Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 31. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte zunächst den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Matthes, die Namen der fehlenden Mitglieder bekanntzugeben.
Es fehlen wegen Krankheit die Abgeordneten Frau Brökelschen, Frau Brauksiepe, Weiß, Euler, Dr. Pfleiderer, Fisch, Wittmann, Richter, Wagner, Hoecker, Dr. Gülich, Blachstein, Schönauer. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Gockeln, Lenz, Dr. Henle, Dr. Bucerius, Schmitt, Naegel, Dr. Baur, Kemmer, Schill, Oskar Müller, Kurt Müller, Reimann, Harig, Leibbrand, Nuding, Freiherr von Aretin, Wittenburg, Walter, Dr. Wuermeling, Altmaier, Behrisch, Brünen, Freitag, Neumann, Dr. Suhr.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen weiter mitzuteilen: Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat am 23. Januar dieses Jahres die Anfrage Nr. 24 der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 333, beantwortet. Die Antwort ist, glaube ich, schon an einen großen Teil der Abgeordneten verteilt worden.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Xnderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache Nr. 420).
Der Ältestenrat ist sich darüber einig geworden, daß der Antrag ohne Debatte an den zuständigen Ausschuß überwiesen werden soll.
Wird seitens eines der Herren Antragsteller das Wort zur Begründung gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann darf ich das Einverständnis des Hauses dahin feststellen, daß der Antrag Drucksache Nr. 420 als dem Ausschuß für Finanz- und Steuerwesen überwiesen gilt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Dezember 1949 .
Ehe ich dem Herrn Berichterstatter das Wort erteile, darf ich Ihnen sagen: der Ältestenrat ist der Auffassung, daß für die Begründung etwa
15 Minuten, für eine Aussprache etwa 40 Minuten ausreichen werden. Ich bitte, bei einer eventuellen Aussprache diesen Vorschlag in bezug auf die Zeiteinteilung gebührend berücksichtigen zu wollen.
Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Raestrup.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der uns hier vorliegt, ist in der ersten Lesung wohlwollend besprochen worden. Ich werde meine Berichterstattung in zwei Teile einteilen und zunächst einmal über den Inhalt des ECA-Abkommens mit Amerika sprechen, wobei Sie es mir, glaube ich, erlassen werden, daß ich auf die umfangreiche Arbeit eingehe, die der Ausschuß in dieser Hinsicht zu leisten hatte. Wenn ich wirklich jeden einzelnen Punkt des Vertrages hier erörtern wollte, würde das einige Stunden erfordern.
Ich darf voraussetzen, daß Sie, meine Damen und Herren, alle den Inhalt des Abkommens kennen. Ich will nur kurz über einige Bedenken sprechen, die im Ausschuß eingehend behandelt worden sind.
Zunächst einmal geht es um die Bestimmung, daß Deutschland — im Gegensatz zu anderen Ländern — für die Verbindlichkeiten aus den ERP-Lieferungen aufkommen soll. Wenn auch diese Verbindlichkeiten nur auf 700 Millionen geschätzt werden, so ist doch diese Sonderbehandlung für Deutschland geeignet, Besorgnisse zu wecken. Leider sind alle Bemühungen, den Vertrag in dieser Hinsicht abzuändern, erfolglos geblieben. Trotzdem hat der Ausschuß diese Bedenken nach eingehender Aussprache überwunden und empfiehlt die Annahme des Vertrages trotz dieser Bestimmung.
Wesentlich und interessant für uns ist dann noch die Auflage, daß wir der Stadt Berlin, also dem französischen, englischen und 'amerikanischen Sektor von Berlin, ganz besonders Hilfe gewähren sollen. Im Ausschuß ist die Frage erörtert worden, ob es zweckmäßig sei, und zwar aus psychologischen Gründen, der Berliner Bevölkerung sofort durch ein Gesetz eine Sicherheit für diese Leistungen zu geben. Wir sind aber im Ausschuß der Auffassung gewesen, daß das nicht angebracht sei; wir wollen uns vielmehr erst später über einen Gesetzentwurf einigt werden, der der Stadt Berlin bestimmte Rechte gibt und der Bundesregierung die Verpflichtung auferlegt, für die schwerleidende Stadt Berlin zu sorgen.
Der Vertrag sieht weiter die Schaffung von Möglichkeiten für eine feste Währung vor, entweder durch Schaffung einer einheitlichen Währung für Westeuropa oder aber durch feste Bedingungen darüber, wie die einzelnen Währungen zu bewerten sind.
Weiter müssen wir uns verpflichten, die Liberalisierung des Handels einzuführen. Wir können diese Verpflichtung eingehen, wenn sie von allen übernommen wird, also alle Partner gleichberechtigt sind, und wenn namentlich im Hinblick auf die Landwirtschaft der Importausgleich eingeführt wird. Ich weise darauf hin, daß der deutschen Bundesregierung in diesem Vertrag noch die ausdrückliche Verpflichtung auferlegt worden ist, die Landwirtschaft weiterzuentwickeln und zu schützen.
Das ist das Wesentliche, was ich Ihnen zum Inhalt des Vertrages zu sagen habe. Ich komme nunmehr zu der Vorlage der Bundesregierung betreffend die Genehmigung dieses Vertrages. Dieser Vertrag, meine Damen und Herren, bedarf
der Zustimmung des Bundestages und der Unterschrift des Bundespräsidenten. Die Bundesregierung hat deshalb den Gesetzentwurf eingebracht mit der Bitte an den Bundestag, die Genehmigung zum Abschluß des Vertrages zu erteilen.
An der Vorlage des Bundesrates hat der Ausschuß einige Änderungen vorgenommen, die Sie in dem Ausschußantrag Drucksache Nr. 398 verzeichnet sehen. Artikel I und II hat der Ausschuß unverändert genehmigt. Danach soll aber ein neuer Artikel III eingeführt werden. Ferner hat — das bitte ich in dem Antrag Zu Drucksache Nr. 398 zu beachten — auch Artikel IV auf Vorschlag des Ausschusses eine Änderung erfahren, die zwar rein formeller Natur ist, die ich aber korrekterweise Ihnen vortragen muß.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Vorschlag der Regierung und dem des Ausschusses besteht in folgendem: Wir sind, gestützt auf ein Rechtsgutachten, nicht der Auffassung, daß in dieser Frage der Bundesrat das Kontrollrecht hat, sondern stehen auf dem Standpunkt, daß das eine Angelegenheit der Bundesregierung ist. Weiter war der Ausschuß der Meinung, daß man die Worte „Der Bundesminister für den Marshallplan" ersetzen solle durch die Worte „Die Bundesregierung". Dieser Vertrag ist ja nicht allein eine Angelegenheit des ERP-Ministeriums, sondern alle diese Fragen spielen ja auch in das Landwirtschaftsministerium, in das Wirtschaftsministerium und selbst in das Finanzministerium hinein.
Das, meine Damen und Herren, sind die Vorschläge, die ich namens des Ausschusses Ihnen zu machen hatte. Der Ausschuß ist der Überzeugung, daß es sich bei diesem Vertrag um ein gewaltiges und wichtiges Gesetzeswerk handelt. Es ist der erste Vertrag, den unsere Bundesregierung selbständig hat abschließen können. Der Ausschuß verhehlt sich nicht die außerordentlichen Schwierigkeiten, die bei der Durchführung dieses Vertrages entstehen. Aber er hat das feste Vertrauen, daß es dem deutschen Volke gelingen wird, diesen Vertrag zu erfüllen und damit als gleichberechtigter Partner in die Gemeinschaft der westeuropäischen Völker aufgenommen zu werden. Bisher waren wir ja nur formell gleichberechtigt. In Wirklichkeit war es doch so, daß das deutsche Stimmrecht von einem Beauftragten der Militärregierung ausgeübt wurde. Hier tritt die Bundesregierung erstmalig selbständig als Vertragspartner auf. Der Ausschuß wird — das war die überwiegende Meinung seiner Mitglieder zu seinem Teil daran mitwirken, daß durch die Erfüllung dieses Vertrages Deutschland den Anschluß findet an die westeuropäische Gemeinschaft und damit auch gleichberechtigter Partner beim wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas wird.
Ich bitte Sie nunmehr im Auftrage des Ausschusses, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, wobei ich mir noch abschließend den Hinweis darauf gestatten möchte, daß die vom Ausschuß vorgenommenen Änderungen teils einstimmig, teils mit größter Mehrheit beschlossen worden sind. Ich bitte, dementsprechend abzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache der zweiten Beratung.
) Zunächst idarf ich noch darauf hinweisen, daß ein Abänderungsantrag der Fraktion der Bayernpartei vorliegt. Es wird beantragt, in Artikel III vor den Worten „im Wege" die Worte „mit Billigung des Bundesrates" einzufügen. Ich darf wohl im Einverständnis mit den Herren Antragstellern feststellen, daß es nach der jetzigen Vorlage Drucksache Nr. 398 „Artikel IV" heißen muß.
Als erster Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berichterstatter ist auf die materielle Bedeutung des Abkommens nicht mehr eingegangen, nachdem der Bundesminister bereits in der ersten Beratung den Inhalt des Gesetzentwurfes eingehend dargelegt hat und nachdem die Redner der verschiedenen Fraktionen ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht haben. Immerhin muß man, glaube ich, ein Bedenken nochmals unterstreichen. Dieses Bedenken bezieht sich auf die gefährliche Wirkung, die Artikel XIV des Abkommens haben kann, nachdem in dem DreimächteKommuniqué von Washington vom 8. April 1949 zugesagt worden ist, daß Deutschland als vollberechtigtes Mitglied an der Organisation für die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit teilnehmen soll. Die Bestimmungen des Artikels XIV gefährden nach unserer Auffassung diese Gleichberechtigung aufs schwerste in dem Falle, daß sie von den Hohen Kommissaren in irgendeiner Weise einengend ausgelegt werden.
Weiter möchte ich gerade im Hinblick auf das Agrarland Bayern nochmals auf die unerhörten Gefahren hinweisen, die eine allzu große Liberalisierung des Handeis und der Wirtschaft für die Landwirtschaft mit sich bringt. Wir merken jetzt schon in Bayern die Schwierigkeiten für Milch und Milchprodukte, für Vieh und Gemüse. Käse verdirbt bereits, weil eine zu große Menge ausländischen Käses importiert wird. Auf diese großen Gefahren muß man mit einem Satz hinweisen.
Im übrigen möchte ich auf meinen Zusatzantrag zu sprechen kommen, daß nämlich in Artikel IV vor „im Wege" mit „Zustimmung des Bundesrats" eingefügt wird. Es handelt sich um eine grundsätzliche Angelegenheit. Nach Artikel 83 der Bundesverfassung sind nun einmal grundsätzlich die Länder für die Durchführung der Bundesgesetze zuständig. Der Zweck dieses Artikel 83 war, dia Grenzen der Exekutive abzustecken und die Möglichkeit von verfassungswidrigen Übergriffen auf die Rechtsetzung zu verhindern. Hier nun ist dies gegeben, daß die Länder an der Durchführung beteiligt sind, und sei es nur durch die Überwachung und Aufsicht über die Durchführung. Diesen Standpunkt hat der Bundesrat eindeutig vertreten. Er sagt in seiner Begründung, daß den Ländern „unmittelbar oder durch Wahrnehmung von Aufsichtsbefugnissen mittelbar" gemäß Artikel 83 die Ausführung aller Bundesgesetze grundsätzlich zukommt. Es heißt dort weiter: „Im übrigen behält diese Bestimmung des Grundgesetzes ausdrücklich eine anderweitige bundesgesetzliche Regelung vor, wie sie in der vorgeschlagenen Änderung vorliegt."
Wenn nun das Gutachten des Justizministeriums gegen diese Stellungnahme angeht und zum Ausdruck bringt, daß die Einfügung dieser Worte die Einengung des durch das Grundgesetz geregelten Systems der Gewaltenteilung bedeute und daß es
um so bedenklicher sei, als diese Einengung nicht zugunsten der Legislative im ganzen, sondern nur zugunsten eines Teils der Legislative erfolge, so muß man gegen diese Auffassung aufs schärfste Widerspruch erheben. Es ist nun einmal in Artikel 80 der Bundesverfassung selber festgelegt, daß der Bundesrat diese besondere Stellung hat und daß die Zustimmung des Bundesrats zu gewissen exekutiven Maßnahmen notwendig ist. Das Gutachten des Bundesjustizministeriums ist geradezu verfassungswidrig. Ich hätte sehr gewünscht, daß in diesem ersten Fall, in dem die Stellung des Bundesrats — die für die ganze künftige Entwicklung der Beteiligung der Länder bedeutsam ist — verfassungsrechtlich umrissen wird, der Bundesrat auch hier seine Stellung zum Ausdruck gebracht hätte.
— Leider ist hier wiederum der Bundesrat nicht vertreten.
Obwohl er nach der Verfassung so große Rechte hat, nimmt er diese in keiner Weise wahr und vertritt sie hier nicht gegenüber dem Bundestag und der Öffentlichkeit.
— Ich, bedaure es aufs tiefste, daß er nicht anwesend ist. Ich bitte aber den Bundestag, unserm Zusatzantrag Rechnung zu tragen, da es für uns wesentlich ist, ob der Bundestag diese geringen föderalistischen Möglichkeiten der Verfassung auswerten will. Selbst wenn man die obligatorische Notwendigkeit der Zustimmung nicht bejaht, kann jeder Föderalist aber d e m zustimmen, was nach Artikel 80 Absatz 2 notwendig ist. Ich bitte in diesem Sinne wenigstens die wenigen Föderalisten in diesem Hause, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Baade.
Meine Damen und Herren! Als wir uns anläßlich der ersten Lesung mit der Frage der Ratifizierung dieses ersten deutschen Staatsvertrags beschäftigt haben, war es leider nötig, eine Reihe von negativen Aspekten des Marshallplans und der deutschen Einschaltung in den Marshallplan hervorzuheben. Es war nötig, davon zu sprechen, daß es bisher in Europa keinen einheitlichen Plan, sondern ein Bündel von 16 isolierten Plänen gibt. Es war davon zu sprechen, daß der Anteil Deutschlands an der bisherigen und der zu erwartenden Hilfe in einem Mißverhältnis zu der ungeheuren Wiederaufbauaufgabe in Deutschland steht. Es war auch nötig, davon zu sprechen, daß in der ersten Hälfte des Marshallplans an Stelle eines einheitlichen Wiederaufbaus in Europa ein Aufbau rings um Deutschland herum erfolgt ist. Dies wird vielleicht am besten durch die Tatsache charakterisiert, daß, während in Deutschland 4 Millionen Tonnen Stahlkapazität zerstört werden sollten, direkt oder indirekt mit Marshallplanmitteln in unseren Nachbarländern 11 Millionen Tonnen Stahlkapazität aufgebaut werden sollen.
Das sind negative Aspekte, die damals hervorgehoben werden mußten. Ich glaube aber, wir würden der historischen Bedeutung dieses Augenblicks nicht gerecht werden, wenn wir nicht mit allem Nachdruck auch die positiven Tatsachen
hervorheben wollten. Es ist schließlich zum ersten Mal — ich glaube, nicht zu übertreiben —, in der menschlichen Geschichte, daß ein Kontinent einem anderen Kontinent eine so gigantische Hilfe erweist.
Und wenn wir als Deutsche heute über die Ratifizierung des Vertrags über den Marshallplan beschließen, so ist es vor allem nötig auszusprechen, daß es sicher zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit zu verzeichnen ist, daß in eine so großzügige Hilfe nicht nur die Verbündeten, sondern auch die Gegner eines Weltkriegs eingeschlossen wurden. Das sind Dinge, die man nie vergessen darf.
Diese Hilfe belastet jeden Steuerzahler in den Vereinigten Staaten schwer genug. Es war mir sehr eindrucksvoll, im Zuge von Vorlesungen, die ich an der Harvard-Universität gehalten habe, einen Professor seinen Studenten auseinandersetzen zu hören, daß ihn persönlich der Marshallplan 300 Dollar im Jahr an Steuern kostet; 300 Dollar, für die er sich eine sehr viel schönere Verwendung im eigenen Hause denken könnte, als sie in das Rattenloch Europa zu schütten.
Wenn wir berechtigte Sorge haben, ob das Maß an Hilfe, das dieses so schwer verstümmelte Deutschland bis zum Jahre 1952 aus dem Marshallplan bekommen wird, ausreichen wird, um dieses fast lebensunfähig gemachte Gebiet lebensfähig zu machen, so müssen wir auch diese Frage ein wenig mit den Augen der Amerikaner ansehen. Amerika erwartet von uns die Antwort auf die Frage: Glaubt ihr überhaupt, jemals wieder auf die Beine kommen zu können? Ich glaube, da ist es doch notwendig, einmal etwas zu zeigen, was bisher in der europäischen Debatte über den Marshallplan den Amerikanern vielleicht zu wenig gezeigt worden ist: europäischen Optimismus. Es ist unter uns Europäern ein so tiefgebender Pessimismus bezüglich der Lebensfähigkeit unseres Erdteils eingefressen, daß es wirklich einmal notwendig ist, unter voller Würdigung der Schwierigkeiten, in denen Europa sich befindet, auszusprechen: Dieses Europa kann lebensfähig gemacht werden! Dieses Europa kann sogar nicht nur auf der Grundlage einer allgemeinen Dürftigkeit, einer ewigen austerity, lebensfähig gemacht werden. Dieses Europa kann, wenn es von Amerika nicht nur das Geld nimmt, sondern auch die Ratschläge befolgt, die uns die Amerikaner bezüglich der Vereinigung des europäischen Wirtschaftsgebiets geben, nicht nur ein lebensfähiger, sondern ein wohlhabender Kontinent sein.
Der Administrator des Marshallplans, Herr Hoffman, hat, als er in Paris im vorigen Herbst den europäischen Nationen mit ziemlich erheblichem Nachdruck empfehlen mußte, auf dem Gebiet der Beseitigung der inneren Handelshemmnisse, auf dem Gebiet der Liberalisierung nun wirklich etwas Positives zu zeigen, gleichzeitig etwas sehr Konstruktives gesagt. Er hat gesagt, daß er es als Amerikaner überhaupt nicht verstehen könnte, wenn die europäischen Nationen die ungeheure Wohlstandschance, die in der Schaffung eines einheitlichen Marktes mit 270 Millionen Verbrauchern liegt, nicht sehen würden. Jeder Amerikaner ist davon durchdrungen, daß in der Tatsache eines einheitlichen Marktes mit 140 Millionen Verbrauchern eine der Hauptursachen für die Höhe des Reallohns in Amerika liegt, eines Reallohns, der im großen gerechnet das Vierfache eines durchschnittlichen Reallohns
in Europa beträgt. Die Amerikaner wissen es, daß sie ihren Reichtum in erster Linie dem Bestehen dieses weiten Wirtschaftsgebietes und der Arbeitsteilung in einem einheitlichen Gebiet mit 140 Millionen Verbrauchern verdanken. Es wäre unerträglich, wenn die Europäer die ungeheure Chance, die in der Möglichkeit der Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes mit 270 Millionen Verbrauchern liegt, nicht ausnutzen wollten. Ich glaube, hier ist der Augenblick, wo wir Deutschen nicht nur mit den Lippen, sondern mit der Tat bekennen und zeigen müssen, daß wir ebenso gute Europäer sind wie die Amerikaner. Es ist ja leider kein Zweifel, daß sich in den Verhandlungen in Paris im allgemeinen die Amerikaner als die besten Europäer erwiesen haben. Das heißt: während die einzelnen europäischen Nationen ihre nationalen, egoistischen, autarkischen Interessen in den Vordergrund gestellt haben, haben die Amerikaner immer wieder darauf gedrungen, daß wir endlich einmal anfangen, europäisch zu denken und europäisch zu handeln. Ich glaube, wenn es in diesem Konzert der europäischen Nationen ein Land gibt, das auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen ist, in dieser Beziehung ernst zu machen, dann ist es Deutschland.
Der Herr Kollege aus Bayern hat vollkommen recht: die Liberalisierung des europäischen Handels ist nicht nur ein Zuckerlecken; sie verpflichtet uns, für die schönere und sichere Zukunft auch Opfer zu bringen. Das, was die Amerikaner haben und was auch wir haben möchten — ein steigender allgemeiner Wohlstand —, muß zunächst durch Opfer erkauft werden, die jedes einzelne Land zu bringen hat. Diese Opfer müssen gebracht werden, und die Ehrlichkeit des europäischen Bekenntnisses bei jedem europäischen Land wird an der Bereitwilligkeit gemessen, diese Opfer zu bringen. Deutschland ist bereit, diese Opfer zu bringen, selbstverständlich auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. Aber wir wissen, daß diese Opfer sich lohnen.
Ich weiß, daß sich heute Millionen von amerikanischen Steuerzahlern überlegen, ob sie ihren Abgeordneten schreiben sollen, im nächsten Jahr die Geldmittel für Europa nochmals zu bewilligen oder nicht. Ich weiß, daß die Bereitwilligkeit, diese Gelder aufzubringen, heute in Amerika eine große Krisis durchmacht. Die Amerikaner denken auch in diesen Fragen einfacher. Sie denken, daß es doch nicht zu ertragen wäre, ihre schönen Dollars andauernd in ein Rattenloch zu schütten. Die Antwort, die sie von Europa erwarten, heißt klipp und klar: Europa ist kein Rattenloch, Europa wird auf die Beine kommen, Europa wird sich einigen. Wenn ein Land in Gefahr wäre, auf Grund seiner natürlichen Struktur ein Rattenloch zu sein, dann wäre es Deutschland. Und unser Bekenntnis heißt: Deutschland ist kein Rattenloch, Deutschland ist kein hoffnungsloser Fall im europäischen Wiederaufbau, Deutschland wird mit den europäischen Nachbarnationen tatkräftig daran gehen, ein einheitliches und lebensfähiges Europa zu schaffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf von Spreti.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute zum ersten
Male vor die Frage gestellt sind, ob wir in der zweiten und dritten Lesung diesem Vertrag zustimmen, so dürfen wir nicht vergessen, daß es der erste Vertrag ist, den wir auf internationaler Basis abschließen, der uns außerdem auf einem internationalen Boden auch eine Gleichberechtigung verschafft. Ich halte es daher für eine Taktpflicht und vielleicht sogar für eine Pflicht des ganzen deutschen Volkes, von hier aus dem amerikanischen Volk den Dank auszusprechen, das sich fünf Jahre nach einem total verlorenen Krieg bereit erklärt hat, uns in unserer Not zu helfen und uns in unseren Schwierigkeiten — ob es Arbeitslosigkeit, Flüchtlingsfrage, ob es die Frage des Wiederaufbaus unserer Städte, ob es der Wiederaufstieg unserer Wirtschaft und Landwirtschaft ist — in größerem Maße Gelder zur Verfügung zu stellen, und all das, wie soeben Herr Professor Baade sagte, unter den allergrößten Opfern auch des amerikanischen Steuerzahlers selbst.
Ich glaube, weiter feststellen zu dürfen, daß hier das amerikanische Volk sich auch in der Tat bereit gezeigt hat, uns behilflich zu sein und dazu einen Beitrag zu leisten, den europäischen Gedanken zu verwirklichen, und zwar einen europäischen Gedanken, der bei uns nicht auf eine spekulative oder auf irgendeine autarke Weise gewachsen ist, sondern vielleicht gerade aus den großen und tiefen Erfahrungen der letzten Jahre, die uns die Not am eigenen Leibe haben spüren lassen; diese Not, die uns europäisch zusammengeschweißt, die uns auch gelehrt hat, daß, wenn wir — alle Länder, ob es England, ob es Frankreich ist, oder wie sie alle heißen mögen — hier nicht zusammenstehen, der europäische Gedanke, die ganze europäische Welt zugrunde geht.
In diesem Sinne müssen wir auch hier betonen, daß wir in diesem europäischen Gedanken einer Überzeugungsfrage nachgehen und nicht, wie ich schon sagte, einer spekulativen Frage. Ich bitte das amerikanische Volk, uns, der deutschen Regierung und dem deutschen Parlament weiter die Chance zu geben, hier unseren Verpflichtungen nachzukommen, bitte aber auch darum, daß die anderen Nachbarn bereit sind, uns zur Verwirklichung dieses europäischen Gedankens die Hand zu reichen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Meine Freunde hatten nicht erwartet, daß man sich im sogenannten ERP-Ausschuß mit dem materiellen Inhalt des Gesetzes, mit dem zweiseitigen ERP-Abkommen grundlegend beschäftigen wird. Dieses zweiseitige Abkommen ist ein Befehl.
— Sie wissen das ganz genau, daß es sich hier nur um einen Befehl handelt, den Sie nur entgegennehmen konnten.
Nach den Lobgesängen des Harvard-Professors Dr. Baade — ich hatte den Eindruck, daß er seine damalige Rede vor den Honoratioren in USA hier wiederholte —
bin ich gezwungen, wenigstens ein paar Wermuttropfen in diesen Hoffnungswein des Marshallplans hineinzuschütten.
Etwas, meine Damen und Herren, zum materiellen Inhalt und wirtschaftspolitischen Hintergrund des zweiseitigen sogenannten ERP-Abkommens. Diesen ERP-Vertrag können Sie nur dann verstehen — seine Bedeutung und auch seine Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft —, wenn Sie sich einmal Klarheit über den gegenwärtigen Stand der kapitalistischen Weltwirtschaft, über die schon rasanten Auswirkungen der Krise verschaffen wollen. Die Washingtoner Regierungskreise hatten ursprünglich die Hoffnung, diese Krise in den USA mit Hilfe des Marshallplanes und der bekannten Rüstungsprogramme abwenden zu können. Aber, meine Damen und Herren. das ist diesen Herren, wie Sie selber wissen, nicht gelungen.
Einige Beispiele zur gegenwärtigen Lage in den USA, die man hier wohlweislich verschweigt. Die Lieferaufträge für Betriebsausrüstungen sind in den USA stark zurückgegangen. Der Rückgang belief sich im Jahre 1949 auf 26 Prozent. Zur Zeit können 600 000 Automobile in den USA nicht abgesetzt werden, und dafür sucht man hier in Europa einen Markt. Meine Damen und Herren! Die Schulden in den USA steigen. Die Gesamtschuldsumme der Privatpersonen stieg von 1945 bis 1948 von 55,4 Milliarden Dollar auf 84,6 Milliarden Dollar, etwas, was Sie, meire Herren von der Rechten, im Zuge der Durchführung der amerikanischen Wirtschaftspolitik demnächst auch in Deutschland zu erwarten haben. Hinzu kommt die Absatzsenkung in den Warenhäusern, die im vergangenen Jahre 12 bis 14 Prozent betragen hat, und zwar bei vollen Magazinen. Das, Herr Professor Baade, ist das Bild von der amerikanischen Prosperität. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen und Kurzarbeiter in den USA schätzt man zur Zeit schon auf 8 bis 9 Millionen, und in der übrigen kapitalistischen Welt zählt man heute insgesamt 40 Millionen Arbeitslose und Kurzarbeiter.
Das Hauptmerkmal der gegenwärtigen Lage in Europa ist: zu wenig Export, zu viel Import. Die Passivspitze der Handelsbilanz aller marshallisierten Staaten erreichte im zweiten Quartal des Jahres 1949 die Höchstsumme von 1,6 Milliarden Dollar. Davon entfällt allein auf den Handel mit den .USA eine Milliarde Dollar. Nach einer Meldung der „New York Times" vom 23. Dezember 1949 liegen allein in den 4 Marshallplanländern Westeuropas gegenwärtig Produktionskapazitäten von 6 Millionen Tonnen Stahl brach, davon allein über 3 bis 4 Millionen Tonnen Stahl in Westdeutschland.
Das ist, meine Damen und Herren, in kurzen Zügen die Lage des kapitalistischen Teiles der gegenwärtigen Weltwirtschaft. Über den anderen Sektor, über den sozialistischen und fortschrittlichen Sektor der Weltwirtschaft, brauche ich hier keine großen Ausführungen zu machen,
da sein wirtschaftlicher Aufschwung und die dort erzielten Erfolge schon die ganze fortschrittliche Welt begeistern.
Bei dieser Lage — hören Sie nur gut zu! — war es durchaus verständlich, daß Mr. Hoffman im Oktober in Paris neue Forderungen stellte, um den bankrotten Marshallplan zu retten und neue Profitmöglichkeiten für die krisenerschütterte USA-Wirtschaft zu finden. Er hat dabei das System der Liberalisierung ausgedacht. Er will damit den Marshallplan, das große Geschäft, noch einmal retten. Daß es sich um ein Geschäft, um ein sehr gutes Geschäft handelt, meine Herren von der CDU, mußte sogar Ihre eigene Zonenzeitung, die „Allgemeine Kölnische Rundschau", in ihrem Wirtschaftsteil erst kürzlich zugeben. Hier schreibt man darüber unter der Überschrift „270 Millionen Kunden" und gibt eine Äußerung von Mr. Hoffman wieder:
Schon heute, hat Hoffman gesagt, habe das Hilfsprogramm bereits bemerkenswert hohe Dividenden abgeworfen, und wenn es Europa gelinge, mit Hilfe des ERP, des Europäischen Hilfsprogramms, seine Grundprobleme zu lösen und sich zu einem bedeutenden Abnehmer der industriellen und landwirtschaftlichen Erzeugnisse der USA zu entwickeln, so würden sich die Marshallplan-Investitionen noch besser verzinsen. Es habe 350 bis 380 Milliarden Dollar gekostet, um den Krieg zu gewinnen. Wenn es jetzt gelinge, mit nur 15 Milliarden Dollar den Frieden und außerdem 270 Millionen Kunden für die USA zu gewinnen, so werde der Beweis erbracht sein, daß der Marshallplan das größte Geschäft der Weltgeschichte war.
So geschrieben in Ihrer eigenen Zeitung; ich frage dafür nicht die Verantwortung. Aber der Redakteur hatte, unter uns gesagt, recht.
Es ist bekannt, daß schon der Gegensatz zwischen den USA und England stark im Anwachsen ist. Cripps sieht nur noch einen Ausweg, um der Dollar- und Marshallisierung Englands zu entgehen, nämlich die Bildung eines sogenannten Nordblocks gegenüber Fritalux und sonstigen Gebilden, die in Westeuropa auf Befehl Wallstreets errichtet werden sollen. Cripps hat bekanntlich für 50 Prozent Liberalisierung gestimmt und wollte damit einer hundertprozentigen Liberalisierung für England entgehen.
Die Folgen der Liberalisierung für Westdeutschland hat Kollege Seelos vorhin mit beredten Worten von dieser Stelle aus dem Hohen Hause zur Kenntnis gegeben. Die allgemeinen Bedenken sind auch uns bekannt, und wir können nur sagen: das, was Sie hier ausgeführt haben, stimmt; Sie haben recht. Was wird nun aber infolge der Liberalisierungsmaßnahmen in Westdeutschland zwangsläufig eintreten müssen? Es wird Strukturveränderungen ganz radikaler Art geben. Die Landwirtschaft wird unter den Auswirkungen der Liberalisierung besonders zu leiden haben; aber auch in der westdeutschen Wirtschaft wird sich das Gesetz der stärkeren ökonomischen Macht durchsetzen,
und dies Gesetz wird heute von Wallstreet diktiert. Auf Grund der liberalisierten Handelsverträge mit Holland, Schweden und der Schweiz wurden bis Ende November 1949 Einfuhrbewilligungen im Werte von 300 Millionen Dollar erteilt. Ergebnis: Wir sind heute diesen Ländern gegenüber verschuldet. Der Handel mit den westeuropäischen Ländern passiviert sich mehr und
mehr, obwohl gerade der Handel mit diesen Ländern vor dem Kriege einen ständigen Exportüberschuß von einer Milliarde Mark einbrachte. Das dürfte Ihnen ebenfalls sehr gut bekannt sein.
Für Westdeutschland bedeutet also die Liberalisierung nach einer Außerung des bekannten „Handelsblatts" in Düsseldorf vom 7. Dezember 1949 den Abbau des deutschen Exportüberschusses der vergangenen Jahre. Ein Beispiel dafür! Die Einfuhr im Oktober 1949 gegenüber September ist um 24 Prozent, und zwar von 554 Millionen D-Mark auf 769 Millionen D-Mark gestiegen. Der Dollarwert der Einfuhr stieg gegenüber September um rund 22 vom Hundert. Dagegen können wir einen Rückgang der Einfuhr hei Rohstoffen und Halbwaren feststellen. Es gibt eine Äußerung von Mr. Hoffman und es gibt eine andere Äußerung von Mc Cloy. Dort wird ganz klar gesagt: Ja, die Amerikaner sind daran interessiert, daß die europäischen Staaten mehr Waren nach den USA ausführen. Aber um welche Waren handelt es sich? Es handelt sich um Rohstoffe. Denken Sie sich nun aber einmal aus, was Sie mit Rohstofflieferungen an die amerikanische Wirtschaft für die europäische Wirtschaft erreichen können! Sie werden erreichen, daß die Rohstoffe in Form von Fertigwaren nach Westeuropa zurückkommen. Und das nennt man dann — das ist eine alte Weisheit in der Wirtschaftsgeschichte — Kolonialisierungsmethoden. Die Ausfuhr, nach dem Dollarwert berechnet, ist im Monat September bereits um 6 Prozent zurückgegangen.
Meine Damen und Herren! Ich will es mir versagen, auf die weiteren Folgen der Liberalisierung in diesem Hohen Hause aufmerksam zu machen; es hat gar keinen Zweck. Sie sind durch Worte nicht zu überzeugen; Sie sind schließlich und endlich nur durch die Taten von Wallstreet und durch die Taten des deutschen Volkes zu überzeugen. Sie müssen halt warten. bis Ihre Wirtschaft, die nun einmal mit der Wirtschaft in Amerika verbunden werden soll, als Krisenpuffer unter den Schlägen der Wirtschaftskrise zusammenbrechen wird.
Meine Herren! Mr. Hoffman hat mit seinem Faustschlag auf den Konferenztisch in Paris sich den europäischen Markt erobert. Sie werden nun gleich durch die Ratifizierung des zweiseitigen ERP-Abkommens dazu mithelfen, daß Wallstreet in Westeuropa keinerlei Hindernisse mehr vorfinden wird. Sie sind dann, ob Sie es wollen oder nicht, am Niedergang Westeuropas mitschuldig. Sie sind mitschuldig am Untergang der westeuropäischen Kultur.
Sie sind mitschuldig daran, daß Wallstreet in Westdeutschland triumphiert. Die Auswirkungen des Marshallplans auf Westdeutschland sind Ihnen doch selbst bekannt: 1,8 Millionen Arbeitslose uni schätzungsweise 800 000 Kurzarbeiter. Unsere Regierung sah sich bereits gezwungen, ein Kollegium von fünf Ministern zum Studium des Arbeitslosenproblems zu bilden. Ich mache der Regierung demgegenüber einen Vorschlag. Benennen Sie bitte diesen Ausschuß: Ausschuß zum Studium der Auswirkungen des Marshallplans.
Ich habe versucht, Ihnen unsere grundsätzlichen Bedenken gegen diesen sogenannten zweiseitigen ERP-Vertrag darzulegen. Wir sind uns dessen ge-
wiß, daß uns die westdeutschen Werktätigen verstehen werden. Genau so gut sind wir uns dessen gewiß, daß in diesem Verstehen die Front der unterdrückten Völker in England, in Frankreich und in Italien mit uns marschiert.
Und diese Front ist stärker als Wallstreet. Diese Menschen in Westeuropa, die gegen den amerikanischen Versklavungsplan antreten, werden den Herren von Wallstreet ihre Antwort nicht schuldig bleiben.
Die internationale Front des Anti-Marshallplans wird letzten Endes siegen. Wir lehnen es aus nationalen
und internationalen Erwägungen ab,
einer Ratifizierung des Versklavungsplans zuzustimmen. Die Verantwortung dafür tragen Sie allein.
Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freudenberg.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es sehr wenig Zweck hat, sich mut dem Herrn Abgeordneten Rische auseinanderzusetzen. Ich möchte nur den einen Wunsch haben, daß der Herr Abgeordnete Rische diese Rede, die er soeben hier gehalten hat, einmal in einer Fabrik halten würde,
in der sich die Belegschaft darüber im klaren ist, daß wir eine trostlose Arbeitslosigkeit hätten, wenn uns nicht aus den Mitteln des Marshallplans die Arbeitsmöglichkeiten nach Deutschland gebracht worden wären.
Meine Damen und Herren, es erübrigt sich, auf die grundsätzliche Bedeutung dieses Vertragswerkes einzugehen, weil wir uns ja doch alle miteinander darüber im klaren sind, daß es uns gelingen muß, dieses westliche Europa — leider nur das westliche — wieder in das Gefüge der Welt und der Weltwirtschaft einzuschalten; sonst würden die Dinge ein sehr schlimmes Ende nehmen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir in dieser Stunde, in der wir dem Gesetz in der zweiten und dritten Lesung unsere Zustimmung geben sollen, diesem Gesetz, das die Regierung ermächtigt, das Abkommen mit USA abzuschließen, wirklich Grund dazu haben, ein Wort des Dankes dafür zu finden, daß ein starker konstruktiver Wille versucht, sich in der Welt zum Durchbruch durchzuringen. Daß wir diesen Weg des Zvsammenfindens Europas nicht gehen können, ohne daß es auch da oder dort einmal Späne gibt, ist klar. Ich glaube, wir werden gut daran tun, nicht nur in dieser Stunde, sondern auch dann, wenn einmal mit der kurzen Welle Schwirigkeiten auftreten werden, immer an die lange Welle, an das lange Ziel, nämlich an das konstruktive Ziel, daß wir dieses Europa bekommen, zu denken. Mögen wir den wahren konstruktiven Gedanken der ERP-Hilfe immer erkennen! Dann wird dieses Werk, an dem wir heute zum ersten
Mal aktiv mitwirken können, zum dauernden Segen gereichen; dann werden wir in einer hoffentlich nicht zu fernen Zukunft wieder in einem größeren und gemeinsamen Raum denken und arbeiten können. Denn nur in einem größeren und gemeinsamen Raum werden die Eigenschaften, die heute alles so sehr zu zerklüften scheinen, nämlich Haß, Mißgunst und Neid, zurückgedrängt. In diesem Sinne begrüßen wir diese Gesetzesvorlage als den gigantischen Versuch,
einen Weg aus dem Unglück zu finden. Wir werden dem Gesetz unsere Zustimmung gehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Goetzendorff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Rische hat uns wieder einmal das Gespenst des „westdeutschen Kapitalismus" an die Wand gemalt
und hat uns in wahrhaft prophetischer Weise den bevorstehenden Untergang des Abendlandes verkündigt. Ich glaube aber, wir sind nicht dazu da, aus dem Kaffeesatz zu prophezeien, sondern um Realpolitik zu betreiben. Für uns ist das Entscheidende, daß durch den ERP-Vertrag unserer notleidenden Wirtschaft neue Mittel und neue Impulse zufließen. Aus diesem Grunde stimmt die WAV für den Vertrag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mühlenfeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind im Begriff, durch unsere Zustimmung zu diesem Gesetz, das uns heute vorliegt, einer Aktion von welthistorischer Bedeutung zuzustimmen.
— Von welthistorischer Bedeutung, habe ich gesagt. Und daß dem so ist, das hat ja der Herr Abgeordnete Rische durch seine Ausführungen hier eindeutig bewiesen. Seine Sorge geht darum,
— darum geht es Ihnen doch nur, Herr Rische: Ihre Pläne und die Pläne derjenigen, die hinter Ihnen stehen, sehen Sie gefährdet;
sie werden verhindert.
Meine Herren, ich kann Ihnen hier im Namen der Deutschen Partei erklären, daß wir diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung geben werden. Traditionsgemäß sind wir seit Generationen leidenschaftlich an all den Dingen interessiert, die zur Gründung und Schaffung eines besseren und gesünderen Europas führen können.
Wir geben gleichzeitig der Hoffnung und dem Wunsche Ausdruck, daß dieser großzügigen Hilfe der USA — ich möchte beinahe sagen: die eine Entdeckung Europas durch Amerika bedeutet -
ein voller Erfolg beschieden ist. Diese Hilfe ist aber auch eine Mahnung an die Völker Europas, alles das, was einstmals zu Differenzen und Streitigkeiten geführt hat, im Interesse einer besse-
ren und glücklicheren Zukunft der europäischen Völker zurückzustellen.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre die Aussprache der zweiten Beratung für geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, dabei die Drucksache Nr. 398 und die weitere Drucksache „Zu Drucksache Nr. 398" zugrunde zu legen. Diese letztere Drucksache behandelt eigentlich nur den Artikel IV.
Ich rufe nunmehr die Artikel nach Drucksache Nr. 398 auf. Wer für Artikel I, Artikel II, Artikel III ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen eine ganz geringe Minderheit
mit überwältigender Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu Artikel IV.
— Ich bitte, mich bei der Abstimmung nicht zu unterbrechen; sonst werde ich zu anderen Maßnahmen greifen.
Wir kommen nunmehr zu dem Abänderungsantrag der Bayernpartei zu Artikel IV dahingehend, in der ersten Zeile vor den Worten „im Wege" die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen. Wer für diesen Abänderungsantrag der Fraktion der Bayernpartei ist, den bitte ich, die Hand zur erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe! — Das war die Mehr) heit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt. .
Wer nunmehr für Artikel IV in der vorliegenden Fassung der Drucksache Zu Nr. 398 im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen.
Wer für Artikel V ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegen. probe. — Mit Mehrheit beschlossen.
Wer für die Einleitung und die Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen.
Damit ist das Gesetz gemäß Drucksache Nr. 398 in zweiter Beratung beschlossen.
Ich eröffne nunmehr die Aussprache zur
dritten Beratung.
Wird das Wort dazu gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache der dritten Beratung.
Wer für das soeben in zweiter Beratung verabschiedete Gesetz gemäß Drucksache Nr. 398 und Zusatzdrucksache Zu Nr. 398 im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit überwältigender Mehrheit beschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, daß damit der erste internationale Vertrag bzw. das dazu gehörige Gesetz vom Bundestag in dritter und endgültiger Lesung verabschiedet ist.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Ruhrstatut .
Wir haben, wenn ich das dem Hause bekanntgeben darf, im Ältestenrat für die etwa daran zu knüpfende Debatte etwa drei Viertelstunden vorgesehen. Ich bitte, das freundlicherweise berücksichtigen zu wollen.
Zur Berichterstattung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Vogel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich als Berichterstatter sehr kurz fassen. Der Antrag der KPD lag bereits vor Wochen dem Ausschuß vor. Das war zu einem Zeitpunkt, als durch die Abmachungen zwischen dem Herrn Bundeskanzler und der Alliierten Hohen Kommission bereits Tatsachen geschaffen worden waren, die die weitere Handlungsweise des Ausschusses bestimmen mußten. Nach einer kurzen Beratung nahm der Ausschuß infolgedessen folgenden Antrag an:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Antrag der Fraktion der KPD - Nr. 5
der Drucksachen - wird nach den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers über die Abmachungen mit den Alliierten Hohen Kommissaren auf dem Petersberg vom 22. November 1949 als erledigt angesehen.
Ich glaube, daß diesem Antrag, der für sich selbst spricht, nichts weiter hinzuzufügen ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Ich eröffne die Aussprache über Punkt 3 der Tagesordnung. Als erster hat der Herr Abgeordnete Agatz das Wort.
Meine Damen und Herren! Wenn es auch stimmt, daß unser Antrag formell erledigt ist, wie es der Herr Berichterstatter hier sagte, so halten wir es doch für richtig, zu der Frage des Ruhrstatuts noch einiges zu sagen. Wir meinen, daß das Ruhrstatut von solch schwerem Gewicht für Deutschland ist, für unser Volk insgesamt, vor allem aber für unsere Menschen an Rhein und Ruhr, daß das Parlament unbedingt dazu noch Stellung nehmen sollte. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß das Ruhrstatut mit den nationalen Interessen Deutschlands unvereinbar ist. Als es verkündet wurde, stieß es auf eine große Empörung im ganzen deutschen politischen Leben. War es doch sogar unser Herr Bundeskanzler selbst, der damals davon sprach, wenn ich mich recht erinnere, daß unser Volk durch dieses Statut versklavt würde. Auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Dr. Böckler, sagte damals:
Ich bin aufs höchste betroffen über den Inhalt dieses Dokuments. Es enthält nicht nur Maßnahmen zur Verhütung einer Wiederaufrüstung; praktisch liegt die Bestimmung über Art und Umfang der deutschen Produktion von Kohle, Koks und allen Eisen- und Stahlerzeugnissen in der Hand der Siegermächte. Darüber hinaus können alle Maßnahmen der deutschen Wirtschaftspolitik, soweit sie den Kohlenbergbau oder die Eisen- und Stahlwirtschaft berühren, von der Kontrollbehörde überprüft und geändert werden. Die Kontrollbehörde hat ein Informationsrecht, das
ungeheure Ausmaße annehmen kann. Hiernach erscheint die Frage berechtigt, ob überhaupt noch eine deutsche Wirtschaftspolitik möglich ist.
Das war die Meinung eines Mannes, der in Deutschland in hohem Ansehen steht. Das war die Meinung dieses Mannes! Jedenfalls ist durch das Ruhrstatut das Herzstück der deutschen Wirtschaft, das Ruhrgebiet, in einem sehr weiten Umfange der deutschen Oberhoheit entzogen worden.
Wenn Herr Dr. Adenauer als Bundeskanzler in dem Petersberg-Abkommen das Ruhrstatut dennoch unterschrieben hat, so möchte ich sagen, daß das Parlament sich selbst und der Demokratie einen schlechten Gefallen dadurch tat, daß es die Regierung nicht gezwungen hat, vorher hier zu der Frage der Anerkennung oder Ablehnung des Ruhrstatuts Stellung zu nehmen. Es ist doch eine Sache von ungeheurem Gewicht, die mit dem Ruhrstatut dem deutschen Volk aufgebürdet worden ist. Wenn auch nachträglich die Mehrheit dieses Parlaments Herrn Dr. Adenauer zu seinem Schritt die Zustimmung erteilt hat, wir meinen, daß das Parlament dennoch immer wieder zu der Tatsache, daß wesentliche Teile der deutschen Wirtschaft seiner Oberhoheit entzogen werden, Stellung nehmen müßte.
Wir haben drei Vertreter in der Ruhrbehörde, 3 von 15! Was das bedeutet, das dürfte Ihnen allen klar sein. Die Signatarmächte bestimmen, ja ich glaube nach der Praxis, die wir vor allem in der Demontagefrage kennengelernt haben: sie befehlen. Wenn unter diesen drei nun noch ein Gewerkschaftsvertreter ernannt wurde, so kann ich nicht umhin, die Frage zu stellen: was soll der denn da? Gewiß, nach Auffassung der Gewerkschaftsführung soll. jede Möglichkeit zur Mitarbeit genutzt werden. Ich frage aber: haben die Herren des Ruhrstatuts, haben die Mächte, die mittels des Ruhrstatuts ihre nationalen Interessen gegen unsere deutschen Interessen durchsetzen wollen, nicht die Absicht, sich dieses Gewerkschaftsvertreters als demokratischer Kulisse zu bedienen, hinter der sie dann ihre Interessen gegen unsere durchsetzen? Das ist doch die Frage. Und kann da ein Gewerkschaftsvertreter mitmachen? Soll doch keiner kommen und sagen, daß die Deutschen, die 3 von den 15 Stimmen, dort irgendwie eine Stimme von Gewicht haben könnten!
— Das ist ebenfalls noch zu erwähnen. Es ist, wenn ich recht informiert bin, noch gar nicht einmal entschieden, daß die drei deutschen Vertreter Stimmrecht haben; das müssen die Signatarmächte erst noch klären.
Wir sind der Meinung, daß es seitens aller Deutschen nur ein aufrichtiges Nein zum Ruhrstatut geben kann. Wir sind der Meinung, daß es gerade im Interesse des von uns anzustrebenden Friedensvertrages notwendig ist, gegen dieses Ruhrstatut anzukämpfen. Wir sind der Meinung, daß die deutsche Bevölkerung in Verfolg der Politik des Ruhrstatuts, welche auch weitgehend auf die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeitnehmer einwirken wird — wie sich das jetzt schon bei den Bergarbeitern in der Kohlenpreiserhöhung offenbart hat: Kohlenpreissenkung für den Export und Erhöhung der Inlandpreise —, daß die deutschen Arbeitnehmer vor allem unter den Wirkungen des Ruhrstatuts nicht davon abkommen können, gegen dieses Statut zu protestieren. Wir appellieren an alle Deutschen, denen es um die nationalen Belange unseres Volkes ernst ist, mitzuhelfen, daß die deutsche Wirtschaft wieder unter die Souveränität der Deutschen kommt und daß die deutschen Interessen dahin gesichert werden: wir wollen mit allen Völkern zusammenarbeiten, auch mit den westlichen Völkern, auf der Grundlage gleichberechtigter Partner; aber wir wünschen einen Friedensvertrag. Wir wünschen feste Grundlagen dieser Zusammenarbeit, damit zwischen den Völkern Freundschaft und somit auch Friede sein kann.
Meine Damen und Herren! Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über den Antrag Drucksache Nr. 417.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten Drucksache Nr. 417 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich danke. Der Ausschußantrag ist mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren! Darf ich zur Frage der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Punkte 4 und 5 voranschicken, daß der Ältestenrat Ihnen hierzu folgende Vorschläge macht. Beide antragstellenden Fraktionen haben für die Begründung ihres Antrags je 25 Minuten Redezeit. Dann soll für jeden der beiden Punkte eine Gesamtredezeit von etwa 140 Minuten für alle Fraktionen des Hauses gelten, die sich dann entsprechend schlüsselt. Darf ich das Einverständnis des Hauses gemäß der einschlägigen Bestimmung der Geschäftsordnung mit diesem Vorschlag des Ältestenrats ausdrücklich feststellen. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der WAV betreffend Einschränkung überhöhter Handelsspannen .
Darf ich fragen, wer von der antragstellenden Fraktion das Wort wünscht. — Die antragstellende Fraktion ist nicht da.
— Wünscht jemand das Wort? Ich frage noch einmal. — Das Wort wird von der antragstellenden Fraktion nicht gewünscht. Unter diesen Umständen mache ich der Vereinfachung der Geschäftsordnung halber den Vorschlag, — —
— Diesen Vorschlag wollte ich mir eben erlauben, Herr Abgeordneter. Dann fangen wir mit Punkt 5 an und nehmen nachher den Punkt 4.
Meine Damen und Herren, bei den beiden antragstellenden Fraktionen muß erst die Frage der einführenden Redner geklärt werden. Unter diesen Umständen bleibt nichts anderes übrig, als daß wir die Sitzung für einige Minuten, wenn auch nicht in aller Form, aber doch in etwa unterbrechen.
— Aber bleiben Sie bitte alle da! Ich bin überzeugt, daß sich die Sache in ein oder zwei Minuten regeln wird.
— Ich kann mir aber eine Bemerkung nicht versagen: Wenn derart wichtige Anträge auf der Tagesordnung stehen, ist es doch meines Erachtens Pflicht der betreffenden Fraktion, in der Reihenfolge der Tagesordnung den einführenden Redner pünktlich zur Stelle zu haben.
— Meine Damen und Herren! Wenn jetzt nicht eine der beiden antragstellenden Fraktionen einen Redner zur Begründung der Anträge stellt, stehen wir vor einer sehr schweren Entscheidung.
— Herr Abgeordneter Schmidt, Sie wollten zu diesem Antrag sprechen?
Dann erteile ich dem Herrn Abgeordneten Schmidt das Wort zur Begründung des Antrags auf Drucksache Nr. 257.
Meine Damen und Herren! Wir haben am 1. Dezember 1949 den Antrag gestellt, daß die Handelsspannen überprüft werden sollen. Ich glaube, Freunde, Sie alle oder die meisten von Ihnen stehen mit uns auf dem Standpunkt, daß die Handelsspannen dazu beigetragen haben, die Verhältnisse in unserer Wirtschaft zum größten Teil mitzubestimmen, und daß gerade die Lebensmittelpreise im Oktober, November und Dezember eine Höhe erreicht haben, die für die Verbraucherschaft nicht tragbar war. Aus diesem Grunde haben wir damals schon den Antrag gestellt. Ich erinnere Sie nur an einige Punkte. Im Oktober habe ich einen Fall in Wertingen selber miterlebt. Bei uns in Bayern hat ein Bauer von seinem Hof ungefähr 300 Zentner Kartoffeln an einen Händler von Wertingen verkauft. Dieser hat sie an einen Händler nach Augsburg verkauft, der Händler in Augsburg wiederum an einen Händler in Nördlingen und der Händler erst an Konsumenten, an die Verbraucher; und so haben diese Handelsspannen dazu beigetragen, daß der Preis von 3 Mark auf 8 Mark gekommen ist.
Ein weiteres Beispiel! Warum haben wir — es war ungefähr November — den Antrag gestellt, daß die Eierpreise auf ein vernünftiges Maß zurückgeschraubt werden? Weil wir als Bauern sie damals zu 20 und 25 Pfennig verkauft haben, während wir in Bonn und allen Städten der Umgegend feststellen mußten, daß die Eier dort 60 und 70 Pfennig kosteten und zum Teil diesen Preis überschritten haben.
— Sie können ja nachher Ihre Sache ruhig vortragen. Jetzt hören Sie einmal einen Bauern von unserem Standpunkt aus an; denn ich glaube, auch wir haben die Berechtigung, Ihnen die Wahrheit in dieser Hinsicht zu sagen.
Wegen vieler solcher Fälle ist es, glaube ich, sehr
notwendig, daß endlich einmal aus dem Volke
heraus darüber gesprochen wird und daß diese
Dinge abgestellt werden. Es ist notwendig, daß die Handelsspannen gerade bei lebensnotwendigen Gütern und bei solchen Gütern, an denen die Bevölkerung Mangel leidet, von der Regierung überprüft und so festgesetzt werden, daß nicht mehr solche Preise herauskommen können, die die Bevölkerung einfach nicht mehr bezahlen kann. Das ist der Grund, warum wir diesen Antrag stellen. Und das ist nicht bloß bei den Lebensmittelpreisen so. Schauen Sie hinein in die Wirtschaft, wie es mit Maschinen und all diesen Dingen steht! Gerade wir vom Bauernstand stehen zur Zeit vor der Situation, daß unsere Einnahmen infolge der sinkenden Preise von Tag zu Tag zurückgehen. Das wird mir jeder von Ihnen bestätigen müssen. Auf der anderen Seite aber sollen wir die Steuern bezahlen, die Soforthilfeabgabe entrichten und müssen für unsere Bedarfsartikel wie Maschinen usw. 100, 200, 300 Prozent mehr bezahlen, als wir es in Friedenszeiten tun mußten. Das stimmt nicht zusammen. Gerade in dem Punkt müssen wir es erreichen, daß die ungerechten Handelsspannen endlich einmal von der Regierung abgeschafft werden. Die Regierung muß endlich einmal hierzu den Mut aufbringen, und ich rufe der Regierung zu wie seinerzeit der Schmied von Ruhla in der Schmiede: Landgraf, werde hart! Sonst wird der größte Teil der anderen Bevölkerung zugrunde gehen. Freunde, so geht es nicht weiter! Aus diesem Grunde haben wir den Antrag gestellt, daß die Handelsspannen überprüft und auf ein gerechtes Maß zurückgeschraubt werden, und ich bitte Sie alle miteinander, ob von links oder von rechts: Nehmen Sie zu dem Antrag in der Hinsicht Stellung, daß wir zu einem befriedigenden Ergebnis kommen. Wir müssen es tun im Interesse unseres Volkes, unseres armen deutschen Volkes. — Ich danke Ihnen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht daran gedacht, daß ich heute in einer so harmlosen Position reden muß. Ich hatte gemeint, daß der Abgeordnete Loritz vor mir das Wort ergreift.
— Bitte sehr, Herr Loritz, ich lasse Ihnen den Vortritt! Denn zu dem Zweck bin ich ja hierher gekommen. Bitte, ergreifen Sie das Wort!
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Kurlbaum das Wort und dann Herr Abgeordneter Loritz nach seiner Wortmeldung.
Meine Damen und Herren! Die SPD begrüßt den Antrag der WAV auf Überprüfung der Handelspannen bei den Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern, und zwar aus folgenden Gründen. Wir wissen alle, daß die Handelsspannen ein ganz wesentlicher Bestandteil der heutigen Endverbraucherpreise sind. Es ist schon seit langem ein wichtiger Punkt im Wirtschaftsprogramm unserer Partei, daß die Preise lebenswichtiger Güter laufend überwacht werden sollen. Wir erinnern uns dabei daran, daß gerade unmittelbar nach der Währungsform überhöhte Handelsspannen wesent-
lich zu den überhöhten Preissteigerungen beigetragen haben. Wir erinnern uns auch daran, daß die starre Anwendung der Prozentsätze bei den Handelsspannen teilweise dazu geführt hat, daß Preise nur deshalb wesentlich erhöht worden sind, weil die Rohstoffkosten gestiegen sind. Es ist selbstverständlich, daß wir hier nicht eine totale Preiskontrolle befürworten wollen. Auch wir wissen sehr genau, daß es heute nach der Währungsreform schon zahlreiche Branchen gibt, in denen sich ein wirklich freier Wettbewerb auswirkt und in denen es daher zu Preiserniedrigungen gekommen ist, Branchen, wo die Handels- und Gewinnspannen knapp bemessen sind. Wir wissen gleichzeitig aber auch sehr genau, daß es noch eine Reihe von Branchen gibt, insbesondere auf dem Gebiete der für Deutschland lebensnotwendigen Dinge, zum Beispiel für gewisse Lebensmittel, zum Beispiel für Textilien, wo das Angebot noch so knapp ist, daß die angebotene Warenmenge immer noch mit erhöhten Handelsspannen und zu überhöhten Preisen abgesetzt werden kann. Auf diesen Gebieten existiert also der viel zitierte freie Wettbewerb auch heute noch keineswegs. Das muß festgestellt werden.
Wir möchten auch davor warnen, daß die im gegenwärtigen Zeitpunkt teilweise etwas bessere Versorgung zum Anlaß für einen übertriebenen Optimismus genommen wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß das teilweise recht reichliche Angebot auf einzelnen Teilgebieten gerade letzt darauf zurückzuführen ist, daß die Auslandshilfe des Jahres 1948/49 nicht verbraucht worden ist und diese Hilfeleistungen nunmehr zusätzlich zur Auslandshilfe für das Jahr 1949/50 bei unseren Importen zur Auswirkung gekommen sind, zweitens darauf. daß im Zuge der Liberalisierung teilweise stoßartig Importe nach Deutschland hereingekommen sind, mit deren Aufrechterhaltung in diesem Umfange wir unter keinen Umständen rechnen können. Im Gegenteil, diese zusätzlichen Importe sind im wesentlichen durch den Verbrauch unserer Aktivsalden — mit der Folge des Entstehens von Debetsalden — finanziert worden.
Aus allen diesen Gründen sollten wir in der Burteilung der zukünftigen Entwicklung sehr vorsichtig sein. Wir müssen daher unter Umständen gerade auch bei der Frage der Preisüberwachung mit einer Verschlechterung der Versorgung in Zukunft rechnen.
Bei der Frage der Handelsspannen sind aber noch andere Dinge zu berücksichtigen. Die erhöhten Handelsspannen haben nicht allein dazu geführt, daß die Kaufkraft der Lohn- und Gehaltsempfänger dadurch geschmälert worden ist, sehr zum Schaden auch des Handels selbst, sondern diese überhöhten Handelsspannen haben wiederum zu einer Übersetzung des Handels geführt, die sich letzten Endes auch wiederum gegen den Handel selbst auswirkt. Schließlich haben die überhöhten Handelsspannen. zu Fehlinvestitionen im Handel selbst geführt; ich verweise auf die teilweise schon recht prunkvollen Ladenstraßen in den Großstädten Westdeutschlands.
All dieses veranlaßt meine Partei. der Frage der Preisüberwachung bei allen lebensnotwendigen Dingen erhöhte Wachsamkeit zuzuwenden, und wir möchten die Bundesregierung vor allen Dingen bei dieser Frage darum bitten, nicht die Arbeit derer, die sich mit der Preisüberwachung beschäftigen, dadurch zu diskriminieren. daß man so oft davon spricht, all dies werde ja demnächst
ganz vorbei sein und sei überhaupt nicht mehr von Nutzen. Wir glauben nicht, daß der Allgemeinheit dadurch gedient ist.
Meine Partei beantragt daher die Überweisung des Antrags der WAV an den Wirtschaftsausschuß, damit er dort eingehend beraten werden kann, insbesondere auch im Hinblick auf alle Maßnahmen, die auf Grund der Überprüfung notwendig werden.
Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es ja von einigen Kollegen des Hauses nicht anders erwartet, als daß sie die Tatsache, daß ich nicht da war, als mir das Wort erteilt wurde, zum Anlaß nehmen würden, um neuerdings mit Lachsalven loszuprellen. Möchten Sie vielleicht keine voreiligen Rückschlüsse auf meinen Fleiß oder Unfleiß ziehen; denn sogar der Herr Präsident Köhler aus Ihren Reihen wird mir ja bestätigen können. daß ich noch bis heute mittag im Ältestenrat saß und daß wir gestern vereinbart hatten, ich werde etwa um 1/25 Uhr zur Begründung des Antrags drankommen. Darüber hinaus aber: ich konnte nicht wissen, daß ich heute nachmittag einen Unfall erleiden würde, wie es vor einer halben Stunde wirklich geschehen ist! Es wäre wirklich an der Zeit, daß diese Verhöhnung eines Redners oder einiger Mitglieder des Hauses durch andere endlich einmal aufhören würde!
Herr Abgeordneter Loritz, darf ich mir eine Bemerkung erlauben? — Die Einbringung Ihres Antrages Drucksache Nr. 257 ist ordnungsmäßig durch Ihren Herrn Kollegen erfolgt. Ich bitte, meine Bemerkung so aufzufassen: wenn Sie jetzt das Wort haben, wollen Sie sich bitte im Rahmen der vorgesehenen Redezeiteinteilung halten, damit nicht noch einmal 25 Minuten wegen der anderen Dinge verbraucht werden.
Wir haben unsere Redezeit, die zur Begründung des Antrages zur Verfügung steht, keineswegs verbraucht. Es ist jederzeit möglich, daß ein Antrag durch zwei Herren ein und derselben Fraktion begründet wird. Auch das ist möglich nach der Geschäftsordnung, Herr Präsident; ich glaube, da können Sie mir nicht widersprechen.
— Ja, ich glaube, ich habe dem Herrn Präsidenten zur Sache gerade gesagt, was dazu zu sagen war! Drittens aber ist über die Zeit für die Begründung hinaus bei der Diskussion für uns noch so viel Redezeit vorhanden, daß das, was gesagt werden muß, gesagt werden kann.
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Materie selbst. Wenn Herr Präsident Horlacher geglaubt hat, mich wieder zitieren und koramieren zu können, so möchte ich gerade Ihnen, Herr Präsident Horlacher, sagen: ich sehe eines nicht ein, warum nämlich die Baywa, bei der Sie maßgeblich beteiligt sind, zu der Handelsspanne von 55 Pfennig, der Großhandelsspanne für Getreide, noch weitere 25 Pfennig bekommt. so daß Weizen, der durch die Baywa vermittelt wird, mit 80 Pfennig Großhandelsspanne pro Zentner belastet ist, während solcher, der durch
!die ländlichen Händler vermittelt wird, lediglich mit 55 Pfennig belastet ist. Darüber können Sie uns dann noch Aufschluß geben!
Sie können uns auch noch Aufschluß geben, warum die Baywa bei der Vermittlung ihrer landwirtschaftlichen Maschinen 15 und noch mehr Prozent Handelsspanne erhebt, obgleich sie so gut wie nichts dabei zu tun hat und bei der Vermittlung dieser vorher vom einzelnen Landwirt schon bestellten Maschinen nur ein verhältnismäßig geringes Risiko eingeht. Auch das zum Thema Preisverbilligung! So sind Sie, Herr Kollege Horlacher, gerade der Richtige, um sich an mir reiben zu können!
Nun zu unserem Antrag!
— Nein, das hat mit der Bayernpartei nichts zu tun, Herr Kollege Renner, das hat mit der Baywa, mit der Vermittlungsstelle der bayerischen landwirtschaftlichen Genossenschaften zu tun,
und da sitzt der Herr Kollege Horlacher drinnen, und zwar maßgeblich in diesen Genossenschaftsoder Aktiengesellschaftsvorständen.
Es ist nur ein kleines Mißverständnis, aber es war nicht bös gemeint vom, Kollegen Renner.
Nun zur Sache selbst: Handelsspannen. Wir glauben, daß gerade durch die Höhe der Handelsspannen, so wie sie heute besteht, eine Verschmälerung des Konsums der Bevölkerung eintritt, eine Verschmälerung, die, wie ich Ihnen nachher beweisen kann, bis zu 100 Prozent geht, eine Verschmälerung, die dazu führt, daß heute ein Großteil der landwirtschaftlichen Produkte in Westdeutschland überhaupt nicht mehr absetzbar ist, weil nämlich zu wenig Nachfrage danach herrscht. Nun spreche ich nicht bloß vom Roggen, ich spreche ebenso von Kartoffeln und genau so von der Milch. Wenn wir durch eine Herabsetzung der Handelsspannen hier eingreifen könnten, dann würden Hunderttausende von Konsumenten, die heute nicht in der Lage sind, sich einen Schoppen Milch zusätzlich zu kaufen, das tun, und dann würden weitere Hunderttausende und Millionen von Konsumenten, die heute jede Kartoffel, die sie essen, noch zählen müssen — bitte, das ist bei Millionen von Heimatvertriebenen, Ausgebombten und Kriegsversehrten keine Übertreibung —, sich die Kartoffeln nicht in den Mund hineinzählen, sich und ihren Kindern dazu!
Weil wir gerade von den Kartoffeln reden! Ich habe das schon das letzte Mal angedeutet, auch unter dem Gelächter einiger Herren der CSU, die damit vielleicht ihre „humane" und „christliche" Gesinnung gegenüber den armen Volksmassen dokumentieren wollten. Ich habe ihnen erklärt: die Kartoffeln, die von den Bauern in soviel Eisenbahnzügen, wie Sie nur wollen, abgeliefert werden, und zwar zum Preise von rund 3 Mark je Zentner — stimmt's, Herr Kollege Horlacher? —, sind in München zu durchschnittlich 8 Mark verkauft worden.
--- Nein, kein Unsinn, Herr Kollege Horlacher!
Wenn Sie das wollen, werde ich Ihnen sofort aus
der auch Ihnen nicht unbekannten „Süddeutschen
Zeitung" die nötigen Stellen darüber zitieren, was
der Kartoffelpreis bei uns drunten in Bayern
vor wenigen Wochen noch war. Die Folge davon
ist, daß der Absatz an Kartoffeln außerordentlich
zurückgeht und daß wahrscheinlich heuer im März, April und Mai Tausende und Hunderttausende von Zentnern Kartoffeln von den Bauern auf die Misthaufen geschüttet werden müssen.
Das ist das eine. — Wollen Sie vielleicht bezüglich der Eierpreise noch einiges Nähere wissen? Zur Zeit kosten die Eier bei uns in Bayern vom Bauern weg 10 bis 11 Pfennig das Stück. Verkauft werden sie in den bayerischen Großstädten und hier genau so um rund 25 Pfennig das Stück!
— Dann mag vielleicht noch ein Restbestand da sein, der um 18 Pfennig verkauft wird. Ich erkläre Ihnen, daß das in München und Nürnberg vorgestern der Preis war, zu dem Sie ein Ei bekommen haben. Aber ich wußte ja schon, daß Sie von der CSU alles bestreiten! Darum gebe ich Ihnen den Ausschnitt aus der heutigen „Süddeutschen Zeitung". Hier steht: Eier 24 Pfennig! Wer's nicht glaubt, — bitte, Sie bekommen ja diese schöne Zeitung gratis!
24 Pfennig! Bitte, Sie können das Exemplar jederzeit haben! Ich wußte schon, daß solche Zurufe kommen werden, denn Sie bestreiten ja grundsätzlich alles, was wir von der WAV sagen, weil es Ihnen nicht in den Kram hineinpaßt!
Ebenso kann ich Ihnen beweisen, sehr verehrte Frau Kollegin von der CSU, daß zur Zeit die Eier nicht teurer als um 10 oder 11 Pfennig in den Gebieten, die die Hauptliefergebiete für ganz Westdeutschland darstellen, von den Bauern verkauft werden.
Und wie steht es denn mit den Mehlpreisen? Sie sind doch Hausfrau, Frau Kollegin: Sie wissen doch ganz genau, was ein Pfund Mehl kostet! Aber wissen Sie, was der Bauer dafür bekommt? Er bekommt 13 Mark für den Zentner Weizen und
1 Mark — und das auch nicht in allen Fällen — sogenannten Kleberpreiszuschlag. Das ist alles! Und nun vergleichen Sie damit den Betrag, den Sie für einen Zentner Mehl bezahlen müssen. Dabei ist nur ein einziger Verarbeitungsvorgang dazwischen vom Bauern bis zu Ihnen, nämlich die Mühle. So liegen die Dinge.
— Ein einziger Verarbeitungsvorgang ist dazwischen, nämlich das Mahlen des Getreides! „Na, na" sagen Sie, Herr Kollege. Ja, bei dem System, wie Sie es befürworten, sind noch andere Dinge dazwischen, aber keine Verarbeitungsvorgänge, sondern — —
— Ja, einige Leute wischen sich ihre Handfläche an diesen Dingen ab und beziehen jeweils gleich
2 und 3 Mark Zuschlag pro Zentner Getreide!
- Herr Kollege Renner, dazu wären noch einige
Worte zu sagen.
Ich habe Ihnen nur einige Beispiele genannt, weil ich gleich mit so „sympathischem" Lachen von Ihrer Seite begrüßt worden bin.
Oder wollen Sie vielleicht etwas über die Fleischpreise hören? Wie ist es denn da? Wie ist denn
der Lebendgewichtpreis für Schweine zur Zeit?
Rund 80 Pfennig bis 1 Mark, in den letzten Tagen etwas ansteigend auf rund 1 Mark. Und was kostet das Schweinefleisch? Rund 2 Mark und noch etwas mehr das Pfund.
— Nein, d a s Geschäft müssen Sie mir zeigen, bei uns unten und auch hier, wo Sie um 1.50 Mark etwas anderes kaufen können als Abfallqualität! Das ist schon möglich: wenn Sie beim Fleisch den Stich kaufen oder die Gurgel,
können Sie das vielleicht für 1.40 Mark bekommen! Ich rede jetzt von normalen Fleischqualitäten; und das sind die Preise! Auch hier berufe ich mich auf .die Zeitungen!
— Sie können darin ja genau so nachlesen, lieber Kollege, was das alles kostet.
Oder wie ist es beim Obst? Obst, das von den Bauern und Erzeugern heuer um 15 Mark je Zentner aufgekauft wurde, wird um 30 bis 40 Pfennig das Pfund zur Zeit verkauft. Auch hier können Sie nicht sagen, der Schwund sei schon so groß usw. usw. Das rechtfertigt einen so hohen Preis unter gar keinen Umständen.
Um auf den Eierpreis zurückzukommen: bei einem Einkaufspreis von 11 Pfennig das Stück läßt sich vielleicht ein Verkaufspreis von 17 Pfennig rechtfertigen, niemals aber ein Verkaufspreis von 24 und 25 Pfennig! Genau so ist es bei der Milch und genau so bei den Fischkonserven. Die Dose Fischkonserven wird 60 Pfennig frei deutscher Stadt angeliefert und dieselbe Dose urn 2.40 Mark verkauft. Solche Beispiele könnte ich Ihnen stundenlang bringen.
Wer ist nun daran schuld? Schuld daran ist nicht der Bauer, der heute für seine Lebensmittel Preise erhält, die so sind, daß ihm die Preisschere schwerstens zusetzt. Gegenüber den riesig gestiegenen Preisen für landwirtschaftliche Maschinen und Ersatzteile, teilweise auch für Kunstdünger, erhält er nicht den gerechten Ausgleich. Schuld sind nicht die Bauern! Schuld sind ebensowenig die kleinen Händler. Die sitzen am meisten drinnen, die stehen heute bereits zu Tausenden vor dem Konkurs! Schuld sind ganz andere Kräfte! Schuld sind einige tausend Schieber, Großschieber — ganz egal, unter welchem Namen sie aufkaufen —, die sich anscheinend sehr guter Beziehungen zu verschiedenen Amtsstellen erfreuen müssen.
Anders ist es nicht erklärbar, daß diese Dinge, die doch in ganz Deutschland allgemein bekannt sind, nicht schon längst abgestellt worden sind. Gesetzesparagraphen gibt es dazu genügend, sowohl in der Verordnung gegen Preistreiberei wie auch in den Vorschriften gegen Wucher. Überall haben Sie hier gesetzliche Möglichkeiten; weitere Gesetze braucht es dazu gar nicht mehr!
Nein, schuld ist etwas ganz anderes: Es sind nicht bloß die unerlaubten Beziehungen zwischen manchen Amtsstellen und den betreffenden Großhändlern, worüber Untersuchungen, die in den verschiedensten Länderparlamenten geführt worden sind, schon sehr üble Dinge an den Tag gebracht haben. Schuld ist letzten Endes ein falsches Wirtschaftssystem, das uns von der Bundesregierung immer und immer wieder als der Weisheit letzter Schluß angepriesen wird
und das nichts anderes ist als eine grobe und große Fehlkalkulation der bei uns in Deutschland tatsächlich gegebenen Möglichkeiten.
Wir kennen die Theorie des Herrn Bundeswirtschaftsministers Professor Erhard sehr genau. Ich habe sie mir selbst in manchen Versammlungen schon angehört, und ich kenne sie aus einer Reihe seiner Rundfunkansprachen und aus Zeitungsartikeln. Herr Professor Erhard vertritt, ich möchte fast sagen, in Reinkultur, die These des laisser faire, laisser aller, oder auf deutsch: Laßt alles gehen und laufen, es pendelt sich schon alles von selber ein!
Entschuldigen Sie, Herr Professor Erhard, wenn ich Ihren eigenen Ausdruck vom „Einpendeln" und „Auspendeln" zitiere! Diese Geschichte mit dem Pendeln: ja, ich fürchte, daß in den nächsten Monaten leider andere pendeln werden, nämlich einige hundert Leute mehr, die sich aus Verzweiflung den Strick um den Hals hängen.
Ich fürchte, daß d i e auspendeln werden, weil nämlich die Not bei großen Schichten der Bevölkerung schon so ist, daß die Zahl der Selbstmorde in den Großstädten sprunghaft zunimmt.
— Bezweifeln Sie das, Herr Kollege Kahn? Auch da kann ich Ihnen die Statistiken zeigen! Lesen Sie bitte mal nach, wie es hier in den deutschen Großstädten aussieht!
Nun das Auspendeln! Die Auspendeltheorie, die Theorie des Wirtschaftsliberalismus in Reinkultur, ist bei uns ja schon theoretisch unmöglich. Der berühmte Volkswirtschaftler Dr. Lujo von Brentano nicht zu verwechseln mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU —,
bei dem ich als Student der Volkswirtschaft die Ehre hatte ein paar Semester zu studieren, dieser berühmte Profes sor der Nationalökonomie hat schon gesagt, daß eine freie Marktwirtschaft überhaupt nur dort denkbar ist, wo jeder Restriktionsfaktor von vornherein ausgeschaltet ist. Ein Auspendeln von Angebot und Nachfrage hat eine ganze Reihe von Voraussetzungen schon rein theoretischer Art, nämlich erstens einmal ein Wirtschaftsgebiet, das möglichst groß ist, sei es den Grenzen nach groß oder sei es wenigstens, daß die tatsächliche Vergrößerung des Wirtschaftsgebiets durch freie Ein- und Ausfuhr erfolgt. Dieses Wirtschaftsgebiet muß viel, viel größer sein, als es heute Deutschland darstellt. Schon das Deutschland von 1914 war viel zu klein, um eine solche Theorie mit Erfolg durchführen zu können. Sie war überhaupt nur dann möglich, wenn diese Grenzen des einzelnen Staates dadurch ins Weite gestreckt wurden, daß Freihandel herrschte, daß jederzeit ein- und ausgeführt werden konnte, was das betreffende Land oder die betreffenden Fabrikanten und Konsumenten nur wollten. Diese Voraussetzung existiert überhaupt nicht und wird wahrscheinlich noch viele lange Jahre in Deutschland nicht existieren!
Die zweite Voraussetzung ist, daß diejenigen, die eingreifen sollen und müssen, damit das Warenangebot entsprechend verteilt wird, dazu instand gesetzt werden. Wenn zum Beispiel eine Reihe von Grossisten — nehmen wir das Bei-
spiel — übermäßige Gewinne und übermäßige Handelsspannen fordern und erreichen, dann muß es möglich sein, daß sofort einige tausend andere Leute aufstehen und Großhandel treiben und in der Lage sind, hier durch Konkurrenz diese Preise zu halbieren! D a s ist die Voraussetzung dafür. Das ist aber nur möglich,
wenn diese Großhändler überhaupt in Aktion treten können! Dazu ist die Voraussetzung, daß diese neuen Großhändler Kapital zur Verfügung haben, daß sie also jederzeit bei irgendeiner Bank Kapitalien, die sie ja zum Ankauf der Waren und zur Eröffnung des Geschäfts brauchen, ohne weiteres in jedem beliebigen Umfang und zu einem einigermaßen vernünftigen Zinsfuß haben können. Ich frage Sie: wo sind diese Möglichkeiten heute vorhanden? Heute kann man dieser Clique von Großhändlern und Wucherern ja gar keine Konkurrenz machen, um sie zu zwingen, die Preise herabzudrücken; es sei denn, der Staat würde dafür sorgen, daß diesen Herrschaften etwas Konkurrenz entsteht! Dann ist es aber notwendig, daß man geschickt mit dem Import operiert und nicht zuerst die Importschraube zudreht, dann wieder sperrangelweit aufreißt, dann wieder zu und dann wieder auf, so daß ein beständiges sprunghaftes Steigen und Fallen der Preise bewirkt wird, wie wir es jetzt bei den Eiern usw. haben.
Diese Voraussetzungen für den freien Wettbewerb, wie ihn Professor Erhard theoretisch so schön vor seinen Augen sieht, sind bei uns nicht gegeben und werden auf lange Zeit nicht gegeben sein. So muß ein anderes System an die Stelle treten,
in dem von den obersten Stellen herab eine vernünftige Wirtschaftspolitik in Form einer gesunden, vernünftigen Lenkung getrieben wird,
n i c h t einer Lenkung, indem man vor jeden Bauern den Schutzmann hinstellt — nein, das ist gar nicht nötig —, sondern man muß nur endlich mal sehen, was denn die Regierung will. Das sieht man aber heute nicht. Es ist kein System, es ist in der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik nichts drinnen. Man fällt von einem Extrem in das andere; man hat wahrscheinlich überhaupt keine Vorstellung, wie sich die Dinge wenigstens für einige Monate hinaus entwickeln sollen! So kommt es, daß man dann Preisspannungen und -sprünge hat, die wiederum nur dem Großhandel zugute kommen und den Kleinhandel restlos vernichten.
Ich muß jetzt wieder auf das Beispiel der Eier zurückkommen, die jetzt wieder mit den Preisen in die Höhe gehen.
Herr Abgeordneter. Sie haben mit Ihrem Kollegen gemeinsam inzwischen dreißig Minuten gesprochen. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen!
Ich habe zur Diskussion noch 15 Minuten.
Nein, verzeihen Sie, das ist nachher. Sie sind bei der Begründung des Antrags. Ich bitte, das zu unterscheiden.
Loritz Antragsteller: Ich werde nachher gleich enden. Wenn ich nachher noch Gelegenheit habe, werde ich die benützen! Es wäre interessant zu hören, was die Diskussionsredner und die Regierung dazu zu sagen haben.
Die Folge einer solchen ungeregelten Wirtschaft von seiten der Bundesregierung und der Länder her ist, daß bei diesen riesigen Preissprüngen nur die großen Händler profitieren können, die sich jetzt auf der niedersten Stufe bei Eiern und anderen Lebensmitteln eingedeckt haben und die jetzt eine Verknappung sogar noch künstlich steigern und dann die Eier, die sie um 10 und 11 Pfennig gekauft haben, vielleicht um 30 Pfennig demnächst wieder losbringen. Vielleicht wird es aber so, daß doch hier endlich das Bundeswirtschafts- und das Landwirtschaftsministerium übereinkommen, einen Plan zu entwickeln, daß man sich von Experimenten fern hält, daß man nicht e i n m a l alles drosselt und im anderen Moment wieder eine Schwemme sondergleichen eintreten läßt, sondern daß man sich klar wird erstens über die Geldmittel, die man zur Verfügung hat, zweitens über den Umfang der Nachfrage, und daß man dann eine entsprechende Regelung eintreten läßt.
Darf ich Ihnen mit einem Schlußsatz noch sagen: Selbst Amerika, dieses riesengroße, reiche Land, hat nicht mehr das freie Spiel des Manchester-Liberalismus. Schon Roosevelt hat einen Plan aufgestellt, wie er die wichtigsten Produktionsgüter des Landes zur Verteilung bringt. Jetzt . setzt Truman diesen Plan fort, teilweise mit Abänderungen und Verbesserungen, wie sie sich durch den Lauf der Zeit ergeben haben. Wenn das schon das größte, mächtigste und reichste Land der Welt macht, um wieviel mehr muß unser kleines, armes Westdeutschland hier eine Planung treffen, einen Plan, der wirklich eine gerechte Verteilung bringt, nicht etwa indem wir ausländischen Staaten empfehlen, wie sie es machen sollen oder nicht, sondern indem wir zuerst von seiten der Regierung sorgen, daß einigen tausend Großschiebern das Handwerk gelegt wird; der kleine Mittelstand wird es bei der Verteilung der Lebensmittel nicht wagen, so über die Schnur zu schlagen wie diese Herren! Dazu ist Voraussetzung, daß endlich die Regierung diejenigen Stellen im Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium mit fachlich geeigneten Kräften besetzt, die über Wohl und Wehe unseres ganzen Volkes entscheiden müssen.
Meine Damen und Herren! Mir ist bereits vor einiger Zeit ein persönlicher Zwischenfall gemeldet worden, der sich in der Wandelhalle abgespielt hat und der es notwendig macht, daß er sofort im Ältestenrat besprochen wird. Es ist deshalb erforderlich, die Sitzung zu unterbrechen.
Ich berufe den Ältestenrat zur sofortigen Sitzung in sein Sitzungszimmer. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie lange die Beratung des Altestenrates dauern wird. Ich bitte die Herren Abgeordneten Bodensteiner und Goetzendorff, in ihr Fraktionszimmer zu gehen und sich gegebenenfalls für eine Rücksprache zur Verfügung zu halten.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die Sitzung wird um 17 Uhr 31 Minuten wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich habe Ihnen vorhin davon Kenntnis gegeben, daß eine Unterbrechung der Sitzung notwendig war, weil sich ein persönlicher Zwischenfall zwischen Mitgliedern des Hauses, den Herren Abgeordneten Goetzendorff und Bodensteiner, abgespielt hatte. Ich habe in Gegenwart des Altestenrates beide Herren Abgeordneten über den Tatbestand vernommen. Auf Grund des Ergebnisses dieser Tatbestandsaufnahme treffe ich folgende Maßnahme: Gemäß § 91 der Geschäftsordnung schließe ich den Herrn Abgeordneten Goetzendorff wegen gröblicher Verletzung der Ordnung für 20 Sitzungstage aus, weil er sich zu einer Handgreiflichkeit gegenüber einem andern Mitglied des Hauses hat hinreißen lassen.
Wir fahren nunmehr in der Abwicklung der Tagesordnung fort. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Mit des Geschickes Mächten ist kein ew'ger Bund zu flechten!"
Wenn man höflich ist, dann wird's nicht einmal anerkannt.
War das nicht nett von mir, daß ich dem durch irgendwelche Umstände zunächst verhinderten Herrn Loritz, weil er der Antragsteller ist, vorhin den Vorrang gegeben habe? Und das Haus hat sich davon überzeugen können, daß das notwendig war;
denn sonst hätte er mich ja vorher gar nicht angreifen können. Ich habe ihm also Gelegenheit gegeben, seinem Agitationsbedürfnis entsprechend Genüge zu tun.
Herr Abgeordneter Horlacher, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die Einbringung eines Antrages sich nicht mit dem Ausdruck „Agitationsbedürfnis" kennzeichnen läßt!
Nein, der Antrag als solcher nicht;
denn ich würde mich als Abgeordneter dagegen verwahren, daß ein Mitglied dieses Hohen Hauses nicht ernst genommen wird. Ich nehme ihn — den Herrn Abgeordneten Loritz — durchaus ernst und weiß, daß es so richtig ist.
— Herr Loritz, lassen Sie mich reden, Sie sind ja alte Kundschaft von mir im Bayerischen Landtag.
— Herr Abgeordneter Loritz, da gibt es zwei Dinge, das wissen Sie schon vom Bayerischen
Landtag: zunächst müssen die Zwischenrufe hörbar sein; zweitens müssen sie geistreich sein;
denn sonst — —
— Wenn vollständige Ruhe herrscht und der einzelne Abgeordnete nicht aufgeregt ist, kann er überall im Hause hören!
Aber wir wollen jetzt zur Sache kommen. Es handelt sich darum, daß ein paar Dinge vorweg behandelt werden müssen. Das sind zunächst einmal die Hunderttausende von Zentnern Kartoffeln, die verfault sein sollen.
Ich weiß nicht, wo die verfaulen sollen. Jedenfalls haben wir uns bemüht, trotz der schlechten Kartoffelernte den Kartoffelausgleich in den Westzonen herbeizuführen. Das ist auch gelungen.
Das nur nebenbei.
Zweitens: Ich bin sicher kein Freund von überhöhten Handelsspannen. Im Gegenteil! Aber ich habe heute hier die Neuigkeit gehört, die einzige Aufgabe der Mühlen sei das Vermahlen des Getreides. Das ist eine Neuigkeit, die werde ich mir zur Notiz nehmen.
Vielleicht können wir dann die Handelsspannen bei den Mühlen auf dieser Grundlage ohne Rücksicht auf Verarbeitungs- und Transportkosten entsprechend heruntersetzen.
Das ist eine Frage für sich, die interessiert mich dann nicht weiter.
Nun zum Thema, das hier gestellt ist. Es ist ja auch sonderbar, daß die Behandlung dieses Themas „Kampf gegen die überhöhten Handelsspannen" gerade zusammenfällt mit einer Vertagungsspanne im Bundestag. Auch hier ist mit des Geschickes Mächten kein ew'ger Bund zu flechten. Aber es war gut so, denn unterdessen habe ich mich auf diese Ausführungen noch einmal vorbereiten können. Meine Damen und Herren, Sie brauchen keine Angst zu haben; ich werde nicht zu lange reden, sondern nur einige grundsätzliche Ausführungen machen.
Denn diese Fragen können nicht mit Rumhupfen von einem Gebiet zum andern erledigt werden,
indem man einmal vom Blumenkohl auf die Eier hupft und dann von den Eiern wieder herunter,
sondern diese Dinge können nur erledigt werden, indem man auf die sachlichen Gründe zurückgeht. Das ist das Richtigste. Und da könnte ich den Antrag überschreiben — das werden viele meiner Freunde hier im Hause wissen —: Der Weg vom Erzeuger zum Verbraucher! Das ist das, was viele Leute im Lande interessiert und woran sie eine ganze Reihe von Dingen auszusetzen haben. Das ist auch die Frage, mit der wir uns ernsthaft zu beschäftigen haben, denn das hängt mit der Gesamtlage unseres Volkes zusammen. Wir müssen alles aufbieten, um im Wirtschaftsleben Gerechtigkeit herbeizuführen, die Verhältnisse zu regeln und der Kaufkraft unserer Be-
völkereng auf der ganzen Linie Rechnung zu tragen, damit diese Kaufkraft nicht durch Übersetzungen im Wirtschaftsverkehr irgendwie gefährdet wird.
Das ist ein Ziel, an dem jeder vernünftige Mensch arbeiten kann, und dieses Ziel muß uns auch hier vor Augen schweben. Wenn ich darauf hinweise, daß wir die Verwirklichung dieses Zieles schon seit langer Zeit im Auge gehabt haben, so kann ich das durch Tatsachen beweisen.
Im Wirtschaftsleben müssen die Dinge letzten Endes dadurch geregelt werden, daß man den Grundursachen der Mißstände zu Leibe rückt. Man darf nicht bloß die Symptome sehen, sondern man muß das betrachten, was die Dinge hervorgerufen hat. Und da war es doch so, daß wir vor der Währungsreform unhaltbare Zustände gehabt haben. Ich brauche das nicht im einzelnen zu schildern. Tauschhandel, Schleichhandel und Schwarzhandelsgeschäfte haben hier eine große Rolle gespielt. Das ist bei den zuständigen Stellen auch wiederholt erörtert worden, und alles hat sich bemüht, diesen Erscheinungen durch .geeignete Maßnahmen entgegenzutreten. Aber all das waren letzten Endes bloß Einzelmaßnahmen, sie konnten nicht mehr durchgreifend wirken. Deswegen mußte man das Mißverhältnis zwischen Geld- und Warenverkehr beseitigen. Dazu hat die Währungsreform die Grundlage gelegt. Leider war die Währungsreform, worauf Herr Professor Dr. Erhard schon öfter hingewiesen hat, mit einer Reihe von Umständen verknüpft, die für die Entwicklung unmittelbar nach der Geldumstellung nicht günstig waren.
Hier ist zusätzliche Kaufkraft, die damals zum Zuge kam, zusammengestoßen mit dem erhöhten Nachholbedarf der Bevölkerung. Trotzdem hat man unsere Ratschläge, auch in der Landwirtschaft und auf anderen Gebieten etwas die Nerven zu behalten, teilweise nicht befolgt. Dann kamen die Rückkehr zu normalen Verhältnissen und der Abbau der behördlichen Wirtschaft dazu. Glauben Sie mir: die Verhältnisse. haben sich erst mit Hilfe des Marshallplans ordnen können — und dafür müssen wir den Amerikanern immer dankbar sein —, indem die Rohstoff- und Nahrungsmittellage so gebessert wurde, daß die Mangellage auf den verschiedenen Gebieten geschwunden und damit die Grundlage der Schwarzgeschäfte weggenommen worden ist. Deswegen muß man hier den Dingen in den Grundursachen nachgehen; das heißt menschlich gesprochen: wenn es einem im Kopf fehlt, kann ich nicht die Hühneraugen operieren, dann muß ich schauen, daß der Kopf in Ordnung kommt.
Deswegen muß man den Grundursachen nachgehen. Der Bauer hat ja unter den Grundursachen dieses Mangels auf industriellem Gebiet ungeheuer viel zu leiden gehabt, weil ja der Bauer hier — da haben Sie ganz recht — gewissermaßen unter Ausnahmerecht gestellt wurde. Er mußte abliefern, während die andern im Wirtschaftsleben bereits andere Wege gegangen sind.
Aber warum sollen wir uns um die vergangenen Zeiten herumstreiten? Ich komme jetzt zu dem, was der Abbau der behördlichen Zwangswirtschaft bedeutet hat. Der Abbau der behördlichen Zwangswirtschaft hat bedeutet das müssen doch
sämtliche Zuhörer in dem Raume feststellen daß der Konsument aus den Klauen der Bürokratie, die hier ungeeignet war, die Verhältnisse zu ordnen, befreit wurde.
Sie werden mir das eine zugeben: je mehr sich die Behörden, wenn das Wirtschaftsleben den Mangelzustand behoben hat, mit einzelnen Berechnungen einmischten, desto schlimmer war das für alle Beteiligten.
Ich war einmal in der Landespreisstelle in Bayern nach dem ersten Weltkrieg tätig. Ich habe dann auch ihr Begräbnis mitgemacht und habe noch in lebhafter Erinnerung, was für große Protokolle, Vernehmungen und alles mögliche wir gemacht haben. Und was ist dabei herausgekommen? Daß uns die Beteiligten nachgewiesen haben, daß die Handelsspanne immer viel zu gering gewesen ist.
Deswegen ist es meines Erachtens das einzig Richtige, daß wir zu folgenden Grundsätzen kommen.
— Nein, nicht pendeln lassen! Je mehr wir aus dem Zustand herauskommen, daß der Umsatz nicht so steigt, daß er den Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragen kann, desto besser wird es sein; darüber müssen sich sämtliche Beteiligten klar sein. Hier ist es Aufgabe der staatlichen Überwachungsstellen,
dafür zu sorgen, daß sich das Richtige vollzieht. Da muß der volkswirtschaftliche Grundsatz gelten: Je größer der Umsatz, desto geringer müssen die Spannen werden, weil in der Größe des Umsatzes der Verdienst liegt, und das muß sich selber normalisieren. Je mehr Sie auch durch Preisregulierung beim Erzeuger oder sonstwo die Verhältnisse noch erhalten und je mehr Sie gegenüber dem Verbraucherpreis etwas nachgeben und das bei genügend aufgefülltem Markt der freien Regelung überlassen, desto besser wird es für die Bevölkerung sein. Dann spielen sich die Dinge ganz von selber ein; dann brauchen die Behörden das nicht zu berechnen.
Wie war es denn hier im Hause? Wir haben uns über die Ermäßigung der Handelsspanne bei Margarine unterhalten. Was ist dabei herausgekommen? Bisher gar nichts! Denn die Margarinefabrikanten haben uns nachgewiesen, daß ihre Handelsspanne viel zu gering ist. Die Dinge müssen wir erst noch entsprechend nachrechnen und in Ordnung bringen.
Dann gehört natürlich der andere Grundsatz noch hinzu, daß auch der Weg vom Erzeuger zum Verbraucher nicht mit ungeeigneten Zwischenkräften belastet sein darf,
sondern da stehe ich auf dem Standpunkt, daß das Ansehen des reellen Kaufmanns in Deutschland bei Normalisierung der Verhältnisse unbedingt wieder den Regulator bilden muß. Die ehrliche und reelle Geschäftswelt ist daran interessiert, daß das unter allen Umständen wieder in Ordnung gebracht wird, und dazu sind auch Ansätze da. Glauben Sie, daß ,die uferlose Anwendung der Gewerbefreiheit, wie sie jetzt be-
steht, zu einer Gesundung der Verhältnisse führt? Ich glaube das nicht.
Das ist auch eine Frage, die der entsprechenden Beurteilung bedarf und entsprechende Korrektur hervorrufen muß.
Aber eines müssen wir weiterhin verlangen: daß die Handelsspannen und der Verbraucherpreis jeweils im Verhältnis zum Erzeugerpreis stehen
und daß es dahin kommen muß, daß, wenn die Erzeugerpreise sinken, auch die Verbraucherpreise für die Bevölkerung allmählich nachkommen müssen, das heißt sich entsprechend auf die veränderten Preisgrundlagen ausgleichen müssen. Das ist eine Angelegenheit, die uns alle berührt.
Da spreche ich noch eines aus: Bei der Veränderung unserer Fleisch-, unserer Gemüseversorgung und all diesen Dingen — das traue ich mir Ihnen einmal zu sagen — sind bei einem Teil unserer Gasthäuser und Fremdenverkehrsbetriebe die Preise übersetzt. Die Preise müssen nach neu zu errechnenden Gestehungskosten korrigiert werden. Das ist meine Meinung.
— Ja, bitte! Ich verstehe nicht, warum man sich dagegen wehrt!
— Wollen Sie vielleicht in Bonn noch teurer essen, als es jetzt schon der Fall ist?
Wir haben kein Interesse daran! — Das ist die 1 Frage, die hier unter allen Umständen auch einmal geregelt werden muß. Viele sind ihr schon nachgegangen. Ich erinnere da auch an unsere Fremdenverkehrsbezirke. Wenn ich schon auf den Fremdenverkehr angewiesen bin, dann muß ich auch dafür sorgen, daß der Fremdenverkehr nicht zu einer einseitigen Sache für besondere Elemente wird, sondern der Allgemeinheit, der Erholung der Bevölkerung dient. Das ist auch eine Frage, die hier nebenbei berührt werden muß.
Nun lassen Sie mich zu einem Antrag kommen. Ich bemühe mich immer, die Dinge, sagen wir einmal: objektiv zu behandeln, — soweit es geht.
— Letzten Endes kann keiner aus seiner Haut herausfahren. Aber ich habe da immer schon das Richtige getroffen. Ich bin nicht einseitig der Vertreter irgendwelcher Interessen — das lehne ich ab —, sondern ich bin schon immer auf dem Standpunkt gewesen, die Kirche beim Dorf zu lassen. Und da stehe ich auf dem Standpunkt: Schalten Sie die Behörden nur dort ein, wo es unbedingt notwendig ist.
Denn das Einschalten der Behörden ruft für die
Beteiligten oft mehr Unsegen als Segen hervor.
Deswegen ist es auch notwendig, daß wir hier wieder zu normalen Verhältnissen zurückkommen. Deshalb sage ich hier in dem Antrag: „Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen"; ich mußte das schon so formulieren, denn das Haus muß sich auch einmal darüber klar sein, daß zwischen Exekutive und
Legislative ein Unterschied besteht. Wenn die Exekutive der Regierung in Frage kommt, dann kann der Bundestag schon auf die Exekutive Einfluß nehmen; aber er muß das in einer anderen Form tun. Denn sonst müßte ein Gesetzentwurf vom Bundestag in einer solchen Sache eingebracht werden. Deshalb sage ich hier:
Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, die Entwicklung der Handelsspannen bei Lebensmitteln und bei allen lebensnotwendigen Erzeugnissen zu beobachten und ungerechtfertigte Preistreibereien und Kettenhandel zu verhindern.
Dazu stehe ich auf dem Standpunkt, daß wir wieder dazu kommen müssen, daß die Erzeuger- und Großhandelspreise fortlaufend zur Kenntnis der Bevölkerung gebracht werden müssen.
Das Exempel haben wir schon einmal bei den Eiern gemacht, soweit sie vom Ausland gekommen sind. Ich will aber die Eierdebatte hier nicht fortsetzen. Jedenfalls ist die Marktkenntnis eine Grundvoraussetzung zur Ordnung des Marktes. Wenn man schon hier freie Wirtschaft hat, dann muß auch die Regelung des Marktes so geschehen, daß sich der Markt entsprechend umändern kann. Deswegen ist hier die Marktbeobachtung und die Veröffentlichung der Erzeuger- und Großhandelspreise ein direktes Erfordernis. Es müssen also überall die Börsen- und Preisnotierungen wieder aufgenommen werden, damit wir hier einen Überblick über die Entwicklung der Verhältnisse bekommen, damit sich nicht ungeeignete Elemente — insbesondere bei einer Lage, die nach unten geht, oder bei einer Lage, die nach oben geht — sich der Sache annehmen und hier Spekulationsgewinne einheimsen, die die reelle Geschäftswelt nicht will; denn hier kommt es darauf an, die Preisverhältnisse in einer gewissen Stabilität und Ruhelage zu erhalten. Deshalb sagen wir zum Schluß:
Zu diesem Zwecke sind Erzeuger- und Großhandelspreise fortlaufend zu veröffentlichen.
Meine verehrten Damen und Herren, ich würde Ihnen vorschlagen, diesen Antrag gleich so, wie er hier geändert ist, anzunehmen. Denn was sollen die vielen Debatten über diese Frage noch bezwecken? Das ist eine Frage der Exekutive. Die Exekutive hat die Machtmittel auf Grund der gesetzgeberischen Grundlagen; das ist die Wucher-, die Preisgesetzgebung, die hier noch existiert, die Preis-Strafverordnung, die Sie damals im Wirtschaftsrat gemacht haben. Es muß wieder dazu kommen, daß auf Grund der entsprechenden Notierungen auch für jeden ersichtlich ist: was ist übersetzter Preis und was ist angemessener Preis, so daß wir hier wieder zu einer inneren Ordnung des Wirtschaftslebens kommen.
Ich möchte nur zum Schluß noch sagen, damit es nicht heißt, daß ich über die Verhältnisse nicht orientiert bin: ich habe letzte Woche gegenüber Herrn Professor Dr. Erhard eine etwas gegenteilige Meinung vertreten.
Das ist deswegen noch keine Opposition, Herr Kollege Baumgartner. Aber man muß mit den richtigen Mitteln arbeiten. Ich habe hier das Buch von Lujo von Brentano „Das Freihandelsargument", und die Ausführungen, die darin
stehen, sind nicht die Ausführungen, die Herr
Kollege Loritz gemacht hat. Das nur nebenbei.
Im übrigen wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie diese Sache nicht mehr dem Ausschuß überweisen, sondern zum Abschluß bringen wollten, indem Sie den eben verlesenen Antrag annehmen, damit wir hier die Bahn für andere fruchtbare Arbeit frei bekommen und damit wir den Weg freimachen, so daß die Regierung auf diesem Gebiete das tun kann, was nach den gesetzlichen Grundlagen zu tun ist.
Herr Abgeordneter Dr. Horlacher, Ihr Antrag trägt die Überschrift „Abänderungsantrag". Soll es dabei bleiben?
— Danke schön!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Margulies.
Hohes Haus! Meine Fraktion hat den Antrag der WAV begrüßt, weil er uns die Möglichkeit gibt, ein Problem mit aller gebotenen Sachlichkeit, aber auch Offenheit zu behandeln und die in der Öffentlichkeit und teilweise auch hier im Hause vorherrschenden, etwas phantastischen Vorstellungen in dieser Sache zu berichtigen. Wir haben vor allen Dingen bei den Gütern zu unterscheiden, die heute noch preisgebunden sind. Nur bei diesen ist der Begriff der Handelsspanne anzuwenden. Wir sind mit den Antragstellern der Ansicht und befürworten auch den Antrag, den Kollege Horlacher soeben gestellt hat, daß die Preise und Handelsspannen der noch preisgebundenen Waren von der Regierung einmal überprüft und bekanntgegeben werden sollten, um die Vorstellungen darüber richtigzustellen. Bei den nicht mehr preisgebundenen Waren, meine Damen und Herren, ist der freie Wettbewerb das Regulativ, das dafür sorgt, daß die Preise nicht über das hinausgehen, was für den Konsumenten tragbar ist.
Ich hatte während der Ausführungen des Herrn Kollegen Loritz manchmal den Eindruck, daß er Mitkämpfer im Kampfe gegen die Reste der Bewirtschaftung und für einen freien Wettbewerb sein wolle; denn alles, was er hier kritisiert hat, waren ja Ausflüsse der Reste der Bewirtschaftung und bezog sich in keiner Weise auf die nicht mehr preisgebundenen Waren. Ebenso begrüße ich ihn natürlich auch als Mitkämpfer um einen größeren Markt, eine Entwicklung, die wir ja heute nachmittag durch unsere Unterschrift unter das ECA-Abkommen eingeleitet haben. Leider Gottes hat der Handel nicht die von Herrn Kollegen Loritz vorgetragene prophetische Gabe gehabt, zu billigen Preisen einzukaufen, um jetzt bei teueren Preisen zu verkaufen, sondern die Entwicklung ist genau umgekehrt verlaufen. Ich habe hier eine kleine Aufstellung, aus der man sehr deutliche Schlüsse ziehen kann. Zum Beispiel sind Fette innerhalb der letzten 2 Monate bis zu 20 Prozent in den Preisen zurückgegangen, und zwar bei einer Handelsspanne, die maximal 51/2 bis 6 Prozent beträgt. Bei Textilien belaufen sich die Preisrückgänge bei Handelsspannen von etwa 15 Prozent auf bis zu 30 Prozent. Ich bedaure sehr, daß der Kollege Loritz infolge der bekannten Überarbeitung der Abgeordneten nicht die Möglichkeit hatte, tiefer in die Materie einzudringen,
und sich auf die durch einige Zeitungsartikel vermittelten Kenntnisse berufen mußte. Bei eingehendem Studium der Dinge werden wir feststellen, daß in den letzten zwei Monaten im freien Wettbewerb Preisrückgänge eingetreten sind, die die Lage völlig umgestalten und dem Handel Verluste bringen, die er aus seiner sehr schmalen Kapitaldecke zu tragen hat. Damit wird sich aber auch, meine Damen und Herren, das Problem der Übersetzung des Handels ganz von selbst lösen; denn wer hier nicht mehr mitmachen kann, der scheidet aus.
Ich darf Sie daher bitten, wenn wir die von Herrn Kollegen Loritz kritisierten Zustände künftig vermeiden wollen, die Reste der nun längst überholten Bewirtschaftung endlich aufzuheben und zu der freien Wettbewerbswirtschaft zu kommen, in der Handel und Genossenschaften —denn sie üben ja die gleiche Funktion aus — nicht mehr verdienen können, als ihnen der Konsument zubilligt. Für die im Augenblick noch preisgebundenen Waren bitte ich Sie, dem Antrag des Herrn Kollegen Horlacher zu entsprechen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die Frage, die heute zur Debatte steht, berührt nicht nur uns, sondern die breitesten Bevölkerungskreise in außerordentlichem Maße. Ich glaube aber, daß in der bisherigen Debatte ein wichtiger Gesichtspunkt nicht genügend zur Sprache gekommen ist. Alle Redner haben sich eigentlich dafür ausgesprochen, daß der Preis als Marktregulativ für einen offenen und freien Markt geschaffen werden soll. Aber haben wir die Voraussetzung dafür? Können wir von einem solchen offenen und freien Markt überhaupt sprechen? Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit vor allem darauf lenken, daß es doch verschiedene Beeinflussungsmöglichkeiten gibt, die Handelsspannen künstlich zu erhöhen, und daß niemand, der am Markt beteiligt ist, sich den daraus resultierenden Wirkungen entziehen kann. Denken Sie beispielsweise beim Benzinpreis daran, daß die Regierung den Benzinhandelsgesellschaften und Bohrgesellschaften 40 Mark je Tonne Benzin als Zuschuß gezahlt hat und daß dieser Zuschuß gewährt wurde, ohne daß etwa überprüft worden war, ob dieser Zuschuß, der einfach je Tonne gegeben wurde, tatsächlich für die Bohrleistungen notwendig war. Es ist also nicht so gewesen, daß dieser Zuschuß im einzelnen für die Bohrleistungen hätte verwendet werden müssen; sondern die Inlandshandelsspanne ist tatsächlich ohne weiteres an die Handelsspanne der Einführer angeglichen worden. Hier in dieser Angelegenheit zeigt sich deutlich, daß wir es nicht mit einem Problem zu tun haben, das nur die Beteiligten — seien es die Konsumenten, seien es die Produzenten — regeln könnten, sondern daß es ein Problem ist, das ausschließlich auf Anordnungen von hoher Hand beruht. Und derartige Anordnungen von hoher Hand gibt es ja noch auf zahlreichen anderen Märkten. Diese Anordnungen von hoher Hand zu untersuchen, wäre meiner Ansicht nach die wichtigste Aufgabe des Ausschusses, der sich mit dem Antrag der WAV zu beschäftigen hat.
Ich erinnere auch daran, daß beispielsweise auf Grund einer Zusage des Ernährungsministers die
Kartoffelpreise niedrig gehalten werden sollten. Es sollten aus Holland Kartoffeln eingeführt werden, um ein besonders starkes Ansteigen der Kartoffelpreise zu verhindern. Auf eine Anfrage des Zentrums haben wir eine Antwort bekommen, in der es heißt, die Kartoffelpreise in Holland seien so hoch gewesen, daß man dadurch die Kartoffelpreise in Deutschland nicht nach unten habe beeinflussen können. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Nach den letzten statistischen Wochenberichten, die hier vom Statistischen Amt herausgegeben werden, beträgt der Kartoffelpreis in Düsseldorf zur Zeit 9 Pfennig je Pfund; und die Einfuhrpreise, wie sie vom Ernährungsministerium bekanntgegeben sind, hätten 5,6 Pfennig einschließlich der Handelsspanne betragen, so daß wohl ein erheblicher Preisdruck auf die Kartoffelpreise hätte ausgeübt werden können, wenn der Herr Ernährungsminister sein Versprechen wahrgemacht hätte.
Und hier liegt wieder ein ganz wichtiger Punkt, nämlich die Tatsache, daß wir ja die Preisbildung durch unsere Einfuhrgestaltung in wesentlichem Maße lenken und beeinflussen können. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Beeinflussungsmöglichkeiten, die das Importausgleichsgesetz ebenfalls wieder den Regierungsstellen gibt, wobei gleichzeitig jetzt auch die Handelsspannen geregelt werden. Sie werden sich an die Tatsache erinnern, daß bei der Zuckereinfuhr infolge der nicht übereinstimmenden Klassifizierung des Zuckers auf dem Weltmarkt und dem Inlandsmarkt zusätzliche Handelsspannen, zusätzliche Gewinne der Händler durch offizielle Anordnungen ermöglicht wurden. Ich halte es also für besonders dringlich, daß gerade diese Seite der Preisgestaltung einmal haarscharf unter die Lupe genommen wird, die die Festsetzung der von den Ministerien gelenkten Preise und gerade die Festsetzung der Handelsspannen auf diesem Sektor betrifft.
Ein zweiter Gesichtspunkt ist aber, wie ich glaube, in diesem Zusammenhang noch sehr zu überprüfen: das ist die Frage der Monopolbekämpfung. Es wird immer wieder erklärt, daß die Regierung ein Monopolgesetz vorbereite und daß ein solches Monopolgesetz wirksame Maßnahmen gegen Verabredungen auf den Märkten bringen solle. Man denkt offenbar immer nur an die Industrie und vielleicht auch an den Großhandel, vergißt aber, daß derartige Monopol- und Kartellabreden beispielsweise auch auf dem von dem Abgeordneten Horlacher erwähnten Gebiet des Gaststättengewerbes gang und gäbe sind. Warum werden die Bierpreise heute einschließlich einer verdoppelten Steuer, einschließlich der Steuerbelastung kalkuliert? Und der Handelszuschlag wird auf die Biersteuer auch noch draufgeschlagen. Das geschieht einfach deshalb, weil sich die Gastwirte eines Ortes darüber einig sind, daß sie unter einem bestimmten Bierpreis nicht verkaufen wollen. Sicher ist eine solche Abrede nicht gesetzmäßig. Tatsächlich aber haben wir diese Monopole in breitester Form auch in den Kreisen, die ich eben ansprach. Das gleiche gilt beispielsweise von den Kleinverkaufspreisen für Fleisch usw.
Es wird also die zweite Aufgabe dieses Ausschusses sein, zu untersuchen, wie die Handelsspannen durch eine Monopol- oder Kartellabrede in breitesten Kreisen der deutschen Wirtschaft künstlich hochgehalten werden und dadurch künstlich ein Teil des Gewinns an einzelne Wirtschaftszweige übergeführt wird, der tatsächlich mit ihrer Marktleistung nicht vereinbar ist.
Ich erinnere ferner an die Preisfestsetzung für Holz, die unmittelbar von der staatlichen Forstverwaltung entscheidend beeinflußt wird. Die staatliche Forstverwaltung hat sich nach der Währungsreform als erste beeilt, entsprechend den Marktbedingungen hohe Holzpreise durchzusetzen. Ich glaube also, daß die Untersuchungen vielleicht auch deshalb so große Schwierigkeiten machen, weil im Schoße der Regierung selber die Auffassung über das Wesen der freien Marktordnung und der sozialen Marktwirtschaft nicht ganz einheitlich ist.
In der letzten Woche wurde ein Schritt zur freiwilligen Marktordnung getan — freie Marktordnung ist ein schönes Wort —, und zwar wurde die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker gegründet, die ihre Aufgabe insbesondere auf folgenden Gebieten erfüllt: Anbau und Verwertung von Zuckerrüben, Einfuhr von Zucker, Nebenerzeugnissen usw. Das bedeutet nichts anderes als die Schaffung eines privaten Monopols mit privater Marktordnung zugunsten oder zu Lasten bestimmter Bevölkerungskreise. Daraufhin hat Minister Lübke, der in dieser Sache wohl einen besonderen Standpunkt vertreten hat, erklärt, jetzt könnte auch Zucker frei sein. Eine interessante Äußerung in diesem Zusammenhang hat Herr Lübke auch getan, indem er vor einigen Tagen auf einer Versammlung in Neheim erklärt hat: falls eine wirklich freie Marktwirtschaft, wie sie von allen Rednern hier gefordert worden ist, durchgeführt würde, dann hätte sich die Landwirtschaft das Fell selber über die Ohren gezogen. „Auf jeden Fall wird eine Marktwirtschaft ohne mich gemacht." So Herr Minister Lübke in Neheim! Ich glaube, daß diese Ausführungen auf der einen Seite denen, die die Sprecher der Regierung uns eben gemacht haben, und auf der anderen Seite denen, die Herr Lübke hier, aber auch schon zu früheren Gelegenheiten gemacht hat, diametral gegenüberstehen und daß vielleicht infolge dieser verschiedenen Auffassungen vom Wesen der notwendigen Preiskontrolle und der richtigen Preise nichts geschieht, was längst hätte geschehen können.
Wir sind deshalb der Auffassung, daß dieser Antrag der WAV im zuständigen Ausschuß, und zwar im Ausschuß für Wirtschaftspolitik, einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden müßte. Wir möchten vor allen Dingen nicht, daß dieser Antrag nur dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen wird; denn es handelt sich ja nicht nur um Agrarpreise, sondern um Preise, die, wie die Benzinpreise, auch die übrigen Sektoren unseres wirtschaftlichen Lebens entscheidend berühren. Ich bitte deshalb, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend zuzuweisen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Aumer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß dem WAV-Antrag eine innere Berechtigung nicht abzusprechen ist. Wir glauben auch, daß allzu große Handelsspannen sich in einem sehr ungünstigen Maße auf die große Zahl der Konsumenten ausgewirkt haben. Jedoch freue ich mich, bei dieser Gelegenheit ein-
mal feststellen zu können, daß sich in der Debatte herausgestellt hat, daß nicht immer der Erzeuger und der Fabrikant der schwarze Mann sind, der so große Profite einsteckt, wie dies oft von gewisser Seite behauptet wird.
Ich möchte mir erlauben, gleich eingangs zu einer Bemerkung Stellung zu nehmen, die der Herr Abgeordnete Dr. Bertram in der Benzinsache gemacht hat. Er erklärte, daß den deutschen Erdölgesellschaften in großem Umfang eine Subvention gezahlt worden sei, die nicht nachgeprüft worden wäre. Dazu ist zu sagen, daß die Preisprüfungsstelle selbstverständlich nicht nur in den Jahren 1939 und 1940, sondern auch später die Gestehungskosten für das deutsche Erdöl nachgeprüft hat. Auf Grund eines Antrages von Niedersachsen ist zur Zeit wiederum ein Untersuchungsausschuß eingesetzt worden, der von einem Ministerialdirektor von Niedersachsen geführt wird und der wiederum die Erzeugerpreise des deutschen Erdöls nachprüfen soll. Ich glaube, wir müssen eigentlich den deutschen Erdölgesellschaften dankbar sein, daß sie eine Pionierarbeit leisten und das deutsche Volksvermögen in einem großen Umfang durch die Fündigkeit von Erdölbohrungen vermehrt haben. Denn ich weiß nicht, wie im Jahre 1952 nach dem Aufhören der ERP-Mittel die Dollarbeträge in dem Umfange bereitgestellt werden sollen wie bisher, um die Einfuhr von Benzin sicherzustellen. Wir müssen also alles tun, daß die deutschen Erdölgesellschaften zu diesem Zeitpunkt ihre Produktion entsprechend vergrößert haben. Dies kurz zu der Benzinsache.
Die Großhändler haben natürlich einerseits nicht wie die Fabrikanten Ausgaben für Maschinen oder Lizenzgebühren oder für so große Arbeitslöhne. Andererseits sind wir doch der Meinung, daß man den Handel bei seiner Wichtigkeit nicht so ohne weiteres beiseite schieben kann. Man kann nicht einfach darüber den Stab brechen.
Ich muß Ihnen ehrlich gestehen, daß ich mich mit den Lebensmittelpreisen nicht so gut auskenne wie vielleicht der Herr Kollege Loritz. Ich sehe sie nur aus dem Haushaltsbuch meiner Frau; sie sind allerdings dann auch noch erschütternd genug. Aber es dürfte mit den Kartoffeln und mit den Eiern so wie mit vielen anderen Dingen doch nicht ganz so schlimm sein, wie es hier vorgetragen worden ist.
— Ich kenne auch diese Eierpreise, habe sie mir am Markt hier und in München angesehen. Sie, Herr Kollege Loritz, hatten den Antrag unter dem 1. Dezember eingebracht, wie ich sehe. Damals waren allerdings andere Eierpreise.
— Ja, in der Zwischenzeit sind aber Eiereinfuhren gekommen, und auch das wird sich einpendeln.
Der Lebensmittelgroßhändler hat auf jeden Fall die Kosten für die Lagerhaltung, die Kosten für den Verderb und den Schwund, die bei ihm anfallen, zu berücksichtigen.
— Ich werde gleich darauf zurückkommen, Herr Kollege Loritz, warum die zum Teil sehr hohen Spannen bestehen. Die Umsatzsteuer ist auch nicht gering. Ich glaube — um hier ein Wort des Kollegen Horlacher zu gebrauchen —, daß erstens einmal die Hühneraugen des Handels bei den heutigen unmöglichen Steuersätzen liegen. Wir müssen unbedingt einmal dazu kommen, daß eine vernünftige Steuerreform erfolgt. Wenn diese Steuerreform gekommen sein wird, dann wird auch der Handel wieder eine schärfere Kalkulation vornehmen. So wie die Dinge heute liegen, besteht für ihn gar kein Interesse daran. Er wird versuchen, die einzelnen Positionen, die Transportkosten, Lagerkosten, den Schwund usw. in einem möglichst hohen Umfange einzukalkulieren, um auf diese Weise wenigstens etwas zu verdienen; denn das Finanzamt nimmt ihm ja 95 Prozent seines ganzen Gewinns weg. Daher ist es zu begrüßen, wenn von seiten des Herrn Bundesfinanzministers endlich eine vernünftige Steuerreform kommt. Sie ist uns ja in der letzten Zeit vorgelegt worden; aber sie hat eine große Anzahl von Schönheitsfehlern. Ich hoffe jedoch: auch diese Schöheitsfehler werden noch beseitigt, und die Steuerreform kommt möglichst bald.
Ich stimme mit dem Herrn Kollegen Loritz vollkommen darin überein, daß der Kettenhandel beseitigt werden muß. Es sind mir selber auf diesem Gebiet viele Beispiele vor Augen geführt worden, die einfach erschütternd sind. Es ist Ware hin- und her-, her- und hingeschoben worden, und jeder hat etwas draufgeschlagen. Der Verbraucher konnte dann den ungeheuer überhöhten Preis zahlen.
Was ist denn nun eigentlich der zweite Punkt, der diese überhöhten Handelsspannen hervorgerufen hat? Der Herr Kollege Horlacher hat es bereits angedeutet. Es ist die in der amerikanischen Zone in einer so krassen Weise durchgeführte Gewerbefreiheit. Nach der Währungsreform und auch schon vorher haben sich in die Reihen des Handels Elemente, Schieber und ähnliche Leute eingeschlichen, die nicht hineingehören und die nun glauben, sie müßten schnell reich werden.
Diese Leute sind es, die die Preise in die Höhe treiben. Der Handel muß selbst dafür sorgen, daß hier wieder Sauberkeit eintritt und daß diese Elemente ausgeschlossen werden.
Die Notwendigkeit einer Bereinigung ist unbedingt gegeben.
Die Regierung könnte auch noch etwas anderes tun. Sie könnte sich zum Beispiel einmal sehr genau diejenigen Firmen ansehen, denen sie Importquoten gibt. Diese Firmen, die Importquoten bekommen, müßten dazu angehalten werden, nur einen vernünftigen Gewinn zu nehmen. Es ist ja manchmal ein etwas eigenartiges System bei der Vergebung dieser Importe festzustellen.
Auch hierüber sind mir schon verschiedene Berichte zugegangen, und meine Partei hat auch letzthin beantragt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der einmal nachprüfen soll, in wel-
cher Weise die landwirtschaftlichen Importquoten vergeben werden.
- Nun, das werden wir schon durchsetzen können. — Praktische Vorschläge müßte man bringen, um tatsächlich der Regierung die Möglichkeit zu geben, diese überhöhten Handelsspannen auf einen normalen Stand zurückzuführen.
Ich bin nicht derjenige, der einer allzu großen Macht der Bürokratie das Wort redet. Ich stehe schon für die freie Marktwirtschaft ein. Ich glaube deshalb, daß die Regierung die Gesetze über Preistreiberei und Preiswucher, die bereits bestehen, nur entsprechend anwenden müßte, daß eine entsprechende Aufsicht und Beobachtung erfolgen müßte, um zu einem befriedigenden Resultat zu kommen.
Ich schließe mich im übrigen den Ausführungen meines Vorredners an und bin für Überweisung des Antrages federführend an den Ausschuß für Wirtschaftpolitik.
Das Wort hat der Herr Wirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat an sich keine Gesichtspunkte ergeben, die es notwendig machen würden, des längeren darüber zu sprechen. Ich stehe auch nicht hier, um etwa das Vorhandensein übersetzter Handelsspannen oder ich kann es auch verallgemeinern — übersetzter Gewinne zu leugnen. Ich weiß, daß das allenthalben noch der Fall ist. Mit I dem ersten Redner des Tages, Herrn Kurlbaum, bin ich durchaus einig, wenn er darauf hinwies, daß sich der Wettbewerb noch nicht in allen Bereichen der Wirtschaft so weit entzündet hat, um seine bereinigende und sozial wohltätige Wirkung auf das Verhältnis von Lohn und Preis ausüben zu können. Ich stelle aber doch immerhin mit Befriedigung fest, daß von dieser Seite indirekt anerkannt worden ist, daß der freie Wettbewerb in dieser Richtung wirkt, und daß das damit einmal endgültig anerkannt wurde.
Ich stimme auch sogar damit überein, daß überall
dort, wo wir die Produktion noch nicht dem Verbrauch, den Kaufkraftströmen anpassen konnten
— so zum Beispiel in manchen Bereichen der Ernährung oder auch bei Textilien —, die Dinge noch am problematischsten liegen. Aber, meine Damen und Herren, ich bin überrascht, woher Sie eigentlich noch Ihren Wunderglauben an die segensreiche Wirkung der behördlichen Preisüberwachung nehmen. Die haben wir jetzt die ganze Zeit gehabt, wir haben sie in gewisser Hinsicht auch noch heute. Und was stellen wir da fest?
Überall dort, wo die Behörde die Preise und damit indirekt auch die Handelsspanne gebunden hat, haben sich die Preise wenig verändert. Sie sind da noch auf einem relativ hohen Niveau gebunden, während überall dort, wo der Wettbewerb sich entzündet hat — und je mehr er sich entzündet hat —, die Preise täglich sinkende Tendenz bei gleichzeitig steigender Qualität erkennen lassen.
— Das gilt auf nahezu allen Gebieten des gewerblichen Sektors.
— Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, sich in den Schaufenstern einmal die Preise und die Qualitäten anzusehen und sich auf die Zeit vor 11/2 Jahren zurückzubesinnen.
Und wenn Sie es nicht wissen sollten, dann fragen Sie bitte die Hausfrauen; die können es Ihnen sagen.
Es hat gar keinen Grund, über die Dinge hier zu diskutieren, die so völlig eindeutig sind, daß sie die Spatzen von den Dächern pfeifen.
Wenn hier vom Marshallplan die Rede war und die Meinung vertreten wurde, durch den Marshallplan auf der einen Seite und durch die zunächst sehr starken Einfuhren im Zuge der Liberalisierung auf der anderen Seite würde die deutsche Wirtschaft ein Bild bieten, das eigentlich nicht recht wahr ist — es würde sozusagen ein falscher Eindruck erweckt werden —, dann ist soviel zuzugeben, daß der Marshallplan, wie von mir hundertmal anerkannt wurde, sicher eine wertvolle Hilfe bedeutet. Die Hilfe und Unterstützung liegt aber weniger in der absoluten Höhe, sondern sie liegt fast mehr in dem Charakter der Unterstützung, nämlich in der Dollarverfügbarkeit. Bei einem Bruttosozialprodukt von rund 80 Milliarden, das wir im Jahre 1949 erreicht haben, werden Sie mir zugeben, daß die Marshallplanhilfe bei voller Anerkennung ihrer Bedeutung, um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, jedenfalls mit ihrem Wert(
— wenn ich die GARIOA-Mittel mit 2 bis 21/2 Milliarden D-Mark hinzunehme — das deutsche Wirtschaftsbild im Grundsätzlichen nicht so entscheidend gestaltet hat, wie allgemein angenommen wird. Im Grundsätzlichen wurden das deutsche Wirtschaftsbild und die deutsche Wirtschaftslage durch den Fleiß des deutschen Volkes gestaltet. Das wollen wir doch hier einmal festhalten.
Was die Beschickung des Marktes und das allgemeine Marktbild anlangt, so ist sicher zuzugeben, daß wir, im Zuge der Liberalisierung vorausstoßend, zunächst einmal mehr Güter eingeführt haben, als wir in der gleichen Phase exportiert haben. Aber ich könnte es mir sehr billig machen und sagen: wir standen hier unter einem gewissen Druck, und die ersten JEIA-Verträge sind von den Alliierten abgeschlossen worden. Ich mache es mir nicht so billig, weil ich persönlich der festen Überzeugung bin, daß das System richtig ist. Es hat sich auch in der Abwicklung der Geschäfte und im Verlauf der Entwicklung deutlich erwiesen, daß die Liberalisierung jene Wirkungen zeitigt, die wir davon erwartet haben.
Wir stehen mit einer Reihe von Ländern mit unserer Zahlungsbilanz in Passivsalden, insbesondere mit denen, mit denen wir in liberalisiertem Warenaustausch stehen. Aber es ist nur in den seltensten Fällen so und nur bei relativ unbedeutenden Ländern, daß wir den Spitzenausgleich in Dollars zu besorgen haben. Mit den Ländern, von denen wir viel gekauft haben, muß der Ausgleich vielmehr durch deutsche Exporte erzielt werden.
Zufällig habe ich in den letzten vierzehn Tagen Besprechungen mit den Gesandten und Attachés gerade der Länder gehabt, mit denen wir in der Liberalisierung in der Vorleistung waren. Es zeigte sich eindeutig, daß diese den Ausgleich der Zahlungsbilanz nicht etwa in der Weise wünschen, daß wir mit unseren Einfuhren zurückhalten, sondern dadurch, daß sie ihrerseits mit ihren Importen aus Deutschland nachziehen wollen. Ich glaube, das ist das, was wir erreichen müssen, um einmal unsere Exportindustrie zu beschäftigen, um dadurch wirksam in den Arbeitsmarkt einzugreifen, um aber durch diese Liberalisierung des Außenhandels auch dafür zu sorgen, daß die deutsche Leistung gesteigert, die Produktivität und die Effizienz der menschlichen Arbeit erhöht werden. Das ist der eigentliche Grund und das letzte Ziel, das hinter der Liberalisierung steht. Es ist der Gedanke, neben der Entfachung des inneren Wettbewerbs nunmehr auch von außen her durch den internationalen Wettbewerb dafür zu sorgen, daß sich bequeme Renten nicht mehr erzielen lassen. Die behördliche Bürokratie hat, wie wir ja durch Jahre hindurch gesehen haben, eben nicht dahin gewirkt, einen sozial wirklich befriedigenden Ausgleich zu schaffen. Das wird über die Wirkungen des internationalen Wettbewerbs erreicht, und wir wissen genau, daß wir bei unserer sehr uneinheitlichen volkwirtschaftlichen Struktur die Lebensgrundlage für unser Volk nur dann finden können, wenn wir unsere Exportindustrie großziehen, wenn wir sie in ihrer Leistung an den Standard der übrigen Welt heranführen. Das schafft die Lebensmöglichkeit der deutschen Volkswirtschaft.
Wenn die Liberalisierung von den verschiedenen Schichten unseres Volkes etwas unterschiedlich, manchmal sogar mit gemischten Gefühlen beurteilt wird, dann müssen wir selbstverständlich berücksichtigen und anerkennen, daß wir in einzelnen Bereichen — wenn ich die beiden größten nehme, die Agrarwirtschaft und die gewerbliche Wirtschaft — unter unterschiedlichen Bedingungen stehen und daß gemäß den unterschiedlichen Bedingungen und je nach dem Grad der Anpassungsfähigkeit der eigenen an die fremde Leistung wir im einzelnen auch pfleglich operieren müssen, ohne das Prinzip im ganzen verleugnen zu wollen und verleugnen zu können.
Es ist sicher auch richtig, wenn gesagt wurde, daß die Erzielung von Übergewinnen — und die Handelsspanne ist ja nur eine besondere Spielart solcher Gewinne — zu Fehlinvestitionen führt. Es wäre kindisch, leugnen zu wollen, daß diese Gefahr damit verbunden ist. Aber es ist die Frage: War sie denn auf andere Weise zu vermeiden? Hatten wir denn von Anfang an — das heißt, beim Übergang von der R-Mark zur D-Mark, von der Zwangswirtschaft zur freien Marktwirtschaft — die Möglichkeit, mit der Behörde all die Dinge richtig zu ordnen und richtig zu lenken? Hier möchte ich gleich hinzufügen: Eine Wirtschaft ist nicht chaotisch und nicht ohne Lenkung, wenn diese Lenkung nicht durch ein Heer vor Bürokraten besorgt, sondern wenn sie auf unsichtbare Weise mit marktwirtschaftlichen Mitteln angestrebt wird. So gesehen, wird unsere Wirtschaft über die Marktwirtschaft gelenkt. Sie brauchen sich nur die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Wirtschaftszweigen anzusehen, die Preisentwicklung, die immer größere Konsolidierung und die immer größere Stabilisierung des Preisgebäudes. Das alles zeugt davon, daß wir eine sinnvolle und planvolle Lenkung unserer Wirtschaft durchführen, ohne das durch ein Heer von Bürokraten besorgen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Ich bin bei aller Anerkennung, daß noch nicht alles zum Besten geordnet ist und daß der Marktwirtschaft in der weiteren Entfachung des Wettbewerbs noch viel zu tun übrigbleibt, der Meinung, daß Mittel der behördlichen Preisüberwachung ganz bestimmt versagen würden. Ich bin sogar der Meinung, daß wir nichts besseres tun könnten, als wohl die Preisbildung auf der höheren Ebene des Bundes und der Länder beizubehalten, aber die Preisüberwachung auf der Ebene der Städte und der Landkreise zum Teufel zu jagen;
denn sie ist so überflüssig wie ein Kropf. Dadurch regeln Sie die Dinge nicht, und Sie bringen weder die Preise in Ordnung, noch schaffen Sie die richtige Handelsspanne.
Gibt es denn überhaupt die „gerechte Handelsspanne"? Sie gibt es meiner Ansicht nach ebensowenig wie den sogenannten „gerechten Preis". Ich möchte gar nicht von den mehr wissenschaftlichen Diskussionen sprechen, die um dieses Thema geführt worden sind. Hier ist auch einmal der Begriff der Kalkulation in die Debatte geworfen worden. Sicher, Kalkulation ist etwas Notwendiges und Nützliches, und ich bin der letzte, der etwa empfehlen möchte, nicht mehr zu kalkulieren. Aber ich glaube, die Kalkulation hat mehr eine innerbetriebliche Bedeutung, nämlich die Kontrolle des Betriebes, ob er mit seiner Leistung in der Lage ist, Gnade vor den Augen des Verbrauchers zu finden und mit dem vom Verbraucher akzeptierten Preis auszukommen. Das ist eine ganz andere Betrachtungsweise, als sie in der Zeit bis 1948 üblich war. Damals hat man kalkuliert, hat sich dann diese Kalkulation von der Behörde als ordnungsmäßig vollzogen bescheinigen lassen und geglaubt, mit der Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns gehandelt und somit einen sittlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anspruch darauf zu haben, diesen Preis auch zu realisieren. Und was dabei herausgekommen ist, das wissen wir. Sicher hat diese Art von wirtschaftlicher Auffassung nicht zu den gewünschten sozialen Erfolgen geführt, ohne daß wir untersuchen wollen, warum das so gekommen ist.
Es gibt nur ein en richtigen Preis — den Marktpreis —, wobei ich gleichzeitig auch wieder manchen Herren zugebe, daß die Voraussetzungen zur Realisierung dieses Marktpreises heute noch nicht völlig vorliegen, mindestens noch nicht in allen Bereichen. Aber ist hier etwa die Lösung die, nun mit dem Marktpreis so lange zu warten und so lange mit den behördlichen Preisen zu operieren, bis die äußeren Voraussetzungen geschaffen sind? Diese äußeren Voraussetzungen beschert uns nicht der Himmel, sondern die schaffen wir uns selbst. Wir müssen sie uns schrittweise erkämpfen und dadurch schaffen, daß wir alle Hebel ansetzen, um den Unternehmer und die gesamte gewerbliche Wirtschaft — natürlich auch die Agrarwirtschaft — in eine immer höhere Leistung hereinzuzwingen und mit dieser höheren Leistung dafür zu sorgen, daß nicht nur einzelne daran partizipieren, daß sich also nicht Monopolstellungen in der Wirtschaft entwickeln können, sondern daß diese höhere Leistung dann auch eine gerechte Umlegung findet in einer „gerechten Verteilung des Volkseinkommens und des Sozial-
produkts". Ich kann Ihnen versichern: Das und nichts anderes ist das Ziel unserer Wirtschaftspolitik! Und deshalb darf sie sich auch mit Recht soziale Marktwirtschaft nennen.
— Vielleicht wird noch Gelegenheit sein, auch darüber zu sprechen. Ich würde einer solchen Diskussion nicht aus dem Wege gehen, dessen können Sie versichert sein, und so gut sollten Sie mich eigentlich auch kennen!
Meine Damen und Herren! Dann war die Rede von einer Übersetzung des Handels, einer Übersetzung, hervorgerufen durch die Möglichkeit, wenn auch vielleicht nur entwicklungsmäßig betrachtet, höhere Gewinne in dieser oder jener Sparte zu realisieren. Auch hier erkenne ich an, daß dieser Tatbestand vorgelegen hat und allenthalben auch noch vorliegt. Aber darf ich hier die Frage stellen: Wollen Sie dem Übel der Übersetzung dadurch abhelfen, daß Sie irgendeiner Behörde nach irgendwelchen unerforschlichen Maßstäben das Recht an die Hand geben, ihrerseits darüber zu entscheiden, wer nun durch die Gunst der Bürokratie Lebensmöglichkeit erlangen soll und wer nicht?
Ich glaube, es würde eine Quelle von Korruptionen und anderen Scheußlichkeiten sein, wenn wir so vorgehen sollten.
Wenn und soweit Übersetzungen vorliegen, können sie nur auf eine gerechte Art beseitigt werden, nämlich durch das demokratische Votum des Verbrauchers in seiner Haltung auf den Märkten, und durch nichts anderes! Der Verbraucher und der Markt sind unbestechlich. Nur der hat auf die Dauer Existenzberechtigung, der eine wirtschaftlich nützliche und sozial anerkannte Leistung erfüllt. Und wehe, wenn eine Wirtschaftsordnung so beschaffen ist, daß darüber nicht mehr der Markt und seine Majestät der Verbraucher entscheiden, sondern irgendeine Bürokratie.
Unsere Zeit ist so schnellebig, daß manche Dinge allzu leicht in Vergessenheit geraten, die man sich eigentlich merken sollte. Hier zitiere ich wieder einmal unser Jedermann-Programm. Das Jedermann-Programm hat seine Wirkung getan, und ich habe nie einen Zweifel darüber gelassen, daß die Wirkung nicht in dem Angebot an sich lag, sondern in der Psychologie, die dahintersteckte. Die Wirtschaft ist eben nicht nur eine nüchterne Angelegenheit, bei der Zahlen und Mechanismen am Werke sind,
sondern wo der lebende Mensch mit Herz und Seele und Hirn arbeitet. Was haben wir bei dem Jedermann-Programm gesehen?
Wir haben den Versuch gemacht, genau zu kalkulieren — den Gewinn des Unternehmers, die richtige Handelsspanne —, und was hat sich gezeigt?
Es waren kaum vier Wochen ins Land gegangen,
da hat sich die Ware nicht mehr absetzen lassen,
und alle Theorien vom gerechten Lohn und gerechter Handelsspanne und alles, was als kalkulatorischer Posten in Erscheinung getreten ist,
sind durch den Markt und die Wirklichkeit über
Bord gefegt worden. Sie werden in einigen
Wochen erleben, daß die Saison-Schlußverkäufe
stattfinden, und dann werden Sie wieder ein
neues Beispiel dafür finden. Und in dem Augenblick möchten Sie die Handelsspannen von der
Behörde aus festgelegt haben? Die Dinge liegen
von Zweig zu Zweig und in den verschiedenen
Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung so differenziert, daß es einen absoluten Maßstab für
eine Festlegung gar nicht geben kann. Aber wollen Sie mit der Festlegung einer Handelsspanne
nun auch wieder so etwas wie eine sittliche Rechtfertigung schaffen? Ich kann Ihnen schon heute
Brief und Siegel geben — ob Sie mir glauben
oder nicht, ich werde wieder recht behalten! —:
die Handelsspanne, die Sie nach den Kalkulationen als gerecht anzuerkennen bereit wären, sind morgen durch den Markt über den Haufen geworfen!
Nun hat Herr Abgeordneter Loritz die Dinge noch näher zu begründen versucht. Sie werden mir gestatten, Herr Abgeordneter Loritz, daß ich Ihren wirtschaftlichen Prophezeiungen gegenüber einigermaßen skeptisch bin;
denn ich darf nur erinnern an die Frage der DM-Abwertung. Ich habe zufällig hier den Wortlaut Ihrer Rede, worin Sie sagen, das Ganze wäre eine Katastrophe für unsere deutsche Wirtschaft,
denn, so fahren Sie fort, kein Mensch glaube daran, daß es möglich sei, durch Manipulationen irgendwelcher Art zu verhindern, daß alle Waren- und Lebensmittelpreise ins Rutschen kommen und sich in kürzester Zeit — Sie sprachen nachher von einigen Tagen — auf den abgewerteten Wert unseres Geldes einstellen und einspielen werden.
Darf ich einmal fragen, was von diesen düsteren Prophezeiungen eigentlich übriggeblieben ist? — Nichts!
Darf ich dazu noch etwas sagen, darf ich Sie auf etwas hinweisen, was ja immmerhin ein gewisser Maßstab ist: am Tage der Abwertung stand unsere D-Mark im Kurs auf der freien Schweizer Börse auf 64. Man hätte nach Herrn Loritz erwarten müssen, daß der Kurs in wenigen Tagen auf 50 heruntergehen würde, denn das wäre an sich logisch gewesen. Der Kurs der D-Mark steht heute in der Schweiz auf 85, um 21 Punkte höher als an dem Tag, da wir die D-Mark abgewertet haben.
Meine Damen und Herren, hier möchte ich Sie auch wieder daran erinnern, daß die Lebensmittelpreise nicht gestiegen sind. Dafür mögen Sie eine Begründung finden in der Tatsache, daß wir größere Subventionen gegeben haben. Aber daß auf dem gesamten gewerblichen Sektor trotz der Verteuerung der Rohstoffbezüge die Preise nicht gestiegen sind,
sondern nach wie vor sinkende Tendenz aufweisen, ist ein Beweis,
daß die Marktwirtschaft funktioniert!
Im übrigen werden mir hier dauernd Begriffe in die Schuhe geschoben, die ich, wie ich ganz bestimmt weiß, niemals gebraucht habe, obwohl ich mich von ihnen gar nicht distanzieren möchte. Es wird mir immer wieder gesagt, ich spräche vom Auspendeln. Ich habe das Wort noch niemals in den Mund genommen!
— Bitte, weisen Sie mir an irgendeinem Protokoll des Wirtschaftsrates oder hier an einem Sitzungsprotokoll nach, daß ich das Wort „Auspendeln" verwendet habe!
— Ich habe es nicht verwendet, das weiß ich genau. Es ist an sich ein sehr wenig schönes und sehr wenig plastisches Bild; ich würde bessere dafür haben. Ich distanziere mich nicht von ihm, aber ich habe es nicht gebraucht.
Wenn dann hier Lujo Brentano zitiert wurde, den ich außerordentlich verehre, dann darf ich wohl hinzufügen, daß er einer der klassischsten Freihändler gewesen ist, die je gelebt haben, und wenn Herr Loritz glaubt, daß die Größe des Wirtschaftsgebietes entscheidend dafür ist, ob man eine Marktwirtschaft installieren kann oder nicht, dann wäre es sehr leicht, ihn hier mit historischen Tatbeständen zu widerlegen.
Es ist nämlich nicht eine Funktion der Größe des Raumes,
sondern es ist eine Funktion einer geordneten Wirtschaft, in der — ohne finanzwirtschaftliche Sünden zu begehen — dafür gesorgt wird, daß Einkommen in einer Volkswirtschaft nur zusammen und in Verbindung mit einer produktiven Leistung entsteht, in Quantität und in der Zeit! Das ist das Geheimnis der Marktwirtschaft, und weil wir uns von finanzwirtschaftlichen Sünden, die inflationistische Tendenzen haben oder die eine Störung dieses Gleichgewichts zur Folge haben könnten, frei wissen, deshalb können wir sehr wohl auch tendenziell in der Richtung der Marktwirtschaft operieren, — auch dann, wenn uns natürlich nicht von heute auf morgen vom Himmel heruntergeschneit schon alle Bedingungen einer Marktwirtschaft an die Hand gegeben sind. Aber von der Planwirtschaft, der Zwangswirtschaft,
— ich möchte jetzt keine politische Polemik, meine Herren; ich spreche jetzt von der Zwangswirtschaft, die wir ja hatten und für die ich Sie im Augenblick auch gar nicht verantwortlich machen möchte —
von dieser Zwangswirtschaft zur Marktwirtschaft überzugehen, läßt sich nicht dadurch vollziehen, daß man etwa von acht Tagen zu acht Tagen die Zügel lockerer schleifen läßt, sondern dazu gehört die Brachialgewalt der rauhen Luft der Wirklichkeit, der wir Raum gegeben haben.
Prüfen Sie doch einmal nach, ob das nicht richtig ist, was ich sage! Welches sind denn heute in Europa die klassischen Länder der Marktwirtschaft? Das sind ausgerechnet die kleinsten Länder, das ist die Schweiz und ist Belgien — die Länder, die ihre Wirtschaft in Ordnung halten
und die gesunde wirtschaftliche Prinzipien zur Anwendung bringen. Ich möchte auch keine historischen Vergleiche ziehen, wenn ich sage, daß es wesentlich größere Länder gibt, denen diese Erhaltung einer gesunden Wirtschaft nicht gelungen ist.
Es ist hier auch das Stichwort „Monopole" gefallen. Aber ich glaube, Punkt 5 der Tagesordnung wird noch besondere Veranlassung .geben, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wobei ich glauben möchte, daß ich mit Ihnen in der Verurteilung der Monopole weitgehend übereinstimme.
Schließlich wurde auch noch davon gesprochen. daß es innerhalb der Regierung verschiedenartige Auffassungen über die Wirtschaftspolitik gebe. Das möchte ich mit aller Entschiedenheit bestreiten. Ich sagte vorhin schon, daß selbstverständlich auch von mir anerkannte unterschiedliche Gegebenheiten in den einzelnen Zweigen unserer Wirtschaft vorliegen, und es wäre gerade der Vorwurf Ihrerseits berechtigt, daß wir eine Politik des „laisser faire, laisser aller" trieben, wenn wir diesen Gegebenheiten nicht mit entsprechender Rücksicht begegnen wollten. Aber das bedeutet nicht etwa eine Auseinandersprengung der wirtschaftspolitischen Linie, es bedeutet lediglich eine pflegliche Anpassung der wirtschaftspolitischen Mittel an gegebene Tatbestände. Wenn das nach außen hin etwas verschiedenartig wirkt, und wenn die gleichen Leute, die uns Planlosigkeit vorwerfen, uns gleichzeitig auch diese planvollen Eingriffe zum Vorwurf machen wollen, dann scheint mir dabei die Logik etwas zu kurz zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß die Wirtschaftspolitik, die wir heute treiben, nicht in allen Kreisen unserer Wirtschaft, auch nicht in allen Kreisen der Unternehmerschaft freudige Anerkennung findet. Man hat allenthalben gemerkt, daß Marktwirtschaft kein Honiglecken ist, sondern daß Marktwirtschaft tatsächlich den vollen Einsatz der Persönlichkeit und immer die höchste Leistung voraussetzt. Darum kann ich Ihnen versichern: Mir kommt es bei der Befolgung dieser Wirtschaftspolitik nicht auf die Gunst der Parteien, auch nicht auf die Gunst von Ständen, Schichten und Klassen an, sondern mir kommt es darauf an, dem Volke zu dienen, an dem alle Wirtschaft auszurichten ist. Wenn ich nur den deutschen Verbraucher hinter mir weiß, dann will ich glücklich sein.
Meine Damen und Herren, die Besprechung ist wieder eröffnet. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat am Schluß der Aussprache gesprochen. Eine Wortmeldung? — Herr Abgeordneter Loritz!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird nötig sein, auf einige besonders charakteristische Sätze des Herrn Bundeswirtschaftsministers näher einzugehen. Zuerst nur ein kurzes Wort dazu, daß Herr Professor Erhard glaubte, frühere Ausführungen von mir anläßlich der D-Mark-Abwertung zitieren zu müssen. Ich erkläre hiermit folgendes: Ich stehe voll und ganz zu dem, was ich damals sagte. Ich bin nicht etwa als falscher — —
— Wollen Sie mich bitte nicht unterbrechen! — Ich bin keineswegs als falscher Prophet demaskiert worden, denn sämtliche Waren und sämtliche Güter, deren Preise nicht von der Regierung direkt oder indirekt gestützt worden sind, haben sich dem entwerteten Markkurs angeglichen.
— Das steht fest!
Meine Damen und Herren, durch Ihre Störungen verlängern Sie nur die Sitzung!
Die Lebensmittelpreise sind selbstverständlich nicht in die Höhe gegangen. Warum? Weil sie von der Regierung gestützt worden sind! Für diese Preisstützung bei Getreide, Baumwolle, Fett usw., die wir aus den Dollarländern einführen müssen, muß die Regierung viele Hunderte von Millionen D-Mark aufwenden. Sie weiß auch gar nicht, wie lange sie diese Aufwendungen machen kann! Ich fürchte sehr, am 1. Juli 1950 wird auch da einiges von den Hoffnungen der Regierung zusammenbrechen. Schauen Sie die Preise für Wollwaren an! Schauen Sie die Preise für andere Textilien an, für Schuhe, für alle möglichen sonstigen Dinge.
— Ja, auch Benzin! Diese Preise sind bereits gestiegen oder stehen unmittelbar vor einer Erhöhung, die teilweise sogar den Abwertungssatz noch übersteigt. Das sind Tatsachen, die nicht bestritten werden können. Ich warte nur auf den 1. Juli 1950, zu welchem Zeitpunkt die Regierung gezwungen sein wird, Farbe zu bekennen, und wo sie nicht mehr die Vollmacht zur Stützung dieser Lebensmittelpreise und dieser Importe durch Hunderte von Millionen D-Mark auf Kosten der deutschen Steuerzahler hat. Dann werden wir über diesen Punkt mit Herrn Professor Erhard wieder reden.
Was aber die Preise für Schuhe, für Wolle, für Wäsche und für alle möglichen anderen Dinge betrifft, so soll Herr Professor Erhard mal die Hausfrauen fragen und die Geschäftsleute, die ihm dann gleich Aufschluß geben werden. Selbstverständlich sind Vergleiche nur möglich bei Waren gleicher Qualität und nicht etwa zwischen Waren verschiedener Qualität.
Herr Professor Erhard hat eine Reihe von Sätzen geprägt, die ich mir mitgeschrieben habe und auf die einzugehen sich wirklich lohnt.
Zuerst die Sache der D-Mark-Abwertung. Er glaubte, mich einen falschen Propheten heißen zu können, derselbe Professor Erhard, der vor einigen Wochen noch gesagt hat — das ganze Haus ist dafür Zeuge —, daß die Arbeitslosigkeit keineswegs beängstigend ist und daß die Arbeitslosenziffer nicht mehr wesentlich hinaufgehen wird, glaubte mich einen falschen Propheten
heißen zu können. Das hat Professor Erhard erklärt. Und jetzt? Jetzt steht sie auf zwei Millionen! Auf einen Zwischenruf hat Professor Erhard geantwortet, er wird noch mal auf die Arbeitslosigkeit zu sprechen kommen. Ich möchte den Herrn Professor Erhard nur bitten, das bald zu tun, denn sonst, wenn er das in ein paar Monaten erst tun wird, beträgt die Arbeitslosenziffer nicht mehr zwei Millionen, sondern zweieinhalb Millionen. Ich weiß, daß ich von den Kreisen der CDU vor einigen wenigen Monaten anläßlich der Bundestagswahl noch als Lügner und Demagog bezeichnet wurde, als ich erklärte, wir werden heuer zu Anfang des Jahres 1950 allein in Bayern eine Arbeitslosigkeit von einer halben Million haben. Es ist so gekommen! Die Ziffer für ganz Westdeutschland ist zur Zeit zwei Millionen, und selbst diese Ziffer ist noch nicht vollständig, weil nämlich als arbeitslos nur derjenige registriert wird, der in dem betreffenden Ort eine Zuzugsbewilligung hat; und Hunderttausende von Arbeitslosen sitzen bei uns in Westdeutschland herum, die nicht statistisch erfaßt werden, weil sie nämlich die behördliche Zuzugsgenehmigung noch nicht haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Professor Erhard sagte: „Wir haben die Preisüberwachung gehabt; wie kann einer von uns nach allem, was wir sehen mußten, noch einen Bewirtschaftungssystem nachhängen, einem Bewirtschaftungssystem, ganz gleich welcher Art auch immer"? Was Professor Erhard sagte, kommt mir ungefähr so vor, wie wenn jemand sagt: Dieses Rennpferd taugt nichts, weg damit zum Schlächter, zum Metzger! Und nur deswegen sagt er, das Rennpferd taugt nichts, weil die Reiter, die darauf gesessen sind, vollkommen unfähig waren! Warum ist heute mit Recht das bisherige Bewirtschaftungssystem in den Augen jedes einzelnen unserer Mitbürger bis zur Lächerlichkeit degradiert worden? Nicht deswegen, weil wir theoretisch und praktisch ohne jede Bewirtschaftung auskommen können, sondern aus einem ganz anderen Grund ist es so gekommen. Weil nämlich die Leute, die gerade auch mit Hilfe von gewissen großen Parteien im Jahre 1945 und 1946 als Leiter der Wirtschafts- und Ernährungsämter und als Ministerialdirektoren und Ministerialräte und Oberregierungsräte eingesetz wurden, zum großen Teil überhaupt nichts von der Sparte verstanden, deren Leiter sie nun geworden waren. Ich könnte Ihnen Hunderte von Beispielen sagen, wo der Leiter eines Ernährungsamtes ein Mann war, der in seinem Lebensgang nichts mit Lebensmitteln und Lebensmittelzuteilung zu tun gehabt hatte, sondern der der Ausbildung nach ein Schuhmachermeister war! Ich könnte Ihnen Dutzende von Oberregierungsräten und Ministerialräten nennen, die alles andere als Fachleute auf dem Gebiet der Wirtschaft waren und die etwas ganz anderes gelernt hatten, die aber durch die Gunst gewisser politischer Kreise in diese Posten hineingekommen waren und die den Gaul der deutschen Wirtschaft so zu Tode geritten haben, daß heute Professor Erhard hergehen und sagen kann: Jede staatliche Zwangs- und Lenkungsmaßnahme ist ein Unsinn; ihr habt gesehen, was dabei herausgekommen ist.
— Nein, er will gar keine Lenkung, sondern er
will als höchstes Ziel die freie Marktwirtschaft.
Er sagt, man könne es „noch nicht" überall machen; aber er tut alles, um auf diese freie Marktwirtschaft loszusteuern.
Aber das Merkwürdigste ist — um nicht ein anderes Wort zu gebrauchen —, daß Herr Professor Erhard sagt, die Theorie, die ich entwickelte, große Räume nur könnten ein freies Funktionieren von Angebot und Nachfrage garantieren, sei falsch, denn gerade die kleinen Länder würden beweisen, daß man ohne jegliche Form der Marktwirtschaft am besten auskomme. Er hat in diesem Zusammenhang die Schweiz genannt. Der Vergleich, den Professor Erhard hier gemacht hat, paßt wie die Faust aufs Auge. Erstens ist die Schweiz gerade für das Beispiel, das ich sagte, typisch: ein Großraum, nicht an den Schweizer Landesgrenzen haftend; vielmehr hat die Schweiz dadurch, daß der Schweizer Franken eine ebenso harte oder noch härtere Währung als der Dollar ist, tatsächlich die ganze Weltwirtschaft hinter sich. Im übrigen, Herr Professor Erhard, wissen Sie denn, daß die Schweiz ein sehr eingehendes System der Zwangsbewirtschaftung bis vor gar nicht allzulanger Zeit gehabt hat? Wie können Sie heute die Schweiz als Beispiel hinstellen, die eine sehr straffe Rationierung hatte? Es sind hier einige Mitglieder des Hohen Hauses -- wirklich nicht von der WAV-Fraktion —, die mir das jederzeit bestätigen können, daß sie im Jahre 1945 und 1946 ebenfalls noch ein solches System hatte, allerdings ein System, bei dem die Leiter der betreffenden Wirtschaftsämter nicht immer gerade Leute waren, die etwas ganz anderes gelernt hatten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Professor Erhard sagt: Sie brauchen nur die Auslagen ansehen, dann können Sie feststellen, um wieviel besser es heute ist. Ja, die Auslagen sind ganz wunderbar! Der Ton liegt wohl bei Professor Erhards Ausführungen auf dem Wort „ansehen".
Die Millionen, die da an den Auslagen vorbeigehen und sehen, daß alles vorhanden ist, haben kein Geld im Geldbeutel. An die sollte Professor Erhard doch denken. Mit dem Ansehen ist es nicht getan! Ich sage Ihnen nur eines: Die Lebenshaltung breitester Schichten hat sich noch nicht wesentlich verbessert. Ich gebe allerdings dem Professor Erhard gerne zu, daß die Leute, die den entsprechend großen Geldbeutel haben, heute noch besser dran sind, als sie das schon im Jahre 1945 oder 1946 gewesen sind!
Es wurde von Professor Erhard soviel über die Förderung der Exportindustrie gesprochen. Ja, da sind wir doch alle derselben Auffassung! Aber ich sehe nicht ein, was das mit unserem Antrag zu tun hat. Unser Antrag verlangt, daß d i e Leute aus dem Wirtschaftsleben ausgeschaltet werden, daß ihnen auf die Finger geklopft wird, die die wesentlichen lebenswichtigsten Waren unverschämt verteuern, die erreicht haben, daß die Eier, bis sie beim letzten Verbaucher angelangt sind, aufs Doppelte und Dreifache im Preis gesteigert worden sind, die es erreicht haben, daß ein Zentner Karotten für 1,50 und 2,00 D-Mark heuer im Herbst von den Bauern abgeliefert wurde und daß dieser Zentner kurze Zeit darauf für 20 Mark und noch mehr in den Städten verkauft wurde. Dagegen wenden wir uns; gegen alle diese Dinge. Ich weiß nicht, was das mit der Förderung der Exportindustrie zu tun hat. Ich glaube sogar, daß es die Exportindustrie besonders schädigt, wenn hier die Lebenshaltung gerade der Arbeiter und der kleinen Angestellten in den Industriebetrieben, die exportieren können, herabgedrückt wird, nämlich dadurch, daß sich die Leute für ihr Gehalt nur halb soviel kaufen können, wie sie sich sonst kaufen könnten, wenn dieser unverschämte SchieberZwischenhandel nicht dabei gewesen wäre.
Wir haben auch einen anderen Satz gehört: Quelle der Korruption sei jede Kontrolle des Zwischenhandels. Es gebe nur eine Möglichkeit dagegen, sagte Professor Erhard wörtlich: „das demokratische Verhalten des Verbrauchers auf dem Markte". Ein wunderbar klingendes Wort! Ich weiß allerdings nicht, was sich Herr Professor Erhard darunter vorstellt. Haben sich vielleicht unsere braven Hausfrauen nicht demokratisch verhalten auf dem Markt, wenn man sie so sieht, wie sie mit sorgenvollem Gesicht und leeren Taschen und schmalem Geldbeutel auf den Markt gehen? Wie demokratisch sollen sich die denn noch verhalten?
Was sollen sie noch tun, Herr Professor Erhard? Ich weiß nicht, wie die sich noch demokratischer verhalten sollten! Die Arbeitslosen, die Heimatvertriebenen, die Kurzarbeiter oder aber die Arbeiter, die nur wenig Lohn bekommen, — ich glaube, deren Frauen teilen sich ihr Geld so schon hart genug ein und müssen mit jedem Zehnerl rechnen und fragen sich schon, ob sie sich 20 Pfund oder 30 Pfund Kartoffeln oder ob sie sich ein oder zwei Pfund Fleisch kaufen können! Was sind das für Redensarten: „das demokratische Verhalten auf dem Markt könne entscheidend wirken", wenn es auf der anderen Seite einen Großhändler gibt, der an einer einzigen Eierlieferung von 100 000 Stück Eiern, sage und schreibe 20 000 D-Mark verdient hat, wie ich Ihnen nachrechnen kann.
— Jawohl, das hat er! Ich kann Ihnen konkrete Beispiele dafür bringen.
— Kommen Sie mit den Leuten aus der Wirtschaft zusammen; die werden Ihnen solche Beispiele schon sagen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist das „demokratische Verhalten des Verbrauchers auf dem Markt".
Noch etwas: Er sagte, „wir müssen die äußeren Voraussetzungen schaffen, um wieder hochzukommen". Da stimmen wir ihm vollkommen bei. Wir müssen die Voraussetzungen schaffen. Aber die können nur darin liegen, daß endlich einmal die Behörden, die über die Wirtschaft zu entscheiden haben — und zwar vom Wirtschaftsministerium angefangen bis herunter —, gereinigt und gesäubert werden von den völlig unzulänglichen und unfähigen Elementen und von den korrupten Leuten, soweit solche da sind. Dann wird die Möglichkeit da sein, daß der Staat durchaus auf die Preisgestaltung Einfluß nehmen kann, ohne daß er jedem Bauern den Schutzmann auf den Hof schickt. Ich habe ausdrücklich bei meiner ersten Rede hier erklärt, daß wir vollkommen fern von jeder Idee stehen, hier jeden Stall und jeden Kramladen mit einem Wachtmeister kontrollieren zu wollen. Es gibt ganz andere Möglichkeiten! Ein Redner, der Herr Kollege Bertram, hat darauf schon angespielt. Er sagte, man habe durch die Importe an sich bereits ein Re-
gulativ, wie man die Preise wirksam fixieren könne. Wir haben bei den Eiern ja gesehen: schon die Drohung damit, daß Eier im großen Umfange eingeführt werden, hat genügt, daß noch vor Weihnachten die Eier von 65 auf rund 30 Pfennig damals heruntergefallen sind. So war es doch! Welch große und wirksame Waffe hat hier das Wirtschaftsministerium zusammen mit dem ERP- und Landwirtschaftsministerium in der Hand, die Preise möglichst stabil zu halten, denn der Bauer will nicht diese überhöhten Preise von 60 Pfennig für ein Ei, weil er weiß, daß der Konsum dann wahnsinnig eingeschränkt wird. Aber wir müssen den Bauern umgekehrt auch schützen dagegen, daß er am Schluß für das Ei gar nichts mehr bekommt oder vielleicht nur noch ein Zehnerl, wie es jetzt ist, und ein Zwischenhandel macht dadurch riesige Gewinne . Wir brauchen stabile Preise. Das ist das Entscheidende, damit alle wieder kalkulieren können, nicht bloß die Groß- und Exportindustrie, sondern auch der kleine Arbeiter. Das ist das Entscheidende, daß der Arbeiter endlich einmal kalkulieren kann — auch die Angestellten und der kleine Mittelständler — und sich Preisen gegenübersieht, die wenigstens einigermaßen stabil gehalten werden.
Professor Erhard sagte: „Von der Behörde aus kann man die Handelsspanne nicht festlegen". Dutzende von Ländern haben bewiesen, daß so etwas möglich ist. Denken Sie nur an die Schweiz, Herr Professor Erhard! Ich wiederhole es Ihnen, weil Sie dieses Beispiel zitierten. Dutzende von Ländern haben aber auch klar gezeigt, daß diese Festlegung durch eine Behörde nur dann möglich ist, wenn diese Behörde sauber und integer ist und Fachleute hat. Das ist das Entscheidende.
Herr Professor Erhard meinte, eine Billigung für seine Politik darin finden zu können, daß der D-Mark-Kurs an der Schweizer Börse in der letzten Zeit in die Höhe gegangen ist. Herr Professor Erhard, ich antworte Ihnen: gerade das wird die Arbeitslosigkeit bei uns steigern, weil nämlich jetzt die Schweizer Ausflügler, die Holländer und Belgier und wie sie alle heißen, nicht mehr so häufig wie bisher nach Deutschland herüberkommen und mit der in Zürich usw. angeschafften D-Mark einkaufen werden — weiß der Teufel, wie sie sie herübergebracht haben, aber sie scheinen sie herüberbringen zu können —: Damenhandtaschen, Aktenmappen, Bilder und alles mögliche sonst. Da werden Sie sehen, wie sich das auswirkt, Herr Professor Erhard! Diese Steigerung des D-Mark-Kurses an der Züricher Börse hat gar nichts mit unserm Antrag zu tun, der lediglich will, daß jene Zehntausende von Haifischen herausgefangen werden, die in der Wirtschaft stecken, aber den Namen Wirtschaftler überhaupt nicht verdienen, sondern nichts anderes sind als elende Großschieber, selbst dann, wenn sie ein noch so schönes Firmenschild aufweisen können. Ich habe Ihnen heute schon erklärt: unser Antrag richtet sich nicht gegen die kleinen Geschäftsleute. Die sind mit die Leidtragenden, ja die sind durch diese Riesenfluktuationen auf dem Gebiet der Lebensmittel, bei den Eiern, beim Fett, bei der Butter usw., schwer geschädigt. Jene Großhändler aber — das ist sicher — sind nicht geschädigt worden!
Noch ein paar Sätze von Herrn Professor Erhard: Das Jedermann-Programm kann als Beweis für die Richtigkeit seiner Theorien und ihrer Wirkungen dienen. Ich glaube, aus dem Beispiel
des Jedermann-Programms ist etwas ganz anderes zu entnehmen, nämlich daß die Preisspannen für die Jedermann-Waren von Anfang an unrichtig festgesetzt waren, so daß die Leute den zum großen Teil sehr minderwertigen Warenstapel zu diesen hohen Preisen nicht kaufen mochten, wahrscheinlich auch nicht kaufen konnten! D a s nur kann man aus dem Zusammenbruch des Jedermann-Programms herauslesen. Ich könnte Ihnen hier auch Beispiele nennen, daß Dinge, die in Wirklichkeit kaum die Hälfte wert waren, zu einem wahnsinnig übersetzten Preis dem Letztverbraucher angeboten wurden. Aus dem Jedermann-Programm, Herr Professor Erhard, können Sie noch gar keine Schlüsse ziehen!
Wir kommen zu unserm Antrag. Darf ich mit einem Satz gegenüber all den Entstellungen klarstellen, was unser Antrag überhaupt will. Es steht deutlich genug drin. Er will, daß die Behörden, angefangen zuoberst beim Wirtschaftsministerium, dafür sorgen, daß diese Subjekte, die bei den lebenswichtigsten Bedarfsgegenständen Riesengewinne machen, aus dem Wirtschaftsgang ausgesondert werden, daß diesen Leuten auf die Finger geklopft wird. Ich sage Ihnen allerdings eines: unser Antrag — ich weiß es — wird nur dann richtig ausgeführt werden können, wenn zuoberst im Wirtschaftsministerium Leute an die wichtigsten Posten gestellt werden, die wirklich etwas verstehen,
und wenn es bis herunter zu den kleinen Wirtschafts- und Ernährungsämtern ebenso gemacht wird!
— Nein, Herr Kollege, das würde ich niemals machen, sondern zum Wirtschaftsminister müssen Sie einen Mann haben, der nicht aus der theoretischen Wissenschaft heraus kommt,
sondern aus der praktischen Wirtschaft!
Universitätsprofessoren bitte an die Universitäten, die Juristen dorthin, wo es sich um reine Rechtsfragen dreht!
— Nein, ich habe keinen Ehrgeiz, bei dieser Regierung Adenauer mitzumachen, nein, nein!
Damit es gar keine Mißverständnisse gibt: nein, nein, keineswegs!
Ich bitte den Herrn Abgeordneten, zum Schluß zu kommen.
Ich bin ja unterbrochen worden, und ich muß doch auf die Zwischenrufe gleich hinausgeben, nicht wahr? Aber weil Sie schon das mit der Regierungsbeteiligung sagten: vielleicht suchen Sie sich bald jemanden, nachdem Ihre Mehrheit von einer Stimme ins Wanken geraten ist, seitdem Herr Hedler nicht mehr dabei ist!
Vielleicht kommen Sie da nun zur WAV! Aber ich kann Ihnen heute schon sagen: wir machen nicht mit!
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag will, daß die Regierung einigen zehntausend Großschiebern endlich einmal auf die Finger klopft. Unser Antrag will eine Kontrolle der Preise in Form einer Preisüberwachung, die aber keineswegs so erfolgen soll, daß man jedem Bauern den Schutzmann schickt, sondern ganz anderen Leuten gehört der Schutzmann geschickt! Wenn Herr Professor Erhard sagt, eine generelle Festsetzung von Preisen sei nicht möglich und würde zu Mißständen führen, dann erwidere ich ihm: das haben wir gar nicht beantragt. Es gibt durchaus die Möglichkeit, Preise, die überhöht erscheinen, im einzelnen nachzuprüfen. Das haben die Regierungen schon vor 1914 gemacht, Herr Professor Erhard, und sie sind dabei gar nicht schlecht gefahren. Schon damals ist in solchen Fällen von seiten der Regierung die überhöhte Verdienstspanne kontrolliert worden, und man hat im entscheidenden Moment nicht gezögert, gegen solche Leute auf Grund des Wucherparagraphen den Staatsanwalt zu mobilisieren. Schade, daß man heute oft allzulange zögert, den Staatsanwalt gegen die wirklich Großen einzusetzen, und daß man den Staatsanwalt meistens nur bei den kleinen Einzelhändlern kennt!
Herr Abgeordneter, ich bitte, nunmehr wirklich zum, Schluß zu kommen!
Ich habe an sich nach der Geschäftsordnung eine Stunde Redezeit, nachdem hier neu angefangen wurde. Der Herr Präsident wird mir da wohl rechtgeben.
Ich bitte, sich an die Abmachungen im Ältestenrat von heute morgen zu erinnern, wo zwar von dieser Stunde Redezeit gesprochen wurde, andererseits aber auch auf die Einsicht der Redner gebaut worden ist.
Da wußten wir nicht, daß der Herr Wirtschaftsminister das Wort ergreifen würde, und wir wußten insbesondere nicht, daß der Herr Wirtschaftsminister gerade die Ausführungen der WAV so eingehend angreifen würde.
Zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrages möchte ich folgendes sagen. — Wir sind mit einer sofortigen Verbescheidung im Plenum durchaus einverstanden. Wir sind aber auch mit einer Überweisung an den Ausschuß einverstanden, wobei wir allerdings darum bitten, daß die Sache nicht dadurch, daß sie an den Ausschuß verwiesen wird, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, sondern im Ausschuß raschestens und eingehend beraten wird. Wir sind also mit beidem einverstanden. Nur gegen eines wehren wir uns, daß nämlich hier von seiten des Herrn Wirtschaftsministers versucht wird, mit allgemeinen Redensarten ein Bild zu entwickeln, das die Situation, in der wir uns heute befinden, vollkommen ableugnet.
Und w i e diese Situation ist, das wissen Sie alle,
daß nämlich ein großer Teil der Bevölkerung 4 nicht mehr das Lebensnotwendige hat,
daß wir eine Riesenzahl von Arbeitslosen haben und daß einige zehntausend Großschieber es heute bei uns so glänzend haben wie noch nie. Das wollen wir bekämpfen, und zwar nicht bloß wir von der WAV, sondern hoffentlich auch noch andere Kreise dieses Hohen Hauses; wir wollen alle zusammen helfen! Es ist doch merkwürdig, daß zum Beispiel der Herr Abgeordnete Horlacher sogar in wesentlichen Dingen bestätigte, daß teilweise in sehr großem und wucherischem Umfang überhöhte Handelsspannen bestehen. Da haben wir uns ja gefunden! Das ist ja gerade das, was wir sagen.
— Mit Ihren Schlußrufen können Sie nicht die Wahrheit unterdrücken!
— An sich wäre es demokratisch, den Redner ausreden zu lassen, solange er sich an den Rahmen der Geschäftsordnung hält.
Ihnen gegenüber verzichte ich aber darauf, hier heute noch weitere Ausführungen zu machen: Denn unser Volk weiß, was es von der bisherigen Regierungspolitik zu halten hat, und Sie werden dafür die Antwort des Volkes bekommen!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horlacher.
— Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Schoettle.
Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen meiner Fraktion Schluß der Debatte beantragen.
Ich möchte weiter darum bitten, daß wir die heutige Sitzung damit abschließen; denn ich glaube, daß es nicht im Interesse der Sache liegt, die als letzter Punkt auf der Tagesordnung steht, wenn wir in diesem Zeitpunkt eine Debatte über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion und über die damit zusammenhängenden Probleme beginnen.
Ich möchte vorschlagen — ich glaube, daß das ein fairer Vorschlag ist —, daß wir morgen den Rest der heutigen Tagesordnung zuerst erledigen. Ich glaube, das ist der ganzen Sache dienlich, und ich bitte, diesem Antrag stattzugeben.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag zur Geschäftsordnung.
Das Wort hat der Herr Abgeordete Dr. von Brentano.
Ich schließe mich für
meine Fraktion diesem Antrag an.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich lasse zuerst abstimmen über den Antrag — —
- Das ist keine Meldung zur Geschäftsordnung.
Sie können nachher das Wort erhalten.
Ich lasse über den Antrag auf Schluß der Debatte abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nun über den zweiten Antrag abstimmen, den Punkt 5 der Tagesordnung heute
— So ist es ja wohl verstanden worden.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung hat der Abgeordnete Bertram.
— Das wird alsbald geschehen.
Meine Ausführungen über den Benzinpreis sind anscheinend mißverstanden worden. Ich habe laut Protokoll erklärt, daß die Regierung den Benzinhandelsgesellschaften und Bohrgesellschaften 40 Mark je Tonne Benzin als Zuschuß gezahlt hat und daß dieser Zuschuß gewährt wurde, ohne daß etwa überprüft worden ist, daß dieser Zuschuß für die Bohrleistungen notwendig war. Ich will damit
also nur sagen, daß für das Benzin auf den Gestehungspreis die gleiche Spanne wie beim Importkraftstoff gewährt worden ist, ohne daß eine echte Förderung der Bohrleistungen stattgefunden hätte.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Am weitesten geht der Antrag, die beiden Anträge, nämlich den Antrag der WAV — Drucksache Nr. 257 und den Abänderungsantrag Horlacher —, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu verweisen.
Der weitestgehende Antrag ist der Antrag auf Verweisung.
— Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung geht der Antrag auf Verweisung am weitesten. Darüber kann kein Zweifel bestehen. Wer dafür ist, daß die beiden Anträge an den genannten Ausschuß verwiesen werden, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Mehrheit war offensichtlich für Verweisung.
Ich mache noch bekannt, daß die Fraktion der SPD anschließend Sitzung hat.
— Die FDP-Fraktion hat ebenfalls Sitzung; die CDU/CSU-Fraktion hat Sitzung um 20 Uhr.
Ich berufe die 32. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 27. Januar 1950, 14 Uhr, ein und schließe die 31. Sitzung.