Meine Damen und Herren! Die Frage, die heute zur Debatte steht, berührt nicht nur uns, sondern die breitesten Bevölkerungskreise in außerordentlichem Maße. Ich glaube aber, daß in der bisherigen Debatte ein wichtiger Gesichtspunkt nicht genügend zur Sprache gekommen ist. Alle Redner haben sich eigentlich dafür ausgesprochen, daß der Preis als Marktregulativ für einen offenen und freien Markt geschaffen werden soll. Aber haben wir die Voraussetzung dafür? Können wir von einem solchen offenen und freien Markt überhaupt sprechen? Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit vor allem darauf lenken, daß es doch verschiedene Beeinflussungsmöglichkeiten gibt, die Handelsspannen künstlich zu erhöhen, und daß niemand, der am Markt beteiligt ist, sich den daraus resultierenden Wirkungen entziehen kann. Denken Sie beispielsweise beim Benzinpreis daran, daß die Regierung den Benzinhandelsgesellschaften und Bohrgesellschaften 40 Mark je Tonne Benzin als Zuschuß gezahlt hat und daß dieser Zuschuß gewährt wurde, ohne daß etwa überprüft worden war, ob dieser Zuschuß, der einfach je Tonne gegeben wurde, tatsächlich für die Bohrleistungen notwendig war. Es ist also nicht so gewesen, daß dieser Zuschuß im einzelnen für die Bohrleistungen hätte verwendet werden müssen; sondern die Inlandshandelsspanne ist tatsächlich ohne weiteres an die Handelsspanne der Einführer angeglichen worden. Hier in dieser Angelegenheit zeigt sich deutlich, daß wir es nicht mit einem Problem zu tun haben, das nur die Beteiligten — seien es die Konsumenten, seien es die Produzenten — regeln könnten, sondern daß es ein Problem ist, das ausschließlich auf Anordnungen von hoher Hand beruht. Und derartige Anordnungen von hoher Hand gibt es ja noch auf zahlreichen anderen Märkten. Diese Anordnungen von hoher Hand zu untersuchen, wäre meiner Ansicht nach die wichtigste Aufgabe des Ausschusses, der sich mit dem Antrag der WAV zu beschäftigen hat.
Ich erinnere auch daran, daß beispielsweise auf Grund einer Zusage des Ernährungsministers die
Kartoffelpreise niedrig gehalten werden sollten. Es sollten aus Holland Kartoffeln eingeführt werden, um ein besonders starkes Ansteigen der Kartoffelpreise zu verhindern. Auf eine Anfrage des Zentrums haben wir eine Antwort bekommen, in der es heißt, die Kartoffelpreise in Holland seien so hoch gewesen, daß man dadurch die Kartoffelpreise in Deutschland nicht nach unten habe beeinflussen können. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Nach den letzten statistischen Wochenberichten, die hier vom Statistischen Amt herausgegeben werden, beträgt der Kartoffelpreis in Düsseldorf zur Zeit 9 Pfennig je Pfund; und die Einfuhrpreise, wie sie vom Ernährungsministerium bekanntgegeben sind, hätten 5,6 Pfennig einschließlich der Handelsspanne betragen, so daß wohl ein erheblicher Preisdruck auf die Kartoffelpreise hätte ausgeübt werden können, wenn der Herr Ernährungsminister sein Versprechen wahrgemacht hätte.
Und hier liegt wieder ein ganz wichtiger Punkt, nämlich die Tatsache, daß wir ja die Preisbildung durch unsere Einfuhrgestaltung in wesentlichem Maße lenken und beeinflussen können. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Beeinflussungsmöglichkeiten, die das Importausgleichsgesetz ebenfalls wieder den Regierungsstellen gibt, wobei gleichzeitig jetzt auch die Handelsspannen geregelt werden. Sie werden sich an die Tatsache erinnern, daß bei der Zuckereinfuhr infolge der nicht übereinstimmenden Klassifizierung des Zuckers auf dem Weltmarkt und dem Inlandsmarkt zusätzliche Handelsspannen, zusätzliche Gewinne der Händler durch offizielle Anordnungen ermöglicht wurden. Ich halte es also für besonders dringlich, daß gerade diese Seite der Preisgestaltung einmal haarscharf unter die Lupe genommen wird, die die Festsetzung der von den Ministerien gelenkten Preise und gerade die Festsetzung der Handelsspannen auf diesem Sektor betrifft.
Ein zweiter Gesichtspunkt ist aber, wie ich glaube, in diesem Zusammenhang noch sehr zu überprüfen: das ist die Frage der Monopolbekämpfung. Es wird immer wieder erklärt, daß die Regierung ein Monopolgesetz vorbereite und daß ein solches Monopolgesetz wirksame Maßnahmen gegen Verabredungen auf den Märkten bringen solle. Man denkt offenbar immer nur an die Industrie und vielleicht auch an den Großhandel, vergißt aber, daß derartige Monopol- und Kartellabreden beispielsweise auch auf dem von dem Abgeordneten Horlacher erwähnten Gebiet des Gaststättengewerbes gang und gäbe sind. Warum werden die Bierpreise heute einschließlich einer verdoppelten Steuer, einschließlich der Steuerbelastung kalkuliert? Und der Handelszuschlag wird auf die Biersteuer auch noch draufgeschlagen. Das geschieht einfach deshalb, weil sich die Gastwirte eines Ortes darüber einig sind, daß sie unter einem bestimmten Bierpreis nicht verkaufen wollen. Sicher ist eine solche Abrede nicht gesetzmäßig. Tatsächlich aber haben wir diese Monopole in breitester Form auch in den Kreisen, die ich eben ansprach. Das gleiche gilt beispielsweise von den Kleinverkaufspreisen für Fleisch usw.
Es wird also die zweite Aufgabe dieses Ausschusses sein, zu untersuchen, wie die Handelsspannen durch eine Monopol- oder Kartellabrede in breitesten Kreisen der deutschen Wirtschaft künstlich hochgehalten werden und dadurch künstlich ein Teil des Gewinns an einzelne Wirtschaftszweige übergeführt wird, der tatsächlich mit ihrer Marktleistung nicht vereinbar ist.
Ich erinnere ferner an die Preisfestsetzung für Holz, die unmittelbar von der staatlichen Forstverwaltung entscheidend beeinflußt wird. Die staatliche Forstverwaltung hat sich nach der Währungsreform als erste beeilt, entsprechend den Marktbedingungen hohe Holzpreise durchzusetzen. Ich glaube also, daß die Untersuchungen vielleicht auch deshalb so große Schwierigkeiten machen, weil im Schoße der Regierung selber die Auffassung über das Wesen der freien Marktordnung und der sozialen Marktwirtschaft nicht ganz einheitlich ist.
In der letzten Woche wurde ein Schritt zur freiwilligen Marktordnung getan — freie Marktordnung ist ein schönes Wort —, und zwar wurde die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker gegründet, die ihre Aufgabe insbesondere auf folgenden Gebieten erfüllt: Anbau und Verwertung von Zuckerrüben, Einfuhr von Zucker, Nebenerzeugnissen usw. Das bedeutet nichts anderes als die Schaffung eines privaten Monopols mit privater Marktordnung zugunsten oder zu Lasten bestimmter Bevölkerungskreise. Daraufhin hat Minister Lübke, der in dieser Sache wohl einen besonderen Standpunkt vertreten hat, erklärt, jetzt könnte auch Zucker frei sein. Eine interessante Äußerung in diesem Zusammenhang hat Herr Lübke auch getan, indem er vor einigen Tagen auf einer Versammlung in Neheim erklärt hat: falls eine wirklich freie Marktwirtschaft, wie sie von allen Rednern hier gefordert worden ist, durchgeführt würde, dann hätte sich die Landwirtschaft das Fell selber über die Ohren gezogen. „Auf jeden Fall wird eine Marktwirtschaft ohne mich gemacht." So Herr Minister Lübke in Neheim! Ich glaube, daß diese Ausführungen auf der einen Seite denen, die die Sprecher der Regierung uns eben gemacht haben, und auf der anderen Seite denen, die Herr Lübke hier, aber auch schon zu früheren Gelegenheiten gemacht hat, diametral gegenüberstehen und daß vielleicht infolge dieser verschiedenen Auffassungen vom Wesen der notwendigen Preiskontrolle und der richtigen Preise nichts geschieht, was längst hätte geschehen können.
Wir sind deshalb der Auffassung, daß dieser Antrag der WAV im zuständigen Ausschuß, und zwar im Ausschuß für Wirtschaftspolitik, einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden müßte. Wir möchten vor allen Dingen nicht, daß dieser Antrag nur dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft überwiesen wird; denn es handelt sich ja nicht nur um Agrarpreise, sondern um Preise, die, wie die Benzinpreise, auch die übrigen Sektoren unseres wirtschaftlichen Lebens entscheidend berühren. Ich bitte deshalb, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend zuzuweisen.