Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Das Wohnungsbauproblem ist zwar das wichtigste Problem; aber es kann von den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, unter denen wir in Westdeutschland leben, nicht getrennt werden. Zweifellos wirken sich auf den Wohnungsbau sehr erschwerend aus die Spaltung Deutschlands, die Abhängigkeit vom Marshall-plan, die Drosselung unseres Exports, die hohen Besatzungskosten von 4 1/2 Milliarden D-Mark. Alle diese Faktoren dienen keineswegs der Förderung des Wohnungsbaus. Wenn man den Wohnungsbau vorwärtsbringen will, wird es eine der wesentlichsten Aufgaben sein, daß man sich in diesen Hauptfragen von der bisherigen Politik in Westdeutschland trennt und eine Politik einschlägt, die darauf abzielt, daß unser Volk seine Souveränität und Unabhängigkeit zurückerhält, daß es einen Friedensvertrag erhält und daß die Besatzungsmächte abziehen, damit die hohen Kosten der Besatzung für den Wohnungsbau verwandt werden können.
Ich habe wenig Vertrauen zu dieser Regierung, daß die groß angekündigten Zahlen im Wohnungsbau erfüllt werden. Auch das vorgelegte Wohnungsbaugesetz unterliegt dem Leitsatz der sogenannten freien Marktwirtschaft. Wenn man den ernstlichen Willen gehabt hätte, im Wohnungsbau wirkungsvoll vorzugehen, dann hätten die Vertreter der Regierungsparteien schon seit langer Zeit auf der Länderbasis die Möglichkeit gehabt, gegen die Kräfte vorzugehen, die Luxusbauten und kostspielige Geschäftsbauten in die Höhe treiben, aber keineswegs Geld für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt haben. Man hat diesem Treiben tatenlos zugesehen. Im Gegenteil, man hat durch die Nichterfassung der Hortungs- und Preisgewinne diesen Kurs sogar noch begünstigt.
1396 Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bann, Freitag, den 24. Februar 1950
In der Begründung zu diesem Gesetz wird an einer wichtigen Stelle gesagt:
Es muß das Ziel sein, . . . im Bereich der Wohnungswirtschaft die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft allmählich zur Geltung zu bringen und wieder natürliche Anreize für die Bauherren und das langfristige Kapital zu schaffen, in den Wohnungsbau hineinzugehen.
Das bedeutet in der Praxis, daß man der Profitjägerei und der Willkür Tür und Tor öffnen will. Auch diesem Gesetz haftet diese Tendenz an. Dieses Gesetz steht keineswegs im Einklang mit der Propaganda, die man seit vielen Monaten um den Wohnungsbau getrieben hat. Man hat kein langfristiges Programm aufgestellt. Der Herr Bundeskanzler hat selbst gesagt, daß die Finanzierungsfrage zu unsicher sei. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, daß es hier auf diesem kolonialen Boden Westdeutschlands jetzt und in der Zukunft um den sozialen Wohnungsbau nicht günstig steht. Man 'wollte sich in diesem Gesetz nicht festlegen. Deswegen hat man in dieses Gesetz nicht eine bestimmte Zahl der zu bauenden Wohnungen für eine längere Zeit aufgenommen.
Ein hoher Beamter des Wohnungsbauministeriums erklärte, als die Frage der Finanzierung zur Debatte stand, die größte Sicherheit ist auf diesem Gebiet die Unsicherheit. Die in diesem Gesetz angesprochene Finanzierung ist keinesfalls gesichert. Der Herr Minister hat dem Ausschuß berichtet, daß er mit den Leitern der Kreditinstitute Besprechungen geführt hat. Man hat ihm versprochen, daß die Kreditinstitute Geld zur Verfügung stellen werden; aber bindende Zusagen, daß man sagen könnte, dieses Geld haben wir bereits, wurden nicht gemacht. So ist es sehr zweifelhaft, ob die Kreditinstitute die hier genannten 800 Millionen Mark überhaupt aufbringen. 100 Millionen Mark will man weiter aus dem Münzgewinn schöpfen. Was sind das denn für Methoden? Sind das sichere Finanzgrundlagen? Ich sage nein. Die Ausgabe von Münzen bedeutet doch. eine Ausweitung des Geldmittelumlaufs, und das ist eine sehr unsichere Finanzquelle. Man rechnet weiter mit den ERP- Mitteln. Vor einigen Monaten wurde bereits gesagt, man hätte 400 Millionen. Jetzt redet man nur noch von 250 Millionen. Jedem dürfte doch bekannt sein, daß sehr viele Mittel aus dem ERP- Plan bereits für die kostspieligen Besatzungsbauten verwandt wurden. In den letzten Tagen wurde mitgeteilt, daß die amerikanische Kommission des Hohen Kommissars nach Bonn kommen will. Man muß also damit rechnen, daß sie auf diese Mittel zurückgreift, um für sich selbst die Bauten aufzuziehen. So gibt es eine ganze Reihe von Unsicherheitsfaktoren in diesem Finanzierungsprogramm. Man muß deshalb umsomehr darauf drängen, daß wir einen Friedensvertrag erhalten, damit wir von den 4,5 Milliarden D-Mark Besatzungskosten herunterkommen und diese Gelder nach unserem Gutdünken im Interesse unserer Bevölkerung verwenden können.
Man will die Grundsteuer auf die Dauer von zwanzig Jahren streichen. Der Bundesrat hat ja bereits Abstriche gemacht und die Zeit auf zehn Jahre begrenzt. Man will aber auch die Grundsteuer jenen erstatten und schenken, die ohne Förderung im freien Wohnungsbau bauen. Wir können uns dieser Auffassung nicht anschließen. Das gleiche gilt bei den Steuervergünstigungen; auch da soll jeder die Steuervergünstigung erhalten, der im freien Wohnunsbau baut.