Rede von
Carl
Wirths
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! An der verspäteten Vorlage des Gesetzes ist Kritik geübt worden. Ich möchte aber doch einmal zu erwägen anheimgeben, daß es sich hier um ein Gesetz handelt, das erstmalig ist, das keinen Vorgang hat und zu dem unzählig viele Überlegungen angestellt werden mußten, ob das und jenes hineingenommen werden müßte oder nicht. Es handelt sich hier wohl um ein sehr schwieriges Gesetz, das gleichzeitig doch eine gute technische Leistung darstellt.
Von Herrn Klabunde ist eben Kritik geübt worden, daß kein mehrjähriges Programm vorgelegt wird. Wenn wir durch die Regierung ein mehrjähriges Programm vorgelegt bekommen wollen, dann bedeutet das ganz zweifellos, daß man sich hinsichtlich der Größe des Programms Gedanken machen, eine Zahl fixieren und die Finanzierung der Wohnungen feststellen muß. Das heißt also mit anderen Worten — weil doch bei dem Finanzierungsprogramm eine ganze Reihe von Quellen angegeben sind, die man nur von Jahr zu Jahr feststellen kann —. daß ein größerer Posten in einer Ordnung von mindestens einer halben Milliarde von Jahr zu Jahr in den Bundesetat eingesetzt wird. Wenn das möglich wäre, dann wäre auch die Vorlage eines mehrjährigen Programms möglich.
Herr Kollege Klabunde hat davon gesprochen, daß die private Leistung beim sogenannten frei finanzierten Wohnungsbau nicht in der Form vorhanden wäre, wie es früher der Fall gewesen ist. Er meinte, daß durch die steuerlichen Erleichterungen und die Grundsteuerbefreiung das nominelle Kapital in Wirklichkeit nicht aufgebracht wird. Ich möchte aber hier einen gewichtigen Gegengrund anführen. Bei dem in Aussicht genommenen privaten Wohnungsbau handelt es sich in der Hauptsache um den Wiederaufbau in den zerstörten Städten, und da ist festzustellen, daß die privaten Hausbesitzer, die ihre Häuser wieder aufbauen wollen, seit 1945 keine Entschädigung mehr erhalten haben.
Zum zweiten haben diese Leute noch einen großen Teil ihres Besitzes in Form des Grundstücks und der Trümmer, die ja Werte darstellen, für die sie aber auch möglicherweise noch nicht einmal einen Ansatz als Eigenkapital in den Finanzierungsplänen erhalten. Zum dritten können diese Leute zum größten Teil nicht damit rechnen, daß ihnen das, was sie verloren haben, im Lastenausgleich überhaupt entschädigt wird. Ich glaube also, daß der private Hausbesitzer da bereits eine Vorleistung erbracht hat, die zweifellos erheblicher ist als das, was ihm auf der anderen Seite nach Ihrer Meinung durch den Staat in Form von Steuererleichterungen und Grundsteuerbefreiung geschenkt werden soll.
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Wenn ich nun auch als Vertreter der bauausführenden Wirtschaft etwas zu dem Problem sage, dann muß ich zunächst feststellen, daß wir seit Jahrzehnten, seitdem wir eine öffentliche Förderung des Wohnungsbaus haben, daran gewöhnt sind, daß die Bauprogramme immer viel zu spät kommen. Das ist vor 1933 so gewesen, das war nachher so, und das ist auch seit der Währungsreform wieder so. Da nützt auch kein mehrjähriges Programm etwas. Es wäre aber einmal zu überlegen, ob man das Baujahr nicht mit dem Etatjahr zusammenfallen läßt. Jetzt steht sich, das diametral gegenüber. Für uns in der Bauwirtschaft wäre es schon besser, wenn das Kalenderjahr mit dem Etatjahr übereinstimmte. Ich erinnere daran, daß eine ganze Reihe von Ländern in Europa und, soviel ich weiß, auch in Übersee das Bauetatjahr vom ordentlichen Etatjahr getrennt haben. Das Bauetatjahr läuft vom 1. Oktober bis zum 30. September. Ich bin kein Kameralist, ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber ich halte es für durchaus praktisch, wenn wir das erreichen würden. Diesen Gedanken halte ich für so erwägenswert, daß wir uns darüber einmal im Ausschuß den Kopf zerbrechen sollten; denn dann würden wir die Verzögerungen, die wir immer gehabt haben und auch jetzt wieder haben, vermeiden.
Es kommt darauf an, daß wir das Gesetz so schnell wie möglich verabschieden. Ich freue mich über die Ausführungen von Herrn Klabunde als dem Vertreter der Opposition, daß er mit uns einen Weg suchen will, um diesem Gesetz eine möglichst breite Plattform zu sichern. Wir werden von uns aus in der Förderung des Gedankens zweifellos tun, was zu tun ist. Wenn davon gesprochen wurde, daß eine ganze Reihe von Verbesserungen angebracht und notwendig sind, dann möchte ich aber darum bitten, daß diese Verbesserungsvorschläge nicht so weit gehen, daß dadurch eine erhebliche Verzögerung für die Inkraftsetzung des Gesetzes eintritt. Mit anderen Worten, man soll nur das an Verbesserungen hineinbringen, was für dies es Jahr notwendig ist. Das, was von allgemeiner Bedeutung ist, was in ein mehrjähriges oder in ein zweites Bundeswohnungsgesetz hineingehört, das sollten wir überlegen und nach Verabschiedung des Gesetzes in eine Form bringen.
Nun darf ich noch einige Bemerkungen machen, die über den eigentlichen Rahmen dieses Gesetzes hinausgehen, mit ihm aber insoweit zusammenhängen, als im Gesetz eine Ermäßigung der Baukosten gefordert wird. Ich möchte hier vorschlagen, daß wir sagen: eine Ermäßigung der Gesamtkosten. Hier ist allerdings noch außerordentlich viel zu tun. Das sind Wünsche, die höchstwahrscheinlich nicht in das Gesetz hineinkommen können, die aber eine ganze Reihe von Stellen auf der Länder- und der Gemeindeebene angehen, Wünsche, die zu einer Kostensenkung beitragen.
Da ist zum Beispiel das alte Problem der Straßenbaukosten-Sicherstellung. Die Städte verlangen heute noch die Sicherstellung für die Pflasterung einer chaussierten Straße, obwohl
1398 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950
kein Mensch weiß, ob die Pflasterung jemals ausgeführt wird. Das bringt Kosten mit sich, die erhebliche Prozentsätze der Gesamtkosten betragen. Sie bewegen sich zwischen 90 und 150 D-Mark je laufenden Meter Straßenfront.
Für den Wiederaufbau — und das Gesetz will ja in erster Linie den Wiederaufbau fördern — ist es wichtig, daß wir bei den Städten eine Art Clearingstelle für den Grundstückstausch bekommen. Bei der Umlegung, die jetzt bevorsteht, soll so vorgegangen werden, daß auch Ringtausch und Tausch über drei oder vier Ecken möglich ist, weil wir sonst die Wünsche unserer Mitbürger nicht erfüllen können. Nun haben wir aber da ein schweres Hindernis in Gestalt des Grunderwerbsteuergesetzes mit jetzt zusammen 7 Prozent Verteuerung allein bei den Grundstücken. Ich bin der Meinung, daß überlegt werden muß, ob wir den Wiederaufbau dadurch fördern können, daß wir die Bestimmung des Grunderwerbsteuergesetzes entsprechend ändern.
Dann will ich nur an die Unzahl von Gebühren erinnern, die heute noch bezahlt werden müssen, allein schon beim Grundstücksverkauf. Es sind drei bis neun Genehmigungen nötig, wenn jemand ein Grundstück erwerben will. In der Regel werden die Genehmigungen ohne weiteres gegeben; aber es ist so, daß viele Dienststellen damit befaßt werden.
In diesem Zusammenhang muß auch das Problem der Umstellungsgrundschulden einmal betrachtet werden. Die Regelung vom August vorigen Jahres genügt in keiner Weise. Wenn es sich um Wohnungsbauten handelt, sollten die Trümmergrundschulden grundsätzlich gestrichen , werden, und die 1/10-Resthypotheken, soweit Fie von der öffentlichen Hand für die zweite oder dritte Stelle früher gegeben worden sind, sollten ebenso behandelt werden wie die Trümmergrundschulden.
Von Herrn Minister Wildermuth ist angedeutet worden, daß die Kapazität der Bauwirtschaft nach der Seite der Arbeiter wie nach der der Baustoffe wohl ausreichen würde. Ich möchte dem zustimmen, aber wir sind doch gezwungen -- ich darf nur an wichtige Straßenerneuerungen, an notwendige Brückenbauten erinnern —, auch die öffentlichen Auftraggeber zu berücksichtigen. Ich nehme an, daß in den Etats der verschiedenen Ministerien Beträge dafür erscheinen werden. Selbst wenn wir nur zu einem Teil der öffentlichen Bauten kommen, nicht im gleichen Umfang wie früher, dann wird, fürchte ich, die Kapazität ih der Bauwirtschaft nicht ausreichen.
Ich glaube, man sollte sich das Problem nach der Richtung überlegen, damit auch Fragen des Nachwuchses von den Arbeitsämtern und von den Berufsberatungsstellen sehr viel ernster angefaßt werden. Wir werden es sonst erleben, daß wir in einigen Jahren keine Pflasterer mehr haben, die uns die Straßen in den Großstädten in Ordnung bringen. Wir können aber auf Pflasterstraßen nicht verzichten. Man spricht so häufig von einer Kalamität bei den Baufacharbeitern, denkt dabei aber nur an die Maurer oder Betoneure. Ich denke da auch an die anderen Bauhandwerker, Dachdecker, Klempner oder Schreiner. Wir können bei unserem Berufsnachwuchs von einer völligen Verlagerung sprechen. Da möchte ich hier betonen, daß das Bauhandwerk noch immer seinen Mann ernährt hat, daß es keinen anderen Wirtschaftssektor gibt, wo es so leicht möglich ist, sich selbständig zu machen, wenn der Mann etwas leistet, und wo so wenig Anfangskapital für die Gründung einer selbständigen Existenz genügt. Diese Idee, den Nachwuchs in diesen Berufen stärker zu fördern, müßte viel mehr vertreten werden.
Noch ein letzter Gedanke! Wenn wir davon ausgehen, daß wir die Gesamtkosten senken wollen, dann ist klar, daß die bauausführende Wirtschaft die dringend benötigten Investitionen nicht aus ihren Erträgen, das heißt aus den Preisen decken kann. Das will auch keiner. Dann aber ist es notwendig, daß die bauausführende Wirtschaft Investitionskredite bekommt, und zwar zu Bedingungen, die tragbar sind. Nach den Berichten der Spitzenverbände habe ich den Eindruck: die beantragten Kredite werden nur unter so schweren Bedingungen gegeben, daß die Firmen viel lieber darauf verzichten. Der Düsseldorfer Verband der bauwirtschaftlichen Verbände teilt mir mit, daß von den bei ihm durchgelaufenen Anträgen der Firmen keiner mehr weiter verfolgt worden ist, als die Bedingungen der Industriekreditbank herauskamen. Wenn man diese Bedingungen erfüllen will, dann wird man mit der örtlichen Sparkasse, der örtlichen Volksbank oder Privatbank schließlich besser zurechtkommen; denn diese sind vielleicht eher geneigt, das Schwergwicht mehr auf die Person des Kreditnehmers als auf die Sicherheit zu legen.
So wie jetzt aber kann es nach meinem Dafürhalten unter keinen Umständen gehen; so wird die Bauwirtschaft nicht in die Lage versetzt werden, die dringend benötigten Maschinen und Geräte zu erwerben. Das aber ist nötig, wenn wir die Probleme des Wohnungsbaues tatsächlich meistern wollen.