Rede von
Dr.
Harald
Koch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Wellhausen hatte uns im Namen seiner Fraktion einen konstruktiven Vorschlag versprochen, den sich seine Fraktion in der vergangenen Woche überlegt hätte. Wenn nun der konstruktive Vorschlag so aussieht, daß die hier zu beratende Angelegenheit wieder in den zuständigen Ausschuß zurückverwiesen werden soll, dann — das muß ich offen sagen — kann mir die Fraktion leid tun,
denn diese Umsatzsteuerangelegenheit ist in so vielen Beratungen des Ausschusses für Finanzen und Steuern durchgesprochen worden, daß meines Erachtens keine Veranlassung mehr besteht, sie noch einmal im Finanzausschuß zu behandeln.
— Der „neue" Gedanke, die Grenze von einer Million, die in § 7 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes für den Einzelhandel festgelegt ist, meinetwegen auf 5 oder 10 Millionen heraufzusetzen, ist nicht neu; denn auch er ist schon angetippt worden.
Vor allem aber ist er nicht gut, denn wir treffen mit dieser Sondersteuer nicht etwa — das habe ich in der letzten Sitzung schon betont — die Warenhäuser oder Kaufhäuser oder Konsumgenossenschaften oder Filialgeschäfte, sondern wir treffen in jedem Fall, ganz einerlei, wo Sie die Grenze festsetzen, ob bei einer oder hei 10 Millionen, die breiten Schichten des Volkes, die in diesen Kaufhäusern, Warenhäusern, Konsumgenossenschaften und Filialgeschäften zu billigen Preisen einkaufen, weil sie gezwungen sind, nicht etwa nur die Mark, sondern den Pfennig in der Hand umzudrehen. Sie wissen genau so gut wie wir, daß diese Sonderbesteuerung eine ganz unsoziale Angelegenheit ist,
weil sie nicht den Einzelhandel trifft, sondern immer wieder die breiten Schichten des Volkes. Sie hätten Ihre Stimme bei der Änderung der Einkommensteuer erheben sollen; denn die Einkommensteuer, meine Damen und Herren, ist eine Steuer, die sozial gestaffelt sein kann und sozial gestaffelt sein muß, während die Umsatzsteuer diese Bedingungen nicht kennt, sondern eine gleichmäßig kalkulierbare Steuer ist, die in jedem Fall der letzte Verbraucher zu tragen hat.
Sie gehen, meine Damen und Herren, von ganz falschen Voraussetzungen aus, wenn Sie meinen, daß durch diese Sonderbesteuerung dem Einzelhandel irgendwelcher Schutz gewährt würde. Wenn der Kollege Ewers hier gesagt hat, der Mittelstand habe Herrn Brüning besonders am Herzen gelegen und aus diesem Grunde habe Brüning diese Sonderbesteuerung 1930 eingeführt,
so ist dazu zu sagen: Herr Brüning hätte überhaupt nicht an diese Sonderbesteuerung gedacht, wenn nicht damals die Wirtschaftspartei als legitime Vorgängerin der NS-HAGO die Regierung zu dieser unsozialen Steuer gezwungen hätte,
weil diese Wirtschaftspartei damals das Zünglein an der Waage war.
— Sie pflegen das sonst mit „Kuhhandel" zu bezeichnen, Herr Kollege Mensing!
— Ich betone noch einmal, meine Damen und Herren, daß diese Sonderbesteuerung dem mittelständischen Einzelhandel tatsächlich keinen Schutz gibt. Ich beziehe mich auf diesen Kronzeugen: „Der deutsche Handel", die Schrift des Einzelhandels, und ich möchte Ihnen einige Sätze aus dem Aufsatz über den Kollektiveinkauf hier zur Kenntnis geben.
Es heißt da:
Der mittelständische Handel zielt seit Jahrzehnten auf eine Drosselung der Genossenschaften, Warenhäuser und Filialunternehmen hin. Es zeigt sich nun aber, daß die im Sinne der Bekämpfung der Großbetriebe getroffenen Maßnahmen sich als Fehlmaßnahmen erwiesen haben.
Die Folge der staatsinterventionistischen Sonderbesteuerung war und ist die Tatsache, daß die betroffenen Unternehmen ihre Bemühungen auf Weiterrationalisierung der Betriebe verdoppelten.
Und dann noch dieser Satz aus dieser Schrift des deutschen Einzelhandels:
Weite Kreise des mittelständischen Einzelhandels haben erkannt, daß mit Verboten und Sondersteuern der Konkurrenz der Genossenschaften, Warenhäuser und Filialgeschäfte nicht beizukommen ist, sondern nur die eigene Leistungssteigerung zur Rettung ihrer Stellung führen kann.
Und darum, meine Damen und Herren, ist es durchaus richtig, wenn der Kollege Pelster im Finanzausschuß diese Sonderbesteuerung eine „Prämie auf die Bequemlichkeit der Kleinbetriebe" genannt hat.
Meine Damen und Herren! Es ist von den Konsumvereinen als von „Ihren Vereinen" — mit dem Blick zur SPD hin — gesprochen worden. Es dürfte Ihnen längst bekannt sein, daß die Konsumgenossenschaften ebenso wie die Gewerkschaften irgendeine Unterscheidung in parteipolitischer Hinsicht oder in konfessioneller Hinsicht nicht mehr kennen. Wir freuen uns darüber, daß wir solche Wortführer wie den Kollegen Pelster und andere, wie wir eben gehört haben, in den Reihen der CDU-Fraktion haben.
Es ist bedauerlich, daß insbesondere der Kollege
Ewers diese Dinge auf ein absolut parteipolitisches
Gleis geschoben hat, wohin diese Sonderbesteuerung als ein soziales Problem bestimmt nicht gehört.
Wir haben an diesem Ort, meine Damen und Herren, mit sehr ernster Sorge in den vergangenen Wochen Überlegungen über die Brotpreise angestellt. Wer von Ihnen kann es denn verantworten, daß auch bei den Konsumgenossenschaften, insbesondere bei den konsumgenossenschaftlichen Bäckereien, eine Umsatzsteuer von 3 3/4 % auf das Brot gelegt wird, während im übrigen das Brot nur 1 1/2 % Umsatzsteuer zu tragen hat. Machen Sie aus Ihren Worten Wirklichkeit und helfen Sie uns, das Brot billiger zu verkaufen. Sie können das, wenn Sie diese unsoziale Steuer beseitigen.
— Ich verstehe Ihren Zwischenruf nicht. Wenn Sie dies nicht verstehen wollen, muß ich darauf verzichten, Sie weiter zu belehren.
Der Kollege Schuler hat davon gesprochen, daß der Einzelhandel an den ERP-Krediten keinen Anteil gehabt hat. Das ist absolut richtig. Aber zu diesem Einzelhandel, der an den ERP-Krediten nicht teilgenommen hat, gehören auch Warenhäuser, Filialgeschäfte und insbesondere auch die Konsumgenossenschaften, die sich um derartige Kredite bemüht haben. Seine Argumentation geht hier also an unserem Thema völlig vorbei.
Wenn dann der Kollege Schuler, beinahe weinend, von der Not des mittelständischen Einzelhandels gesprochen hat, so ist ja zu unserer Freude unser Kollege Mensing ein wandelndes Beispiel dafür, daß es dem Einzelhandel nicht ganz so schlecht gehen kann, wie der Kollege Schuler es ausgeführt hat.