Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Herrn Kollegen Wagner bei dem, was er soeben gesagt hat, in vollem Umfange zu. Ich hatte meinerseits schon einen Antrag vorbereitet, der eine Einschränkung des § 81 a dahin vorsah, daß höchstens noch eine Blutprobe bei unbeteiligten Personen zugelassen werden soll. Aber das Ganze scheint mir in der Tat ein polizeistaatlicher Gedanke zu sein, der vor der Hitlerzeit bei uns überhaupt unmöglich gewesen wäre, dem lediglich durch die inzwischen verlaufene Zeit der Weg ein wenig geebnet worden ist.
— Jawohl, bei dem, was damals alles diskutiert worden ist, kam das auch vor, weil eben große Ereignisse ihren Schatten vorauswarfen. — Aber gerade nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, müssen wir besonders vorsichtig sein. Ich freue mich deshalb, daß der Antrag des Herrn Kollegen Wagner noch weiter geht als mein eigener Antrag; ich werde ihm also zustimmen.
Für den Fall, daß dieser Antrag nicht durchkommen sollte, möchte ich den Antrag empfehlen, den ich zu § 81 c stellen wollte, nämlich den Abs. 2 zu streichen und an dessen Stelle zu setzen:
Andere körperliche Eingriffe als Blutproben auf Alkohol sind zum Zwecke einer strafrechtlichen Untersuchung nur mit schriftlicher Zustimmung des Betroffenen zulässig.
Man weiß ja, wie es bei einem Strafverfahren mit der Zustimmung geht. Wenn beschlagnahmt wird, geschieht das meistens nur im freundlichsten Einvernehmen mit dem Betroffenen. Man nennt das „sicherstellen". Wenn jemand verhaftet wird, geht er grundsätzlich nur freiwillig mit. Wenn eine Haussuchung stattfindet, helfen die Einwohner der betroffenen Wohnung immer ganz freiwillig mit und freuen sich, daß der Polizeibeamte so freundlich ist, einmal nachzusehen.
Deswegen lege ich Wert darauf, daß absolut klar und sicher festgestellt wird, daß hier die echte Zustimmung des Betroffenen nötig ist. Die Frage ist von größerer Bedeutung, als wenn es sich nur um die Frage der Gesundheit handelte. Es geht auch um die Gesundheit, die natürlich durch einen Eingriff, wenn er ernsthafter wäre, dem an der Sache sonst ganz unbeteiligten Zeugen gefährlich werden könnte. Das ist richtig. Aber darüber hinaus ist sogar noch das reine Wohlbefinden, ahne daß Nachteile für die Gesundheit dabei entstehen, unter Umständen tangiert. Eine Sache kann schmerzhaft und peinlich sein, ohne daß die Gesundheit dabei berührt wird. Alles das hat man bei diesem Paragraphen nach meiner Meinung übersehen. Wenn man schon etwas regeln wollte, hätte man das besser tun müssen. Aber darüber
hinaus ist das Gut der persönlichen Freiheit und Unversehrtheit hier in einem Maße berührt, das es uns eigentlich zur zwingenden Verpflichtung macht, diesen ganzen Paragraphen zu streichen. Je länger ich über die Sache nachdenke, um so klarer wird mir: der ganze Paragraph muß fallen.
Wenn man sich den § 81 a ansieht, so fällt gegenüber der Erörterung, die bei § 81 c gepflogen wurde, als es sich um einen Nichtbeteiligten, einen Zeugen handelte, natürlich als erster Unterschied folgendes auf: daß es sich jetzt um den Beschuldigten handelt. Aber beim Beschuldigten ist die Sache folgendermaßen: Es wird in keinem zivilisierten Land vom Beschuldigten verlangt, kein Beschuldigter wird unter den Zwang gestellt, sich selber zu beschuldigen. Niemand verlangt auch nach unserer Prozeßordnung, daß er eine Aussage gegen sich selbst macht. Er hat das Recht, sich zu einer Beschuldigung zu erklären; aber er ist nicht dazu verpflichtet, geschweige denn, daß man es erzwingen kann. Hier wird er aber gezwungen, seinen Körper als Beweisstück zur Verfügung zu stellen. Auch das geht nach meiner Meinung zu weit. Wenn es sich dabei um eine bloße Besichtigung, z. B. um eine Inaugenscheinnahme handelt, wenn z. B. ein Täter auf frischer Tat betroffen wird, der verletzt worden ist, was er nun unter seinen Kleidern verdeckt, dann ist es verständlich, daß eine körperliche Untersuchung stattfindet. Das mag noch angehen.
Bei dem häufigsten Fall will ich auch noch eine Konzession machen; das ist der Fall des Alkoholgenusses bei Verkehrsdelikten. Es hat sich eingebürgert, daß in diesem Fall eine körperliche Untersuchung und Blutentnahme erfolgt, und kein Mensch empfindet das als eine besondere körperliche Beeinträchtigung. Ich gebe gern zu, daß die Praxis da eine Konzession erlaubt. Aber darüber hinaus sieht § 81 a sogar vor, daß der Beschuldigte seinen Körper nicht bloß zu Untersuchungszwecken zur Verfügung stellen muß, sondern daß er im Eilfall auf Anordnung eines Polizeibeamten einem Arzt zugewiesen werden kann, der Operationen an ihm vornehmen darf. Das geht nach meiner Meinung über die Verpflichtung des Beschuldigten, an dem Verfahren teilzunehmen, erheblich hinaus.
Ich beantrage deswegen, dem § 81 a Abs. 1 Satz 2 — Herr Präsident, ich darf bitten, das hinter Abs. 1 hinzuzufügen — folgende Fassung zu geben:
Andere körperliche Eingriffe als Blutproben auf Alkohol sind zum Zwecke einer strafrechtlichen Untersuchung nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig.
Ich bitte sodann, in Abs. 3 die Worte „bei Gefahr im Verzuge" usw. zu streichen. Es muß, wenn eine solche Untersuchung vorgenommen werden soll, immer der Richter bemüht werden. Das erfordert ,der Respekt vor der Freiheit des einzelnen auch in dem Stadium, in dem jemand sich in Untersuchung befindet, wenn er in Untersuchung gezogen wird. Der Herr Kollege Wagner hat soeben mit Recht gesagt: längst nicht jeder Beschuldigte ist schuldig. Das erfordert der Respekt vor der menschlichen Persönlichkeit und vor allen Dingen der Gedanke daran, daß man nicht weiß, wer einmal diese Bestimmung, über die wir jetzt zu beschließen haben, handhaben wird und in welchem Geiste.