Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben heute vielleicht unsere bisher bedeutsamste Stunde im Bundestag. Das ganze Volk wartet seit Monaten darauf, daß hier endlich eine praktische Arbeit geleistet wird. Wir müssen es bedauern, daß wir heute erst dazu kommen. Aber wir haben den ernsten Willen, hier wirklich eine Arbeit zu leisten, die sich sehen läßt.
394 Deutscher Bundestag — 41. und 42. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1950
Meine Aufgabe sehe ich darin, dem Hause den Rahmen darzulegen, wie sich meine Fraktion dieses Wohnungsbaugesetz vorstellt. Daher gebe ich nur schlagwortartig die Gesichtspunkte an, die für uns bedeutsam sind.
Erstens. Der Wohnungsbau wird aus der Zwangswirtschaft herausgenommen und wird unter den Anreiz des einzelnen Baulustigen gestellt. Wir müssen den Weg gehen, von dem überflüssigen Konsum das Geld abzuzweigen und in den Wohnungsbau hineinzuführen. Den Anreiz zum Sparen für das eigene Haus, für die eigene Wohnung und den gemeinnützigen Wohnungsbau können wir gar nicht stark genug machen. Nach dieser Richtung sind folgende Gedanken maßgebend: erstens die Steuerbegünstigungen, zweitens die Baulandbeschaffung und drittens die Lockerung der Wohnungszwangswirtschaft.
Die Steuerbegünstigungen sind nach vier Gesichtspunkten hin zu beachten. Einmal die unverzinslichen Darlehen und Zuschüsse nach § 7 des Einkommensteuergesetzes. Zweitens die Abzüge nach § 10, wonach im Rahmen der zulässigen Sonderausgaben, insbesondere die Einzahlungen auf Bausparverträge steuerbegünstigt sind. Drittens die Grundsteuerbefreiung, die wir ungefähr auf 10 Jahre festgelegt sehen möchten. Wir denken dabei auch an die Gemeinden mit vielen kriegszerstörten Häusern. Diese Gemeinden haben dann einen so starken Grundsteuerausfall gegenüber früher und außerdem ihre zerstörten Häuser, daß ein Weg gefunden werden muß, damit dieser Ausfall an Grundsteuer einigermaßen gedeckt wird. An vierter Stelle führe ich den Punkt an, der heute morgen zur Beratung stand und den mein Herr Vorredner herausgestellt hat. Wir wollen dem kleinen Mann die Möglichkeit geben, daß er einen etwas größeren Vorteil hat, wenn er für sein Eigenheim und seine eigene Wohnung spart, gegenüber dem anderen, der nach § 7 c ganz große Beträge als unverzinsliche Darlehen oder als Zuschüsse für den Wohnungsbau von seinem versteuerbaren Einkommen abziehen kann. Auch nach dieser Richtung erwarten wir von der Regierung, wie uns das zugesagt wurde, daß bei der Einkommensteuernovelle die Begünstigung der kleinen Sparer erreicht wird, um den stärksten Anreiz zu dem langfristigen Sparen für das eigene Haus und für die eigene Wohnung zu geben.
Zweitens die Baulandbeschaffung. Da ist es klar, daß die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände eine starke Verpflichtung haben, Bauland zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen. Manchmal kommt es vor, daß solche Gemeinden kein baureifes Gelände haben. Dann müssen sie vielleicht einen Tausch gegen anderes Gelände durchführen; denn daran darf der Wohnungsbau nicht scheitern, daß es an Bauplätzen fehlt.
Der zweite Gesichtspunkt der Bauplatzenteignung wurde auch schon erwähnt. Wir befinden uns heute in einem Notstand in bezug auf die Bauplätze. Die Eigentümer der Bauplätze sind in vielen Fällen nicht bereit, sie zu einem angemessenen Preis abzugeben. Wir hätten es begrüßt, wenn wir schon in dieses Gesetz eine Art Enteignung hätten hineinarbeiten können. Es haben sich aber bei der Besprechung mit anderen Ausschüssen Schwierigkeiten ergeben; doch ist uns zugesagt worden, im Laufe des Jahres werde ein Gesetzentwurf vorgelegt, in dem diese Notlage beachtet und damit der Notstand möglichst beseitigt wird, so daß baureife Bauplätze tatsächlich enteignet werden können. Damit hoffen wir, dem Wohnungsbau einen erneuten Anreiz und einen erneuten Anstoß zu geben.
Ich komme zur Finanzierung der Wohnungsbauten. Hierüber hat uns der Herr Wohnungsbauminister schon hinreichende Darlegungen gemacht. Ich verzichte auf einzelne Zahlen, aber die Bedingungen möchte ich erwähnen. Wir brauchen erstens hinreichend Kapital. Dabei ist es möglich, daß wir entweder durch eine Ermächtigung der Regierung auf die Realkreditinstitute einen Druck ausüben können, damit die notwendigen Gelder gegen erste und zweite Hypotheken gegeben werden. Wenn es aber gelingt, das Ziel ohne Zwang zu erreichen, dann ist es um so besser. Auf keinen Fall darf aber der Wohnungsbau daran scheitern, daß die Realkreditinstitute nicht bereit wären, die notwendigen Gelder zur Verfügung zu stellen. Hier hat die Regierung eine Aufgabe, und wir müssen uns darauf verlassen, daß daran der Wohnungsbau nicht scheitert.
Wir müssen auch tragbare Zinssätze bekommen. Das ist ein schwieriges Kapitel. Trotzdem müssen wir Mittel und Wege suchen, gerade für die ersten Hypotheken hinreichend Kapital zu tragbaren Zinssätzen zu bekommen bei 1 Prozent Tilgung.
Endlich ist in bezug auf die Finanzierung noch anzuführen: wir müssen eine sofortige Vorfinanzierung sichern. Wir sind mit dem Gesetz schon reichlich spät dran. Daher ist es notwendig, daß die Regierung alle Schritte unternimmt, damit der Anfang des Wohnungsbaus in diesem Jahr nicht darunter leidet, weil die uns genannten Gelder noch nicht fließen. Also unter allen Umständen eine Vorfinanzierung, wenn es nicht gelingt, die Gelder selbst rechtzeitig flüssig zu machen.
Ich komme zur Art der Wohnungsbauten. Wir denken an erster Stelle an den Wiederaufbau der kriegszerstörten Wohnungen. An zweiter Stelle und ebenso wichtig ist und bleibt der soziale Wohnungsbau für die breiten Schichten des Volkes. Darin sind wir uns mit meinem Vorredner und vermutlich mit allen Parteien einig. Wir brauchen nähere Bestimmungen in bezug auf Größe, Ausbau und Miete. Diese Dinge sind wichtig. Sie sollen hier nicht näher erörtert werden, weil Mauern entstehen könnten, über die man bei der ernstlichen Beratung im Ausschuß nicht hinwegkommen kann. Ich bin der Überzeugung, daß wir zusammen in dem Ausschuß, in dem bisher eine sehr harmonische Arbeit geleistet worden ist, auch diese Schwierigkeiten überwinden werden.
Die Mieten im sozialen Wohnungsbau müssen für die breiten Schichten des Volkes tragbar sein. Wir können unterscheiden die Altmieten, die beschränkten Neubaumieten und die freien Marktmieten. Es gibt hier eine Reihe von Gesichtspunkten. Worauf es aber ankommt, ist folgendes. Der kleine Mann muß eine Miete bekommen, die er auch tragen kann. Vielleicht gibt es eine Abwanderung von den am wenigsten leistungsfähigen Mietern nach den bisherigen Altbauten mit der billigeren Miete. Wie dem aber auch sei, wir müssen die äußersten Anstrengungen für tragbare Mieten machen. Nun sind wir uns über eines klar. Die Miete ist eine Funktion der vom Staat aus öffentlichen Mitteln gegebenen
Deutscher Bundestag -- 41. und 42. Sitzung. Bann. Freitag. den 24. Februar 1950 1395
unverzinslichen Darlehen. Je größer der Beitrag I an öffentlichen Mitteln ist, desto kleiner kann die Miete sein und umgekehrt. Auch da heißt es einen Ausweg finden. Wenn wir zum Beispiel 6000 D-Mark für eine einzelne „soziale" Wohnung an unverzinslichen Darlehen geben würden, und wir haben zwei andere Baugesuche, die beide befriedigt werden können, wenn jeder nur 3000 D-Mark bekommt, dann würden wir mit demselben Betrag zwei „soziale" Wohnungen schaffen. Das sind Erwägungen, die alle beachtet werden müssen: der Mietpreis einerseits und die Höhe des .unverzinslichen Darlehns andererseits.
Der Kreis der Mieter ist dadurch charakterisiert, daß der soziale Wohnungsbau für die breiten Schichten der Bevölkerung bestimmt ist. Es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt, nämlich den Kreis der Personen, die der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Vielleicht könnte man sagen, daß eine Person, die 600 D-Mark Bruttoeinkommen im Monat hat, eigentlich die billigeren Wohnungen, die für die breiten Schichten des Volkes bestimmt sind, gar nicht bekommen dürfte. Auch das ist eine beachtliche Erwägung. Aber wir wünschen trotzdem einen Maßstab, ein gewisses objektives Merkmal zu haben, nach dem die Kreise für die billigen Wohnungen festgestellt werden.
Wir brauchen weiter eine Senkung der Baukosten. Wir haben in dem Sektor der Bauwirtschaft keine Zwangswirtschaft mehr. Also müssen wir einen gesunden Wettbewerb erstreben. Ein gesunder Wettbewerb ist nur dann möglich, wenn eine Anzahl von Angeboten vorliegt. Wenn wir zum Beispiel mit unserem großen Programm herausrücken, dann besteht die Gefahr, daß die derzeitige Bauwirtschaft, weil die Konkurrenz fehlt, nur zu höchsten Preisen Bauten übernimmt. Wenn wir den gesunden Wettbewerb haben wollen, müssen wir also dafür sorgen, daß in der Bauindustrie, in der gesamten Bauwirtschaft, Investitionen gemacht werden können, damit das Angebot immer etwas größer ist als die Nachfrage. Die Regierung wird sich deshalb zu überlegen haben, ob nicht langfristige Kredite an die Bauwirtschaft gegeben werden sollten. um deren Apparat auszustatten und zu vergrößern, damit von dort her ein Druck auf die Preise kommt und nicht durch unser großes Bauprogramm eine Preissteigerung herbeigeführt wird.
Dazu muß die Bindung der zinslosen Darlehen an preiswerte Kostenvoranschläge kommen. Es ist selbstverständlich, daß jeder so billig baut, wie es möglich ist. Aber die Länder können für die Hergabe ihrer unverzinslichen Darlehen auch Richtlinien aufstellen, wonach sie bestimmen: nur wenn die Kostenvoranschläge den und den Preis nicht überschreiten, werden zinslose Darlehen gegeben.
Ich möchte noch einen anderen Gesichtspunkt herausstellen. Das Schwergewicht im Wohnungsbau möchten wir auf das Eigentum gelegt sehen. Wer ein eigenes Haus besitzt, ist der sparsame, der zufriedene, der glückliche Mann; dessen ganze Familie lebt ganz anders, als wenn sie in eine Wohnung in irgendeinem Stockwerk hineingepreßt ist. Es fragt sich also, ob wir gerade das Sparen für das Eigenheim und das Sparen, für das Wohnungseigentum nicht noch weiter fördern können. Je mehr Eigentum an den Wohnungen, desto zufriedener ist die Bevölkerung. Dabei wäre auch zu erwägen, ob sich nicht gerade die gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmungen etwa stärker auf Erwerbshäuser verlegen könnten, soweit es außerhalb der Großstädte möglich ist, damit auch ein Mitglied durch Sparen allmählich das kleine ein- oder zweistöckige Haus erwerben kann und damit das Wohnungsbauunternehmen mit diesem Geld wieder neue Wohnungen erstellt.
Als letzten Grundsatz möchte ich die Gleichstellung des privatwirtschaftlichen und des gemeinwirtschaftlichen Wohnungsbaus herausstellen. Jeder ist uns recht, der baut, der billig und zu preiswerten Mieten baut. - Aber diese preiswerten Mieten sollen auch eine dauernde Geltung haben, sie sollen nicht bloß von heute auf morgen gelten. Außerdem soll derjenige, der gebaut und vom Staat ein zinsloses Darlehen bekommen hat, beim Verkauf seines Hauses keinen unverdienten Gewinn machen. Auch dieser Gesichtspunkt ist beachtlich.
Meine Frauen und Männer! Wir haben eine Gemeinschaftsleistung zu vollbringen. In absehbarer Zeit müssen wir Millionen von Wohnungen bauen. Das Volk soll wissen: der Bundestag ist sich einig in dem Willen, diese Schicksalsfrage des deutschen Volkes nach besten Kräften zu lösen.