Wir haben unsere Redezeit, die zur Begründung des Antrages zur Verfügung steht, keineswegs verbraucht. Es ist jederzeit möglich, daß ein Antrag durch zwei Herren ein und derselben Fraktion begründet wird. Auch das ist möglich nach der Geschäftsordnung, Herr Präsident; ich glaube, da können Sie mir nicht widersprechen.
— Ja, ich glaube, ich habe dem Herrn Präsidenten zur Sache gerade gesagt, was dazu zu sagen war! Drittens aber ist über die Zeit für die Begründung hinaus bei der Diskussion für uns noch so viel Redezeit vorhanden, daß das, was gesagt werden muß, gesagt werden kann.
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Materie selbst. Wenn Herr Präsident Horlacher geglaubt hat, mich wieder zitieren und koramieren zu können, so möchte ich gerade Ihnen, Herr Präsident Horlacher, sagen: ich sehe eines nicht ein, warum nämlich die Baywa, bei der Sie maßgeblich beteiligt sind, zu der Handelsspanne von 55 Pfennig, der Großhandelsspanne für Getreide, noch weitere 25 Pfennig bekommt. so daß Weizen, der durch die Baywa vermittelt wird, mit 80 Pfennig Großhandelsspanne pro Zentner belastet ist, während solcher, der durch
!die ländlichen Händler vermittelt wird, lediglich mit 55 Pfennig belastet ist. Darüber können Sie uns dann noch Aufschluß geben!
Sie können uns auch noch Aufschluß geben, warum die Baywa bei der Vermittlung ihrer landwirtschaftlichen Maschinen 15 und noch mehr Prozent Handelsspanne erhebt, obgleich sie so gut wie nichts dabei zu tun hat und bei der Vermittlung dieser vorher vom einzelnen Landwirt schon bestellten Maschinen nur ein verhältnismäßig geringes Risiko eingeht. Auch das zum Thema Preisverbilligung! So sind Sie, Herr Kollege Horlacher, gerade der Richtige, um sich an mir reiben zu können!
Nun zu unserem Antrag!
— Nein, das hat mit der Bayernpartei nichts zu tun, Herr Kollege Renner, das hat mit der Baywa, mit der Vermittlungsstelle der bayerischen landwirtschaftlichen Genossenschaften zu tun,
und da sitzt der Herr Kollege Horlacher drinnen, und zwar maßgeblich in diesen Genossenschaftsoder Aktiengesellschaftsvorständen.
Es ist nur ein kleines Mißverständnis, aber es war nicht bös gemeint vom, Kollegen Renner.
Nun zur Sache selbst: Handelsspannen. Wir glauben, daß gerade durch die Höhe der Handelsspannen, so wie sie heute besteht, eine Verschmälerung des Konsums der Bevölkerung eintritt, eine Verschmälerung, die, wie ich Ihnen nachher beweisen kann, bis zu 100 Prozent geht, eine Verschmälerung, die dazu führt, daß heute ein Großteil der landwirtschaftlichen Produkte in Westdeutschland überhaupt nicht mehr absetzbar ist, weil nämlich zu wenig Nachfrage danach herrscht. Nun spreche ich nicht bloß vom Roggen, ich spreche ebenso von Kartoffeln und genau so von der Milch. Wenn wir durch eine Herabsetzung der Handelsspannen hier eingreifen könnten, dann würden Hunderttausende von Konsumenten, die heute nicht in der Lage sind, sich einen Schoppen Milch zusätzlich zu kaufen, das tun, und dann würden weitere Hunderttausende und Millionen von Konsumenten, die heute jede Kartoffel, die sie essen, noch zählen müssen — bitte, das ist bei Millionen von Heimatvertriebenen, Ausgebombten und Kriegsversehrten keine Übertreibung —, sich die Kartoffeln nicht in den Mund hineinzählen, sich und ihren Kindern dazu!
Weil wir gerade von den Kartoffeln reden! Ich habe das schon das letzte Mal angedeutet, auch unter dem Gelächter einiger Herren der CSU, die damit vielleicht ihre „humane" und „christliche" Gesinnung gegenüber den armen Volksmassen dokumentieren wollten. Ich habe ihnen erklärt: die Kartoffeln, die von den Bauern in soviel Eisenbahnzügen, wie Sie nur wollen, abgeliefert werden, und zwar zum Preise von rund 3 Mark je Zentner — stimmt's, Herr Kollege Horlacher? —, sind in München zu durchschnittlich 8 Mark verkauft worden.
--- Nein, kein Unsinn, Herr Kollege Horlacher!
Wenn Sie das wollen, werde ich Ihnen sofort aus
der auch Ihnen nicht unbekannten „Süddeutschen
Zeitung" die nötigen Stellen darüber zitieren, was
der Kartoffelpreis bei uns drunten in Bayern
vor wenigen Wochen noch war. Die Folge davon
ist, daß der Absatz an Kartoffeln außerordentlich
zurückgeht und daß wahrscheinlich heuer im März, April und Mai Tausende und Hunderttausende von Zentnern Kartoffeln von den Bauern auf die Misthaufen geschüttet werden müssen.
Das ist das eine. — Wollen Sie vielleicht bezüglich der Eierpreise noch einiges Nähere wissen? Zur Zeit kosten die Eier bei uns in Bayern vom Bauern weg 10 bis 11 Pfennig das Stück. Verkauft werden sie in den bayerischen Großstädten und hier genau so um rund 25 Pfennig das Stück!
— Dann mag vielleicht noch ein Restbestand da sein, der um 18 Pfennig verkauft wird. Ich erkläre Ihnen, daß das in München und Nürnberg vorgestern der Preis war, zu dem Sie ein Ei bekommen haben. Aber ich wußte ja schon, daß Sie von der CSU alles bestreiten! Darum gebe ich Ihnen den Ausschnitt aus der heutigen „Süddeutschen Zeitung". Hier steht: Eier 24 Pfennig! Wer's nicht glaubt, — bitte, Sie bekommen ja diese schöne Zeitung gratis!
24 Pfennig! Bitte, Sie können das Exemplar jederzeit haben! Ich wußte schon, daß solche Zurufe kommen werden, denn Sie bestreiten ja grundsätzlich alles, was wir von der WAV sagen, weil es Ihnen nicht in den Kram hineinpaßt!
Ebenso kann ich Ihnen beweisen, sehr verehrte Frau Kollegin von der CSU, daß zur Zeit die Eier nicht teurer als um 10 oder 11 Pfennig in den Gebieten, die die Hauptliefergebiete für ganz Westdeutschland darstellen, von den Bauern verkauft werden.
Und wie steht es denn mit den Mehlpreisen? Sie sind doch Hausfrau, Frau Kollegin: Sie wissen doch ganz genau, was ein Pfund Mehl kostet! Aber wissen Sie, was der Bauer dafür bekommt? Er bekommt 13 Mark für den Zentner Weizen und
1 Mark — und das auch nicht in allen Fällen — sogenannten Kleberpreiszuschlag. Das ist alles! Und nun vergleichen Sie damit den Betrag, den Sie für einen Zentner Mehl bezahlen müssen. Dabei ist nur ein einziger Verarbeitungsvorgang dazwischen vom Bauern bis zu Ihnen, nämlich die Mühle. So liegen die Dinge.
— Ein einziger Verarbeitungsvorgang ist dazwischen, nämlich das Mahlen des Getreides! „Na, na" sagen Sie, Herr Kollege. Ja, bei dem System, wie Sie es befürworten, sind noch andere Dinge dazwischen, aber keine Verarbeitungsvorgänge, sondern — —
— Ja, einige Leute wischen sich ihre Handfläche an diesen Dingen ab und beziehen jeweils gleich
2 und 3 Mark Zuschlag pro Zentner Getreide!
- Herr Kollege Renner, dazu wären noch einige
Worte zu sagen.
Ich habe Ihnen nur einige Beispiele genannt, weil ich gleich mit so „sympathischem" Lachen von Ihrer Seite begrüßt worden bin.
Oder wollen Sie vielleicht etwas über die Fleischpreise hören? Wie ist es denn da? Wie ist denn
der Lebendgewichtpreis für Schweine zur Zeit?
Rund 80 Pfennig bis 1 Mark, in den letzten Tagen etwas ansteigend auf rund 1 Mark. Und was kostet das Schweinefleisch? Rund 2 Mark und noch etwas mehr das Pfund.
— Nein, d a s Geschäft müssen Sie mir zeigen, bei uns unten und auch hier, wo Sie um 1.50 Mark etwas anderes kaufen können als Abfallqualität! Das ist schon möglich: wenn Sie beim Fleisch den Stich kaufen oder die Gurgel,
können Sie das vielleicht für 1.40 Mark bekommen! Ich rede jetzt von normalen Fleischqualitäten; und das sind die Preise! Auch hier berufe ich mich auf .die Zeitungen!
— Sie können darin ja genau so nachlesen, lieber Kollege, was das alles kostet.
Oder wie ist es beim Obst? Obst, das von den Bauern und Erzeugern heuer um 15 Mark je Zentner aufgekauft wurde, wird um 30 bis 40 Pfennig das Pfund zur Zeit verkauft. Auch hier können Sie nicht sagen, der Schwund sei schon so groß usw. usw. Das rechtfertigt einen so hohen Preis unter gar keinen Umständen.
Um auf den Eierpreis zurückzukommen: bei einem Einkaufspreis von 11 Pfennig das Stück läßt sich vielleicht ein Verkaufspreis von 17 Pfennig rechtfertigen, niemals aber ein Verkaufspreis von 24 und 25 Pfennig! Genau so ist es bei der Milch und genau so bei den Fischkonserven. Die Dose Fischkonserven wird 60 Pfennig frei deutscher Stadt angeliefert und dieselbe Dose urn 2.40 Mark verkauft. Solche Beispiele könnte ich Ihnen stundenlang bringen.
Wer ist nun daran schuld? Schuld daran ist nicht der Bauer, der heute für seine Lebensmittel Preise erhält, die so sind, daß ihm die Preisschere schwerstens zusetzt. Gegenüber den riesig gestiegenen Preisen für landwirtschaftliche Maschinen und Ersatzteile, teilweise auch für Kunstdünger, erhält er nicht den gerechten Ausgleich. Schuld sind nicht die Bauern! Schuld sind ebensowenig die kleinen Händler. Die sitzen am meisten drinnen, die stehen heute bereits zu Tausenden vor dem Konkurs! Schuld sind ganz andere Kräfte! Schuld sind einige tausend Schieber, Großschieber — ganz egal, unter welchem Namen sie aufkaufen —, die sich anscheinend sehr guter Beziehungen zu verschiedenen Amtsstellen erfreuen müssen.
Anders ist es nicht erklärbar, daß diese Dinge, die doch in ganz Deutschland allgemein bekannt sind, nicht schon längst abgestellt worden sind. Gesetzesparagraphen gibt es dazu genügend, sowohl in der Verordnung gegen Preistreiberei wie auch in den Vorschriften gegen Wucher. Überall haben Sie hier gesetzliche Möglichkeiten; weitere Gesetze braucht es dazu gar nicht mehr!
Nein, schuld ist etwas ganz anderes: Es sind nicht bloß die unerlaubten Beziehungen zwischen manchen Amtsstellen und den betreffenden Großhändlern, worüber Untersuchungen, die in den verschiedensten Länderparlamenten geführt worden sind, schon sehr üble Dinge an den Tag gebracht haben. Schuld ist letzten Endes ein falsches Wirtschaftssystem, das uns von der Bundesregierung immer und immer wieder als der Weisheit letzter Schluß angepriesen wird
und das nichts anderes ist als eine grobe und große Fehlkalkulation der bei uns in Deutschland tatsächlich gegebenen Möglichkeiten.
Wir kennen die Theorie des Herrn Bundeswirtschaftsministers Professor Erhard sehr genau. Ich habe sie mir selbst in manchen Versammlungen schon angehört, und ich kenne sie aus einer Reihe seiner Rundfunkansprachen und aus Zeitungsartikeln. Herr Professor Erhard vertritt, ich möchte fast sagen, in Reinkultur, die These des laisser faire, laisser aller, oder auf deutsch: Laßt alles gehen und laufen, es pendelt sich schon alles von selber ein!
Entschuldigen Sie, Herr Professor Erhard, wenn ich Ihren eigenen Ausdruck vom „Einpendeln" und „Auspendeln" zitiere! Diese Geschichte mit dem Pendeln: ja, ich fürchte, daß in den nächsten Monaten leider andere pendeln werden, nämlich einige hundert Leute mehr, die sich aus Verzweiflung den Strick um den Hals hängen.
Ich fürchte, daß d i e auspendeln werden, weil nämlich die Not bei großen Schichten der Bevölkerung schon so ist, daß die Zahl der Selbstmorde in den Großstädten sprunghaft zunimmt.
— Bezweifeln Sie das, Herr Kollege Kahn? Auch da kann ich Ihnen die Statistiken zeigen! Lesen Sie bitte mal nach, wie es hier in den deutschen Großstädten aussieht!
Nun das Auspendeln! Die Auspendeltheorie, die Theorie des Wirtschaftsliberalismus in Reinkultur, ist bei uns ja schon theoretisch unmöglich. Der berühmte Volkswirtschaftler Dr. Lujo von Brentano nicht zu verwechseln mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU —,
bei dem ich als Student der Volkswirtschaft die Ehre hatte ein paar Semester zu studieren, dieser berühmte Profes sor der Nationalökonomie hat schon gesagt, daß eine freie Marktwirtschaft überhaupt nur dort denkbar ist, wo jeder Restriktionsfaktor von vornherein ausgeschaltet ist. Ein Auspendeln von Angebot und Nachfrage hat eine ganze Reihe von Voraussetzungen schon rein theoretischer Art, nämlich erstens einmal ein Wirtschaftsgebiet, das möglichst groß ist, sei es den Grenzen nach groß oder sei es wenigstens, daß die tatsächliche Vergrößerung des Wirtschaftsgebiets durch freie Ein- und Ausfuhr erfolgt. Dieses Wirtschaftsgebiet muß viel, viel größer sein, als es heute Deutschland darstellt. Schon das Deutschland von 1914 war viel zu klein, um eine solche Theorie mit Erfolg durchführen zu können. Sie war überhaupt nur dann möglich, wenn diese Grenzen des einzelnen Staates dadurch ins Weite gestreckt wurden, daß Freihandel herrschte, daß jederzeit ein- und ausgeführt werden konnte, was das betreffende Land oder die betreffenden Fabrikanten und Konsumenten nur wollten. Diese Voraussetzung existiert überhaupt nicht und wird wahrscheinlich noch viele lange Jahre in Deutschland nicht existieren!
Die zweite Voraussetzung ist, daß diejenigen, die eingreifen sollen und müssen, damit das Warenangebot entsprechend verteilt wird, dazu instand gesetzt werden. Wenn zum Beispiel eine Reihe von Grossisten — nehmen wir das Bei-
spiel — übermäßige Gewinne und übermäßige Handelsspannen fordern und erreichen, dann muß es möglich sein, daß sofort einige tausend andere Leute aufstehen und Großhandel treiben und in der Lage sind, hier durch Konkurrenz diese Preise zu halbieren! D a s ist die Voraussetzung dafür. Das ist aber nur möglich,
wenn diese Großhändler überhaupt in Aktion treten können! Dazu ist die Voraussetzung, daß diese neuen Großhändler Kapital zur Verfügung haben, daß sie also jederzeit bei irgendeiner Bank Kapitalien, die sie ja zum Ankauf der Waren und zur Eröffnung des Geschäfts brauchen, ohne weiteres in jedem beliebigen Umfang und zu einem einigermaßen vernünftigen Zinsfuß haben können. Ich frage Sie: wo sind diese Möglichkeiten heute vorhanden? Heute kann man dieser Clique von Großhändlern und Wucherern ja gar keine Konkurrenz machen, um sie zu zwingen, die Preise herabzudrücken; es sei denn, der Staat würde dafür sorgen, daß diesen Herrschaften etwas Konkurrenz entsteht! Dann ist es aber notwendig, daß man geschickt mit dem Import operiert und nicht zuerst die Importschraube zudreht, dann wieder sperrangelweit aufreißt, dann wieder zu und dann wieder auf, so daß ein beständiges sprunghaftes Steigen und Fallen der Preise bewirkt wird, wie wir es jetzt bei den Eiern usw. haben.
Diese Voraussetzungen für den freien Wettbewerb, wie ihn Professor Erhard theoretisch so schön vor seinen Augen sieht, sind bei uns nicht gegeben und werden auf lange Zeit nicht gegeben sein. So muß ein anderes System an die Stelle treten,
in dem von den obersten Stellen herab eine vernünftige Wirtschaftspolitik in Form einer gesunden, vernünftigen Lenkung getrieben wird,
n i c h t einer Lenkung, indem man vor jeden Bauern den Schutzmann hinstellt — nein, das ist gar nicht nötig —, sondern man muß nur endlich mal sehen, was denn die Regierung will. Das sieht man aber heute nicht. Es ist kein System, es ist in der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik nichts drinnen. Man fällt von einem Extrem in das andere; man hat wahrscheinlich überhaupt keine Vorstellung, wie sich die Dinge wenigstens für einige Monate hinaus entwickeln sollen! So kommt es, daß man dann Preisspannungen und -sprünge hat, die wiederum nur dem Großhandel zugute kommen und den Kleinhandel restlos vernichten.
Ich muß jetzt wieder auf das Beispiel der Eier zurückkommen, die jetzt wieder mit den Preisen in die Höhe gehen.