Rede von
Dr.
Michael
Horlacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Nein, der Antrag als solcher nicht;
denn ich würde mich als Abgeordneter dagegen verwahren, daß ein Mitglied dieses Hohen Hauses nicht ernst genommen wird. Ich nehme ihn — den Herrn Abgeordneten Loritz — durchaus ernst und weiß, daß es so richtig ist.
— Herr Loritz, lassen Sie mich reden, Sie sind ja alte Kundschaft von mir im Bayerischen Landtag.
— Herr Abgeordneter Loritz, da gibt es zwei Dinge, das wissen Sie schon vom Bayerischen
Landtag: zunächst müssen die Zwischenrufe hörbar sein; zweitens müssen sie geistreich sein;
denn sonst — —
— Wenn vollständige Ruhe herrscht und der einzelne Abgeordnete nicht aufgeregt ist, kann er überall im Hause hören!
Aber wir wollen jetzt zur Sache kommen. Es handelt sich darum, daß ein paar Dinge vorweg behandelt werden müssen. Das sind zunächst einmal die Hunderttausende von Zentnern Kartoffeln, die verfault sein sollen.
Ich weiß nicht, wo die verfaulen sollen. Jedenfalls haben wir uns bemüht, trotz der schlechten Kartoffelernte den Kartoffelausgleich in den Westzonen herbeizuführen. Das ist auch gelungen.
Das nur nebenbei.
Zweitens: Ich bin sicher kein Freund von überhöhten Handelsspannen. Im Gegenteil! Aber ich habe heute hier die Neuigkeit gehört, die einzige Aufgabe der Mühlen sei das Vermahlen des Getreides. Das ist eine Neuigkeit, die werde ich mir zur Notiz nehmen.
Vielleicht können wir dann die Handelsspannen bei den Mühlen auf dieser Grundlage ohne Rücksicht auf Verarbeitungs- und Transportkosten entsprechend heruntersetzen.
Das ist eine Frage für sich, die interessiert mich dann nicht weiter.
Nun zum Thema, das hier gestellt ist. Es ist ja auch sonderbar, daß die Behandlung dieses Themas „Kampf gegen die überhöhten Handelsspannen" gerade zusammenfällt mit einer Vertagungsspanne im Bundestag. Auch hier ist mit des Geschickes Mächten kein ew'ger Bund zu flechten. Aber es war gut so, denn unterdessen habe ich mich auf diese Ausführungen noch einmal vorbereiten können. Meine Damen und Herren, Sie brauchen keine Angst zu haben; ich werde nicht zu lange reden, sondern nur einige grundsätzliche Ausführungen machen.
Denn diese Fragen können nicht mit Rumhupfen von einem Gebiet zum andern erledigt werden,
indem man einmal vom Blumenkohl auf die Eier hupft und dann von den Eiern wieder herunter,
sondern diese Dinge können nur erledigt werden, indem man auf die sachlichen Gründe zurückgeht. Das ist das Richtigste. Und da könnte ich den Antrag überschreiben — das werden viele meiner Freunde hier im Hause wissen —: Der Weg vom Erzeuger zum Verbraucher! Das ist das, was viele Leute im Lande interessiert und woran sie eine ganze Reihe von Dingen auszusetzen haben. Das ist auch die Frage, mit der wir uns ernsthaft zu beschäftigen haben, denn das hängt mit der Gesamtlage unseres Volkes zusammen. Wir müssen alles aufbieten, um im Wirtschaftsleben Gerechtigkeit herbeizuführen, die Verhältnisse zu regeln und der Kaufkraft unserer Be-
völkereng auf der ganzen Linie Rechnung zu tragen, damit diese Kaufkraft nicht durch Übersetzungen im Wirtschaftsverkehr irgendwie gefährdet wird.
Das ist ein Ziel, an dem jeder vernünftige Mensch arbeiten kann, und dieses Ziel muß uns auch hier vor Augen schweben. Wenn ich darauf hinweise, daß wir die Verwirklichung dieses Zieles schon seit langer Zeit im Auge gehabt haben, so kann ich das durch Tatsachen beweisen.
Im Wirtschaftsleben müssen die Dinge letzten Endes dadurch geregelt werden, daß man den Grundursachen der Mißstände zu Leibe rückt. Man darf nicht bloß die Symptome sehen, sondern man muß das betrachten, was die Dinge hervorgerufen hat. Und da war es doch so, daß wir vor der Währungsreform unhaltbare Zustände gehabt haben. Ich brauche das nicht im einzelnen zu schildern. Tauschhandel, Schleichhandel und Schwarzhandelsgeschäfte haben hier eine große Rolle gespielt. Das ist bei den zuständigen Stellen auch wiederholt erörtert worden, und alles hat sich bemüht, diesen Erscheinungen durch .geeignete Maßnahmen entgegenzutreten. Aber all das waren letzten Endes bloß Einzelmaßnahmen, sie konnten nicht mehr durchgreifend wirken. Deswegen mußte man das Mißverhältnis zwischen Geld- und Warenverkehr beseitigen. Dazu hat die Währungsreform die Grundlage gelegt. Leider war die Währungsreform, worauf Herr Professor Dr. Erhard schon öfter hingewiesen hat, mit einer Reihe von Umständen verknüpft, die für die Entwicklung unmittelbar nach der Geldumstellung nicht günstig waren.
Hier ist zusätzliche Kaufkraft, die damals zum Zuge kam, zusammengestoßen mit dem erhöhten Nachholbedarf der Bevölkerung. Trotzdem hat man unsere Ratschläge, auch in der Landwirtschaft und auf anderen Gebieten etwas die Nerven zu behalten, teilweise nicht befolgt. Dann kamen die Rückkehr zu normalen Verhältnissen und der Abbau der behördlichen Wirtschaft dazu. Glauben Sie mir: die Verhältnisse. haben sich erst mit Hilfe des Marshallplans ordnen können — und dafür müssen wir den Amerikanern immer dankbar sein —, indem die Rohstoff- und Nahrungsmittellage so gebessert wurde, daß die Mangellage auf den verschiedenen Gebieten geschwunden und damit die Grundlage der Schwarzgeschäfte weggenommen worden ist. Deswegen muß man hier den Dingen in den Grundursachen nachgehen; das heißt menschlich gesprochen: wenn es einem im Kopf fehlt, kann ich nicht die Hühneraugen operieren, dann muß ich schauen, daß der Kopf in Ordnung kommt.
Deswegen muß man den Grundursachen nachgehen. Der Bauer hat ja unter den Grundursachen dieses Mangels auf industriellem Gebiet ungeheuer viel zu leiden gehabt, weil ja der Bauer hier — da haben Sie ganz recht — gewissermaßen unter Ausnahmerecht gestellt wurde. Er mußte abliefern, während die andern im Wirtschaftsleben bereits andere Wege gegangen sind.
Aber warum sollen wir uns um die vergangenen Zeiten herumstreiten? Ich komme jetzt zu dem, was der Abbau der behördlichen Zwangswirtschaft bedeutet hat. Der Abbau der behördlichen Zwangswirtschaft hat bedeutet das müssen doch
sämtliche Zuhörer in dem Raume feststellen daß der Konsument aus den Klauen der Bürokratie, die hier ungeeignet war, die Verhältnisse zu ordnen, befreit wurde.
Sie werden mir das eine zugeben: je mehr sich die Behörden, wenn das Wirtschaftsleben den Mangelzustand behoben hat, mit einzelnen Berechnungen einmischten, desto schlimmer war das für alle Beteiligten.
Ich war einmal in der Landespreisstelle in Bayern nach dem ersten Weltkrieg tätig. Ich habe dann auch ihr Begräbnis mitgemacht und habe noch in lebhafter Erinnerung, was für große Protokolle, Vernehmungen und alles mögliche wir gemacht haben. Und was ist dabei herausgekommen? Daß uns die Beteiligten nachgewiesen haben, daß die Handelsspanne immer viel zu gering gewesen ist.
Deswegen ist es meines Erachtens das einzig Richtige, daß wir zu folgenden Grundsätzen kommen.
— Nein, nicht pendeln lassen! Je mehr wir aus dem Zustand herauskommen, daß der Umsatz nicht so steigt, daß er den Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung tragen kann, desto besser wird es sein; darüber müssen sich sämtliche Beteiligten klar sein. Hier ist es Aufgabe der staatlichen Überwachungsstellen,
dafür zu sorgen, daß sich das Richtige vollzieht. Da muß der volkswirtschaftliche Grundsatz gelten: Je größer der Umsatz, desto geringer müssen die Spannen werden, weil in der Größe des Umsatzes der Verdienst liegt, und das muß sich selber normalisieren. Je mehr Sie auch durch Preisregulierung beim Erzeuger oder sonstwo die Verhältnisse noch erhalten und je mehr Sie gegenüber dem Verbraucherpreis etwas nachgeben und das bei genügend aufgefülltem Markt der freien Regelung überlassen, desto besser wird es für die Bevölkerung sein. Dann spielen sich die Dinge ganz von selber ein; dann brauchen die Behörden das nicht zu berechnen.
Wie war es denn hier im Hause? Wir haben uns über die Ermäßigung der Handelsspanne bei Margarine unterhalten. Was ist dabei herausgekommen? Bisher gar nichts! Denn die Margarinefabrikanten haben uns nachgewiesen, daß ihre Handelsspanne viel zu gering ist. Die Dinge müssen wir erst noch entsprechend nachrechnen und in Ordnung bringen.
Dann gehört natürlich der andere Grundsatz noch hinzu, daß auch der Weg vom Erzeuger zum Verbraucher nicht mit ungeeigneten Zwischenkräften belastet sein darf,
sondern da stehe ich auf dem Standpunkt, daß das Ansehen des reellen Kaufmanns in Deutschland bei Normalisierung der Verhältnisse unbedingt wieder den Regulator bilden muß. Die ehrliche und reelle Geschäftswelt ist daran interessiert, daß das unter allen Umständen wieder in Ordnung gebracht wird, und dazu sind auch Ansätze da. Glauben Sie, daß ,die uferlose Anwendung der Gewerbefreiheit, wie sie jetzt be-
steht, zu einer Gesundung der Verhältnisse führt? Ich glaube das nicht.
Das ist auch eine Frage, die der entsprechenden Beurteilung bedarf und entsprechende Korrektur hervorrufen muß.
Aber eines müssen wir weiterhin verlangen: daß die Handelsspannen und der Verbraucherpreis jeweils im Verhältnis zum Erzeugerpreis stehen
und daß es dahin kommen muß, daß, wenn die Erzeugerpreise sinken, auch die Verbraucherpreise für die Bevölkerung allmählich nachkommen müssen, das heißt sich entsprechend auf die veränderten Preisgrundlagen ausgleichen müssen. Das ist eine Angelegenheit, die uns alle berührt.
Da spreche ich noch eines aus: Bei der Veränderung unserer Fleisch-, unserer Gemüseversorgung und all diesen Dingen — das traue ich mir Ihnen einmal zu sagen — sind bei einem Teil unserer Gasthäuser und Fremdenverkehrsbetriebe die Preise übersetzt. Die Preise müssen nach neu zu errechnenden Gestehungskosten korrigiert werden. Das ist meine Meinung.
— Ja, bitte! Ich verstehe nicht, warum man sich dagegen wehrt!
— Wollen Sie vielleicht in Bonn noch teurer essen, als es jetzt schon der Fall ist?
Wir haben kein Interesse daran! — Das ist die 1 Frage, die hier unter allen Umständen auch einmal geregelt werden muß. Viele sind ihr schon nachgegangen. Ich erinnere da auch an unsere Fremdenverkehrsbezirke. Wenn ich schon auf den Fremdenverkehr angewiesen bin, dann muß ich auch dafür sorgen, daß der Fremdenverkehr nicht zu einer einseitigen Sache für besondere Elemente wird, sondern der Allgemeinheit, der Erholung der Bevölkerung dient. Das ist auch eine Frage, die hier nebenbei berührt werden muß.
Nun lassen Sie mich zu einem Antrag kommen. Ich bemühe mich immer, die Dinge, sagen wir einmal: objektiv zu behandeln, — soweit es geht.
— Letzten Endes kann keiner aus seiner Haut herausfahren. Aber ich habe da immer schon das Richtige getroffen. Ich bin nicht einseitig der Vertreter irgendwelcher Interessen — das lehne ich ab —, sondern ich bin schon immer auf dem Standpunkt gewesen, die Kirche beim Dorf zu lassen. Und da stehe ich auf dem Standpunkt: Schalten Sie die Behörden nur dort ein, wo es unbedingt notwendig ist.
Denn das Einschalten der Behörden ruft für die
Beteiligten oft mehr Unsegen als Segen hervor.
Deswegen ist es auch notwendig, daß wir hier wieder zu normalen Verhältnissen zurückkommen. Deshalb sage ich hier in dem Antrag: „Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen"; ich mußte das schon so formulieren, denn das Haus muß sich auch einmal darüber klar sein, daß zwischen Exekutive und
Legislative ein Unterschied besteht. Wenn die Exekutive der Regierung in Frage kommt, dann kann der Bundestag schon auf die Exekutive Einfluß nehmen; aber er muß das in einer anderen Form tun. Denn sonst müßte ein Gesetzentwurf vom Bundestag in einer solchen Sache eingebracht werden. Deshalb sage ich hier:
Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, die Entwicklung der Handelsspannen bei Lebensmitteln und bei allen lebensnotwendigen Erzeugnissen zu beobachten und ungerechtfertigte Preistreibereien und Kettenhandel zu verhindern.
Dazu stehe ich auf dem Standpunkt, daß wir wieder dazu kommen müssen, daß die Erzeuger- und Großhandelspreise fortlaufend zur Kenntnis der Bevölkerung gebracht werden müssen.
Das Exempel haben wir schon einmal bei den Eiern gemacht, soweit sie vom Ausland gekommen sind. Ich will aber die Eierdebatte hier nicht fortsetzen. Jedenfalls ist die Marktkenntnis eine Grundvoraussetzung zur Ordnung des Marktes. Wenn man schon hier freie Wirtschaft hat, dann muß auch die Regelung des Marktes so geschehen, daß sich der Markt entsprechend umändern kann. Deswegen ist hier die Marktbeobachtung und die Veröffentlichung der Erzeuger- und Großhandelspreise ein direktes Erfordernis. Es müssen also überall die Börsen- und Preisnotierungen wieder aufgenommen werden, damit wir hier einen Überblick über die Entwicklung der Verhältnisse bekommen, damit sich nicht ungeeignete Elemente — insbesondere bei einer Lage, die nach unten geht, oder bei einer Lage, die nach oben geht — sich der Sache annehmen und hier Spekulationsgewinne einheimsen, die die reelle Geschäftswelt nicht will; denn hier kommt es darauf an, die Preisverhältnisse in einer gewissen Stabilität und Ruhelage zu erhalten. Deshalb sagen wir zum Schluß:
Zu diesem Zwecke sind Erzeuger- und Großhandelspreise fortlaufend zu veröffentlichen.
Meine verehrten Damen und Herren, ich würde Ihnen vorschlagen, diesen Antrag gleich so, wie er hier geändert ist, anzunehmen. Denn was sollen die vielen Debatten über diese Frage noch bezwecken? Das ist eine Frage der Exekutive. Die Exekutive hat die Machtmittel auf Grund der gesetzgeberischen Grundlagen; das ist die Wucher-, die Preisgesetzgebung, die hier noch existiert, die Preis-Strafverordnung, die Sie damals im Wirtschaftsrat gemacht haben. Es muß wieder dazu kommen, daß auf Grund der entsprechenden Notierungen auch für jeden ersichtlich ist: was ist übersetzter Preis und was ist angemessener Preis, so daß wir hier wieder zu einer inneren Ordnung des Wirtschaftslebens kommen.
Ich möchte nur zum Schluß noch sagen, damit es nicht heißt, daß ich über die Verhältnisse nicht orientiert bin: ich habe letzte Woche gegenüber Herrn Professor Dr. Erhard eine etwas gegenteilige Meinung vertreten.
Das ist deswegen noch keine Opposition, Herr Kollege Baumgartner. Aber man muß mit den richtigen Mitteln arbeiten. Ich habe hier das Buch von Lujo von Brentano „Das Freihandelsargument", und die Ausführungen, die darin
stehen, sind nicht die Ausführungen, die Herr
Kollege Loritz gemacht hat. Das nur nebenbei.
Im übrigen wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie diese Sache nicht mehr dem Ausschuß überweisen, sondern zum Abschluß bringen wollten, indem Sie den eben verlesenen Antrag annehmen, damit wir hier die Bahn für andere fruchtbare Arbeit frei bekommen und damit wir den Weg freimachen, so daß die Regierung auf diesem Gebiete das tun kann, was nach den gesetzlichen Grundlagen zu tun ist.