Rede von
Georg
Kurlbaum
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Die SPD begrüßt den Antrag der WAV auf Überprüfung der Handelspannen bei den Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern, und zwar aus folgenden Gründen. Wir wissen alle, daß die Handelsspannen ein ganz wesentlicher Bestandteil der heutigen Endverbraucherpreise sind. Es ist schon seit langem ein wichtiger Punkt im Wirtschaftsprogramm unserer Partei, daß die Preise lebenswichtiger Güter laufend überwacht werden sollen. Wir erinnern uns dabei daran, daß gerade unmittelbar nach der Währungsform überhöhte Handelsspannen wesent-
lich zu den überhöhten Preissteigerungen beigetragen haben. Wir erinnern uns auch daran, daß die starre Anwendung der Prozentsätze bei den Handelsspannen teilweise dazu geführt hat, daß Preise nur deshalb wesentlich erhöht worden sind, weil die Rohstoffkosten gestiegen sind. Es ist selbstverständlich, daß wir hier nicht eine totale Preiskontrolle befürworten wollen. Auch wir wissen sehr genau, daß es heute nach der Währungsreform schon zahlreiche Branchen gibt, in denen sich ein wirklich freier Wettbewerb auswirkt und in denen es daher zu Preiserniedrigungen gekommen ist, Branchen, wo die Handels- und Gewinnspannen knapp bemessen sind. Wir wissen gleichzeitig aber auch sehr genau, daß es noch eine Reihe von Branchen gibt, insbesondere auf dem Gebiete der für Deutschland lebensnotwendigen Dinge, zum Beispiel für gewisse Lebensmittel, zum Beispiel für Textilien, wo das Angebot noch so knapp ist, daß die angebotene Warenmenge immer noch mit erhöhten Handelsspannen und zu überhöhten Preisen abgesetzt werden kann. Auf diesen Gebieten existiert also der viel zitierte freie Wettbewerb auch heute noch keineswegs. Das muß festgestellt werden.
Wir möchten auch davor warnen, daß die im gegenwärtigen Zeitpunkt teilweise etwas bessere Versorgung zum Anlaß für einen übertriebenen Optimismus genommen wird. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß das teilweise recht reichliche Angebot auf einzelnen Teilgebieten gerade letzt darauf zurückzuführen ist, daß die Auslandshilfe des Jahres 1948/49 nicht verbraucht worden ist und diese Hilfeleistungen nunmehr zusätzlich zur Auslandshilfe für das Jahr 1949/50 bei unseren Importen zur Auswirkung gekommen sind, zweitens darauf. daß im Zuge der Liberalisierung teilweise stoßartig Importe nach Deutschland hereingekommen sind, mit deren Aufrechterhaltung in diesem Umfange wir unter keinen Umständen rechnen können. Im Gegenteil, diese zusätzlichen Importe sind im wesentlichen durch den Verbrauch unserer Aktivsalden — mit der Folge des Entstehens von Debetsalden — finanziert worden.
Aus allen diesen Gründen sollten wir in der Burteilung der zukünftigen Entwicklung sehr vorsichtig sein. Wir müssen daher unter Umständen gerade auch bei der Frage der Preisüberwachung mit einer Verschlechterung der Versorgung in Zukunft rechnen.
Bei der Frage der Handelsspannen sind aber noch andere Dinge zu berücksichtigen. Die erhöhten Handelsspannen haben nicht allein dazu geführt, daß die Kaufkraft der Lohn- und Gehaltsempfänger dadurch geschmälert worden ist, sehr zum Schaden auch des Handels selbst, sondern diese überhöhten Handelsspannen haben wiederum zu einer Übersetzung des Handels geführt, die sich letzten Endes auch wiederum gegen den Handel selbst auswirkt. Schließlich haben die überhöhten Handelsspannen. zu Fehlinvestitionen im Handel selbst geführt; ich verweise auf die teilweise schon recht prunkvollen Ladenstraßen in den Großstädten Westdeutschlands.
All dieses veranlaßt meine Partei. der Frage der Preisüberwachung bei allen lebensnotwendigen Dingen erhöhte Wachsamkeit zuzuwenden, und wir möchten die Bundesregierung vor allen Dingen bei dieser Frage darum bitten, nicht die Arbeit derer, die sich mit der Preisüberwachung beschäftigen, dadurch zu diskriminieren. daß man so oft davon spricht, all dies werde ja demnächst
ganz vorbei sein und sei überhaupt nicht mehr von Nutzen. Wir glauben nicht, daß der Allgemeinheit dadurch gedient ist.
Meine Partei beantragt daher die Überweisung des Antrags der WAV an den Wirtschaftsausschuß, damit er dort eingehend beraten werden kann, insbesondere auch im Hinblick auf alle Maßnahmen, die auf Grund der Überprüfung notwendig werden.