Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um dieses Feststellungsgesetz gibt so einen kleinen Vorgeschmack von dem, was wir demnächst zu erwarten haben, wenn es um den Lastenausgleich selber geht. Ich glaube nicht, daß die, die dafür in
Betracht kommen, also die Bombengeschädigten und die Heimatvertriebenen, den Eindruck haben, daß es sich hier um ein Ablenkungsmanöver handelt. Ich verstehe nicht, wie man auf den Gedanken kommen kann; denn bei aller Vernachlässigung gerade dieser Frage muß man doch sagen, daß das erste, was hier geschieht, auch das Notwendigste ist. Wenn irgendeiner glaubt, von einem Lastenausgleich sprechen zu können, ohne ein Inventar aufzunehmen, ohne festzustellen, was auf der einen Seite da ist und auf der anderen Seite geschuldet wird, so kann das doch von den Berechtigten draußen nur so verstanden werden, daß er den Rechtscharakter ihrer Ansprüche überhaupt nicht einmal anzuerkennen geneigt ist. Wenn Sie diesen Gedanken durchdenken, meine Herren von der SPD, so werden Sie sicher zu dem Ergebnis kommen, daß Sie sich im Grunde der Forderung nach einer Feststellung der Schäden gar nicht entziehen können. So sehr wie ich selbst namentlich im Interesse auch der Ausgebombten, von denen bisher überhaupt nicht die Rede gewesen ist — —
— Die sind mit erwähnt in Ihrem Antrag, ich weiß, aber in der Debatte, ist noch gar nicht von ihnen gesprochen worden. Es gibt nicht bloß Flüchtlinge, die darauf warten, sondern auch die Kriegsgeschädigten der anderen Kategorie hier in der Heimat warten genau so dringend darauf, daß man sich ihrer erinnert.
So sehr wir also begrüßen, daß das Problem des Lastenausgleiches eiligst in Angriff genommen wird, so halten wir doch eine Festlegung auf einen Tag nicht für zweckmäßig, schon am allerwenigsten für zweckmäßig, weil man gerade den Herrn Finanzminister Schäffer, den „Laß-den-AusgleichsMinister", nicht zwingen sollte, es in aller Eile so, wie es jetzt vorliegt, zu erledigen. Das geplante Lastenausgleichsgesetz kann doch nur besser werden unter dem Druck der Öffentlichkeit, der hier dringend notwendig ist, auch gerade unter dem Druck der Teile seiner eigenen Fraktion, die das bisherige Verhalten des Herrn Finanzministers in der Frage Lastenausgleich nicht billigen. Dieser Druck wird sich zum besseren auswirken und die Möglichkeit bieten, das bisherige Vorhaben des Finanzministeriums noch zu verbessern.
Ich begrüße deswegen, daß jetzt dieser Antrag vorgelegt wird, schon darum, weil er das Schweigen bricht, und weil dieser Antrag der erste Schritt auf dem Wege ist, tatsächlich etwas zu tun. Es bedarf im einzelnen allerdings noch der Beratung dieser Vorlage, und ich glaube, daß Herr Kollege Kather, der wohl ihr Inaugurator ist, nicht daran gedacht hat, daß in einigen Ländern schon erhebliche vorbereitende Arbeit getan worden ist. Die Vorlage könnte bei einer schematischen Behandlung zu einer überflüssigen Behördenarbeit führen. Es müßte also zunächst einmal festgestellt werden, welche Vorarbeiten in den einzelnen Ländern schon getan sind, um das zu vermeiden.
Eben ist von einer Konkursquote gesprochen worden. Sicherlich darf man die Angelegenheit nicht unter dem privatrechtlichen Gesichtspunkt des Konkurses bearbeiten und betrachten. Allein mit diesem Gesichtspunkt der Quote kann man nicht fertig werden. Man kann aber auf der anderen Seite nicht verkennen, daß es nicht gleich sein kann, ob der eine wenig, der andere viel verloren hat, und der Herr Finanzminister hat eben auch zugeben müssen, daß eine individuelle Betrachtung notwendig ist. Diese individuelle Betrachtung kann sich nicht nur auf die einzelnen Personen und ihre persönlichen Verhältnisse erstrecken, sondern sie muß sich natürlich auch auf die Verluste erstrekken, die der einzelne gehabt hat.
Wenn ich insgesamt — wir haben ja heute nur die Besprechung im Sinne einer Generaldebatte — den Blick auch auf die Behandlung der Kriegsgeschädigten zurückwerfe, so muß ich sagen, daß das, was jetzt beantragt ist, schon vor dreiviertel Jahren Aufgabe der Regierung gewesen wäre.
Die Regierung nimmt so gern und so oft die Initiative in gesetzgeberischen Arbeiten für sich in Anspruch, die ihr gar nicht zukommt. Hier aber hat sie bei ihrer Regierungserklärung feierlich erklärt, daß sie so sozial wie möglich verfahren wolle. Von dieser Stelle aus ist das Wort gefallen. Gerade dazu hätte es gehört, daß sie schon längst die Initiative wenigstens dahin ergriffen hätte, daß sie ihren guten Willen zum Ausdruck gebracht hätte. Während dieser gute Wille von der Regierung bisher nur höchst unvollkommen gezeigt worden ist und da das, was vom Lastenausgleichsentwurf der Regierung bisher bekanntgeworden ist, auch nur höchst unbefriedigend war, ist es ein ehrendes Zeichen, daß aus der Mitte des Hauses ein interfraktioneller Antrag gekommen ist, ein ehrendes Zeichen für dieses Haus, daß es selber die Initiative ergriffen hat und sich gerade derer erinnert, die man von seiten breiten Kreise unseres Volkes am liebsten totschweigen möchte.