Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat an sich keine Gesichtspunkte ergeben, die es notwendig machen würden, des längeren darüber zu sprechen. Ich stehe auch nicht hier, um etwa das Vorhandensein übersetzter Handelsspannen oder ich kann es auch verallgemeinern — übersetzter Gewinne zu leugnen. Ich weiß, daß das allenthalben noch der Fall ist. Mit I dem ersten Redner des Tages, Herrn Kurlbaum, bin ich durchaus einig, wenn er darauf hinwies, daß sich der Wettbewerb noch nicht in allen Bereichen der Wirtschaft so weit entzündet hat, um seine bereinigende und sozial wohltätige Wirkung auf das Verhältnis von Lohn und Preis ausüben zu können. Ich stelle aber doch immerhin mit Befriedigung fest, daß von dieser Seite indirekt anerkannt worden ist, daß der freie Wettbewerb in dieser Richtung wirkt, und daß das damit einmal endgültig anerkannt wurde.
Ich stimme auch sogar damit überein, daß überall
dort, wo wir die Produktion noch nicht dem Verbrauch, den Kaufkraftströmen anpassen konnten
— so zum Beispiel in manchen Bereichen der Ernährung oder auch bei Textilien —, die Dinge noch am problematischsten liegen. Aber, meine Damen und Herren, ich bin überrascht, woher Sie eigentlich noch Ihren Wunderglauben an die segensreiche Wirkung der behördlichen Preisüberwachung nehmen. Die haben wir jetzt die ganze Zeit gehabt, wir haben sie in gewisser Hinsicht auch noch heute. Und was stellen wir da fest?
Überall dort, wo die Behörde die Preise und damit indirekt auch die Handelsspanne gebunden hat, haben sich die Preise wenig verändert. Sie sind da noch auf einem relativ hohen Niveau gebunden, während überall dort, wo der Wettbewerb sich entzündet hat — und je mehr er sich entzündet hat —, die Preise täglich sinkende Tendenz bei gleichzeitig steigender Qualität erkennen lassen.
— Das gilt auf nahezu allen Gebieten des gewerblichen Sektors.
— Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, sich in den Schaufenstern einmal die Preise und die Qualitäten anzusehen und sich auf die Zeit vor 11/2 Jahren zurückzubesinnen.
Und wenn Sie es nicht wissen sollten, dann fragen Sie bitte die Hausfrauen; die können es Ihnen sagen.
Es hat gar keinen Grund, über die Dinge hier zu diskutieren, die so völlig eindeutig sind, daß sie die Spatzen von den Dächern pfeifen.
Wenn hier vom Marshallplan die Rede war und die Meinung vertreten wurde, durch den Marshallplan auf der einen Seite und durch die zunächst sehr starken Einfuhren im Zuge der Liberalisierung auf der anderen Seite würde die deutsche Wirtschaft ein Bild bieten, das eigentlich nicht recht wahr ist — es würde sozusagen ein falscher Eindruck erweckt werden —, dann ist soviel zuzugeben, daß der Marshallplan, wie von mir hundertmal anerkannt wurde, sicher eine wertvolle Hilfe bedeutet. Die Hilfe und Unterstützung liegt aber weniger in der absoluten Höhe, sondern sie liegt fast mehr in dem Charakter der Unterstützung, nämlich in der Dollarverfügbarkeit. Bei einem Bruttosozialprodukt von rund 80 Milliarden, das wir im Jahre 1949 erreicht haben, werden Sie mir zugeben, daß die Marshallplanhilfe bei voller Anerkennung ihrer Bedeutung, um hier kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, jedenfalls mit ihrem Wert(
— wenn ich die GARIOA-Mittel mit 2 bis 21/2 Milliarden D-Mark hinzunehme — das deutsche Wirtschaftsbild im Grundsätzlichen nicht so entscheidend gestaltet hat, wie allgemein angenommen wird. Im Grundsätzlichen wurden das deutsche Wirtschaftsbild und die deutsche Wirtschaftslage durch den Fleiß des deutschen Volkes gestaltet. Das wollen wir doch hier einmal festhalten.
Was die Beschickung des Marktes und das allgemeine Marktbild anlangt, so ist sicher zuzugeben, daß wir, im Zuge der Liberalisierung vorausstoßend, zunächst einmal mehr Güter eingeführt haben, als wir in der gleichen Phase exportiert haben. Aber ich könnte es mir sehr billig machen und sagen: wir standen hier unter einem gewissen Druck, und die ersten JEIA-Verträge sind von den Alliierten abgeschlossen worden. Ich mache es mir nicht so billig, weil ich persönlich der festen Überzeugung bin, daß das System richtig ist. Es hat sich auch in der Abwicklung der Geschäfte und im Verlauf der Entwicklung deutlich erwiesen, daß die Liberalisierung jene Wirkungen zeitigt, die wir davon erwartet haben.
Wir stehen mit einer Reihe von Ländern mit unserer Zahlungsbilanz in Passivsalden, insbesondere mit denen, mit denen wir in liberalisiertem Warenaustausch stehen. Aber es ist nur in den seltensten Fällen so und nur bei relativ unbedeutenden Ländern, daß wir den Spitzenausgleich in Dollars zu besorgen haben. Mit den Ländern, von denen wir viel gekauft haben, muß der Ausgleich vielmehr durch deutsche Exporte erzielt werden.
Zufällig habe ich in den letzten vierzehn Tagen Besprechungen mit den Gesandten und Attachés gerade der Länder gehabt, mit denen wir in der Liberalisierung in der Vorleistung waren. Es zeigte sich eindeutig, daß diese den Ausgleich der Zahlungsbilanz nicht etwa in der Weise wünschen, daß wir mit unseren Einfuhren zurückhalten, sondern dadurch, daß sie ihrerseits mit ihren Importen aus Deutschland nachziehen wollen. Ich glaube, das ist das, was wir erreichen müssen, um einmal unsere Exportindustrie zu beschäftigen, um dadurch wirksam in den Arbeitsmarkt einzugreifen, um aber durch diese Liberalisierung des Außenhandels auch dafür zu sorgen, daß die deutsche Leistung gesteigert, die Produktivität und die Effizienz der menschlichen Arbeit erhöht werden. Das ist der eigentliche Grund und das letzte Ziel, das hinter der Liberalisierung steht. Es ist der Gedanke, neben der Entfachung des inneren Wettbewerbs nunmehr auch von außen her durch den internationalen Wettbewerb dafür zu sorgen, daß sich bequeme Renten nicht mehr erzielen lassen. Die behördliche Bürokratie hat, wie wir ja durch Jahre hindurch gesehen haben, eben nicht dahin gewirkt, einen sozial wirklich befriedigenden Ausgleich zu schaffen. Das wird über die Wirkungen des internationalen Wettbewerbs erreicht, und wir wissen genau, daß wir bei unserer sehr uneinheitlichen volkwirtschaftlichen Struktur die Lebensgrundlage für unser Volk nur dann finden können, wenn wir unsere Exportindustrie großziehen, wenn wir sie in ihrer Leistung an den Standard der übrigen Welt heranführen. Das schafft die Lebensmöglichkeit der deutschen Volkswirtschaft.
Wenn die Liberalisierung von den verschiedenen Schichten unseres Volkes etwas unterschiedlich, manchmal sogar mit gemischten Gefühlen beurteilt wird, dann müssen wir selbstverständlich berücksichtigen und anerkennen, daß wir in einzelnen Bereichen — wenn ich die beiden größten nehme, die Agrarwirtschaft und die gewerbliche Wirtschaft — unter unterschiedlichen Bedingungen stehen und daß gemäß den unterschiedlichen Bedingungen und je nach dem Grad der Anpassungsfähigkeit der eigenen an die fremde Leistung wir im einzelnen auch pfleglich operieren müssen, ohne das Prinzip im ganzen verleugnen zu wollen und verleugnen zu können.
Es ist sicher auch richtig, wenn gesagt wurde, daß die Erzielung von Übergewinnen — und die Handelsspanne ist ja nur eine besondere Spielart solcher Gewinne — zu Fehlinvestitionen führt. Es wäre kindisch, leugnen zu wollen, daß diese Gefahr damit verbunden ist. Aber es ist die Frage: War sie denn auf andere Weise zu vermeiden? Hatten wir denn von Anfang an — das heißt, beim Übergang von der R-Mark zur D-Mark, von der Zwangswirtschaft zur freien Marktwirtschaft — die Möglichkeit, mit der Behörde all die Dinge richtig zu ordnen und richtig zu lenken? Hier möchte ich gleich hinzufügen: Eine Wirtschaft ist nicht chaotisch und nicht ohne Lenkung, wenn diese Lenkung nicht durch ein Heer vor Bürokraten besorgt, sondern wenn sie auf unsichtbare Weise mit marktwirtschaftlichen Mitteln angestrebt wird. So gesehen, wird unsere Wirtschaft über die Marktwirtschaft gelenkt. Sie brauchen sich nur die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Wirtschaftszweigen anzusehen, die Preisentwicklung, die immer größere Konsolidierung und die immer größere Stabilisierung des Preisgebäudes. Das alles zeugt davon, daß wir eine sinnvolle und planvolle Lenkung unserer Wirtschaft durchführen, ohne das durch ein Heer von Bürokraten besorgen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Ich bin bei aller Anerkennung, daß noch nicht alles zum Besten geordnet ist und daß der Marktwirtschaft in der weiteren Entfachung des Wettbewerbs noch viel zu tun übrigbleibt, der Meinung, daß Mittel der behördlichen Preisüberwachung ganz bestimmt versagen würden. Ich bin sogar der Meinung, daß wir nichts besseres tun könnten, als wohl die Preisbildung auf der höheren Ebene des Bundes und der Länder beizubehalten, aber die Preisüberwachung auf der Ebene der Städte und der Landkreise zum Teufel zu jagen;
denn sie ist so überflüssig wie ein Kropf. Dadurch regeln Sie die Dinge nicht, und Sie bringen weder die Preise in Ordnung, noch schaffen Sie die richtige Handelsspanne.
Gibt es denn überhaupt die „gerechte Handelsspanne"? Sie gibt es meiner Ansicht nach ebensowenig wie den sogenannten „gerechten Preis". Ich möchte gar nicht von den mehr wissenschaftlichen Diskussionen sprechen, die um dieses Thema geführt worden sind. Hier ist auch einmal der Begriff der Kalkulation in die Debatte geworfen worden. Sicher, Kalkulation ist etwas Notwendiges und Nützliches, und ich bin der letzte, der etwa empfehlen möchte, nicht mehr zu kalkulieren. Aber ich glaube, die Kalkulation hat mehr eine innerbetriebliche Bedeutung, nämlich die Kontrolle des Betriebes, ob er mit seiner Leistung in der Lage ist, Gnade vor den Augen des Verbrauchers zu finden und mit dem vom Verbraucher akzeptierten Preis auszukommen. Das ist eine ganz andere Betrachtungsweise, als sie in der Zeit bis 1948 üblich war. Damals hat man kalkuliert, hat sich dann diese Kalkulation von der Behörde als ordnungsmäßig vollzogen bescheinigen lassen und geglaubt, mit der Sorgfalt des ordentlichen Kaufmanns gehandelt und somit einen sittlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anspruch darauf zu haben, diesen Preis auch zu realisieren. Und was dabei herausgekommen ist, das wissen wir. Sicher hat diese Art von wirtschaftlicher Auffassung nicht zu den gewünschten sozialen Erfolgen geführt, ohne daß wir untersuchen wollen, warum das so gekommen ist.
Es gibt nur ein en richtigen Preis — den Marktpreis —, wobei ich gleichzeitig auch wieder manchen Herren zugebe, daß die Voraussetzungen zur Realisierung dieses Marktpreises heute noch nicht völlig vorliegen, mindestens noch nicht in allen Bereichen. Aber ist hier etwa die Lösung die, nun mit dem Marktpreis so lange zu warten und so lange mit den behördlichen Preisen zu operieren, bis die äußeren Voraussetzungen geschaffen sind? Diese äußeren Voraussetzungen beschert uns nicht der Himmel, sondern die schaffen wir uns selbst. Wir müssen sie uns schrittweise erkämpfen und dadurch schaffen, daß wir alle Hebel ansetzen, um den Unternehmer und die gesamte gewerbliche Wirtschaft — natürlich auch die Agrarwirtschaft — in eine immer höhere Leistung hereinzuzwingen und mit dieser höheren Leistung dafür zu sorgen, daß nicht nur einzelne daran partizipieren, daß sich also nicht Monopolstellungen in der Wirtschaft entwickeln können, sondern daß diese höhere Leistung dann auch eine gerechte Umlegung findet in einer „gerechten Verteilung des Volkseinkommens und des Sozial-
produkts". Ich kann Ihnen versichern: Das und nichts anderes ist das Ziel unserer Wirtschaftspolitik! Und deshalb darf sie sich auch mit Recht soziale Marktwirtschaft nennen.
— Vielleicht wird noch Gelegenheit sein, auch darüber zu sprechen. Ich würde einer solchen Diskussion nicht aus dem Wege gehen, dessen können Sie versichert sein, und so gut sollten Sie mich eigentlich auch kennen!
Meine Damen und Herren! Dann war die Rede von einer Übersetzung des Handels, einer Übersetzung, hervorgerufen durch die Möglichkeit, wenn auch vielleicht nur entwicklungsmäßig betrachtet, höhere Gewinne in dieser oder jener Sparte zu realisieren. Auch hier erkenne ich an, daß dieser Tatbestand vorgelegen hat und allenthalben auch noch vorliegt. Aber darf ich hier die Frage stellen: Wollen Sie dem Übel der Übersetzung dadurch abhelfen, daß Sie irgendeiner Behörde nach irgendwelchen unerforschlichen Maßstäben das Recht an die Hand geben, ihrerseits darüber zu entscheiden, wer nun durch die Gunst der Bürokratie Lebensmöglichkeit erlangen soll und wer nicht?
Ich glaube, es würde eine Quelle von Korruptionen und anderen Scheußlichkeiten sein, wenn wir so vorgehen sollten.
Wenn und soweit Übersetzungen vorliegen, können sie nur auf eine gerechte Art beseitigt werden, nämlich durch das demokratische Votum des Verbrauchers in seiner Haltung auf den Märkten, und durch nichts anderes! Der Verbraucher und der Markt sind unbestechlich. Nur der hat auf die Dauer Existenzberechtigung, der eine wirtschaftlich nützliche und sozial anerkannte Leistung erfüllt. Und wehe, wenn eine Wirtschaftsordnung so beschaffen ist, daß darüber nicht mehr der Markt und seine Majestät der Verbraucher entscheiden, sondern irgendeine Bürokratie.
Unsere Zeit ist so schnellebig, daß manche Dinge allzu leicht in Vergessenheit geraten, die man sich eigentlich merken sollte. Hier zitiere ich wieder einmal unser Jedermann-Programm. Das Jedermann-Programm hat seine Wirkung getan, und ich habe nie einen Zweifel darüber gelassen, daß die Wirkung nicht in dem Angebot an sich lag, sondern in der Psychologie, die dahintersteckte. Die Wirtschaft ist eben nicht nur eine nüchterne Angelegenheit, bei der Zahlen und Mechanismen am Werke sind,
sondern wo der lebende Mensch mit Herz und Seele und Hirn arbeitet. Was haben wir bei dem Jedermann-Programm gesehen?
Wir haben den Versuch gemacht, genau zu kalkulieren — den Gewinn des Unternehmers, die richtige Handelsspanne —, und was hat sich gezeigt?
Es waren kaum vier Wochen ins Land gegangen,
da hat sich die Ware nicht mehr absetzen lassen,
und alle Theorien vom gerechten Lohn und gerechter Handelsspanne und alles, was als kalkulatorischer Posten in Erscheinung getreten ist,
sind durch den Markt und die Wirklichkeit über
Bord gefegt worden. Sie werden in einigen
Wochen erleben, daß die Saison-Schlußverkäufe
stattfinden, und dann werden Sie wieder ein
neues Beispiel dafür finden. Und in dem Augenblick möchten Sie die Handelsspannen von der
Behörde aus festgelegt haben? Die Dinge liegen
von Zweig zu Zweig und in den verschiedenen
Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung so differenziert, daß es einen absoluten Maßstab für
eine Festlegung gar nicht geben kann. Aber wollen Sie mit der Festlegung einer Handelsspanne
nun auch wieder so etwas wie eine sittliche Rechtfertigung schaffen? Ich kann Ihnen schon heute
Brief und Siegel geben — ob Sie mir glauben
oder nicht, ich werde wieder recht behalten! —:
die Handelsspanne, die Sie nach den Kalkulationen als gerecht anzuerkennen bereit wären, sind morgen durch den Markt über den Haufen geworfen!
Nun hat Herr Abgeordneter Loritz die Dinge noch näher zu begründen versucht. Sie werden mir gestatten, Herr Abgeordneter Loritz, daß ich Ihren wirtschaftlichen Prophezeiungen gegenüber einigermaßen skeptisch bin;
denn ich darf nur erinnern an die Frage der DM-Abwertung. Ich habe zufällig hier den Wortlaut Ihrer Rede, worin Sie sagen, das Ganze wäre eine Katastrophe für unsere deutsche Wirtschaft,
denn, so fahren Sie fort, kein Mensch glaube daran, daß es möglich sei, durch Manipulationen irgendwelcher Art zu verhindern, daß alle Waren- und Lebensmittelpreise ins Rutschen kommen und sich in kürzester Zeit — Sie sprachen nachher von einigen Tagen — auf den abgewerteten Wert unseres Geldes einstellen und einspielen werden.
Darf ich einmal fragen, was von diesen düsteren Prophezeiungen eigentlich übriggeblieben ist? — Nichts!
Darf ich dazu noch etwas sagen, darf ich Sie auf etwas hinweisen, was ja immmerhin ein gewisser Maßstab ist: am Tage der Abwertung stand unsere D-Mark im Kurs auf der freien Schweizer Börse auf 64. Man hätte nach Herrn Loritz erwarten müssen, daß der Kurs in wenigen Tagen auf 50 heruntergehen würde, denn das wäre an sich logisch gewesen. Der Kurs der D-Mark steht heute in der Schweiz auf 85, um 21 Punkte höher als an dem Tag, da wir die D-Mark abgewertet haben.
Meine Damen und Herren, hier möchte ich Sie auch wieder daran erinnern, daß die Lebensmittelpreise nicht gestiegen sind. Dafür mögen Sie eine Begründung finden in der Tatsache, daß wir größere Subventionen gegeben haben. Aber daß auf dem gesamten gewerblichen Sektor trotz der Verteuerung der Rohstoffbezüge die Preise nicht gestiegen sind,
sondern nach wie vor sinkende Tendenz aufweisen, ist ein Beweis,
daß die Marktwirtschaft funktioniert!
Im übrigen werden mir hier dauernd Begriffe in die Schuhe geschoben, die ich, wie ich ganz bestimmt weiß, niemals gebraucht habe, obwohl ich mich von ihnen gar nicht distanzieren möchte. Es wird mir immer wieder gesagt, ich spräche vom Auspendeln. Ich habe das Wort noch niemals in den Mund genommen!
— Bitte, weisen Sie mir an irgendeinem Protokoll des Wirtschaftsrates oder hier an einem Sitzungsprotokoll nach, daß ich das Wort „Auspendeln" verwendet habe!
— Ich habe es nicht verwendet, das weiß ich genau. Es ist an sich ein sehr wenig schönes und sehr wenig plastisches Bild; ich würde bessere dafür haben. Ich distanziere mich nicht von ihm, aber ich habe es nicht gebraucht.
Wenn dann hier Lujo Brentano zitiert wurde, den ich außerordentlich verehre, dann darf ich wohl hinzufügen, daß er einer der klassischsten Freihändler gewesen ist, die je gelebt haben, und wenn Herr Loritz glaubt, daß die Größe des Wirtschaftsgebietes entscheidend dafür ist, ob man eine Marktwirtschaft installieren kann oder nicht, dann wäre es sehr leicht, ihn hier mit historischen Tatbeständen zu widerlegen.
Es ist nämlich nicht eine Funktion der Größe des Raumes,
sondern es ist eine Funktion einer geordneten Wirtschaft, in der — ohne finanzwirtschaftliche Sünden zu begehen — dafür gesorgt wird, daß Einkommen in einer Volkswirtschaft nur zusammen und in Verbindung mit einer produktiven Leistung entsteht, in Quantität und in der Zeit! Das ist das Geheimnis der Marktwirtschaft, und weil wir uns von finanzwirtschaftlichen Sünden, die inflationistische Tendenzen haben oder die eine Störung dieses Gleichgewichts zur Folge haben könnten, frei wissen, deshalb können wir sehr wohl auch tendenziell in der Richtung der Marktwirtschaft operieren, — auch dann, wenn uns natürlich nicht von heute auf morgen vom Himmel heruntergeschneit schon alle Bedingungen einer Marktwirtschaft an die Hand gegeben sind. Aber von der Planwirtschaft, der Zwangswirtschaft,
— ich möchte jetzt keine politische Polemik, meine Herren; ich spreche jetzt von der Zwangswirtschaft, die wir ja hatten und für die ich Sie im Augenblick auch gar nicht verantwortlich machen möchte —
von dieser Zwangswirtschaft zur Marktwirtschaft überzugehen, läßt sich nicht dadurch vollziehen, daß man etwa von acht Tagen zu acht Tagen die Zügel lockerer schleifen läßt, sondern dazu gehört die Brachialgewalt der rauhen Luft der Wirklichkeit, der wir Raum gegeben haben.
Prüfen Sie doch einmal nach, ob das nicht richtig ist, was ich sage! Welches sind denn heute in Europa die klassischen Länder der Marktwirtschaft? Das sind ausgerechnet die kleinsten Länder, das ist die Schweiz und ist Belgien — die Länder, die ihre Wirtschaft in Ordnung halten
und die gesunde wirtschaftliche Prinzipien zur Anwendung bringen. Ich möchte auch keine historischen Vergleiche ziehen, wenn ich sage, daß es wesentlich größere Länder gibt, denen diese Erhaltung einer gesunden Wirtschaft nicht gelungen ist.
Es ist hier auch das Stichwort „Monopole" gefallen. Aber ich glaube, Punkt 5 der Tagesordnung wird noch besondere Veranlassung .geben, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wobei ich glauben möchte, daß ich mit Ihnen in der Verurteilung der Monopole weitgehend übereinstimme.
Schließlich wurde auch noch davon gesprochen. daß es innerhalb der Regierung verschiedenartige Auffassungen über die Wirtschaftspolitik gebe. Das möchte ich mit aller Entschiedenheit bestreiten. Ich sagte vorhin schon, daß selbstverständlich auch von mir anerkannte unterschiedliche Gegebenheiten in den einzelnen Zweigen unserer Wirtschaft vorliegen, und es wäre gerade der Vorwurf Ihrerseits berechtigt, daß wir eine Politik des „laisser faire, laisser aller" trieben, wenn wir diesen Gegebenheiten nicht mit entsprechender Rücksicht begegnen wollten. Aber das bedeutet nicht etwa eine Auseinandersprengung der wirtschaftspolitischen Linie, es bedeutet lediglich eine pflegliche Anpassung der wirtschaftspolitischen Mittel an gegebene Tatbestände. Wenn das nach außen hin etwas verschiedenartig wirkt, und wenn die gleichen Leute, die uns Planlosigkeit vorwerfen, uns gleichzeitig auch diese planvollen Eingriffe zum Vorwurf machen wollen, dann scheint mir dabei die Logik etwas zu kurz zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß die Wirtschaftspolitik, die wir heute treiben, nicht in allen Kreisen unserer Wirtschaft, auch nicht in allen Kreisen der Unternehmerschaft freudige Anerkennung findet. Man hat allenthalben gemerkt, daß Marktwirtschaft kein Honiglecken ist, sondern daß Marktwirtschaft tatsächlich den vollen Einsatz der Persönlichkeit und immer die höchste Leistung voraussetzt. Darum kann ich Ihnen versichern: Mir kommt es bei der Befolgung dieser Wirtschaftspolitik nicht auf die Gunst der Parteien, auch nicht auf die Gunst von Ständen, Schichten und Klassen an, sondern mir kommt es darauf an, dem Volke zu dienen, an dem alle Wirtschaft auszurichten ist. Wenn ich nur den deutschen Verbraucher hinter mir weiß, dann will ich glücklich sein.