Rede von
Willi
Agatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wenn es auch stimmt, daß unser Antrag formell erledigt ist, wie es der Herr Berichterstatter hier sagte, so halten wir es doch für richtig, zu der Frage des Ruhrstatuts noch einiges zu sagen. Wir meinen, daß das Ruhrstatut von solch schwerem Gewicht für Deutschland ist, für unser Volk insgesamt, vor allem aber für unsere Menschen an Rhein und Ruhr, daß das Parlament unbedingt dazu noch Stellung nehmen sollte. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß das Ruhrstatut mit den nationalen Interessen Deutschlands unvereinbar ist. Als es verkündet wurde, stieß es auf eine große Empörung im ganzen deutschen politischen Leben. War es doch sogar unser Herr Bundeskanzler selbst, der damals davon sprach, wenn ich mich recht erinnere, daß unser Volk durch dieses Statut versklavt würde. Auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Dr. Böckler, sagte damals:
Ich bin aufs höchste betroffen über den Inhalt dieses Dokuments. Es enthält nicht nur Maßnahmen zur Verhütung einer Wiederaufrüstung; praktisch liegt die Bestimmung über Art und Umfang der deutschen Produktion von Kohle, Koks und allen Eisen- und Stahlerzeugnissen in der Hand der Siegermächte. Darüber hinaus können alle Maßnahmen der deutschen Wirtschaftspolitik, soweit sie den Kohlenbergbau oder die Eisen- und Stahlwirtschaft berühren, von der Kontrollbehörde überprüft und geändert werden. Die Kontrollbehörde hat ein Informationsrecht, das
ungeheure Ausmaße annehmen kann. Hiernach erscheint die Frage berechtigt, ob überhaupt noch eine deutsche Wirtschaftspolitik möglich ist.
Das war die Meinung eines Mannes, der in Deutschland in hohem Ansehen steht. Das war die Meinung dieses Mannes! Jedenfalls ist durch das Ruhrstatut das Herzstück der deutschen Wirtschaft, das Ruhrgebiet, in einem sehr weiten Umfange der deutschen Oberhoheit entzogen worden.
Wenn Herr Dr. Adenauer als Bundeskanzler in dem Petersberg-Abkommen das Ruhrstatut dennoch unterschrieben hat, so möchte ich sagen, daß das Parlament sich selbst und der Demokratie einen schlechten Gefallen dadurch tat, daß es die Regierung nicht gezwungen hat, vorher hier zu der Frage der Anerkennung oder Ablehnung des Ruhrstatuts Stellung zu nehmen. Es ist doch eine Sache von ungeheurem Gewicht, die mit dem Ruhrstatut dem deutschen Volk aufgebürdet worden ist. Wenn auch nachträglich die Mehrheit dieses Parlaments Herrn Dr. Adenauer zu seinem Schritt die Zustimmung erteilt hat, wir meinen, daß das Parlament dennoch immer wieder zu der Tatsache, daß wesentliche Teile der deutschen Wirtschaft seiner Oberhoheit entzogen werden, Stellung nehmen müßte.
Wir haben drei Vertreter in der Ruhrbehörde, 3 von 15! Was das bedeutet, das dürfte Ihnen allen klar sein. Die Signatarmächte bestimmen, ja ich glaube nach der Praxis, die wir vor allem in der Demontagefrage kennengelernt haben: sie befehlen. Wenn unter diesen drei nun noch ein Gewerkschaftsvertreter ernannt wurde, so kann ich nicht umhin, die Frage zu stellen: was soll der denn da? Gewiß, nach Auffassung der Gewerkschaftsführung soll. jede Möglichkeit zur Mitarbeit genutzt werden. Ich frage aber: haben die Herren des Ruhrstatuts, haben die Mächte, die mittels des Ruhrstatuts ihre nationalen Interessen gegen unsere deutschen Interessen durchsetzen wollen, nicht die Absicht, sich dieses Gewerkschaftsvertreters als demokratischer Kulisse zu bedienen, hinter der sie dann ihre Interessen gegen unsere durchsetzen? Das ist doch die Frage. Und kann da ein Gewerkschaftsvertreter mitmachen? Soll doch keiner kommen und sagen, daß die Deutschen, die 3 von den 15 Stimmen, dort irgendwie eine Stimme von Gewicht haben könnten!
— Das ist ebenfalls noch zu erwähnen. Es ist, wenn ich recht informiert bin, noch gar nicht einmal entschieden, daß die drei deutschen Vertreter Stimmrecht haben; das müssen die Signatarmächte erst noch klären.
Wir sind der Meinung, daß es seitens aller Deutschen nur ein aufrichtiges Nein zum Ruhrstatut geben kann. Wir sind der Meinung, daß es gerade im Interesse des von uns anzustrebenden Friedensvertrages notwendig ist, gegen dieses Ruhrstatut anzukämpfen. Wir sind der Meinung, daß die deutsche Bevölkerung in Verfolg der Politik des Ruhrstatuts, welche auch weitgehend auf die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeitnehmer einwirken wird — wie sich das jetzt schon bei den Bergarbeitern in der Kohlenpreiserhöhung offenbart hat: Kohlenpreissenkung für den Export und Erhöhung der Inlandpreise —, daß die deutschen Arbeitnehmer vor allem unter den Wirkungen des Ruhrstatuts nicht davon abkommen können, gegen dieses Statut zu protestieren. Wir appellieren an alle Deutschen, denen es um die nationalen Belange unseres Volkes ernst ist, mitzuhelfen, daß die deutsche Wirtschaft wieder unter die Souveränität der Deutschen kommt und daß die deutschen Interessen dahin gesichert werden: wir wollen mit allen Völkern zusammenarbeiten, auch mit den westlichen Völkern, auf der Grundlage gleichberechtigter Partner; aber wir wünschen einen Friedensvertrag. Wir wünschen feste Grundlagen dieser Zusammenarbeit, damit zwischen den Völkern Freundschaft und somit auch Friede sein kann.