkönigtum, das sich seine Gesetze selber macht und machen darf, das aus „billigem Ermessen" entscheidet, halte ich nicht für angebracht. In diesem Sinne, Herr Justizminister, sehe ich mich auch nicht
in der Lage, dem deutschen Richterstand das Vertrauen entgegenzubringen, das es überflüssig macht, ihn an das Gesetz zu binden.
Auch für die Kosten muß das Gesetz maßgebend sein. Die Kosten sind für den kleinen Mann erheblich, und sie sind für den großen erheblich. Die Überlegung, es sind ja nur Kosten, ist völlig falsch und fehl am Ort. Wenn die Sachlage so ist, daß noch ein Beweis notwendig ist, dann muß er eben erhoben werden. Ist der Beweis aber nicht mehr notwendig, falls die Sache sich erledigt hat, dann sind die Parteien im allgemeinen leicht genug bei der Hand, sich über die Kosten zu verständigen. Man kann nicht ein Gesetz gegen Querulanten machen, das dann hinterher gerade den vernünftigen Prozeßparteien aber auch jedesmal querkommt. Ich habe, seit diese Regelung in Nordrhein-Westfalen wie in der ganzen britischen Zone eingeführt ist, bei Gericht überhaupt nicht mehr erlebt, daß es sich mit der Kostenfrage befaßt hat, es hat immer halb und halb geteilt. Und diesem Unding möchte ich von vornherein steuern.
Meine Damen und Herren, es haben sich noch drei Redner zum Wort gemeldet, die Abgeordneten Ewers, Becker und Greve.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Darf ich eben mal die Frage zurechtrücken. Ich bitte die Nichtjuristen, den § 98 der Zivilprozeßordnungs-Vorlage aufzuschlagen, wo Sie folgende Bestimmung finden:
Die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs sind als gegeneinander aufgehoben anzusehen, wenn nicht die Parteien ein anderes vereinbart haben,
Das ist der Regelfall, von dem Herr Kollege Reismann ausgeht. Dort ist die gesetzliche Regelung getroffen. Daß ein Prozeß ohne Vergleich als erledigt erklärt wird, ist eine ganz seltene Ausnahme, die zum Beispiel vorkommt, wenn ein Pferd während des Streites stirbt. Solche Fälle können vorkommen, wo ein Objekt untergeht, während man streitet. Das ist aber die bei weitem geringste, eine kümmerlich kleine Anzahl. Und bei diesen seltenen Sachen dem Gericht zuzumuten, daß es die Beweise so erheben müsse, als wenn man sich um ein lebendiges Pferd stritte, das ist in der Tat eine gewisse Zumutung an die Gerichte u n d Anwälte — füge ich hinzu —, denn das Objekt dieses Nachverfahrens sind nur noch die Kosten. Das ist das eine.
Zum anderen: Wenn sich Parteien um ein Riesenobjekt streiten und sich nicht einmal über den lächerlichen, weil relativ geringfügigen Kostenpunkt vertragen können, dann sind sie es nicht wert, daß sie das Gericht in Trab halten, um über diesen Nebenpunkt einen Prozeß mit etwa bis zu 20 Zeugen und womöglich 6 Sachverständigen durchzuführen, über ein Nichts! Darum handelt es sich.
Ein gewisses Mißtrauen — entschuldigen Sie, Herr Justizminister — gegen die Entscheidungsfreudigkeit unterer Instanzen unserer Gerichte ist nach allgemeiner Praxis berechtigt. Die Gerichte sind zum Teil deshalb so besonders vergleichsgierig, weil sie die Urteilsmühen sparen möchten. Im Falle der bloßen Kostenentscheidung üben sie gern in der täglichen Praxis eine gewisse schlanke Hand. Aber dieses Mißtrauen kann nicht soweit gehen,
daß solche Parteien, die es bei Erledigung ihres Prozesses kraft freien Willens unterlassen, über die Kosten selbst zu bestimmen, was sie nach § 98 eigentlich müssen, dem Gericht zumuten, einen Als-Ob-Prozeß zu führen, nämlich so, als ob hier noch ein wirklicher Streitgegenstand wäre. Ich persönlich muß dem Herrn Justizminister beistimmen, daß die Regierungsvorlage sicherlich für diesen sehr seltenen Fall das Richtige trifft.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Mein Vorredner hat vollkommen recht. Wenn es ein Rechtsstreit ist, bei dem der Kostenbetrag erheblich ist, dann handelt es sich um einen Prozeß in einem Ausmaß von über 1000 oder 2000 DM, d. h. um einen Prozeß, bei dem beiderseits Anwälte beteiligt sind. Und das müssen — ich selbst bin Anwalt — doch recht traurige Anwälte sein, die bei der Erledigung eines Prozesse „in der Hauptsache" vergessen, sich über die Kosten zu einigen.
Handelt es sich aber um einen geringen Streitwert, etwa um 100 oder 500 DM, dann sind die Kosten nicht so, daß man sie nun noch der Kosten wegen durch eine Beweisaufnahme darüber erhöhen müßte, wie der Prozeß ausgefallen wäre, wenn er wirklich weitergeführt worden wäre. Dann hat es wirklich nur den Sinn, die Dinge so zu regeln, wie es hier vorgeschlagen ist. Im übrigen: der Fall kommt unendlich selten vor. Ich bin jetzt 35 Jahre Anwalt. Er ist noch nie in meiner Praxis vorgekommen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve. Damit ist die Liste der Redner erschöpft.
Meine Damen und Herren! Der Ausdruck des billigen Ermessens paßt ohnehin nicht in die Zivilprozeßordnung hinein.
Nach billigem Ermessen wird im allgemeinen nach der Zivilprozeßordnung nicht entschieden, sondern es wird nach den Normen der Gesetze einschließlich der Zivilprozeßordnung entschieden.
Ich kann dem nicht zustimmen, was Herr Kollege Dr. Becker und Herr Kollege Ewers hier gesagt haben. Es handelt sich auch nicht darum, daß irgendwie ein Pferd krepiert ist und daß sich der Prozeß dadurch sachlich erledigt hat. Herr Kollege Dr. Weber machte mich mit Recht eben darauf aufmerksam, daß es sich in einer Vielzahl von Fällen darum handelt, daß ein Anspruch auf Zahlung geltend gemacht wird, vom Gegner die Fälligkeit zunächst bestritten, dann aber die Zahlung geleistet wird. Dann muß selbstverständlich noch über die Prozeßkosten entschieden werden.
Meine Damen und Herren! Ich bitte dringend, dem Antrag des Herrn Kollegen Dr. Reismann stattzugeben; denn die Aufgabe, die das Gericht hier hat, ist tatsächlich, den Sach- und Streitstand auch im Hinblick auf die Kosten festzustellen. Herr Kollege Kiesinger hat angeregt, ob man nicht eine Mittellösung finden könne. Die Mittellösung ist bereits gefunden. Früher mußte das Gericht durch Urteil über die Kosten entscheiden. Heute kann das Gericht das durch Beschluß tun. Das ist die Mittellösung; und auch unter diesem Gesichts-
punkt bitte ich, dem Antrage Dr. Reismann stattzugeben.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung.
- Wollen Sie noch das Wort? - Sie sind erbarmungslos!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß auch ich als Nichtjurist mich einmal zu dieser Frage äußere. Da kann ich nur sagen, daß ich dem Antrage des Herrn Kollegen Kiesinger, den er zurückgezogen hatte, als Nichtjurist meine Zustimmung geben würde. In dem Antrag heißt es nämlich, daß das Gericht über die Kosten eines solchen seltenen, abgebrochenen Prozesses nach dem bisherigen Sach- und Streitstand durch Beschluß entscheidet. Ich halte es jedenfalls nicht für richtig, daß man einen Prozeß „als ob" weiterführt und dadurch die Kasten noch unendlich vermehrt.
Keine Wortmeldungen mehr.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Dr. Reismann ist, den bitte ich, die Hand zu eineben. - Uegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Nunmehr lasse ich über die bisher aufgerufenen Zittern des Art. 2 einschließlich der nunmehr abgeanderten Ziffer 11 abstimmen. Wer dafur ist, den uiite ich, nie Hand zu erheben. - Gegenprobe! -Angenommen.
Ziffer 12, - 12a, - 13, - 14, - 15, - 16, - 16a, - 17, - 18, - 19, - 20, - 21, - 22, - 23, -24, - 25, - 26. Wer da-für ist - bis zu diesem Punkt -, den bitte ich, die Band zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf Ziffer
27,-28,-
- Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Oellers.
Nach dein generellen Antrag, den mein Kollege Schneider begrundet hat, muß hinter 27 eine Ziffer 27 a eingefügt werden, nämlich diesem Antrag entsprechend: In § 219 Abs. 2 sind die Worte „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" zu streichen. Das Wort „sind" ist durch das Wort „ist" zu ersetzen.
— Das ist nicht der Fall, sondern es ist zunächst nur zu einem Paragraphen, nämlich § 34 Abs. 1 GVG. beschlossen. Es muß jetzt bei jener in dem vorgelegten Antrag genannten Bestimmung erneut beschlossen werden.
Also, meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag Dr. Oellers, den Sie soeben gehört haben. Wer tür den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.-Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 28, - 29, - 30, - 31, - 32, - 33,- 34, - 35, - 36, - 37, - 38, - 39, - 40, - 41, - 42, - 43, - 43a, - 44, - 45, - 46, - 47, - 48, - 49.
Bevor ich das Wort zu Ziffer 48 erteile: Wer bis zur Ziffer 47 zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Zu Ziffer 48 hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Oellers.
Hier liegt der von meinem Kollegen Schneider bereits begründete Antrag vor, auch in § 375 Absatz der Zivilprozeßordnung und § 376 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung die Worte „und das Staatsoberhaupt eines deutschen Landes" zu streichen und das Wort „können" durch „kann" zu ersetzen.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Kollege Euler.
Nachdem das einmal beschlossen worden ist, handelt es sich bei allen folgenden Paragraphen um redaktionelle Veränderungen, die ledlglich zu konstatieren sind.
Meine Damen und Herren, von Herrn Abgeordneten Euler ist der Einwand gemacht worden - ich glaube, er ist nicht im ganzen Hause gehört worden -, daß, wenn an einer Stelle eine grundsätzliche Änderung vorgenommen warden ist, es eine redaktionelle Angelegenheit wäre und die übrigen Paragraphen entsprechend umzuändern wären, nachdem einmal ein entsprechender Beschluß gefaßt worden ist. Ist das die Ansicht des Hauses?
- Dann brauchen wir also nicht im einzelnen über die Anträge abzustimmen, und damit ist wohl der Antrag Dr. Oellers erledigt?
Ich rufe also auf: Ziffer 48, - 49, - 50, - 51, - 51a, - 52, - 53, - 54, - 55, - 56, - 57, - 58, - 59, - 60, - 61,-
62.
Bis Ziffer 62 ist zunächst kein Widerspruch angemeldet worden. Ich lasse abstimmen. Wer für Annahme der Ziffern bis zu 62 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Einstimmig angenommen.
Zu Ziffer 63 hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu Ziffer 63 habe ich namens meiner Fraktion einen Abänderungsantrag zu stellen, der folgendermaßen lautet:
1. In § 510 c der Zivilprozeßordnung werden die Absätze 2, 3 und 4 gestrichen.
2. § 511 a der Zivilprozeßordnung wird gestrichen.
Es handelt sich hier um das Problem des Schiedsurteils, das mein Kollege Neumayer als Berichterstatter ja schon berührt und auf dessen Problematik er hingewiesen hat. Es handelt sich hier darum, daß man aus prozeßökonomischen und teilweise auch aus Kostengründen eine Bestimmung in
die Zivilprozeßordnung einfügen will, die wir früher nicht gekannt haben und die, wenn es sich um Streitgegenstände bis zu 100 DM handelt, einfach jede Rechtsmittelmöglichkeit inhibiert. Wir sind der Auffassung, daß man das in einem Rechtsstaat, der der Rechtsidee zu dienen hat, einfach nicht verantworten und nicht vertreten kann, wenn es sich um das Recht handelt. Denn es ist gleichgültig, ob der Gegenstand dieses Rechts eben bloß 100 DM wert oder ob er höheren Wertes ist. Für einen ganz großen Teil unseres Volkes bedeuten heute 100 DM einen ganz erheblichen Wert, und wenn sie gezwungen sind, aus irgendwelchen Umständen darüber zu prozessieren, dann ist es für sie eine sehr ernste Angelegenheit. Ist dann durch den Amtsrichter gegen sie entschieden und haben sie nicht mehr die Möglichkeit, dagegen Berufung einzulegen, und glauben sie, es sei ihnen Unrecht geschehen, dann schadet das der Rechtsidee ungeheuer; denn dann sagt der kleine Mann: Seht ihr, mir, dem Kleinen, der ich nur bis 100 DM zu prozessieren überhaupt in der Lage bin, wird kein Recht, ich habe keine Möglichkeit zur Berufung; die Großen, die haben drei Instanzen!
Aus dieser Überzeugung, aus dieser Auffassung heraus bin ich der Meinung und mit mir meine politischen Freunde, daß wir uns das Schiedsurteil in diesem Sinne — ich gebrauche den juristischtechnischen Ausdruck der Abkürzung halber — einfach nicht leisten können, denn das widerspricht dem elementaren Grundsatz der Rechtsgleichheit aller vor dem Gesetz. Deshalb stelle ich für meine Fraktion die Abänderungsanträge.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Abänderungsantrag zu Ziffer 63 gehört. Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist damit angenommen.
Ich rufe weiter auf — —
Herr Abgeordneter Dr. Schneider!
Ich habe ausdrücklich davon abgesehen, den Abs. 1 in dem erstgenannten Paragraphen zu streichen, der dem Richter bei diesen kleineren Prozessen eine gewisse Freiheit in der Beweisführung gibt. Wenn ich dahinter die Möglichkeit der Berufung sitzen lasse, wird diese Freiheit mißbraucht. Deshalb habe ich Abs. 1 nicht gestrichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit ist Klarheit über das Ergebnis der Abstimmung geschaffen. Es bleibt bei dem eben angenommenen Antrag.
Wer für Ziffer 63 in der abgeänderten Form ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe weiter auf Ziffer 64.
— 64 wird. gestrichen.
Ziffer 65, — 66, — 67, — 68, — 69, — 70, — 71,
— 72, — 73, — .74, — 75, — 76, — 77, — 78, — 79.
Bis Ziffer 79, meine Damen und Herren, bitte ich diejenigen, die einverstanden sind, die Hand zu erheben. —
— Die Ziffer ist längst aufgerufen worden.
— Mir ist eben gesagt worden — ich habe die Abstimmung nicht selbst geleitet —, diese Sache sei zur Abstimmung gestellt worden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Euler.
Unser Abänderungsantrag umfaßt die Streichung der Absätze 2, 3 und 4 von § 510 c und die Streichung des ganzen § 511 a.
Über diesen Abänderungsantrag ist abgestimmt worden.
— Nein, es ist nicht nur debattiert worden, sondern
es ist über den Abänderungsantrag Dr. Schneider
abgestimmt worden, und er schließt Ziffer 64 ein.
Wir können darüber keine Diskussion machen,
wir müssen in der Abstimmung fortfahren.
Wir waren bis zu Ziffer 79 gekommen. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Ziffern zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Zu Ziffer 80 hat sich Herr Abgeordneter Dr. Reismann gemeldet.
Meine Damen und Herren! Die Vorlage sieht vor, daß die Revision gegen Oberlandesgerichtsurteile, wenn sie Werte unter 6 000 DM betreffen, nur dann stattfindet, wenn das Oberlandesgericht diese Revision in dem Urteil besonders zugelassen hat — unter 10 000 DM. ich muß mich berichtigen.
Das halte ich nicht für glücklich. Ich beantrage deswegen:
§ 546 Abs. 2 Satz 1 zu streichen und dem Satz 2 folgende Fassung zu geben:
Das Oberlandesgericht hat die Revision ... . usw. stets dann zuzulassen, wie hier steht. Abs. 3 soll neu hinzugefügt werden mit dem Wertlaut:
Gegen die Ablehnung der Revision durch das
Oberlandesgericht findet Beschwerde statt. Dann besteht wenigstens die Möglichkeit, die Ablehnung der Revision überprüfen zu lassen. Letzten Endes ist das Revisionsgericht besser als das Berufungsgericht in der Lage, festzustellen, ob es sich um eine Angelegenheit handelt, die der Revision bedarf, ob die kontinuierliche Rechtsprechung durch
dieses Urteil, das angefochten werden soll, unterbrochen worden ist, ob man hier von der Linie der Rechtsprechung abweicht. Es ist zu fürchten, daß die Möglichkeit der Revisionsverweigerung von den Berufungsgerichten, wenn sie keine Kontrolle über sich haben, dahin ausgenutzt wird, daß sie eine eigene Rechtsprechung innerhalb der ihnen zustehenden Grenze von 6 000 DM entwickeln ohne Rücksicht auf die Rechtsprechung des obersten Gerichts.
Gerade die Möglichkeit, daß das oberste Gericht im Beschlußwege darüber entscheiden kann, auf eine Beschwerde hin, verhindert, daß von dieser Beschwerdemöglichkeit zu viel Gebrauch gemacht wird. Dann wird sich der Vertreter dieser Beschwerdepartei, der ein Rechtsanwalt sein muß, der am Obergericht sitzt und dort die Rechtsprechung, die in Betracht kommt, kennt, selbst wenn er am Oberlandesgericht seine Praxis ausübt, die entsprechende Rechtsprechung der Senate beim Revisionsgericht kennt, sich überlegen, ob diese Beschwerde Aussicht auf Erfolg hat. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Revision, wenn sie von dem guten Willen der Berufungsgerichte abhängig ist, nur in zu sparsamem Ausmaße bewilligt wird. Die Gerichte sind natürlich — das ist eine menschliche Eigenschaft — ganz allgemein geneigt, zu glauben, daß das, was sie entschieden haben, richtig sei und keiner weiteren Aufsicht bedürfe.
Ich bitte deshalb, die Möglichkeit einer Überprüfung durch das Obergericht zuzugestehen, die den Rechtsweg nicht erschwert, den Rechtsgang nicht verlängern wird, aber für die Rechtssicherheit wesentliche Bedeutung hat.
Herr Abgeordneter, darf ich um den Text des Antrages bitten!
Ich habe soeben mehrere Anträge sammelweise übergeben. Ich habe das dem Herrn Präsidenten Dr. Schmid schon überreicht. Ich habe zwar noch ein Exemplar, aber das ist das letzte Exemplar, das ich habe. Mein jetziger Antrag steht da unter Ziffer 5.
Meine Damen und Herren, ich verlese noch einmal den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Reismann zu Ziffer 80. Er lautet:
§ 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird gestrichen. Satz 2 erhält die Fassung:
Das Oberlandesgericht hat die Revision stets dann ... usw.
Es wird als Absatz 3 hinzugefügt:
Gegen die Ablehnung der Revision durch das Oberlandesgericht findet Beschwerde statt.
Ich glaube, unter diesen Umständen ist es richtig, über Ziffer 80 abschnittweise abzustimmen.
— Also, der Abänderungsantrag lautet: § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO wird gestrichen.
Satz 2 erhält die Fassung:
Das Oberlandesgericht hat die Revision stets dann ... usw.
Hier ist „usw." gesagt, so daß dann wohl im alten Text weiterzulesen ist. Dann heißt es weiter:
Es wird als Abs. 3 hinzugefügt:
Gegen die Ablehnung der Revision durch das Oberlandesgericht findet Beschwerde statt.
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Meine Damen und Herren! Es kann sich verhängnisvoll auswirken, wenn man so aus dem Handgelenk derartige Anträge stellt.
Sie haben vorhin beschlossen, daß Berufung gegen jede Sache möglich ist. Gegen jedes Urteil des Amtsgerichts, selbst bei einem Streitwert von 2 Mark, kann Berufung eingelegt werden. Dann müssen drei Männer oben sitzen und über die 2 Mark Beweis erheben. So kann man doch kein Gesetz machen. Genau so undurchdacht ist dieser Antrag von Herrn Kollegen Reismann.
Wir haben die Revisionsmöglichkeit erweitert. Der Rechtsausschuß hat die Dinge in meisterhafter Weise durchgearbeitet und durchdacht, und Sie können dem Ergebnis seiner Arbeit wirklich vertrauen. Wir Lassen die Revision zu, nicht nur, wie bisher, wenn der Streitgegenstand bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten einen bestimmten Wert darstellt, sondern auch dann, wenn das Oberlandesgericht als Berufungsgericht die Revision zuläßt. Unter bestimmten Umständen ist das Oberlandesgericht verpflichtet, sie zuzulassen; sonst ist es seinem Ermessen anheimgegeben.
Nun sagt Herr Kollege Reismann: das genügt uns nicht, nur das Revisionsgericht, nur der Bundesgerichtshof kann am Ende entscheiden, ob eine Revision veranlaßt ist oder nicht, ob eine bedeutsame Rechtsfrage berührt wird oder nicht; deswegen muß die Beschwerde zugelassen werden, wenn das Oberlandesgericht die Revision nicht zuläßt. Welche Art der Beschwerde, ob einfache Beschwerde oder sofortige Beschwerde, sagt er uns nicht. Wenn Sie diese Beschwerdemöglichkeit zuließen, würden Sie da Revisionsgericht, den Bundesgerichtshof, übermäßig belasten; denn der Bundesgerichtshof müßte dann in einer großen Anzahl von Fällen den gesamten Streitstoff im Beschwerdeverfahren prüfen und entscheiden.
Das ist praktisch gar nicht durchführbar.
Die Erfahrungen, von denen Herr Kollege Reismann sprach, stehen mit dem, was ich erfahre, im Widerstreit. Er befürchtet, die Berufsrichter seien gewillt, ihre Urteile zu schützen, und zögerten deswegen, die Revision zuzulassen. Wir hatten die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht schon beim Arbeitsgerichtsprozeß gegenüber den Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte und jetzt in der britischen Zone die Revision gegen die Urteile der Oberlandesgerichte zum obersten Gerichtshof. Unsere Erfahrungen hierbei stehen im Gegensatz zu denen, die Herr Kollege Reismann gemacht hat. Die Gerichte haben die Revision sogar in sehr weitherziger Weise zugelassen.
Es gibt noch eine Reihe von Momenten, die für unsere Fassung sprechen; ich will Sie damit nicht aufhalten. Ich möchte warnen, die wohlbedachte Bestimmung jetzt variieren zu wollen, und bitte Sie, bei der Entscheidung des Ausschusses zu bleiben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es handelt sich um eine Angelegenheit, die sehr schlecht im Plenum zu erledigen ist.
Ich bedaure es außerordentlich, Herr Kollege Reismann, daß Sie die Gesichtspunkte, die Sie hier eben vorgetragen haben, nicht im Rechtsausschuß zur Sprache gebracht haben.
Es kann doch keinem Zweifel unterliegen, daß wir grundsätzlich von einer gewissen Revisionssumme ausgehen müssen, von der ab die Revision in jedem Falle zulässig ist. Darüber hinaus kann man sich über die Frage unterhalten, ob in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung eine Revision zulässig sein soll. Man kann sich auch über die Formalien unterhalten, die notwendig sind, um diese Revision zuzulassen. Ich stimme mit Ihnen darin völlig überein, daß es nicht dem judex a quo überlassen bleiben sollte, die Revision zuzulassen. Sie haben offensichtlich im Auge, daß gegen die Verweigerung der Zulassung der Revision in Fällen, in denen es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, die Beschwerde, oder besser, die sofortige Beschwerde zulässig sein soll. Dann müssen wir, Herr Kollege Reismann, einen Weg finden, und ich glaube, auch die übrigen Mitglieder dieses Hauses werden bereit sein, einen solchen Weg zu gehen. Aber wir müssen an dem System festhalten: grundsätzlich Revision in allen Fällen in denen es sich um einen Streitwert von über 6 000 Mark handelt, im übrigen Zulässigkeit der Revision in allen Fällen von grundsätzlicher Bedeutung, aber nicht alleinige Entscheidungsbefugnis des judex a quo. Es handelt sich nur darum, ob in diesen Fällen die sofortige Beschwerde zugelassen sein soll oder nicht.
Herr Kollege Reismann, vielleicht haben Sie die Freundlichkeit, uns eine entsprechende Formulierung vorzuschlagen, über die wir dann abstimmen können. Das, was Sie bisher vorgeschlagen haben, reicht meines Erachtens nicht aus, um das wiederzugeben, was möglicherweise die Mehrheit dieses Hauses will.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Ich möchte doch bitten, daß wir uns in diesem Falle dem Standpunkt des Herrn Justizministers anschließen. Es ist richtig — und ich glaube, Herr Kollege Greve hat das sehr präzis gesagt —, daß man natürlich darüber diskutieren kann, ob die Zulassung der Revision ausschließlich in der Hand des Berufungsrichters liegen soll oder ob nicht seine Entscheidung im Beschwerdeverfahren durch das Revisionsgericht überprüft werden soll. Es mögen gewisse rechtspolitische Erwägungen und insbesondere Erwägungen der größeren Rechtssicherheit dafür sprechen. Aber der Herr Bundesjustizminister hat meiner Überzeugung nach mit Recht darauf hingewiesen: wir müssen davon ausgehen, daß grundsätzlich eine Revision bei einem Streitwert von unter 6000 Mark — so lautet der Ausschußantrag — nicht zulässig sein soll, daß also die Zulassung der Revision in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung die Ausnahme sein soll.
Nun wissen wir, meine Damen und Herren, daß wohl jeder, der in einem Prozeß unterliegt, geneigt ist, seinen Fall als einen solchen anzusehen, der von grundsätzlicher Bedeutung ist. Das bedeutet, daß wir in jedem Falle dann mit dem Antrag auf Zulassung der Revision durch das Oberlandesgericht und wohl in jedem Falle auch mit einer Beschwerde an das Revisionsgericht zu rechnen haben. Damit belasten wir das Revisionsgericht in einem meines Erachtens unerträglichen Maße auch mit Dingen, die bewußt nach der Absicht des Gesetzgebers nicht an die Revisionsinstanz gelangen sollen.
Aus diesem Grunde bitte ich in diesem Falle, den Antrag des Herrn Kollegen Reismann abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Ich würde mit der Fassung, die Herr Kollege Greve soeben vorschlug, schließlich einverstanden sein. Wir können eventuell bis zur dritten Lesung einen solchen Antrag einbringen; aber im Augenblick sehe ich nicht ein und bin ich nicht überzeugt, daß es notwendig ist, meinen Abänderungsantrag zu ändern. Ich bin aber auch nicht davon überzeugt worden, daß es richtiger ist, nur dem Berufungsrichter die Entscheidung darüber zu belassen, ob sein Urteil angefochten werden kann oder nicht.
Ich möchte nur auf folgendes hinweisen: Der Herr Justizminister war eben so freundlich, von Anträgen „aus dem Handgelenk" zu sprechen und zu sagen, ich hätte das im Ausschuß ja vortragen können usw. Der Herr Justizminister scheint vergessen zu haben, daß ich gerade während dieser Beratungen in den Vereinigten Staaten war, also an den Ausschußsitzungen nicht teilnehmen konnte. Es hat mir persönlich sehr leid getan, daß ich daran nicht teilnehmen konnte. Das kann mich aber natürlich nicht hindern, hier die Bedenken, die ich habe, vorzutragen. Ich finde es, das muß ich schon sagen, schulmeisterlich, daß der Justizminister ad personam irgendeinen Abgeordneten apostophiert. Ich möchte das Haus davor bewahren, daß sich das wiederholt, und ich protestiere dagegen. Ich bin nicht der Ansicht, daß das geschehen sollte. Wir sind hier, um unsere Meinung zu sagen, und wenn der Herr Justizminister sich überrascht fühlt und nicht daran gedacht hat, daß man solche Bedenken vortragen könnte, so möge er es bitte in Zukunft unterlassen zu sagen: „Das hätten Sie früher sagen können." Wir hätten oft Gelegenheit, unsere Wünsche und Bedenken auch in schroffer Weise vorzutragen. Ich habe es bisher vermieden, irgendeiner Behörde einen Vorwurf zu machen. Aber wenn man dazu übergeht, uns Vorwürfe zu machen, weil wir unsere Wünsche erst im Plenum vortragen, so könnte das unangenehme Spannungen im Verkehr mit diesen Behörden zur Folge haben.
Meine Damen und
Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir befinden uns bei der Abstimmung über die
Ziffer 80 dieser Vorlage. Es liegt vor der Abände-
rungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Reismann. Ich brauche ihn wohl nicht noch einmal zu verlesen, nachdem die Verlesung mehrfach erfolgt ist. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die für die Fassung der Vorlage sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 81, — 82, — 83, — 84, — 85, —
86, — 87, — 88, — 89, — 90 — 91, — 92, — 92a,—
93, — 94, — 95, — 96, — 97, — 98, — 99, — 100, —
101, — 102, — 103,, — 104, — 105, — 106, — 107, —
107 a, — 107 b, — 108, — 109, — 110, — 111.
Ich bitte diejenigen, die mit der Fassung der Vorlage einverstanden sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu II, Änderung des Einführungsgesetzes zur Zivilprozeßordnung. Ich rufe auf Ziffer 112. Wer für Ziffer 112 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe dann auf Art. 3, Änderung der Strafprozeßordnung, Ziffer 1, — 2, — 3, — 4.
Also wir stimmen zuerst über die Ziffern 1 bis 3 ab. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Zu Ziffer 4 hat das Wort der Herr Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt die Streichung des ersten Absatzes des vorgesehenen § 9.
- Sie merken auch, worum es geht.
In diesem Paragraphen wird das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausland erklärt.
Es heißt hier:
Wenn die strafbare Handlung außerhalb des
Geltungsbereiches dieses Bundesgesetzes
- wohlgemerkt: also nicht bloß des Bundesgebiets, sondern auch West-Berlins —
begangen und ein Gerichtsstand gemäß § 8
- also gewöhnlicher Aufenthaltsort oder ständiger Wohnsitz -
nicht begründet ist, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Ergreifung erfolgt.
Mit anderen Worten: wenn also ein deutscher
Bürger im Gebiet der Deutschen Demokratischen
Republik irgendwelche Äußerungen macht, die,
sagen wir einmal, gegen einen Artikel des kommenden Staatsschutzgesetzes der Bonner Bundesregierung verstoßen, so wird er, sowie er etwa
den Berliner Bezirk Schöneberg betritt, verhaftet
und wird hier vor ein Gericht gestellt, weil er außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes einen Artikel irgendeines reaktionären Gesetzes dieses Bonner Staates verletzt hat.
Ich bin gespannt, ob Sie diesen Grundsatz, wie er hier verankert ist, morgen auch so tapfer vertreten, wenn es sich um die Verteidigung des Agenten Müller von Ihrer Seite handelt; ich bin einmal sehr gespannt darauf.
Meine Damen und Herren! Weil wir nicht zulassen können, daß das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausland erklärt und somit die Spaltung Deutschlands auf diese Art legalisiert wird, zweitens weil wir den „Ergreifungsort" nicht als Gerichtsstand anerkennen können für eine angebliche Straftat,
die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes keine Straftat ist, darum beantragen wir die Streichung des Abs. 1.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es liegt vor der Antrag des Abgeordneten Fisch und seiner Fraktion, den Abs. 1 der Ziffer 4 zu streichen.
Wer für diese Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Minderheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für Ziffer 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe weiter auf die Ziffern 4a, — 5, — 6, —
7, — 8, — 9, — 10, — 11, — 12, — 13, — 14, —
15, — 16, — 17, — 17a, — 18, — 19, — 20, — 21, — 21a, — 21b, — 22, — 23, — 24, — 25, — 25a, — 26, — 26a, — 27, — 28, — 29.
— Da liegt ein Abänderungsantrag vor. Wir wollen vorerst bis Ziffer 28 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Ziffern zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Das Wort zur Ziffer. 29 hat der Herr Abgeordnete Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Stellung nehmen zu dem § 81 c und würde es für richtig halten, wenn Sie sich diesen Text des § 81t genau ansähen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich ihn verlesen. Der Paragraph sagt:
Andere Personen als Beschuldigte dürfen ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden, wenn zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muß, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer strafbaren Handlung befindet. Die Untersuchung ist unzulässig, wenn die Maßnahme außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.
Dann heißt es weiter in Abs. 2:
Zu dem in Abs. 1 bezeichneten Zweck sind körperliche Eingriffe, wenn sie von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, oder die Entnahme von Blutproben ohne Einwilligung des zu Untersuchenden zulässig, sofern kein Nachteil für seine Gesundheit zu besorgen und der Eingriff zur Erforschung der Wahrheit unerläßlich ist. Abs. 1 Satz 2 gilt auch hier.
Der Paragraph hat noch einen dritten und vierten
Absatz. Aus dem dritten Absatz geht hervor, daß
bei Gefahr im Verzuge zu diesen Maßnahmen auch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten, also auch die Polizei, zuständig ist.
Es wird weiter gesagt, daß bei Weigerung der § 70 der Strafprozeßordnung gilt, d. h. also Strafen, unter Umständen Haftstrafen bis zu 6 Wochen, und, daß unmittelbarer Zwang nur auf Anordnung des Richters angewandt werden darf.
Meine Damen und Herren! Wir haben einen § 81a, der vom Ausschuß beschlossen worden ist in Abänderung eines Vorschlages der Regierung. Es dreht sich hier um eine neue Regelung. Die Regierung hat schon bei § 81a, bei dem es sich um körperliche Untersuchungen und körperliche Eingriffe bei Beschuldigten dreht, die Voraussetzung der Zumutbarkeit aufgestellt. Der Ausschuß hat schon bei Beschuldigten von der Zumutbarkeit gar nicht mehr geredet, und wenn man sich vergegenwärtigt, daß nicht jeder Beschuldigte auch ein Schuldiger ist und daß seine Schuld erst nachgewiesen werden muß und daß sehr viele beschuldigt sind, die nicht schuldig sind, dann muß man sagen, daß der § 81a an und für sich recht weit geht. Man muß vom Gesichtspunkt des Rechtsstaates aus schon einige Zweifel haben, ob der § 81a mit seinen Möglichkeiten des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nicht zu weit geht. Wir haben zwar diese Frage nicht aufwerfen wollen, aber was die Frage anlangt bei denen, die als „Andere Personen als Beschuldigte" bezeichnet werden, so scheint mir der Fall doch da so zu liegen, daß mit diesem § 81c das Maß des Zulässigen überschritten wird: ein Opfer irgendeines Verbrechens meinetwegen muß sich gegen seinen Willen einen körperlichen Eingriff gefallen lassen.
Der Herr Kollege Greve als Berichterstatter hat bereits in sachlicher Weise auf die verschiedenen Meinungen in diesem Punkt hingewiesen. Ich muß dem Hause dringend empfehlen, sich diesen Paragraphen, ehe es ihm zustimmt, sehr ruhig zu überlegen und sich zu fragen, ob nicht der Artikel unseres Grundgesetzes in diesem Falle verletzt wird, der das Prinzip der körperlichen Unversehrtheit aufstellt. Wenn man sagt, es kann in die körperliche Unversehrtheit nur durch Gesetz eingegriffen werden, so ist das formal-rechtlich durchaus in Ordnung. Ich halte es aber für völlig unmöglich, daß man ein Gesetz schafft, das in einer derartig weitgehenden Weise einen x-beliebigen, der gar nicht beschuldigt ist, körperlichen Eingriffen — auf dieses Wort kommt es mir besonders an — aussetzt, die in ihrer Konsequenz doch außerordentlich weit gehen können. Die Einschränkung, die darin liegt, daß ein solcher körperlicher Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu erfolgen hat, scheint mir gar keine Garantie zu sein. Denn diese „Regeln der ärztlichen Kunst" sind so dehnbare Begriffe, daß ich eigentlich einen x-beliebigen Staatsbürger einem solchen Eingriff nicht aussetzen möchte.
Meine Damen und Herren! Man hat nicht einmal in den § 81 c die Voraussetzung der Zumutbarkeit hineingebracht, die die Regierungsvorlage selbst bei dem Beschuldigten für richtig erkannt hat. Ich habe den Eindruck, daß man hier in dem an sich verständlichen Bestreben einer Beweissicherung im Strafverfahren das Maß des Zulässigen überschritten hat, daß wir uns hier, obwohl das nicht gewollt ist und obwohl die Herren Kollegen, die an dieser Sache mitgearbeitet haben, von der besten Absicht getragen waren, trotzdem objektiv auf dem Wege zum Polizeistaat befinden und uns vom Rechtsstaat sehr weit entfernen.
Es scheint mir, daß man diesen Paragraphen nur objektiv und ruhig zu lesen braucht, um zu der Überzeugung zu kommen, daß der Antrag auf Streichung dieses Paragraphen gerechtfertigt ist. Ich verzichte deshalb auf eine eingehendere Begründung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Herrn Kollegen Wagner bei dem, was er soeben gesagt hat, in vollem Umfange zu. Ich hatte meinerseits schon einen Antrag vorbereitet, der eine Einschränkung des § 81 a dahin vorsah, daß höchstens noch eine Blutprobe bei unbeteiligten Personen zugelassen werden soll. Aber das Ganze scheint mir in der Tat ein polizeistaatlicher Gedanke zu sein, der vor der Hitlerzeit bei uns überhaupt unmöglich gewesen wäre, dem lediglich durch die inzwischen verlaufene Zeit der Weg ein wenig geebnet worden ist.
— Jawohl, bei dem, was damals alles diskutiert worden ist, kam das auch vor, weil eben große Ereignisse ihren Schatten vorauswarfen. — Aber gerade nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, müssen wir besonders vorsichtig sein. Ich freue mich deshalb, daß der Antrag des Herrn Kollegen Wagner noch weiter geht als mein eigener Antrag; ich werde ihm also zustimmen.
Für den Fall, daß dieser Antrag nicht durchkommen sollte, möchte ich den Antrag empfehlen, den ich zu § 81 c stellen wollte, nämlich den Abs. 2 zu streichen und an dessen Stelle zu setzen:
Andere körperliche Eingriffe als Blutproben auf Alkohol sind zum Zwecke einer strafrechtlichen Untersuchung nur mit schriftlicher Zustimmung des Betroffenen zulässig.
Man weiß ja, wie es bei einem Strafverfahren mit der Zustimmung geht. Wenn beschlagnahmt wird, geschieht das meistens nur im freundlichsten Einvernehmen mit dem Betroffenen. Man nennt das „sicherstellen". Wenn jemand verhaftet wird, geht er grundsätzlich nur freiwillig mit. Wenn eine Haussuchung stattfindet, helfen die Einwohner der betroffenen Wohnung immer ganz freiwillig mit und freuen sich, daß der Polizeibeamte so freundlich ist, einmal nachzusehen.
Deswegen lege ich Wert darauf, daß absolut klar und sicher festgestellt wird, daß hier die echte Zustimmung des Betroffenen nötig ist. Die Frage ist von größerer Bedeutung, als wenn es sich nur um die Frage der Gesundheit handelte. Es geht auch um die Gesundheit, die natürlich durch einen Eingriff, wenn er ernsthafter wäre, dem an der Sache sonst ganz unbeteiligten Zeugen gefährlich werden könnte. Das ist richtig. Aber darüber hinaus ist sogar noch das reine Wohlbefinden, ahne daß Nachteile für die Gesundheit dabei entstehen, unter Umständen tangiert. Eine Sache kann schmerzhaft und peinlich sein, ohne daß die Gesundheit dabei berührt wird. Alles das hat man bei diesem Paragraphen nach meiner Meinung übersehen. Wenn man schon etwas regeln wollte, hätte man das besser tun müssen. Aber darüber
hinaus ist das Gut der persönlichen Freiheit und Unversehrtheit hier in einem Maße berührt, das es uns eigentlich zur zwingenden Verpflichtung macht, diesen ganzen Paragraphen zu streichen. Je länger ich über die Sache nachdenke, um so klarer wird mir: der ganze Paragraph muß fallen.
Wenn man sich den § 81 a ansieht, so fällt gegenüber der Erörterung, die bei § 81 c gepflogen wurde, als es sich um einen Nichtbeteiligten, einen Zeugen handelte, natürlich als erster Unterschied folgendes auf: daß es sich jetzt um den Beschuldigten handelt. Aber beim Beschuldigten ist die Sache folgendermaßen: Es wird in keinem zivilisierten Land vom Beschuldigten verlangt, kein Beschuldigter wird unter den Zwang gestellt, sich selber zu beschuldigen. Niemand verlangt auch nach unserer Prozeßordnung, daß er eine Aussage gegen sich selbst macht. Er hat das Recht, sich zu einer Beschuldigung zu erklären; aber er ist nicht dazu verpflichtet, geschweige denn, daß man es erzwingen kann. Hier wird er aber gezwungen, seinen Körper als Beweisstück zur Verfügung zu stellen. Auch das geht nach meiner Meinung zu weit. Wenn es sich dabei um eine bloße Besichtigung, z. B. um eine Inaugenscheinnahme handelt, wenn z. B. ein Täter auf frischer Tat betroffen wird, der verletzt worden ist, was er nun unter seinen Kleidern verdeckt, dann ist es verständlich, daß eine körperliche Untersuchung stattfindet. Das mag noch angehen.
Bei dem häufigsten Fall will ich auch noch eine Konzession machen; das ist der Fall des Alkoholgenusses bei Verkehrsdelikten. Es hat sich eingebürgert, daß in diesem Fall eine körperliche Untersuchung und Blutentnahme erfolgt, und kein Mensch empfindet das als eine besondere körperliche Beeinträchtigung. Ich gebe gern zu, daß die Praxis da eine Konzession erlaubt. Aber darüber hinaus sieht § 81 a sogar vor, daß der Beschuldigte seinen Körper nicht bloß zu Untersuchungszwecken zur Verfügung stellen muß, sondern daß er im Eilfall auf Anordnung eines Polizeibeamten einem Arzt zugewiesen werden kann, der Operationen an ihm vornehmen darf. Das geht nach meiner Meinung über die Verpflichtung des Beschuldigten, an dem Verfahren teilzunehmen, erheblich hinaus.
Ich beantrage deswegen, dem § 81 a Abs. 1 Satz 2 — Herr Präsident, ich darf bitten, das hinter Abs. 1 hinzuzufügen — folgende Fassung zu geben:
Andere körperliche Eingriffe als Blutproben auf Alkohol sind zum Zwecke einer strafrechtlichen Untersuchung nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig.
Ich bitte sodann, in Abs. 3 die Worte „bei Gefahr im Verzuge" usw. zu streichen. Es muß, wenn eine solche Untersuchung vorgenommen werden soll, immer der Richter bemüht werden. Das erfordert ,der Respekt vor der Freiheit des einzelnen auch in dem Stadium, in dem jemand sich in Untersuchung befindet, wenn er in Untersuchung gezogen wird. Der Herr Kollege Wagner hat soeben mit Recht gesagt: längst nicht jeder Beschuldigte ist schuldig. Das erfordert der Respekt vor der menschlichen Persönlichkeit und vor allen Dingen der Gedanke daran, daß man nicht weiß, wer einmal diese Bestimmung, über die wir jetzt zu beschließen haben, handhaben wird und in welchem Geiste.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Bedenken meiner Herren Vorredner, insbesondere den Bedenken des Herrn Kollegen Wagner, vollinhaltlich an. Es geht hier — ich möchte Ihre Zeit nicht länger als nötig in Anspruch nehmen— nicht einmal so sehr um die Frage der Gefährdung der Gesundheit, sondern, wie Herr Kollege Wagner mit Recht sagt, viel mehr um die Integrität des Menschen.
Wir sollen nicht einen Menschen zum Beweisobjekt machen, wenn keine zwingende Notwendigkeit dafür besteht. Wir sollen nicht das Inquisitionsverfahren einführen, wenn nicht eine zwingende Notwendigkeit gegeben ist.
Ich persönlich habe keine Bedenken gegen den § 81 c Abs. 1; denn es kann sich wirklich die Notwendigkeit herausstellen, an einem Verletzten, vielleicht an einem Unfallverletzten, Untersuchungen — nicht Eingriffe — vorzunehmen, um überhaupt zu einer Aufklärung des Tatbestandes zu kommen. Ich würde aber vorschlagen, den Abs. 2 völlig zu streichen.
Mit dem Vorschlag des Herrn Kollegen Dr. Reismann kann ich mich nicht einverstanden erklären. Ich halte diesen Vorschlag zu Abs. 2 auch nicht für erforderlich; denn wir brauchen nicht in das Gesetz hineinzuschreiben, daß ein körperlicher Eingriff mit Zustimmung des Betroffenen zulässig ist. Das versteht sich am Rande.
Meine Damen und Herren, deswegen bin ich der Meinung: wenn wir den Abs. 2 streichen und im übrigen den § 81 c nach der Vorlage beschließen, werden wir den Bedenken des Herrn Kollegen Wagner durchaus gerecht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den §§ 81 a bis c kann und darf man nicht schweigen. Es tritt hier eine Gesinnung an den Tag, die wir nach dem, was hinter uns liegt, als überwunden glaubten ansehen zu dürfen. Vor allem sind wir nicht in der Lage, dem § 81 c zuzustimmen. Bei der sorgfältigen und gewissenhaften Abwägung der Gründe für die Erforschung der materiellen Wahrheit sind die Grenzen zu beachten, die unüberschreitbar durch die in Art 1 des Grundgesetzes anerkannte Würde des Menschen gezogen sind. Ob diese als subjektives öffentliches Recht oder als Proklamation anzusehen sind, ist hier vollkommen gleichgültig.
Unsere Auffassung ist es, daß diese Grenze in § 81 c nicht eingehalten worden ist. In dieser Beziehung stimmen wir den Ausführungen des Herrn Kollegen Wagner und auch seinem Antrag, den § 81 c zu streichen, voll zu. Ebenso sind wir der Meinung, daß der Abs. 2 des § 81 a in dieser Form nicht zu halten und zu vertreten ist. Wir billigen den Antrag Dr. Reismann, der dahingeht, daß eine Anordnung der dort angegebenen Art durch die Polizeiorgane nur dann möglich ist, wenn der Betroffene zustimmt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich für eine Beibehaltung insbesondere des § 81 c aussprechen.
Er bedeutet keine Verletzung der Würde des Menschen, sondern er dient sehr wesentlich der Verteidigung eben dieser Würde des Menschen. Gegenüber der Regierungsvorlage sind die §§ 81 a und
folgende wesentlich differenziert; sie bedeuten eine
wesentliche Sicherung gegen etwaige Mißbräuche.
Besonders § 81 c stellt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit heraus und schränkt in seinem Absatz 2 die Anwendbarkeit auf die Fälle ein, in denen die objektive Wahrheit nur so und nicht anders erforscht werden kann.
Es hat nun keinen Sinn, abstrakt über diese Dinge zu sprechen, sondern man muß Beispiele geben, in denen diese Bestimmung angewendet werden kann. Nehmen Sie etwa an, es handele sich um ein schweres Vergewaltigungsdelikt. Zur Ermittlung der Wahrheit muß eine Frau untersucht werden. Möglicherweise weigert sie sich aus Scham, diese Untersuchung an sich vornehmen zu lassen. Es ist aber unbedingt notwendig, daß das Verbrechen gesühnt wird. Der Tatbestand der Vergewaltigung ist aber vielleicht nur durch eine ärztliche Untersuchung zu ermitteln. Nehmen Sie ferner Verbrechen an Kindern an, die durch Lehrer begangen worden sind. Auch hier kann es sein, daß nur eine ärztliche Untersuchung die Wahrheit an den Tag bringt, die bei einer Weigerung nicht aufgeklärt werden könnte. Ferner ist es nicht richtig, wenn behauptet wird, daß diese strafprozessualen Maßnahmen ein Ausfluß totalitärer polizeistaatlicher Gesinnung seien. Sie sind lange vor 1933, bereits um das Jahr 1930, entwickelt worden.
Ich glaube, daß man das Problem, um das es sich hier handelt, nämlich die Erforschung der objektiven Wahrheit im Strafprozeß, falsch beurteilt, wenn man einseitig von den ethischen Grundsätzen, wie sie das Grundgesetz allgemein zur Verteidigung der Würde des Menschen niedergelegt hat, ausgeht. Diese Eingriffe sind notwendig. Die Formulierung, die der Ausschuß gewählt hat, bedeutet eine sehr starke Einschränkung gegen jede denkbare Form des Mißbrauchs. Aber sie geben die Möglichkeit, die Wahrheit bei Verbrechen zu erforschen, die in überwiegendem Maße gegen die Würde des Menschen begangen werden und die gesühnt werden müssen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß leider den Ausführungen des von mir sehr hochverehrten Herrn Dr. von Merkatz widersprechen.
Herr Dr. von Merkatz führt als Beispiel an, daß, wenn jemand vergewaltigt worden ist, er sich weigern würde, eine Untersuchung an sich vornehmen zu lassen. Herr Dr. von Merkatz, Sie haben sicher eine große forensische Praxis. In diesem Falle einer Weigerung ist es doch wohl so — und es ist immer so —, daß hier der Sachverhalt anders ist, als er von
der betreffenden Zeugin dargestellt wird. Deswegen weigert sie sich.
Es ist mir bisher noch kein Fall vorgekommen, wo jemand hier Opfer eines Angriffs gegen seine Person geworden wäre und sich geweigert hätte, sich vom Gerichtsarzt untersuchen zu lassen.
— Das ist vielleicht ein so minimer Grad von
Wahrscheinlichkeit, Herr Kollege Dr. Arndt, daß
wir um dessentwillen nicht auf die Aufrechterhaltung der Bestimmung im Grundgesetz, daß die Freiheit der Person unverletzlich ist, verzichten können!
— Es handelt sich hier um die Freiheit des Willensentschlusses der betreffenden Persönlichkeit! Auch die steht in der Verfassung unter Schutz, Herr Kollege.
Vielleicht ließe sich da ein Übereinkommen zwischen den divergierenden Auffassungen erzielen, wenn nicht dieser § 81 c Abs. 3 da wäre, wenn nur der Richter über diese Maßnahmen zu entscheiden hätte. So aber entscheidet der letzte kleine Polizeiwachtmeister in der Mehrzahl aller Fälle darüber!
Damit ist für unsere Fraktion die Grenze des Erträglichen überschritten, innerhalb welcher wir noch zustimmen könnten. Wir sehen uns nicht in der Lage, diesen Bestimmungen der §§ 81 a und c zuzustimmen. Meine verehrten Damen und Herren, die Sie vielleicht diese §§ 81 a und c befürworten, denken Sie daran, daß hier durch die Willkür untergeordneter Polizeidiener jederzeit die Möglichkeit besteht, Teile der Bevölkerung zu schikanieren.
— Die besteht!
Ich will jetzt gar nicht auf den Fall zu sprechen kommen, der neulich ein süddeutsches Gericht beschäftigt hat: In einem Ort hat nämlich ein Polizeiwachtmeister reihenweise anständige Frauen verdächtigt. Diese wurden dann eingeliefert und sogar mit von der Militärpolizei verhaftet. Sie kennen ja diese Dinge. Die Frauen wurden ins Polizeigefängnis gebracht und mußten sich dort einer sehr unangenehmen Untersuchung unterziehen. Diese ist bei den betreffenden Frauen absolut negativ verlaufen. Es gibt noch Hunderte von anderen solchen Dingen. Wir möchten warnen, solche Dinge möglich zu machen. Ich muß Ihnen, Herr Kollege Greve, hier leider folgendes sagen: Die Nachteile dieser §§ 81 a und c überwiegen die Vorteile so enorm, daß ich nicht glaube, daß Juristen in diesem Hause — die sich doch der Tragweite dieser Dinge voll und ganz bewußt sein müßten — dazu ihre Zustimmung geben können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Meine Damen und Herren! Sie haben das Problem, inwieweit jemand sich Untersuchungen unterziehen muß, heute schon im Rahmen der Zivilprozeßordnung erörtert und beschlossen. In § 372 a Abs. 1 heißt es:
Soweit es in den Fällen der §§ 1591 und 1717 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder in anderen Fällen zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, hat jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung zu dulden, soweit die Untersuchung nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung, nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn oder einen der im § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen und ohne Nachteil für seine Gesundheit zugemutet werden kann.
Bei den Bestimmungen der §§ 81 a, 81 b und 81 c StPO handelt es sich um die Übertragung dieses Grundsatzes auf das Gebiet der Strafrechtspflege. Ich will nicht wiederholen, was Herr Dr. von Merkatz in überzeugender Weise ausgeführt hat. Es ist vollkommen unrichtig, anzunehmen, daß mit diesen Bestimmungen irgendeine totalitäre Staatsäuffassung vertreten wird. Das sind Dinge, die von der Kriminologie in jahrzehntelangen Erwägungen und in der Praxis erarbeitet und schon lange vor 1933 festgelegt worden sind. Diese Bestimmungen sind mit so viel Vorsicht formuliert und mit so viel Sicherheit für die Betroffenen umkleidet, daß die hier geäußerte Sorge nach meiner Meinung nicht begründet ist. Ein Eingriff muß „unerläßlich" sein. Also bei einem Giftmordversuch ergibt sich beim Opfer die Notwendigkeit der Magenaushebung. Warum soll man das nicht durchführen? Warum soll man die wichtigsten Indizien zur Überführung eines Verbrechers nicht benützen können? Ich bin der Meinung, daß das, was im Ausschuß erarbeitet worden ist, der Nachprüfung durchaus standhält.
Der § 81 a Abs. 2 ist nicht zu entbehren. Selbstverständlich muß der betrunkene Autofahrer sofort der Blutprobenuntersuchung unterzogen werden. Das muß doch notfalls die Polizei bestimmen können. Wenn man sechs Stunden wartet, bis die Entscheidung des Richters möglich ist, ist die Möglichkeit der Feststellung verlorengegangen.
Ich bin der Meinung, daß der Ausschuß hier durchaus zweckentsprechende und für die Praxis nicht zu entbehrende Bestimmungen festgelegt hat und bitte um ihre Annahme.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß ich nochmals das Wort nehmen muß, aber der Herr Minister zwingt mich dazu. Er hat ein Beispiel gebracht, das durchaus abwegig ist und nicht den § 81 c, sondern den § 81 a betrifft. Wenn ein betrunkener Autofahrer festgenommen wird, ist er Beschuldigter, und dann wird nach § 81 a verfahren. Bei § 81 c handelt es sich um andere Personen als Beschuldigte. Ich bitte, auf diese Worte Wert zu legen.
Wenn der Herr Minister weiter ausgeführt hat, wir hätten bereits dem § 372 a der Zivilprozeßordnung zugestimmt, dann hätte er bei sorgfältigem Lesen bemerken müssen, daß der § 372 a eine ganz andere Formulierung, einen ganz anderen und viel vorsichtigeren, konkretisierten Inhalt hat. Der § 372 a, der von der Rechtmäßigkeit der Blutgruppenuntersuchung ausgeht — das ist eine Frage, die ich hier nicht untersuchen will —, sagt wörtlich:
Soweit es in den Fällen der §§ 1591 und 1717 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder in anderen Fällen zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, hat jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zum Zwecke der Blutgruppenuntersuchung, zu dulden, soweit die Untersuchung nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung, nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn oder einen der im § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen und ohne Nachteil für seine Gesundheit zugemutet werden kann.
Da haben Sie also wiederum die Zumutbarkeit. Sie haben nicht einen körperlichen Eingriff irgendwelcher Art, sondern man konkretisiert. Sie haben hier die Blutentnahme zum Zwecke der Blutgruppenfeststellung festgelegt, also einen ganz konkreten Fall und keine andere Möglichkeit, in die körperliche Unversehrtheit einzugreifen, keinerlei körperlichen Eingriff, nicht diese weite und außerordentlich gefährliche Formulierung, wie sie der § 81 c aufweist.
Schließlich hat der Herr Kollege Neuburger eben mit Recht auf folgenden Gesichtspunkt hingewiesen.
— Der Herr Kollege hat ebensowenig gesprochen, wie der Herr Kollege Weber vorhin gesprochen hat, auf den Sie Bezug genommen haben. Ich folge also Ihrem Beispiel, sehr verehrter Herr Kollege! — Der Herr Kollege Neuburger hat ganz richtig folgenden Einwand gebracht. Er hat gesagt: Wenn zwischen den Eheleuten irgendein Streit war und die Frau verletzt worden ist — manchmal kommt es ja auch anders vor —,
dann kann sie oder er, je nachdem, wer verletzt ist, das Zeugnis verweigern. Nach § 81 c hat der Verletzte, sei es die Frau, sei es der Mann, keinerlei Möglichkeit, sich dem zu entziehen, sondern er wird gezwungen, und auf Grund unmittelbarer Zwangsmaßnahmen, die der Richter anordnet, kann die Untersuchung vorgenommen werden. Das ist also ein Widerspruch in sich selbst.
Ich möchte mich auf diese kurzen. Ausführungen, zu denen der Herr Minister mich veranlaßt hat, beschränken.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen also zur Abstimmung über Ziffer 29. Ich glaube, wir stimmen am besten ab nach den einzelnen Abschnitten des § 81 a, mit dem sich die Vorlage beschäftigt.
— Abänderungsanträge beziehen sich nicht auf einzelne Sätze, sondern auf einzelne Abschnitte. Ich glaube, unter diesen Umständen können wir doch wohl abschnittweise abstimmen.
— Herr Abgeordneter Loritz zur Geschäftsordnung!
Ich mache diesen Vorschlag deswegen, weil wir dem Satz 1 von § 81 a zur Not zustimmen können, nicht aber dem Satz 2. Das ist die Auffassung eines großen Teiles des Hauses!
Zunächst liegt zu § 81 a Absatz 1 der Abänderungsantrag Dr. Reismann und Fraktion vor.
— Gut! Wir stimmen dann satzweise ab, zunächst über § 81 a Abs. 1 Satz 1. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Zweifellos die Mehrheit; er ist angenommen.
Zu Satz 2 liegt der Abänderungsantrag Dr. Reismann vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Ich kann die Anträge doch nicht immer wieder vorlesen.
— Die Anträge sind von den Antragstellern ja mehrfach verlesen worden!
— Darüber werden wir uns überhaupt im Ältestenrat unterhalten müssen. Das ist ja ein unmögliches Verfahren.
Der Antrag Reismann lautet:
Andere körperliche Eingriffe als Blutproben auf Alkohol sind zum Zwecke einer straf rechtlichen Untersuchung nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig.
— Hier im Text steht nur „Zustimmung". Wollen Sie also „schriftlicher" hinzugefügt haben?
Wer für den Antrag Reismann ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über § 81 a Abs. 1 Satz 2 ab.
— Hier war übereinstimmend die Überzeugung,
daß das letztere die Mehrheit war und damit der Antrag abgelehnt ist.
— Natürlich, der Vorstand hat das Ergebnis der Abstimmungen zu bestimmen, und Anzweiflungen aus dem Hause gibt es nach der Geschäftsordnung nicht.
Wir stimmen also über § 81 a Abs. 1 Satz 2 ab. Wer für die Fassung der Vorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu § 81 a Abs. 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
§ 81 b. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Zu § 81 c liegt der Abänderungsvorschlag der SPD vor, diesen Paragraphen zu streichen. Ich bitte diejenigen, die für die Streichung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; damit ist die Streichung des § 81 c beschlossen.
Ich rufe weiter auf § 81 d. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe weiter auf Ziffer 30, — 31, — 32, — 33, —34, — 35, — 36, — 37, — 38, — 39, — 40, — 41, —
42, — 43, — 44. Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die für die Annahme sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Ziffer 44 a. Dazu hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann das Wort.
Ich beantrage, in § 136 in Abs. 1 am Ende einzufügen:
Der Beschuldigte ist dahin zu belehren, daß er die Aussage zu verweigern berechtigt ist. Aussagen, die ohne diese Belehrung gemacht werden, dürfen nicht verwendet werden. Der Nachweis der Belehrung ist nur durch das Protokoll möglich.
Diese Ergänzung scheint mir nicht nur nach den Erfahrungen unserer Vergangenheit notwendig, sondern auch nach den Erfahrungen bewährt, die wir mit der englischen und amerikanischen Praxis bei Vernehmungen gemacht haben. Anwälte, die in der Praxis der Strafprozesse stehen, wissen, in welchem Maße vom Zufall und der mehr oder minder zulänglichen oder unzulänglichen Ausbildung der Polizeibeamten das Ergebnis der ersten Protokolle abhängt. Die Angeklagten — in diesem Stadium also noch die Beschuldigten — sind sich im allgemeinen gar nicht bewußt, daß sie das Recht haben, gegenüber diesen Beamten, denen sie sehr oft gar kein Vertrauen entgegenbringen, die Aussage zu verweigern, daß sie überhaupt nicht gezwungen sind, auszusagen, sondern daß sie gefragt werden sollten, o b sie etwas erwidern wollen, und daß es in ihrem Ermessen steht, ob sie etwas antworten wollen. Ich habe oft erlebt, daß die Männer und Frauen, die beschuldigt waren und aussagten, hinterher mit dem Protokoll nicht einverstanden waren. Auf ihren Protest hat man gesagt: Das ist schon richtig so, das mußt du unterschreiben. — Wenn dann die Leute nach ihrer Unterschrift Bedenken hatten und zurückgingen und die Unterschrift gestrichen haben wollten, hat man gesagt: Erstens, das geht nicht, das steht nun einmal da, und zweitens: Das kannst du später vortragen, gehe mal zu deinem Verteidiger, oder: Du bekommst nächstens noch mit dem Staatsanwalt oder Richter zu tun, da kannst du das vorbringen.
Das sind Dinge, die ich aus persönlicher Erfahrung kenne. Das gibt mir Veranlassung, eine ausdrückliche Belehrung zu verlangen. Man wird mir vielleicht erwidern: dies könnte zur Folge haben, daß dann die Polizei nicht mehr voranmachen könne, daß sie keine Erfolge mit den Vernehmungen hätte. Wie man in den angelsächsischen Ländern erlebt hat, trägt das gar nicht zu einer Verschleppung oder Erschwerung des Verfahrens bei. Die angelsächsische Polizei sowohl in England wie in Amerika kommt damit ganz gut zurecht und hat gute Ergebnisse erzielt. Unsere bisherige Polizeimethode müßte abge-
schafft werden, und sie könnte am besten durch die Vorschrift abgeschafft werden, daß die Beschuldigten ausdrücklich auf ihr Recht hingewiesen werden müssen, daß sie die Aussage verweigern können; sie müßten auf die Freiwilligkeit einer Aussage aufmerksam gemacht werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Auf die Gefahr hin, daß mir mein Vorredner, Herr Kollege Reismann, böse ist, muß ich sagen, daß ich es für das ganze Haus doch als ein tragisches Schicksal empfinde, daß Herr Kollege Reismann in Amerika war.
Ich muß gestehen, daß sicherlich einiges von dem richtig ist, was der Herr Kollege Reismann sagte; aber ich bin doch persönlich außerstande, zu Anträgen, die mir nicht schriftlich vorliegen, abschließend Stellung zu nehmen, wenn sie eine so ernste Materie betreffen. Das mag mir Herr Kollege Reismann nicht übelnehmen. Ich glaube, daß niemand von uns im Augenblick solche Abänderungsanträge, die nur einmal hier verlesen werden, in ihrer ganzen Bedeutung übersehen kann.
Ich kann deswegen zu diesem Antrag auch nicht Stellung nehmen und muß die Ablehnung beantragen, weil ich gar nicht weiß, welche Konsequenzen es hat, wenn ich diesem Antrag zustimme. Es muß dann vorbehalten bleiben, daß wir
solche Anträge vielleicht im Wege einer Novelle aufnehmen. Ich glaube, daß wir hier nicht die Arbeit des Rechtsausschusses fortsetzen können. Wir kommen sonst mit einem solchen Gesetz niemals zu einem Abschluß. Der Herr Kollege Reismann möge dafür Verständnis haben; es ist keine Schulmeisterei. Aber ich glaube, er sollte mit der Stellung solcher Anträge, die nicht einmal gedruckt sind, doch etwas zurückhaltender sein.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Ich wollte dasselbe sagen, was mein Freund von Brentano eben gesagt hat, möchte nun aber noch etwas aus der Erfahrung und den Beschlüssen des Rechtsausschusses dazu sagen.
Wir waren uns im Rechtsausschuß darüber einig, daß wir keine große Justizreform machen.
Was der Herr Kollege Reismann hier macht, ist ja der Versuch zu einer großen Justizreform. Meine Damen und Herren, so geht es nicht!
Das sind Dinge von größter Bedeutung, die nicht durch einen mehr oder weniger temperamentvoll vorgetragenen Antrag erledigt werden können. Ich muß also auch den Appell an Sie richten, bei den Grundsätzen zu bleiben, auf die sich der Rechtsausschuß bei seiner Arbeit gestellt hat.
Herr Kollege Dr. Reismann, wir alle hätten un- g endlich viel zu sagen und unendlich viele Anträge zu stellen. Diese haben wir in petto für die Zeit behalten, in der wir eine große Justizreform machen.
Ich schließe mich den flehentlichen Bitten meines Fraktionsfreundes von Brentano an und bitte Sie, ein wenig abstinenter zu sein.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich verlese nun noch einmal den Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Reismann, da ich den Eindruck habe, daß der von ihm vorgetragene Text nicht mit dem übereinstimmt, der mir hier schriftlich vorliegt.
Ich habe hier folgenden Text:
Der Beschuldigte ist dahin zu belehren, daß er die Aussage verweigern kann. Aussagen, die ohne diese Belehrung gemacht sind, dürfen nicht verwendet werden. Der Nachweis der Belehrung ist bei protokollierten Aussagen nur durch eine Unterschrift des Beschuldigten möglich.
Entspricht das Ihrem Antrag?
Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit, der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt also über die Nr. 44 a in der Fassung des Ausschußvorschlages ab. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf — —
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Kohl.
Meine Damen und Herren! Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.
Meine Damen und Herren! An sich ist eine Bezweiflung der Beschlußfähigkeit nur während einer Abstimmung möglich. Aber da wir gleich zu einer Abstimmung kommen, — —
Sie hätten diesen Antrag zur Abstimmung stellen können; aber das ist nur eine formelle Seite der Sache.
Ich unterbreche die Sitzung auf 10 Minuten.
Wir setzen die Sitzung um 20 Uhr 35 Minuten fort.
Die Sitzung wird um 20 Uhr 36 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Beratung und Abstim-
mung fort. Nach übereinstimmender Auffassung des Vorstandes besteht nunmehr die Beschlußfähigkeit des Hauses wieder.
Zur Beschleunigung der Abstimmung werde ich jetzt summarisch verfahren und immer eine Reihe von Ziffern gleichzeitig aufrufen. Falls dann Abänderungsanträge aus dem Hause gestellt sind, bitte ich, mir das durch Zuruf kenntlich zu machen. Es ist nicht genau feststellbar, welche Anträge im Laufe des Tages neu eingegangen sind, da sie in dem Abstimmungsexemplar nicht eingeheftet sind.
Ich rufe also auf die Ziffern 45 bis 57 auf Seite 48 und 49. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Ziffer 58 auf Seite 50. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Zu Ziffer 59 liegt der Antrag der KPD — Drucksache Nr. 1239 — auf Streichung der Ziffer 59 vor. Ich bitte diejenigen, die für diesen Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die für Ziffer 59 in der vorgesehenen Fassung sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf die Ziffern 60 bis 66 auf Seite 50 und 51. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die Ziffern 67 bis 77 auf Seite 52 und 53.
— Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Greve. Zu welcher Ziffer, Herr Abgeordneter?
Zu Ziffer 70!
Zur Ziffer 70 hatte ich für den Ausschuß den Antrag gestellt, folgende Fassung des § 197 Abs. 1 anzunehmen:
Erachtet der Untersuchungsrichter den Zweck der Voruntersuchung für erreicht. so übersendet er die Akten der Staatsanwaltschaft zur Stellung ihrer Anträge.
Ich bitte, den § 197 Abs. 1 in dieser Fassung anzunehmen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Greve gehört. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit. Damit ist dieser Abänderungsantrag angenommen.
Ich habe nun noch die Abstimmungen über die Ziffern 67, 68, 68a und 69 nachzuholen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann die Ziffern 71 bis 77 auf. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Ich bitte diejenigen, die für Annahme sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Auf den Seiten 54 und 55 rufe ich auf die Ziffern 78 bis 90. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die für Annahme der Ausschußvorlage sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Auf den Seiten 56 und 57 rufe ich die Ziffern 911 bis 102 auf.
— Also, meine Damen und Herren, es liegt ein Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Reismann vor, bei Ziffer 97 das Wort „übereinstimmenden" zu streichen. Das finden Sie in der Zeile 4 der Ziffer 97. Ich bitte diejenigen, die für den Abänderungsantrag Dr. Reismann sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Weitere Abänderungsanträge sind innerhalb der Ziffern 91 bis 102 nicht vorgebracht. Ich bitte diejenigen, die für Annahme der Ausschußfassung sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Auf Seiten 58 und 59 rufe ich die Ziffern 103 bis 110 auf. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die für Annahme sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seiten 60 und 61: Ziffer 111 bis § 282 c.
— Bis Ziffer 122! Ich bitte diejenigen, die für Annahme sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seiten 62 und 63, Ziffern 122 a bis 131. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die für Annahme sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seiten 64 und 65, Ziffern 132 bis 144. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seiten 66, 67 und 68, Ziffern 145 bis 160. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für Annahme ist, bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seiten 69 und 70, Ziffern 160 a bis 163. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seiten 70 und 71, Ziffern 163 a bis 179. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seiten 72 und 73, Ziffern 179 a bis 185 b. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Artikel 4. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Artikel 5. Wer für Annahme ist. den bitte ich. die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Artikel 6. Wer für Annahme ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Artikel 7. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seite 79, Artikel 8. Meine Damen und Herren, in Ziffer I muß eingesetzt werden „Das Gesetz tritt am 1. Oktober 1950 in Kraft". Das Datum ist noch nicht ausgefüllt gewesen. Wer mit dieser Ergänzung für Artikel 8 einverstanden ist, den bitte ich,
die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Seite 88, Artikel 9. — Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wer für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Laforet.
Meine Damen und Herren, rein geschäftsordnungsmäßig! Ich darf annehmen, daß es Ihr Wunsch ist, daß, wenn Sie im Wiederherstellungsgesetz eine Bestimmung angenommen haben, sie auch für die drei Anlagen gelten soll.
Die Anlagen sind selbständige Bestandteile einer Gesamtvorlage, wie ich die Ehre hatte, Ihnen das vorzutragen, und sind formell von uns zu bestätigen. Ich darf Ihre Zustimmung annehmen.
Meine Damen und
Herren! Sie haben den Vorschlag des Herrn Abgeordneten Dr. Laforet gehört. Es ist kein Widerspruch erfolgt. Ich stelle also Ihre Zustimmung dazu fest.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zurück zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes Tiber Darlehen zum Bau und Frwerb von Handelsschiffen ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (Nr. 1200 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Bucerius. Ist Herr Dr. Bucerius nicht anwesend?
Meine Damen und Herren, wir sehen inzwischen über zu Punkt 10 unserer Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Personalausweise ;
Nach eingehender Diskussion hat die Mehrheit des Ausschusses folgenden Standpunkt vertreten:
a) wenn Neureeder Kapital besitzen, sind sie auch in der Lage, die Differenz von 20 % aufzubringen;
b) auf solchem Kapitalzuschuß der Neureeder müsse man bestehen, um spekulative Versuche von vornherein auszuschließen. Die sehr knappe Kapitaldecke zwinge, die vorhandenen Mittel vor allem denen anzuvertrauen, von denen auf Grund ihrer früheren Tätigkeit erwartet werden könne, daß sie die ihnen anvertrauten Mittel sachgemäß verwalten werden. c) Eine Monopolgefahr bestehe angesichts der großen Zahl der bereits vorhandenen Reeder, übrigens einschließlich der Flüchtlingsreeder, nicht. Abstimmungsergebnis: 14 zu 6 für die Regierungsvorlage.
Drittens: § 9 Abs. 1 Ziffer 1 des Ihnen vom Ausschuß vorgelegten Entwurfs enthält nur eine redaktionelle Abänderung.
Ziffer 2, neugefaßt vom Ausschuß, will die Regierung noch einmal ausdrücklich auf die an sich von ihr nicht bestrittene Notwendigkeit hinweisen, die gewährten Darlehen mit allen möglichen Mitteln kommerziell zu sichern.
Wichtig — und neu — ist § 9 Abs. 2, den ich Ihnen vorlesen darf:
Vor der Vergebung eines Wiederaufbaudarlehens und vor der Erteilung einer Genehmigung nach § 8 ist ein Beirat zu hören, der aus je einem Vertreter der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein - Westfalen und Schleswig-Holstein besteht.
Ohne die Mitwirkung dieser im § 9 Abs. 2 genannten Länder wäre nach der Auffassung des Ausschusses das, was bisher in Deutschland seit 1945 auf dem Gebiete des Schiffbaues geleistet worden ist, nicht möglich gewesen. Es erschien daher dem Ausschuß angemessen, diesen Ländern auch bei der zukünftigen Verteilung der dem Schiffbau vom Staate zur Verfügung gestellten Mittel einen angemessenen Einfluß einzuräumen.
Zusatzantrag der SPD zu diesem Punkte: auch Vertreter der Wirtschaft dem Ausschuß hinzuzufügen, und zwar je einen Vertreter der Reeder und Werften und zwei Mitglieder der Gewerkschaften. Die Mehrheit des Ausschusses war jedoch der Auffassung, daß diese Beteiligten der Wirtschaft die Stellung von Interessenten haben und als Interessenten von der Verwaltung genau getrennt werden müssen. Es könnten bedenkliche Interessenkonflikte zwischen den 'Vertretern der Wirtschaft, der Reeder und der Gewerkschaften auf der einen Seite und den sachlichen Interessen der Länder und der Verwaltung auf der anderen Seite entstehen. Außerdem wären die Vertreter der Gewerkschaften, der Reeder und der Werften unter Umständen in der Lage, über Anträge von Konkurrenten zu entscheiden. Eine solche Interesseneinflußnahme sei unerwünscht. Aus diesem Grunde ist es bei der Ihnen vom Ausschuß vorgelegten Fassung geblieben. Abstimmungsergebnis: 6 zu 8.
Ich danke Ihnen.
Ich danke meinerseits dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Meyer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat den Entwurf eines Gesetzes über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen in ungewöhnlich kurzer Zeit bearbeitet, womit er sich wohltuend abhebt von der Verwaltung, die zur Vorlage dieses Gesetzes eine so lange Zeit gebraucht hat. Es scheint mir zweckmäßig zu sein, darauf hinzuweisen, daß wir in den Ausschußberatungen immer wieder unter Zeitdruck gesetzt werden — was wir nicht wünschen, während die Regierung, die beteiligten Ministerien, zur Aufstellung und Aushandlung solcher Gesetzentwürfe und zu Besprechungen zwischen den Referenten der verschiedenen Ministerien eine verhältnismäßig lange Zeit für sich in Anspruch nehmen.
Meine Fraktion hat sich aber nicht der Notwendigkeit verschlossen, dabei mitzuwirken, daß dieser bedeutsame Gesetzentwurf nun schnellstens verabschiedet werden kann. Wir haben daher an diesem Entwurf im ganzen positiv mitgearbeitet bis auf einige Punkte, die der Herr Berichterstatter bereits erwähnt hat. Immerhin bedauern wir, daß mit diesem Gesetz eigentlich nur die formelle Grundlage geschaffen wird, die die Bundesregierung berechtigt, die notwendigen Voranschläge für die Bereitstellung von Mitteln aufzustellen. Wir hätten gewünscht, daß dieser Gesetzentwurf betreffend den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte bereits ein Programm darstellte und uns etwas darüber sagte, wie die Bundesregierung nicht nur heute, sondern auch morgen, d. h. in den folgenden Jahren, sich die praktische Förderung des von allen Seiten für notwendig gehaltenen Neubaus einer deutschen Handelsflotte vorstellt. Wir sehen in diesem Gesetzentwurf also nur eine erste Station. Die Aufstellung eines weiterreichenden Programms, also eines über ein Jahr hinausgehenden Programms, ist aus zwingenden wirtschaftlichen und arbeitspolitischen Gründen notwendig. Wir möchten deshalb bei dieser Gelegenheit den dringenden Wunsch äußern, daß die Bundesregierung Veranlassung nimmt, uns in kurzer Zeit ein solches Programm, auch hinsichtlich der Finanzierung — ähnlich wie das bei dem Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaus geschehen ist —, vorzulegen.
Nicht einverstanden sind wir damit — der Herr Berichterstatter erwähnte es bereits —, daß der Wiederaufbau im wesentlichen nur für die sogenannten Altreeder gefördert werden soll. Es gibt außer den Gründen, die der Herr Berichterstatter aus der Diskussion angeführt hat, noch einige andere, vor allen Dingen den Grund, meine Herren von der Rechten, der für Sie doch besondere Bedeutung haben muß, daß die Konkurrenzfähigkeit nur gefördert werden kann, wenn Unternehmer angeregt werden, sich auf dem Gebiete des Neubaus von Handelsschiffen einzuschalten oder sich als Reeder zu betätigen. Wir müssen die Konkurrenzfähigkeit neuer Unternehmer gegen die überlieferten Unternehmen gestatten, bei denen ja doch mancherlei zu wünschen übrigblieb. Der Einwand, damit eröffne man allzuleicht die Möglichkeit für eine spekulative Betätigung, kann nicht ernst gemeint sein, wenn man daran denkt, daß über jeden Antrag auf Gewährung eines Wiederaufbaudarlehens von den zuständigen Stellen der Bundesre-
gierung entschieden werden muß, was ja ausdrücklich vorgesehen ist. Man hat es also durchaus in der Hand, solche spekulativen Elemente auszuschalten. Es gibt zweifellos eine Reihe von Gründen, neuen Reedern die Möglichkeit zur Betätigung zu gewähren.
Meine verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf regelt die Beteiligung der Bundesrepublik in der Form der Gewährung von Darlehen. Damit wird nicht entschieden, ob, auf die Dauer gesehen, die Förderung des Wiederaufbaues in dieser Weise möglich sein wird. In anderen Ländern Europas haben wir genügend Beispiele dafür, daß man den Wiederaufbau und den Neubau der Handelsflotte subventioniert hat, weil man dort glaubte, die erhöhten Baukosten im Hinblick auf die. Wirtschaftlichkeit einer Handelsflotte nicht berücksichtigen zu können. Wenn Sie also etwa unterstellen, daß echte Schwierigkeiten nicht nur kapitalpolitischer Natur in der Beschaffung der erforderlichen Finanzierungsmittel bestehen, sondern daß darüber hinaus — und der Gesetzgeber will ja mit diesem Entwurf die Möglichkeit schaffen — auch Zins- und Tilgungsbeträge gegebenenfalls erlassen werden, daß also nachträglich eine gewisse Subvention erfolgt, wenn Sie diese Möglichkeit ins Auge fassen, daß eine vorhandene Baukostenteuerung im wirtschaftlichen Betrieb nicht unterzubringen ist, dann besteht die gleiche Berechtigung für neue Reeder, daß sie im gleichen Maße an der Erlangung von Baudarlehen beteiligt werden, wie sie für Altreeder gegeben ist.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den Änderungsantrag der Drucksache Nr. 1234 eingebracht, mit dem einmal in § 1 die Klarstellung erfolgen soll, daß zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen Mittel des Bundes als Darlehen gegeben werden. Das ergibt sich aus der Fassung des § 1 nach den Ausschußberatungen nicht.
In unserem Änderungsantrag wird weiter beantragt, dem § 2 eine völlig neue Form zu geben, im wesentlichen dahingehend, daß derjenige Wiederaufbaudarlehen bekommen kann, der ein Seeschiff nach dem 31. August 1939 verloren hat, und daß sonstige natürliche und juristische Personen Aufbaudarlehen erhalten können. Das sind also die sogenannten Neureeder, wie man sie in der Ausschußdiskussion bezeichnet hat.
Schließlich hat meine Fraktion zu § 9 Abs. 2 ihren in den Ausschußberatungen bereits gestellten Antrag formuliert wiederholt, wonach beim Bundesminister für Verkehr ein Ausschuß gebildet werden soll, der a) den Herrn Bundesminister für Verkehr als Vorsitzenden hat, b) die jetzt im § 9 Abs. 2 der Ausschußfassung vorgesehenen fünf Vertreter der beteiligten Landesregierungen, aber c) auch je einen Vertreter des Verbandes Deutscher Schiffswerften, einen Vertreter des Verbandes deutscher Reeder und schließlich selbstverständlich dann auch zwei Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Meine Damen und Herren! Vom Herrn Berichterstatter ist unter Bezugnahme auf die Diskussion im Ausschuß gesagt worden, man habe Bedenken dagegen gehabt, die Interessenten hier unmittelbar mitwirken zu lassen. Ich glaube, dieses Bedenken kann kein ernsthaftes Bedenken sein. Denn es ist für die deutsche Öffentlichkeit, der für die Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel Rechenschaft geschuldet wird, erträglicher, daß in einem Ausschuß, der unter einer gewissen öffentlichen Kontrolle steht, die Interessenvertreter ihre
Wünsche und ihre Stellungnahme vortragen, als
daß sie das hinten herum bei den Referenten des Ministeriums machen, ohne daß die Öffentlichkeit die Möglichkeit der Kontrolle hat.
Meine Damen und Herren! Ich darf im übrigen auch darauf hinweisen, daß dieser Ausschuß ja etwa in dieser Form mitwirken würde, wenn der Herr Bundesverkehrsminister den von ihm beabsichtigten großen Seeverkehrsbeirat hätte. Dann würde selbstverständlich die Mitwirkung dieses Seeverkehrsbeirates an dieser Stelle vorgesehen sein. Nur die Tatsache, daß er noch nicht da ist und seine Bildung
— sofort bin ich fertig, Herr Präsident — erst demnächst erfolgt, hat diese Zwischenlösung gefördert.
Es ist aber ja gar nicht einzusehen, warum in dieser Zwischenlösung dann nicht denjenigen Personen-
und Wirtschaftsgruppen eine Vertretung eingeräumt
sein soll, die im Seeverkehrsbeirat vertreten wären.
Ich möchte Sie zusammenfassend bitten, meine Damen und Herren, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Den Herrn Bundesverkehrsminister möchte ich bitten, mit besonderer Beschleunigung besorgt zu sein, daß die in Aussicht gestellten Mittel schnellstens den Küstenländern, die die Vorfinanzierung bis jetzt betrieben haben, zur Verfügung gestellt werden können, damit der Schiffbau nicht an der Grenze der Vorfinanzierungsmittel endet, die die Länder zur Verfügung stellen konnten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Bereits bei der ersten Lesung habe ich namens meiner Fraktion davon gesprochen, daß auch wir Kommunisten nicht grundsätzlich dagegen sind, daß Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden, um Handelsschiffe zu bauen, um den Werften Arbeit und den Werftarbeitern, den Technikern, Ingenieuren und Facharbeitern und sonstigen dort beschäftigten Menschen Lohn und Brot zu geben. Ich habe aber bei der damaligen Stellungnahme auch zum Ausdruck gebracht, daß wir Kommunisten nicht bereit sind, ohne bestimmte Bedingungen, die in dem Gesetz festzuhalten sind, unsere Zustimmung dem Gesetz zu geben.
Ich habe damals schon darauf hingewiesen, daß es notwendig ist, daß vor allem die Gewerkschaften dabei mitzubestimmen haben, wer den Kredit bekommen soll, damit nicht unlautere Elemente Sonderprofite aus diesen Kreditmitteln ziehen. Wenn ich jetzt die aus dem Ausschuß gegebene Vorlage betrachte, dann heißt es in dem neuen Teil dieser Vorlage, der unter Ziffer uns vorliegt, folgendermaßen:
Vor der Vergebung eines Wiederaufbaudarlehens und vor der Erteilung einer Genehmigung nach § 8 ist ein Beirat zu hören, der aus je einem Vertreter der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein besteht,
Das ist absolut ungenügend und entspricht nicht jenem Versprechen, -das der Herr Verkehrsminister hier bei der ersten Beratung gemacht hat. Denn da hat er angedeutet, daß man selbstverständlich auch Männer aus der Wirtschaft
und aus den Gewerkschaften mit heranziehen will. Davon ist in diesem entscheidenden Abschnitt nicht ein einziges Wort enthalten.
Deshalb sehen wir uns verpflichtet, einen Abänderungsantrag zu diesem Absatz einzubringen und diesen Absatz wie folgt zu fassen:
Abänderungsantrag zum Beschluß ,des 27.
Ausschusses, Drucksache Nr. 1018.
Der Bundestag wolle beschließen:
Ziffer erhält folgende Fassung:
Vor der Vergebung eines Wiederaufbaudarlehens und vor der Erteilung einer Genehmigung nach § 8 ist ein Beirat zu bilden, der aus Vertretern der Gewerkschaften und je einem Vertreter der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein besteht und der über die Gewährung von Darlehen mitzubestimmen hat.
Das ist etwas wesentlich anderes und entspricht der Forderung, die ich bei der ersten Beratung hier bereits gestellt habe. Das ist notwendig.
Ich will nur einen Fall anführen, der mir zu Ohren gekommen ist. Da ist ein gewisser Herr Eßberger in Hamburg, der auch einen Reedereibetrieb führt, der auch ein neues Schiff bauen will. Dieser Herr Eßberger war ehemaliger Nazisenatsrat in Hamburg und ist erst Reeder geworden während der Hitlerzeit, während des Krieges. Wir sind der Meinung, nachdem wir erfahren haben, daß solche Elemente wieder drauf und dran sind, auch jetzt wieder neue Sonderprofite zu machen, daß sehr große Vorsicht am Platze ist. Und die ist nicht gegeben, wenn nicht die Gewerkschaften das Mitbestimmungsrecht in diesem Gremium haben, wie es hier vorgeschlagen wird.
Ich bin mir gewiß darüber, daß man in diesem Hause nicht bereit ist, diesem unserem Antrag zuzustimmen. Lehnt man ihn aber ab, sind wir nicht bereit, der Vorlage zuzustimmen, weil wir nicht bereit sind, die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Notwendigkeit des Wiederaufbaues der deutschen Seeschiffahrt aus wirtschaftlichen und auch aus sonstigen Gründen ist hier schon so viel gesagt worden, daß wir uns, glaube ich, irgendwelche weiteren Deklarationen ersparen können, sondern lediglich auf die materielle Seite des Gesetzes einzugehen haben.
Der Herr Berichterstatter hat in so vorzüglicher Weise die Arbeit , des Ausschusses und die Beschlüsse erwähnt, daß ich mich darauf beschränken kann, auf einige Dinge noch einzugehen, um mich dann dem SPD-Antrag zuzuwenden.
Notwendig scheint mir zu sein, immer wieder darauf hinzuweisen, daß in den §§ 1 und 2 eine Kannvorschrift niedergelegt ist. Es soll also nicht mißverstanden werden, daß es sich hier etwa um eine Vorwegnahme von Kriegsentschädigungen handelt, sondern diese Kannvorschrift besagt, daß nach allgemein gültigen Grundsätzen zum Wiederaufbau der deutschen Seeschiffahrt die Entscheidungen des Bundesverkehrsministeriums für die zu vergebenden Darlehn unter Anhörung des im Gesetzentwurf vorgesehenen Beira tes vorgenommen werden.
Eine besondere Rolle spielt in dieser Auseinandersetzung die Frage: nur Altreeder oder auch Neureeder. Der ursprüngliche Entwurf hatte nur Altreeder vorgesehen. Es war ein Vorschlag des Bundesrates, Neureeder mit einer Darlehnshergabe von 20 % zu berücksichtigen. Der Herr Berichterstatter hat in völliger Übereinstimmung mit der Auffassung meiner Fraktion sehr richtig darauf hingewiesen, daß das spekulative Element gerade auf dem Gebiete der Seeschiffahrt eine unerträgliche Erscheinung wäre, die dem Wiederaufbau der deutschen Schiffahrt nur schaden könne. Die Seeschiffahrt ist eben nicht einfach mit irgendeiner anderen Betätigung zu vergleichen; es gehört schon eine jahrzehntelange Erfahrung dazu; es gehört ein good will dazu in der ganzen Welt, und es gehören die erforderlichen internationalen Beziehungen und Kenntnisse dazu, um eine wirklich leistungsfähige Seeschiffahrt wieder aufzubauen.
Darf ich mich dann in Kürze dem Änderungsantrag der SPD zuwenden. Meine Damen und Herren, ein Bundesgesetz behandelt doch selbstverständlich Mittel des Bundes, und ich weiß nicht, warum in § 1 ausdrücklich noch gesagt werden soll: Mittel des Bundes.
Der § 2 des Antrags zielt darauf ab, den § 4 des Entwurfs zu beseitigen. Der § 4, über den ich eben gesprochen habe, handelt von der Gleichstellung derjenigen, die in dieses Neuland der Reedereitätigkeit hineingehen wollen. Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP kann nicht dieser Auffassung folgen, auch dann nicht, wenn sich einige Länder in dem einen oder anderen Fall in dieser Hinsicht bereits präjudiziert haben; dann hätten sie eben die endgültige Fassung des Gesetzes abwarten müssen.
Abschließend möchte ich zu der Frage des Beirates noch einmal folgendes sagen: Die Vertreter der deutschen Schiffswerften und auch die Vertreter des Verbandes Deutscher Reeder lehnen es ausdrücklich ab, an diesem Beirat beteiligt zu sein, nämlich wegen der sicherlich auftretenden Komplikationen. Sie wissen, es handelt sich insgesamt um 5 Länder, die wir in den Beirat ausdrücklich hineingenommen haben, auch bewußt Nordrhein-Westfalen, weil wir wissen, daß dieses ein Interesse daran hat, seine Rhein-und Seeschiffahrt wieder aufzubauen. Aber die Hereinnahme von Interessenvertretern in diesen Beirat würde zu ungewöhnlichen Komplikationen führen. Darum ist auch der Ausschuß in seiner überwiegenden Mehrheit zu dieser Auffassung gekommen. ich kann Ihnen bekanntgeben, daß bereits am 3. August darüber verhandelt werden wird, wie man den Seeverkehrsbeirat, von dem Kollege Meyer sprach, aufbaut. Dort werden die Interessentenvertreter vertreten sein; ob sie allerdings nachher im Rahmen des Seeverkenrsbeirats die Aufgabe haben, über die Darlehen im einzelnen zu beraten, das erscheint mir im Augenblick zweifelhaft. Aber ein solcher Seeverkehrsbeirat, den auch wir wünschen und begrüßen, hätte durchaus die Möglichkeit, diese Dinge aus der großen Linie her mit zu beobachten.
Es ist dann noch eine Kritik laut geworden, warum in dem Gesetz nicht auch schon ein Be-
trag für das erste Jahr genannt worden ist. Ich glaube, wenn wir einen Betrag eingesetzt hätten, dann hätten wir die Verabschiedung dieses Gesetzes weiterhin erheblich verzögert. Im außerordentlichen Etat sind 100 Millionen vorgesehen, und es wird durchaus die Möglichkeit bestehen, durch entsprechende Vereinbarungen zwischen dem Bundesverkehrsministerium, dem Haushaltsausschuß usw. für eine möglichst schnelle Abdeckung der Vorfinanzierung durch die Länder zu sorgen. Das scheint mir unbedingt notwendig zu sein, damit die Länder, die diese Opfer gebracht haben, so schnell wie möglich wieder in den Besitz der verauslagten Gelder kommen.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich Sie im Auftrage meiner Fraktion abschließend bitten, die Abänderungsanträge der SPD abzulehnen und das Gesetz so anzunehmen, wie es der Ausschuß für Verkehrswesen mit überwiegender Mehrheit beschlossen hat.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ahrens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die volkswirtschaftliche Bedeutung der der Seeschiffahrt für Deutschland ist wohl allen Mitgliedern 'dieses Hauses klar. Es ist schon viel darüber gesprochen worden, so daß ich keine weiteren Worte mehr zu verlieren brauche. Angesichts dieser Bedeutung der Seeschiffahrt begrüßen wir das uns vorliegende Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen und hoffen, daß es zu seinem Teil zum Wiederaufbau einer angemessenen deutschen Handelsflotte beiträgt.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat zu dem Gesetz lediglich den Wunsch, daß der Beirat, der der Bundesregierung bei der Vergebung von Darlehen zur Seite stehen soll, möglichst klein gehalten wird, daß er aus Personen zusammengesetzt wird, die aus den Ländern kommen, die auf Grund ihrer geographischen Lage unmittelbar mit der Seeschiffahrt zu tun haben, also Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Wir halten diesen Wunsch aus sachlichen Gründen für gerechtfertigt und schlagen weiter vor, daß die verschiedenen Verbände, die Gewerkschaften, die Schiffswerften, Reedereien usw. Mitglieder in den zu bildenden Seeverkehrsbeirat entsenden, der in allernächster Zeit geschaffen wird und der sich mit dieser Angelegenheit beschäftigen soll.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Zu § 1 liegt ein Abänderungsantrag der SPD auf Drucksache Nr. 1234 Ziffer 1 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag zu § 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere war die Mehrheit; abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über § 1 in der Fassung der Vorlage. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — § 1 ist gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Zu § 2 liegt ebenfalls ein Abänderungsantrag der SPD auf Drucksache Nr. 1234 Ziffer 2 vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer für § 2 in der Fassung der Ausschußvorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu den §§ 3, 4 und 5 liegen keine Anträge vor. Wer für diese drei Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu den §§ 6, 7 und 8 liegen gleichfalls keine Abänderungsanträge vor. Wer für Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 9 liegen Abänderungsanträge vor, und zwar ein Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 1234 Ziffer 3 und der von dem Herrn Abgeordneten Gundelach übergebene Abänderungsantrag der KPD. Es handelt sich um Anträge zu Abs. 2. Der Antrag der KPD ist wohl der weitergehende. Ich lasse also zunächst über den Antrag .des Herrn Abgeordneten Gundelach und Fraktion abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt. Wer für den Antrag der SPD ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über § 9 in der Fassung der Ausschußvorlage. Wer für § 9 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wer schließlich für § 10, — Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer für die §§ 1 bis 10 sowie Einleitung und Überschrift in der soeben beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für Annahme der Ausschußvorlage in der nunmehr beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren! Wir haben noch die Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vorzunehmen. Das endgültige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Art. I Ziffer 2 des Gesetzes ist inzwischen vom Büro ermittelt worden. Von 335 abgegebenen Stimmen lauten 154 auf Ja, 176 auf Nein bei fünf Stimmenthaltungen. Das Haus ist also beschlußfähig.
Die ungültigen Stimmzettel sind hier angeheftet.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für Annahme des Gesetzes in der beschlossenen Fassung im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist damit angenommen.
Es folgt Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Freigabe der von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Erholungsstätten (Nr. 1144, 981 der Drucksachen).
Zur Berichterstattung hat das Wort der Herr Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Im 24. Ausschuß war beschlossen worden, die Bundesregierung zu ersuchen, mir als dem Berichterstatter, die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, um den Antrag des Ausschusses konkretisieren zu können. Da die Bundesregierung bis zur Stunde diesem Ersuchen des Ausschusses nicht Folge geleistet hat, sehe ich mich außerstande, den Beschluß des Ausschusses zu vollziehen, und muß mich deshalb darauf beschränken, Sie zu bitten, den Antrag des Ausschusses anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit diesem Antrag bitten wir die Bundesregierung, die Hohe Kornmission darauf hinzuweisen, daß eine wichtige Erholungsstätte Deutschlands die Insel Helgoland war. Sie war die einzige Heil- und Erholungsstätte für die Menschen, die unter Heuschnupfen oder Heufieber leiden. Die Zahl dieser Leidenden ist stark angewachsen. Die Möglichkeit, mit einem Flugzeug in großer Höhe zu fliegen und Heilung zu suchen, besteht für Deutsche kaum. Die Insel Helgoland muß endlich für ihre angestammte Bevölkerung wieder freigegeben werden, damit Deutschland in Helgoland wieder seine einzigartige Heilstätte zurückerhält.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußvorschlages Drucksache Nr. 1144 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Graf von Spreti, Schütz und Genossen betreffend Vorlage eines Gesetzes über den allmählichen Abbau der Beschränkung der Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes (Nr. 1145, 919 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Maier zur Berichterstattung.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Graf von Spreti, Schütz und Genossen — Drucksache Nr. 919 — verlangt die Vorlage eines Gesetzes über den allmählichen Abbau der Beschränkung der Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes. Durch die Veröffentlichung eines Gesetzes der Allierten Hohen Kommission im Bundesanzeiger vom Dienstag, dem 4. Juli, das die Aufhebung aller Beschränkungen auf dem Gebiet der Freizügigkeit bestimmt, und einer gleichlautenden Publikation des Ministers des Innern im Bundesanzeiger vom Dienstag, dem 27. Juni, ist der Antrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Graf von Spreti, Schütz und Genossen gegenstandslos geworden. Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung bittet deshalb den Bundestag,
er wolle beschließen, den Antrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Graf von Spreti, Schütz und Genossen Drucksache Nr. 919, nachdem die Alliierte Hohe Kommission auf Antrag der Bundesregierung durch Gesetz vom 15. Juni 1950 die besatzungsrechtlichen Vorschriften über Zuzugsbeschränkungen aufgehoben hat, als gegenstandslos für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 40 Minuten Gesamtredezeit vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers. Sie haben 3 Minuten, Herr Abgeordneter.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die Frage, ob schon durch Aufhebung der Brennpunktbestimmung im Kontrollratsgesetz betreffend Wohnungsmangel die Freizügigkeit wirklich da ist. Sie ist dann da, wenn die Wohnungsbehörden eines Ortes verpflichtet sind, jedem, der einen Arbeitsplatz nachweist, eine Wohnung mehr oder weniger bald zu besorgen. Das ist heute nicht der Fall. Heute werden Sie, wenn Sie von Schleswig-Holstein aus sich irgendeinen Arbeitsplatz verschaffen, die Arbeit nicht antreten können, wenn Ihnen der Arbeitgeber nicht eine Wohnung verschafft, was er in der Regel nicht kann. Die Wohnungsbehörden stehen nicht zur Verfügung, um den Hinzuziehenden, die Lohn und Brot haben, also von ihrem eigenen Erwerb leben könnten und keineswegs hilfsbedürftig sind, eine Wohnung nachzuweisen. Diese Arbeitsplätze können also nur eingenommen werden, wenn die Wohnungsämter verpflichtet wären, am neuen Wohnsitz diesen Leuten eine Wohnung nachzuweisen.
Ich bin daher der Meinung, daß dieser Antrag an den Ausschuß zurückverwiesen werden muß, um zu prüfen, ob man durch örtliche Bestimmungen oder Verwaltungsanordnungen die tatsächliche Freizügigkeit für diejenigen, die nicht hilfsbedürftig sind, noch erst herbeiführen muß und kann. Ich beantrage Zurückverweisung an den Ausschuß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist der Antrag gestellt, die Drucksache an den Ausschuß zurückzuverweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 1145. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. Der Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Förderung der bildenden Künste durch Steuermaßnahmen (Nr. 1159, 299 der Drucksachen).
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei beantragt, diese Sache zurückzustellen, da ein wesentlicher Teil des Inhalts des Antrages in den Einkommensteuerrichtlinien Ziffer 50 Nr. 6 berücksichtigt ist. Nun ist allerdings im Finanz-und Steuerausschuß die Frage aufgetaucht, ob diese Einkommensteuerrichtlinien contra legem sind. Der Finanz- und Steuerausschuß hat sich dieser Auffassung an und für sich angeschlossen. Wir sind aber der Überzeugung, daß der Finanz-
und Steuerausschuß über diese Rechtsfrage nicht befinden kann. Wir beantragen daher, daß über diese Frage, ob die Ziffer 50 Abs. 6 der Einkommensteuerrichtlinien contra legem ist, ein Rechtsgutachten vom Justizministerium eingeholt wird. Bis zum Erscheinen dieses Rechtsgutachtens würden wir bitten, die Verbescheidung unseres Antrages zurückzustellen.
Will jemand gegen diesen Antrag sprechen? — Nein? — Dann stelle ich ihn zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Zuerst auf Aussetzung. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Horlacher, Dr. Laforet und Genossen betreffend Senkung des Bierpreises (Nr. 1160, 161 der Drucksachen).
— Ich habe hier lediglich die Feststellung zu treffen, daß durch die Annahme des Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes in der 77. Sitzung des Bundestages der Antrag und der Mündliche Bericht erledigt sind. — Es erhebt sich kein Widerspruch gegen diese Feststellung; es ist zur Kenntnis genommen.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.-Ing. Decker, Dr. Besold, Dr. Baumgartner, Eichner, Parzinger, Freiherr von Fürstenberg, Dr. Fink, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Hilfsmaßnahmen für unwettergeschädigte Gebiete .
Wer will den Antrag begründen? Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Großwetterlage dieses Jahres hat durch Dürre und Unwetterkatastrophen große Schäden zur Folge gehabt. Im ganzen Bundesgebiet verstreut findet man Gegenden, die unter diesen Katastrophen gelitten haben, ganz besonders aber in Süddeutschland und in dem Landstrich unmittelbar vor den Alpen. Dieses Gebiet ist durch Hagel ganz besonders gefährdet. Ich möchte nur kurz ein Beispiel erwähnen. In Wasserburg hat ein Orkan mit Hagel in 20 Minuten 1,7 Millionen DM Getreideschaden angerichtet, ein Drittel des Obstbaumbestandes mit einem Wert von 1,5 Millionen DM ist vernichtet, und 2 150 Tagwerk Wald sind zerstört. Wie mir berichtet wurde, sieht der
Wald aus, als wenn Artilleriebeschuß über ihn hinweggegangen wäre. Die Gebäudeschäden betragen bei 62 Gebäuden 130 000 DM, Die Heil- und Pflegeanstalt Gabersee hat allein 250 000 DM Gebäudeschäden. Ähnliche Zahlen liegen aus dem Bezirk Ebersberg vor, 1,8 Millionen DM Ausfall in der Getreideernte durch Trockenheit, 0,5 Millionen DM Ausfall durch Hagel, 1 Million DM in der Kartoffelernte durch Hagel. In Traunstein sind 200 Tagwerk Wald zu 100 % vernichtet, in Franken sind 60 Hektar Hopfengelände schwersten betroffen.
Die Landwirtschaft ist nicht in der Lage, sich hier zu helfen. Denn sie ist mit ihrer Produktion in den Gang der Jahreszeit eingeschaltet und verliert durch diese Schäden praktisch ein ganzes Jahr, wobei noch unsicher ist, ob das nächste Jahr besser wird. Es fehlt der Landwirtschaft insbesondere an Barmitteln. Darum müssen die Hilfsmaßnahmen vor allem auf finanziellem Gebiet liegen. Wir schlagen vor: verbilligte Kredite, Berücksichtigung bei der Zuteilung von ERP-Mitteln, Steuererlaß oder -stundung, dann vor allem Neufestsetzung der Soforthilfeabgabe bei schwerstgeschädigten landwirtschaftlichen Betrieben und Stundung bei leichtgeschädigten landwirtschaftlichen Betrieben, Verbilligung von Düngemitteln und Futtermitteln.
Es wird wohl richtig sein, diesen Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen und gleichzeitig die Auflage zu machen — denn es muß rasch geholfen werden —, daß unmittelbar nach den Parlamentsferien, also spätestens bis 15. September, berichtet wird.
Meine Damen und Herren! Wir stimmen ab. Wer für die Verweisung der Drucksache Nr. 1149 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist verwiesen.
Dann rufe ich Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Interfraktionellen Antrages betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß die Drucksachen Nr. 1190 und 1191, die beiden Anträge der Fraktion der KPD, herausgenommen sind. Sie sollen nach den Ferien neu verhandelt werden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine Damen und Herren! Im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen bitte ich, die Drucksache Nr. 1163 an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen.
Der Antrag soll also statt an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen an den Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen werden. Es ist lediglich die Vorlage vor der Abstimmung zu berichtigen. Wer für die Annahme der so abgeänderten Drucksache Nr. 1205 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —Gegenprobe! — Angenommen.
Wir haben noch zwei unerledigte Punkte, die — leider — nicht erledigt werden können, weil keine Drucksachen vorliegen. Zunächst handelt es sich um die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine vorläufige Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950 . Trotz aller Bemühungen war der Text seitens der Regierung nicht zu erhalten.
Weiter handelt es sich um die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten . Hier ist heute abend die Vorlage gekommen; aber sie konnte noch nicht ausgedruckt werden. Wir werden die beiden Sachen auf die Tagesordnung von morgen oder übermorgen nehmen müssen. Ich schlage vor, sie auf die Tagesordnung von morgen zu setzen.
Ich habe noch einige Dinge bekanntzugeben, für die ich um Ihr Gehör bitte. Nach einer Mitteilung des Vorsitzenden des wirtschaftspolitischen Ausschusses können die Beratungen des Ausschusses über das Preisgesetz vor Freitag nicht mehr abgeschlossen werden. Der Ausschuß hat sich in dieser Frage auf den 4. September 1950 vertagt. Wir müssen die Sache also von der Tagesordnung für Freitag absetzen.
Weiter habe ich mitzuteilen, daß die für heute abend angesetzte Mitgliederversammlung der Deutschen Sektion der Internationalen Parlamentarischen Union ausfällt.
Der Beamtenrechtsausschuß will eine Stunde nach Schluß der Plenarsitzung tagen, der Ausschuß für Geld und Kredit statt heute eine Stünde nach Plenum morgen früh um 8 Uhr.
Ich berufe die 80. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. Juli 1950, vormittags 9 Uhr, ein und schließe die 79. Sitzung des Deutschen Bundestages.