Protokoll:
1041

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 41

  • date_rangeDatum: 24. Februar 1950

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 19:30 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:19 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1387 41. und 42. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950. 41. Sitzung Geschäftliche Mitteilungen . . . 1388B, 1424D Schriftlicher Bericht der Bundesregierung betreffend Notstandsgebiet WatenstedtSalzgitter (Drucksachen Nr. 362 und 612) 1388B Anfrage Nr. 42 der Fraktion der KPD betreffend Memorandum der Bundesregierung in der Presse (Drucksachen Nr. 456 und 606) 1388C Anfrage Nr. 46 der Abg. Strauß, Stücklen, Karpf und Genossen betreffend Anleihe bei den Inhabern von Telefonanschlüssen (Drucksachen Nr. 492 und 607) . . . . 1388C Erste Beratung des Entwurfs eines Ersten Wohnungsbaugesetzes (Drucksache Nr 567) 1388C Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 1388D Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 1389B Klabunde (SPD) . . . . 1392A Dr. Brönner (CDU) . . . . 1393D Paul (KPD) 1395C Wirths (FDP) 1397A Bahlburg (DP) 1398D Dr. Glasmeyer (Z) 1399C Dr. Etzel (BP) 1400B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen Nr. 566 und 317) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Volkholz, von Aretin, Dr. Solleder, Kahn, Aumer und Genossen betreffend Säumniszuschlag auf Bundessteuern (Drucksache Nr. 539), mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Stundungsvorschriften für Steuern (Drucksache Nr. 540) und mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Nickl, Funk, Fuchs, Stücklen und Genossen betreffend steuerliche Behandlung der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 544) . . . . . . . . 1400C Neuburger (CDU), Berichterstatter . . . . . . . 1400D, 1406C Freiherr von Aretin (BP), Antragsteller 1403C Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . . . . 1403D, 1407B Dr. Horlacher (C SU), Antragsteller 1404A Dr. Koch (SPD), Antragsteller . . . . . 1405C, 1406D Renner (KPD), Antragsteller 1405D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1406B, 1407A Seuffert (SPD) 1407D, 1408C Dr. von Brentano (CDU) 1408B Erste Unterbrechung der Sitzung 1408D Zweite Unterbrechung der Sitzung 1409A Seuffert (SPD) 1409B Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 1409C Mellies (SPD) (zur Abstimmung) . 1410B Beschlußunfähigkeit und nächste Sitzung 1410C 42. Sitzung Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen Nr. 566 und 317) in Verbindung mit der Beratung des Antrag s der Abgeordneten Volkholz, von Aretin, Dr. Solleder, Kahn, Aumer und Genossen betreffend Säumniszuschlag auf Bundessteuern (Drucksache Nr. 539), mit der Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Stundungsvorschriften für Steuern (Drucksache Nr. 540) und mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Nickl, Funk, Fuchs, Stücklen und Genossen betreffend steuerliche Behandlung der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 544) . . . . . 1410C Abstimmungen . . 1410D, 1412A, 1413D, 1414C, 1416C, 1417B, 1420B, 1423B Zur Abstimmung: Mellies (SPD) 1411A Arnholz (SPD) 1411D Mertins (SPD) 1414A Ritzel (SPD) 1423B 1388 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 U Zur Sache: Dr. Besold (BP) . . .. . . 1411C Dr. Miessner (DRP) 1411D Zur Geschäftsordnung: Dr. Reismann (Z) 1412B Neuburger (CDU) . . . . 1415A, 1422B Dr. Oellers (FDP) 1420A Dr. Bertram (Z) 1421A Zur Sache: Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . . . 1412C, 1419A Dr. Koch (SPD) . . . . . . . . 1412D Dr. Bertram (Z) 1413B, 1414A, D, 1416D, 1418A, 1419D, 1421B Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) 1413C, 1419B Neuburger (CDU) 1414B, 1416B, 1422D Dr. Kather (CDU), Antragsteller . . 1415B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 1415C Farke (DP) 1416A Dr. Reismann (Z) . . . . . 1416A Frommhold (DRP) 1416B Dr. Wellhausen (FDP) 1422A Dr. Becker (FDP) 1422B Dr. von Brentano (CDU) . . . 1423C ,Ritzel (SPD) 1424A Nächste Sitzung 1424D 41. Sitzung Die Sitzung wird um 14 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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Gesamtes Protokol
Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104100000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 41. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte zunächst den Schriftführer Herrn Abgeordneten von Aretin, die Namen der abwesenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben.

Freiherr Anton von Aretin (FU):
Rede ID: ID0104100100
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Dr. Orth, Glüsing, Dr. Lehr, Schütz, Zinn, Kalbfell, Lausen, Strobel, Cramer, Herrmann, Schönauer, Parzinger, Fisch, Determann, Wittmann. Es fehlen des weiteren entschuldigt die Abgeordneten Graf von Spreti, Mayer, Even, Tillmanns, Dr. Bergstraeßer, Dr. Suhr, Neumann, Knothe, Meyer (Westfalen), Striebeck, Nowack, Steinhörster, Dr. Falkner, Dr. Baumgartner, Kuhlemann, Hasemann, Juncker, Frau Dr. Ilk, Rath, Reimann, Oskar Müller, Frau Thiele, Kohl, Niebergall, Tichi. Ferner fehlt der Abgeordnete Goetzendorff.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104100200
Meine Damen und Herren, ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundeskanzler hat in Erledigung der ihm mit Beschluß der 28. Sitzung zu Drucksache
Nr. 362 gemachten Auflage unter dem 23. Februar 1950 über das Notstandsgebiet Watenstedt -Salzgitter berichtet. Der Bericht wird vervielfältigt und den Mitgliedern als Drucksache Nr. 612 zugehen.
Ferner hat der Herr Bundeskanzler unter dem 22. Februar 1950 die Anfrage Nr. 42 der Fraktion der KPD betreffend Memorandum der Bundesregierung in der Presse -- Drucksache Nr. 456 — beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 606 vervielfältigt.Schließlich hat der Herr Bundesminister für das Post- und .Fernmeldewesen unter dem 21. Februar 1950 die Anfrage Nr. 46 der Herren Abgeordneten Strauß, Stücklen, Karpf und Genossen betreffend Anleihe bei den Inhabern von Telefonanschlüssen — Drucksache Nr. 492 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 607 vervielfältigt.
Ferner ist mir inzwischen mitgeteilt worden, daß eine Reihe von Fraktionen entgegen der gestern abend bekundeten Absicht den Wunsch haben, die dritte Lesung des Beamtengesetzes von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit der Absetzung dieses Punktes annehmen? -- Ich höre keinen Widerspruch; dann ist demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Ersten
Wohnungsbaugesetzes (Drucksache Nr. 567).
An sich ist eine Redezeit von 90 _Minuten vorgesehen. Es darf aber angenommen werden, daß diese Redezeit nicht voll ausgenutzt wird. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung annehmen mit der Maßgabe, daß das eine Maximalredezeit ist? — Ich stelle das fest.
Das Wort hat zunächst der Herr Bundeskanzler zu einer Erklärung.

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0104100300
Meine Damen und Herren! Die Vorlage, die die Bundesregierung Ihnen heute unterbreitet, ist die wichtigste Vorlage, die die Bundesregierung dem Bundestag bisher hat zugehen lassen. Der Wohnungsbau ist für uns auf Jahre hinaus das wesentlichste Erfordernis, um das deutsche Volk einer politischen, wirtschaftlichen, ethischen und kulturellen Genesung entgegenzuführen. Die Bundesregierung und der Bundestag sind zum ersten Mal in der Lage, sich mit dieser Grundfrage zu beschäftigen. In den vergangenen Jahren haben sich die Länder und Gemeinden des Wohnungsbaues angenommen. Wenn man in Betracht zieht, welche Hindernisse dem Bauen nach dem Zusammenbruch entgegenstanden, muß man freudig und gerne anerkennen, daß die Länder und die Gemeinden auf diesem Gebiete Erhebliches geleistet haben.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Nunmehr ist dieses Gebiet in Ihre und unsere Obhut - in die Obhut der Bundesregierung -übergegangen. Wir haben absichtlich davon Abstand genommen, Ihnen ein Bauprogramm für mehrere Jahre vorzulegen. Wir sind der Auffassung, daß die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt zur Zeit noch so unübersichtlich sind, daß man mit annähernder Sicherheit ein Programm über mehrere Jahre nicht vorlegen kann. Aber Sie können davon überzeugt sein, daß das, was Ihnen heute unterbreitet wird, ein Mindestprogramm ist und daß wir alles daransetzen werden, um in
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(Bundeskanzler Dr. Adenauer)

diesem Baujahr mehr Wohnungen herzustellen, als zunächst von uns vorgesehen worden ist. Sie dürfen auch davon überzeugt sein, daß wir in den kommenden Jahren gerade dieser Frage, die — ich fuße da insbesondere auf meinen Erfahrungen als Kommunalpolitiker — eine Grundfrage des deutschen Volkes ist, alles an finanzieller Kraft zuführen werden, was wir können.
Meine Damen und meine Herren! Wir haben Ihnen in diesem Gesetzentwurf auch Vorschläge bezüglich des privaten Wohnungsbaues unterbreitet. Wir sind der Auffassung — und ich glaube, diese Auffassung kann wohl nicht ernsthaft bestritten werden —, daß die uns gestellte Aufgabe so ungeheuer groß ist, daß sie von öffentlichen Stellen allein nicht gelöst werden kann. Sie dürfen aber versichert sein, daß wir beim. privaten Wohnungsbau langsam und vorsichtig vorgehen und die Entwicklung auf dem privaten Wohnungsbaumarkt sorgfältig im Auge behalten werden.
Ich habe eben schon gesagt, daß die Aufgabe so ungeheuer groß ist — und ich nehme an, daß der Herr Minister Wildermuth Ihnen Ziffern sagen wird, ich will Sie deshalb mit allen Ziffern verschonen —, daß keine öffentliche Stelle allein sie lösen kann. Darum möchte ich von diesem Platz und diesem Saal aus an alle in Deutschland, die es ernst mit der Wohlfahrt unseres Volkes meinen, die dringende und herzliche Bitte richten, daran mitzuhelfen, damit wir diese entsetzliche - Wohnungsnot in Deutschland besiegen. Diese Bitte geht an die Länder und an die Gemeinden, sie geht an die Kirchen, sie geht an die wirtschaftlichen Unternehmungen und auch an Einzelpersonen, an alle diejenigen, die — ich wiederhole das — es ernst mit unserem Volke meinen. o Sie ergeht vor allem auch an die politischen Parteien. Nach meiner Meinung ist die Frage der Linderung der Wohnungsnot eine Frage, die naturgemäß nicht völlig aus dem Kampffeld der Parteipolitik herausgelöst werden kann. Aber es handelt sich dabei um eine Frage, bei der, glaube ich, alle politischen Parteien in gemeinsamer Arbeit miteinander wetteifern müßten, das für unser Volk Beste zu erarbeiten.

(Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei den Regierungsparteien.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104100400
Das Wort hat der Herr Bundesminister Wildermuth.

Eberhard Wildermuth (FDP):
Rede ID: ID0104100500
Meine Damen und Herren! Ehe ich auf den Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf eingehe, gestatten Sie mir, einige allgemeine Bemerkungen über die Aufgabe zu machen, die vor uns liegt. Die Aufgabe, zu deren Lösung dieses Gesetz beitragen soll, ist die gewaltigste Bauaufgabe, die jemals einer Nation gestellt worden ist. Wir mögen den Ausfall an Wohnungen im Kriege auf 2 1/2 Millionen berechnen, wir mögen den Bedarf durch die Vertriebenen in Anrechnung bringen, wir mögen alle möglichen anderen Gesichtspunkte berücksichtigen, wir stehen vor der Aufgabe, in längstens zwei Jahrzehnten 5 12 bis 6 Millionen Wohnungen zu bauen. Vergleichsweise betrug der Fehlbestand an Wohnungen nach dem ersten Weltkrieg 1 bis 1 1/2 Millionen Wohnungen. Man hat in den knappen zehn Jahren von 1919 bis 1933 — es waren im wesentlichen die Jahre 1923 bis 1933 — 3 1/2 Millionen Wohnungen mit einem Aufwand von etwas über 30 Milliarden Mark, darunter 91/2 Milliarden Mark aus öffentlichen Mitteln, erstellt.
Die Bundesregierung und das neu gaschaffene Ministerium für Wohnungsbau sahen sich einer sehr schwierigen Lage gegenüber, denn sie mußten ja gewissermaßen in statu nascendi, in der Organisation und dem Aufbau aus dem Nichts Maßnahmen yon großer Tragweite in Angriff nehmen und sich dabei in eine Entwicklung einschalten, die, wie der Herr Bundeskanzler vorhin bestätigt hat, ja schon im Gange und in einem lebendigen Leben war. Deswegen tragen die Maßnahmen der Bundesregierung einen gewissen Übergangscharakter, und die Bezeichnung des Gesetzes als erstes Wohnungsbauförderungsgesetz ist ganz überlegt gewählt worden. Trotz dieser schwierigen Umstände hat sich die Bundesregierung die Aufgabe gesetzt, die Wohnungsproduktion des letzten Jahres in diesem Jahr zu übertreffen und mindestens 250 000 Wohnungen zu bauen. Dabei war zu prüfen, ob ein solches Bauprogramm im Rahmen der Kapazität unseres Baugewerbes und unserer Bauindustrie liegt, denn wir haben in den besten Baujahren der Vorkriegszeit auf dem Gebiete der heutigen deutschen Bundesrepublik etwa 180 000 bis höchstens 200 000 Wohnungen erstellt. Aber die Zahl der Beschäftigten im Baugewerbe und in den Baunebengewerben betrug im September noch 1,1 Millionen, im Januar noch etwa 1 Million. Die Zahl der Bauarbeitslosen, Baufacharbeiter und Bauhilfsarbeiter - vor allem in den an sich schon schwer bedrückten Gebieten Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bayern und Nordhessen — betrug Ende Januar 315 000.
Die Baustoffproduktion hat im Jahre 1949 85 Prozent des Standes vom Jahre 1936, 75 Prozent des Standes vom Jahre 1938 erreicht. bie Dachziegelproduktion und die Zementindustrie haben ihre Kapazitäten zum Teil voll ausnutzen können. Bei Dachziegeln wird man an eine Erweiterung der Investitionen denken müssen. Aber jedenfalls kann man sagen: die Kapazität der Arbeitskräfte, die Kapazität von Baugewerbe und Bauindustrie, die Kapazität der Baustoffindustrie reichen aus, um ein Programm von mindestens 250 000 Wohnungen auszuführen.
Es sind dreierlei Maßnahmen, die die Bundesregierung in Angriff nehmen mußte: Maßnahmen, die der Finanzierung dienten, Maßnahmen auf steuerlichem Gebiet und der vorliegende Gesetzentwurf.
Die Finanzierung von 250 000 Wohnungen bedeutet eine Investierung von etwa 21/2 Milliarden Mark. Um sich diese Größenklasse klar zu machen, muß man sagen, daß das 3 Prozent des Brutto-Sozialprodukts sind, daß es aber von den voraussichtlichen Neuinvestierungen von 10 Milliarden ein ganzes Viertel ist.
Woher kommen nun diese 2 1/2 Milliarden oder mehr? Sie kommen zum Teil vom privaten Geld, vom Kapitalmarkt her. Es haben Verhandlungen mit den Kapitalsammelstellen — Sparkassen, privaten und öffentlichen Hypothekenbanken, privaten und öffentlichen Lebensversicherungen —stattgefunden, nach denen diese Institute mit Sicherheit damit rechnen, 600 Millionen für die erste Hypothek bereitstellen zu können. Damit diese Hypotheken sofort zu Beginn dieses Jahres zugesagt werden konnten, sind unter Vermittlung des Wohnungsbauministers durch Verhandlung
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(Bundesminister Wildermuth)

mit der Bank deutscher Länder diesen Instituten gewisse Kreditlinien eingeräumt worden, die ihnen das möglich machen. Die öffentlichen und privaten Bausparkassen werden bei einer besonders günstigen Entwicklung sicher 200 Millionen in der Hauptsache zur zweiten Stelle geben können, und für die sogenannte Restfinanzierung — das Eigenkapital, Baugenossenschaftsanteil, Mieterdarlehen, Arbeitgeberdarlehen, Selbsthilfe und derartige nicht statistisch erfaßbare Beträge — können wir mit Sicherheit mit 500 Millionen rechnen.
Aber wir bedürfen außer dem Kapitalmarkt und dem privaten Kapital einer sehr nachdrücklichen öffentlichen Hilfe, nicht nur weil die Ansammlung von Kapital noch nicht weit genug fortgeschritten ist, um in normalem Ablauf die Beträge für den Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, sondern auch weil die Notwendigkeit eines sozialen Wohnungsbaus die starke öffentliche Hilfe nötig macht. Ich darf daran erinnern, daß die Miete ein Produkt aus den Faktoren des Kapitalzinses der Baukosten und der Bewirtschaftungskosten ist und daß wir bei verhältnismäßig hohen Zinsen für die erste Hypothek öffentliche Gelder unverzinslich oder doch nur zu einem sehr niedrigen Zinssatz geben müssen, um zu tragbaren Mieten zu kommen. Das ist übrigens kein Problem für Deutschland allein, es tritt in sämtlichen Industriestaaten der Welt auf.
Woher kommen nun diese öffentlichen Mittel? Die Länder und Gemeinden werden bei einer verschobenen Finanzverteilung die Leistungen des letzten Jahres nicht mehr erreichen. Doch ist nach den bei uns vorliegenden Berichten mit Sicherheit anzunehmen, daß hier 400 Millionen aufgebracht werden, allerdings in einer regional, ländermäßig verschiedenen Verteilung. Es gibt Länder, deren Leistungsfähigkeit noch recht groß ist, und es gibt Länder, deren Leistungsfähigkeit beinahe am Ende ist. Wir haben dann aus den Mitteln des Lastenausgleichs die Erträge der Umstellungsgrundschulden mit etwa 300 Millionen, und wir hoffen, daß wir weiter aus der Soforthilfe bis zu 100 Millionen bekommen können. Das sind Mittel, deren Ertrag für die Lastenausgleichsberechtigten, also vor allem für die Vertriebenen, zweckgebunden ist.
Es hat sich aber als nötig erwiesen, daß auch der Bund von sich aus, aus eigenen Mitteln etwas tut. Sie haben schon aus der Presse und anderen Veröffentlichungen erfahren, daß der Münzgewinn, der in diesem Jahre anfällt, dem Wohnungsbau zugeführt werden soll. Es wird notwendig sein, wenn man eine Summe bis zu 400 Millionen erreichen will, auch den in diesem oder im nächsten Jahr entstehenden Münzgewinn vorzufinanzieren. Und nun eröffnet sich die Aussicht, als Ausgleichsgewicht etwa 250 Millionen aus Gegenwertmitteln zu bekommen. Ich habe diese Beträge zum Teil schon verplant und zweckgebunden vorgefunden. Ich darf sagen, daß auch hier die Vorfinanzierung, da sie rechtzeitig, das heißt in nächster Zeit, zur Verfügung gestellt werden können, gesichert erscheint. Es besteht die Absicht, den Einsatz der Bundesmittel über die Länder, die ja die Bundesgesetze durchzuführen haben, so zu gestalten, daß sie insbesondere den Flüchtlingen und den notleidenden Gebieten zugutekommen. Es sollen damit insbesondere die Umsiedler bei der schon lange geplanten Umsiedlung von 300 000 Flüchtlingen nach den westlichen Bundesländern wesentlich unterstützt werden.
Meine Damen und Herren! Die Kapitalinvestierung für den Wohnungsbau des Jahres 1950 dient ja nun nicht nur einer vordringlichen volkswirtschaftlichen Bedarfsdeckung, sondern sie ist ein mächtiger Promotor, um der Wirtschaft im allgemeinen einen Impuls nach oben zu geben, und wir erwarten davon starke Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, eine Entlastung der Arbeitslosigkeit. Man übertreibt den Optimismus nicht, wenn man davon ausgeht, daß der Bau von 250 000 Wohnungen die saisonmäßig bedingte Arbeitslosigkeit des Baugewerbes aufsaugt und außerdem noch etwa 100 000 Menschen über die im letzten Jahr im Baugewerbe beschäftigte Zahl hinaus in Arbeit bringt. Die weiteren Ausstrahlungswirkungen des Baugewerbes, die Ihnen allen bekannt sind, sind dabei noch gar nicht in Rechnung gezogen.
Der Erleichterung des Wohnungsbaues dienen auch gewisse steuerliche Maßnahmen, die in der Novelle zum Einkommensteuergesetz, welche nachher dem Hohen Hause in zweiter und dritter Lesung zur Beschlußfassung vorliegt, ihren Niederschlag gefunden haben. Es handelt sich insbesondere um eine Erweiterung der §§ 7 b und 7 c. Es scheint außerdem so zu sein, daß eine weitere Vergünstigung für den Wohnungsbau in besonderen Verhandlungen für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt werden kann. Es haben erst heute früh Verhandlungen darüber stattgefunden.
Die dritte große Maßnahme der Bundesregierung ist nun der vorliegende Gesetzentwurf. Meine Damen und Herren, man hat sich in Deutschland seit sehr langer Zeit mit dem Problem eines Wohnungsgesetzes oder Wohnbauförderungsgesetzes abgegeben. Ich glaube, die ersten Überlegungen liegen 40 Jahre zurück. Sie sind zweifellos noch in der Zeit des alten Kaiserreiches angestellt worden. Aber die Verzahntheit der Wohnungswirtschaft mit allen wirtschaftlichen Problemen, die es überhaupt gibt, und der fortschreitende Fluß der Entwicklung haben dazu geführt, daß es im alten Reich niemals dazu kam, diese gesetzgeberischen Pläne auszuführen. In den letzten Jahren haben nun einige Länder in diese Problematik hineingegriffen und in Aufbaugesetzen die gesamten Probleme oder eigen Teil der Probleme in Angriff genommen. Der Entwurf, der Ihnen vorliegt, hat sich jedenfalls vieles aus diesen Gesetzen zu eigen gemacht. Ich darf mich bei den Einzelheiten auf die Grundlinien des Gesetzes beschränken, von dem ich annehme, daß es im Ausschuß zu einer sehr gründlichen Beratung darüber kommen wird.
Das Gesetz sieht in einem allgemeinen Teil Vorschriften vor, die sich auf jede Art von Wohnungsbau beziehen. Es stellt den Wohnungsbau unter besonderer Berücksichtigung des sozialen Wohnungsbaues als vordringliche Aufgabe von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden fest, und zwar unter Berücksichtigung namentlich der Wohnraumbeschaffung für die Vertriebenen und die Ausgebombten. Es bezeichnet die Mittel, die zur Wohnbauförderung eingesetzt werden: den Einsatz öffentlicher Mittel, die Übernahme von Bürgschaften, Steuervergünstigungen, Bereitstellung von Bauland und Auflockerung der Wohnungszwangswirtschaft, und es
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(Bundesminister Wildermuth)

bestimmt weiter, daß öffentliche Mittel nur für den sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden können.
Sehr wichtig scheint mir, daß Bestimmungen vorgesehen werden, die der Senkung der Bau-. kosten durch die Bauforschung, durch den Fortschritt der Rationalisierung und durch alle diese Dinge, die Ihnen ja auch bekannt sind, dienen.
Eine entscheidende Bestimmung ist die, daß alle Neubauten, und zwar sozialer Wohnungsbau wie frei finanzierter Wohnungsbau, soweit er sich gewissen Bedingungen unterwirft, für die nächsten 10 Jahre von der Grundsteuer frei sein sollen. Das hat große Bedenken bei den Gemeinden ausgelöst, die damit vielleicht auf Einnahmen verzichten müssen. Aber wenn wir uns vorstellen, daß in der Miete 12 bis 20 Prozent Grundsteuer stecken, so müssen wir uns sagen, daß wir zu erträglichen Mieten nicht kommen, wenn wir diesen Schritt nicht tun, den man ja im übrigen zweimal, in den dreißiger und in den zwanziger Jahren, unter bestimmten Voraussetzungen getan hat. Der Bundesrat glaubte, eine Grundsteuerbefreiung für nicht länger als 10 Jahre in Aussieht nehmen zu sollen.
Teil II des Gesetzes beschäftigt sich nun mit dem sozialen Wohnungsbau und bringt da eigentlich zum erstenmal eine für das ganze deutsche Bundesgebiet geltende Begriffsbestimmung. Er bringt Bestimmungen über die Art der Vergebung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau und der Mittel, die aus dem Soforthilfefonds bereitgestellt werden. Er spricht den Grundsatz aus, daß auch für den sozialen Wohnungsbau gleicher Start für alle gelten soll. Es können und es sollen alle Bauherren bei der Vergebung öffentlicher Mittel berücksichtigt werden, die sich den Bedingungen des sozialen Wohnungsbaues unterwerfen, und auch beim sozialen Wohnungsbau soll der Bauherr gegenüber den Wohnungsbehörden dadurch eine etwas freiere Stellung bekommen; denn es ist selbstverständlich, daß die öffentliche Hand über den mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Wohnraum verfügt und daß der Bauherr dementsprechend ein Auswahlrecht gegenüber dem Wohnungsamt bekommt und nicht einfach jeden nehmen muß, den man ihm zuweist.
Einen wichtigen Schritt tut das Gesetz in seinem Teil III -- der Herr Bundeskanzler hat vorhin schon darauf hingewiesen —, der dem frei finanzierten Wohnungsbau einen breiten Start gibt. Als frei finanzierter Wohnungsbau ist derjenige anzusehen, der ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel durchgeführt wird. Hier ist von entscheidender Wichtigkeit, daß die so erstellten Wohnungen von der Erfassung und Zuteilung durch die Wohnungsbehörden freigestellt und auch die Mieterschutzbestimmungen weitgehend aufgelockert werden. Dieser Wohnraum ist auch nicht an die soziale Miete gebunden, die für den sozialen Wohnungsbau gilt; es darf vielmehr eine Kostenmiete berechnet werden, deren Grundsätze gleichzeitig mit diesem Gesetz verkündet werden.
Der Entwurf ist mit all den Gremien und Kreisen -- und es sind sehr zahlreiche --i, die sich mit dem Wohnungsbau beschäftigen, aufs gründlichste durchgesprochen. Insbesondere haben sich die Länder und der Bundesrat mit diesem Gesetzentwurf eingehend befaßt. Ich darf mit Genugtuung feststellen, daß die Länder dem Gesetz als solchem und- seinen Grundgedanken unter Zurückstellung erheblicher Bedenken, auch verfassungsrechtlicher Art, zugestimmt haben.
Die Bundesregierung stimmt einer Anzahl der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen zu. Gegen andere Änderungen bestehen jedoch bei der Bundesregierung Bedenken aus Gründen des Rechts oder der Zweckmäßigkeit. Ich darf mir versagen, auf diese zum Teil technischen Fragen hier im einzelnen einzugehen.
Ich habe im Eingang meiner Ausführungen darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz notwendigerweise einen Übergangscharakter trägt. Einen Punkt hat der Herr Bundeskanzler schon berührt; deswegen brauche ich ihn nicht noch einmal auszuführen: das Gesetz verzichtet auf die Aufstellung eines mehrjährigen Bauprogramms, obwohl sowohl die Bundesregierung als auch insbesondere der Bundeswohnungsminister ein mehrjähriges Bauprogramm grundsätzlich für wünschenswert halten.
Es gibt auch wohl manche anderen Wünsche, die in der breiten Öffentlichkeit geäußert und diskutiert worden sind, die in diesem Gesetzentwurf nicht erfüllt werden. Ich darf ein Beispiel herausgreifen. Das Gesetz enthält keine Bestimmungen über Landumlegung, Zusammenlegung, Enteignung von Bauland, Bestimmungen, um die wir weder für den Neubau auf neuerschlossenem Gelände noch für den Wiederaufbau der alten Städte kommen werden. Es hat sich aber gezeigt, daß sich bei der ungeheuren Schwierigkeit dieser gesetzlichen Materie in einer ganz kurzen Zeit solche gesetzlichen Bestimmungen nicht fertigmachen lassen. Auch dieser Punkt mußte daher einer späteren Regelung vorbehalten bleiben.
Der Gesetzentwurf wird Gegenstand sehr eingehender Besprechungen im Wohnungsausschuß des Bundestags sein. Durch Besprechungen, die dort in den letzten Monaten laufend stattgefunden haben, ist für diese Beratungen weitgehend vorgearbeitet worden. Ich darf mit Dank anerkennen, daß diese Arbeiten von sachlicher Kenntnis und von dem Gedanken gemeinsamer Verantwortung getragen worden sind.
Meine Damen und Herren!' Die vor uns stehende Aufgabe ist eine unerhört und im tiefsten verantwortliche. Ich habe von trockenen Paragraphen und nüchternen volkswirtschaftlichen Zahlen gesprochen. Aber wir dürfen, wenn wir uns mit kalter Überlegung und tiefem Verantwortungsgefühl mit diesen Problemen abgeben, nicht den Blick dafür vergessen, was hinter dem Wohnungselend steht, das wir täglich vor uns sehen. Millionen leben in überfüllten Wohnungen, Hunderttausende leben noch menschenunwürdig in Bunkern und Baracken. Was bedeutet das? Das bedeutet verhärmte Hausfrauen. die die Last ihrer Aufgabe gegenüber der Familie nicht mehr mit sich schleppen können, das bedeutet vergrämte Männer, die nach hartem Arbeitstag keine Ruhe und Rast in einem behaglichen Heim finden, und das bedeutet freudlose Kinder. Es ist unsere Aufgabe, unsere gemeinsame Aufgabe, diese Umstände zu ändern, vor allem für die heranwachsende Generation das Milieu zu ändern, in dem diese aufwächst, und für die Familie den Rahmen in einer bescheidenen aber anständigen Wohnung
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(Bundesminister Wildermuth)

zu schaffen, damit die Generation gesund heranwächst, die uns einmal ablösen und es einmal besser haben soll, als sie es unter den heutigen Zuständen hat.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104100600
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Ausprache der ersten Beratung. Ich erlaube mir dabei, auf § 37 der Geschäftsordnung aufmerksam zu machen, demzufolge in der ersten Beratung nur die Grundsätze einer Vorlage zu besprechen sind.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Klabunde. Die Redezeit beträgt 18 Minuten.

Erich Klabunde (SPD):
Rede ID: ID0104100700
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat seine Ausführungen mit dem Appell an alle Parteien geschlossen, an diesem Werk mitzuarbeiten. Aus den Schlußworten des Herrn Bundeswohnungsbauministers haben Sie bereits vernehmen können, daß dieser Wunsch nicht nur für die Zukunft gilt, sondern sich erfreulicherweise in gewissem Umfang, sogar in erheblichem Umfang bereits verwirklicht hat; denn in dem Wohnungsausschuß dieses Hohen Hauses ist für die Gestaltung der künftigen Wohnungspolitik tatsächlich eine Reihe von wichtigen Übereinstimmungen erzielt worden. Unsere Hoffnung ist es, daß diese Übereinstimmung nicht nur eine solche des Ausschusses bleibt, sondern auch zu einer Übereinstimmung des gesamten Hauses wird.
Wir haben im Wohnungsausschuß in Fragen Übereinstimmungen erzielen können, die ganz entscheidende Abweichungen von dem Regierungsentwurf bedeuten. Wenn ich auch für meine Partei und nach meiner eigenen persönlichen Überzeugung nicht in der Lage bin, alle Ansätze des Regierungsentwurfs zu akzeptieren, so muß ich doch sagen: es besteht eine gute Möglichkeit, zu einem besseren Gesetz zu gelangen, wie es ja an sich überhaupt die Aufgabe jedes Gesetzentwurfes ist, zu einem besseren Gesetz zu werden.
Das gilt beispielsweise auch für die Frage der Mehrjährigkeit des Bauprogramms, für die die Lösung in dem Entwurf noch verneint wurde. Sie alle, soweit Sie direkt oder indirekt mit diesem Gebiet befaßt sind,' wissen, daß wir in jedem Winter die große Krise des Wohnungsbaus haben. Wenn wir an die Lösung des Problems ernsthaft gehen wollen, ist es notwendig und unvermeidlich, dafür zu sorgen,. daß es diese saisonalen Schwankungen nicht gibt, daß sie vielmehr durch eine rechtzeitige Planung — Planung in dem Sinne verstanden, wie sie für ein solches Gesetz allein verstanden werden kann —, durch eine rechtzeitige Ordnung der Dispositionen des nächsten Jahres beseitigt werden können und das Problem so in positivem Sinne gelöst wird. Die Lösung brauchen wir zu Beginn des Winters, und es darf nicht etwa so sein, wie es leider geworden ist, daß erst mit dem Auslauf des Winters die Beratungen des Gesetzes stattfinden müssen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

So erfreulich es auch ist, daß die Bundesregierung den Gedanken eines Wohnungsbaugesetzes aufgenommen hat — Sie erinnern sich ja, daß uns von einer Organisation in den ersten Tagen des September, als dieser Bundestag zum ersten
Mal zusammentrat, bereits ein Entwurf vorgelegt wurde; man findet sogar zwischen dem Regierungsentwurf und jenem zitierten Entwurf eine gewisse Verwandtschaft —, so bedauerlich ist es doch, daß soviel Zeit vergehen mußte, und zwar nicht etwa für die positive Gestaltung, sondern sogar mit der Wirkung, dem ursprünglichen Entwurf, der in den Ministerien entstanden war, manche moderne Lösung und manche grundsätzliche Lösung zu nehmen und an deren Stelle die Vertröstung auf die Zukunft zu bringen.
Meine Damen und Herren, das gilt insbesondere auch für die Frage der Enteignung des erforderlichen Baulandes. Hier ist aber im Ausschuß ebenfalls eine wichtige Übereinstimmung erzielt worden, nämlich dahin, daß die Bundesregierung bei den Beratungen über das Wohnungsbaugesetz ersucht werden soll, spätestens bis zum Hochsommer dieses Jahres ein Enteignungsgesetz über Bauland vorzulegen, das notfalls sogar über die Schranken des Grundgesetzes hinausgeht, weil diese Schranken des Grundgesetzes den Bedürfnissen für die Versorgung des Flüchtlingswohnungsbaus und des sozialen Wohnungsbaus mit Bauland nicht gerecht werden. Sie sehen also, daß die sachlich unabhängig von der politischen Einstellung anerkannten Notwendigkeiten bereits eine Fülle von Übereinstimmungen ergeben haben, die es nach meiner und unserer Auffassung nicht nur zu erhalten, sondern so zu erweitern gilt, daß eine grundlegende Lösung für den Wohnungsbau zustande kommen kann.
Gerade weil uns sehr an der grundlegenden positiven Lösung liegt, gestatten Sie mir, eine Reihe von Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Wohnungsbauministers zu machen, um zu zeigen, wo noch offene Punkte der Lösung bedürfen. Ich möchte zunächst einmal darauf hinweisen, daß die Länder in ihrer Tätigkeit für die Zukunft hier etwas zu gering eingestuft worden sind. Das sage ich nicht aus Föderalismus, sondern ich sage das deswegen, weil die Länder in der Vergangenheit die einzigen Träger des Wohnungsbaus waren und neben ihnen der Bund sich seine Position erst erobern muß, die er nach dem Grundgesetz nur neben ihnen, aber nicht an ihrer Stelle haben kann. Wir müssen die volle Leistungsfähigkeit der Länder erhalten und die Leistung des Bundes dazubringen. Denn nur aus der Addition beider Kräfte können wir zu einem Mehr an Leistung gegenüber dem Vorjahr gelangen. Nur so wird es möglich sein, die wahrscheinliche Zahl von 1949, die nach den Schätzungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers bei 170 000, nach anderen Schätzungen bei 200 000 liegt, wirksam zu überschreiten. Und auf diese wirksame Überschreitung kommt es an.
Erfreulicherweise hat der Herr Wohnungsbauminister in seiner Übersicht über die Finanzierung nicht nur das Aufkommen von 2,5 Milliarden zahlenmäßig skizziert, sondern er ist, wenn ich richtig addiert habe, bereits auf 2,75 Milliarden gekommen. Das heißt, er wäre nach seiner Aufstellung in der Lage, 270- bis 280 000 Wohnungen zu finanzieren. Wir hoffen sehr, daß die Zahlen, die er ausgesprochen hat, durch die Realität, durch die reale Entwicklung des Jahres 1950 bestätigt werden. Meine Damen und Herren! Das ist aber noch nicht sicher, sondern in dieser Rechnung sind so viele Unbekannte, daß wir bis jetzt nur etwa 70 Prozent der Summe als sicher ansehen können.
Deutscher .Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 193

(Klabunde)

Es wird sehr viel Verhandlungskunst und sehr viel Bemühungen kosten, die Lücke im übrigen zu schließen. Jedenfalls ist die Situation heute so, daß nicht etwa die Zusagen von hoher öffentlicher Stelle, die Herren Wiederaufbauminister mögen doch zu ihren Hypothekenbanken gehen und die Darlehen abheben, schon Geltung besitzen; vielmehr sind bei den Hypothekenbanken die Mittel für die ersten Hypotheken weitgehend bzw. vollständig gesperrt. Wir befinden uns in der grotesken Lage, daß durch Vorgriffe auf das Etatjahr 1950/51 in einer Reihe von Ländern mehrere Dutzend Millionen an Wohnungsbaumitteln zur Verfügung stehen, die nicht effektiv werden können, weil die Mittel für die ersten Hypotheken fehlen. Ich weiß, daß die Bundesregierung sich bemüht hat, hier auf dem Weg der Vorfinanzierung eine Überbrückung zu finden. Es wäre wünschenswert, wenn uns ganz konkrete Angaben über das Schließen dieser Lücke gemacht werden könnten. Denn es wäre beklagenswert, wenn zu Beginn des Baujahres oder noch vor seinem Beginn diese Unsicherheit sich schon als dauernd erweisen müßte.
Nach den Überlegungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers sind von den 2,75 Milliarden insgesamt 0,65 Milliarden echte Kreditschöpfungsbeträge aus den Münzgewinnen und aus den ERP- Beträgen. Beide Mittel sind aber noch nicht gesetzlich gesichert. Über die Münzgewinne brauchen wir ein Gesetz, von dem wir bisher noch nicht einmal den Entwurf kennen. Was die ERP- Mittel angeht, so ist ja ein Teil Bestandteil der Mittel des nächsten Marshallplanjahres, ohne daß bis jetzt schon bindende Zusagen vorliegen. Sie ersehen also daraus, wie wenig feste Fundamente dieses Gebäude des Wohnungsbaus des Jahres 1950 hat, so sehr wir alle ihm diese Fundamente wünschen. Sie mögen daraus ersehen, wie notwendig es ist, das mehrjährige Gesetz zu schaffen, damit wir uns nicht etwa in 11 bis 12 Monaten an dieser Stelle über das gleiche Thema mit der gleichen oder einer noch gesteigerten Unsicherheit unterhalten. müssen.
Ich möchte, was die Förderung des Wohnungsbaus durch Steuermittel angeht, auf einen Umstand aufmerksam machen, der sich vielleicht bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes oder einer Novelle dazu, die in Kürze möglich wäre, beheben läßt. Die Spartätigkeit des kleinen Mannes, der nicht mit sehr hohen Prozentsätzen bei der Lohn- und Einkommensteuer belastet ist, ist geradezu benachteiligt gegenüber der Spartätigkeit hoher Einkommenbezieher, die im extremsten Fall bis zu 95 Prozent des Baubetrags aus öffentlichen Mitteln erhalten, während der Durchschnitt etwa bei 50 bis 60 Prozent liegt und der kleine Mann mit sehr viel geringeren Vergünstigungen zu rechnen hat.
Ein gemeinsamer Antrag des Zentrums und der SPD versucht diese Lücke zu schließen. Das hat eine überragende Bedeutung, wenn Sie den kleinen Lohn- und Einkommenempfänger bewegen wollen, in stärkerem Maße Mittel in dem Wohnungsbau zu investieren. Gerade aus diesem Grunde möchte ich auch beklagen, daß der private Wohnungsbau hier in einer Weise betont wird, als wenn echte private Leistungen vorliegen, während es sich tatsächlich nur um einen Wohnungsbau handelt, den man als sogenannten privaten bezeichnen muß, weil nämlich die dabei zur Verbauung gelangenden Mittel nicht nur teilweise, sondern sogar überwiegend Steuerermäßigungen, also öffentliche Mittel darstellen. Das widerspricht insofern dem Grundsatz des Wohnungsbaugesetzes, als öffentliche Mittel nur für den sozialen Wohnungsbau verwandt werden sollen. Ich hoffe, daß auch diese mißliche Lösung in eine bessere Lösung umgewandelt werden kann.
Wenn Sie sich die Fragen, die bei der Erörterung des Wohnungsbaues entstehen müssen, vergegenwärtigen, so gehört dazu die unbedingte Bereitschaft des Hauses, sehr viel an dem Regierungsentwurf zu ändern. Es gehört aber dazu auch die Bereitschaft der Bundesregierung, nicht die einzelnen Thesen ihres Entwurfs unbedingt hochzuhalten, sondern bereit zu sein, der Initiative, für die sich eine Mehrheit des Parlaments zu finden scheint, nachzugeben, und zwar nicht faute de mieux nachzugeben, sondern in der Erkenntnis, daß es sich hier wirklich um die bessere Lösung handelt. Wenn wir darüber einig sind, wenn wir insbesondere auch zu klaren Fixierungen in bezug auf die künftige Miethöhe kommen, die der Regierungsentwurf ebenfalls vermissen läßt, so läßt sich, glaube ich, der Appell des Herrn Bundeskanzlers erfüllen. Aber die Erfüllung dieses Appells bedeutet nicht die unveränderte Annahme des Regierungsentwurfs, sondern sie bedeutet seine völlige Umgestaltung.
Seien wir uns auch über die arbeitsmarktpolitischen Wirkungen klar. Diese sind zwar in der öffentlichen Debatte und zum Teil in Erklärungen aus hohem Munde überschätzt worden. Denn es handelt sich nicht darum, daß 2,5 oder gar 2,7 Milliarden Mittel für die Arbeitsbeschaffung zur Verfügung stehen. Wenn im vorigen Jahre bereits 2 Milliarden aus öffentlichen und privaten Beträgen in den Wohnungsbau geflossen sind, fließt nur die Spitze von 500 bis 700 Millionen, falls sie zur Verfügung steht, dem Wohnungsbau zusätzlich zu und erfüllt nur insofern die Merkmale eines Arbeitsbeschaffungsprogramms. Denn bei der Arbeitsbeschaffung handelt es sich nicht um die Finanzierung üblicher Arbeiten, sondern um die Finanzierung zusätzlicher Arbeiten. Gerade um an den Wohnungsbau nicht die Hoffnung der Wunderwirkung zu knüpfen, wäre ich sehr dankbar, wenn alle Teile des Hauses und die Regierung diesen Unterschied bedenken und klar herausstellen würden.
Ich betone nochmals: Wir können zu einer einheitlichen Lösung kommen. Aber die einheitliche Lösung erfordert ein wohnungspolitisches Neudenken, für das sich erfreulicherweise sehr verheißungsvolle Ansätze zeigen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104100800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Brönner. Die Redezeit beträgt
18 Minuten.

Dr. Josef Brönner (CDU):
Rede ID: ID0104100900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben heute vielleicht unsere bisher bedeutsamste Stunde im Bundestag. Das ganze Volk wartet seit Monaten darauf, daß hier endlich eine praktische Arbeit geleistet wird. Wir müssen es bedauern, daß wir heute erst dazu kommen. Aber wir haben den ernsten Willen, hier wirklich eine Arbeit zu leisten, die sich sehen läßt.
394 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950

(Dr. Brönner)

Meine Aufgabe sehe ich darin, dem Hause den Rahmen darzulegen, wie sich meine Fraktion dieses Wohnungsbaugesetz vorstellt. Daher gebe ich nur schlagwortartig die Gesichtspunkte an, die für uns bedeutsam sind.
Erstens. Der Wohnungsbau wird aus der Zwangswirtschaft herausgenommen und wird unter den Anreiz des einzelnen Baulustigen gestellt. Wir müssen den Weg gehen, von dem überflüssigen Konsum das Geld abzuzweigen und in den Wohnungsbau hineinzuführen. Den Anreiz zum Sparen für das eigene Haus, für die eigene Wohnung und den gemeinnützigen Wohnungsbau können wir gar nicht stark genug machen. Nach dieser Richtung sind folgende Gedanken maßgebend: erstens die Steuerbegünstigungen, zweitens die Baulandbeschaffung und drittens die Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft.
Die Steuerbegünstigungen sind nach vier Gesichtspunkten hin zu beachten. Einmal die unverzinslichen Darlehen und Zuschüsse nach § 7 des Einkommensteuergesetzes. Zweitens die Abzüge nach § 10, wonach im Rahmen der zulässigen Sonderausgaben, insbesondere die Einzahlungen auf Bausparverträge steuerbegünstigt sind. Drittens die Grundsteuerbefreiung, die wir ungefähr auf 10 Jahre festgelegt sehen möchten. Wir denken dabei auch an die Gemeinden mit vielen kriegszerstörten Häusern. Diese Gemeinden haben dann einen so starken Grundsteuerausfall gegenüber früher und außerdem ihre zerstörten Häuser, daß ein Weg gefunden werden muß, damit dieser Ausfall an Grundsteuer einigermaßen gedeckt wird. An vierter Stelle führe ich den Punkt an, der heute morgen zur Beratung stand und den mein Herr Vorredner herausgestellt hat. Wir wollen dem kleinen Mann die Möglichkeit geben, daß er einen etwas größeren Vorteil hat, wenn er für sein Eigenheim und seine eigene Wohnung spart, gegenüber dem anderen, der nach § 7 c ganz große Beträge als unverzinsliche Darlehen oder als Zuschüsse für den Wohnungsbau von seinem versteuerbaren Einkommen abziehen kann. Auch nach dieser Richtung erwarten wir von der Regierung, wie uns das zugesagt wurde, daß bei der Einkommensteuernovelle die Begünstigung der kleinen Sparer erreicht wird, um den stärksten Anreiz zu dem langfristigen Sparen für das eigene Haus und für die eigene Wohnung zu geben.
Zweitens die Baulandbeschaffung. Da ist es klar, daß die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände eine starke Verpflichtung haben, Bauland zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen. Manchmal kommt es vor, daß solche Gemeinden kein baureifes Gelände haben. Dann müssen sie vielleicht einen Tausch gegen anderes Gelände durchführen; denn daran darf der Wohnungsbau nicht scheitern, daß es an Bauplätzen fehlt.
Der zweite Gesichtspunkt der Bauplatzenteignung wurde auch schon erwähnt. Wir befinden uns heute in einem Notstand in bezug auf die Bauplätze. Die Eigentümer der Bauplätze sind in vielen Fällen nicht bereit, sie zu einem angemessenen Preis abzugeben. Wir hätten es begrüßt, wenn wir schon in dieses Gesetz eine Art Enteignung hätten hineinarbeiten können. Es haben sich aber bei der Besprechung mit anderen Ausschüssen Schwierigkeiten ergeben; doch ist uns zugesagt worden, im Laufe des Jahres werde ein Gesetzentwurf vorgelegt, in dem diese Notlage beachtet und damit der Notstand möglichst beseitigt wird, so daß baureife Bauplätze tatsächlich enteignet werden können. Damit hoffen wir, dem Wohnungsbau einen erneuten Anreiz und einen erneuten Anstoß zu geben.
Ich komme zur Finanzierung der Wohnungsbauten. Hierüber hat uns der Herr Wohnungsbauminister schon hinreichende Darlegungen gemacht. Ich verzichte auf einzelne Zahlen, aber die Bedingungen möchte ich erwähnen. Wir brauchen erstens hinreichend Kapital. Dabei ist es möglich, daß wir entweder durch eine Ermächtigung der Regierung auf die Realkreditinstitute einen Druck ausüben können, damit die notwendigen Gelder gegen erste und zweite Hypotheken gegeben werden. Wenn es aber gelingt, das Ziel ohne Zwang zu erreichen, dann ist es um so besser. Auf keinen Fall darf aber der Wohnungsbau daran scheitern, daß die Realkreditinstitute nicht bereit wären, die notwendigen Gelder zur Verfügung zu stellen. Hier hat die Regierung eine Aufgabe, und wir müssen uns darauf verlassen, daß daran der Wohnungsbau nicht scheitert.
Wir müssen auch tragbare Zinssätze bekommen. Das ist ein schwieriges Kapitel. Trotzdem müssen wir Mittel und Wege suchen, gerade für die ersten Hypotheken hinreichend Kapital zu tragbaren Zinssätzen zu bekommen bei 1 Prozent Tilgung.
Endlich ist in bezug auf die Finanzierung noch anzuführen: wir müssen eine sofortige Vorfinanzierung sichern. Wir sind mit dem Gesetz schon reichlich spät dran. Daher ist es notwendig, daß die Regierung alle Schritte unternimmt, damit der Anfang des Wohnungsbaus in diesem Jahr nicht darunter leidet, weil die uns genannten Gelder noch nicht fließen. Also unter allen Umständen eine Vorfinanzierung, wenn es nicht gelingt, die Gelder selbst rechtzeitig flüssig zu machen.
Ich komme zur Art der Wohnungsbauten. Wir denken an erster Stelle an den Wiederaufbau der kriegszerstörten Wohnungen. An zweiter Stelle und ebenso wichtig ist und bleibt der soziale Wohnungsbau für die breiten Schichten des Volkes. Darin sind wir uns mit meinem Vorredner und vermutlich mit allen Parteien einig. Wir brauchen nähere Bestimmungen in bezug auf Größe, Ausbau und Miete. Diese Dinge sind wichtig. Sie sollen hier nicht näher erörtert werden, weil Mauern entstehen könnten, über die man bei der ernstlichen Beratung im Ausschuß nicht hinwegkommen kann. Ich bin der Überzeugung, daß wir zusammen in dem Ausschuß, in dem bisher eine sehr harmonische Arbeit geleistet worden ist, auch diese Schwierigkeiten überwinden werden.
Die Mieten im sozialen Wohnungsbau müssen für die breiten Schichten des Volkes tragbar sein. Wir können unterscheiden die Altmieten, die beschränkten Neubaumieten und die freien Marktmieten. Es gibt hier eine Reihe von Gesichtspunkten. Worauf es aber ankommt, ist folgendes. Der kleine Mann muß eine Miete bekommen, die er auch tragen kann. Vielleicht gibt es eine Abwanderung von den am wenigsten leistungsfähigen Mietern nach den bisherigen Altbauten mit der billigeren Miete. Wie dem aber auch sei, wir müssen die äußersten Anstrengungen für tragbare Mieten machen. Nun sind wir uns über eines klar. Die Miete ist eine Funktion der vom Staat aus öffentlichen Mitteln gegebenen
Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bann. Freitag. den 24. Februar 1950 1395

(Dr. Brönner)

unverzinslichen Darlehen. Je größer der Beitrag I an öffentlichen Mitteln ist, desto kleiner kann die Miete sein und umgekehrt. Auch da heißt es einen Ausweg finden. Wenn wir zum Beispiel 6000 D-Mark für eine einzelne „soziale" Wohnung an unverzinslichen Darlehen geben würden, und wir haben zwei andere Baugesuche, die beide befriedigt werden können, wenn jeder nur 3000 D-Mark bekommt, dann würden wir mit demselben Betrag zwei „soziale" Wohnungen schaffen. Das sind Erwägungen, die alle beachtet werden müssen: der Mietpreis einerseits und die Höhe des .unverzinslichen Darlehns andererseits.
Der Kreis der Mieter ist dadurch charakterisiert, daß der soziale Wohnungsbau für die breiten Schichten der Bevölkerung bestimmt ist. Es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt, nämlich den Kreis der Personen, die der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Vielleicht könnte man sagen, daß eine Person, die 600 D-Mark Bruttoeinkommen im Monat hat, eigentlich die billigeren Wohnungen, die für die breiten Schichten des Volkes bestimmt sind, gar nicht bekommen dürfte. Auch das ist eine beachtliche Erwägung. Aber wir wünschen trotzdem einen Maßstab, ein gewisses objektives Merkmal zu haben, nach dem die Kreise für die billigen Wohnungen festgestellt werden.
Wir brauchen weiter eine Senkung der Baukosten. Wir haben in dem Sektor der Bauwirtschaft keine Zwangswirtschaft mehr. Also müssen wir einen gesunden Wettbewerb erstreben. Ein gesunder Wettbewerb ist nur dann möglich, wenn eine Anzahl von Angeboten vorliegt. Wenn wir zum Beispiel mit unserem großen Programm herausrücken, dann besteht die Gefahr, daß die derzeitige Bauwirtschaft, weil die Konkurrenz fehlt, nur zu höchsten Preisen Bauten übernimmt. Wenn wir den gesunden Wettbewerb haben wollen, müssen wir also dafür sorgen, daß in der Bauindustrie, in der gesamten Bauwirtschaft, Investitionen gemacht werden können, damit das Angebot immer etwas größer ist als die Nachfrage. Die Regierung wird sich deshalb zu überlegen haben, ob nicht langfristige Kredite an die Bauwirtschaft gegeben werden sollten. um deren Apparat auszustatten und zu vergrößern, damit von dort her ein Druck auf die Preise kommt und nicht durch unser großes Bauprogramm eine Preissteigerung herbeigeführt wird.
Dazu muß die Bindung der zinslosen Darlehen an preiswerte Kostenvoranschläge kommen. Es ist selbstverständlich, daß jeder so billig baut, wie es möglich ist. Aber die Länder können für die Hergabe ihrer unverzinslichen Darlehen auch Richtlinien aufstellen, wonach sie bestimmen: nur wenn die Kostenvoranschläge den und den Preis nicht überschreiten, werden zinslose Darlehen gegeben.
Ich möchte noch einen anderen Gesichtspunkt herausstellen. Das Schwergewicht im Wohnungsbau möchten wir auf das Eigentum gelegt sehen. Wer ein eigenes Haus besitzt, ist der sparsame, der zufriedene, der glückliche Mann; dessen ganze Familie lebt ganz anders, als wenn sie in eine Wohnung in irgendeinem Stockwerk hineingepreßt ist. Es fragt sich also, ob wir gerade das Sparen für das Eigenheim und das Sparen, für das Wohnungseigentum nicht noch weiter fördern können. Je mehr Eigentum an den Wohnungen, desto zufriedener ist die Bevölkerung. Dabei wäre auch zu erwägen, ob sich nicht gerade die gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmungen etwa stärker auf Erwerbshäuser verlegen könnten, soweit es außerhalb der Großstädte möglich ist, damit auch ein Mitglied durch Sparen allmählich das kleine ein- oder zweistöckige Haus erwerben kann und damit das Wohnungsbauunternehmen mit diesem Geld wieder neue Wohnungen erstellt.
Als letzten Grundsatz möchte ich die Gleichstellung des privatwirtschaftlichen und des gemeinwirtschaftlichen Wohnungsbaus herausstellen. Jeder ist uns recht, der baut, der billig und zu preiswerten Mieten baut. - Aber diese preiswerten Mieten sollen auch eine dauernde Geltung haben, sie sollen nicht bloß von heute auf morgen gelten. Außerdem soll derjenige, der gebaut und vom Staat ein zinsloses Darlehen bekommen hat, beim Verkauf seines Hauses keinen unverdienten Gewinn machen. Auch dieser Gesichtspunkt ist beachtlich.
Meine Frauen und Männer! Wir haben eine Gemeinschaftsleistung zu vollbringen. In absehbarer Zeit müssen wir Millionen von Wohnungen bauen. Das Volk soll wissen: der Bundestag ist sich einig in dem Willen, diese Schicksalsfrage des deutschen Volkes nach besten Kräften zu lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104101000
Das Wort hat der Herr Ab. geordnete Paul. Acht Minuten, bitte!

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104101100
Meine Damen und Herren! Das Wohnungsbauproblem ist zwar das wichtigste Problem; aber es kann von den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, unter denen wir in Westdeutschland leben, nicht getrennt werden. Zweifellos wirken sich auf den Wohnungsbau sehr erschwerend aus die Spaltung Deutschlands, die Abhängigkeit vom Marshall-plan, die Drosselung unseres Exports, die hohen Besatzungskosten von 4 1/2 Milliarden D-Mark. Alle diese Faktoren dienen keineswegs der Förderung des Wohnungsbaus. Wenn man den Wohnungsbau vorwärtsbringen will, wird es eine der wesentlichsten Aufgaben sein, daß man sich in diesen Hauptfragen von der bisherigen Politik in Westdeutschland trennt und eine Politik einschlägt, die darauf abzielt, daß unser Volk seine Souveränität und Unabhängigkeit zurückerhält, daß es einen Friedensvertrag erhält und daß die Besatzungsmächte abziehen, damit die hohen Kosten der Besatzung für den Wohnungsbau verwandt werden können.
Ich habe wenig Vertrauen zu dieser Regierung, daß die groß angekündigten Zahlen im Wohnungsbau erfüllt werden. Auch das vorgelegte Wohnungsbaugesetz unterliegt dem Leitsatz der sogenannten freien Marktwirtschaft. Wenn man den ernstlichen Willen gehabt hätte, im Wohnungsbau wirkungsvoll vorzugehen, dann hätten die Vertreter der Regierungsparteien schon seit langer Zeit auf der Länderbasis die Möglichkeit gehabt, gegen die Kräfte vorzugehen, die Luxusbauten und kostspielige Geschäftsbauten in die Höhe treiben, aber keineswegs Geld für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt haben. Man hat diesem Treiben tatenlos zugesehen. Im Gegenteil, man hat durch die Nichterfassung der Hortungs- und Preisgewinne diesen Kurs sogar noch begünstigt.
1396 Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Paul)

In der Begründung zu diesem Gesetz wird an einer wichtigen Stelle gesagt:
Es muß das Ziel sein, . . . im Bereich der Wohnungswirtschaft die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft allmählich zur Geltung zu bringen und wieder natürliche Anreize für die Bauherren und das langfristige Kapital zu schaffen, in den Wohnungsbau hineinzugehen.
Das bedeutet in der Praxis, daß man der Profitjägerei und der Willkür Tür und Tor öffnen will. Auch diesem Gesetz haftet diese Tendenz an. Dieses Gesetz steht keineswegs im Einklang mit der Propaganda, die man seit vielen Monaten um den Wohnungsbau getrieben hat. Man hat kein langfristiges Programm aufgestellt. Der Herr Bundeskanzler hat selbst gesagt, daß die Finanzierungsfrage zu unsicher sei. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, daß es hier auf diesem kolonialen Boden Westdeutschlands jetzt und in der Zukunft um den sozialen Wohnungsbau nicht günstig steht. Man 'wollte sich in diesem Gesetz nicht festlegen. Deswegen hat man in dieses Gesetz nicht eine bestimmte Zahl der zu bauenden Wohnungen für eine längere Zeit aufgenommen.
Ein hoher Beamter des Wohnungsbauministeriums erklärte, als die Frage der Finanzierung zur Debatte stand, die größte Sicherheit ist auf diesem Gebiet die Unsicherheit. Die in diesem Gesetz angesprochene Finanzierung ist keinesfalls gesichert. Der Herr Minister hat dem Ausschuß berichtet, daß er mit den Leitern der Kreditinstitute Besprechungen geführt hat. Man hat ihm versprochen, daß die Kreditinstitute Geld zur Verfügung stellen werden; aber bindende Zusagen, daß man sagen könnte, dieses Geld haben wir bereits, wurden nicht gemacht. So ist es sehr zweifelhaft, ob die Kreditinstitute die hier genannten 800 Millionen Mark überhaupt aufbringen. 100 Millionen Mark will man weiter aus dem Münzgewinn schöpfen. Was sind das denn für Methoden? Sind das sichere Finanzgrundlagen? Ich sage nein. Die Ausgabe von Münzen bedeutet doch. eine Ausweitung des Geldmittelumlaufs, und das ist eine sehr unsichere Finanzquelle. Man rechnet weiter mit den ERP- Mitteln. Vor einigen Monaten wurde bereits gesagt, man hätte 400 Millionen. Jetzt redet man nur noch von 250 Millionen. Jedem dürfte doch bekannt sein, daß sehr viele Mittel aus dem ERP- Plan bereits für die kostspieligen Besatzungsbauten verwandt wurden. In den letzten Tagen wurde mitgeteilt, daß die amerikanische Kommission des Hohen Kommissars nach Bonn kommen will. Man muß also damit rechnen, daß sie auf diese Mittel zurückgreift, um für sich selbst die Bauten aufzuziehen. So gibt es eine ganze Reihe von Unsicherheitsfaktoren in diesem Finanzierungsprogramm. Man muß deshalb umsomehr darauf drängen, daß wir einen Friedensvertrag erhalten, damit wir von den 4,5 Milliarden D-Mark Besatzungskosten herunterkommen und diese Gelder nach unserem Gutdünken im Interesse unserer Bevölkerung verwenden können.
Man will die Grundsteuer auf die Dauer von zwanzig Jahren streichen. Der Bundesrat hat ja bereits Abstriche gemacht und die Zeit auf zehn Jahre begrenzt. Man will aber auch die Grundsteuer jenen erstatten und schenken, die ohne Förderung im freien Wohnungsbau bauen. Wir können uns dieser Auffassung nicht anschließen. Das gleiche gilt bei den Steuervergünstigungen; auch da soll jeder die Steuervergünstigung erhalten, der im freien Wohnunsbau baut.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104101200
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit läuft ab.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104101300
Ich bedaure, daß bei einem solch wichtigen Problem, wie bei der Vorlage dieses Gesetzes, nur acht Minuten zur Verfügung stehen.

(Zurufe.)

Noch kurz etwas zur Baulandbeschaffung. Ich denke hier mit Grausen an das Problem im Ruhrgebiet. Ich weiß aus meiner eigenen Tätigkeit als Wiederaufbauminister in Nordrhein-Westfalen, welche Schwierigkeiten wir mit den Zechengesellschaften hatten, um für 1000 Fertighäuser überhaupt das Bauland zu erhalten. Dutzende von Verhandlungen waren mit der Kontrollgruppe und der Deutschen Kohlenbergbauleitung notwendig, um überhaupt die Grundstücke zu bekommen. Wenn nicht hart zugegriffen wird, werden wir kein Bauland erhalten.. Aber — entschuldigen Sie bitte — ich habe zu dieser Regierung kein Vertrauen. Sie gibt mir keine Gewähr, daß sie gegen die Kohlenbarone vorgehen wird.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104101400
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104101500
Jawohl, ich komme jetzt zum Schluß. — Wir können uns auch nicht damit einverstanden erklären, daß für die freie Bauwirtschaft, das heißt für den freien Wohnungsbau, nun einfach alle Bestimmungen der Wohnraumbewirtschaftung fortfallen sollen. Das geht nicht, meine Damen und Herren. Das würde bedeutet haben, daß die vermögenden Kreise ausgezeichnete Wohnungen hätten, während die armen Leute nach wie vor im Bunker sitzen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104101600
Ich muß Sie bitten, Ihre Ausführungen zu beenden, Herr Abgeordneter! Die Redezeit ist schon überschritten.

(Zuruf von der KPD: Das ist immer die alte Methode!)


Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104101700
Ich weiß nicht, ob Ihnen meine Ausführungen so unangenehm sind.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104101800
Herr Abgeordneter, ich muß mich dagegen wenden. Ihre Ausführungen sind mir in meiner Tätigkeit als Präsident völlig gleichgültig. Ich habe nur darauf zu achten, daß die Redezeit eingehalten wird. Ich bitte Sie, sich an den Beschluß der Versammlung zu halten.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104101900
Wir werden im Rahmen der — —Vizepräsident Dr. Schäfer: Herr Abgeordneter, ich muß Ihnen das Wort entziehen.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104102000
Ich komme jetzt zum Schluß.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104102100
Nein, Sie kommen nicht zum Schluß, Sie haben nicht mehr das Wort.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104102200
Ich protestiere dagegen, daß ein so wichtiges Problem — ---
Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950 1347

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104102300
Sie haben nicht zu protestieren. Es liegt ein Mehrheitsbeschluß des Hauses vor, dem Sie sich zu fügen haben.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104102400
Meine Damen und Herren, wir werden — —

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104102500
Herr Abgeordneter, ich entziehe Ihnen das Wort!

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0104102600
Ich protestiere noch einmal! Das ist ein Beweis dafür -- —

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104102700
Herr Abgeordneter, Sie haben nicht mehr das Wort.

(Abg. Rische: Und er hat es doch!)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wirths.

Carl Wirths (FDP):
Rede ID: ID0104102800
Meine Damen und Herren! An der verspäteten Vorlage des Gesetzes ist Kritik geübt worden. Ich möchte aber doch einmal zu erwägen anheimgeben, daß es sich hier um ein Gesetz handelt, das erstmalig ist, das keinen Vorgang hat und zu dem unzählig viele Überlegungen angestellt werden mußten, ob das und jenes hineingenommen werden müßte oder nicht. Es handelt sich hier wohl um ein sehr schwieriges Gesetz, das gleichzeitig doch eine gute technische Leistung darstellt.
Von Herrn Klabunde ist eben Kritik geübt worden, daß kein mehrjähriges Programm vorgelegt wird. Wenn wir durch die Regierung ein mehrjähriges Programm vorgelegt bekommen wollen, dann bedeutet das ganz zweifellos, daß man sich hinsichtlich der Größe des Programms Gedanken machen, eine Zahl fixieren und die Finanzierung der Wohnungen feststellen muß. Das heißt also mit anderen Worten — weil doch bei dem Finanzierungsprogramm eine ganze Reihe von Quellen angegeben sind, die man nur von Jahr zu Jahr feststellen kann —. daß ein größerer Posten in einer Ordnung von mindestens einer halben Milliarde von Jahr zu Jahr in den Bundesetat eingesetzt wird. Wenn das möglich wäre, dann wäre auch die Vorlage eines mehrjährigen Programms möglich.
Herr Kollege Klabunde hat davon gesprochen, daß die private Leistung beim sogenannten frei finanzierten Wohnungsbau nicht in der Form vorhanden wäre, wie es früher der Fall gewesen ist. Er meinte, daß durch die steuerlichen Erleichterungen und die Grundsteuerbefreiung das nominelle Kapital in Wirklichkeit nicht aufgebracht wird. Ich möchte aber hier einen gewichtigen Gegengrund anführen. Bei dem in Aussicht genommenen privaten Wohnungsbau handelt es sich in der Hauptsache um den Wiederaufbau in den zerstörten Städten, und da ist festzustellen, daß die privaten Hausbesitzer, die ihre Häuser wieder aufbauen wollen, seit 1945 keine Entschädigung mehr erhalten haben.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Zum zweiten haben diese Leute noch einen großen Teil ihres Besitzes in Form des Grundstücks und der Trümmer, die ja Werte darstellen, für die sie aber auch möglicherweise noch nicht einmal einen Ansatz als Eigenkapital in den Finanzierungsplänen erhalten. Zum dritten können diese Leute zum größten Teil nicht damit rechnen, daß ihnen das, was sie verloren haben, im Lastenausgleich überhaupt entschädigt wird. Ich glaube also, daß der private Hausbesitzer da bereits eine Vorleistung erbracht hat, die zweifellos erheblicher ist als das, was ihm auf der anderen Seite nach Ihrer Meinung durch den Staat in Form von Steuererleichterungen und Grundsteuerbefreiung geschenkt werden soll.
. (Sehr gut! bei der FDP.)

Wenn ich nun auch als Vertreter der bauausführenden Wirtschaft etwas zu dem Problem sage, dann muß ich zunächst feststellen, daß wir seit Jahrzehnten, seitdem wir eine öffentliche Förderung des Wohnungsbaus haben, daran gewöhnt sind, daß die Bauprogramme immer viel zu spät kommen. Das ist vor 1933 so gewesen, das war nachher so, und das ist auch seit der Währungsreform wieder so. Da nützt auch kein mehrjähriges Programm etwas. Es wäre aber einmal zu überlegen, ob man das Baujahr nicht mit dem Etatjahr zusammenfallen läßt. Jetzt steht sich, das diametral gegenüber. Für uns in der Bauwirtschaft wäre es schon besser, wenn das Kalenderjahr mit dem Etatjahr übereinstimmte. Ich erinnere daran, daß eine ganze Reihe von Ländern in Europa und, soviel ich weiß, auch in Übersee das Bauetatjahr vom ordentlichen Etatjahr getrennt haben. Das Bauetatjahr läuft vom 1. Oktober bis zum 30. September. Ich bin kein Kameralist, ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber ich halte es für durchaus praktisch, wenn wir das erreichen würden. Diesen Gedanken halte ich für so erwägenswert, daß wir uns darüber einmal im Ausschuß den Kopf zerbrechen sollten; denn dann würden wir die Verzögerungen, die wir immer gehabt haben und auch jetzt wieder haben, vermeiden.
Es kommt darauf an, daß wir das Gesetz so schnell wie möglich verabschieden. Ich freue mich über die Ausführungen von Herrn Klabunde als dem Vertreter der Opposition, daß er mit uns einen Weg suchen will, um diesem Gesetz eine möglichst breite Plattform zu sichern. Wir werden von uns aus in der Förderung des Gedankens zweifellos tun, was zu tun ist. Wenn davon gesprochen wurde, daß eine ganze Reihe von Verbesserungen angebracht und notwendig sind, dann möchte ich aber darum bitten, daß diese Verbesserungsvorschläge nicht so weit gehen, daß dadurch eine erhebliche Verzögerung für die Inkraftsetzung des Gesetzes eintritt. Mit anderen Worten, man soll nur das an Verbesserungen hineinbringen, was für dies es Jahr notwendig ist. Das, was von allgemeiner Bedeutung ist, was in ein mehrjähriges oder in ein zweites Bundeswohnungsgesetz hineingehört, das sollten wir überlegen und nach Verabschiedung des Gesetzes in eine Form bringen.
Nun darf ich noch einige Bemerkungen machen, die über den eigentlichen Rahmen dieses Gesetzes hinausgehen, mit ihm aber insoweit zusammenhängen, als im Gesetz eine Ermäßigung der Baukosten gefordert wird. Ich möchte hier vorschlagen, daß wir sagen: eine Ermäßigung der Gesamtkosten. Hier ist allerdings noch außerordentlich viel zu tun. Das sind Wünsche, die höchstwahrscheinlich nicht in das Gesetz hineinkommen können, die aber eine ganze Reihe von Stellen auf der Länder- und der Gemeindeebene angehen, Wünsche, die zu einer Kostensenkung beitragen.
Da ist zum Beispiel das alte Problem der Straßenbaukosten-Sicherstellung. Die Städte verlangen heute noch die Sicherstellung für die Pflasterung einer chaussierten Straße, obwohl
1398 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Wirths)

kein Mensch weiß, ob die Pflasterung jemals ausgeführt wird. Das bringt Kosten mit sich, die erhebliche Prozentsätze der Gesamtkosten betragen. Sie bewegen sich zwischen 90 und 150 D-Mark je laufenden Meter Straßenfront.
Für den Wiederaufbau — und das Gesetz will ja in erster Linie den Wiederaufbau fördern — ist es wichtig, daß wir bei den Städten eine Art Clearingstelle für den Grundstückstausch bekommen. Bei der Umlegung, die jetzt bevorsteht, soll so vorgegangen werden, daß auch Ringtausch und Tausch über drei oder vier Ecken möglich ist, weil wir sonst die Wünsche unserer Mitbürger nicht erfüllen können. Nun haben wir aber da ein schweres Hindernis in Gestalt des Grunderwerbsteuergesetzes mit jetzt zusammen 7 Prozent Verteuerung allein bei den Grundstücken. Ich bin der Meinung, daß überlegt werden muß, ob wir den Wiederaufbau dadurch fördern können, daß wir die Bestimmung des Grunderwerbsteuergesetzes entsprechend ändern.
Dann will ich nur an die Unzahl von Gebühren erinnern, die heute noch bezahlt werden müssen, allein schon beim Grundstücksverkauf. Es sind drei bis neun Genehmigungen nötig, wenn jemand ein Grundstück erwerben will. In der Regel werden die Genehmigungen ohne weiteres gegeben; aber es ist so, daß viele Dienststellen damit befaßt werden.
In diesem Zusammenhang muß auch das Problem der Umstellungsgrundschulden einmal betrachtet werden. Die Regelung vom August vorigen Jahres genügt in keiner Weise. Wenn es sich um Wohnungsbauten handelt, sollten die Trümmergrundschulden grundsätzlich gestrichen , werden, und die 1/10-Resthypotheken, soweit Fie von der öffentlichen Hand für die zweite oder dritte Stelle früher gegeben worden sind, sollten ebenso behandelt werden wie die Trümmergrundschulden.
Von Herrn Minister Wildermuth ist angedeutet worden, daß die Kapazität der Bauwirtschaft nach der Seite der Arbeiter wie nach der der Baustoffe wohl ausreichen würde. Ich möchte dem zustimmen, aber wir sind doch gezwungen -- ich darf nur an wichtige Straßenerneuerungen, an notwendige Brückenbauten erinnern —, auch die öffentlichen Auftraggeber zu berücksichtigen. Ich nehme an, daß in den Etats der verschiedenen Ministerien Beträge dafür erscheinen werden. Selbst wenn wir nur zu einem Teil der öffentlichen Bauten kommen, nicht im gleichen Umfang wie früher, dann wird, fürchte ich, die Kapazität ih der Bauwirtschaft nicht ausreichen.
Ich glaube, man sollte sich das Problem nach der Richtung überlegen, damit auch Fragen des Nachwuchses von den Arbeitsämtern und von den Berufsberatungsstellen sehr viel ernster angefaßt werden. Wir werden es sonst erleben, daß wir in einigen Jahren keine Pflasterer mehr haben, die uns die Straßen in den Großstädten in Ordnung bringen. Wir können aber auf Pflasterstraßen nicht verzichten. Man spricht so häufig von einer Kalamität bei den Baufacharbeitern, denkt dabei aber nur an die Maurer oder Betoneure. Ich denke da auch an die anderen Bauhandwerker, Dachdecker, Klempner oder Schreiner. Wir können bei unserem Berufsnachwuchs von einer völligen Verlagerung sprechen. Da möchte ich hier betonen, daß das Bauhandwerk noch immer seinen Mann ernährt hat, daß es keinen anderen Wirtschaftssektor gibt, wo es so leicht möglich ist, sich selbständig zu machen, wenn der Mann etwas leistet, und wo so wenig Anfangskapital für die Gründung einer selbständigen Existenz genügt. Diese Idee, den Nachwuchs in diesen Berufen stärker zu fördern, müßte viel mehr vertreten werden.
Noch ein letzter Gedanke! Wenn wir davon ausgehen, daß wir die Gesamtkosten senken wollen, dann ist klar, daß die bauausführende Wirtschaft die dringend benötigten Investitionen nicht aus ihren Erträgen, das heißt aus den Preisen decken kann. Das will auch keiner. Dann aber ist es notwendig, daß die bauausführende Wirtschaft Investitionskredite bekommt, und zwar zu Bedingungen, die tragbar sind. Nach den Berichten der Spitzenverbände habe ich den Eindruck: die beantragten Kredite werden nur unter so schweren Bedingungen gegeben, daß die Firmen viel lieber darauf verzichten. Der Düsseldorfer Verband der bauwirtschaftlichen Verbände teilt mir mit, daß von den bei ihm durchgelaufenen Anträgen der Firmen keiner mehr weiter verfolgt worden ist, als die Bedingungen der Industriekreditbank herauskamen. Wenn man diese Bedingungen erfüllen will, dann wird man mit der örtlichen Sparkasse, der örtlichen Volksbank oder Privatbank schließlich besser zurechtkommen; denn diese sind vielleicht eher geneigt, das Schwergwicht mehr auf die Person des Kreditnehmers als auf die Sicherheit zu legen.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

So wie jetzt aber kann es nach meinem Dafürhalten unter keinen Umständen gehen; so wird die Bauwirtschaft nicht in die Lage versetzt werden, die dringend benötigten Maschinen und Geräte zu erwerben. Das aber ist nötig, wenn wir die Probleme des Wohnungsbaues tatsächlich meistern wollen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104102900
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Carl Wirths (FDP):
Rede ID: ID0104103000
Dann habe ich nur noch einen Satz zu sagen. — In denselben Zusammenhang gehört auch die Lösung des Problems der Zwischenfinanzierung. Ich höre aus dem Wiederaufbauministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, daß die Bauten von 28 000 Wohnungen seit Januar stilliegen, weil keine Möglichkeit zur Beschaffung einer ersten Hypothek gegeben ist. Schaffung von Zwischenkrediten, das also ist die allerdringendste Aufgabe für die gesamte Bauwirtschaft!

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)

Vizepräsiden Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Bahlburg.

Wilhelm Bahlburg (DP):
Rede ID: ID0104103100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht mehr auf Einzelheiten eingehen; denn über die Einzelheiten des Gesetzes hat schon der Herr Wiederaufbau- und Wohnungsminister vieles gesagt. Wir sind beglückt, daß wir uns nun endlich eingehend über das Wohnungsgesetz unterhalten können; das Volk wartet schon seit langem darauf. Ich habe es bei meiner Mitarbeit im Ausschuß bedauert, daß wir in unseren Beratungen nicht etwas schneller vorankommen konnten und nicht schon etwas erarbeiten konnten, weil dem Volk so
Deutscher Bundestag - 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950 1399

(Bahlburg)

dringend an der Lösung dieses Problems gelegen ist.
Das Gesetz, das uns von der Regierung erst jetzt vorgelegt worden ist, bedurfte bestimmt einer ganz eingehenden Überprüfung nach allen Seiten. Es ist einfacher, wenn eine Partei ein Gesetz entwirft, als wenn die Regierung eins entwerfen will, die sich an viele Vorschriften zu halten und Rücksichten nach allen Seiten zu nehmen hat. Wir haben von vielen Verbänden und Gruppen Vorschläge und Vorlagen bekommen. Man kann feststellen, daß auch die Anregungen in diesem Gesetz stark berücksichtigt worden sind. Wir glauben, daß es möglich ist, mit diesem Gesetz in diesem Jahr etwas anzufangen und sogar recht viel anzufangen.
Wir fragen uns nun: Wer soll denn bauen? Es ist uns vorhin gesagt worden, wer alles hierfür in Frage kommt. In erster Linie soll so gebaut werden, daß wir für wenig Mittel möglichst viel Wohnungen schaffen, Wohnungen für Menschen, die nur mit geringen Mitteln ausgestattet sind. Hierzu muß der Weg gefunden werden, und wir von der Bauwirtschaft glauben daran. Wir glauben daran um so mehr, als wir nachweisen können, daß in dem Baujahr 1949/50 auch ohne Zutun des Bundes schon eine enorme Zahl von Wohnungen durch die Hilfe und Initiative der Länder geschaffen worden ist. Ich möchte auch einmal die .Frage aufwerfen, wieviel Wohnungen auf Grund freier Initiative mit privaten Mitteln entstanden sind. Ich für meine Person könnte allein schon einige nennen, die durch meine Arbeit erstellt worden sind.
Wir werden uns bemühen müssen, eine Baunorm zu finden, um zu einer möglichst billigen Bauweise zu kommen. Wie Herr Kollege Wirths eben schon sagte, darf das aber nicht darauf hinauskommen, daß nur der eine Faktor die ganze Verbilligung tragen soll. nämlich derjenige. der dazwischensteckt: der Unternehmer. Es muß nach allen Seiten hin erwogen werden, wie die billige Bauweise erreicht werden kann, wobei doch eine Reihe von Momenten fixiert sind, die nicht abzubauen sind. Wir sollten aber auch dankbar sein für das schon ängstlich angesprochene private Bauen. Es soll den Menschen die Möglichkeit gegeben werden, aus eigenen Mitteln Wohnungen zu erstellen, über die sie dann frei verfügen können. Der Nachweis ist geliefert, daß es auf diese Weise möglich ist, noch eine große Zahl von Wohnungen zu bekommen, und ich glaube, daß die Möglichkeit für Private, mit eigenen Mitteln zu bauen, uns bei der Verwirklichung dieses Bauprogramms auch wesentlich helfen wird.
Die. Bereitstellung der Mittel wurde von Herrn Kollegen Klabunde pessimistisch angesehen. Ich glaube nicht nur für mich, sondern für die meisten Abgeordneten dieses Hauses sagen zu können, daß es nicht richtig ist, an ein solches Werk mit Pessimismus heranzugehen, mit einem Wenn und Aber. Wir müssen dieses Werk mit aller Kraft anpacken. Noch stehen wir im Anfang. Wenn Herr Klabunde selbst das Vertrauen hatte, daß die Finanzierung zu 70 Prozent gesichert ist, dann sollte man auch das Vertrauen haben, daß durch die Kraftanstrengung aller Stellen, insbesondere der Regierung, die letzten 30 Prozent auch noch geschafft werden. Ich glaube daran, und mit diesem Mut der Zuversicht wollen wir in die Zukunft blicken. Wenn im Jahre 1949/50
im Bundesgebiet mit Hilfe der Länder und mit Hilfe privater Kapitalien und Leistungen schon 180- bis 200 000 Wohnungen entstanden sind, dann werden in diesem Jahr mit Leichtigkeit die 250 000 Wohnungen und, wie ich hoffe, darüber hinaus noch weit mehr erstehen.

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104103200
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit läuft ab!

Wilhelm Bahlburg (DP):
Rede ID: ID0104103300
Ich möchte meine Ausführungen schließen mit Worten ähnlich denen, mit denen der Herr Bundeskanzler geschlossen hat: Wenn wir in gemeinsamer Anstrengung unsere Arbeit beginnen, dann muß und wird es gelingen!

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104103400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Glasmeyer.

Dr. Heinrich Glasmeyer (CDU):
Rede ID: ID0104103500
Herr Präsident! Meire sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche für die Arbeitsgemeinschaft Zentrum/ WAV, die. wie ich sehe, augenblicklich allerdings Kaffee trinkt;

(große Heiterkeit)

aber das wird ja wohl weiter keinen Schaden tun.

(Erneute Heiterkeit und Beifall.)

Allgemein möchte ich folgendes sagen: Nachdem die SPD schon vor einigen Wochen einen Gesetzentwurf eingebracht hat, freuen wir uns, daß nunmehr auch die Regierung uns den Entwurf eines ersten Wohnungsbaugesetzes vorgelegt hat. Dazu folgendes: Es ist schön; kommt der Prophet nicht zum Berge, dann kommt der Berg zum Propheten. In diesem Falle ist es so, daß der Prophet wohl unser Wohnungsbauminister ist und der Berg die SPD — oder umgekehrt meinetwegen.

(Heiterkeit.)

Zur Sache selbst! Erstens: Die Arbeitsgemeinschaft wünscht, daß die Laufzeit des Gesetzes nicht auf ein Jahr begrenzt, sondern entsprechend dem Beschluß des Wohnungsbauausschusses auf 6 Jahre festgesetzt wird.
Zweitens: Grundsteuerbefreiung. Die Arbeitsgemeinschaft ist der Ansicht, daß die Grundsteuerbefreiung für 20 Jahre ausgesprochen werden soll.
Drittens: Sorge für die Kinderreichen. In § 13 ist die normale Maximalgrenze auf 65 Quadratmeter festgesetzt. Das Weitere haben eventuell die Länder zu ordnen. Die Arbeitsgemeinschaft wünscht, daß schon im jetzigen Wohnungsbaugesetz die Grenze auf 100 bis 120 Quadratmeter festgesetzt wird. Deutschland ist zur Zeit ein vergreistes Land. Wir waren einmal ein junges Volk. Als ich noch zur Universität ging und meine Doktorarbeit schrieb, habe ich mich gefreut, daß das deutsche Land kinderreich war, und ich habe mich seinerzeit geärgert, daß in Frankreich das Problem der Kinderarmut herrschte. Heute ist es genau umgekehrt. Frankreich wird wieder ein junges Land, und wir stehen genau so, wie Frankreich vor 25 Jahren gestanden hat.

(Abg. Rische: Das hängt mit der Potenz zusammen!)

Punkt 4: Steuerbegünstigungen. Diesen Punkt hat bereits der Herr Abgeordnete Klabunde vor-
1400 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Dr: Glasmeyer)

hin angeschnitten, als er erwähnte, daß ein Antrag der SPD und des Zentrums vorliegt.
Punkt 5: Baulandbeschaffung. Vorhin ist die Frage der Enteignung angeschnitten worden. Meine Damen und Herren, ich bin ein Bauer. Sie werden es infolgedessen verstehen, wenn ich dazu kurz folgendes sage: die Frage der Enteignung und die Frage der Baulandbeschaffung ist die Frage des gerechten Preises.
Mit Punkt 6 fange ich einen neuen und sehr wichtigen Punkt an, der im Wohnungsausschuß schon einmal kurz erwähnt worden ist. Wir wünschen nicht nur den Bau von Wohnungen, sondern wir wünschen den Bau von Wohnsiedlungen. Es gibt auch bei uns im Münsterland genügend Ländereien dafür. Ich erinnere an Maria Veen. Ich erinnere daran, daß vor kurzer Zeit ein Adliger der Stadt Haltern 400 Morgen Bauland angeboten hat. Ich erinnere daran. daß auch bei uns im Kreise Steinfurt ein Gebiet von ungefähr 1000 Morgen zu erschließen ist. Da gibt es Gelegenheiten, Wohnsiedlungen nach landsmannschaftlichen und kulturellen Rücksichten zu errichten.
Allgemein ist die Arbeitsgemeinschaft der Ansieht, daß dann, wenn dieses Hohe Haus von links bis rechts in Einmütigkeit an dem Willen festhält, Wohnungen für die Ärmsten und Armen zu bauen, und wenn unser Wohnungsbauminister nicht nur mit starkem Mut, sondern auch mit einem geradezu wilden Mut an seine Arbeit herangeht, einmal der Spruch unseres Heimatdichters Friedrich Wilhelm Weber gelten kann:
Wunder gibt es, deren Wirken
Nie zu Ende wird geschrieben:
Menschengeist mit seinem Forschen, Menschenherz mit seinem Lieben.

(Lebhafter Beifall)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104103600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0104103700
Meine Damen und Herren! Wir begrüßen den vorliegenden Gesetzentwurf lebhaft. Wir stellen mit Befriedigung fest, daß der Regierungsentwurf davon Abstand genommen hat, feste Projektierungen auf eine fernerliegende Zeit vorzunehmen, und daß die Regierung entschlossen scheint, zunächst mit behutsamer Hand nach Maßgabe der bestehenden Möglichkeiten, Voraussetzungen und Verhältnisse und unter Auswertung schrittweise gewonnener Erfahrungen ein großes Wohnungsbauprogramm in Abschnitten durchzuführen. Wir begrüßen es also, daß es sich hier um die Vorlage eines ersten Wohnungsbaugesetzes handelt. Wir stellen weiter mit Befriedigung fest, daß die Regierung auf eine zu weitgehende Schematisierung und Reglementierung zu verzichten scheint und daß sie sich entschließen konnte, Bestimmungen herauszunehmen, die, wie beispielsweise Vorschriften über die Enteignung, nicht in dieses Wohnungsbaugesetz gehören. Wir stellen ferner mit Genugtuung fest, daß die Regierungsvorlage neben dem öffentlich geförderten Wohnungsbau auch den frei finanzierten Wohnungsbau fördern und ihm die gleiche Chance geben will. Wir haben Wünsche vorzutragen, Vorschläge zu machen und Anträge zu stellen, so zur Rationalisierung und zu den Verdingungen, aber wir sind der Meinung, daß das die Aufgabe einer Einzelberatung im zuständigen Ausschuß sein soll. Wir möchten ein Beispiel unserer Entschlossenheit, unseres Willens zur
Tat geben, indem wir durch Verzicht auf weitere Ausführungen hier im Plenum dazu beitragen, alsbald die Arbeit im Ausschuß beginnen zu lassen, damit dann rasch die Entscheidungen im Plenum fallen können; denn das Volk wartet auf die Verwirklichung des Wohnungsbauprogramms.
Wir erklären weiterhin, daß wir die Regierung
gleichgültig, ob wir sie sonst lieben oder hassen — lieben werden, wenn sie ein optimales Programm vorlegt, und wir werden sie hassen, wenn sie versagen sollte. Wir werden jenseits aller doktrinären Grundauffassungen und über alle Parteischranken hinweg in einer vollen, leider allzu seltenen Einmütigkeit ein Ergebnis zu erzielen haben, das dem Besten des Volkes dient und das in gleicher Weise den Beginn eines Investitionsprogramms wie eine Maßnahme zur Linderung der unsäglichen Wohnungsnot bedeuten soll.

(Beifall bei der BP und bei Abgeordneten der Mitte.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104103800
Weitere - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist damit geschlossen. Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf eines ersten Wohnungsbaugesetzes dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die dem Vorschlag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen Nr. 566 und 317).
Nach Beschluß des Ältestenrats soll damit gleichzeitig die Beratung der Punkte 3, 4 und 5 der Tagesordnung verbunden werden. Ich rufe auf Punkt 3:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Volkholz, von Aretin, Dr. Solleder, Kahn, Aumer und Genossen betreffend Säumniszuschlag auf Bundessteuern (Drucksache Nr. 539),
Punkt 4:
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Stundungsvorschriften für Steuern (Drucksache Nr. 540),
Punkt 5:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Nickl, Funk, Fuchs, Stücklen und Genossen betreffend steuerliche Behandlung der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 544).
Das Wort hat zur Berichterstattung zu Punkt 2 der Herr Abgeordnete Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104103900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das Hohe Haus Anfang Januar nach Abschluß der ersten Lesung diesen von der Regierung eingebrachten Entwurf dem Ausschuß überwiesen hatte, hat der Ausschuß in der Zwischenzeit in zwölf Sitzungen und darüber hinaus noch in zwei Sitzungen mit Vertretern des Bundesrats die Materie behandelt. Das Ergebnis liegt in Form der Drucksache Nr. 566 vor Ihnen. Der Ausschuß kam zu dem Ergebnis, dem Hohen Haus folgenden Antrag zu unterbreiten:
Deutscher Bundestag - 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950 1401

(Neuburger)

I Der Bundestag wolle beschließen,
i. den vorliegenden Gesetzentwurf in der nachstehenden Fassung zu genehmigen,
2. den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 10. August 1949 - Nr. 238 der Drucksachen — durch die Beschlußfassung für erledigt zu erklären,
3. den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen -- Nr. 38 der Drucksachen - der Bundesregierung als Material zu überweisen,
4. die zu dem Gesetzentwurf vorliegenden Petitionen durch die Beschlußfassung für erledigt zu erklären.
Ich will versuchen, in gedrängter Form Ihnen einen kurzen Überblick über die vom Ausschuß beschlossenen bzw. in Vorschlag gebrachten Änderungen zu geben.
Zunächst bezieht sich der eine Vorschlag darauf. daß nicht nur das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, sondern auch das Körperschaftsteuergesetz eine entsprechende Abänderung erfahren soll. Der Entwurf gliedert sich, wie Sie sehen, in 5 Artikel. Artikel I befaßt sich mit den materiellen Änderungen des Einkommensteuerrechts, Artikel II mit den Bestimmungen über die Durchführung dieses Einkommensteuerrechts, Artikel III mit der gesetzestechnischen und materiell -rechtlichen Anpassung des Körperschaftsteuergesetzes, Artikel IV mit der Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes und Artikel V mit den Schlußbestimmungen über das
o Inkrafttreten dieser gesetzlichen Änderungen.
Zurück zu Artikel I, den materiell-rechtlichen Bestimmungen. § 1 befaßt sich mit dem Personenkreis. Hier hat die bisherige Regelung eine Änderung dahin erfahren, daß beschränkt einkommensteuerpflichtig auch natürliche Personen sind — das ist die Regelung in Absatz 3 —, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. aber einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem zum Inland gehörenden Gebiet haben, in dem Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet als beschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Es ergab sich mit Rücksicht auf die Steuergesetzgebung in der Sowjetzone die Notwendigkeit, Personen, die in diesen Gebieten wohnen, für beschränkt steuerpflichtig zu erklären; umgekehrt mußte dann die beschränkte Steuerpflicht auch auf den entsprechenden Personenkreis hier ausgedehnt werden.
Der § 2 bringt zunächst eine rein gesetzestechnische Änderung. Dann regelt er in dem Absatz 5 und 6 das Verhältnis zwischen Wirtschaftsjahr und Geschäftsjahr. Er bestimmt zunächst, daß also das Wirtschaftsjahr maßgeblich ist, regelt dann das Wirtschaftsjahr für die Landwirtschaft, das danach vom 1. Juli bis zum 30. Juni läuft, und bestimmt dann, um Übergangsbestimmungen dieser Art für die Zukunft auszuschalten, daß die steuerliche Veranlagung nunmehr bei sich überschneidenden Wirtschaftsjahren und Kalenderjahren wie folgt geregelt wird: Das Einkommen in der Landwirtschaft wird nach der Zeit aufgeteilt, das heißt also, je hälftig auf das vorausgegangene Kalenderjahr und je hälftig auf den zweiten Teil des Wirtschaftsjahres. Bei Gewerbebetrieben, die ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr haben, erfolgt die Aufteilung entsprechend den Umsätzen, wobei Veräußerungsgewinne und auch die Umsätze aus Veräußerungen nicht mitgezählt werden.
Der § 3 bringt die Aufzählung der Steuerbefreiungen. Die Ziffern 1 bis 12 bringen im wesentlichen nichts Neues, sie stellen nur eine zusammenfassende Neufassung dar und sind den derzeitigen gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiete des sozialen und Rentenrechts angepaßt. Neu sind die Ziffern 13 und 14. Bei den Ziffern
13 und 14 werden steuerfrei erklärt: die Heiratsbeihilfen, die Geburtsbeihilfen, wenn solche vom Arbeitgeber an die Arbeitnehmer bezahlt werden, und zwar bis zum Höchstbetrage von 500 und 300 D-Mark. Ziffer 14 bringt eine Steuerfreiheit für, wie die Formulierung heißt, „andere besondere Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, z. B. Jubiläumsgeschenke, nach näherer Maßgabe einer Rechtsverordnung, soweit es aus sozialen Gründen geboten erscheint". In diesem Zusammenhang nochmals ein Hinweis darauf, daß der Bundestag auf dem Gebiete des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts nur eine halbe Zuständigkeit besitzt. Es können daher gewisse Sonderregelungen nicht mehr durch einfache Verwaltungsanweisung getroffen werden, sondern diese bedürfen einer Rechtsverordnung. Über den Erlaß der Rechtsverordnungen bzw. die Zuständigkeit für deren Erlaß geben spätere Bestimmungen des Gesetzes Auskunft. Unter Ziffer
14 fallen sinngemäß auch die Weihnachtsgratifikationen.
Wir kommen dann zu dem Kapitel der Steuervergünstigungen, die mit §§ 7 a bis 7 e beginnen, und insbesondere auch zu dem Kapitel der Sonderausgaben in § 10.
§ 7 a hat eine einschränkende Ergänzung erfahren, allerdings keine materiellrechtliche, sonder nur eine zeitliche, um Mißbrauch zu verhüten. Danach gelten die Vorschriften dieses § 7 a nur insoweit, als das ersetzte Wirtschaftsgut auch tatsächlich vor dem 21. Juni 1948 angeschafft oder hergestellt worden ist.
§ 7 b hat die Aufgabe, den Eigenwohnungsbau zu fördern. Die bisherigen Bestimmungen bezogen sich auf den Neubau von Wohnungen und auf die Wiederherstellung von kriegsbeschädigten Wohnungen. Dieser Passus hat nun eine Ergänzung dahin erfahren, daß steuerbegünstigte Abschreibungen auch Zubauten, Ausbauten und Umbauten genießen, sofern die neu hergestellten Gebäudeteile zu mehr als 80 vom Hundert Wohnzwecken dienen.
Auch § 7 c hat eine Erweiterung erfahren, und zwar in der Weise, daß nunmehr alle Steuerpflichtigen im Rahmen dieses Paragraphen steuerbegünstigte Aufwendungen zur Förderung des Wohnungsbaues vornehmen .können. Neben den Steuerpflichtigen, die bereits bisher in den Genuß dieser Bestimmung kamen, können jetzt auch „sonstige Steuerpflichtige" Zuschüsse als Werbungskosten absetzen. Buchstabe e von § 7 c hat ebenfalls noch eine Ergänzung erfahren. Die Bestimmungen über die Größe, die Ausstattung und den Mietwert der Wohnungen wurden bisher in den einzelnen Ländern verschieden gehandhabt, und es ergab sich die Notwendigkeit, nunmehr eine einheitliche Regelung auf diesem Gebiet herbeizuführen. Demgemäß hat man die
1402 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Neuburger)

Bestimmung aufgenommen, daß hierfür die Vorschriften der §§ 10 und 11 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 23. Juli 1940 maßgebend sind.
§ 7 d hat im Interesse des Schiffsbaues eine wesentliche Erweiterung erfahren. Im wesentlichen erstreckt sich sein Inhalt auf die Übernahme der Bestimmungen des § 7 c zur Förderung des Wohnungsbaues. Auch hier können also Zuschüsse und unverzinsliche Darlehen von Buchführenden sowohl wie von sonstigen Steuer- pflichtigen gegeben werden. Allerdings muß das Schiff, das in Auftrag gegeben wird, erstens auf einer inländischen Werft erbaut werden und zweitens Erwerbszwecken dienen.
Auch § 7 e, der sich bisher auf die steuerbegünstigte Wiederherstellung von Fabrikbauten beschränkt, hat eine Erweiterung in der Form erfahren, daß nunmehr auch Lagerhäuser mit aufgenommen sind. Es hat sich ergeben, daß gerade Lagerhäuser insbesondere in Hafengeländen besonders schwer gelitten haben und daß demgemäß auch die Wiederherstellung dieser Gebäude steuerlich unbedingt begünstigt werden mußte. Die Einschränkung besteht allerdings darin — und das war notwendig, um unnötige Lagerbauten zu vermeiden —, daß die Lagerhäuser ausschließlich der Lagerung von Waren, die zum Absatz an Wiederverkäufer bestimmt sind oder für fremde Rechnung gelagert werden, dienen müssen. In dem Zusammenhang möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die Errichtung von Fabriklagern zur Zeit schon im Rahmen des § 7 e steuerbegünstigt war, wenn der Wert unter 20 Prozent des gesamten Areals lag.
Ich komme nun zu dem Kapitel der Sonderausgaben in § 10. Wenn Sie die Drucksache so ansehen, sind die Dinge etwas unübersichtlich. Ich darf da aber zunächst auf folgendes hinweisen. Man hielt an der bisherigen Formulierung und der textlichen Fassung des Einkommensteuergesetzes fest. Den § 10 Ziffer 3 hat man herausgenommen und dafür einen besonderen § 10 a eingefügt, der in seinem Inhalt mit dem § 32 a verwandt ist. Deshalb werde ich nachher beide zusammenbehandeln.
Bei der Regelung der Sonderausgaben hat sich gegenüber der bisherigen Regelung folgendes geändert. Der Buchstabe f wurde gestrichen, der die Regelung enthalten hat, daß Flüchtlinge, Heimatvertriebene, Rassisch Verfolgte, Kriegsgeschädigte und Teilkriegsgeschädigte im Rahmen erhöhter Sonderausgaben zur Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung Absetzungen machen konnten. Diese Bestimmung hat, wie uns bereits bei der ersten Lesung die Regierung zur Kenntnis brachte, nicht nur den Finanzämtern eine ungeheure Verwaltungsarbeit gemacht, sondern auch zu einem kaum einzudämmenden Mißbrauch geführt. Aus dein Grunde hat die Regierung diese Bestimmung gestrichen und dafür einen Ergänzungsparagraphen, den § 33 a eingesetzt. Die Höhe der Sonderaufwendungen — es handelt sich bekanntlich um die Beträge von 800, 400, 400 usw. — ist gleichgeblieben, ebenso was die doppelten Beträge für Arbeitnehmer und Angehörige freier Berufe über 50 Jahre betrifft. Über diese Beträge hinaus war bisher die Hälfte der Sonderausgaben abzugsfähig bis zu 7,5 % und 7500 Mark des Gesamteinkommens. Diese Beträge wurden auf 15 % Und 15 000 Mark des Gesamteinkommens erhöht.
Neu — zumindest in der Stellung innerhalb des Systems des § 10 — ist die Bestimmung über die Ausgaben zur Förderung besonders anerkannter wissenschaftlicher Einrichtungen und zur Förderung besonders anerkannter mildtätiger Einrichtungen; diese waren bisher mit 5% im Rahmen der Sonderausgaben steuerbegünstigt. Nunmehr sind diese Einrichtungen steuerbegünstigt im Rahmen von 10 % und außerhalb der vorhin genannten Beträge über die Sonderausgaben. Statt dieser 10 % des Gewinnes können auch zwei vom Tausend eines Betrages genommen werden, der sich aus den Aufwendungen für Löhne und Gehälter und den Umsätzen des betreffenden Jahres zusammensetzt. Die Schaffung dieser Wahlmöglichkeit war erforderlich, um die Kontinuierlichkeit der Beträge zu wahren; denn im allgemeinen kann erst mehrere Monate nach Abschluß des Wirtschaftsjahres festgestellt werden, welcher Gewinn tatsächlich erzielt ist; dagegen hat die wirkliche Förderung solcher Aufgaben natürlich zur Voraussetzung, daß die Spenden möglichst laufend fließen.
Statt des § 10 Ziffer 3, der bisher die Bestimmung über die steuerliche Sonderbehandlung des nicht entnommenen Gewinns enthielt, ist nun, wie gesagt, der § 10 a eingeführt worden. Das steht auf Seite 13 der Drucksache Nr. 566. Es ist die Möglichkeit bestehen geblieben, daß auf Antrag bis zu 50 vom Hundert der Summe der nicht entnommenen Gewinne, höchstens aber 15 vom Hundert der Summe der Gewinne als Sonderausgaben abgesetzt werden können. Dafür ist die Nachversteuerung gekommen. Diese ist allerdings nicht mehr wie bisher auf das Jahr des tatsächlichen Gewinnanfalls zurückdatiert, sondern jetzt gilt das Jahr der Entnahme.
Sodann ist die Bestimmung neu hinzugekommen, daß für Entnahmen zur Zahlung von Schenkungsteuer bei Übergang von Betriebsvermögen unter Lebenden der Steuerklasse I ebenfalls eine gewisse Steuervergünstigung eintritt.
Der § 20, den Sie auf Seite 15 der Drucksache Nr. 566 finden, hat nur eine rein gesetzestechnische Änderung erfahren. Das gleiche gilt für die §§ 29 und 31.
Der § 32 enthält als Anlage den Tarif. Dazu brauche ich als Berichterstatter keine Ausführungen zu machen. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß in bezug auf die Einteilung und Eingruppierung in die Steuerklassen ebenfalls eine soziale Verbesserung in der Form eingeführt worden ist daß nunmehr unverheiratete. Personen bereits bei Eintritt in das 60. Lebensjahr von Steuerklasse I in Steuerklasse II kommen und darüber hinaus daß verwitwete Personen bereits mit dem 50. Lebensjahr in der Steuerklasse II verbleiben.
Dann kommt die Neuregelung des § 32 a. Im Gegensatz zu früher ist die Anwendung des § 32 a an andere zahlenmäßige Voraussetzungen gebunden worden. Die Summe der Gewinne muß 60 000 DMark überschreiten, und die Entnahmen dürfen 18 000 D-Mark, zuzüglich 2 000 D-Mark für jedes Kind, nicht überschreiten. An Stelle der bisherigen Nachversteuerung innerhalb fünf Jahren ist eine unbefristete Nachversteuerung getreten. Die Nachversteuerung als solche wurde gleichfalls geregelt. Das sind sehr komplizierte Bestimmungen, die Sie auf Seite 17 rechts unten finden.
Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1403

(Neuburger)

Der § 33 hat nur eine gesetzestechnische Abänderung erfahren, während der § 33 a neu ist und, wie gesagt, an Stelle der Bestimmung des § 10 f getreten ist. Der § 33 a fügt für Flüchtlinge, Vertriebene und politisch Verfolgte sowie für total Kriegsgeschädigte besondere Freibeträge ein. Die Freibeträge betragen für Ledige 480 D-Mark, für Verheiratete ohne Kinder 600 D-Mark und für Verheiratete mit Kindern 720 D-Mark. Der Ausschuß hat diese Bestimmung noch dahingehend ergänzt, daß der Betrag von 720 D-Mark sich für das dritte und jedes weitere Kind um 60 D-Mark erhöht.
Der § 34 a, der die Steuerbegünstigung für die Mehrarbeit enthält, ist im wesentlichen geblieben. Dasselbe gilt von dem § 35 über die Veranlagung. In § 39 sind in bezug auf die Lohnsteuerpflichtigen noch einmal dieselben Bestimmungen über die begünstigte Eingruppierung von Steuerklasse I nach Steuerklasse II aufgenommen. Der S 41 Ziffer 2 enthält die Erhöhung der Sonderausgaben ohne Nachweis für alle Arbeitnehmer von bisher 312 D-Mark auf 468 D-Mark im Jahr, das heißt von monatlich 26 D-Mark auf monatlich 39 D-Mark. Der § 50 bringt dann noch Steuerbegünstigungen zu Gunsten der beschränkt Steuerpflichtigen. Diese Bestimmungen sind aufgenommen worden, um auch dem Auslandskapital einen gewissen Anreiz durch die Steuerbegünstigung zu geben, im Inland produktiv zu wirken.
Wir bereits ausgeführt, bringt dann *der Artikel II des Gesetzes die Bestimmungen über die Durchführung des Einkommensteuergesetzes. Sie sehen aus dem ersten Satz die doppelte Zuständigkeit: Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats usw. diese Übergangsbestimmungen zu treffen. Bei diesen Übergangsbestimmungen und Durchführungsbestimmungen ist die Ziffer 2 Buchstabe d) auf Seite 23 wichtig, die vorsieht, im Wege der Rechtsverordnung über eine Abschreibungsfreiheit zur Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungen und über eine Steuerermäßigung beim Bau von Heuerlings-
und Werkwohnungen für ländliche Arbeiter Bestimmungen zu erlassen. Ich weise in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, daß § 7 b die Förderung des Eigenwohnungsbaus und § 7 c die Förderung des Fremdwohnungsbaus zum Gegenstand haben. Der Landwirt draußen kann aber für seine Landarbeiter grundsätzlich nur auf eigenem Grund und Boden bauen, und er kann auch grundsätzlich nur Werkwohnungen bauen. Er hätte also nur die Möglichkeiten des § 7 b für Eigenwohnungsbau beanspruchen können. Diese sind nicht ausreichend. Demgemäß hat der Ausschuß beschlossen, daß diese zusätzliche Änderung eingeführt wird, daß also auch der Landarbeiterwohnungsbau zumindest wie der Fremdwohnungsbau gemäß § 7 c begünstigt werden kann.
Der Artikel III bringt die materiellrechtlichen Anpassungsbestimmungen der hier vorgetragenen Änderungen an das Körperschaftsteuergesetz. Der Artikel IV bringt dann die Bestimmungen über die Durchführung dieses Körperschaftsteuergesetzes. Es war also unter anderem der Kreis der Steuerpflichtigen den besonderen Bestimmungen der beschränkt Steuerpflichtigen mit Rücksicht auf die Zerrissenheit Deutschlands anzupassen, und es war vor allem auch die Bestimmung über die Spenden einzufügen. Die Vorschriften über die Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes, Artikel IV auf Seite 27 und 28, bringen nichts Besonderes.
Dann komme ich zu Artikel V, Schlußbestimmungen. Hier wird zunächst der Bundesminister der Finanzen ermächtigt, den Wortlaut des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und der zu diesen Gesetzen erlassenen Durchführungsverordnungen in der jeweils geltenden Fassung mit neuem Datum, unter neuer Überschrift und in neuer Paragraphenfolge bekanntzumachen und dabei Unstimmigkeiten des Wortlauts zu beseitigen. Artikel V enthält dann Bestimmungen über das Inkrafttreten dieses Gesetzes. Im Gegensatz zu dem vom Bundesrat seinerzeit gemachten Vorschlag soll das Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres nicht nur, wie bisher, in der amerikanischen und britischen Zone, sondern auch in der französischen Zone mit ganz geringen Ausnahmen, wie sie sich aus Ziffer 3 dieser Bestimmung ergeben, in Kraft treten.
In der Anlage finden Sie dann noch die Tariftabelle, und zwar die Grundtabelle A zu § 32 und die Tabelle B zu § 39; die Tabelle B anwendbar für Einkommen bis zu 5 000 D-Mark und die Tabelle A anwendbar für Einkommen über 5000 D-Mark.
Damit möchte ich meinen Bericht schließen.

(Beifall bei der CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104104000
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Begründung des Antrages unter Punkt 3 der Tagesordnung hat der Herr Abgeordnete Freiherr von Aretin.

Freiherr Anton von Aretin (FU):
Rede ID: ID0104104100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Gruppe von Abgeordneten, der ich die Ehre habe anzugehören und die aus Herren der Bayernpartei und der CSU besteht, hat auf Drucksache Nr. 539 an den Bundestag einen Antrag gerichtet, der den besonderen Notstandsgebieten dienen soll. Mit diesem Antrag soll, soweit es möglich ist, durch die Gesetzgebung und durch die Regierung die Notlage in verschiedenen Gebieten korrigiert werden. Wir haben bei der Berlin-Hilfe einen Präzedenzfall geschaffen, indem einer besonderen Stadt, anerkanntermaßen, berechtigterweise eine besondere Hilfe gewährt worden ist. Ich glaube, in diesem Sinne müßte man auch diesen Antrag, der nicht parteipolitischen Gesichtspunkten, sondern der Not der Zeit und der Not zahlreicher Gegenden unserer Heimat seine Entstehung verdankt, zustimmen können. Ich bitte Sie daher, diesen Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen, der die näheren Regelungen auszuarbeiten haben wird.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104104200
Das Wort zur Begründung des Antrags zu Punkt 4 der Tagesordnung, Drucksache Nr. 540, hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104104300
Meine Damen und Herren! Zahlreiche Steuerpflichtige, vor allem die Bomben- und Fliegergeschädigten haben langfristige Anlagen, Bauwerke errichtet, die sie zum großen Teil mit Geldern finanziert haben, die an sich an das Finanzamt hätten abgeführt werden müssen. Dieser Übelstand zeigt sich besonders dann, wenn eine Buch- und Betriebsprüfung feststellt, daß die Verbuchungen nicht so gewesen sind, wie sie hätten sein sollen. In diesen Fällen kommen gerade diejenigen Bevölkerungskreise, die schon
1404 Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Dr. Bertram)

durch den Krieg geschädigt sind, in arge Bedrängnis, weil sie jetzt Steuern abführen müssen, die sie tatsächlich investiert haben. Unter normalen Verhältnissen des Kapitalmarkts könnten sie diese Investitionen durch Darlehen bei Hypothekenbanken oder Realkreditinstituten umbeleihen und abdecken und hätten dann keine Schwierigkeiten, die Steuern zu zahlen. In absehbarer Zeit, wenn sich die Verhältnisse erst konsolidiert haben werden, wird dies auch wieder möglich sein. Für derartige Fälle reichen die Vorschriften der Reichsabgabenordnung über Stundung nicht aus. In solchen Fällen muß nämlich die Stundung nicht nur gewährt werden für einen relativ kurzen Zeitraum, vor allem nicht nur gegen Sicherstellung mit kurzfristig realisierbaren Werten, sondern es ist erforderlich, daß eine langfristige Stundung gewährt wird, was praktisch bedeutet, daß das Finanzamt in solchen Fällen Hypothekengläubiger wird. Ich halte es deshalb für erforderlich, daß das Bundesfinanzministerium eine entsprechende Verordnung erläßt. Dies gilt vor allem für die Gemeinden, die bei der Beitreibung der Gewerbesteuern zum großen Teil sehr hartnäckig sind und wesentlich weniger entgegenkommend als die Finanzämter. Ich glaube deshalb, daß ein solcher Antrag unbedingt einem Bedürfnis entspricht.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104104400
Das Wort zur Begründung des Antrags unter Nr. 5 der Tagesordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0104104500
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin ganz überrascht, daß ich so plötzlich drankomme. Da muß manches nicht so sein, wie es sein soll. Aber ich will mich auf eine kurze Begründung meines Antrages beschränken. Ich will auch auf die technischen Einzelheiten dieser Verordnung zur Durchführung des Einkommensteuergesetzes bei den nichtbuchführenden Landwirten im einzelnen nicht eingehen. Das würde zu weit. führen. Ich will nur einige Grundsätze herausgreifen, die zur allgemeinen Kenntnis der Verhältnisse notwendig sind.
Es handelt sich zunächst darum, daß man hier den veränderten Verhältnissen der Landwirtschaft Rechnung tragen muß. Trotz mancher .gegenteiligen Stimmungen gegenüber unserer Bauernbevölkerung kommt doch eines jetzt auch in der großstädtischen Presse immer mehr zum Ausdruck: daß die Landwirtschaft sich in einer Krise befindet. Es kommt auch in einzelnen Presseerörterungen jetzt zum Ausdruck, daß diese Krise nicht allein von der Preisseite her kommt, sondern auch von der Seite der Belastung der Landwirtschaft. Dieser Belastungsseite der Landwirtschaft will ich mich jetzt mit einigen Ausführungen zuwenden. Da ist es notwendig, daß die Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft entsprechend den veränderten Verhältnissen geändert wird. Die Durchschnittssätze, die für die nichtbuchführenden Landwirte aufgestellt werden, gehen von einem Reinertrag aus, der sich unter der Annahme eines Betriebes aufbaut, der nur mit fremden Arbeitskräften arbeitet. Auf dieser Grundlage wird dann das Einkommen des Bauern dadurch errechnet, daß man den Arbeitsverdienst des Bauern, seiner Ehefrau und seiner mitarbeitenden Kinder dazurechnet. Hier kommt eine alte Forderung unserer Bauernbevölkerung, daß man insbesondere die mitarbeitenden Familienangehörigen in der Landwirtschaft steuerlich entsprechend berücksichtigt. Es kommt auch hier der Grundsatz, der auch sonst eine Rolle spielt, wegen der Haushaltsbesteuerung herein. Diese Haushaltsbesteuerung wirkt sich im bäuerlichen Betrieb besonders nachteilig aus.
Da stelle ich einen Grundsatz auf, für den sich das Hohe Haus eigentlich ganz allgemein entscheiden sollte, daß man hier eine steuerliche Berücksichtigung der mitarbeitenden Bauernkinder herbeiführt. Denn hier handelt es sich darum, daß der Lohn, den die mitarbeitenden Familienangehörigen sich während des Jahres verdienen, genau so berücksichtigt werden sollte wie bei einer fremden Arbeitskraft, die einen bestimmten Jahresarbeitsverdienst in einem bäuerlichen Betrieb erzielt Deswegen ist dieser Antrag in erster Linie auf die Berücksichtigung der familieneigenen Arbeitskräfte des Bauern berechnet. Das heißt, die familieneigenen Arbeitskräfte des Bauern haben einen Anspruch darauf, daß der Arbeitslohn für sie entsprechend in Rücklage genommen wird, damit die arbeitenden Kinder, insbesondere nachdem durch die Währungsreform ihre Ersparnisse zugrunde gegangen sind, einen Anreiz haben, auf dem Bauernhof zu bleiben. Mit anderen Worten, hier ist ein besonders wirksames Mittel vorhanden, um die Landflucht aus dem bäuerlichen Betrieb zu bekämpfen. Sie müssen den bäuerlichen mitarbeitenden Familienangehörigen entsprechende Beträge gutschreiben, auf die sie als Lohn Anspruch haben. Über die Höhe der Gutschriften können die Meinungen auseinandergehen. Ich denke mir aber, daß für die mitarbeitenden Familienangehörigen bei der Einkommensteuerermäßigung des Bauernbetriebes keine Zuschläge mehr gemacht werden. Das wäre eine wesentliche Berücksichtigung der eigenen Arbeitskräfte des Bauern.
Es kommt noch die Berücksichtigung des Arbeitseinkommens der Bauersfrau hinzu. Da möchte ich sagen: wenn wir die ganze Zeit nach dem Krieg betrachten und die Verhältnisse an uns vorüberziehen lassen, so wird es ein Ruhmesblatt in der Geschichte unseres Bauerntums sein, daß die Bäuerin den Bauernhof unter den schwierigsten Verhältnissen in die jetzige Zeit hinübergerettet hat.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Sie mußte mit wenigen Arbeitskräften all das leisten, was andere nicht mehr tun konnten, weil der Mann im Kriege war, weil die erwachsenen Söhne im Kriege waren usw. Sie ist eigentlich der Motor zur Aufrechterhaltung unseres bäuerlichen Betriebes gewesen. Da sollte man hier der arbeitenden Bauersfrau entgegenkommen; denn eigentlich sollte die Bauersfrau sich wie jede Frau in einem ordnungsgemäßen Haushalt darauf beschränken, nur ihren Haushalt zu führen,

(Sehr richtig! in der Mitte)

und nicht übermäßig in die übrige Wirtschaft eingeschaltet werden. Deswegen ist es eine steuerliche Benachteiligung der Bauersfrau, daß ihre Arbeitskraft zusätzlich bewertet wird; denn in anderen Haushalten wird sie auch nicht zusätzlich bewertet. So sollte man hier entgegenkommend sein.
Ein besonderes Entgegenkommen ist für die Witwen und die Kriegerwitwen in unseren Bauernbetrieben notwendig; denn die Kriegerwitwen müssen, um einigermaßen durchkommen zu können, eine fremde Arbeitskraft ersetzen. Deswegen sollte man die steuerliche Begünstigung insbe-
Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1405

(Dr. Horlacher)

sondere bei den Kriegerwitwen und den Witwen überhaupt eintreten lassen.
Das sind die Grundsätze, die maßgebend sein sollten. Das kann der Herr Finanzminister durch eine Verordnung machen, die sich an das Einkommensteuergesetz anschließt. Wenn das Einkommensteuergesetz zu einer Belebung der Wirtschaft und zu einer Sicherung unserer Wirtschaftsbetriebe beitragen soll, dann muß meines Erachtens auf solche Verhältnisse Rücksicht genommen werden.
Daß ich in dem Antrag weiter fordere, den veränderten Verhältnissen der Landwirtschaft bei der Bemessung des Einheitswertes Rechnung zu tragen, dürfte sich von selbst verstehen. Denn jetzt wird der Grundertrag aus einem Zwölftel des Einheitswertes errechnet. Früher war es ein Achtzehntel. Da stehe ich auf dem Standpunkt, daß angesichts der veränderten Preis- und sonstigen Verhältnisse in .der Landwirtschaft wieder die frühere Berechnungsgrundlage festgelegt werden sollte. Schließlich ist noch darauf hingewiesen, daß auch die Umsatzsteuerrichtzahlen den veränderten Verhältnissen angepaßt werden müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie so meine Ausführungen hören und sie bei Ihnen auf fruchtbaren Boden gefallen sind, dann habe ich gar keinen Zweifel, daß dieser Antrag einstimmig angenommen werden muß. Ich bin aber dafür, daß der Antrag dem Finanz- und Steuerausschuß nochmals zur gründlichen Beratung überwiesen wird, damit man insbesondere die steuertechnischen Grundsätze im einzelnen erörtern kann. Ich sehe aus Ihrer Haltung, daß Sie grundsätzlich mit meinen Ausführungen einverstanden sind.

(Beifall in der Mitte und rechts und -Heiterkeit.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104104600
Meine Damen und Herren! Ich stelle fest: die Berichterstattung über Punkt 2 der Tagesordnung und die Einbringung der Anträge unter den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 sind beendet.
Wir treten nunmehr nach § 40 Absatz 2 der Geschäftsordnung in die Einzelbesprechung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes mit der Maßgabe ein, daß die Einzelbesprechung über jede selbständige Bestimmung der Reihenfolge nach geführt wird. Das heißt mit anderen Worten, zu Abänderungsanträgen wird jeweils bei den betreffenden einzelnen Paragraphen gesprochen.
Wir hatten uns im Ältestenrat darüber unterhalten, daß heute unter Umständen die Möglichkeit besteht, zu Abänderungsanträgen, die sich über mehrere Paragraphen erstrecken, aber thematisch zusammenhängen, wenn sie auch nicht in derselben Reihenfolge laufen, gleich gemeinsam zu sprechen, mit der Maßgabe, daß bei der Abstimmung jeweils auf die vorangegangene Begründung des Abänderungsantrages Bezug genommen wird. Ich darf wohl annehmen, daß, soweit dieser Fall in Frage kommt, das Haus aus Gründen der Vereinfachung mit dieser Methode einverstanden ist.
Dies vorausgeschickt, beginnen wir mit der Einzelbesprechung. Ich rufe nunmehr Artikel I Ziffer 1 auf. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Wer für Artikel I Ziffer 1 ist, den bitte ich, die
Hand zu erheben. Ich danke und bitte um die
Gegenprobe. — Mit' zweifelsfreier Mehrheit angenommen.
Wer für Artikel I Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ebenfalls mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Zu Artikel I Ziffer 3 liegt ein Abänderungsantrag der SPD auf Drucksache Nr. 602 unter Ziffer 1 vor, der dahin geht, eine neue Ziffer 14 einzufügen. Ich bitte zunächst den Herrn Antragsteller, wenn er zu dem Abänderungsantrag das Wort wünscht, das Wort zu ergreifen. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Koch.

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0104104700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Frage, die Weihnachtszuwendungen endgültig in das Gesetz, nämlich in den § 3 über die steuerfreien Beträge, aufzunehmen, haben wir schon im Finanzausschuß gesprochen. Man hat uns damals mit der Erklärung beruhigt, daß in Ziffer 14 eine Bestimmung neu aufgenommen worden sei — und wir hörten das auch schon aus dem Munde des Herrn Berichterstatters —, unter die ohne weiteres auch die Weihnachtszuwendungen fielen. Wir möchten aber doch durch eine Aufnahme der Weihnachtszuwendungen in das Gesetz, entsprechend unserem Antrag, endlich einmal alle Unklarheiten beseitigen, wie wir sie auch vor Weihnachten 1949 zu beklagen hatten. Ich glaube, der Zustand vor Weihnachten 1949, die ständige Ungewißheit der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, war beschämend. Uns liegen sehr viele Zuschriften aus dem Kreise der Betroffenen vor, die uns darum bitten, nun endlich im Gesetz einen endgültigen Rechtszustand zu schaffen. Wir können uns diesen Begründungen nicht verschließen und bitten Sie, den Antrag so, wie wir ihn vorgelegt haben, anzunehmen, das heißt, die Ziffer 14 entsprechend dem Antrag einzufügen und aus der bisherigen Ziffer 14 die Ziffer 15 zu machen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104104800
Sie beantragen, eine neue Ziffer einzufügen?

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0104104900
Ich bitte, entsprechend unserem Antrag, hinter Ziffer 13 die neue Ziffer 14 betreffend die Zuwendungen der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer zu Weihnachten einzufügen und aus der bisherigen Ziffer 14 eine Ziffer 15 zu machen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104105000
Zu Artikel I Ziffer 3 liegt ein weiterer Abänderungsantrag in Form der Drucksache Nr. 616 vor, Änderungsantrag der Fraktion der KPD zu § 3 Ziffern 4 und 14.

(Zurufe: Noch nicht verteilt!)

Ist die Drucksache noch nicht verteilt? — Sie wird gerade verteilt.
Zur Begründung des Abänderungsantrages erteile ich dem Herrn Abgeordneten Renner das Wort.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0104105100
Meine Damen und Herren! Namens der kommunistischen Fraktion stelle ich zu Artikel I Ziffer 3 den Antrag, die Ziffer 14 von § 3 zu streichen und durch folgende Neufassung zu ersetzen:
Andere besondere Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, zum Beispiel
Weihnachtsgratifikationen und Jubiläums-
1406 Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950

(Renner)

geschenke, bleiben bis zum Betrage von 300 DM steuerfrei.
Unsere Fraktion ist der Auffassung, daß man die Regelung dieser Frage nicht der Regierung überlassen sollte. Nach dem Vorschlag des Ausschusses soll die Regierung das Problem der Steuerfreiheit in dieser Frage auf dem Weg der Rechtsverordnung nach Gutdünken unter Berücksichtigung der jeweiligen sozialen Situation regeln. Wir bitten Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Darf ich dann gleich zu dem zweiten Antrag sprechen?

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104105200
Ich bitte darum, weil das damit zusammenhängt.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0104105300
Wir beantragen ferner zu Artikel I Ziffer 3, dem § 3 Ziffer 4 folgende Fassung zu geben:
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Renten aus der Knappschaftsversicherung und Renten, die auf Grund eines Versicherungsvertrages oder aus Unterstützungskassen gezahlt werden, bleiben, wenn kein sonstiges Einkommen vorhanden ist, in voller Höhe steuerfrei.
Ich darf darauf hinweisen, daß dieser unser Antrag der Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes entspricht. Wir bitten das Hohe Haus schon aus diesem Grunde, diesem Änderungsvorschlag zuzustimmen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104105400
Ich darf mir nachträglich noch eine geschäftsordnungsmäßige Bemerkung erlauben. Wir hatten uns im Ältestenrat darüber verständigt, daß wir bei dieser Materie eine bestimmte Redezeit nicht festsetzen können. Aber es sollte der Appell ausgesprochen werden, sich allseits so kurz wie möglich zu fassen. Ich darf in dieser Beziehung die beiden letzten Redner als Vorbild hinstellen und bitten, sich nach diesem Vorbild zu lichten.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister Schäffer.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0104105500
Meine Damen und Herren! Ich werde dem Vorbild der beiden Herren Vorredner folgen und mich auch sehr kurz fassen. Ich muß eine grundsätzliche Bemerkung machen, die sich insbesondere auf die beiden Anträge zu § 3 Ziffer 14 bezieht. Die Tatsache ist nun einmal nicht zu leugnen, daß es sich hier um eine Steuer handelt, deren Erträgnisse den Ländern zufließen und deren Verwaltung in Händen der Länder liegt. Infolgedessen ist es selbstverständlich, daß diejenigen, die die Steuer zu verwalten haben, und diejenigen, die die Steuer einzuheben haben und denen sie zufließt, ein dringendes Interesse daran haben. In der Gesetzgebung Einzelheiten festzulegen, die dem Verwaltungsrecht vorgreifen, und Einzelheiten festzulegen, die das Erträgnis mindern, ist infolgedessen ein ungewöhnlicher Weg.

(Beifall rechts. — Zuruf links: Das ist Ihr Thema, Herr Finanzminister!)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104105600
Meine Damen und Herren! Das Wort wird weiter nicht gewünscht? — Herr Abgeordneter Neuburger, ich bitte.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104105700
Meine Damen und Herren! Wir haben uns, wie ich vorhin bereits ausführte, gerade auch über die Weihnachtsgratifikationen und die Frage der Aufnahme einer Bestimmung hierüber im Ausschuß sehr eingehend unterhalten und sind aus den Gründen, die eben der Herr Minister vorgetragen hat, zu dem Ergebnis gekommen, daß wir die Bestimmung nicht ziffermäßig ins Gesetz aufnehmen können. Wir haben — ich muß das noch einmal betonen — nur die halbe Zuständigkeit. Deshalb haben wir gesagt, daß die Bestimmungen über die jeweilige Freigrenze bei den Weihnachtsgratifikationen dem Bundesrat in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung jeweils von Jahr zu Jahr vorbehalten bleiben muß. Man kann die jeweiligen Verhältnisse nicht voraussehen, und es geht an sich meines Erachtens nicht an, in das Gesetz eine solche Bestimmung aufzunehmen. Wir schaden dadurch niemand. Wir sind davon überzeugt, daß die Bundesregierung und der Bundesrat jeweils rechtzeitig das Mögliche tun werden, um den Arbeitnehmern den größtmöglichen Betrag als Weihnachtsgratifikation freizustellen.

(Zurufe links: Das haben wir gesehen! — Das haben wir erlebt!)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104105800
Wird das Wort weiter gewünscht? -- Herr Abgeordneter Dr. Koch, ich bitte.

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0104105900
Meine Damen und Herren! Weder die Ausführungen des Herrn Finanzministers noch die Ausführungen des Herrn Berichterstatters können hier in irgendeiner Weise verfangen. Ich glaube, diese Bestimmung über 300 D-Mark Weihnachtszuwendungen bedeutet einen wirklich atomkleinen Ausfall gegenüber den 900 Millionen oder der einen Milliarde,

(Sehr gut! links)

die der Herr Finanzminister mit diesem Gesetz der Wirtschaft im wesentlichen schenkt.

(Sehr richtig! links.)

Wir glauben, daß wir den Zustand ändern müssen, wie er vor Weihnachten 1949 war.

(Sehr gut! links.)

Es ist nicht richtig, daß wir darauf vertrauen können, daß durch eine ganze Reihe von verschiedenen Rechtsverordnungen in dieser Bundesrepublik ein Zustand hergestellt wird, mit dem wir zufrieden sein können.

(Sehr wahr! links.)

Ich glaube auch dem Herrn Berichterstatter und dem Herrn Finanzminister jetzt schon sagen zu müssen, daß wir bei unseren Beratungen über dieses grundlegende Einkommensteuergesetz im Bundestag nicht immer mit einem Auge zum Bundesrat hinüberschauen sollten. Wir — als Bundestag — haben zunächst einmal ohne Rücksicht darauf, wie der Bundesrat eines Tages möglicherweise dazu Stellung nehmen wird, über dieses Gesetz zu beschließen.
Ich bitte also, unserem Antrag zuzustimmen.
Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950 1407

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104106000
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0104106100
Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß mich eine Bemerkung des Herrn Vorredners zwingt, noch einmal das Wort zu ergreifen. Der Herr Vorredner hat die Logik entwickelt: Nachdem der Herr Bundesfinanzminister durch diesen Gesetzentwurf auf 900 Millionen Mark Steuereinnahmen verzichtet, sei es doch unverständlich, wenn er darauf hinweise, daß Anträge, die weitere Steuerausfälle bringen, nicht gestellt werden sollten. Ich darf den Herrn Vorredner daran erinnern, daß ihm bewußt sein muß, daß ich hier von dieser Stelle, im Ausschuß und in der Öffentlichkeit den Gedankengang des Gesetzentwurfs schon wiederholt dargelegt habe, und daß er zumindest die Pflicht hätte, darauf hinzuweisen, was ich als meine Auffassung und als die Auffassung sämtlicher Länderfinanzminister

(Zuruf links: Das können Sie selber machen!) ungeachtet der Partei, die diesem Gesetzentwurf zugestimmt haben, dargelegt habe. Ich sage: ungeachtet der Partei; sämtliche Herren haben die Meinung.

Die Entscheidung liegt jetzt darin, daß wir von dem System der Selbsteinschätzung wieder zu dem alten System der amtlichen Veranlagung zurückkehren. Die Entscheidung liegt darin, daß nunmehr die amtliche Veranlagung in voller Schärfe wieder durchgeführt werden muß,

(Zurufe links: Wo denn?)

daß sie deshalb mit erträglichen Tarifen durchgeführt werden muß und mit dem Ziel durchgeführt werden soll, das Steueraufkommen nicht
zu mindern, sondern zum wenigsten insgesamt zu halten. Das ist nicht nur meine, sondern sämtlicher Länderfinanzminister Ansicht. Wenn Angriffe gegen mich erhoben werden, dann müssen sie auch gegen die Länderfinanzminister sämtlicher Parteien erhoben werden.

(Zustimmung in der Mitte.)

Aber ich wehre mich dagegen, weil es den deutschen Namen im Ausland gefährdet.

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zuruf links: Sie haben's nötig!)

(Beifall bei den Regierungsparteien. —
Gegenrufe links. — Glocke des Präsidenten.)
Wir haben die Absicht, den Weg der Gesundung in unserer Steuerverwaltung zu gehen. Deswegen muß ich Wert darauf legen, daß in all den Punkten, in denen ein wirklicher Steuerausfall ein-. treten könnte, ein Steuerausfall, der durch Veranlagung nicht eingeholt werden kann, mit Vorsicht und Behutsamkeit vorgegangen wird.

(Bravo! bei den Regierungsparteien. — Lachen links.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104106200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104106300
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat eine ganze Reihe von Autoritäten vor uns aufgeführt. Die erste Autorität, die er bemühte, waren die Herren Länder minister, die zweite Autorität war das Ausland. Beide Autoritäten scheinen für uns hier nicht ganz entscheidend zu sein. Für uns scheint die Autorität dieses Hauses entscheidend zu sein. Wir alle haben — —

(Zuruf: Stimmenfang!)

— Gestatten Sie bitte, ich will Sie erinnern, daß es kein Stimmenfang ist. Sie selber haben vor Weihnachten sachlich anders abgestimmt.

(Lebhafter Beifall beim Zentrum.)

Vor Weihnachten hat dieses Haus - wenn ich mich recht erinnere, einstimmig — den Beschluß gefaßt -- jedenfalls war es die überwiegende Mehrheit —, daß bei Weihnachtsgratifikationen 300 D-Mark steuerfrei sein sollten. Jetzt gilt es, die Autorität dieses Hauses zu wahren. Man hat uns in der Öffentlichkeit erhebliche Vorwürfe darüber gemacht, daß wir Beschlüsse faßten und sie nicht durchsetzten. Jetzt ist die Gelegenheit dazu da. Sollen wir uns lediglich durch Hinweis auf derartige Autoritäten von unserem eigenen Willen so ohne jeden Widerstand wegbegeben? Ich bin der Ansicht, es ist Pflicht dieses Hauses, wenn unsere Abstimmung um Weihnachten richtig war, jetzt dabei zu bleiben und einen entsprechenden Beschluß zu fasssen. Steuerliche Argumente können gar keine Rolle spielen. Der Ausfall durch diese Maßnahme ist nur gering. Wir wissen aus den Ausschußberatungen, wie gering er sein würde. Aber das scheint mir doch von ganz großer Bedeutung zu sein. Wenn die Länderminister heute abend hier schon zitiert worden sind, so sind sie auch in unseren Ausschußberatungen zitiert worden. Man darf aber nicht vergessen, daß diese Herren nicht über all die Punkte beraten haben, die hier zur Beratung stehen. Würde dieser Punkt ihnen zur Beratung vorgelegt worden sein, und würden sie darüber beraten haben, so bin ich keineswegs sicher, welche Stellung sie im einzelnen eingenommen hätten.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104106400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0104106500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich gegenüber den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers auf zwei Feststellungen beschränken. Erstens: Mit den Absichten dieser Regierung und der Mehrheit dieses Bundestages hat der deutsche Name nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD.)

Der deutsche Name wird anderswo repräsentiert.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe rechts: Wo denn? Das ist eine Frechheit! — Unerhört! — Das ist die Mehrheit des Deutschen Bundestags!)

— Ich habe heute schon einmal an anderer Stelle Gelegenheit . gehabt, die Abgeordneten davor zu warnen, die Mehrheit dieses Bundestags mit dem Bundestag gleichzusetzen.

(Zuruf rechts: Aber auch nicht die Minderheit!)

Das, was Sie tun und was die Regierung tut, haben Sie zu verantworten, und nicht der deutsche Name.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf rechts: Die Mehrheit des deutschen Volkes!)

Zweitens: Was die Herren Landesfinanzminister anlangt, so ist mir nicht bekannt, daß die Landesfinanzminister im verfassungsmäßigen Gang der
1408 Deutscher Bundestag - 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Seuffert)

Gesetzgebung irgendeine Instanz bilden, allenfalls der Bundesrat. Dem Herrn Bundesfinanzminister ist es genau so gut bekannt wie uns, daß die Stellungnahme des Bundesrats zu dieser Vorlage einstweilen eine außerordentlich vorläufige und zurückhaltende war. Ich werde noch an anderer Stelle auf den Zusammenhang mit diesen Länderfinanzen zurückkommen. Es erweckt aber Befremden, eine derartige Bemerkung gerade bei der Besprechung über einen Punkt zu hören, der die unmittelbare Folge davon ist, daß das Bundesfinanzministerium einen einstimmigen Beschluß dieses Bundestags im Dezember dieses Jahres nicht durchführen konnte,

(Zustimmung links. — Schlußrufe bei den Regierungsparteien. — Glocke des Präsidenten)

wobei die Finanzminister festgestellt haben, daß der Grund, warum der Beschluß nicht durchgeführt wurde, der war, daß ihnen ein entsprechender formeller Antrag des Bundesfinanzministeriums nicht rechtzeitig vorlag.

(Hört! Hört! bei der SPD.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104106600
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Erklärung! — Ich glaube, Herr Abgeordneter Seuffert, Sie haben gesagt, die Mehrheit dieses Hauses habe mit dem deutschen Namen nichts zu tun. Ist das richtig?

(Zurufe von der SPD: Nein, diese Regierung! — Weiterer Zuruf von der SPD: Und die Mehrheit dieses Hauses! — Große Unruhe.)

— Ich bitte um Ruhe! Ich bin eben im Begriff, mir das Stenogramm kommen zu lassen, weil ich diese Angelegenheit erst korrigieren will, ehe wir in der Debatte fortfahren; denn in dieser Atmosphäre können wir sachlich nicht weiter verhandeln.

(Zurufe von der SPD: Fragen Sie den Finanzminister!)

— Ich setze die Beratung nicht eher fort, als bis ich aus dem Stenogramm den Wortlaut dieser Bemerkung habe.

(Anhaltende große Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, bitte, wir können das doch leidenschaftslos erledigen! Ich werde aber meine Entscheidung erst dann treffen, wenn ich den tatsächlichen Wortlaut vor mir habe.

(Lebhafte Zurufe links und in der Mitte.)

Bitte, Herr Abgeordneter Dr. von Brentano! Zur Geschäftsordnung oder zur Sache?

(Abg. Dr. von Brentano: Zur Sache! — Abg. Dr. Schumacher: Weiter verhandeln!) -- Also zur Geschäftsordnung und zur Sache!


Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0104106700
Meine Damen und Herren! Es kommt mir nicht auf die Lektüre des stenographischen Protokolls an.

(Hört! Hört! links.)

Das, was Herr Kollege Seuffert gesagt hat, war sehr unmißverständlich.

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

Er hat hier festgestellt, daß die Mehrheit dieses Hauses nicht das Recht habe, für das deutsche Volk zu sprechen.

(Lebhafte Zurufe von der SPD: Das ist nicht wahr! — Gegenrufe in der Mitte und rechts. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, welche Vorstellungen der Herr Abgeordnete Seuffert von Demokratie hat.

(Lebhafter Beifall in der Mitte und rechts.) Aber ich erkläre eines: eine solche Äußerung ist eine grobe Ungehörigkeit, die ich schärfstens zurückweisen muß.


(Lebhaftes Händeklatschen in der Mitte und rechts.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104106800
Bitte, Herr Abgeordneter Seuffert!

(Anhaltende Unruhe. Abg. Renner: Stenogramm!)

— Ich warte das Stenogramm ab, ehe ich meine Entscheidung treffe.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0104106900
Meine Damen und Herren, ich möchte folgendes feststellen: Der Herr Bundesfinanzminister hat Ausführungen gemacht, die darauf hinausliefen, daß die Angriffe gegen die Regierungsvorlage eine Schädigung des deutschen Namens bedeuteten.

(Lebhafte Zustimmung links.)

Ich habe demgegenüber festgestellt, daß die Absichten der Regierung und ihrer Mehrheit, die von der Opposition bestritten werden,

(lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien)

mit dem deutschen — —

(Erneuter lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien. — Zuruf: Falsch! Der Mehrheit dieses Hauses!)

Ich habe festgestellt, daß die Absichten der Regierung — —{Anhaltende Unruhe und Zurufe in der
Mitte und rechts. — Abg. Renner: Protokoll! Erst das Stenogramm! —
Glocke des Präsidenten.)

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104107000
Herr Abgeordneter Seuffert, Sie sehen, es ist nicht zu machen. Aber ich glaube, es müßte doch soviel Ruhe zu bewahren sein.

(Andauernde Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, ich unterbreche sonst einfach die Sitzung. Ich werde nicht eher eine Entscheidung treffen, als bis ich das Protokoll vor mir habe. Das ist meine Angelegenheit.

(Weitere Zurufe.)

— Das Protokoll wird mir sofort vorgelegt.

(Zuruf in der Mitte: Unterbrechen Sie doch die Sitzung auf 10 Minuten! — Anhaltende Unruhe.)

— Ich unterbreche zunächst die Sitzung für 5 Minuten, bis ich das Protokoll habe.

(Unterbrechung der Sitzung: 17 Uhr 32 Minuten.)

Die Sitzung wird um 17 Uhr 54 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104107100
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich entnehme dem Stenogramm folgendes. Nachdem ich Herrn Abgeordneten Seuffert das Wort erteilt hatte, begann er wie folgt zu sprechen:
Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1409

(Präsident Dr. Köhler)

Ich möchte mich gegenüber den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers auf zwei Feststellungen beschränken. Erstens: Mit den Absichten dieser Regierung und der Mehrheit dieses Bundestages hat der deutsche Name nichts zu tun.

(Hört! Hört! und Unruhe in der Mitte.)

— Ich bitte, das jetzt einmal ruhig anzuhören! — Der deutsche Name wird anderswo repräsentiert.
Meine Damen und Herren! Diese Erklärungen scheinen mir von so großer Tragweite zu sein, daß ich im Augenblick keine Entscheidung treffen möchte, sondern von dem mir zustehenden Recht Gebrauch mache, mir die Meinungen des Ältestenrates anzuhören. Danach werde ich meine Entscheidung treffen.
Ich unterbreche infolgedessen die Sitzung und berufe den Ältestenrat zu einer Sitzung zusammen.

(Große Unruhe und Pultdeckelklappen.)


(Unterbrechung der Sitzung: 17 Uhr 55 Minuten.)

Die Sitzung wird um 19 Uhr 8 Minuten wieder aufgenommen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104107200
Meine Dainen und Herren! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich verlese noch einmal die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Seuffert:
Ich möchte mich gegenüber den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers auf zwei Feststellungen beschränken.
Erstens: Mit den Absichten dieser Regierung und der Mehrheit dieses Bundestages hat der deutsche Name nichts zu tun. Der deutsche Name wird anderswo repräsentiert. Ich habe heute schon einmal an anderer Stelle Gelegenheit gehabt, die Abgeordneten davor zu warnen, die Mehrheit dieses Bundestages mit dem Bundestag gleichzusetzen. Das, was Sie tun und was die Regierung tut, haben Sie zu verantworten und nicht der deutsche Name.
Ich frage Sie, Herr Abgeordneter Seuffert, ob
Sie dazu eine Erklärung abzugeben haben.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0104107300
Herr Präsident, ich bin bereit, eine Erklärung abzugeben, wenn der Herr Bundesfinanzminister seinerseits eine Erklärung zu seinen Äußerungen abgegeben hat.

(Zuruf von der FDP: Hat er gar nicht nötig! — Zurufe in der Mitte: Unerhört! — Große Unruhe in der Mitte und rechts. — Händeklatschen bei der SPD.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104107400
Meine Damen und Herren, wir haben es hier lediglich mit den Erklärungen des Herrn Abgeordneten Seuffert zu tun.

(Lebhafter Widerspruch links.)

Indem Herr Abgeordneter Seuffert soeben erklärt hat, daß er nur dann bereit ist, seine Erklärung abzugeben, wenn der Herr Bundesfinanzminister eine Erklärung abgibt, hat er eine Bedingung gestellt, deren Berechtigung ich im vorliegenden Falle angesichts der schwerwiegenden Beleidigungen,

(Lachen links)

die mit den zuerst vorgelesenen Ausführungen
verbunden sind, nicht anerkennen kann. Ich entscheide daher angesichts der Schwere der Beleidigung, die ausgesprochen worden ist, dahingehend, Herr Abgeordneter Seuffert, daß ich Sie für den Rest der heutigen Sitzung ausschließe.

(Bravo! in der Mitte und rechts.)

— Ich bitte Sie, den Saal zu verlassen.

(Lärm links. — Die Abgeordneten der SPD und der KPD verlassen den Saal. — Zuruf links: Das ist Terror!)

Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir in der Beratung der Vorlage fortfahren.

(Zuruf.)

— Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104107500
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat dem Sinne nach erklärt, daß Kritik an seiner Regierungsvorlage das Ausland begünstige.

(Lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104107600
Herr Abgeordneter Dr. Bertram, darf ich Sie auf folgendes aufmerksam machen. Mit der von mir getroffenen Entscheidung ist diese Angelegenheit erledigt, und ich bin nicht mehr in der Lage, zu dieser Frage das Wort zur Geschäftsordnung zu erteilen.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104107700
Die fragliche Äußerung des Herrn Finanzministers — —

(Erneute lebhafte Zurufe von den Regierungsparteien. — Unruhe. —4 Glocke des Präsidenten.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104107800
Ich bedaure, Herr Abgeordneter Bertram, meine Entscheidung ist gefallen, und damit ist dieser Fall im Sinne der Geschäftsordnung erledigt. Ich bin infolgedessen nicht mehr in der Lage, weiterhin das Wort zur Geschäftsordnung zu erteilen.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104107900
Ich beantrage Unterbrechung der Sitzung!

(Anhaltende Zurufe links.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104108000
Verzeihung! Ich gehe gar nicht mehr darauf ein; ich habe mich deutlich genug geäußert!

(Erneute Zurufe links.)

Dann möge der Herr Abgeordnete Dr. Bertram einen sachlichen Antrag stellen.

(Zuruf: Er hat den Antrag auf Unterbrechung der Sitzung gestellt! — Abg. Dr. Bertram: Jawohl, ich habe einen Antrag auf Unterbrechung der Sitzung gestellt!)

— D'as ist etwas anderes. Ein Antrag auf Unterbrechung der Sitzung ist ein Antrag zur Geschäftsordnung.

(Zuruf rechts: Den können wir doch nicht einfach hinnehmen! — Abg. Dr. von Brentano: Abstimmen! — Zuruf: Er hat ihn schon hier vorn gestellt, über den Antrag muß abgestimmt werden! — Abg. Dr. Bertram: Ich habe den Antrag auf Unterbrechung der Sitzung gestellt und wollte diesen Antrag begründen!)

1410 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Präsident Dr. Köhler)

— Das ist etwas anderes, dazu gebe ich Ihnen das Wort zur Geschäftsordnung; aber nur zur Begründung des Antrags auf Unterbrechung der Sitzung!

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104108100
Meine Damen und Herren! Wenn ich diesen Antrag auf Unterbrechung der Sitzung gestellt habe, so deshalb, weil wir die ernste Sorge haben, daß wir eine berechtigte Kritik an den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes nicht in Freiheit und Unbefangenheit üben können, wenn man uns sagt: ihr kommt dann dem Ausland gegenüber irgendwie in eine falsche Situation hinein:

(Widerspruch bei den Regierungsparteien. — Zuruf: Das ist nicht gesagt worden!)

— Entschuldigen Sie bitte! Eine Kritik muß völlig frei und unbefangen in diesem Hause möglich sein. Das ist der Grund, warum ich beantragt habe, die Sitzung zu unterbrechen, bis der Herr Finanzminister seine Äußerungen uns gegenüber hier in dem Sinne erklärt, wie offenbar die Mehrheit des Hauses, abweichend von mir, sie verstanden hat. Sie werden verstehen, daß, wenn wir die Äußerungen so verstanden haben, wir unter einem solchen Druck hier keine Kritik üben können und uns deshalb auch eine wirklich demokratische Zusammenarbeit nicht möglich erscheint.

(Zurufe.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104108200
Meine Damen und Herren! Die Sitzung wird lediglich durch eine Entscheidung des Präsidenten unterbrochen. Ich entscheide, daß die Sitzung nicht unterbrochen wird.
Wir fahren in der Beratung fort. Meine Damen und Herren, wir waren bei Ziffer 3.

(Zurufe. -Die Abgeordneten des Zentrums und der WAV verlassen den Saal. — Große Unruhe.)

— Meine Damen und Herren, bewahren Sie jetzt die Ruhe.
Wir fahren in der Verhandlung fort. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über — —

(Abg. Mellies: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung hat das Wort der Herr Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0104108300
Meine Damen und Herren, ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses. (Lachen in der Mitte.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104108400
Dann werden wir die Beschlußfähigkeit des Hauses feststellen. Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Ich lasse jetzt auszählen. Ich bitte die beiden Schriftführer und die weiteren vorhandenen Schriftführer, sich bei dieser Auszählung zu beteiligen und sich die Blöcke einzuteilen.

(Zurufe in der Mitte: Der Antragsteller ist doch nicht mehr da!)

— Die Beschlußfähigkeit ist aber bezweifelt worden.

(Weiterer Zuruf in der Mitte: Der Antragsteller ist nicht mehr im Hause!)

— Der Antragsteller befindet sich hier im Saal.

(Abg. Hilbert: Zählt ihn aber jetzt mit! — Weitere Zurufe in der Mitte: Der Antragsteller ist nicht mehr im Hause!)

— Einen Moment! — Der Antragsteller ist im Saal.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Auszählung ist: 192. Damit ist die Beschlußunfähigkeit festgestellt. Ich breche die Sitzung ab und berufe in einer halben Stunde eine weitere Sitzung ein.

(Zurufe in der Mitte: In 10 Minuten!)

— Es ist jetzt 19 Uhr 20 Minuten. 19 Uhr 30 Minuten bitte die nächste Sitzung!

(Schluß der Sitzung: 19 Uhr 20 Minuten.)

42. Sitzung
Die Sitzung wird um 19 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104108500
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 42. Sitzung. Wir fahren in der Beratung der Punkte 2 bis 5 der Tagesordnung der vorhin abgebrochenen Sitzung fort:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen Nr. 566 und 317),
Beratung des Antrags der Abgeordneten Volkholz, von Aretin, Dr. Solleder, Kahn, Aumer und Genossen betreffend Säumniszuschlag auf Bundessteuern (Drucksache Nr. 539),
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Stundungsvorschriften für Steuern (Drucksache Nr. 540),
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Hilbert, Strauß, Bauereisen, Struve, Nickl, Funk, Fuchs, Stücklen und Genossen betreffend Steuerliche Behandlung der Landwirtschaft (Drucksache Nr. 544).
Meine Damen und Herren! Wir sind stehengeblieben bei dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes. Wir haben zunächst abzustimmen

(Abg. Mellies: Zur Abstimmung!)

über den Abänderungsantrag der KPD Drucksache Nr. 616 Ziffer 1: In Artikel I erhält § 3 Ziffer 4 folgende Fassung: — —

(Abg. Mellies: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung? Ich bin bereits mitten in der Abstimmung. Ich bedaure, jetzt nicht das Wort erteilen zu können; es ist völlig unmöglich, Herr Abgeordneter Mellies.

(Abg. Mellies: Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses! — Glocke des Präsidenten.)

— Ich bin bereits in der Abstimmung.

(Abg. Mellies: Das ist ein völlig geschäftsordnungswidriges Verhalten, das Sie an den Tag legen!)

— Ich weise diesen Vorwurf entschieden zurück, und wenn Sie ihn noch einmal wiederholen, werde ich zu weiteren Maßnahmen schreiten.

(Abg. Mellies: Sie können mich dann höchstens ein zweites Mal zur Ordnung rufen!)

— Das geschieht hiermit zum erstenmal. Meine Damen und Herren! Wer gegen den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 1 ist,
Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950 1411

(Präsident Dr. Köhler)

den bitte ich, die Hand zu erheben. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen damit zu dem weiteren Abänderungsantrag

(Abg. Mellies: Zur Abstimmung!) der SPD.


(Abg. Mellies: Zur Abstimmung!)

— Ich bin mitten in der Abstimmung. (Widerspruch bei den Regierungsparteien.)

— Also schön, dann äußern Sie sich jetzt zur Abstimmung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0104108600
Meine Damen und Herren! Ich bezweifle wieder die Beschlußfähigkeit des Hauses. (Zuruf rechts: Aber hierbleiben!)

— Das tue ich auch.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104108700
Meine Damen und Herren! Dann werde ich nunmehr nach der Geschäftsordnung durch Abgabe namentlicher Zettel die Beschlußfähigkeit des Hauses feststellen. Ich bitte, die weißen Zettel, die in den Pulten liegen, mit dem Namen zu beschreiben, und die Herren Schriftführer werden diese Zettel einsammeln.
Meine Damen und Herren! Wir können der Vereinfachung halber den gedruckten Zettel nehmen, auf dem steht: „Enthalte mich." Das ist in dem Fall egal.

(Zurufe.)

— Also bitte, dann nehmen Sie einen weißen Zettel.

(Zuruf von der CDU: Nein! — Abg. Dr. Laforet: Handschriftlicher Name! — Gegenruf: Das ist doch schon erledigt!)

— Mittels weißer Namenkarten! Sie brauchen überhaupt keinen Namen daraufzuschreiben; § 99 Absatz 1 letzter Satz.
Die Herren Schriftführer werden gebeten, die Karten einzusammeln.

(Geschieht.)

Ich mache darauf aufmerksam, daß wir uns in der Abstimmung über die Feststellung der Beschlußfähigkeit befinden und infolgedessen jeder im Saale Anwesende verpflichtet ist, die nach der Geschäftsordnung vorgeschriebene weiße Namenskarte abzugeben.

(Pause.)

Meine Damen und Herren! Ich habe das Ergebnis der Auszählung dahin festzustellen, daß 203 Mitglieder des Hauses anwesend sind.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.) Damit ist die Beschlußfähigkeit des Hauses festgestellt.


(Abg. Arnholz: Wo kommen die denn her? 201 sind nur eingetragen! — Gegenrufe bei den Regierungsparteien. — Große Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Meine Damen und Herren, wir fahren in den Verhandlungen fort.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 602 Ziffer 1, in § 3 der Ziffer 3 des Artikel I eine neue Ziffer 14 einzufügen. Haben alle Damen und Herren die Unterlage? Es betrifft die Weihnachtsgratifikation.

(Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Es ist eine solche Unruhe im Hause, daß man nichts verstehen kann!)

- Meine Damen und Herren, wir wollen doch nun in der gesetzgeberischen Arbeit fortfahren. Ich wiederhole: es handelt sich um den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 602 Ziffer 1, eine neue Ziffer 14 in § 3 einzufügen. Es betrifft die Weihnachtsgratifikation. Des leichteren Verständnisses wegen werde ich jeweils für die einzelnen Anträge Stichworte sagen.
Wer für diesen Abänderungsantrag ist,

(Abg. Arnholz: Zur Abstimmung!)

den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bedaure, Herr Abgeordneter, ich bin mitten in der Abstimmung.

(Unruhe und Zurufe.)

— Verzeihung, wer gegen den Antrag ist, ---- —

(Abg. Dr. Besold: Herr Präsident, ich habe mich ja schon vorher zu dieser Sache zum Wort gemeldet!)

— Sie wollen in der Einzelberatung zu diesem Antrag sprechen! Bitte, dann eröffne ich die Einzelbesprechung über diesen Antrag und erteile Herrn Abgeordneten Dr. Besold das Wort.

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0104108800
Namens der Fraktion der Bayernpartei habe ich folgende Erklärung abzugeben. Die Fraktion der Bayernpartei hat sich bereits vor Weihnachten für die Festlegung der Weihnachtsgratifikation entschieden; sie hat keinen Anlaß, diese ihre Entscheidung heute zu ändern.

(Beifall bei der BP. — Abg. Arnholz: Zur Abstimmung!)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104108900
Wird weiter das Wort gewünscht?

(Abg. Arnholz: Zur Abstimmung!)

— Sie wünschen ja das Wort zu einer geschäftsordnungsmäßigen Bemerkung! Ich frage zunächst, ob zu dem vorliegenden Abänderungsantrag das Wort weiter gewünscht wird.

(Abg. Dr. Miessner: Jawohl! — Zuruf des Abg. Arnholz.)

— Ich erteile Ihnen nachher das Wort, geschäftsordnungsmäßig.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Miessner!

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0104109000
Die Deutsche Reichspartei unterstützt den Antrag der SPD auf Freistellung von 300 Mark Weihnachtsgratifikation. Wir haben auch vor Weihnachten für diesen Antrag gestimmt. Ich kann Ihnen aus meiner beruflichen Praxis sagen, daß die finanzmäßigen Auswirkungen dieser Bestimmung nicht überwältigend groß sind.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104109100
Wird weiter das Wort zur Sache, zu den Abänderungsanträgen gewünscht?
— Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Dann erteile ich vorher das Wort Herrn Abgeordneten Arnholz zur Abstimmung.

Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0104109200
Meine Damen und Herren! Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.

(Lachen in der Mitte und rechts.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0104109300
Meine Damen und Herren! Nach § 99 der Geschäftsordnung stelle ich nunmehr fest, daß der Vorstand hier oben einmütig der Auffassung ist, daß das Haus beschlußfähig ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

1412 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Präsident Dr. Köhler 0 Wir schreiten nunmehr zur Abstimmung. Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 602 Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Der Antrag ist mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt. — Einen Moment! Wir kommen nunmehr zu dem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 2. Ich eröffne darüber die Einzelbesprechung. Wird das Wort dazu gewünscht? (Abg. Dr. Reismann: Ich bitte ums Wort zur Geschäftsordnung!)


(Zuruf von der FDP: Wundervoll!)


(Abg. Dr. Reismann: Zur Geschäftsordnung!)

— Verzeihung, ich erteile jetzt nur das Wort zur Sachbesprechung im Sinne der Geschäftsordnung. nämlich zu dem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 2, und stelle in diesem Zusammenhang fest, daß wir uns auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Renner beziehen können, die er bereits vorhin gemacht hat, so daß insoweit seitens der Abänderungsantragsteller das Wort nicht mehr gewünscht wird. Wird das Wort zur Sache gewünscht? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.
Dann kommen wir zur Abstimmung.

(Abg. Arnholz: Zur Geschäftsordnung!)

-- Ich erteile jetzt nicht das Wort zur Geschäftsordnung;

(Abg. Arnholz: Dann zur Abstimmung!)

das liegt in meinem Ermessen. Bitte, lesen Sie die Geschäftsordnung nach.
Wer für diesen Antrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —Es erhebt sich keine Hand. — Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Wir kommen nach Ablehnung der bisherigen Abänderungsanträge nunmehr zur Abstimmung über die Ziffer 3 des Artikel I in der Vorlage der Drucksache Nr. 566. Wer für Ziffer 3 in der Fassung des Ausschußantrages ist, den bitte ich, ,die Hand. zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke. Damit ist Ziffer 3 angenommen.
Nach der erfolgten Abstimmung erteile ich nunmehr Herrn Abgeordneten Dr. Reismann das Wort zur Geschäftsordnung. — Ich bitte die Pförtner, die Türen da hinten zu schließen. Offene Türen während der Verhandlung gibt es nicht!

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0104109400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns mitgeteilt worden, daß der Herr Finanzminister bereit ist, eine Erklärung abzugeben, die den beanstandeten Teil seiner Rede betrifft und Veranlassung geben könnte, die Dinge in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Ich bitte deswegen den Herrn Finanzminister, hierzu das Wort zu nehmen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104109500
Nein, das Wort erteile ich! — Der Herr Finanzminister hat ums Wort gebeten? Wünscht er das Wort?

(Zustimmung.)

— Herr Finanzminister, bitte, ich erteile Ihnen das Wort! — Das war wohl eine Verwechslung der Funktionen.

(Heiterkeit.)


Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0104109600
Meine Damen und Herren! Von einem Freund in diesem Hause wurde mir mitgeteilt, daß über den Inhalt, Sinn und Zweck der Erklärung, die ich heute vormittag abgegeben habe, Zweifel bestünden. Herr Dr. Bertram hat in seiner Rede davon gesprochen, daß er sich sozusagen unter Druck fühle, als ob ich geäußert hätte, jede Kritik an dem Gesetzgebungswerk schade dem deutschen Namen. Ich habe das nicht erklärt und habe es nicht erklären wollen. Ich habe ausdrücklich nur davon gesprochen ich lese den Wortlaut vor —, daß ich mich dagegen wehre. Ich, und ich glaube, sämtliche Herren Länderfinanzminister, die dem Entwurf zugestimmt und ihn eingebracht haben, werden sich gegen den Vorwurf wenden wollen, als ob die Länderfinanzminister und der Bundesfinanzminister leichtfertig 900 Millionen D-Mark Steuereinnahmen aufs Spiel setzen und dadurch vor dem Ausland den Eindruck erwecken, als ob das deutsche Volk sich seinen Verpflichtungen entziehen wolle.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Darauf hat es sich bezogen, und ich habe dann erklärt:
Das ist nicht nur meine, sondern sämtlicher Länderfinanzminister Ansicht. Wenn Angriffe gegen mich erhoben werden, dann müssen sie auch gegen die Länderfinanzminister sämtlicher Parteien erhoben werden. Aber ich wehre mich dagegen, weil es den deutschen Namen im Ausland gefährdet. Wir haben nicht die Absicht, Steuergesetze zu schaffen, die die deutsche Steuerkraft gefährden, mindern, um uns damit etwa Verpflichtungen zu entziehen.
Ich will ausdrücklich feststellen, daß ich selbstverständlich Recht und Pflicht jedes Abgeordneten dieses Hauses, eine Kritik an den einzelnen Artikeln des Gesetzes zu üben, weder beschneiden wollte noch mit dieser Redewendung überhaupt getroffen habe.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104109700
Meine Damen und Herren! Wir fahren dann in der Abstimmung fort. Wird noch einmal das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Koch.

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0104109800
Meine Damen und Herren! Ich habe zu meinem Bedauern die Niederschrift meiner Ausführungen nicht zur Hand. Ich bitte, doch feststellen zu lassen — zumal die Ausführungen des Herrn Finanzministers vorhin, die diesen bedauerlichen Zwischenfall hervorgerufen haben, sich auch auf meine Ausführungen bezogen —,

(Widerspruch bei den Regierungsparteien)

ob einer von uns von einem „leichtfertigen Verschenken" gesprochen hat. Ich habe, Herr Finanzminister — oder Herr Abgeordneter, darf ich jetzt vielleicht sagen —, von einem Ausfall an Steuern in einer Höhe von 900 Millionen DMark gesprochen, den die Regierungsvorlage mit sich bringt. Das wird auch der Herr Finanzminister nicht bestreiten. Die Regierung gibt doch zu, daß dieser Ausfall entsteht. Es ist keine Rede davon gewesen, wie dieser Ausfall wieder eingebracht werden soll.

(Zuruf in der Mitte: Doch!)

Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1413

(Dr. Koch)

Ich habe damit den Ausfall verglichen, der durch unseren Antrag betreffend Weihnachtszuwendungen entstehen könnte.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104109900
D irf ich Sie unterbrechen! Das ist keine Bemerkung zur Geschäftsordnung!

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0104110000
Ich glaube, es dient zur Klärung. Das ist eine Erklärung zu der Erklärung des Herrn Finanzministers.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104110100
Bitte, fahren Sie fort!

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0104110200
Ich habe miteinander verglichen den Ausfall, der durch unseren Antrag über die Weihnachtszuwendtmgen . entstehen könnte, und den Ausfall, der zugegebenermaßen durch die Regierungsvorlage entsteht. Dabei ist nicht irgendwie von den Einnahmen die Rede gewesen, die durch andere Maßnahmen gegebenenfalls entstehen könnten. Ich glaube also, daß die Erklärung des Herrn Finanzministers nicht ganz den Nagel auf den Kopf trifft. Denn von „Verschenken" und von „leichtfertig" ist keine Rede gewesen.

(Zurufe von den Regierungsparteien: Doch!) — Nein! Ich bitte, das doch festzustellen.


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104110300
Nein! Ich glaube, ich habe keine Veranlassung mehr, etwas festzustellen. Denn bei aller Loyalität, Herr Abgeordneter Dr. Koch, das war eine Bemerkung, die über den Rahmen einer geschäftsmäßigen Bemerkung hinausging, die höchstens als eine persönliche Bemerkung hätte gewertet werden können und zu der nach der Geschäftsordnung erst nach Schluß der Beratung das Wort hätte gegeben werden können.
Wir fahren in der Einzelbesprechung bzw. in der Abstimmung fort. Zu Ziffer 4 in der Fassung der Drucksache Nr. 566 liegt kein Abänderungsantrag vor.
Wer für Ziffer 4 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ziffer 4 ist mit zweifelsfreier Mehrheit angenommen.
Zu Artikel I Ziffer 5 liegt ein Abänderungsantrag des Zentrums auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 1 vor, wonach in § 7 b Absatz 1 die Worte „je 10 v. H" gestrichen und an ihre Stelle die Worte „je 25 v.11." gesetzt werden sollen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104110400
Meine Damen und Herren! Die Abschreibungsmöglichkeit, die § 7-b für Eigenbauten mit 10 Prozent bringt, ist meiner Ansicht nach nicht ausreichend. Das Baukostenniveau ist so außerordentlich gestiegen, daß die Möglichkeit, bei Eigenbauten 10 Prozent in dem ersten Jahr und 10 Prozent in dem zweiten Jahr abzuschreiben, einen Restwert des Gebäudes ergibt, der wesentlich über dem Wert eines gleichen Gebäudes liegt, das bei normalen Kosten errichtet worden wäre. Unser Bestreben muß doch sein, mit allen Mitteln die Bautätigkeit zu fördern, insbesondere da zu fördern, wo Vater Staat nicht zu helfen und nicht einzugreifen braucht. Das ist gerade bei diesen Eigenbauten in weitem Maße der Fall. Ich bin deshalb der Ansicht, daß, wenn wir im ersten und zweiten Jahr je 25 Prozent Abschreibung zulassen würden, das eine erhebliche Vergünstigung für den Eigenbau sein und damit die gesamte Bautätigkeit beim Eigenwohnungsbau erheblich gefördert würde. Ich würde deshalb bitten, daß wir den Satz von 10 auf 25 Prozent im ersten und auf 25 Prozent im zweiten Jahr, also insgesamt auf 50 Prozent erhöhen. Ich glaube vor allem, daß die Ausfälle an Steuern nur vorübergehend sind. Denn es wird in Zukunft wohl eine gewisse Verlegung der Steuerpflicht herbeigeführt. Es wird aber kein effektiver Steuerausfall, auf die Dauer gesehen, eintreten.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104110500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.

Dr. Hermann Höpker-Aschoff (FDP):
Rede ID: ID0104110600
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Bertram hat vorhin gemeint, wir seien hier für uns und sollten nicht allzuviel Rücksicht auf den Bundesrat nehmen. Das ist an sich ein sehr stolzes Wort. Aber nach unserem Grundgesetz bedarf nun einmal das Gesetz, das wir im Augenblick beraten, auch der Zustimmung des Bundesrats. Wir haben aus diesem Grunde auch von seiten des Finanz- und Steuerausschusses zweimal gemeinsame Beratungen mit dem Bundesrat gepflogen und haben in gegenseitigem Geben und Nehmen eine Verständigung über alle strittigen Punkte erzielt. Ich warne daher davor, und tue das nicht nur im Hinblick auf diesen Antrag, sondern auf die Fülle von Abänderungsanträgen, die vorliegen, an sich Anträge, die auch uns wünschenswert erscheinen, hier Antrag auf Antrag anzunehmen und die mühsam hergestellte Verständigung zwischen Bundesrat und Bundestag aufs Spiel zu setzen und damit die Verabschiedung des ganzen Gesetzes überhaupt, dessen wirtschaftliche Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, zu gefährden.

(Lebhafte Zustimmung bei der FDP.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104110700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.

(Abg. Neuburger: Erledigt!)

— Die Sache ist erledigt.
Liegen weitere Wortmeldungen vor? — Dann schließe ich die Aussprache über den Abänderungsantrag des Zentrums auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 1.
Wir stimmen über diesen Antrag nunmehr ab. Wer für diesen Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 1 ist, bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit zweifelsfreier Mehrheit abgelehnt.
Dann bitte ich nunmehr die Damen und Herren, die für Artikel I Ziffer 5 in der Ausschußfassung auf Drucksache Nr. 566 sind, die Hand zu erheben.

(Abg. Mertins: Ich bitte ums Wort zur Abstimmung!)

--- Ich bin bereits in der Abstimmung.

(Abg. Mertins: Sie waren noch nicht in der Abstimmung!)

Ich stelle fest, daß die Ziffer 5 mit einwandfreier Mehrheit angenommen worden ist.
Wir kommen nunmehr zu Artikel I Ziffer 6.

(Abg. Mertins: Ich bitte ums Wort!)

— Zur Sache?

(Abg. Mertins: Zur Abstimmung!)

1414 Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950

(Präsident Dr, Köhler)

— Nein, ich bin noch in der Abstimmung. Ich frage, ob jemand aus dem Haus zur Sache das Wort haben will. — Das ist nicht der Fall.

(Erneuter Zuruf des Abg. Mertins.)

— Ob ich das Wort zur Geschäftsordnung erteile, liegt in meinem Ermessen.

(Abg. Mertins: Ich bitte nochmals ums Wort zur Abstimmung!)

-- Also bitte zur Abstimmung!

Arthur Mertins (SPD):
Rede ID: ID0104110800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.

(Große Heiterkeit.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104110900
Meine Damen und Herren!
Ich stelle erneut fest, daß der Vorstund einmütig
der Auffassung ist, daß das Haus beschlußfähig ist.

(Abg. Mertins: Das ist Demokratie! — Gegenruf rechts: Ist das Ihre Demokratie? — Zuruf von der FDP: Das ist eine fortgesetzte Störung der Ordnung des Hauses!)

— Bei Wiederholung derartiger Fälle werde ich demgemäß einschreiten. — Wer für Ziffer 6 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. -- Fast einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 7. Wer für Ziffer 7 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. .--- Einstimmig angenommen.
Zu Ziffer 8 liegt ein Abänderungsantrag des Zentrums auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 2 vor. Wünscht der Herr Antragsteller das Wort dazu? -- Bitte schön, Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104111000
Meine Damen und Herren! Die Erwägungen, die ich eben zum § 7 b ausführte, treffen auch für den jetzt zur Debatte stehenden § 7 e zu. Dort sind bestimmte Lagerhäuser steuerlich begünstigt, und zwar Lagerhäuser, in denen Waren gelagert werden, die zum Absatz an Wiederverkäufer bestimmt sind oder in denen Waren für fremde Rechnung gelagert werden. Ich finde, diese Einschränkung heute noch aufrechtzuerhalten, hat keinen Sinn. Es werden alle diejenigen Geschäftsleute in den Städten, die Geschäftsbauten errichten wollen, nicht in die Lage versetzt, von diesen relativ doch bescheidenen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten, wie sie § 7 e bietet, Gebrauch zu machen. Ich sehe nicht ein, warum man nur einen solch bescheidenen Kreis in § 7 e begünstigen und nicht die Bautätigkeit allgemein anregen soll, indem man auch die Gebäude mit begünstigt, die zum Absatz an Endverbraucher bestimmt sind.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104111100
Bitte, Herr Abgeordneter Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104111200
Wir haben uns auch über diese Gedankengänge im Ausschuß eingehend unterhalten

(Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Sehr richtig!)

und sind zu dem Ergebnis gekommen, die Formulierung so aufzunehmen, wie wir sie jetzt haben, und zwar aus folgendem. Grunde. Es geht nicht darum, jedes Bauen, also auch das sogenannte wilde Bauen steuerlich zu unterstützen und dadurch unter Umständen auch die Preise noch hochzutreiben. Aus dem gleichen Grunde haben wir auch zu § 7 b davon abgesehen, die Abschreibungsquote über die zweimal 10 Prozent jährlich hinaus zu erhöhen, um eben nicht ein wildes und unvernünftiges Bauen steuerlich zu begünstigen und dadurch die Baupreise noch in die Höhe zu treiben. Aus den gleichen Gründen haben wir hier gesagt: Lagerhäuser ja, aber nur dort, wo sie für unsere Volkswirtschaft wirklich lebensnotwendig sind.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104111300
Wird welter zu diesem Abänderungsantrag das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 608 Ziffer 2.
Es liegt ein weiterer Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 616 von der KPD unter Ziffer 3 vor. Da die Herren Antragsteller nicht anwesend sind, erübrigt sich eine Aussprache darüber.
Meine Damen und Herren! Wer für den Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit zweifelsfreier Mehrheit abgelehnt.
Ich frage weiter: wer für den Antrag auf Drucksache Nr. 616 Ziffer 3 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke; mit zweifelsfreier Mehrheit abgelehnt.
Dann darf ich wohl ohne Widerspruch feststellen, daß damit Ziffer 8 in der Ausschußfassung angenommen ist.
Ich darf weiter annehmen: dasselbe gilt für Ziffer 9.
Bei Artikel I Ziffer 10 liegt ein Abänderungsantrag des Zentrums auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 3 vor. Wünscht der Herr Antragsteller das Wort zur Begründung? -- Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104111400
Der Buchstabe f, der gemäß Ziffer 10 a in 10 Absatz 1 Ziffer 2 gestrichen werden soll, betrifft die Möglichkeiten, daß Flüchtlinge, Bombengeschädigte eine besonders hohe Sonderausgabe für die Wiederbeschaffung von Hausrat haben. Um diesen Paragraphen ist hin und her gekämpft worden. Das Finanzministerium hat sich offenbar auf Grund der technischen Schwierigkeiten der bisherigen Ziffer f veranlaßt gesehen, gewisse Pauschalbeträge im Rahmen des § 33 a in Vorschlag zu bringen. Wir sind der Ansicht, daß diese Pauschalbeträge in § 33 a zwar den Interessen der Finanzämter gerecht zu werden vermögen. Die Finanzämter haben es einfacher, sie brauchen in die Lohnsteuerkarten nur gewisse Beträge einzutragen, brauchen aber nicht im einzelnen den Nachweis der tatsächlich vorgenommenen Aufwendungen zur Wiederbeschaffung von Hausrat, Kleidung usw. zu überprüfen. Ich kann aber nur sagen:, gerade dieser relativ doch bedeutende Personenkreis, der alles verloren hat, muß, auch wenn es den Finanzämtern Schwierigkeiten bereitet, steuerlich entsprechend stark begünstigt werden. Sie alle werden die zahlreichen Eingaben gerade der Verbände dieser Geschädigten bekommen haben — auch in der Zeitung sind eingehende Artikel darüber erschienen —, die sich allgemein darüber beschweren, daß aus derartigen Finanzvereinfachungsgründen diese Bestimmung gestrichen werden soll.
Wir haben deshalb vorgeschlagen, daß die Bestimmung des Buchstaben f aufrechterhalten bleibt, vor allem auch aus dem Gesichtspunkt,
Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1415

(Dr. Bertram)

daß sich sehr viele Familien darauf eingerichtet haben. Sie haben sich ein langjähriges Investitionsprogramm vorgenommen. In dem einen Jahr wird eine Küche gekauft, im anderen Jahr etwas anderes. Dieses langjährige Investitionsprogramm fällt dann vollkommen unter den Tisch, wenn plötzlich eine solche Steuerbegünstigung, mit deren Fortdauer jeder rechnen konnte, plötzlich gestrichen wird. Ich bin deshalb der Ansicht, daß die Pauschbeträge in § 33 a ruhig bleiben, daß aber auf keinen Fall die Bestimmung des Buchstaben f gestrichen werden sollte.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104111500
Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104111600
Zur Geschäftsordnung! Ich möchte, da § 10 Buchstabe f und § 33a in engstem Zusammenhang stehen, in Vorschlag bringen, daß wir § 33a in der Behandlung vorwegnehmen und ihn zur Aussprache stellen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104111700
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest.
Zu Ziffer 18 auf Seite 19 des Ausschußberichts liegt ein Abänderungsantrag der KPD gemäß Drucksache Nr. 616 Ziffer 4 vor. Seitens der Antragsteller wird das Wort nicht gewünscht.
Ferner liegt die Drucksache Nr. 613, Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen, vor. Ich darf annehmen, daß diese Drucksache überall verteilt ist. Wünscht jemand zu dem Abänderungsantrag das Wort? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kather, zur Drucksache Nr. 613!

Dr. Linus Kather (CDU):
Rede ID: ID0104111800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Entwurf des Finanzministeriums, der diese Sätze der Pauschalierung vorsah, vorgelegt wurde, war der Widerspruch auch in diesem Hause bei der ersten Lesung allgemein. Allgemein war auch die Bestürzung in den Kreisen der Vertriebenen. Im Laufe der Beratungen des Ausschusses hat sich immer mehr die Überzeugung verdichtet, daß der Entwurf für die Vertriebenen und Bombengeschädigten mit kleinem Einkommen doch wesentliche Vergünstigungen mit sich bringt. Ich will mich hier ganz kurz fassen und nur folgendes sagen. Wir haben die Sache geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß das zutrifft. Wir sind daher auch der Meinung, daß man an dieser Pauschalierung ohne Nachweis in den hier vorgeschlagenen Grenzen nichts ändern sollte.
Darüber hinaus sind wir aber auch der Auffassung gewesen, daß man denen, die in der Lage sind, mehr Anschaffungen zu machen. doch die Möglichkeit geben sollte, über diese Pauschalierung hinaus Freibeträge in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich dabei nicht um Leute mit großem Einkommen; auch die Leute mit mittlerem Einkommen, etwa von 5000 D-Mark an, sind durchaus in der Lage, diese Grenze zu überschreiten. Wir sind der Meinung, daß der Wunsch des Finanzministeriums, in seiner Arbeit entlastet zu werden, auch bei dieser Regelung erreicht wird und daß man etwa auftretenden Mißständen sehr gut begegnen kann.
Die Fraktionen haben sich deshalb zu dem Antrag auf Drucksache Nr. 613 entschlossen. der vorsieht, daß die Pauschalierung bestehen bleibt, daß darüber hinaus aber nachgewiesene Aufwendungen bis zur doppelten Höhe in Abzug gebracht werden können. Die allgemeine Lage der Vertriebenen verlangt, daß wir darauf Rücksicht nehmen. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104111900
Wird das Wort weiter gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0104112000
Ich freue mich, daß ich mich diesem Antrag namens meiner Fraktion anschließen kann. Die FDP-Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Zwei Tage lang haben wir um diese Probleme gerungen. Um so mehr begrüßen wir es, daß nun doch zwischen uns, den Fraktionen der Regierungskoalition und der Regierung eine Übereinstimmung erzielt ist. Wir wollen hier vor aller Offentlichkeit feststellen, daß die Kriegsgeschädigten gewisse Opfer bei der Annahme des Antrags bringen müssen. Aber diese Opfer werden gebracht aus Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Allgemeinheit. Es kommt für unsere deutsche Volkswirtschaft und damit auch für alle Kriegsgeschädigten jetzt vor allem darauf an, daß dieses Gesetz so rasch wie möglich verabschiedet wird. Weiter ist notwendig, daß wir in diesem Zeitpunkt Konflikte mit dem Bundesrat vermeiden. Wir müssen uns leider klar darüber sein — das ist schon einmal ausgesprochen worden -, daß das Grundgesetz für Einkommensteuergesetze nun einmal einen übereinstimmenden Beschluß von Bundesrat und Bundestag vorschreibt. Wenn die Länderfinanzminister zu einem weiteren Entgegenkommen nicht glaubten in der Lage zu sein, so erscheint es uns nach reiflicher • Überlegung und Abwägung aller Gründe für und gegen richtig, wenigstens diesen Antrag zu stellen und auf diese Weise dafür zu sorgen, daß jedenfalls die ursprünglich in dem Ausschußantrag enthaltenen Härten ganz wesentlich vermindert werden. Wenn dieser Antrag jetzt angenommen wird, ist immerhin das eine erreicht, daß weiteste Mittelstandskreise in der Lage sind, nach Maßgabe ihrer Einkommen steuerfreie Ersatzanschaffungen zu machen. Das ist immerhin ein Ergebnis, das wir auch in der Öffentlichkeit nachdrücklich vertreten zu können glauben.
Ich möchte hier noch eine sehr ernste Frage erörtern. Wir sind in großer Sorge um das Schicksal der Betriebe unserer Heimatvertriebenen. Diese Betriebe, die ganz neu anfangen müssen, arbeiten unter sehr viel ungünstigeren Verhältnissen -als selbst ausgebombte Betriebe. Sie müssen sich ganz neue Beziehungen schaffen, sie werden in den Rohstoffzulieferungen größere Schwierigkeiten haben. Das sind alles Dinge, -die den Wirtschaftlern unter Ihnen bekannt sind. Wir möchten deshalb schon heute die Aufmerksamkeit der Regierung besonders auf diese Frage lenken. Wir können einmal mit Krediten helfen. Aber die ganze Entwicklung hat bisher gezeigt, daß wir mit Kredithilfe allein — só dankenswert sie ist — ganz zweifellos nicht auskommen. Ich glaube hier auch die Auffassung des Flüchtlingsministeriums mit zu vertreten. Wesentlich wäre, daß die Regierung noch einmal mit allem Wohlwollen prüft, ob sich Möglichkeiten ergeben, hier irgendwie steuerlich zu helfen. Angesichts der Eilbedürftigkeit der Verabschiedung der jetzigen Vorlage ist es nicht. zweckmäßig, diese Frage mit
1416 Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950

(Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

dem vorliegenden Gesetz zu verknüpfen. Wir möchten aber jedenfalls in aller Öffentlichkeit feststellen, daß dieses Hohe Haus diese Probleme als solche erkennt und daß wir uns — hoffentlich auch die Regierung — darüber klar sind, daß diese Frage mit allem Ernst raschestens noch einmal geprüft werden muß.
Ich bitte Sie auch namens der FDP-Fraktion, den Abänderungsantrag nunmehr anzunehmen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104112100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.

Ernst August Farke (DP):
Rede ID: ID0104112200
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei ist darüber befriedigt, daß mit der Regierung eine Übereinkunft getroffen ist, nach der es möglich ist, hier noch etwas Zusätzliches für die Vertriebenen zu tun. Sie wird den vorliegenden Antrag voll und ganz unterstützen.

(Beifall rechts.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104112300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (FU):
Rede ID: ID0104112400
Meine Damen und Herren! Es war doch wohl dem Gehege der Zähne entflohen, wenn ein Herr Vorredner eben sagte, die Kriegsgeschädigten müßten sich mit dem Gedanken abfinden, daß sie Opfer bringen müssen. Die Kriegsgeschädigten haben doch wohl die Opfer auf Vorrat gebracht; das kann man doch wirklich sagen. Es ist reichlich bescheiden, wenn man ihnen nur gestattet, einigermaßen erträgliche Abzüge zu machen, damit sie wieder zu etwas kommen. Alle anderen sind schließlich die ) noch einmal Davongekommenen. Deswegen bitte ich Sie, dem Antrag des Zentrums näherzutreten und zuzustimmen. Der jetzt vorliegende Antrag auf Erhöhung. des abzugsfähigen Betrages auf rund 1500 D-Mark ist nicht entfernt ausreichend.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104112500
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104112600
Es besteht gar kein Zweifel, daß bei Annahme des Ergänzungsantrages zu § 33 a diese Kreise erheblich besser gestellt sind als nach der bisherigen Regelung in § 10 Buchstabe f). Ich bitte daher, dem Antrag im Entwurf zu folgen: § 10 Buchstabe f) zu streichen und dafür § 33 a mit dem Zusatzantrag anzunehmen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104112700
Meine Damen und Herren! Wird zur Sache das Wort weiter gewünscht? — Ich bitte, Herr Abgeordneter Frommhold.

Heinz Frommhold (DRP):
Rede ID: ID0104112800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte hier eins nicht vergessen zu wollen. Wir haben gerade unter den Ostvertriebenen einen großen Teil Menschen, die seit dem Jahre 1946, das heißt seit ihrer Ankunft in Westdeutschland, bis zum heutigen Tage noch nicht die Möglichkeit gehabt haben, durch In -Arbeit-Kommen einen Pfennig Geld zu verdienen. Es wäre eine Härte gerade gegen diese Menschen, wenn man heute den Freibetrag beschränken würde, der sowieso schon karg genug bemessen ist.

(Zuruf von der Mitte: Der Freibetrag wird doch erweitert, nicht beschränkt!)

Auf der anderen Seite wollen wir hoffen, daß durch das In -Arbeit-Kommen diesen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, sich einen Teil des Verlorenen wieder zu beschaffen. In dieser Hoffnung möchten auch wir dem interfraktionellen Antrag des Kollegen Kather und. anderen zustimmen, damit der § 33 a in diesem Sinne erweitert wird.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104112900
Wird das Wort weiter zar Sache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir haben eben den Fall gehabt, daß über zwei weit auseinanderliegende Paragraphen gleichzeitig gesprochen worden ist. Wir werden also nachher bei der Abstimmung über Ziffer 18 auf die soeben gemachten Ausführungen verweisen können.
Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 608 Ziffer 3 zu Artikel I Ziffer 10 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt. Dann darf ich das Einverständnis des Hauses mit der Fassung der Ziffer 10 in der Form der Ausschußbeschlüsse feststellen.

(Zuruf: Der Zusatzantrag Kather zu § 33 a!)

— Es liegt kein weiterer Antrag vor. Auf diesen Antrag kommen wir doch erst später zurück.

(Widerspruch.)

Wir müssen der Reihenfolge nach abstimmen. Wir haben uns heute mittag darüber verständigt, das brauche ich doch nicht noch einmal zu wiederholen.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 11. Hierzu liegt der Abänderungsantrag der SPD Drucksache Nr. 602 Ziffer 2 vor. Wird namens der Antragsteller das Wort gewünscht? — Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Wird sonst das Wort dazu gewünscht? — Ich stelle fest, das ist nicht der Fall.
Es liegt ein weiterer Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 608 Ziffer 4 vor. Wird seitens der Antragsteller das Wort gewünscht? — Ich bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104113000
Meine Damen und Herren! Die Steuervergünstigungen, die der § 10 a gewährt, sind nicht für diejenigen Kreise zugänglich, die keine vollkaufmännischen Bücher führen. Schon der Steuerausschuß des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates hat sich mit dieser Frage eingehend beschäftigt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es notwendig sei, _ diese Steuervergünstigung auch den Handwerkern und kleinen Gewerbetreibenden zugute kommen zu lassen. Wir haben nun die Verordnung, die in unserem Antrag zitiert ist, über die Buchführung der Handwerker und Kleingewerbetreibenden vom 5. September 1949. Wenn wir diese Bestimmung mit einfügen, würden die Kleingewerbetreibenden ebenfalls die Möglichkeit der Steuervergünstigung haben. Man wende mir nicht ein, daß eine volle Buchführung erforderlich sei. Dar Herr Finanzminister hat heute erklärt, wir müßten doch endlich von dem System der Selbsteinschätzung zu dem System der richtigen Veranlagung zurückkommen. Darin liegt das Eingeständnis, daß zur Zeit die Steuer häufig nicht veranlagt wird, sondern daß die Erklärung der Steuerpflichtigen wegen der Überlastung der Finanzämter ohne weiteres dem Steuerbescheid zugrunde gelegt
Deutscher Bundestag 41. und 42. Sitzung. Bonn. Freitag. den 24. Februar 1950 1417

(Dr. Bertram)

wird. Wenn es tatsächlich so ist, dann ist die Frage der Buchführung für das Steueraufkommen auch von untergeordneter Bedeutung. Es liegt aber auch eine große Ungerechtigkeit darin, daß lediglich wegen dieser technischen Vorschrift, ob ein Betrieb eine volle Buchführung hat oder nur eine vereinfachte Buchführung, die außerordentlich wichtige Steuervergünstigung des § 10 a gewährt wird oder nicht. Die wirtschaftliche Gerechtigkeit verlangt, daß die Betriebe ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Größe die Vergünstigung erhalten und nicht, daß die Buchführungspflichtigen diese Vergünstigung allein in Anspruch nehmen können.
Man wende mir auch nicht ein, daß diese kleineren Betriebe ja selber eine Buchführung einrichten können. Die Buchführung kostet jeden Monat 15, 20 oder 25 D-Mark, je nachdem, was der Steuerberater dafür nimmt, und wenn auch ein Stundenbuchhalter genommen wird, es kostet auf alle Fälle etwas, und die Steuerersparnis wird sich gerade bei diesen kleineren Betrieben im Jahr vielleicht nicht über 200, 300 oder 400 D-Mark erheben, so daß praktisch die Steuerersparnis durch die Mehrkosten für die Buchführung aufgezehrt werden könnte. Wir wollen doch nicht, lediglich um hier eine formelle Richtigkeit herbeizuführen, eine materielle Ungerechtigkeit in Kauf nehmen. Ich bitte deshalb, im Interesse auch dieser Gewerbetreibenden die Erleichterung, die wir dem Paragraphen eingefügt haben, anzunehmen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104113100
Wird das Wort gewünscht? Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Wird das Wort zu dem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 602 Ziffer 2 gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.
Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 602 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für den Abänderungsantrag des Zentrums, Drucksache Nr. 608 Ziffer 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke, und bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Infolgedessen ist der Antrag abgelehnt.
Dann darf ich feststellen, daß Ziffer 11 in der Ausschußfassung angenommen ist. Dasselbe darf ich für die Ziffern 12, 13 und 14 feststellen.
Zu Ziffer 15 liegt folgendes vor: Abänderungsantrag der SPD, Drucksache Nr. 602 Ziffer 3. Von den Antragstellern wird das Wort nicht gewünscht. Wird sonst aus dem Hause das Wort zu diesem Abänderungsantrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wer für den Abänderungsantrag der SPD, Drucksache 602 Ziffer 3 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es erhebt sich keine Hand. Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Der Antrag ist abgelehnt. Ich darf annehmen, daß nunmehr Ziffer 15 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses angenommen ist.
Zu Ziffer 16 liegt ein Abänderungsantrag der SPD, Drucksache Nr. 602 Ziffer 4 vor. Von den Antragstellern wird das Wort nicht gewünscht. Wird sonst noch aus dem Hause das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer für den Antrag der SPD, Drucksache Nr. 602 Ziffer 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es erhebt sich keine Hand. Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Dann darf ich das Einverständnis des Hauses damit feststellen, daß Ziffer 16 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse angenommen ist.
Dasselbe darf ich für Ziffer 17 feststellen. — Es erfolgt kein Widerspruch.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 18 und haben im Hinblick auf die bereits vorhin gehabte Aussprache zunächst über den Antrag auf Drucksache Nr. 613 abzustimmen, der Ihnen vorliegt. Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 613 ist, den Herr Abgeordneter Kather vorhin vorgetragen hat, den bitte ich, die Hand zu erheben.
Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Weiter liegt ein Abänderungsantrag der SPD, Drucksache Nr. 602 Ziffer 5 vor. Wird das Wort dazu gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Liegen sonstige Wortmeldungen vor? —, Auch das ist nicht der Fall. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich stelle fest, daß sich keine Hand erhebt. Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt ein weiterer Abänderungsantrag der KPD, Drucksache Nr. 616 Ziffer 4, vor. Von den Antragstellern wird das Wort nicht gewünscht. Wird sonst das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich sehe keine Hand. Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich danke. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung im ganzen über Ziffer 18, unter Berücksichtigung der nach der Drucksache Nr. 613 beschlossenen Änderung. — Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen, daß Ziffer 18 mit der An de-rung aus Drucksache Nr. 613 in der Fassung des Ausschusses angenommen ist.
Zu Ziffer 19 liegt ein Abänderungsantrag der SPD, Drucksache Nr. 602 Ziffer 6, vor. Von den Herren Antragstellern wird das Wort nicht gewünscht. Es wird wohl auch sonst nicht gewünscht. Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Dafür erhebt sich keine Hand. — Danke. Der Antrag ist abgelehnt. Dann darf ich das Einverständnis des Hauses mit der Fassung der Ziffer 19 gemäß Ausschußbeschluß feststellen.
Zu Ziffer 20 liegt ein Abänderungsantrag des Zentrums und der SPD, Drucksache Nr. 614 Ziffer 1, vor. Das Wort wird von den Antragstellern nicht gewünscht. Ich stelle das ausdrücklich fest. Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich danke und bitte um die Gegenprobe. Der Antrag ist abgelehnt.

(Abg. Dr. Bertram: Zu Drucksache Nr. 614 Ziffer 1 habe ich mich gemeldet! — Widerspruch.)

Das ist der gemeinsame Antrag des Zentrums und der SPD. Verzeihung, das habe ich ja aufgerufen.
1418 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950

(Präsident Dr. Köhler)


(Abg. Dr. Bertram: Ich habe mich deutlich gemeldet, aber der Herr Präsident hat mich übersehen!)

-- Herr Abgeordneter, dann haben, Sie selbstverständlich das Wort, aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß darüber abgestimmt ist. Ihre Wortmeldung habe ich . nicht erkannt. Ich bedaure das.

(Zuruf rechts: Er konnte sich ja schriftlich melden! — Abg. Dr. Bertram: Bei dieser Geschwindigkeit?! — Heiterkeit.)

Also es ist abgestimmt. Meine Damen und Herren! Es kommt schon einmal vor, daß eine Wortmeldung übersehen wird.

(Zuruf: Lassen Sie ihn doch reden!)

Ich stelle noch einmal ausdrücklich fest: der gesamte Vorstand hat die Wortmeldung nicht gesehen, und die Abstimmung ist inzwischen erfolgt. Ziffer 20 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Wir kommen jetzt zu dem Abänderungsantrag des Zentrums und der SPD, hinter Ziffer 20 eine Ziffer 20 a einzufügen. Wünschen die Herren Antragsteller, sich dazu zu äußern? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104113200
Meine Damen und Herren! Die Ablehnung unseres Antrags zu Artikel I Ziffer 20 ist natürlich im Zusammenhang zu sehen mit den weiteren Ziffern 2 und 3. Heute morgen haben eingehende Besprechungen zwischen dem Wohnungsbauausschuß und dem Finanzausschuß stattgefunden. In diesen Ausschußberatungen ist man sich darüber klar geworden, daß eine gewisse Begünstigung in dem Sinne, wie wir es in diesem Antrag niedergelegt haben, nötig sei. Ich bin der Ansicht, daß die Mehrheit des Hauses dem Grundgedanken dieses Antrages durchaus nahesteht.
Der Grundgedanke ist ungefähr folgender. Eine Begünstigung beim Bausparen wirkt sich bei den Einkommenstufen, in denen niedrige Steuersätze gezahlt werden, nur gering aus, wenn diese begünstigten Beträge vom Einkommen abgezogen werden. Diese Begünstigungen wirken sich dagegen besser aus, wenn die begünstigten Beträge nicht vom Einkommen, sondern vom Steuerbetrag abgezogen werden. Diese Abzüge vom Steuerbetrag sind insbesondere für die kleineren Einkommen unbedingt notwendig. Man denke an das Beispiel, daß jemand einen Kapitalansammlungsvertrag über 600 D-Mark im Jahre abschließt. Weil er nur 3 oder 4 Prozent Steuern zu zahlen hat, eben weil er ein so geringes Einkommen hat, kann er tatsächlich nur eine steuerliche Vergünstigung von, sagen wir, 24 D-Mark erhalten. Bei einer steuerlichen Vergünstigung von 24 D-Mark wird aber niemand einen Kapitalansammlungsvertrag über 600 D-Mark abschließen. Der Anreiz muß eben auch gerade in dieser Steuergruppe wesentlich höher sein.
Würden wir dagegen dem Grundgedanken unseres Antrages folgen und 25 Prozent des Kapitalbetrags auf die Steuer anrechnen, so würde sich diese Vergünstigung wesentlich erhöhen, und es würde tatsächlich auch ein wirksamer Anreiz zum Kapitalsammeln entstehen. Einen solchen Anreiz gerade in den mittleren und unteren Einkommenstufen zu schaffen, muß unser oberstes Ziel sein. Sie alle wissen doch, daß der Konsumverzicht, wenn ihn heute schon jemand auf sich nehmen soll, gerade von den unteren Einkommenstufen außerordentliche Opfer verlangt. Wer heute 2- oder 3 000 D-Mark verdient und noch 600 D-Mark im Jahre sparen soll, der muß seinen und den Verbrauch seiner Familie schon sehr erheblich einschränken. Wenn wir eine solche Einschränkung haben wollen — und wir müssen sie haben wollen, um tatsächlich durch den Konsumverzicht die nötigen Investitionskapitalien zu erhalten —, dann müssen wir den Verzichtenden auch entsprechend begünstigen. Das ist der Sinn unseres Antrages, und deshalb haben wir ihn gestellt.
Nun liegt eine formelle Schwierigkeit vielleicht darin — Herr Dr. Höpker-Aschoff machte schon darauf aufmerksam —, daß im gegenwärtigen Augenblick die Ablehnung dieses Antrags, nicht dagegen die Verweisung an einen Ausschuß möglich sei. So sehr wir uns bei der Formulierung dieses Antrages Mühe gegeben haben, ich bin doch der Ansicht, daß er in einzelnen Teilen überarbeitet und überprüft werden muß. Wir hatten insbesondere keinerlei Unterlagen für den letzten Absatz unseres Antrages, der vorsieht, daß eine entsprechende Vergünstigung beim Bau von Kleinsiedlungshäusern und bei Eigenwohnhäusern mit einem Einheitswert bis zu 16 000 D-Mark geschaffen werden soll. Denken Sie gerade an die Arbeitersiedler, die durch ihre eigene Leistung vielleicht 3- oder 4000 D-Mark bei der Erbauung eines kleinen Eigenheims beitragen. Gerade diesen Menschen wollten wir mit diesem Antrag helfen.
Ob aber die einschränkenden Voraussetzungen, die wir hier gemacht haben, eng genug sind, oder aber ob sie anders gefaßt werden müssen, könnte sich endgültig erst bei den Ausschußberatungen ergeben. Natürlich ist es erforderlich, daß das Finanzministerium entsprechende Unterlagen herbeischafft, denn darüber sind wir uns alle klar: dieser Weg der Steuerbegünstigung ist für unser deutsches Steuersystem völlig neuartig. Er wird auch technisch nicht sehr einfach sein, obwohl man sich denken könnte, daß beispielsweise die Herausgabe von Steuerbegünstigungsmarken an die Kapitalsammler, daß heißt an die Wohnungsbaugenossenschaften, und die Weiterleitung dieser Steuerbegünstigungsmarken an die Lohnsteuerpflichtigen und von dort an das Lohnsteuerbüro die technischen Schwierigkeiten ohne weiteres lösen könnte.
Aber all diese Dinge, die wir wohl bedacht haben, müssen in einer Einzelbesprechung im Ausschuß durchberaten werden. Auch in dem bekannten Gutachten von Herrn Professor Jecht ist der Gedanke der Aufbauförderung auf diesem Wege enthalten. Ich wäre persönlich durchaus damit einverstanden, wenn dieser Antrag hier heute nicht zur Abstimmung käme, sondern in den Ausschuß verwiesen würde. Ich sehe insofern auch keine geschäftsordnungsmäßigen Schwierigkeiten; denn der Abschluß der zweiten Lesung nach Durchberatung aller Paragraphen würde meiner Ansicht nach sowieso zweckmäßiger mit dem Beginn der dritten Lesung in der kommenden Woche zusammenfallen.

(Zuruf: Nochmal verschieben?!)

— Das ist keine Verschiebung; die dritte Lesung ist sowieso für die kommende Woche vorgesehen. Es würde also keinerlei Verschiebung sein, und wir würden auf diese Art und Weise auch erreichen — wenigstens möchte ich noch einmal
Deutscher Bundestag — 41. und 42: Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1419

(Dr. Bertram)

darauf hinweisen —, daß der Abschluß der zweiten Lesung vor vollbesetztem Hause erfolgen könnte. Ich glaube, daß so den Interessen aller Beteiligten Rechnung getragen würde und insbesondere auch in formeller Hinsicht keine Schwierigkeiten zu bestehen brauchten.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104113300
Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0104113400
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich habe heute in den gemeinsamen Sitzungen des Wohnungsausschusses und des Haushaltsausschusses zu dem Antrag, dessen Gedankengang, nicht dessen Wortlaut, soweit er sich auf die Absätze 1, 2 und 3 bezieht, dort bereits besprochen worden ist, folgendes erklärt: Ich bin bereit, zuzustimmen, daß der Gedankengang dieses Antrages in einer für den nächsten Mittwoch ohnehin angesetzten gemeinsamen Sitzung Finanzausschuß Bundesrat
Finanzausschuß Bundestag besprochen wird. Der Antrag, wie er hier vorliegt, ist, wie der Herr Antragsteller selbst betont hat, neuartig und bietet große technische Schwierigkeiten. Ihn in seiner jetzigen Form in das Gesetz zu übernehmen, ist unmöglich. Er muß nicht nur in seinen Auswirkungen, sondern auch in der technischen Handhabung durchdacht werden.
Den letzten Absatz des Antrages halte ich für sachlich unmöglich. Er begünstigt nicht den kleinen Arbeitersiedler, weil dieser gar nicht die Steuern bezahlt, um diese Vergünstigung in Anspruch nehmen zu können. Er begünstigt eine gewisse Schicht von Leuten, die in einer hinter uns liegenden Zeit schon sehr viel gebaut haben und deren Bauten damals in der Bevölkerung unangenehm aufgefallen sind. Die können davon Gebrauch machen. Alle unsere Bestimmungen haben bisher Zuwendungen für Fremdbauten begünstigt. Hier wird der Weg gegangen, Zuwendungen oder Aufwendungen für den Eigenbau in einem sehr starken Maße zu begünstigen. Das widerspricht dem Sinn und Zweck alles dessen, was in den Steuergesetzen bisher an Wohnungsbaubegünstigung gewesen ist.
Zu den anderen Gedankengängen kann man sich sachlich stellen. Aber die Technik muß überlegt werden, die Auswirkung muß überlegt werden, und ich muß infolgedessen mit denen Fühlung nehmen, um deren Geld es sich handelt; das sind die Länder, die im Bundesrat vertreten sind. Wenn es nicht möglich ist, den Antrag überhaupt umzustellen und ihn nicht als Abänderungsantrag, sondern als selbständigen Antrag zu stellen — und das wird nicht gehen, weil Sie nicht der einzige Antragsteller sind—, würde ich deshalb bitten, den Antrag heute abzulehnen, und ich empfehle den Antragstellern, einen neuformulierten Antrag in besserer Form vorzulegen. Ich bin bereit, diesen neuformulierten Antrag zusammen mit dem Bundesrat so zu besprechen und zu formulieren, daß sich nach Möglichkeit etwas Ersprießliches ergibt.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104113500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff.

Dr. Hermann Höpker-Aschoff (FDP):
Rede ID: ID0104113600
Meine Damen und Herren! Wir haben über die Fragen, die mit diesem Antrag angeschnitten sind, heute morgen in einer gemeinsamen Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses und des Wohnungsbauausschusses gesprochen. Die Gedankengänge, die diesem Antrag zugrunde liegen, waren uns allen durchaus nicht unsympathisch, weil wir doch alle den Wunsch hegen, über die Bestimmungen des § 7 c hinaus noch etwas zur Förderung des Wohnungsbaus auch auf steuerlicher Grundlage zu tun. Aber so, wie der Antrag der Sozialdemokraten und des Zentrums gestellt ist, ist er zu einer endgültigen Beschlußfassung nicht reif, sondern bedarf noch einer sorgfältigen Überprüfung, damit er in das herrschende Steuersystem eingegliedert werden kann. Er muß also im Finanz- und Steuerausschuß beraten werden. Außerdem würde es aber notwendig sein, über diesen Antrag auch noch mit dem Bundesrat zu sprechen; denn da wir uns bisher über alle wichtigen. Fragen mit dem Bundesrat verständigt haben, können wir unmöglich in einer so wichtigen Sache nun auf eigene Faust vorgehen; das würde zumindest unklug sein.
Wenn aber diese Ausschußüberweisung ermöglicht und gleichzeitig die zweite Lesung hier zum Abschluß gebracht werden soll, dann muß der Antrag umgestellt werden, dann kann er nicht als Abänderungsantrag zu dem. vorliegenden Gesetzentwurf behandelt werden; denn in der zweiten Lesung muß die Vorlage mit allen Abänderungsanträgen erledigt werden. Wenn also der Antrag als Abänderungsantrag zu der Vorlage aufrechterhalten wird, bleibt in der Tat nichts anderes übrig als der Weg, den der Herr Finanzminister eben gewiesen hat, nämlich diesen Antrag abzulehnen und den Antrag dann als selbständigen Antrag zu wiederholen, der dann dem Finanz- und Steuerausschuß überwiesen würde.
Ich habe eben dem Kollegen Bertram vorgeschlagen, den Antrag umzustellen; ich weiß nicht, ob das möglich ist, da Herr Kollege Bertram ja nicht alleiniger Antragsteller ist, sondern dieser Antrag gemeinsam mit den Sozialdemokraten gestellt ist. Herr Kollege Bertram, wenn Sie erklären würden, daß Sie diesen Antrag als einen selbständigen Antrag, also einen Urantrag zur Abänderung des heute geltenden Steuergesetzes betrachten, dann könnten wir diesen Antrag unbedenklich dem Finanz- und Steuerausschuß überweisen und dort beraten, und unabhängig davon könnten wir die zweite Lesung der Regierungsvorlage hier zum Abschluß bringen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104113700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104113800
Ich selbst bin nicht in der Lage, diesen Antrag so umzustellen, wie das der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff anempfohlen hat. Ich kann nur folgendes machen: ich kann für die Zentrumsfraktion den gleichen Antrag gleichen Wortlauts als Urantrag stellen. Das tue ich hiermit.

(Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Dann stelle ich den Antrag, diesen Antrag dem Finanz und Steuerausschuß zu überweisen! — Abg. Dr. Wuermeling: Der steht aber doch gar nicht auf der Tagesordnung!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104113900
Also, meine Damen und Herren, es ist beantragt, den Antrag Nr. 614 Ziffer 2, wonach in Artikel I hinter Ziffer 20 eine Ziffer 20 a eingefügt werden soll, durch die
1420 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950

(Vizepräsident Dr. Schäfer)

dem § 38 ein Absatz 4 angefügt wird, als Urantrag zu behandeln und dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.

(Abg. Dr. Oellers: Zur Geschäftsordnung!)

— Herr Abgeordneter Dr. Oellers zur Geschäftsordnung!

Dr. Fritz Oellers (FDP):
Rede ID: ID0104114000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ganz so geht es nicht. Wir müssen den Antrag, der von der SPD und vom Zentrum gestellt ist, ablehnen und den hier eben vorgetragenen gleichlautenden Antrag, den Kollege Bertram für seine Fraktion gestellt hat, dem Finanz- und Steuerausschuß überweisen.

(Zustimmung. Abg. Dr. Wuermeling: Der muß erst mal auf die Tagesordnung!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104114100
Meine Damen und Herren, das ist durchaus richtig; denn der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß ist der weitergehende. Infolgedessen wird darüber zuerst abgestimmt. Ich bitte diejenigen, die für die Überweisung sind, um ihr Handzeichen.

(Widerspruch. — Abg. Dr. Wuermeling: Das ist ja gar nicht beantragt! — Abg. Dr. Bertram: Sicher ist das beantragt! — Gegenruf: Das ist doch ein anderer Antrag!)

— Ich habe nur diesen einen Antrag.

(Abg. Dr. Oellers: Zur Geschäftsordnung!) --- Herr Dr. Oellers zur Geschäftsordnung!


Dr. Fritz Oellers (FDP):
Rede ID: ID0104114200
Darf ich noch einmal argumentieren, Herr Präsident. Der vorliegende Antrag der SPD und des Zentrums muß von uns abgelehnt werden, weil er ein Abänderungsantrag zu
3) dem vorliegenden Gesetzentwurf ist. Es ist aber gleichzeitig jetzt in der Plenarsitzung von dem Vertreter des Zentrums ein neuer Antrag gestellt worden, der nur denselben Wortlaut hat, aber nicht identisch ist. Diesen Antrag müssen wir jetzt dem Finanz- und Steuerausschuß überweisen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0104114300
Meine Damen und Herren! Nun ist der Zusammenhang auch mir klar geworden.

(Heiterkeit.)

Also es liegt zunächst ein Abänderungsantrag vor: Drucksache Nr. 614 Ziffer 2. Wer für den Antrag ist, den bitt& ich, die Hand zu erheben.

(Zuruf in der Mitte: Ziffer 3!)

— Erst Ziffer 2. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt derselbe Antrag als Urantrag des Abgeordneten Dr. Bertram. Ich habe Sie so verstanden, daß Sie diesen Antrag, der eben abgelehnt ist, als Urantrag mit dem weiteren Antrag stellen, ihn dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.

(Abg. Dr. Bertram: Nicht nur Ziffer 2, sondern auch die Ziffern 1 und 3!)

— In Verbindung mit Ziffer 1 und Ziffer 3. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Zuruf: Auf Überweisung!)

Ich bitte um die Gegenprobe. — Damit ist der Antrag auf. Überweisung angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 21. Es liegt kein Abänderungsantrag vor. Dann darf ich Ziffer 21 für angenommen erklären.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 22. Da liegt ein Antrag Neuburger vor: Ziffer 22 b erhält folgende Fassung: „In § 41 Absatz 1 wird folgende Ziffer 5 angefügt: 5. die nach § 33 a abzugsfähigen Beträge." — Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht?

(Abg. Neuburger: Das bedeutet nur eine gesetzestechnische Ergänzung, weil wir den Zusatzantrag angenommen haben!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist keine Drucksache, sondern ein eben hier schriftlich eingereichter Abänderungsantrag.

(Zuruf in der Mitte: Ein technischer!)

Ich bitte diejenigen, die für den Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben.

(Zuruf rechts: Wir kennen ihn nicht!)

— Ich habe ihn doch soeben verlesen! -- Die Abstimmung ist erfolgt, der Antrag ist angenommen.
Ich stelle nunmehr die Ziffer 22 mit der eben angenommenen Abänderung zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist also so beschlossen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104114400
Zu Ziffer 23 liegt kein Abänderungsantrag vor. Ich darf das Einverständnis des Hauses mit Ziffer 23 feststellen.
Zu Ziffer 24 liegt folgender Abänderungsantrag vor: Abänderungsantrag des Zentrums und der SPD, Drucksache Nr. 614 Ziffer 3, auf Einfügung einer neuen Ziffer 23 a. Wünscht der Herr Antragsteller das Wort? — Der Herr Antragsteller verzichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? — Dann lasse ich abstimmen. Wer für diesen Ergänzungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 24. Es liegt kein Abänderungsantrag vor. Ich darf das Einverständnis des Hauses mit Ziffer 24 in der Ausschußfassung feststellen. Dasselbe gilt von Ziffer 25.

(Abg. Dr. Bertram: Ich bitte ums Wort! Zu Ziffer 25 liegt unser Antrag Ziffer 5 von Drucksache Nr. 608 vor.)

Meine Damen und Herren! Ich werde eben auf folgendes noch hingewiesen. Es liegt noch zu Artikel I, an dessen Ende wir eben angelangt sind, ein Abänderungsantrag der SPD vor, Drucksache Nr. 602 Ziffer 7, einen neuen § 50 a als Ziffer 26 einzufügen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer gegen den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Gegenprobe.
— Der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich bitte die Drucksache zu der Abstimmung über die Einleitung von Artikel I in der Ausschuß-Fassung zurückzublättern.

(Abg. Dr. Bertram: Ich bitte um das Wort zur Geschäftsordnung!)

— Einen Moment! Ich bin mitten in der Abstimmung. — Wer für die Einleitung von Artikel I ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Danke. Gegenprobe. — Fast einstimmig angenommen. —
Und nun haben Sie das Wort zur Geschäftsordnung.
Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950 1421

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104114500
Die Ziffer 5 der Drucksache Nr. 608 bezieht sich auf die Anlage gemäß Ziffer 25 der Drucksache. Ich bitte deshalb, diesen Punkt jetzt aufzurufen und zur Abstimmung zu stellen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0104114600
Das ist Ihr gemeinsamer Antrag?

(Abg. Dr. Bertram: Nein!)

— 608 sagten Sie?

(Abg. Dr. Wuermeling: Das ist eine Änderung der Tabelle!)

Es liegt hier oben kein Abänderungsantrag Drucksache Nr. 608 vor.

(Zurufe in der Mitte: Doch!)

— Drucksache Nr. 608? — Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Drucksache Nr. 608 zur Hand zu nehmen. Da handelt es sich um Artikel I Ziffer 5, da sind wir doch längst drüber weg.

(Widerspruch.)

Es ist die Ziffer 5 der Drucksache Nr. 608, die Anlage zu § 32 und § 39 der Einkommensteuertabelle. Da sind wir ja noch gar nicht, Herr Abgeordneter Dr. Bertram!

(Abg. Dr. Wuermeling: Das gehört zu Ziffer 25!)

— Jawohl, es steht da, es gehört zu Ziffer 25. Der Herr Antragsteller hat recht. Es heißt nämlich in Ziffer 25: „Die zu veranlagende Einkommensteuer (§ 32 Absatz 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes)." Bitte, dann gebe ich Ihnen zur Begründung das Wort. Ich verweise nochmals die Mitglieder des Hauses auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 5. Dazu spricht der Herr Antragsteller.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0104114700
Meine Damen und Herren! Wir sind mit der heutigen Debatte wahrscheinlich an einem entscheidenden Kernpunkt des ganzen Gesetzes angelangt. Es handelt sich darum, ob es richtig ist, daß die Freibeträge, die bisher 750 D-Mark betrugen, in dieser Höhe bestehenbleiben sollen oder ob es richtig ist, daß diese Freibeträge erhöht werden müssen. Unser Antrag sieht zunächst vor, daß der Freibetrag von 750 D-Mark auf 1000 D-Mark erhöht wird. Der Freibetrag von 750 Mark stammt aus einer Zeit, als das gesamte Preisniveau und die gesamten Lebenshaltungskosten wesentlich niedriger waren als heute.

(Abg. Kaiser: Es hat sich auch sonst einiges geändert!)

— Natürlich hat sich auch sonst einiges geändert. Ich komme aber darauf, warum wir trotzdem, trotz der allgemeinen Not, uns in dieser Weise eine Abänderung abringen müssen, trotz der allgemein bekannten Sorgen des Herrn Finanzministers. Es handelt sich darum., daß das Existenzminimum gedeckt werden muß und daß der Staat meines Erachtens nicht das Recht hat, da das Naturrecht es ihm verbietet, in das Existenzminimum des einzelnen Staatsbürgers einzugreifen.
Es ist nicht richtig, daß man sagt, jeder muß direkte Steuern bezahlen. Die breite Masse der Bevölkerung trägt schon durch indirekte Steuern in erheblichem Maße zu den Staatslasten bei. Nach dem bekannten OEEC -Memorandum der Regierung wird erwartet, daß das Aufkommen an indirekten Steuern in dem nächsten Jahr um rund 2,5 Milliarden D-Mark steigen wird. Allein durch den erhöhten Zolltarif, durch die erhöhten Umsätze usw. wird in dieser Höhe eine Steigerung der indirekten Steuern erwartet. Das steht wörtlich in diesem zitierten Bericht als eine Vorschätzung der Regierung. Wenn wir also die breite Masse durch die indirekten Steuern in dieser Härte belasten und belasten müssen, weil wir den Krieg verloren haben, dann müssen wir aber auch gerecht sein und auf der anderen Seite die gestiegenen Lebenshaltungskosten insoweit berücksichtigen, daß wir nicht den Ärmsten der Armen noch Steuerpfennige abknöpfen. Sie glauben gar nicht, wie schlimm es wirkt, wenn von den Lohntüten bei allerkleinsten Einkommen' noch direkte Steuerbeträge abgeführt werden. Wir sollten auch einmal einen gewissen Akt der Großmut gerade diesen Kreisen gegenüber begehen und damit die Staatsverdrossenheit, die sich doch in bedrohlicher Weise ausbreitet, bekämpfen. Wenn der Staat noch direkte Steuern. zu den außerordentlich hohen indirekten Steuern von' den kleinsten Einkommen erhebt, so ist das einfach unrecht.
Meine Damen und Herren, bei einem Freibetrag von 750 D-Mark und bei einem Werbungskostenpauschsatz von 780 D-Mark ist es für den Ledigen gar nicht möglich, überhaupt die nackte Existenz zu fristen, wenn der Staat ihm von den letzten Groschen, die er für seine Existenz nötig hat, noch etwas abknöpft. Gegen diesen meiner Ansicht nach absolut gegen das Naturrecht verstoßenden Eingriff in das Existenzminimum wehre ich mich. Sie werden mir doch wohl zugeben, daß in früheren Zeiten auf die Steuerpflichtigen wenig Rücksicht genommen worden ist. Wenn man damals 750 D-Mark festsetzte und heute die Preise auf 153 Prozent gestiegen sind, würde die Aufbesserung auf 1 000 D-Mark nichts ,anderes bedeuten als die Anpassung der Steuertarife in den unteren Stufen an das gestiegene Preisniveau. Allen anderen gestehen Sie das zu: die Bahn erhöht die Tarife, die Post erhöht die Tarife — überall wird es zugestanden, daß das Preisniveau ausgeglichen werden muß. Lediglich die Steuer nimmt für sich das Recht in Anspruch, mit einem Satz unten anzufangen, der bei dem heute herrschenden Preisniveau überhaupt ungerechtfertigt ist. Dasselbe gilt für die Werbungskosten und für die Sonderausgaben. Wenn die Finanzverwaltung 1938 und 1939 Werbungskosten von monatlich 26 Mark festgesetzt hat, dann entsprach das dem damaligen Preisstandard, und man kann nicht sagen, es hatten darin große Reserven gesteckt; denn die Finanzverwaltung wird 1938/39 für WerbungskostenPauschquantum und Sonderausgaben-Pauschquantum keine höheren Beträge zugelassen haben, als im Durchschnitt wirklich verbraucht worden sind. Wenn wir nun aber sehen, daß das Arbeitszeug teuerer geworden ist, daß alles, was der Arbeiter benötigt, teurer geworden ist — —

(Zuruf rechts: Was soll denn das? — Unruhe in der Mitte und rechts.)

— Was soll denn das!? Das ist eine lebenswichtige Frage für die breiten Massen unseres Volkes. Wenn Sie rufen: „Was soll denn das?" — wenn jemand nicht in der Lage ist, seine nackten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und Sie sagen: „Was soll denn das?" —, meine Damen und Herren, das ist eine Frage, die hier im Rahmen des
1422 Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950

(Dr. Bertram)

Einkommensteuergesetzes von entscheidender Bedeutung ist.
Deshalb haben wir weiter den Antrag gestellt, daß das Pauschquantum nicht nur für die Werbungskosten erhöht wird — der Ausschuß hat ja nach langen Kämpfen diese Erhöhung zugestanden —, sondern daß auch das SonderausgabenPauschquantum auf 39 Mark monatlich erhöht wird. Damit tun wir nichts anderes, als lediglich diese Beträge, die 1938 nach eingehender Prüfung der Verhältnisse als angemessen festgesetzt worden sind, dem gestiegenen Preisniveau anzupassen, und die elementarste Gerechtigkeit gebietet, daß wir das tun.

(Beifall beim Zentrum.)

. Präsident Dr. Köhler: Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen. — Im übrigen darf ich der Ordnung halber darauf aufmerksam machen, daß die Entscheidng über den Antrag erst am Schluß bei der Abstimmung über die Anlage fällt.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0104114800
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Abgeordneten Bertram haben den Inhalt sehr ausführlicher Verhandlungen im Ausschuß ausgemacht; sie sind dort nach meiner Ansicht in vollem Umfange widerlegt worden. Es ist nicht möglich, in diesem Stadium noch etwas in der Richtung zu tun, und ich würde glauben, daß das Haus damit zufrieden ist, wenn darauf hingewiesen wird, daß diese Dinge sehr ausführlich überlegt worden sind. Es geschieht ja etwas, indem nämlich die Freibeträge für Sonderausgaben erhöht werden. Es ist also nicht richtig, wenn hier unten die Zahlen 624 und 936 einander gegenübergestellt werden, sondern bis zu der Mitte, die ich im Augenblick nicht so schnell ausrechnen kann,

(Zuruf: 780!)

erfolgt ja eine Erhöhung. Darüber sind wir uns einig, Herr Kollege Bertram, und weiter glauben wir nach der Gesamtkonzeption, die der Herr Finanzminister uns dargelegt hat, nicht gehen zu können.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104114900
Werden weitere Wortmeldungen zu diesem Abänderungsantrag abgegeben? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache darüber und wiederhole meinen vorherigen Hinweis, daß wir zur Abstimmung bei der Anlage, bei der Steuertabelle kommen.
Ich rufe auf Artikel II. Zum Wort hat sich dazu der Herr Abgeordnete Dr. Becker gemeldet.

(Abg. Neuburger: Zur Geschäftsordnung!)

-- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Neuburger!

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104115000
Es liegen zur gleichen Ziffer noch drei weitere Anträge vor, über die abgestimmt werden muß, und zwar Drucksache Nr. 601 auch zum Tarif, Drucksache Nr. 602 Ziffer 3 und der KPD-Antrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 5.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104115100
Ich danke für diesen Hinweis. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker.

Dr. Max Becker (FDP):
Rede ID: ID0104115200
Meine Damen und Herren! Ich spreche zu Artikel II insoweit, als er der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, im Wege der
Rechtsverordnung Ausführungsbestimmungen zu K ' erlassen. Ich möchte bei der Gelegenheit im Interesse derjenigen Gruppen der Bevölkerung, die steuerfiskalisch gesprochen „in selbständiger Arbeit tätig" sind, einige Worte einlegen und eine Bitte an die Bundesregierung richten.
Die freien Berufe, eingeschlossen aber auch die Handwerker und die Angestellten, sind insofern bei dem Einkommensteuergesetz etwas zu kurz gekommen, als sie weder irgendwelche Betriebsmittel haben, auf die sie abschreiben könnten, noch einen Betrieb haben, den sie vererben oder verkaufen können, noch Pensionen haben,- welche die zwei Inflationen wertbeständig überstanden haben; dafür sind ihre Ersparnisse, die alles dieses in etwa ersetzen sollten, verloren. Ich habe nun, nachdem wir im Interesse der beschleunigten Erledigung dieses Gesetzes von der Stellung besonderer Anträge abgesehen haben, die Bitte, daß in den Rechtsverordnungen zunächst einmal der § 38 der alten Einkommensteuerdurchführungsverordnung aufrechterhalten wird. Wir haben weiter die Bitte, daß die Wohltat des jetzigen § 10 a, nämlich die Steuerbegünstigung des nichtentnommenen Gewinns, auch diesen Schichten zugute kommt, ohne daß ihnen die besonders erschwerten Erfordernisse einer besonders komplizierten Buchführung, die ganz von der in diesen Betrieben üblichen Buchführung abweicht, zur Vorschrift gemacht werden. Ich bitte die Bundesregierung dringend, im Interesse dieser Berufe doch diesen Wünschen Rechnung zu tragen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104115300
Wird das Wort weiter gewünscht? -- Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren! Dann rufe ich auf Artikel II, Seite 22 bis Seite 24 oben. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Fassung feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch.
Ich darf dasselbe für Artikel III feststellen, der bis Seite 27 oben geht. -- Ich höre keinen Widerspruch.
Dasselbe gilt für Artikel IV, Seite 27 bis Seite 28. - Ich darf die Zustimmung des Hauses feststellen.
Dasselbe gilt für Artikel V, Seite 28 und 29. Hier liegt allerdings zu Absatz 2 Satz 1 ein Antrag des Herrn Abgeordneten Neuburger vor. Wollen Sie ihn bitte erläutern!

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104115400
Der Antrag betrifft an sich nur eine gesetzestechnische Änderung.

(Lebhafte Zurufe: Lauter!)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104115500
Wenn Sie einen Antrag zu verlesen haben, kommen Sie bitte ans Rednerpult.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0104115600
Der Antrag betrifft im wesentlichen keine materiellrechtliche, sondern nur eine gesetzestechnische Ergänzung. Artikel V Absatz 2 Satz 1 soll folgende Fassung erhalten:

(2) Dieses Gesetz gilt vorbehaltlich der Sätze

2 und 5 erstmals bei Durchführung der Veranlagung zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum
1950.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104115700
Meine Damen und Herren! Wird das Wort zu diesem Abänderungsantrag gewünscht? Es wird nicht gewünscht. Dann stelle ich den Antrag zur Abstimmung. Wer für den Ab-
Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950 1423

(Präsident Dr. Köhler)

änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Neuburger ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Fast einstimmig angenommen. Dann stelle ich fest, daß Artikel V mit der soeben beschlossenen Abänderung die Zustimmung des Hauses findet. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Nun kommen wir zur Anlage zu § 32 und §.39 des Einkommensteuergesetzes. Da verweise ich zunächst auf die Drucksache Nr. 608, die der Herr Abgeordnete Dr. Bertram bereits vorgetragen hat. Wird dazu das Wort gewünscht?

(Abg. Ritzel: Ich bitte ums Wort!)

— Bitte! Zur Sache, nehme ich an.

(Abg. Ritzel: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung? Wir sind noch nicht in der Abstimmung, Herr Abgeordneter Ritzel, sondern wir sind noch in der Sachaussprache. Ich erteile Ihnen das Wort dann nachher.
Ich frage: Wird das Wort noch einmal zu dem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 608 Ziffer 5 gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es liegt weiterhin der Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 601 vor. Wird zu diesem Antrag seitens der Antragsteller das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ferner liegt ein Abänderungsantrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 5 vor. Wird seitens der Antragsteller das Wort gewünscht? — Ich stelle fest, das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir zunächst ab über — —

(Abg. Neuburger: Zur Geschäftsordnung! Es besteht noch ein Antrag Drucksache Nr. 602 Ziffer 3!)

— Entschuldigen Sie, das ist bereits erledigt. (Abg. Neuburger: Nein! — Abg. Ritzel: Ich bitte um das Wort zur Abstimmung!)

— Herr Abgeordneter Ritzel, ich mache allerdings gleich darauf aufmerksam: wenn das Wort zur Abstimmung im Sinne der Anzweiflung der Beschlußfähigkeit gefordert wird, erteile ich das Wort zur Abstimmung nicht; denn das Wort zur Abstimmung gibt es im Grunde in der Geschäftsordnung überhaupt nicht. Also, ich stelle anheim.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0104115800
Ich stelle fest, daß nach der Geschäftsordnung der Herr Präsident nicht das Recht hat, mir zur Abstimmung, zur Anzweiflung der Beschlußfähigkeit gemäß § 99 der Geschäftsordnung, das Wort zu verweigern.
Ich bezweifle hiermit die Beschlußfähigkeit des Hauses.

(Lachen bei den Regierungsparteien.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104115900
Meine Damen und Herren, ich stelle noch einmal fest, daß die Beschlußfähigkeit des Hauses größer ist als je zuvor.

(Zuruf des Abgeordneten Ritzel.)

Das ist die übereinstimmende Meinung des Vorstandes.
Wir stimmen also zunächst über die Abänderungsanträge ab. Wir kommen zu Antrag Drucksache Nr. 608 Ziffer 5. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 601. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. _— Gegen eine Stimme abgelehnt!
Wir kommen nunmehr zu dem Antrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 5. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es erhebt sich keine Hand. Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich darf nunmehr feststellen, daß damit die in der Anlage zu §§ 32 und 39 des Einkommensteuergesetzes enthaltene Grundtabelle A mit den Ziffern 1, 2, 3, 4 ist angenommen. Ebenso gilt das für die Tabelle B. Ich höre keinen Widerspruch.
Ich lasse nunmehr über die Einleitung und die Überschrift abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Meine Damen und Herren, ich darf damit feststellen, daß das Gesetz in zweiter Lesung angenommen ist.
Das Wort hat nunmehr zunächst der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0104116000
Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP beantrage ich, die dritte Lesung heute nicht durchzuführen, sondern auf eine der Sitzungen der nächsten Woche zu legen
Erlauben Sie mir im übrigen noch eine Bemerkung. Der Vorfall, dessen Zeugen wir heute hier waren, hat bedauerlicherweise zum demonstrativen Auszug einer großen Fraktion aus diesem Hause geführt. Ich glaube, daß unser deutsches Volk und daß die Wähler, die uns hierhergeschickt haben, damit wir sachliche Arbeit leisten, eine solche Demonstration nicht verstehen werden, eine Demonstration, die, wie auch die verschiedenen Anträge, mit denen die Beschlußfähigkeit des Hauses angezweifelt wurde, bewiesen haben, dazu führen sollte, die Tätigkeit des Deutschen Bundestags, wenn auch nur vorübergehend, lahmzulegen.

(Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, daß wir verpflichtet sind, wenn wir unser Mandat ernst nehmen, das wir jeden Tag vor unseren Wählern zu rechtfertigen haben, alles zu tun, um in diesem Hause sachlich zu arbeiten, um die Unsumme von Aufgaben, die uns gestellt sind, wenn wir das Schicksal unseres Volkes wenden wollen, in gemeinsamer Arbeit mit allen, denen es ernst ist um diese Aufgaben, zu erfüllen. Ich bedaure deswegen, daß ein Zwischenfall zu einer solchen Demonstration Anlaß gegeben hat, und ich drücke den Wunsch aus, daß das Hohe Haus und insbesondere auch die Parteien der Opposition, die sich dieser Demonstration angeschlossen haben, aus diesem Vorfall eine Lehre mitnehmen: daß es uns nicht gelingen wird, die deutsche Demokratie im Bewußtsein des deutschen Volkes lebendig zu machen, wenn wir an Stelle der sachlichen Arbeit uns in derartig obstruktiven Oppositionen und Demonstrationen ergehen.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104116100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.

(Eine Anzahl Abgeordnete schicken sich an, den Sitzungssaal zu verlassen.)

1424 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950

(Präsident Dr Köhler)

— Meine Damen und Herren, ich bitte, noch Platz zu behalten.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0104116200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorschlag des Herrn Abgeordneten von Brentano auf Vertagung der dritten Lesung, den er namens der Regierungsparteien gestellt hat, enthebt mich der Notwendigkeit, den gleichen Antrag zu stellen.

(Lachen bei den Regierungsparteien.)

— Ob Sie lachen oder nicht, ich stelle nur eine Tatsache fest.
Aber die Bemerkung des Herrn von Brentano, daß der Auszug der sozialdemokratischen Fraktion Obstruktion,

(Zurufe: Natürlich! Nur!)

die Absicht bedeute, die Tätigkeit dieses Hauses lahmzulegen, veranlaßt mich, in allem Ernst und unter Hinweis auf die nicht bestreitbare Tatsache der absolut objektiven Mitarbeit meiner Fraktion, besonders in den Ausschüssen, aber auch im Plenum, zu erwidern, daß keine Rede davon sein kann, die sozialdemokratische Fraktion sei in ihrem Verhalten von der Absicht getragen, die von Herrn von Brentano unterstellt worden, ist, die Tätigkeit dieses Hauses lahmzulegen.

(Zuruf von der Mitte: Die Tat beweist es! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich ein Gefühl für die Notwendigkeiten parlamentarischer Zusammenarbeit in einer erst im Werden befindlichen Demokratie bewahren,

(Zuruf rechts: Das gilt für Sie!)

wenn Sie das Bewußtsein dafür haben, was von der Sicherung dieser Zusammenarbeit für das Schicksal des deutschen Volkes und für das Schicksal vielleicht noch weiterer Teile Europas und der Welt abhängig ist,

(Abg. Strauß: Dann werden Sie Ihre Haltung ändern! — Weitere Zurufe von der Mitte)

dann werden Sie mit mir — wenn auch nicht hier, aber vielleicht in einer stillen Stunde nach dieser Sitzung —

(Lachen bei den Regierungparteien)

das Empfinden teilen, daß Sie Licht und Schatten
in bezug auf die heutigen Vorgänge korrekt und
gleichmäßig verteilen müssen. Ich warne Sie,
denn es steht offensichtlich unendlich viel mehr auf dem Spiel, als der Regierungsmehrheit nach dem heutigen Verhalten bis jetzt zum Bewußtsein gekommen ist.

(Erneutes Lachen bei den Regierungsparteien.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0104116300
Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst gemäß dem von dem Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano gestellten Antrag das Einverständnis des Hauses feststellen, daß die dritte Beratung heute nicht stattfindet. Über den Zeitpunkt der dritten Beratung werden wir uns in der nächsten Woche unterhalten.
Wir haben dann noch folgendes zu tun. Für die Tagesordnungspunkte 3, 4 und 5 ist Überweisung an die zuständigen Ausschüsse beantragt. Ich frage zunächst das Haus: Ist es damit einverstanden, daß die Drucksache Nr. 539 — ich nehme an — dem Finanzausschuß überwiesen wird. -- Ich höre keinen Widerspruch. Dasselbe gilt für den Antrag Drucksache Nr. 540 und für den Antrag Drucksache Nr. 544, wohl mit der Maßgabe, daß eventuell auch noch der Ernährungsausschuß hinzugezogen wird; oder nur der Finanzausschuß?

(Zurufe in der Mitte: Nur der Finanzausschuß!)

— Dann stelle ich fest, daß diese drei Anträge dem zuständigen Ausschuß überwiesen worden sind.
Meine Damen und Herren! Damit stehen wir am Ende der heutigen Sitzung. Ich möchte nur noch folgendes feststellen. Die nächsten Sitzungen des Deutschen Bundestags finden statt: die 43. Sitzung am Mittwoch, dem 1. März 1950, 13,30 Uhr, wobei vielleicht ein gewisser Vorbehalt in bezug auf den Beginn gemacht werden muß; die 44. Sitzung am Donnerstag, dem 2. März 1950, 14.30 Uhr; die 45. Sitzung am Freitag, dem 3. März 1950, 14.30 Uhr.
,Ich möchte noch darauf hinweisen, daß eine Sitzung des Ältestenrats heute nicht mehr stattfindet.
Damit schließe ich die 42. Sitzung des Deutschen Bundestags.