Rede von
Bernhard
Raestrup
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der uns hier vorliegt, ist in der ersten Lesung wohlwollend besprochen worden. Ich werde meine Berichterstattung in zwei Teile einteilen und zunächst einmal über den Inhalt des ECA-Abkommens mit Amerika sprechen, wobei Sie es mir, glaube ich, erlassen werden, daß ich auf die umfangreiche Arbeit eingehe, die der Ausschuß in dieser Hinsicht zu leisten hatte. Wenn ich wirklich jeden einzelnen Punkt des Vertrages hier erörtern wollte, würde das einige Stunden erfordern.
Ich darf voraussetzen, daß Sie, meine Damen und Herren, alle den Inhalt des Abkommens kennen. Ich will nur kurz über einige Bedenken sprechen, die im Ausschuß eingehend behandelt worden sind.
Zunächst einmal geht es um die Bestimmung, daß Deutschland — im Gegensatz zu anderen Ländern — für die Verbindlichkeiten aus den ERP-Lieferungen aufkommen soll. Wenn auch diese Verbindlichkeiten nur auf 700 Millionen geschätzt werden, so ist doch diese Sonderbehandlung für Deutschland geeignet, Besorgnisse zu wecken. Leider sind alle Bemühungen, den Vertrag in dieser Hinsicht abzuändern, erfolglos geblieben. Trotzdem hat der Ausschuß diese Bedenken nach eingehender Aussprache überwunden und empfiehlt die Annahme des Vertrages trotz dieser Bestimmung.
Wesentlich und interessant für uns ist dann noch die Auflage, daß wir der Stadt Berlin, also dem französischen, englischen und 'amerikanischen Sektor von Berlin, ganz besonders Hilfe gewähren sollen. Im Ausschuß ist die Frage erörtert worden, ob es zweckmäßig sei, und zwar aus psychologischen Gründen, der Berliner Bevölkerung sofort durch ein Gesetz eine Sicherheit für diese Leistungen zu geben. Wir sind aber im Ausschuß der Auffassung gewesen, daß das nicht angebracht sei; wir wollen uns vielmehr erst später über einen Gesetzentwurf einigt werden, der der Stadt Berlin bestimmte Rechte gibt und der Bundesregierung die Verpflichtung auferlegt, für die schwerleidende Stadt Berlin zu sorgen.
Der Vertrag sieht weiter die Schaffung von Möglichkeiten für eine feste Währung vor, entweder durch Schaffung einer einheitlichen Währung für Westeuropa oder aber durch feste Bedingungen darüber, wie die einzelnen Währungen zu bewerten sind.
Weiter müssen wir uns verpflichten, die Liberalisierung des Handels einzuführen. Wir können diese Verpflichtung eingehen, wenn sie von allen übernommen wird, also alle Partner gleichberechtigt sind, und wenn namentlich im Hinblick auf die Landwirtschaft der Importausgleich eingeführt wird. Ich weise darauf hin, daß der deutschen Bundesregierung in diesem Vertrag noch die ausdrückliche Verpflichtung auferlegt worden ist, die Landwirtschaft weiterzuentwickeln und zu schützen.
Das ist das Wesentliche, was ich Ihnen zum Inhalt des Vertrages zu sagen habe. Ich komme nunmehr zu der Vorlage der Bundesregierung betreffend die Genehmigung dieses Vertrages. Dieser Vertrag, meine Damen und Herren, bedarf
der Zustimmung des Bundestages und der Unterschrift des Bundespräsidenten. Die Bundesregierung hat deshalb den Gesetzentwurf eingebracht mit der Bitte an den Bundestag, die Genehmigung zum Abschluß des Vertrages zu erteilen.
An der Vorlage des Bundesrates hat der Ausschuß einige Änderungen vorgenommen, die Sie in dem Ausschußantrag Drucksache Nr. 398 verzeichnet sehen. Artikel I und II hat der Ausschuß unverändert genehmigt. Danach soll aber ein neuer Artikel III eingeführt werden. Ferner hat — das bitte ich in dem Antrag Zu Drucksache Nr. 398 zu beachten — auch Artikel IV auf Vorschlag des Ausschusses eine Änderung erfahren, die zwar rein formeller Natur ist, die ich aber korrekterweise Ihnen vortragen muß.
Der wesentliche Unterschied zwischen dem Vorschlag der Regierung und dem des Ausschusses besteht in folgendem: Wir sind, gestützt auf ein Rechtsgutachten, nicht der Auffassung, daß in dieser Frage der Bundesrat das Kontrollrecht hat, sondern stehen auf dem Standpunkt, daß das eine Angelegenheit der Bundesregierung ist. Weiter war der Ausschuß der Meinung, daß man die Worte „Der Bundesminister für den Marshallplan" ersetzen solle durch die Worte „Die Bundesregierung". Dieser Vertrag ist ja nicht allein eine Angelegenheit des ERP-Ministeriums, sondern alle diese Fragen spielen ja auch in das Landwirtschaftsministerium, in das Wirtschaftsministerium und selbst in das Finanzministerium hinein.
Das, meine Damen und Herren, sind die Vorschläge, die ich namens des Ausschusses Ihnen zu machen hatte. Der Ausschuß ist der Überzeugung, daß es sich bei diesem Vertrag um ein gewaltiges und wichtiges Gesetzeswerk handelt. Es ist der erste Vertrag, den unsere Bundesregierung selbständig hat abschließen können. Der Ausschuß verhehlt sich nicht die außerordentlichen Schwierigkeiten, die bei der Durchführung dieses Vertrages entstehen. Aber er hat das feste Vertrauen, daß es dem deutschen Volke gelingen wird, diesen Vertrag zu erfüllen und damit als gleichberechtigter Partner in die Gemeinschaft der westeuropäischen Völker aufgenommen zu werden. Bisher waren wir ja nur formell gleichberechtigt. In Wirklichkeit war es doch so, daß das deutsche Stimmrecht von einem Beauftragten der Militärregierung ausgeübt wurde. Hier tritt die Bundesregierung erstmalig selbständig als Vertragspartner auf. Der Ausschuß wird — das war die überwiegende Meinung seiner Mitglieder zu seinem Teil daran mitwirken, daß durch die Erfüllung dieses Vertrages Deutschland den Anschluß findet an die westeuropäische Gemeinschaft und damit auch gleichberechtigter Partner beim wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas wird.
Ich bitte Sie nunmehr im Auftrage des Ausschusses, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, wobei ich mir noch abschließend den Hinweis darauf gestatten möchte, daß die vom Ausschuß vorgenommenen Änderungen teils einstimmig, teils mit größter Mehrheit beschlossen worden sind. Ich bitte, dementsprechend abzustimmen.