Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir haben vereinbart, Abstimmungen erst von 12 Uhr ab vorzunehmen. Ich stelle daher diesen Tagesordnungspunkt insoweit bis 12 Uhr zurück. Um die Damen und Herren zu orientieren, worüber abgestimmt werden muß, stelle ich fest: Es muß um 12 Uhr zu diesem Punkt einmal über den Antrag Wellhausen auf Zurückverweisung an den Ausschuß abgestimmt werden; und dann wird artikelweise abgestimmt werden und wird die Schlußabstimmung erfolgen.
Ich rufe als nächsten Punkt Ziffer 4 der Tagesordnung alter Numerierung auf:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der Bayernpartei und des Zentrums sowie der Gruppe der Deutschen Reichspartei betreffend Aufwertung des Kapitals der Altsparer .
Ich habe hierzu bekanntzugeben, daß der Ältestenrat Ihnen vorschlägt: für die Begründung 10 Minuten, für die Beantwortung noch einmal 10 Minuten, Gesamtaussprache 40 Minuten. —
Sind Sie einverstanden, meine Damen und Herren? — Ich stelle es fest.
Hierzu hat der Vertreter des Herrn Finanzministers mitgeteilt,
daß er außerstande sei, heute auf die Interpellation zu antworten. Ich habe das gestern im Ältestenrat verlesen. Die Antragsteller haben aber darauf bestanden, daß die Interpellation heute behandelt wird.
Werden Sie antworten, Herr Finanzminister?
— Danke schön! — Wer wird von den Interpellanten das Wort nehmen? — Herr Dr. Besold! 10 Minuten!
Dr. Besold , Interpellant: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die vorliegende Interpellation Drucksache Nr. 1131 verfolgt das Ziel, den Antrag der Bayernpartei auf Aufwertung des Kapitals der Altsparer vom 7. Oktober 1949 einer beschleunigten Erledigung zuzuführen. Die Verwirk-
lichung des Antrages wurde von seiten der Bundesregierung bis jetzt in keiner Weise gefördert.
Wohl bezeichnete der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung die Zurückgewinnung des Vertrauens der Altsparer zur staatlichen Gesetzgebung als eine staatspolitische Forderung ersten Ranges.
Eine beschleunigte Prüfung der vermeidbaren sozialen Härten der Währungsgesetzgebung wurde zugesichert. Unmittelbar nach Einbringung des Aufwertungsantrages der Bayernpartei am 7. Oktober hat der Herr Bundesfinanzminister in seiner Hamburger Rede am 9. Oktober selbst erklärt, daß es unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen darauf ankommt, das verlorene Sparkapital zu ersetzen und neues für den Wiederaufbau zu beschaffen. Der Minister hat insbesondere betont, daß das Vertrauen der Sparer zurückzugewinnen sei und daß den Sparern das Gefühl genommen werden müsse, daß sie um ihre Ersparnisse betrogen worden seien. Eine besondere sorgfältige Prüfung einer nachträglichen Entschädigung der Altsparer wurde auch von ihm zugesichert. Insbesondere wurde von ihm damals angekündigt, daß an einem diesbezüglichen Gesetzentwurf gearbeitet werde.
Was aber ist nun in der Zwischenzeit geschehen? Nichts anderes, als daß dem zuständigen Ausschuß für Geld und Kredit unmittelbar vor Ostern umfangreiche Erwägungen zur Frage eines Altsparergesetzes, datiert vom 22. Januar 1950, überreicht wurden, die aber keineswegs eine Stellungnahme der Bundesregierung darstellten. Diese umfangreichen Erwägungen waren zweifellos eine gründliche Feinarbeit, aber diese Erwägungen dürfen unter gar keinen Umständen die tragenden Gesichtspunkte, die dem Aufwertungsantrag zugrunde liegen, verdunkeln.
Die Bundesregierung wurde daher mit Schreiben des Geld- und Kreditausschusses vom 26. April aufgefordert, ihre Stellungnahme zum Aufwertungsproblem bekanntzugeben. Erst mit Schreiben vom 28. Juni, vorgelegt am 3. Juli, wurde vom Herrn Bundesfinanzminister die entsprechende Antwort erteilt. Ich darf die einschlägige Antwort kurz verlesen:
Bei dieser Prüfung
— so heißt es in diesem Schreiben —
mußte davon ausgegangen werden, daß für die Bundesregierung eine Regelung des Altsparerproblems im Wege der Währungsgesetzgebung aus formellen Gründen nicht ohne weiteres möglich ist, solange nicht die Besatzungsmächte auf besonderen Antrag der Bundesregierung die von den etwa beabsichtigten Maßnahmen abweichenden Bestimmungen der Währungsgesetze aufgehoben haben. Da ein solcher Antrag nur im größeren Rahmen erörtert werden kann, braucht die materielle Frage, ob die mit einem währungsrechtlichen Schritt etwa verbundene Erhöhung des Zahlungsmittelumlaufs geldpolitisch zu verantworten wäre, zur Zeit nicht entschieden zu werden.
Was die Möglichkeit einer Entschädigungsleistung an Altsparer außerhalb des Bereichs der Währungsgesetze angeht, hat die Prüfung eindeutig ergeben, daß jede gesetzliche Regelung vor Verabschiedung eines Gesetzes über den endgültigen Lastenausgleich sehr großen politischen Schwierigkeiten begegnen würde. Die
endgültige Regelung des Lastenausgleichs wird
in jeder möglichen Weise beschleunigt werden.
Durch die Verkoppelung des Aufwertungsantrages mit dem Lastenausgleich hat der Herr Bundesfinanzminister den Antrag auf ein totes Geleise geschoben. Er kehrt geflissentlich angebliche politische Schwierigkeiten hervor, die einer Regelung auf dem Wege einer währungspolitischen Maßnahme entgegenstehen. Er hat aber in keiner Weise dargetan —und deshalb unsere Interpellation —, daß ernste Versuche unternommen wurden, diese Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. So kann und darf das Aufwertungsproblem der Altsparer unter keinen Umständen behandelt werden. Zu viele Leidensstationen hat dieser beste Teil der deutschen Bevölkerung bereits hinter sich: die Inflation im Jahre 1923, das Versagen der Goldklausel bei der Währungsumstellung, die Ablehnung des Homburger Abkommens, die Festkontenstreichung durch die Militärregierung und nunmehr die Währungsgesetzgebung und die bei Versprechen gebliebenen Zusicherungen der Bundesregierung seit der Regierungserklärung und seit Einreichung dieses Antrages.
Das Problem der Aufwertung ist vor allem und seinem innersten Wesen nach ein rechtsstaatliches und ein wirtschafts- und finanzpolitisches Problem und darf kein Teilproblem des Lastenausgleichs werden, weil sonst eben die beabsichtigten Erfolge niemals eintreten werden. Wenn das Aufwertungsproblem dem Lastenausgleich zugeführt wird, dann werden nur Teilprobleme gelöst, vielleicht die Aufwertung der Konten der Heimatvertriebenen oder der alten Leute oder der sozial Schwachen erfaßt, und damit wird der währungspolitische Erfolg, der wirtschafts- und finanzpolitische Erfolg, nämlich die Rückgewinnung des Vertrauens aller zur Sparkapitalbildung nicht erreicht. Das soziale Unrecht der Währungsgesetzgebung muß repariert werden.
Den Altsparern wurde ein dreifaches Unrecht zugefügt: erstens: das durch öffentliche Rechte gesicherte Sparkapital wurde dem ungesicherten Inflationsgeld gleichgestellt; zweitens: die Altsparer wurden als einzige Kategorie im voraus zum Lastenausgleich herangezogen; drittens: die Altsparer wurden zu 90 % ohne jede Entschädigung zugunsten des Staates enteignet.
Wie sinnfällig diese Unrechtsmethoden gegenüber den Altsparern zum Ausdruck kommen, dazu darf ich insbesondere auch auf die Wertpapiersparer verweisen: Pfandbriefe und Hypotheken waren seit Menschengedenken die mündelsichere Anlage, die Vormündern, Nachlaßpflegern, Stiftungen von den Vormundschafts- und Nachlaßgerichten und den Aufsichtsbehörden zur angeblichen Sicherung der ihnen anvertrauten Vermögen zwangsweise vorgeschrieben wurde. Dieser gleiche Staat, der das getan hat, der die gesetzlichen Vertreter dieser armen und hilflosen Wesen und die Träger wohltätiger Körperschaften gerade zu diesen Vermögensanlagen zwang, hat ihnen mit einem Schlage über Nacht 92 % wieder weggenommen. Und darin liegt das Problem, daß die Aufwertung ein rechtsstaatliches Problem ist: die Wiederherstellung von Recht, die Beseitigung von Unrecht.
Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß gerade die Altsparer ob dieser ungerechten Behandlung eine beredte Quittung in der Zwischenzeit gegeben haben, und daraus ergibt sich auch, daß das Aufwertungsproblem ein wirtschafts- und finanz-
politisches ist. Ich darf kurz darauf hinweisen, daß in der „Deutschen Zeitung" im März dieses Jahres gestanden hat:
Im Januar war der bisher niedrigste Absatz an Schuldverschreibungen des Boden- und Kommunalkredits seit 1949 zu verzeichnen. Noch unbefriedigender war das Ergebnis der Emissionen der Bundesbahn und der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
— Den Sparer konnte eine höhere Verzinsung nicht
veranlassen, diese Wertpapiere zu kaufen, oder gar
die Inaussichtstellung von steuerlichen Vorteilen. —Wie gering der Anteil des Wertpapiersparens
an der gesamten Sparkapitalbildung ist