Rede von
Georg
Pelster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre an sich, nachdem wir in der zweiten Lesung zu den Fragen, die uns heute bei diesem Punkt der Tagesordnung beschäftigen, eingehend Stellung genommen haben, nicht notwendig gewesen, daß nochmals groß dazu geredet wird. Ich bin der Meinung, daß wir die Dinge leidenschaftslos betrachten sollten. Es hat wenig Überzeugungskraft, wenn zum Ausdruck gebracht wird, diese erhöhte Umsatzsteuer sei ein Schutzgesetz. Wir haben einen Gesamtumsatz von zirka 35 Milliarden im Einzelhandel, und wenn wir davon den Gesamtumsatz der Gruppen nehmen, die von der erhöhten Umsatzsteuer erfaßt werden, dann beträgt dieser 4,1 %, und zwar im Jahre 1949. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß der Gesamtumsatz der Konsumgenossenschaften, die mit darunter fallen, nur 716, 720 Millionen von 35 Milliarden, also ganze 2 % beträgt. Ich kann mir daher nicht vorstellen, daß in diesem Falle die 90 bzw. 98 % vor den 10 bzw. 2 %, die unter die erhöhte Umsatzsteuer fallen, Furcht haben müssen.
Ich bin der Meinung, daß gerade in dieser erhöhten Umsatzsteuer Härten liegen. Alle diese Betriebe müssen Backwaren und Mehl mit 3 3/4 % versteuern gegenüber nur 1 1/2 % beim sonstigen Einzelhandel.
Wenn wir uns das bei der geringen Spanne vor Augen halten — wir haben uns ja dieser Tage wieder über den Brotpreis gestritten, und eine Möglichkeit, diese Erhöhung im Bäckergewerbe und in der Mühlenindustrie aufzufangen, wurde bestritten; gut, wir wollen das anerkennen — und wenn dann ein großer Teil der Betriebe, die unter die erhöhte Umsatzsteuer fallen, 2 1/4 % mehr zahlen muß, dann ist das unerträglich. Ich
Deutscher Bundestag — Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juli 1950 2843
bitte deshalb, Einsicht walten zu lassen und das Unrecht, das 1930 durch diese erhöhte Umsatzsteuer herbeigeführt wurde, jetzt endlich abzuschaffen.
Ich bin auch der festen Überzeugung, daß, wenn wir diese erhöhte Umsatzsteuer fallen lassen, dadurch der Einzelhandel nicht geschädigt wird.
Denn wir werden in den Konsumvereinen auch in den nächsten vier Wochen nach Abschaffung des Gesetzes, nach Fortfall der erhöhten Umsatzsteuer nicht ein einziges Mitglied mehr zu verzeichnen haben. Wir werden nicht feststellen können, daß auch nur ein einziger Käufer mehr da sein wird.
Wenn Sie es aus fiskalischen Gründen ablehnen, dann könnten Sie sagen, daß es sich um 22 oder 25 Millionen handelt. Bedenken Sie, daß die Umsatzsteuer absetzbar ist, so daß praktisch doch die Hälfte dieses Betrages in den Staatssäckel zurückfließt. Da es darauf ankommt, daß wir gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, — —
— Das hat der Finanzminister — —
— Es freut mich, daß Sie das zugeben.
— Dann bestätigen Sie ja das, was der Finanzminister mehr als einmal betont hat, indem er sagte: ich will in der Steuer eine gleiche Linie;
ich will nicht Vorbelastungen. Stimmen Sie also unserm Antrage zu!
Sie sagen nun, daß hier eine Stufe übersprungen wird.
— Den Beweis bleiben Sie uns ja schuldig! — Obwohl Sie die Zahlen ablehnen werden, will ich sie doch zur Kenntnis des Hauses bringen. Das Handelswissenschaftliche Institut der Universität Köln hat eine genaue Prüfung dieser Dinge vorgenommen und ermittelt, daß im gesamten Lebensmitteleinzelhandel 17 % direkt beim Hersteller, 60 % im Großhandel und 21 % bei Großeinkaufsgesellschaften — Edeka usw. — gekauft werden. Bei den Drogerien sind die Zahlen: 42 % direkt beim Erzeuger, 46 % im Einzelhandel und 10 % bei Einkaufsgemeinschaften. Im Textileinzelhandel lauten die Ziffern: 63, 24 und 7 %, und so könnte ich Ihnen noch weitere Zahlen nennen. Ich will damit zum Ausdruck bringen, daß auch der Einzelhandel, soweit er nicht unter die erhöhte Umsatzsteuer fällt, in großem Maße direkt bei der Produktion kauft. Im Schuhwareneinzelhandel geht das bis über 90 % hinaus. Also wird auch da die Stufe übersprungen, und wenn das da schon der Fall ist, dann müßte nach meiner Meinung das Haus dem Rechnung tragen, was beantragt worden ist, und dafür eintreten, daß diese erhöhte Umsatzsteuer endlich fällt.
Dieser Antrag hat auch nichts mit einer Mittelstandsfeindlichkeit zu tun.
Es ist nicht daran zu denken, — —
Herr Kollege Mensing, ich habe Sie das letztemal ja auch nicht unterbrochen. Ich bitte Sie doch, auch mich reden zu lassen. — Der Antrag hat mit Mittelstandsfeindlichkeit nichts zu tun. Wir wollen einen gesunden Mittelstand und werden den auch dadurch nicht treffen, daß wir jetzt gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus dringend, dem Antrag so wie in der zweiten Lesung auch in der dritten Lesung zuzustimmen.