Rede von
Friedrich
Maier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der Herr Generalberichterstatter hat schon darauf aufmerksam gemacht, daß dem Rechtsausschuß oblag, den Sitz des Bundesgerichtshofes zu bestimmen. Die Regierungsvorlage selbst hatte keinen Vorschlag enthalten. Nur in einem frühen Stadium der Verhandlungen im Rechtsausschuß hat der Vertreter des Herrn Justizministers einmal bemerkt, daß Karlsruhe und Kassel geeignete Angebote gemacht hätten. Der Rechtsausschuß hat sich während der ganzen Verhandlungen über die Vorlage nicht mehr mit dem Sitz befaßt, bis am 1. Juni ein Brief des Herrn Bundeskanzlers vorlag, der den Regierungsvorschlag enthielt, Köln zum Sitz des Bundesgerichtshofes zu bestimmen. Inzwischen waren von den Städten Bamberg, Braunschweig, Frankfurt, Göttingen, Hamburg, Karlsruhe, Kassel, Köln, Wetzlar und Wiesbaden Bewerbungen eingegangen.
In zwei Sitzungen hat sich der Rechtsausschuß mit dem Sitz des Bundesgerichtshofes befaßt und dabei sowohl den Ländervertretern als auch den Vertretern der sich bewerbenden Städte ausreichend Gelegenheit gegeben, ihre Bewerbungen näher zu begründen. Um aber zu einem Entschluß zu kommen, sah sich der Rechtsausschuß genötigt, einen Unterausschuß einzusetzen, der eine Anzahl der Städte auszuscheiden hatte, die den vom Rechtsausschuß aufgestellten Richtlinien, als Voraussetzung für den künftigen Bundessitz, nicht entsprachen. In einer Unterausschußsitzung wurden dann die einzelnen Bewerbungen geprüft. Nach dieser Prüfung waren
von den vorhin genannten Städten Karlsruhe, Kassel und Braunschweig übriggeblieben.
Die Richtlinien, die dieser Ausschußberatung zugrunde lagen, beschränkten sich auf acht Punkte, die von jeder der sich bewerbenden Städte erfüllt sein mußten. Einer dieser Punkte bezog sich auf die Raumfrage. In dem vorgesehenen Gebäude sollten mindestens 120 Arbeitsräume, 5 Sitzungssäle, Bibliotheksräume, Registratur usw. vorhanden sein; außerdem sollten alle Räume möglichst in einem Gebäudekomplex vereinigt sein.
Der zweite Punkt enthielt die Forderung, das Gebäude müsse sofort beziehbar sein und dürfe nicht nur als ein Provisorium angesehen werden.
Der dritte Punkt beschäftigte sich mit der Unterbringung von Richtern und Beamten. Es wurden rund 100 Wohnungen gefordert, die sofort beziehbar sein sollten.
Außerdem wurde verlangt, daß für die Bereitstellung von Gebäuden und Wohnungen keine größeren Aufwendungen des Bundes notwendig würden; daß der Bundesgerichtshof entweder in einer Universitätsstadt oder in der Nähe einer Universitätsstadt liegen solle und daß ihm Bibliotheken und andere entsprechende Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden müßten.
Der Ort sollte nicht außerhalb des politischen und wirtschaftlichen Lebens liegen und — nach dem Grundsatz der Streuung — möglichst ein Ort sein, in dem keine Bundesorgane untergebracht sind.
Endlich wurde gefordert, daß die Verkehrsverhältnisse günstig sein müßten.
Auf Grund dieser Richtlinien blieben, wie gesagt, die drei Ihnen genannten Städte als ernste Bewerber übrig. Dem Rechtsausschuß oblag es nun, von den drei Städten eine auszuwählen, die dann in den Entwurf des Gesetzes aufzunehmen war.
In diesem Stadium der Verhandlungen hat nun die Stadt Köln, obwohl der Unterausschuß übereingekommen war, daß Köln aus den Reihen der Bewerber auszuscheiden sei, weil das angebotene Gebäude nicht den in den Richtlinien niedergelegten Forderungen entsprach, im Ausschuß erneut Vorschläge gemacht und bei dieser Gelegenheit gegen die in Aussicht genommene Stadt Karlsruhe polemisiert. Eine solche Polemik ist nur von dieser Stadt betrieben worden, während sich die anderen Bewerber lediglich darauf beschränkten, dem Ausschuß ihre Vorzüge darzustellen.
Nach dieser Intervention der Stadtverwaltung Köln hatte der Ausschuß noch einmal die Frage der Bewerbung dieser Stadt erneut zur Diskussion gestellt. Aber die Mitglieder des Ausschusses haben einen Antrag eines Ausschußmitglieds, Köln in den Bereich der zur Auswahl stehenden Städte miteinzubeziehen, mit 18 gegen 3 Stimmen abgelehnt, so daß auch die erneute Forderung, Köln als Sitz des Bundesgerichtshofs zu bestimmen, der Ablehnung verfallen war.
Neuerdings hat sich nun der Präsident des Obersten Gerichtes der britischen Zone mit dem Ersuchen an den Ausschuß gewandt, die Gründe, die seitens der Richter dieses Obersten Gerichts der britischen Zone geltend gemacht werden, zu würdigen und die Frage Kölns heute erneut zur Diskussion zu stellen. Wie Ihnen der Herr Generalberichterstatter schon mitteilte, hat der Rechts- und Verfassungsausschuß mit einem Stimmenmehr von 18 bei 4 Enthaltungen die Stadt Karlsruhe als den
Sitz des Bundesgerichtshofs gewählt, nachdem festgestellt war, daß Karlsruhe die in den 8 Punkten der Richtlinien aufgestellten Forderungen erfülle. Der Ausschuß fand sich dabei auch in Übereinstimmung mit dem Vertreter des Herrn Justizministers, der die vorgeschlagenen Gebäudekomplexe in den sich bewerbenden Städten selbst in Augenschein genommen hat und auch seinerseits feststellen konnte, daß in Karlsruhe die Voraussetzungen für den Sitz des Bundesgerichtshofes erfüllt seien.
Ehe der Rechtsausschuß zu dieser Abstimmung kam, hatte er einem Antrage der sozialdemokratischen Mitglieder des Ausschusses zufolge darüber zu befinden, ob nicht die Stadt Berlin Priorität vor allen anderen Städten besäße. Die Wahl Berlins wurde von den übrigen Mitgliedern des Ausschusses abgelehnt mit der Begründung, daß schon bei der Festlegung für den Sitz des Reichsgerichts in Leipzig maßgebend gewesen sei, dieses höchste Gericht nicht am Sitz der Bundesorgane zu etablieren. Da Berlin als kommende Bundeshauptstadt vorgesehen ist, mußte man aus logischer Konsequenz auch von Berlin als Sitz des Bundesgerichtshofes Abstand nehmen.
Es blieb also, wie ich Ihnen schon mitteilte, bei dem Beschluß, Karlsruhe in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Der Herr Generalberichterstatter hat die entsprechenden Änderungen und Ergänzungen des Gesetzentwurfs bekanntgegeben, wonach in Art. 1 unter Ziffer 51 der rechten Spalte bei § 123 anstelle des Wortes „unverändert" zu setzen ist „Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe" und § 123 der Anlage 1 zu Drucksache Nr. 1138 „Gerichtsverfassungsgesetz" den Wortlaut erhält „Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe".
Der Ausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, entsprechend zu bestimmen.