Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen das Ergebnis der Beratungen des Rechtsausschusses zur Vorlage der Regierung über Änderungen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung zu berichten. Sie finden eine Zusammenstellung der Regierungsvorlage und der Beschlüsse des Rechtsausschusses auf den Seiten 3 bis 22 der Drucksache Nr. 1138. Außerdem enthält Art. 8 des Gesamtgesetzes auf den Seiten '79 bis 88 der Drucksache Nr. 1138 eine Anzahl wichtiger Schluß- und Übergangsvorschriften aus dem Bereich der Gerichtsverfassung. Diese Drucksache enthält die Änderungsvorschläge zum bisherigen Recht der Gerichtsverfassung. Den der Regierungsvorlage und dem Beschluß des Ausschusses entsprechenden vollständigen Wortlaut des GVG finden Sie in der Anlage 1 zur Drucksache Nr. 1138. Ferner darf ich Sie auf Anlage II zu Drucksache Nr. 530, Seite 1 bis 6, verweisen, welche die Änderungsvorschläge des Deutschen Bundesrates zu der Regierungsvorlage enthält; sie wurden in die Beratungen des Rechtsausschusses einbezogen und zu einem erheblichen Teil übernommen.
Meine Damen und Herren! Bei Gelegenheit ähnlicher Berichterstattung über die spröde Materie des gerichtlichen Verfassungs- und Verfahrensrechtes äußerte einmal der österreichische Jurist Josef Unger die Befürchtung, dem Juristen viel zuwenig, und dem Nicht-Juristen viel zuviel zu bieten; er müsse versuchen, zwischen diesen Klippen das Schifflein seiner Rede hindurchzusteuern, so gut es eben gehe. Ich befinde mich in derselben Verlegenheit und will versuchen, den etwa anwesenden stoffhungrigen Juristen nicht zu wenig und dem tapferen Häuflein der übriggebliebenen Nicht-Juristen nicht zu viel des Langweilenden zu bieten.
Die leitenden Prinzipien für das gesamte Gesetzgebungswerk hat Ihnen soeben Professor Laforet dargestellt. Sie finden in der Begründung des Regierungsentwurfs eine Darstellung des seit dem nationalsozialistischen Zusammenbruch im Bereich der Länder der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone eingetretenen uneinheitlichen, unsicheren und verworrenen Rechtszustandes, der einer Bereinigung dringend bedarf.
Das Recht der Gerichtsverfassung enthält Vorschriften über das Richteramt, über die Gerichte der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit, ihre Organisation und ihre -sachliche Zuständigkeit in Zivil- und Strafsachen. Abgesehen von den in
§ 14 des Gerichtsverfassungsgesetzes zugelassenen besonderen Gerichten handelt es sich also um Organisationen und sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte, der Schöffengerichte, der Landgerichte, der Schwurgerichte, der Kammern für Handelssachen, der Oberlandesgerichte und des nun an die Stelle des früheren Reichsgerichts tretenden Bundesgerichtshofes. Über diese Materie handeln die wichtigen ersten neun Titel oder 140 Paragraphen des Entwurfs. Ein besonderer zehnter Titel regelt die Staatsanwaltschaft. Die dann folgenden Titel — Geschäftsstelle, Zustellungs-
und Vollstreckungsbeamte, Rechtshilfe, Öffentlichkeit und Sitzungspolizei, Gerichtssprache, Beratung und Abstimmung, Gerichtsferien — sind von geringerem Interesse und können in dem von mir zu erstattenden Bericht summarisch behandelt werden.
Ich will die wichtigsten Änderungen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand vorwegnehmen. Sie sind folgende: erstens volle Wiederherstellung des unabhängigen Berufsrichtertums; zweitens einheitliche Regelung der Beteiligung von NichtJuristen — Laien — an der Rechtspflege; Auswahl von Schöffen und Geschworenen nach einem neuen demokratischen Verfahren; drittens Einführung der sogenannten Präsidialverfassung bei sämtlichen Gerichten — auch bei gewissen großen Amtsgerichten — an Stelle des durch den Nationalsozialismus auch hier eingeführten sogenannten „Führergrundsatzes"; viertens Wiederherstellung des Kollegialprinzips bei den Landgerichten in Zivilsachen an Stelle der Entscheidung durch nur einen Richter wie bisher; fünftens einheitliche Regelung der Schwurgerichte nach dem Rechtszustand vor 1933, nach der sogenannten Emmingerschen Reform; sechstens Errichtung des Bundesgerichtshofes als höchstem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit an Stelle des früheren Reichsgerichts und siebtens einheitliche Neuregelung der Zuständigkeit und des Rechtszuges in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Strafsachen.
Zur Frage der Wiederherstellung des unabhängigen Berufsrichtertums darf ich Sie auf den ersten Titel des Gesetzes verweisen. In § 6 ist auf Anregung des Bundesrats ausdrücklich die Bestimmung „Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt" als Bundesrecht wieder neu gefaßt worden; denn die Ernennung der Richter auf Lebenszeit ist ja eine der stärksten Garantien für ihre persönliche und sachliche Unabhängigkeit. Allerdings haben wir im Anschluß an den bisherigen Rechtszustand in § 10 Zugeständnisse an die Notwendigkeiten der Praxis machen müssen, d. h. es ist nach wie vor so wie auch vor 1933 möglich, daß bei bestimmten Gerichten Hilfsrichter verwendet werden, ohne gemäß § 6 zum Richter auf Lebenszeit ernannt zu sein: die bekannten Assessoren-Richter, die natürlich nicht in dem Maße unabhängig sind, wie ein planmäßig auf Lebenszeit angestellter Richter. Das ist in Kauf genommen worden bei den Amtsgerichten und bei den Landgerichten; nicht in Kauf genommen worden ist es dagegen bei den höheren Gerichten, also bei den Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof. Dort können nur lebenslänglich angestellte Richter verwendet werden. Auch die Verwendung von Gerichtsreferendaren in richterlicher Tätigkeit ist nach alter Tradition wieder aufgenommen worden, derart nämlich, daß Gerichtsreferendare mit einzelnen richterlichen Geschäften betraut werden können. Einem Antrag des Lan-
des Baden, nach dort bestehender 70jähriger Tradition befähigten Referendaren auch kommissarisch, also generell, richterliche Aufgaben zu übertragen, ist im Hinblick auf das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit nicht stattgegeben worden. Hinsichtlich der Stellung des bewährten Berufsstandes der Rechtspfleger in diesem Zusammenhang hat sich der Auschuß auf den Standpunkt gestellt, trotz der Eingaben dieses Berufsstandes in diesem Augenblick keine Neuregelung zu treffen, d. h. getreu dem allgemeinen Prinzip seiner Arbeit jetzt keine große, sondern nur eine kleine Justizreform durchzuführen und die Dinge beim gegenwärtigen Rechtszustand zu belassen.
Über die Vorbildung der Richter enthält der § 2, wobei einige nicht unbeträchtliche Neuerungen insbesondere in § 2 Absatz geschaffen worden sind, die übliche Vorschrift über Vorbildung durch ein juristisches Studium, wobei als Übergangsbestimmung zugunsten unserer kriegsgefangenen Studenten die Bestimmung aufgenommen wurde, daß die Landesjustizverwaltung die Teilnahme an wissenschaftlichen Lehrgängen in einem Kriegsgefangenenlager auf die Studienzeit anrechnen kann. Dasselbe gilt auch für das Studium an einer anderen Hochschule. Dies ist ein Zugeständnis an bayerische Verhältnisse; denn dort sind an den beiden Hochschulen in Bamberg und Regensburg juristische Fakultäten eingerichtet. Wenn diese Übergangsvorschrift nicht geschaffen worden wäre, dann würden die Studenten, die da studiert haben oder jetzt noch studieren, in große Schwierigkeiten kommen. Um deren Notlage — sie ist ja allgemein bekannt — zu berücksichtigen, hat der Rechtsausschuß sogar die Frist, innerhalb derer sie noch auf den alten Hochschulen weiter studieren können, bis zu 2 Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes verlängert.
Der Vorbereitungsdienst der Referendare an den Gerichten und an anderen Behörden und Instituten ist ausgedehnt worden, und zwar auf mindestens 3 1/2 und höchstens 4 Jahre. Die Zahl der Ausbildungsstationen ist erheblich erweitert worden, derart nämlich, daß nicht nur eine reine Justizausbildung möglich ist, sondern daß die Referendare neben ihrem Dienst bei den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Notaren und Rechtsanwälten auch bei Verwaltungsbehörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts und im übrigen in einer dem Ausbildungszweck dienenden Weise beschäftigt werden können. Das wäre also denkbar etwa bei Banken; es besteht aber auch die Möglichkeit, wie es zum Beispiel in Hessen üblich ist und sich, wie es scheint, bewährt hat, Referendare bei Rechtsberatungsstellen der Gewerkschaften zu beschäftigen, wobei eine gewisse Fühlungnahme von beiden Seiten offenbar gute Dienste geleistet hat. Allerdings mußte auch hierbei wieder auf die Lage der jüngeren Generation, auf die bisher bestehenden Vorschriften Rücksicht genommen werden; daher ist eine Übergangsvorschrift getroffen worden, die Landesjustizverwaltung kann eine von diesen Bestimmungen abweichende Regelung des Vorbereitungsdienstes, die bis zum 31. Dezember 1949 ausgesprochen ist, aufrechterhalten. Soviel über die Vorbereitungszeit der Referendare.
Wichtig ist auch § 8, wonach die Richter, wie es alten Rechtes ist, nicht wider ihren Willen und nur in bestimmten Formen versetzt oder abgesetzt werden können. Nach bisherigem Recht nach dem
Zusammenbruch war es nämlich möglich, daß der Oberlandesgerichtspräsident jeden Richter seines Bezirks an ein beliebiges Gericht oder zur Staatsanwaltschaft abordern konnte. Das ist natürlich eine Bestimmung, die mit der Unabhängigkeit des Richterstandes unverträglich ist. Abgesehen von einer Übergangsbestimmung in Nr. 80 ist deswegen dieser Rechtszustand beseitigt worden.
Sehr viel Debatte hat es dann im Titel Gerichtsbarkeit gegeben zur Frage der Streichung des § 13 a. § 13 a hatte es durch übereinstimmende Gesetze der Länder der amerikanischen Zone gestattet, daß bei Rechtsstreitigkeiten bis zu 150 DM Streitwert in Zivilsachen und in Strafsachen einschließlich der Privatklagesachen mit Zuständigkeit des Amtsgerichts die Landesgesetze Friedensrichter oder Friedensgerichte zuständig machen konnten. Diese Bestimmung ist gestrichen worden. Nur ein einziges Land der amerikanischen Zone, Württemberg-Baden, hatte von der Einrichtung der Friedensgerichte Gebrauch gemacht, und dieses Land kämpft nun zäh um die Aufrechterhaltung dieser Friedensgerichte. Aus allen Kreisen der Bevölkerung, von der Anwaltschaft abgesehen, ist dafür plädiert worden, daß diese Friedensgerichte erhalten bleiben sollen, und zwar im Interesse einer Entlastung des Richterstandes und im Interesse einer volksnahen Justiz. Dagegen sind von anderer Seite Bedenken erhoben worden, daß diese Friedensgerichte unter Umständen gewisse Gefahren in sich trügen, daß die Laien, die da tätig würden, vielleicht nach Verwandtschaft, Sippschaft und Freundschaft entscheiden könnten, insbesondere gegenüber zugezogenen Flüchtlingen. Andere Länder stellten auch in Aussicht, solche Friedensgerichte einzuführen. Wir kamen schließlich zu einer Kompromißregelung: in Württemberg-Baden sollen die Friedensgerichte weiter tätig sein. Sie sollen beobachtet werden, das Für und Wider soll sich dann in der kommenden Zeit ergeben, und die endgültige Entscheidung dieser sehr wichtigen Frage, ob wir tatsächlich für diese sogenannten Bagatellsachen — wobei das Wort Bagatelle höchst problematisch ist — die Friedensgerichte in Zukunft anerkennen werden, soll dann bei der großen Justizreform getroffen werden.
§ 12 tauft übrigens das im Grundgesetz Art. 96 vorgesehene Obere Bundesgericht für die ordentliche Gerichtsbarkeit auf den Namen „Bundesgerichtshof".
Ich komme zum dritten Titel über die Amtsgerichte. Ich erwähnte schon, daß auch bei gewissen Amtsgerichten nunmehr das Präsidialprinzip eingeführt würde — § 22 a —. Das ist eine Neuerung; vor 1933 hat es das nicht gegeben. Sie ist in der britischen Zone eingeführt worden und hat sich dort bewährt. Bei den Amtsgerichten hat die Frage der Zuständigkeit nach dem Streitwert erhebliche Debatten verursacht. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte ist ja seit dem ersten Weltkrieg von zunächst 500 Mark auf 800 Mark, auf 1000 Mark und zuletzt durch Kontrollratsgesetz Nr. 4 auf 2000 Mark erhöht worden. Das bedeutete, daß zuletzt die große Masse der Rechtsstreitigkeiten bei den Amtsgerichten anfiel. Der Rechtsausschuß hatte sich mit der Frage zu befassen, ob nunmehr eine Senkung der amtsgerichtlichen Zuständigkeit auf 1000 Mark, wie es der Regierungsentwurf und der Bundesrat vorsahen, vorgenommen werden, oder ob es bei 2000 Mark bleiben sollte. Die Argumente für die Belassung bei 2000 Mark waren: die Amtsgerichte lägen für
das rechtsuchende Publikum regelmäßig näher, die Entscheidungen der Amtsgerichte erfolgten schneller, und da kein Anwaltszwang bei den Amtsgerichten bestehe, seien die Prozesse auch billiger. Die Gegenargumente waren, man müsse bei einem gewissen Streitwert doch dafür sorgen, daß besonders sorgfältige Entscheidungen fielen; und drei Paar Augen sähen nun einmal mehr als nur ein Paar Augen. Deswegen solle man gerade jetzt, wo für die Landgerichte in Zivilsachen wieder das Kollegialprinzip eingeführt werde, also drei Richter entscheiden, die Zuständigkeit der Landgerichte erweitern. Schließlich hat sich die Mehrheit des Rechtsausschusses auch unter Berücksichtigung zahlreicher Eingaben, die an ihn gelangt sind, für die Beibehaltung der Streitwertgrenze von 2000 Mark entschieden.
Hinsichtlich der Zuständigkeit der Amtsgerichte verweise ich auf die §§ 24 und 25, Zuständigkeit der Amtsgerichte in Strafsachen. Dabei sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Amtsrichter allein entscheidet, und die, in denen das Schöffengericht entscheidet. Wichtig ist der auf Antrag des Bundesrates angenommene Abs. 2 des § 24, wonach das Amtsgericht nicht auf eine höhere Freiheitsstrafe als auf zwei Jahre Zuchthaus und nicht auf Sicherungsverwahrung erkennen darf. Damit ist eine sichere Abgrenzung der Zuständigkeit des Amtsgerichts in Strafsachen erreicht worden.
Ich komme zum vierten Titel: Schöffengerichte. Die Schöffengerichte waren seit der Vereinfachungsverordnung vom 1. September 1939 aufgehoben. Sie sind dann nach 1945 in den einzelnen Ländern wieder eingeführt worden, und es handelte sich darum, diesen uneinheitlichen Rechtszustand wieder zu vereinheitlichen. Auf Anregung des Bundesrats wurde im § 29 ein im Regierungsentwurf enthaltener Satz, daß mindestens ein Schöffe ein Mann sein müsse, gestrichen, weil dieser Grundsatz gegen das Gleichheitsprinzip, das im Grundgesetz garantiert ist, verstößt.
Dasselbe gilt übrigens nachher von der entsprechenden Bestimmung des § 84. Bei der Frage der Unfähigkeit zum Schöffenamt war zu prüfen, ob die politische Belastung auch weiterhin ein Grund für die Unfähigkeit zum Schöffenamt sein sollte. Der Ausschuß hat sich schließlich auf die Formulierung in Ziff. 83 a der Übergangsvorschriften geeinigt, wonach es bei den in den Landern erlassenen Vorschriften hierüber sein Bewenden hat. Er hat nicht, wie es in der Bundesverfassung stand, diese Vorschriften bundesrechtlich aufrechterhalten, sondern hat einfach auf den bestehenden Rechtszustand in den Ländern verwiesen. Den Hinweis auf kleinere weitere Änderungen darf ich mir in diesem Zusammenhang schenken.
Dagegen ist von großer Bedeutung die Neuregelung über die Auswahl der Schöffen und gleichzeitig der Geschworenen. Der Regierungsentwurf sah hier an Stelle des früheren umständlichen und langwierigen Verfahrens der Urliste eine Vorschlagsliste durch die Gemeindevertretungen vor, und zwar derart, daß die Gemeindevertretungen eine Vorschlagsliste für die Schöffen aufstellen und diese an den Amtsrichter übersenden. Bei dem Amtsrichter besteht nach diesem Vorschlag ein Ausschuß, bestehend aus dem Amtsrichter, einem Verwaltungsbeamten, der durch die Landesregierung zu bestellen ist, und sieben Vertrauensmännern, die durch Selbstverwaltungsverbände gewählt werden sollten.
Im Ausschuß sind dann Gegenvorschläge gemacht worden, die vor allen Dingen auf folgender Erwägung beruhten. Man sagte, es müsse in den Gemeinden ein bestimmtes Mehrheitsprinzip für die Aufstellung dieser Schöffenliste gefunden werden, denn sonst könnte es, wenn im Gemeinderat die Schöffenliste etwa mit einfacher Mehrheit aufgestellt wird, passieren, daß die Schöffenliste nur durch eine einzige Partei gestellt würde. Daher die Einführung der Zweidrittelmehrheit im § 36!
Schließlich gab es noch Auseinandersetzungen über den Ausschuß beim Amtsrichter, der die endgültige Schöffenwahl aus den Schöffenlisten vornehmen sollte. Man einigte sich darauf, daß der Amtsrichter und der von der Landesregierung ernannte Verwaltungsbeamte dabei sein sollen, daß aber die Zahl der Wähler auf zehn erhöht werde, und man hat auch hier das Prinzip einer Zweidrittelmehrheit eingeführt. So dürfte die Garantie gegeben sein, daß bei der Auswahl der Schöffen nach diesem einfacheren Verfahren alle Volkskreise in einer wünschenswerten Weise zum Amte des Schöffen herangezogen werden.
Ich komme zum Abschnitt über die Landgerichte. Daß das Präsidialprinzip eingeführt wurde, § 64, wurde schon erwähnt. Die Zuständigkeit der Landgerichte in Zivilsachen und in Strafsachen entspricht auch dem Rechtszustand vor 1933. Die Zivilkammern sind wieder mit drei Richtern besetzt. Damit erhält überhaupt die Unterscheidung zwischen Amtsgericht und Landgericht jetzt erst wieder ihren Sinn. Denn der kann nur darin bestehen, daß die größere Rechtsgewähr bei den Landgerichten in der Besetzung mit drei Richtern gesehen wird.
Die Strafkammern entscheiden außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Mitgliedern. Es gibt eine kleine und eine große Strafkammer. Die kleine Strafkammer wird mit einem Vorsitzenden und zwei Schöffen vorgeschlagen, die große Strafkammer mit drei Richtern und zwei Schöffen. Das letztere mußte geregelt werden, weil es in den verschiedenen Ländern anders ist. In Bayern z. B. war der Rechtszustand so, daß bei der großen Strafkammer bisher zwei Berufsrichter und drei Schöffen mitgewirkt haben. Zu der kleinen Strafkammer hatte der Bundesrat den Vorschlag gemacht, sie mit zwei Richtern und zwei Schöffen zu besetzen. Er begründete dies mit der Hebung der Autorität der kleinen Strafkammern gegenüber den Amtsgerichten, weil praktisch der Posten des einen Berufsrichters, der nur zwei Schöffen zur Seite hat, nicht sehr begehrt sei und zu befürchten sei, daß auf diese Stelle nicht begabte und energische Richter, sondern ältere und etwas müde gewordene Richter abgeschoben würden. Der Rechtsausschuß konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen und hat diesen Antrag des Bundesrates also nicht berücksichtigt.
In § 78 des Entwurfes finden Sie die Möglichkeit der sogenannten detachierten Strafkammer, also der Strafkammer außerhalb des Sitzes des Landgerichts. Der Regierungsentwurf hatte auch detachierte Zivilkammern vorgesehen. Aber der Rechtsausschuß konnte sich diesem Vorschlag nicht anschließen. Er konnte die Notwendigkeit und Nützlichkeit detachierter Zivilkammern nicht einsehen.
Ich komme zu den Schwurgerichten. Die Schwurgerichte sind nun wieder entsprechend dem Rechtszustand vor 1933 eingerichtet. Nach der sogenannten Emmingerschen Strafrechtsreform sind die Geschworenen nicht nur berufen, über die Schuld-
frage abzustimmen, sondern sie stimmen über die Schuld und das Strafmaß gemeinschaftlich mit den Berufsrichtern ab.
Die Zuständigkeit der Schwurgerichte ist derartig geregelt, daß nunmehr im wesentlichen die Delikte mit Todesfolge zu der Zuständigkeit der Schwurgerichte gehören. Sie finden diese im Katalog des § 80 aufgezählt.
Ich muß noch auf ein Versäumnis im Rechtsausschuß hinweisen. In § 84 Abs. 2 steht wie in § 29 eine diskriminierende Bestimmung, die gegen den Grundsatz der Gleichheit von Männern und Frauen gerichtet ist:
Mindestens die Hälfte der zu einer Tagung heranzuziehenden Geschworenen müssen Männer sein.
Diese Bestimmung muß gestrichen werden.
Ich komme zu den Kammern für Handelssachen. Hier kann ich mich kurz fassen. Auch hier ist jetzt wieder eine kollegiale Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei Beisitzern eingeführt.
Zu den Oberlandesgerichten, §§ 115 ff. des Gesetzes: Bei den Oberlandesgerichten ist ebenfalls im wesentlichen der alte Zustand wiederhergestellt. § 116 Abs. 2 enthält wieder die Möglichkeit detachierter Senate, und zwar hier sowohl detachierter Zivil- als auch Strafsenate, wegen des sehr viel größeren Umfanges der Bezirke der Oberlandesgerichte.
Eine Sonderregelung in den Übergangsbestimmungen hat die eigentümliche Institution des sogenannten Nebensitzes Karlsruhe des Oberlandesgerichts Stuttgart erhalten, welche für eine bestimmte Zeit noch weiterexistieren darf.
§ 118 regelt den Grundsatz — ich erwähnte ihn schon —, daß beim Oberlandesgericht auch zu Hilfsrichtern nur auf Lebenszeit ernannte Richter berufen werden können. Dies hat in den Ländern Hessen und Bremen zu Schwierigkeiten geführt, weil nach den dort bestehenden Gesetzen die Regelung eine andere ist. Um den Ländern eine Übergangsmöglichkeit zu schaffen, wurde daher in den Übergangsvorschriften Nr. 84 a das Inkrafttreten dieser Bestimmungen in den genannten Ländern auf 18 Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes hinausgeschoben.
Die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte ist im übrigen dieselbe wie vor der ersten und zweiten Kriegsmaßnahmenverordnung. Wegen der Einzelheiten darf ich auf den Gesetzestext verweisen.
Ich komme zum neunten Titel, dem Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof tritt an die Stelle des früheren Reichsgerichts. Die Kapitel des Gerichtsverfassungsgesetzes über das frühere Reichsgericht sind an sich nie ausdrücklich aufgehoben worden. Sie sind aber durch die politische Entwicklung und durch die Kontrollratsgesetzgebung obsolet geworden. Der Bundesgerichtshof ist nunmehr als oberes Bundesgericht für Zivil-und Strafsachen mit denselben Zuständigkeiten und in derselben Form wie das frühere Reichsgericht zur Errichtung vorgeschlagen. Wichtig ist hierbei § 130 Abs. 2, wonach der Bundesminister der Justiz ermächtigt wird, Zivil- und Strafsenate auch außerhalb des Bundesgerichtshofes zu bilden; eine Bestimmung, an der sich besonders die Stadt Berlin interessiert gezeigt hat. Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes ist, wie gesagt, die gleiche wie die des früheren Reichsgerichts. Der Bundesgerichtshof ist also in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vor allen Dingen Revisionsgericht gegen die Endurteile der Oberlandesgerichte und — das wurde noch eingefügt — gegen die Endurteile der Oberlandesgerichte in den Fällen des § 56 a der Zivilprozeßordnung und in Beschwerdesachen. In Strafsachen ist er ausschließliche Instanz in den Fällen des Hochverrats und der Parlamentssprengung und Revisionsinstanz.
Im zehnten Titel, Staatsanwaltschaft, ist ebenfalls der frühere Rechtszustand wiederhergestellt. Ich darf zwei Besonderheiten erwähnen: erstens, daß der Oberbundesanwalt keine Weisungsbefugnis gegenüber den Landesstaatsanwaltschaften hat, was aus der Regelung des Grundgesetzes folgt, wonach die Justiz Ländersache ist.
Nicht unbedeutend ist ferner eine Änderung in § 152 Abs. 2 des Gesetzes. Nach dem Regierungsentwurf hat die Landesjustizverwaltung die Beamtenklassen zu bezeichnen, auf die die Vorschrift des § 152 Abs. 1 Anwendung findet, d. h. die sogenannten Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Hier drohte die Gefahr, daß eine besondere Verwaltung sich eine besondere Polizei schuf. Man hat sich also dagegen gewehrt, daß die Landesjustizverwaltung das tun könne, und hat entsprechend dem früheren Rechtszustand dieses Recht der Landesregierung gegeben. Gleichzeitig hat man aber der Landesjustizverwaltung zugestanden, daß sie dabei mitwirkungsbefugt ist. Deswegen heißt es:
Die Landesregierung bezeichnet im Einvernehmen mit der Landesjustizverwaltung die
Beamtenklassen, auf die diese Vorschrift anzuwenden ist.
Ich habe schon erwähnt, daß die folgenden Vorschriften vom elften Titel ab weniger Interesse bieten; sie laufen auf den früheren Rechtszustand hinaus. Ich erwähne den § 170, demzufolge nach dem Standpunkt des Ausschusses — übrigens auch der Regierungsvorlage — die Verhandlungen in Ehesachen nicht öffentlich sind. Der Bundesrat hatte hierzu die Formulierung vorgeschlagen:
In Ehesachen ist die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn eine der Parteien es beantragt oder das Gericht es für angemessen hält. Die Begründnung des Bundesrates war die, daß, wenn das Gericht die strikte Vorschrift der Nichtöffentlichkeit nicht beachte, bei dem Gerichtsbetrieb, wie er sich praktisch vollziehe, wenn etwa Anwälte im Gerichtssaal zurückbleiben, häufig ein Revisionsgrund geschaffen werde. Der Ausschuß hat aber doch in Abwägung der Gründe und Gegengründe geglaubt, an dem Grundsatz festhalten zu müssen, daß in Ehesachen die Öffentlichkeit grundsätzlich ausgeschlossen bleiben soll.
Der Ausschuß hat dann in Abweichung vom Regierungsentwurf im siebzehnten Titel den Abschnitt über Gerichtsferien neu eingeführt. Die Vorstellungen im breiten Publikum über die Gerichtsferien sind ja recht irrig. Es ist nicht so, daß in dieser Zeit die Gerichte schließen und die Richter in Ferien gehen. Die Notwendigkeit, die Gerichtsferien nach alter Weise einzuführen, d. h. in einem bestimmten Zeitraum, vom 15. Juli bis 15. September, nur in sogenannten Feriensachen, also wichtigen und eilbedürftigen Sachen, Termine abzuhalten, war nicht nur eine Rücksichtnahme — und zwar eine wohlverständliche Rücksichtnahme — auf die Anwaltschaft, sondern auch eine Rücksichtnahme auf die Richter selbst. Das Gegenargument, daß bei der gegenwärtigen Überlastung
der Gerichte die Ferien der Richter über das ganze Jahr verteilt werden müßten, überzeugte nicht völlig. Überdies wollte man auch den Richtern die Möglichkeit lassen, die Ferien mit ihrer Familie, also mit ihren Kindern, die dann Schulferien haben, zu verbringen.
Die wesentlichen Übergangsvorschriften die für das GVG in Betracht kommen, habe ich bereits erwähnt.
Es mußte dann noch eine sorgfältige Prüfung derjenigen Vorschriften vorgenommen werden, die im Zuge dieser kleinen Justizreform aufgehoben werden mußten. Sie finden die Zusammenstellung, die auch für das Gerichtsverfassungrecht gilt, auf Seite 179 der Drucksache Nr. 1138. Ich kann mir ersparen, darauf in diesem Zusammenhang einzugehen. Es ist eine große Fülle von Vorschriften, die da aufgehoben werden müssen, und gerade diese Fülle aufzuhebender Vorschriften zeigt, wie dringlich die vorgenommene Flurbereinigung war.
Ein letztes Wort noch zu der Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz. Sie finden diese auf Seite 22 der Drucksache Nr. 1138. Hier ist im § 8 die Möglichkeit der Einrichtung eines Obersten Landesgerichts vorgesehen, wie es früher in Bayern bestanden hat und wie es in Bayern seit dem 11. Mai 1948 wieder besteht. Der auf Antrag des Bundesrats eingeführte § 10, Nr. 81 a, bestrebt sich, die Verhältnisse bei diesem Obersten Landesgericht einerseits dem Bundesgerichtshof anzugleichen und zugleich auf die bei der Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts getroffenen Regelungen Rücksicht zu nehmen.