Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, in der Nacht zum Donnerstag, dem 1. September, wurde ein unbewaffnetes südkoreanisches Verkehrsflugzeug auf dem Fluge von New York nach Seoul abgeschossen.Wir beklagen den Tod von 269 wehrlosen Menschen. Als Abgeordnete beklagen wir damit zugleich den Tod unseres amerikanischen Kollegen, des Abgeordneten McDonald, Mitglied des Repräsentantenhauses.Wir verurteilen diesen brutalen militärischen Akt, der bar jeder Menschlichkeit ist und gegen das Völkerrecht verstößt.Wir fordern die Sowjetunion auf, den Sachverhalt — auch in seinen Einzelheiten — offenzulegen und den angerichteten Schaden, soweit dies nur möglich ist, wiedergutzumachen. Die Sowjetunion sollte in ihrem eigenen Interesse alles tun, um das hier verlorene Vertrauen wiederzugewinnen. Dazu gehören konkrete Schritte der Abrüstung, Zusammenarbeit und Entspannung, nicht jedoch Maßnahmen, die zwangsläufig zu einer verstärkten Konfrontation führen.Wir versichern den Angehörigen der Opfer und allen unmittelbar Betroffenen, vor allem dem koreanischen, aber auch dem amerikanischen Volke unser herzlich empfundenes Beileid. — Ich danke Ihnen.Meine Damen und Herren, ich habe die Freude, zwei Kollegen zu besonderen Geburtstagen die Glückwünsche des Deutschen Bundestages auszusprechen. Am 30. August wurde unser Kollege Haase aus Kassel 60 Jahre,
und am 2. September wurde unser Kollege Dr. Stercken 60 Jahre.
Ich habe einige weitere Mitteilungen: Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 30. August 1983 mitgeteilt, daß der Abgeordnete Handlosseit dem 8. Juli 1983 nicht mehr zu ihrer Fraktion gehört.Der Abgeordnete Lahnstein hat am 31. August 1983 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als seine Nachfolgerin hat am 1. September 1983 die uns bereits bekannte Abgeordnete Frau Schmedt die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich heiße sie willkommen und wünsche ihr eine gute Zeit.
Der Abgeordnete Hecker hat am 31. August 1983 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.
Als sein Nachfolger hat am 2. September 1983 der Abgeordnete Horacek die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich heiße den Kollegen Horacek willkommen und wünsche ihm eine gute Zeit hier im Deutschen Bundestag.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung auf:1. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984
— Drucksache 10/280 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschußb) Beratung des Finanzplans des Bundes 1983 bis 1987— Drucksache 10/281 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
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1170 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Präsident Dr. Barzelc) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe
— Drucksachen 10/335, 10/347 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
InnenausschußFinanzausschußAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenAusschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Jugend, Familie und Gesundheit VerteidigungsausschußAusschuß für Bildung und Wissenschaftd) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen
—Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Arbeit und SozialordnungAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und StädtebauHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GOe) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen
— Drucksachen 10/337, 10/349 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
FinanzausschußAusschuß für WirtschaftAusschuß für Raumordnung, Bauwesen und StädtebauHaushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
— Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für innerdeutsche Beziehungen Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO2. a) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNENEntlassung der Bundesminister des Innern und der Justiz— Drucksache 10/333 —b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPDEntlassung des Bundesministers der Justiz und des Bundesministers des Innern— Drucksache 10/342 —Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist eine gemeinsame Beratung der Punkte 1 und 2 der Tagesordnung vereinbart worden. Die Aussprache soll heute und morgen jeweils um 20 Uhr unterbrochen werden und am Freitag bis 13 Uhr beendet sein.Die zu Punkt 2 der Tagesordnung verlangte namentliche Abstimmung soll am Donnerstag gegen 17.30 Uhr stattfinden. — Kein Widerspruch. Dann ist das alles so beschlossen.Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeshaushalt 1984 und die umfangreichen Begleitgesetze sind die ersten Finanzvorlagen, die von der neuen Bundesregierung voll in eigener Verantwortung erarbeitet und nun fristgerecht Bundesrat und Bundestag zugeleitet wurden. Ende 1982 hatten wir in wenigen Wochen die Entwürfe unserer Vorgänger auf die radikal verschlechterten wirtschaftlichen Bedingungen umzustellen und sofort Entscheidungen für die Verstärkung öffentlicher und privater Investitionen zu treffen. Dies bedeutete u. a.: Die für 1983 vom Kabinett Schmidt erwarteten Steuereinnahmen des Bundes mußten um rund 10 Milliarden DM zurückgenommen und die Bundesmittel für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zunächst um rund 8 Milliarden DM erhöht werden. Ohne die gesetzlichen Einsparungen vom Herbst 1982 wäre die Nettokreditaufnahme des Bundes 1983 auf deutlich mehr als 50 Milliarden DM angestiegen.Der bisherige Haushaltsverlauf dieses Jahres ist voll befriedigend. Wir haben die begründete Erwartung, daß wir die gesetzliche Ermächtigung für die Nettokreditaufnahme in Höhe von 40,9 Milliarden DM nicht voll in Anspruch nehmen müssen. 40,9 Milliarden DM — diese Zahl macht zugleich für den Haushaltsentwurf 1984 und die Finanzpolitik
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1171
Bundesminister Dr. Stoltenbergder kommenden Jahre auch die Größe und Schwere der uns gestellten Aufgaben deutlich. Wir müssen den unerträglich gewachsenen, weit überhöhten Fehlbetrag im Etat konsequent auf ein erträgliches Maß zurückführen.
Wir dürfen nicht weiter unsere Tagesaufgaben durch eine maßlose Neuverschuldung auf Kosten der Generation unserer Kinder bewältigen wollen.
In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir für 1987 eine Nettokreditaufnahme von etwa 22,5 Milliarden DM als Zielvorstellung beschrieben. Bei allen konjunkturellen Unwägbarkeiten vor allem der späteren Jahre bleibt dies ein zentraler Orientierungspunkt.Wir wollen den 1983 begonnenen Prozeß der Umschichtung der Bundesausgaben zur Belebung der Wirtschaft und zur Verbesserung der Arbeitsmarkt- und Ausbildungssituation fortsetzen. Wir sind — alle miteinander — verpflichtet, die schwer erschütterten finanziellen Grundlagen der sozialen Sicherungssysteme nach den ersten Entscheidungen für dieses Jahr auch langfristig wieder tragfähig und verläßlich zu machen.
Die Bundesregierung hat schon vor der Wahl im März keinen Zweifel daran gelassen, daß dies die Aufgabe einer ganzen Wahlperiode ist. Zu hart waren die Folgen der wirtschaftlichen Talfahrt 1982 nach den Jahren der Stagnation und Rezession; zu schwer sind die Vorbelastungen einer die Finanz- und Wirtschaftskraft überfordernden Ausgabenpolitik der 70er Jahre, um diese großen Ziele gleichsam im Handstreich erreichen zu können. Wir haben jetzt in wenigen Monaten sehr weitreichende Regierungsbeschlüsse gefaßt, über die Sie, meine Damen und Herren, an Hand der Vorlagen endgültig entscheiden werden. Aber wir haben noch gewaltige Aufgaben vor uns. Wir brauchen keine Belehrungen, daß nach elf Monaten noch nicht alle Probleme gemeistert werden konnten.
Ich nenne beispielhaft vor allem: die Entscheidungen über die künftigen finanziellen Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft, bei der sich nach Auffassung der Kommission die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit auf Grund des Ausgabenwachstums der letzten Jahre abzeichnet; die Gesundung der seit langem von einer schweren Finanzkrise belasteten Bundesbahn; die dritte Stufe der Rentengesetzgebung, um den Generationenvertrag wieder langfristig, bis in das kommende Jahrhundert hinein verläßlich zu machen.Im Mittelpunkt der Erwartungen und Sorgen der meisten Menschen steht zweifellos die Zukunft der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung entspricht bisher ziemlich genau den Annahmen unseres im Januar veröffentlichten Jahreswirtschaftsberichts. Eher können wir etwas bessere Ergebnisse erwarten.Der Rückgang des realen Bruttosozialprodukts ist gestoppt. Das war ja die Zielformulierung für 1983. Heute steht so gut wie fest, daß wir tatsächlich — erstmals wieder seit 1980 — mit einem positiven Wachstumsergebnis von 1/2 % bis 1 % rechnen können.Die Arbeitslosenzahl dürfte etwas niedriger ausfallen als die im Rahmen der Haushaltsvorsorge angenommene Zahl von 2 350 000 im Jahresdurchschnitt. Während die Zahl der Arbeitslosen in den letzten beiden Jahren im August noch jeweils stark zunahm, ist sie in diesem Jahr im Vergleichsmonat leicht zurückgegangen; die Betriebe meldeten fast 20 % mehr neue offene Stellen als im August 1982 — aber natürlich immer noch auf einem viel zu niedrigen Niveau.Die Verbraucherpreise werden im Jahresdurchschnitt voraussichtlich nur um 3 %, statt wie im Januar angenommen, um 4 % steigen.Schließlich wird der Leistungsbilanzüberschuß am Jahresende eher über als unter 10 Milliarden DM liegen.Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf hat so die Richtigkeit unserer Entscheidungen des vergangenen Herbstes durchaus bestätigt.
Uns alle erfüllt dabei mit Sorge, daß wir trotz erster positiver Zeichen auf dem Arbeitsmarkt zunächst noch mit einem weiteren Anstieg der Erwerbslosigkeit rechnen müssen. Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt folgen wirtschaftlichen Aufwärtsbewegungen erfahrungsgemäß erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Die Aufgabe ist aber vor allem deshalb so groß, weil die Zahl der Erwerbspersonen aus demographischen Gründen noch bis zum Ende dieses Jahrzehnts zunimmt, allein in den Jahren 1983 bis 1984 um rund eine Viertelmillion.Einige Sprecher der Sozialdemokratie entrüsten sich heute darüber, daß wir in unserer Haushaltsplanung für 1984 für eine mögliche Arbeitslosigkeit von bis zu zweieinhalb Millionen Vorsorge treffen. Ich möchte diese sozialdemokratischen Kollegen daran erinnern, daß es Ende 1969, im Jahre Ihrer Regierungsübernahme, 192 000 Arbeitslose gab und demgegenüber Ende 1982, unmittelbar nachdem wir Sie in der Verantwortung abgelöst hatten, 2 223 000.
Ich frage unsere Kritiker — ich frage Sie, Herr Spöri —, was sie über ein Jahrzehnt in der Regierungsverantwortung getan haben, um für den ja schon vor Jahren vorhergesagten wachsenden Bedarf an Arbeits- und Ausbildungsplätzen Vorsorge zu treffen.
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1172 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Bundesminister Dr. StoltenbergMit dieser Frage müssen Sie sich auseinandersetzen, bevor Sie Kritik üben. Neue Arbeitsplätze entstehen ja nicht über Nacht. Sie entstehen nur, wenn zuvor Kapital gebildet — gespart — wird, das in eine rentable, wettbewerbsfähige Produktion investiert wird.
In den 60er Jahren, Herr Kollege Westphal, wurden noch fast 20% des Nettosozialprodukts zum Aufbau des Volksvermögens und damit der kapitalmäßigen Grundlage für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Verbesserung der Produktivität verwendet. 1982 waren es knapp 10 %. 90 % des Nettosozialprodukts wurden verbraucht — zuviel für eine Volkswirtschaft, der im harten internationalen Wettbewerb nichts geschenkt wird. Die Arbeitsplatzlücke von heute ist die Investitionslücke von gestern.
Die Kritik an den zahlreichen Beschäftigungsprogrammen der 70er Jahre ist so vor allem eine wachstums- und ordnungspolitische Kritik. Diese Programme setzten im wesentlichen bei der Unterauslastung vorhandener Produktionskapazitäten an, obwohl es im Kern — spätestens seit 1972 — doch um strukturelle Probleme der Anpassung an neue ökonomische Knappheiten und Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs ging. Auch unsere sozialdemokratischen Amtsvorgänger waren zuletzt zu der Einsicht gelangt, daß die Anpassung an den strukturellen Wandel vor allem eine Investitionsaufgabe ist. Es fehlte aber, vor allem seit 1980, an der politischen Kraft, sich in dem Konflikt zwischen Wünschenswertem und Notwendigem eindeutig zugunsten des letzteren zu entscheiden.Eine weit überhöhte Staatsverschuldung war Ausdruck der Illusion der 70er Jahre, mehr verteilen zu können, als erwirtschaftet wurde.
Der öffentliche Schuldenstand — einschließlich Bahn und Post — belief sich Ende 1982 auf rund 700 Milliarden DM; das entsprach fast der Hälfte unseres Bruttosozialprodukts. Während sich der Anteil der investiven Ausgaben in den öffentlichen Haushalten von 1970 bis 1982 von 24,5% auf 16,4 % verringerte — ganz im Gegensatz zu Ihren ständigen verbalen Bekundungen über die Priorität öffentlicher Investitionen —, erhöhte sich gleichzeitig der Anteil der Zinsausgaben von 3,5 % auf 8 %. Allein der Bund mußte 1982 für Zinsen mehr ausgeben, nämlich mehr als 22 Milliarden DM, als für Kindergeld, Mutterschutz, Wohngeld und BAföG zusammen. Im Krisenjahr 1967 wurden 12% der Nettoersparnis des privaten Sektors durch den staatlichen Kreditbedarf in Anspruch genommen. 1982 lag diese Quote — bei einem Anteil der öffentlichen Investitionen an den gesamten Bruttoanlageinvestitionen von nur noch rund 15% — bei mehr als 40 %.Selbstverständlich, wir alle wissen, daß öffentliche Kreditaufnahme nicht an sich von Übel ist, sondern daß ein gewisses Maß an Staatsverschuldung zur Finanzierung produktiver Investitionen normalist. Man kann aber durchaus mit Recht — wie z. B. die Sparerschutzgemeinschaft — von „defizitbedingter Konjunkturschwäche" statt von ,,konjunkturbedingten Defiziten" sprechen. Das heißt, meine Damen und Herren: Die Staatsverschuldung wird selbst zur Ursache des wirtschaftlichen Niedergangs und des Anstiegs der Arbeitslosigkeit, wenn die Neuverschuldung in guten wie in schlechten Jahren unverändert stark zunimmt, wenn durch Staatsverschuldung in wachsendem Maße Konsum finanziert wird und wegen sprunghaft steigender Zinsbelastungen für öffentliche Investitionen immer weniger übrigbleibt und wenn der Staat auf dem Kapitalmarkt in zinstreibende Konkurrenz zu privaten Investoren tritt. Eine solche Entwicklung — wir haben es erlebt — untergräbt das Vertrauen von Wirtschaft und Bürgern in die Zukunft.Bei dieser Ausgangslage gibt es für uns keine Möglichkeit der Wahl zwischen höherer Neuverschuldung und mehr Wirtschaftswachstum. Ohne Sanierung der öffentlichen Haushalte kann es keine wirkliche wirtschaftliche Gesundung und damit keine dauerhafte Lösung der Beschäftigungsprobleme geben.
Deshalb sind auch alle noch so intelligenten Selbstfinanzierungsrechnungen — ich nehme an, Herr Apel, wir werden heute hier noch einige hören — neuer staatlicher Beschäftigungsprogramme letzten Endes auf Sand gebaut. Wenn wir die Erschütterung der Grundlagen der Finanzen von Staat und Sozialversicherungen nicht heute entschlossen bekämpfen, werden die Opfer für alle Betroffenen morgen noch härter sein.
Nach den Beschlüssen des letzten Herbstes hat die Bundesregierung Ende Juni ihre Entscheidung für den zweiten Schritt zur Gesundung von Wirtschaft und Finanzen getroffen. Das Ergebnis liegt dem Hohen Hause in einem Bündel von Einzelvorlagen zur Beratung und Beschlußfassung vor: Bundeshaushalt 1984, Finanzplan bis 1987, Haushaltsbegleitgesetz, Steuerentlastungsgesetz, Novellierung des Stahlinvestitionszulagengesetzes, Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern sowie das Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung.Wichtigster Inhalt ist die Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung, nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch Sparsamkeit bei den Ausgaben. Die Einsparungen vom letzten Herbst, rund 6 Milliarden DM jährlich ab 1983, werden um zusätzliche Einsparungen von 6,5 bis 7 Milliarden DM jährlich ab 1984 erweitert. Nur so war es möglich, das Wachstum der Bundesausgaben im Haushaltsentwurf 1984 von 1,8 % und im Finanzplan 1985 bis 1987 von jeweils 3 % zu erreichen.Die Nettokreditaufnahme soll 1984 rund 37 Milliarden DM betragen. Gegenüber dem Haushalt 1983 ist das eine Verringerung von 3,5 Milliarden DM. Der eigentliche Konsolidierungseffekt beträgt aber rund 8 Milliarden DM, weil gleichzeitig der Bundesbankgewinn — eine Einnahme, die dem Bund nicht
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1173
Bundesminister Dr. Stoltenbergdauerhaft zur Verfügung steht — im Einvernehmen mit der Bundesbank nur noch mit 6,5 Milliarden DM veranschlagt wurde.Gemessen an der Ausgangslage und den Einschränkungen, die wir den Bürgern zumuten müssen, ist dieser Effekt doch beachtlich. Dennoch will ich hier keinen Zweifel darüber lassen: Mehr als ein gutes Zwischenergebnis ist das nicht. Die Nettokreditaufnahme liegt nach unserem Entwurf auch 1984 noch über der Verschuldungsgrenze, die Art. 115 des Grundgesetzes für eine konjunkturelle Normalsituation vorschreibt. Deshalb müssen eventuelle Mehreinnahmen beim Haushaltsvollzug zur Verringerung der Neuverschuldung eingesetzt werden.
1985 ist, wie in unserem Finanzplan vorgesehen, die Grenze des Art. 115 in jedem Fall einzuhalten. Sollte, was nach den Entwicklungen der letzten Wochen möglich ist, der Bundesbankgewinn im nächsten Jahr höher ausfallen, muß dies schon 1984 unser Ziel sein.
Ich sage das vorsorglich, Herr Kollege Apel, weil das offenbar in Ihren neuen Finanzierungsrechnungen eine Rolle spielt. Nein, dieser Bundesbankgewinn steht jetzt nicht zur Disposition an. Er muß vorrangig verwandt werden, um das verfassungsmäßige Ziel von Art. 115 zu gewährleisten.
Trotz der von der Bundesregierung eingeleiteten Konsolidierung steigen die Zinsausgaben des Bundes von gut 27 Milliarden DM in diesem Jahr voraussichtlich auf etwas mehr als 36 Milliarden DM im Jahre 1987. Dies ist — ich sage das ohne Vorbehalt — eine besorgniserregende Zahl und macht deutlich, daß wir auch in den nächsten Jahren in den Anstrengungen nicht nachlassen dürfen. Der Anteil an den gesamten Ausgaben würde sich von 10,6 % 1983 auf beinahe 13 % 1987 erhöhen. Diese Zahlen zeigen uns mit aller Eindringlichkeit, daß wir ein Gleichgewicht zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklungen in den öffentlichen Haushalten erst nach Jahren einer konsequenten Politik erreichen könen.Meine Damen und Herren, aus den vielen Einzelpunkten unserer Vorlagen möchte ich einige besonders hervorheben. Rund 2,5 Milliarden DM sollen gegenüber dem geltenden Recht bei den Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit und bei der Arbeitslosenhilfe eingespart werden. Ohne diese sicher nicht einfache Änderung würde der Bund 1984 hierfür mehr als 14 Milliarden DM aufwenden müssen.Wir bejahen unsere soziale Verantwortung für die erwerbslosen Mitbürger, und wir müssen zugleich den finanziellen Spielraum für die Wirtschaftsbelebung und Regionalpolitik im Interesse der arbeitenden Menschen und derer, die Arbeit suchen, erweitern. Deshalb halten wir die gezielten Einsparungen hier für unabweisbar. Zugleich aber erhöhen wir gegenüber dem Finanzplan unserer Vorgänger auch die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und für Ausbildungsplätze ganz erheblich.Die Sparbeschlüsse für den öffentlichen Dienst haben ja ein sehr unterschiedliches Echo gefunden. Während einige Verbands- und Gewerkschaftsfunktionäre in schwärzesten Farben seinen angeblichen sozialen Niedergang beklagen, meinen viele andere Mitbürger, der Gesetzgeber müsse schon auf Grund der Sicherheit der Arbeitsplätze hier noch wesentlich härtere Eingriffe vornehmen.
Ich halte beide extreme Positionen für falsch — trotz des Beifalls eines Kollegen.
Meine Damen und Herren, Sie führen doch dieselben Debatten wie wir. Sie kennen doch auch den Sachverhalt, daß es diese zweite Auffassung gibt. Und deswegen habe ich beide Positionen hier einmal vorgetragen.
Es würde mich sehr überraschen, wenn Sie nicht auch beiden Auffassungen, die ich hier einmal genannt habe, in Ihren Diskussionen begegnen würden.Aber ich will einmal die Größenordnungen deutlich machen. 1969 gaben Bund, Länder und Gemeinden für die Gehälter, Löhne und Pensionen im öffentlichen Dienst rund 53 Milliarden DM aus. 1983 werden es 177 Milliarden DM sein. Seit 1980 die Finanzkrise offenkundig wurde, sind ja im öffentlichen Dienst rund 30 000 Stellen abgebaut worden, allein in der Verantwortung unserer Vorgänger beim Bund über 10 000.Wir halten es jetzt für richtiger, auf sehr niedrige Steigerungsraten bei den Besoldungserhöhungen hinzuwirken und einzelne Besitzstände zu überprüfen, als den Personalabbau im Tempo und in der Art der letzten Jahre fortzusetzen. Der Haushaltsentwurf 1984 sieht beim Bund keine linearen Planstellenkürzungen mehr vor. Damit tragen wir auch der Tatsache Rechnung, daß sehr viele Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes heute durch vorbildliche Pflichterfüllung und ein Mehr an beruflicher Leistung steigenden Aufgaben gerecht werden müssen.
Diese Entscheidung entspricht aber vor allem auch dem Interesse der jungen Menschen, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze suchen. Und hier — das muß man klar sagen — steigt die Anziehungskraft des öffentlichen Dienstes ungeachtet der kritisierten Kürzung weiter nachhaltig an. Wir halten es deshalb auch für richtig, die nächste Besoldungs- und Tarifrunde für den 1. April 1985 vorzusehen.Zu vielen Stellungnahmen haben j a unsere Beschlüsse zum Mutterschaftsgeld geführt. Wir sehen, wie Sie wissen, ab 1. Januar 1984 eine Verringerung der Leistungsdauer und des Tagessatzes vor, und wir haben zugleich eine Erweiterung dieser staatlichen Leistung ab 1. Januar 1987 auf alle Mütter an-
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1174 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Bundesminister Dr. Stoltenberggekündigt. Die hierfür erforderlichen Mittel sind in den neuen Finanzplan eingestellt.Heute wird nach dem seit 1979 geltenden Recht jede zweite Frau, die ein Kind bekommt, von dieser staatlichen Hilfe ausgeschlossen, darunter viele mit einem sehr niedrigen Einkommen. Über die Einzelheiten der Neuregelung wird sicher noch im Hohen Haus diskutiert werden.
Aber ich will hier betonen, Herr Ehmke: Die Gleichstellung aller Frauen ist sozialpolitisch und sozialethisch erforderlich.
Ja! Sie haben das seit 1979 nicht getan. Sie haben das in der Finanzplanung nicht vorgesehen. Wir tun das konkret bis zur Aufnahme der Mittel in die Finanzplanung.
— Nein!
— Nein, Herr Kollege Ehmke, das ist eben Ihr Irrtum, wenn Sie sagen: die mit den niedrigen Einkommen.
Der unbefriedigende Zustand liegt ja auch darin, daß die von Ihnen getroffene Abgrenzung nicht eine Einkommensgrenze ist, über deren Problematik ich mich jetzt hier nicht näher äußern will — sie hat ja auch eine Problematik —, sondern daß sie soziologisch dazu führt, daß Frauen, die zehn oder zwölf Jahre gearbeitet haben und vor der Geburt des zweiten und dritten Kindes ausscheiden, ohne Rücksicht auf die Einkommen kein Mutterschaftsgeld bekommen. Das ist unbefriedigend.
Andere dagegen, die als Beamte, Angestellte und Arbeiter im Arbeitsleben sind, bekommen es auch mit einem höheren Einkommen. In der jetzigen Gesetzgebung ist ja nicht einmal der Gesichtspunkt der Einkommensgrenze als soziales Element verankert. Das ist der Grund, warum wir unsere Entscheidung für richtig halten.
— Bitte sehr, Herr Kollege Ehmke.
Herr Kollege Ehmke, ich glaube, daß das im Augenblick nicht zulässig ist.
Ich hoffe, daß wir Gelegenheit haben, im Laufe der Debatte unsere Meinungen darüber auszutauschen.Ich muß hinzufügen, meine Damen und Herren: Wer die vorgesehenen Einsparungen jetzt prinzipiell in Frage stellt, gefährdet diese zweite Stufe der Gleichstellung aller; denn die von uns vorgesehene Neuregelung kostet den Bund ab 1987 mindestens 100 Millionen DM mehr als die jetzt geltende rechtliche Regelung.Um einen weiteren Punkt aufzunehmen: Mit den Sparvorschlägen für die Sozialhilfe entsprechen wir einem nachhaltigen Wunsch der Länder und der kommunalen Spitzenverbände. Ihre Aufwendungen für diesen Bereich steigen seit langem mindestens um 10% jährlich, zum Teil noch stärker. Einige wesentliche Ursachen dafür sind, daß die Relation von verfügbarem Einkommen der untersten Lohngruppen und manchen Leistungen der Sozialhilfe seit Jahren nicht mehr stimmt und daß es in Teilbereichen der Sozialhilfe, vor allem im Bereich der Pflegeheime, kostspielige Regelungen und Entwicklungen gibt, die niemand mehr bezahlen kann. Wir beurteilen in diesem Zusammenhang auch die Bundesratsinitiative für ein bedarfsgerechteres Angebot an Pflegeheimplätzen für Sozialhilfeempfänger positiv.Die rasch steigende Zahl der anerkannten Schwerbehinderten macht vor allem bei der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr Änderungen erforderlich. Über 3 Millionen Mitbürger nehmen jetzt diese Möglichkeit in Anspruch. Wir wollen deshalb die Vergünstigung auf die in der Bewegung tatsächlich Behinderten konzentrieren. So soll die unentgeltliche Beförderung durch Zahlung eines pauschalen, zumutbaren Eigenanteils eingeschränkt werden. Freie Beförderung gibt es aber weiterhin für im Straßenverkehr besonders Behinderte und sozial besonders Schwache. Ferner wird eine Wahlmöglichkeit zwischen der Inanspruchnahme dieser Vergünstigung und der Entlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer geschaffen. Besonders Bewegungsbehinderte wie Rollstuhlfahrer sind von dieser Änderung nicht betroffen. Das gilt auch für die Kriegsopfer.Ich will daran erinnern, daß auch zur Zeit der früheren Regierung in öffentlichen Erklärungen des verantwortlichen Bundesarbeitsministers die Notwendigkeit einer grundlegenden Neuordnung des Schwerbehindertenrechts angesprochen wurde. Dies wird zu den Aufgaben der kommenden Jahre gehören. Wir machen jetzt den ersten notwendigen Schritt.Mit dem Haushaltsbegleitgesetz entlasten wir schließlich die gesetzliche Rentenversicherung 1984 um rund 5,5 Milliarden DM. Wir nehmen damit zugleich notwendige Strukturveränderungen vor. So verstößt es beispielsweise gegen die Grundsätze unseres Altersversorgungssystems, wenn immer stärker dort der Weg über Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten beschritten wird, wo die Voraussetzungen für die Altersrente nicht vorliegen. Im letzten Jahr entfielen über die Hälfte der neu zugegangenen Renten auf verminderte Erwerbsfähigkeit, und
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1175
Bundesminister Dr. Stoltenbergdas kann j a nicht die Situation der Zukunft sein. Um dies wieder in ein vertretbares Verhältnis zu bringen, hat die Bundesregierung vorgeschlagen, die Festsetzung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten an engere Voraussetzungen einer beitragspflichtigen Tätigkeit zu binden.Alles in allem, meine Damen und Herren, sollen die von uns vorgesehenen Maßnahmen für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden sowie für Bahn und Post 1984 insgesamt bis zu 11,5 Milliarden DM Entlastung bringen. Vor allem die erwähnten Entscheidungen und Planungen für den öffentlichen Dienst führen zu einem deutlichen Rückgang der Neuverschuldung der Länder und Gemeinden.Auch für 1984 und für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung geht es uns um zwei Ziele: darum, die Konsolidierung voranzubringen, und darum, durch Umschichtung die Mittel des Bundes für Förderung des Wachstums und der Beschäftigung zu verstärken. Diese Mittel sind gegenüber dem letzten Finanzplan unserer Vorgänger vom Sommer 1982 um fast 2 Milliarden DM erhöht worden, vor allem für die großen Gemeinschaftsaufgaben, für den Wohnungsbau, für Stahl, für Schiffbau und für Ausbildungsplätze der Jugend.Das Schwergewicht unserer Vorlage zur Verstärkung des wirtschaftlichen Erholungsprozesses liegt aber im Bereich der Steuerpolitik. Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1984 wollen wir die Eigenkapitalbildung der Unternehmen unterstützen, deren Investitions- und Innovationskraft stärken sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft verbessern. Sichere Arbeitsplätze gibt es nur in gesunden Unternehmen!
Im Vordergrund der steuerpolitischen Maßnahmen stehen eine Entlastung der Unternehmen bei der ertragsunabhängigen Vermögensteuer und Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Unternehmen.Ich begrüße es ganz besonders, daß der Bundesrat in der vergangenen Woche unserem Konzept zustimmte und auch den Ausgleichsvorschlag bei der Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bejaht. Diese erste und klare Entscheidung des Bundesrates hat auch die Relativität mancher Sommerspekulationen und Sommerinterviews gezeigt, die sicher in Ihren Ausführungen, Herr Kollege Apel, noch eine gewisse Rolle spielen werden.
— Herr Kollege Roth, machen Sie sich überhaupt keine Sorgen über den Zusammenhalt der CDU/ CSU, beschäftigen Sie sich lieber mit den Problemen Ihrer eigenen Partei! Das kann ich Ihnen nur raten.
Ich gebe ja zu, daß es das eine oder das andereInterview und die eine oder die andere Schlagzeilegab, die Ihren Erwartungshorizont in dieser Beziehung erweitert hat,
aber er wird sehr bald auf ein realistisches Normalmaß zurückgeführt werden. Das ist am Freitag im Bundesrat sichtbar geworden, und das wird in diesen Tagen im Deutschen Bundestag sichtbar. Wir sehen den Beratungen bis zum Dezember, was den Zusammenhalt der drei Koalitionsparteien betrifft, mit großem Optimismus entgegen.
Mit dem Gesetzentwurf zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligung erfüllt die Bundesregierung ihr Versprechen, sofort in der neuen Wahlperiode den zehnjährigen Stillstand in der Vermögenspolitik zu beenden. Kapitalbeteiligung kann vom Staat natürlich nicht verordnet werden. Die Neuregelung ist deshalb in unserem Verständnis vor allem ein Angebot an die Tarifparteien. Die Bundesregierung appelliert an Gewerkschaften und Arbeitgeber, die vermögenspolitische Initiative zu unterstützen und einer breiter gestreuten Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital zum Durchbruch zu verhelfen. Zur Regelung indirekter Beteiligungsformen wollen wir noch in dieser Wahlperiode einen ergänzenden Gesetzentwurf vorlegen.Meine Damen und Herren, gestern hat das Kabinett den 9. Subventionsbericht verabschiedet und veröffentlich.
Vor allem seit 1980 hat die frühere Bundesregierung eine Reihe von Subventionskürzungen vorgenommen, die wir — auch im Bundesrat — konstruktiv begleitet und gefördert haben. Ich hoffe, daß dasselbe jetzt für unsere Politik gilt.
— Herr Kollege Vogel, wir werden das nachher feststellen.Im Herbst 1982 bauten wir 500 Millionen DM Finanzhilfen ab. Unsere Vorlagen für 1984 gehen weiter. So werden z. B. Neubewilligungen bei der Landabgabenrente nur noch in diesem Jahr erfolgen, und Steuervergünstigungen zur Heizenergieeinsparung werden auf moderne, noch nicht wirtschaftliche Verfahren beschränkt. Die steuerlichen Vorteile bei Bauherrenmodellen sollen weiter reduziert und Beteiligungen, die ohne echte Gewinnerzielungsabsicht eingegangen werden, sollen steuerlich nicht mehr anerkannt werden.Aber bestimmte neue Initiativen für die Wirtschafts- und die Arbeitsmarktpolitik führen auch zu Haushaltsansätzen, die als Subventionen oder subventionsähnliche Leistungen eingestuft werden. Schuldzinsenabzug für den privaten Wohnungsbau, Sonderabschreibungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen, die Verstärkung der Gemeinschaftsaufgaben, mehr Mittel für Stadterneuerung und anderes mehr sind im formalen Verständnis Subventionen.
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1176 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Bundesminister Dr. StoltenbergDiese staatlichen Hilfen kommen nicht nur Unternehmen, sondern gleichermaßen den privaten Haushalten zugute. Der Anteil der privaten Haushalte an den Subventionen liegt 1984 voraussichtlich bei 54,2 %, der Anteil der Unternehmen bei 45,8 %.Den stärksten Anstieg bei den Subventionen gegenüber dem Vorjahr haben wir übrigens mit 13,5% im Bereich des Wohnungswesens zu verzeichnen, vor allem auf Grund der nachhaltigen Förderung des Wohnungsbaus, deren wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Begründung jedermann bekannt ist. Trotz der schweren Strukturprobleme in einzelnen Branchen — Kohle, Stahl, Werften — wird der Anteil der Subventionen am Bruttosozialprodukt 1984 voraussichtlich unverändert 1,7 % betragen.
Wir werden weitere Entscheidungen für einen Subventionsabbau herbeiführen.Meine Damen und Herren, wer konsumtive Ausgaben im Staatshaushalt kürzt, um die Schuldenaufnahme zu vermindern, belastet dadurch breite Schichten der Bevölkerung. Das ist unausweichlich.
— Ich kann hier ja den früheren Bundeskanzler Schmidt und meine Vorgänger mit ähnlichen Aussagen zitieren. Das ist ein Sachverhalt, Herr Duve, aus dem Sie unterschiedliche Folgerungen ziehen können. Auch ich ziehe jetzt noch einige daraus. — Denn die Staatsverschuldung ist nicht ein Problem von „arm" und „reich", sie geht in Wahrheit, wenn sie so weiterläuft wie bisher, auf Kosten der schwächeren Einkommensgruppen. Auch das ist eine Bemerkung, die man hier machen kann.
Die Staatsverschuldung ist in erster Linie ein Problem des fundamentalen Ungleichgewichts zwischen volkswirtschaftlicher Leistungskraft und staatlichem Leistungsangebot.Die Frage der sozialen Gerechtigkeit, die zu Recht gestellt wird, läßt sich nicht allein am Haushalt ablesen, sondern nur im Gesamtzusammenhang der Wirtschafts- und Finanzpolitik beurteilen. Dazu gehört auch — was in der öffentlichen Diskussion erstaunlicherweise fast keine Rolle spielt und auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, bisher nicht gesehen wird —: Trotz der erneuten Einsparungen war es erforderlich, die Beiträge zur Sozialversicherung ab 1984 vor allem durch die Einbeziehung von Sonderzahlungen um mehr als 4,5 Milliarden DM zu erhöhen. Unternehmer wie Arbeitnehmer mit mittleren und höheren Einkommen erbringen damit einen besonderen Solidarbeitrag, der in der Verteilungsdiskussion auch einmal gewürdigt werden sollte.
Die Bundesregierung setzt auf einen nachhaltigen Aufschwung der Investitionstätigkeit als entscheidenden Schlüssel für eine neue Wachstumsdynamik und eine grundlegende Verbesserung derBeschäftigungsperspektiven. Diesem Ansatz widerspricht es, unsere Maßnahmen gleichsam als ein Geschenk an Unternehmen abzuqualifizieren, das der Korrektur an anderer Stelle des Haushalts bedürfe.Die Bundesregierung sagt ja zum Sozialstaat. Soziale Sicherung ist ein Wesenselement Sozialer Marktwirtschaft. Weil irdisches Leben immer von wirtschaftlicher Knappheit bestimmt bleibt, darf der Begriff „Sozialstaat" aber nicht losgelöst werden von der Frage der Finanzierbarkeit sozialer Leistungen und der Frage des zumutbaren Leistungsbeitrags des einzelnen.
Ich sage ausdrücklich „des zumutbaren", weil wir alle wissen, daß die einzelnen in ihrer Situation hier sehr unterschiedlich zu bewerten sind.Die Gefährdung ökologischer Regelkreise ist in der aktuellen Diskussion mit Recht ein wichtiges Thema. Es gibt jedoch auch soziale Regelkreise, die gestört werden können und nachweislich gestört sind: Übersteigerungen und auch bestimmte Mißbräuche im sozialen Leistungssystem, wenn Eigenverantwortung nicht gefordert ist und deshalb verlorengeht. Ein Sozialstaat auf Pump ist in Wahrheit kein sozialer Staat, sondern eine Versündigung an der Zukunft unseres Volkes.
Mein sozialdemokratischer Amtsvorgänger Professor Karl Schiller hat diesen Sachverhalt vor kurzem klar angesprochen. Ich zitiere:Die optimale Kombination von Wohlfahrtsstaat und dynamischer Marktwirtschaft gehörte viele Jahre zu den hervorragenden Eigenschaften der deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, daß das Verhältnis von Sozialstaat und Marktwirtschaft aus dem Gleichgewicht geraten ist. Alle politischen Kräfte wissen letztlich, daß die Relation von Marktwirtschaft und Wohlfahrtsstaat neu adjustiert werden muß.So weit Karl Schiller. Ich würde mich freuen, wenn alle politischen Kräfte in diesem Hause das offen aussprechen und daraus ihre Konsequenzen ziehen.
und möchte mehr staatlich induzierte Nachfrage.Aber — das dürfen Sie nicht übersehen — eine
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1177
Bundesminister Dr. Stoltenbergandere bedeutende Richtung betont prononciert, die Konsolidierungspolitik sei noch zu zaghaft, die restriktiven Nachfrageeffekte der bisherigen Gesundungsmaßnahmen würden überschätzt. Auch mit diesen bedeutenden Stimmen in der wissenschaftlichen Diskussion müssen wir uns j a gemeinsam auseinandersetzen.Die Bundesregierung geht einen mittleren Weg, der die Konsolidierung schrittweise verwirklicht, aber zugleich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht aus dem Auge verliert. Die vorliegenden Indikatoren berechtigen zu der Annahme, daß sich die bisherige konjunkturelle Verbesserung auch im weiteren Jahresverlauf und 1984 fortsetzt und noch verstärkt. Zusätzliche Impulse sind insbesondere — ich erwähnte es schon — von den Unternehmensinvestitionen zu erwarten. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist ja das Aufspüren neuer Nachfrage- und Wachstumsbereiche ureigenste Aufgabe unternehmerischen Handelns. Wir halten für das kommende Jahr ein reales Wirtschaftswachstum von 21/2 bis 3 % weiterhin für erreichbar.Die Konjunktur ist ja nicht zuletzt — darauf haben uns bedeutende Wissenschaftler wie Professor Schmölders immer wieder hingewiesen — ein Ergebnis der Einschätzung der Zukunft, also von Vertrauen oder Mißtrauen. Die konjunkturpolitische Wirkung staatlicher Ausgaben kann nicht mehr allein an ihren unmittelbaren Kreislaufwirkungen gemessen werden. Sie muß in wesentlich stärkerem Maße die Erwartungen und Reaktionen der Bürger und der Unternehmen einbeziehen. Konsolidierung bedeutet unter diesem Vorzeichen, daß Schluß gemacht wird mit jenem schlimmen Opportunismus, der den Menschen Leistungen vorgaukelt, ohne zu wissen oder ohne zu sagen, wie sie und von wem sie einmal bezahlt werden sollen.
Der Ausgang der Wahlen vom 6. März 1983 hat uns allen gezeigt, daß die Bürger in unserem Lande diese Wahrheit verstehen und auch bereit sind, sie mit Vertrauen zu honorieren.Wir sind auch nicht im Stadium einer Volkswirtschaft, bei der die Ausgaben für den unmittelbaren Lebensunterhalt bei einem sehr großen Teil der Haushalte mit dem jeweiligen Einkommen identisch sind. Trotz mehrerer Jahre der Stagnation und Rezession und der harten Arbeitslosigkeit sind wir immer noch die Reisenation Nummer eins. Die Schätzungen für die ökonomischen Aktivitäten in der Schattenwirtschaft liegen überwiegend bei 10 % des Sozialprodukts oder mehr. Dies sind Faktoren, die die Voraussehbarkeit des wirtschaftlichen Verhaltens der Verbraucher, aber auch von manchen Investoren erschweren. Diese Faktoren verringern auch die Wirksamkeit einer im wesentlichen nachfrageorientierten Politik.Man muß sich auch erinnern, meine Damen und Herren: 1977 wurde eine begonnene Haushaltskonsolidierung frühzeitig abgebrochen und damit eine entscheidende Weichenstellung für die ökonomischen Enttäuschungen in den folgenden Jahrenvollzogen. Die Bundesregierung wird diesen Fehler nicht wiederholen.Ich kann hier nur zustimmend zitieren, was mein sozialdemokratischer Vorgänger Professor Alex Möller vor zwei Jahren zur Frage des richtigen Zeitpunkts der Konsolidierung geschrieben hat. Ich zitiere ihn:Eine Konsolidierung der Staatsfinanzen ist spätestens dann erforderlich, wenn die gesamtwirtschaftliche Situation erste Ansatzpunkte dafür bietet.Alex Möller fährt fort:Bei ausgeglichener Konjunkturlage entfällt die gesamtwirtschaftliche Rechtfertigung für eine Kreditfinanzierung der öffentlichen Hand. Die Konsolidierungslast bei einem verstetigten deficit spending absorbiert von einem gewissen Punkt an einen so großen Teil der kreditfinanzierten Ausgaben, daß der Spielraum für konjunkturwirksame Ausgabenanteile unangemessen eingeengt wird.
Genau dies ist die Erfahrung, die wir spätestens seit 1980 machen.Im übrigen, meine Damen und Herren: Sozialdemokratische Politiker verhalten sich in der Regierungsverantwortung auch nicht anders als wir — im Gegensatz zu den Angriffen der sozialdemokratischen Opposition in diesem Haus. Ich empfehle Ihnen allen den Aufsatz von Finanzminister Dr. Diether Posser im „Handelsblatt" vom 2. September 1983 unter der Schlagzeile „Nordrhein-Westfalen ist seit zwei Jahren auf Konsolidierungskurs". Das größte Bundesland, von Strukturproblemen und Arbeitslosigkeit besonders hart betroffen, hat seine Ausgaben 1982 nicht mehr erhöht; Nullwachstum bei den Ausgaben. Minister Posser kündigt hier von 1984 bis 1987 eine Zunahme der Ausgaben des Landes um jährlich nur 2,7 % an, um, so sagt er, die erschreckend überhöhte Neuverschuldung endlich in den Griff zu bekommen.Er schreibt dann, was ich mit großer Genugtuung hier vortrage, Herr Kollege Apel — ich zitiere ihn —:Es besteht Einigkeit darüber, daß die Konsolidierung der Landesfinanzen nur über eine strikte Begrenzung der Ausgaben erreicht werden kann. Dieses Konzept steht auch im Einklang mit den Empfehlungen des Finanzplanungsrats, so daß für den wichtigsten Punkt der einzuschlagenden Therapie eine allseits übereinstimmende Grundauffassung festzustellen ist.
Meine Damen und Herren, ich kann das nur unterstreichen. Herr Kollege Vogel, nach den Beratungen und den Entschließungen des Finanzplanungsrats ist das so. Im Finanzplanungsrat sind sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände über Parteigrenzen hinweg über dieses Erfordernis
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1178 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Bundesminister Dr. Stoltenbergvollkommen einig. Wenn ich den Text Ihrer Pressekonferenz betrachte, muß ich sagen: Die SPD-Fraktion in diesem Hohen Hause hat den entsprechenden Lernprozeß offenbar noch vor sich.Die von der Bundesregierung eingeleitete Kurskorrektur zielt auch auf ein gutes Zusammenwirken von Finanz- und Geldpolitik. Mit der Bundesbank sind wir einig, daß es gegenwärtig darauf ankommt, den Aufschwung zu sichern, ohne die erreichte Stabilität wieder zu gefährden. Eine klare und trotz aller Schwierigkeiten unbeirrbar auf Gesundung der öffentlichen Haushalte ausgerichtete Finanzpolitik wird dazu beitragen, in der Bundesrepublik Deutschland wieder ein Zinsniveau zu erreichen, das unseren gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen besser entspricht.Dabei übersehe ich keineswegs, daß wir uns aus dem internationalen Zinsverbund nie völlig werden lösen können. Die Entwicklung der letzten Wochen und Monate zeigt nämlich erneut, daß wir mit unseren ganz bewußt für den internationalen Güter- und Kapitalverkehr offenen Grenzen voll auch in der internationalen Konkurrenz der Kapitalmärkte stehen. Die Zinsen an den Kapitalmärkten der USA liegen heute wieder bei knapp 12 % und sind damit um gut 1,5 % höher als Anfang Mai. Dies hat auch unser Zinsniveau nicht unberührt gelassen. Natürlich ist die leichte erneute Zunahme der Zinsen in den letzten drei Monaten ein gewisses Unsicherheitsmoment für die weitere konjunkturelle Aufwärtsentwicklung.Eine der Hauptursachen für die neue weltweite Zinsrunde liegt sicherlich in den Schwierigkeiten der Vereinigten Staaten, ihre Haushaltsprobleme für die kommenden Jahre zu lösen. Diese Entwicklung zeigt, welche Verantwortung den USA wegen der Größe ihres Wirtschaftsraums und der zentralen Stellung des Dollars im internationalen Währungssystems für die übrige Welt zukommt.Aber, meine Damen und Herren, umgekehrt muß auch gelten: Wer, wie wir alle, von den USA den deutlichen Abbau ihrer Haushaltsdefizite fordert, kann sich bei uns nicht gegen die Konsolidierung der eigenen Etats stellen.
Das ist zumindest ein Gebot der Glaubwürdigkeit. Andererseits wird der über alle Erwartungen kräftig begonnene konjunkturelle Aufschwung in den Vereinigten Staaten auch positive Impulse für die Weltwirtschaft bringen.Nicht nur Bund und Länder sind sich darin einig, daß der Abbau einer weit überhöhten Kreditaufnahme auch im Interesse langfristig verbesserter Rahmenbedingungen für die Volkswirtschaft notwendig ist. Überall in Westeuropa setzt sich diese Überzeugung durch, bei Regierungen und Parlamenten ganz unterschiedlicher politischer Mehrheiten.Die sozialistische Regierung Frankreichs hatte 1981 mit einem expansiven Programm der starken Erhöhung von Sozialleistungen, voll bezahlter Arbeitszeitverkürzung, höheren Abgaben für die Betriebe und die Besserverdienenden begonnen. Nach der drastischen Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft im Jahr 1982 erfolgte ein nachhaltiger Kurswechsel. Die neue Politik, amtlich in Paris als Politik der Strenge — „politique de rigueur" — bezeichnet, stellt die Stärke der internationalen Konkurrenzfähigkeit des Landes, die Bekämpfung der Inflation und den Abbau des Haushaltsdefizits ganz in den Vordergrund. Präsident Mitterrand hat seine Regierung angewiesen, die Neuverschuldung 1984 auf 3 % des Bruttosozialprodukts zu begrenzen. — Wir werden trotz aller angefochtenen Sparbeschlüsse gemeinsam mit Ländern, Gemeinden, Bahn und Post noch fast 4 % erreichen. — Zu dem neuen Pariser Programm gehören u. a. die Kürzung sozialer Leistungen, stärkere Selbstbeteiligung der Patienten im Krankenhaus, Erhöhung der 1983 eingeführten Sondersteuer von 1 auf 2 % und ihre Erweiterung auf bestimmte kleinere Einkommen. Demgegenüber erhalten private und verstaatlichte Unternehmen verstärkte Anreize für Eigenkapitalbildung und mehr Investitionen. Mir kommt dieser Punkt sehr bekannt vor.In den Niederlanden sollen ab 1. Januar 1984 die Bezüge im öffentlichen Dienst um 3,5 % gekürzt werden. Eingriffe bei Sozialleistungen von 4,2 Milliarden Gulden, globale Minderausgaben bei allen Ressorts und Einsparungen im Gesundheitswesen kommen hinzu.In Belgien sollen ab 1. Januar 1984 u. a. das Urlaubsgeld im öffentlichen Dienst um 12 % gekürzt und die Dienstalterszulagen abgeschafft werden. — Als ich das gelesen habe, habe ich gedacht, es wäre doch ganz gut, wenn die Herren Fehrenbach, Krause und Hagedorn einmal eine gemeinsame Studienreise in die Beneluxländer unternehmen würden.
Ich habe mir überlegt, daß die Kritik an unseren Beschlüssen dann vielleicht etwas moderater sein würde.In Dänemark wurde in diesem Jahr die Indexautomatik bei den staatlichen Transferleistungen, den Gehältern und den Steuerfreibeträgen abgeschafft.In Italien nannte der neue sozialistische Ministerpräsident Craxi es als die vorrangige Aufgabe, den entgleisten Zug der öffentlichen Finanzen wieder auf die Gleise zu stellen.Und in Österreich schließlich, meine Damen und Herren — das ist besonders interessant —, will die neue sozialistisch-liberale Koalition ab 1. Januar 1984 das Defizit um 30 Milliarden Schilling verringern, nach ersten Pressemeldungen voraussichtlich durch Kürzungen in Höhe von 10 Milliarden Schilling, vor allem bei Sozialleistungen, sowie durch Steuer- und Abgabenerhöhungen mit einem Volumen von 20 Milliarden Schilling.
Bundeskanzler Sinowatz bezeichnete angesichtsder dramatisch gestiegenen Fehlbeträge „eine Re-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1179
Bundesminister Dr. Stoltenbergform vieler Reformen der 70er Jahre als unvermeidbar".
Ich hoffe nicht, lieber Herr Ehmke, daß Sie und seine politischen Freunde in Deutschland ihn jetzt des „Kaputtsparens" oder der „sozialen Demontage" bezichtigen werden.
Man muß in der Tat den Blick über die eigenen Grenzen richten, um die Zeichen der Zeit zu erkennen.
— Wir entschuldigen uns nicht mit den Fehlern anderer. Das unterscheidet uns von unseren Vorgängern in diesem Hause, meine Damen und Herren.
Aber niemand sollte sich abwenden, wenn andere aus ihren Fehlern lernen.
Im internationalen Bereich macht uns insbesondere die Verschuldung der Dritten Welt und des Ostblocks weiterhin große Sorgen. Die Risiken einer ständig steigenden Kreditaufnahme sind dort eindeutig unterschätzt worden. Schwerwiegende binnenwirtschaftliche Fehler in manchen Schuldnerländern, die Weltrezession und der Zinsanstieg haben diese Probleme noch weiter verschärft.Die Ergebnisse der letzten zwölf Monate zeigen aber auch, daß in enger internationaler Zusammenarbeit schwierige Probleme bewältigt werden können. Regierungen und Zentralbanken, vor allem aber auch Geschäftsbanken und die großen internationalen Finanzierungsinstitutionen, haben mit viel Mut und Einsicht verhindert, daß es zu schweren Störungen auf den Finanzmärkten kam. Die Sanierungsprogramme, die viele Schuldnerländer im Zusammenwirken mit dem Internationalen Währungsfonds übernommen haben, waren dabei von ganz wesentlicher Bedeutung. Damit der Währungsfonds angesichts der wachsenden Schwierigkeiten auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen kann, haben die Mitgliedstaaten beschlossen, seine Mittel kräftig aufzustocken. Die im September noch in Washington stattfindende Jahresversammlung von Währungsfonds und Weltbank gibt uns Gelegenheit, mit einer Vielzahl von Beteiligten über die Stärkung des Währungsfonds und unseren weitergehenden Beitrag für die internationale Zusammenarbeit zu sprechen. Wir werden dafür eintreten, daß der Ausweg aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht nur mit neuen Krediten, sondern vor allem durch eine Wirtschaftspolitik gesucht wird, die den Kreditbedarf der hochverschuldeten Länder spürbar verringert. Dazu gehören auch gemeinsame Bemühungen um eine deutliche Besserung der Weltkonjunktur und ein Offenhalten oder eine weitergehende Öffnung der Märkte der Industrieländer für die Produkte der Länder der Dritten Welt.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zusammenfassend folgendes sagen: Der wichtigste Beitrag der Bundesregierung zu einem dauerhaften und inflationsfreien Wachstum der Weltwirtschaft besteht darin, daß wir zunächst unser eigenes Haus in Ordnung bringen.
Die Leitlinien unserer Finanzpolitik in den kommenden Jahren werden sein:Erstens. Die Neuverschuldung muß unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse weiter zurückgeführt werden. Strenge Ausgabendisziplin bleibt die oberste Richtlinie finanzpolitischen Handelns in den 80er Jahren. Wir werden das Wachstum der Staatsausgaben ab 1985 auf 3 % jährlich begrenzen und so weiter deutlich unter dem Wachstum des nominalen Bruttosozialprodukts halten. So wird der Staatsanteil schrittweise zurückgeführt, privater Initiative mehr Raum gegeben.Zweitens. Gleichzeitig bedeutet Konsolidierung für uns auch in Zukunft die weitere Umschichtung der öffentlichen Ausgaben. Wir müssen die Haushaltsgestaltung in den 80er Jahren noch stärker auf Kosten von konsumtiven Verwendungen zugunsten zukunftsorientierter und beschäftigungsfördernder Verwendungen ändern. Das ist auch ein notwendiger Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik. Neben der Stärkung der Investitionen wollen wir die Voraussetzungen für mehr Flexibilität in der Lebensarbeitszeit und die Rahmenbedingungen für Teilzeitarbeit und Arbeitsplatzteilung verbessern.Drittens. Eine dauerhafte Konsolidierung der Staatsfinanzen ist überhaupt nur möglich, wenn auch die sozialen Sicherungssysteme wieder gefestigt sind. Die langfristige Verläßlichkeit dieser Systeme für Alter, Krankheit und Wechselfälle des Lebens der Bürger sind wichtiger als jeder einzelne aktuelle Besitzstand. Zu den Zielen der Neuordnung gehört auch, Selbstverantwortung, zumutbare Eigeninitiative und Eigenvorsorge zu stärken.Viertens. Die Steuerpolitik muß weiterhin im Dienste der Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen und der Förderung der beruflichen Leistung stehen. Die Bundesregierung wird im ersten Halbjahr 1984 über die Eckdaten einer Neugestaltung des Lohn- und Einkommensteuertarifs entscheiden. Ich sage hier aber erneut: Voraussetzung für eine Realisierung sind erhebliche Fortschritte bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und eine Umschichtung im Steuersystem, auch durch die Einschränkung von Steuervergünstigungen. In Verbindung damit wollen wir ein Familiensplitting einführen. Bereits 1985 soll eine steuerliche Besserstellung der Alleinerziehenden in Kraft treten.Fünftens. Die Bundesregierung wird in den nächsten Jahren viele neue Subventionsforderungen abwehren müssen und die bestehenden Subventionen weiter auf ihre Berechtigung hin prüfen. Meine Damen und Herren, das heißt aber auch: Staatliche Garantien für bestimmte Arbeitsplätze kann es nicht geben. Die Sanierung von Unternehmen ist in unserer Wirtschaftsordnung grundsätzlich nicht die
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1180 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Bundesminister Dr. StoltenbergAufgabe des Staates; er wäre damit im generellen Anspruch auch überfordert. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen können staatliche Hilfen gewährt werden, die jedoch an das Vorliegen enger Voraussetzungen gebunden werden müssen. Hierzu gehören insbesondere die Ausschöpfung aller Selbsthilfemöglichkeiten der Beteiligten und zukunftsorientierte Unternehmenskonzepte.Zweifellos gibt es auch für 1984 einige Etatrisiken. Wie kann es 16 Monate vor Jahresende 1984 anders sein! Ich verweise hier insbesondere auf die wachsende Beanspruchung unseres Haushalts durch Garantien und Exportbürgschaften der vergangenen Jahre. Auch wir übernehmen hier neue, im Hinblick auf die internationale Verschuldungslage beträchtliche Risiken, um Betrieben unserer Exportwirtschaft und ihren Arbeitnehmern zu helfen.Meine Damen und Herren, zugleich ist es ermutigend, daß die ersten politischen Entscheidungen für mehr private Investitionen sehr positive Wirkungen haben.
— So ist beispielsweise die Zahl der Darlehensanträge im ERP-Existenzgründungsprogramm im ersten Halbjahr um fast 50% gestiegen. Beim Eigenkapitalhilfe-Programm hat sich das Antragsvolumen gegenüber dem ersten Halbjahr 1982 sogar verdreifacht; es stieg auf 331%.
— Das sind die Kleinen, Herr Wieczorek, natürlich! Sie spüren die richtigen Zeichen dieser Regierung, und sie fassen Vertrauen.
In einer wirklich eindrucksvollen Weise steigen die Zahl der Existenzgründungen und die Bereitschaft vor allem im Mittelstand, zu investieren. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 3,3 Milliarden DM an Investitionskrediten für mittlere und kleine Unternehmen bewilligt. Das ist nach sieben Monaten bereits dasselbe Volumen wie im ganzen Jahr 1982. An solchen Zeichen kann man doch nicht vorbeigehen. Ich hebe sie einmal hervor, weil verständlich ist, daß im Alltag bei der Berichterstattung vor allem Schlagzeilen über die Krisenbranchen und ihre Sorgen im Vordergrund stehen. Wir sollten aber auch diese anderen Zeichen nicht übersehen.
Sie sind für uns eine Ermutigung, daß der eingeschlagene Weg der Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen und Existenzgründungen auch arbeitsmarktpolitisch richtig ist.Andererseits: Niemand kann erwarten, daß sich Fehlentwicklungen von über zwölf Jahren in zwölf Monaten beseitigen lassen.
Herr Kollege Vogel, ich möchte Sie einmal ansprechen. Ich habe wie viele gestern im Fernsehen gesehen, daß Sie uns vorhalten, wir hätten noch kein Sanierungskonzept für die Bundesbahn. Ich kann das nur mit Staunen feststellen.
Ich war da an die Diskussionen erinnert, die wir, Herr Kollege Brandt, gemeinsam mit dem hochgeschätzten damaligen Kollegen Georg Leber als Verkehrsminister im Kabinett Kiesinger gehabt haben. Aber die Feststellung, die ich in den ersten Monaten meiner Amtsführung machen mußte, ist, daß die zum Ende der Großen Koalition diskutierten und seitdem dramatisierten Probleme der Bundesbahn in der Zwischenzeit nicht gelöst wurden. Wer zehn Jahre in der Regierung war, Herr Vogel, soll doch seinem Nachfolger nach zehn Monaten nicht solche Vorwürfe machen, wie Sie das im Deutschen Fernsehen tun.
Bei der Größe der Aufgaben, wie wir sie übernommen haben, ist es doch eine Binsenwahrheit, daß keine Regierung alle Problemfelder gleichzeitig aufarbeiten kann.Eine erste Zwischenbilanz zeigt uns jedoch, daß die Weichen richtig gestellt sind. Die Finanzpolitik wird sich auch künftig vorrangig an dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Stärkung privater und öffentlicher Investitionen sowie der Verbesserung unserer Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit orientieren. Niemand sollte die Konsequenz und Standfestigkeit dieser Regierung unterschätzen.Ich danke den Koalitionsfraktionen für ihre Bereitschaft, die Eckwerte und die wesentlichen Strukturentscheidungen unserer Vorlage zu vertreten. Ich appelliere an alle gesellschaftlichen und politischen Kräfte, konstruktiv — auch mit abweichenden Vorstellungen — mitzuarbeiten. Mit den Grundsätzen unserer Politik, meine Damen und Herren, mit Tatkraft und Beharrlichkeit können wir gemeinsam die großen Probleme meistern.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche jetzt die Sitzung. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Aussprache über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung fortgesetzt.
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache über die Tagesordnungspunkte 1 und 2. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Apel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Der Bundeshaushalt 1984, wie er uns heute von Herrn Bundesminister Stoltenberg vorgelegt wurde, spiegelt die Haushalts- und Finanzpolitik dieser Koalition wider;
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1181
Dr. Apeldarauf hat Herr Dr. Stoltenberg j a auch Wert gelegt. Damit muß sich dieser Haushaltsentwurf dann aber auch an den Versprechungen und Zukunftsperspektiven messen lassen, die die CDU/CSU selbst in langen Jahren ihrer eigenen Oppositionsarbeit immer wieder mit Nachdruck aufgestellt hat
und die ja noch vor elf Monaten für die CDU/CSU gültig waren.
Wenn man den Vergleich zwischen diesem Haushaltsplan und Ihrer Finanzpolitik auf der einen und Ihren früheren Forderungen auf der anderen Seite anstellt, dann wird erschreckend deutlich, in wie hohem Maße die CDU/CSU beim Bundeshaushalt 1984 gegen selbstgesteckte Ziele und gegen eingegangene verbindliche Versprechungen verstößt.
Erinnern wir uns: Noch vor einem Jahr hatte die Fraktion der CDU/CSU beim Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht mit dem Ziel, die Neuverschuldung des Bundeshaushalts 1981 für verfassungswidrig zu erklären. Nun legt uns Herr Dr. Stoltenberg einen Haushaltsentwurf vor, dessen Neuverschuldung nicht nur höher ist als die des Jahres 1981, sondern der auch nach den von der CDU aufgestellten Kriterien verfassungswidrig ist.
Herr Kollege Dr. Stoltenberg, wie geht es mit Ihrer Verfassungsklage eigentlich weiter? Wir haben das Gefühl, Sie möchten sie am liebsten klammheimlich vergessen.
— Das ist für mich beruhigend. — Wir wollen, daß Sie auch heute noch zu den Worten stehen, die Sie in der Oppositionszeit gesprochen haben.
Im Wahlkampf 1983 war von den Unionsparteien der Verzicht auf die Rückzahlbarkeit der Zwangsanleihe als Gebot sozialer Gerechtigkeit beschlossen worden. Nach der Wahl wurde dieses Wahlversprechen sang- und klanglos fallengelassen.Im Wahlkampf dieses Jahres, vor wenigen Monaten also, hat Bundeskanzler Kohl allen jungen Menschen eine Lehrstellengarantie gegeben. Jetzt fehlen mehr als 100 000 Lehrstellen.
Diese Bundesregierung wird entweder den Vorwurf der Wählertäuschung akzeptieren müssen oder sich unseren sozialdemokratischen, detaillierten Vorschlägen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Schaffung 10 000 zusätzlicher Ausbildungsstellen anschließen müssen.
Die CDU/CSU-Fraktion forderte in den letzten Jahren immer wieder mit Nachdruck, mit Emphase, daß umgehend, sofort alle heimlichen Steuererhöhungen bei der Lohn- und Einkommensteuer beseitigt werden müßten. Jetzt wird offengehalten, ob und wann eine Lohn- und Einkommensteuersenkung denkbar ist.
Wer genau zugehört hat, der hat heute morgen bei Herrn Dr. Stoltenberg herausgehört, daß es zu einer Lohnsteuersenkung nur kommen kann, wenn gleichzeitig vor allem die Mehrwertsteuer kräftig angehoben wird.
Denn, Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben davon gesprochen, daß Sie im Steuersystem auch umschichten müßten. Ich füge hinzu: Sie haben in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung doch nicht eine müde Mark vorgesehen, um eine Lohn- und Einkommensteuersenkung durchzusetzen. Auch das von Ihnen heute morgen angekündigte Familiensplitting ist in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung nicht vorgesehen.
Aber gleichzeitig fordert Graf Lambsdorff ungeniert massive Lohn- und Einkommensteuersenkungen möglichst bald, für 1985.
— Ja, das müssen Sie dann in Ihrer Koalition miteinander ausmachen. Ich bin nicht dazu da, hier bei Ihnen Moderator zu spielen. —
Ernst Albrecht, der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, will dagegen die Unternehmenssteuern senken und lehnt eine Lohn- und Einkommensteuersenkung ab. Wo bleiben Ihre Versprechungen aus der Oppositionszeit? Soll diese — nennen wir es einmal freundlich so — Meinungsvielfalt an die Stelle solider Finanzpolitik treten?
Die Unionsparteien hatten in ihrer Oppositionszeit, aber auch noch im Wahlkampf — ich erinnere mich an Reden von Herrn Dr. Dregger — versprochen, daß es unter ihrer finanzpolitischen Verantwortung keine Steuer- und Abgabenerhöhungen geben wird. Wie ist die Realität? Zum 1. Januar 1983 sind die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung angehoben worden, zum 1. Juli 1983 ist die Mehrwertsteuer angehoben worden, zum 1. September 1983 sind die Beiträge zur Rentenversicherung angehoben worden, und zum 1. Januar 1984 werden alle Sozialversicherungsabgaben durch die stärkere Einbeziehung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes angehoben.
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1182 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. ApelDie CDU/CSU bricht ihre Versprechungen, sie schröpft die Bürger über Steuer- und Abgabenerhöhungen. Sie sorgt allerdings zielbewußt dafür, daß vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen betroffen werden.
In der Opposition erklärte die Union die Einstellung der Bundesbankgewinne in den Bundeshaushalt für Gift. Heute wird damit Haushaltsfinanzierung getrieben, und zwar ohne Scheu und ohne Wenn und Aber.Als Opposition hatten uns Herr Bundeskanzler Kohl und die Union gesagt, sie würden alle Subventionen massiv und linear kürzen.
Jetzt hat Herr Stoltenberg seine Meinung geändert: Subventionen sind heute für ihn ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der Strukturprobleme.Reinhard Uhlmann bezeichnet diese Politik in der letzten Ausgabe der Zeitschrift „Der Unternehmer" so — ich zitiere —:Schlichtweg finster sieht es schließlich beim Subventionsabbau aus. Hier erweist sich die Union wahrlich als eine Tüte voller Wind.
Es war niemand anders als die frühere christdemokratische Opposition, die den sozialdemokratischen Finanzministern seit Jahr und Tag auf diesem brachliegenden Feld Dampf zu machen versuchte.Herr Kollege Dr. Stoltenberg, Sie haben heute morgen davon gesprochen, daß Konjunktur und Konjunkturentwicklung auch das Ergebnis von Vertrauen sind. Ich stimme dem zu. Ich denke, Sie werden mit mir einer Meinung sein, daß auch die Finanzpolitik in ihrer Wirkung auf der Glaubwürdigkeit von Politikern beruht, die diese Politik vertreten. Da ist es allerdings mit der Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik und der Finanzpolitiker der Regierung schlecht bestellt.
Ihre Finanzpolitik steht augenscheinlich unter dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern!
Damit haben Sie selbst die Grundlagen der Glaubwürdigkeit Ihrer künftigen Finanzpolitik beschädigt.Herr Kollege Dr. Stoltenberg, mich hat sehr verwundert, daß Sie heute morgen nicht einen einzigen Satz zum Kredit in Höhe von 1 Milliarde DM an die DDR gesagt haben. Es ist nicht meine Aufgabe, die verwirrenden Etappen der Entwicklung dieses Kredits in Höhe von 1 Milliarde DM nachzuvollziehen.
Eines steht fest: In diesem Sommertheater wurde eine Tragikomödie politischer Führungslosigkeit, Instinktlosigkeit und mangelnder Koordinierung aufgeführt.
Wir verlangen, daß die Bundesregierung ihren Informationspflichten gegenüber dem Parlament nachkommt.
Wir werden der Bundesregierung ihr Verwirrspiel nicht durchgehen lassen. Wir wollen Klarheit darüber haben, wie dieser Kredit abgesichert ist, ob daraus Belastungen für den deutschen Steuerzahler entstehen und ob aus diesem Kredit Vorteile, Aufträge für die westdeutsche Wirtschaft entstehen. Die Berichte von der Leipziger Messe sind hier sehr desillusionierend.Herr Dr. Stoltenberg hat in einer Pressekonferenz im August deutlich gemacht, daß die Einnahmeerwartungen aus der Zwangsanleihe, die ursprünglich im Jahr 1983 1 Milliarde DM erbringen sollte, jetzt von ihm selbst auf 700 Millionen DM zurückgeschraubt worden sind. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres sind gerade eben 280 Millionen DM in die Finanzkassen eingegangen. Wir fragen die Bundesregierung: Steht der zu erwartende Ertrag der Zwangsanleihe für den Bund, der j a im übrigen nur für wenige Jahre zur Verfügung steht und dann zurückgezahlt werden muß, in einem vernünftigen Verhältnis zum bürokratischen Aufwand, der mit dieser Zwangsanleihe verbunden ist und der die Finanzämter zusätzlich beträchtlich belastet?Wir fragen die Bundesregierung: Wie will sie mit dem von uns bereits früher erhobenen und jetzt gerichtlich erhärteten Vorwurf fertig werden, daß diese Zwangsanleihe eindeutig verfassungswidrige Elemente beinhaltet? Denn auch die Bundesregierung kann nicht leugnen, daß diese Zwangsanleihe ausschließlich von Arbeitnehmern und solchen Steuerzahlern bezahlt wird, die nicht investieren können. Und das ist dann in der Tat eklatante Ungleichbehandlung und damit nicht verfassungsfest.
Will die Bundesregierung angesichts der von Herrn Stoltenberg vorgelegten Einnahmezahlen weiterhin behaupten, diese Zwangsanleihe sei eine Art sozialen Gegengewichts zu den Kürzungen, die im Sozialbereich vorgenommen werden? Die sozial Schwachen werden durch Milliardenkürzungen getroffen. Die Zwangsanleihe bringt nur Millionenbeträge, die im übrigen zurückgezahlt werden müssen. Hier bricht doch die Argumentation der CDU/ CSU zur Ausgewogenheit ihrer Finanzpolitik wie ein Kartenhaus in sich zusammen
und macht die ganze Ungerechtigkeit der Haushaltspolitik dieser Bundesregierung um so sichtbarer.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1183
Dr. ApelWir fragen deswegen die Bundesregierung, ob sie bereit ist, angesichts dieser Sachlage an die Stelle der Zwangsanleihe eine Ergänzungsabgabe zu setzen, die steuerpolitisch gerecht und damit verfassungsfest ist. Auf diese Weise könnten wirksame konjunkturpolitische Initiativen finanziert werden, die angesichts unserer wirtschaftlichen Lage dringend geboten sind.Herr Kollege Stoltenberg, Sie schmücken sich beim Thema „Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen" mit fremden Federn. Wenn Sie dem Bundestag mitteilen, daß von 1981 bis 1984 die Finanzhilfen des Bundes um zwei Milliarden DM gekürzt worden sind und die Steuervergünstigungen sogar um drei Milliarden DM, dann sollten Sie auch hinzufügen, daß diese Kürzungen kaum unter Ihrer Regie, sondern vor allem unter den Finanzministern Matthöfer und Lahnstein möglich waren, und zwar durch das Subventionsabbaugesetz 1981 und das Haushaltsstrukturgesetz 1982. Es stimmt doch, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, daß der Bundeshaushalt 1984 in einer Größenordnung von mehr als 20 Milliarden DM dadurch entlastet wird, daß wir Sozialdemokraten zusammen mit den Liberalen strukturelle Haushaltsdefizite abgebaut haben.Und wenn das so ist, dann frage ich mich wirklich, was die von Ihnen heute morgen aufgebauten Pappkameraden gesollt haben. Ich frage mich auch, was Ihre Exkurse in europäische Nachbarländer gesollt haben. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß wir am Abbau der strukturellen Haushaltsdefizite das gleiche Interesse haben wie Sie. Nur, die Grundlagen unserer Politik, die Orientierung unserer Politik
unterscheiden uns allerdings von Ihnen diametral.
Ich bin froh darüber, daß die Union und auch der Bundesminister der Finanzen endlich die während ihrer Oppositionszeit übliche polemische und törichte Behandlung des Themas Subventionsabbau aufgegeben haben. Völlig unzureichend sind allerdings die Vorschläge der Bundesregierung zum Abbau bestehender Steuervergünstigungen. Hier können Sie, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, beweisen, daß es Ihnen mit dem Subventionsabbau und der Haushaltskonsolidierung ernst ist. Wenn Sie dazu Ideen und Vorlagen benötigen, dann können Sie sich ja der Ideen des Parlamentarischen Staatssekretärs Vogt bedienen, der Ihnen deutlich gemacht hat, daß mit Leichtigkeit 4 Milliarden DM an Steuervergünstigungen gekürzt werden können. Ich bitte, das in den Reihen der Regierung zu erwägen. Abwegig sind diese Ideen keineswegs.
Die deutsche Stahlindustrie, unser Kohlebergbau, unsere Werften brauchen unsere Hilfe.
Der Bund muß den Strukturwandel finanziell unterstützen und international für faire Wettbewerbschancen sorgen.Dabei bleibt die Verantwortung für die Unternehmensleitungen unberührt. Herr Kollege Dr. Stoltenberg, in dieser Frage sind wir einer Meinung. Wir sollten dann aber auch gemeinsam mit Entsetzen feststellen, welche Mentalität bei einigen Unternehmensleitungen eingerissen ist. Man sieht über Jahre Schwierigkeiten im Schiffsbau auf sich zukommen, man macht sich wenig Gedanken darüber, wie die gefährdete Produktion rechtzeitig umgestellt werden kann, Phantasie und Innovationskraft sind augenscheinlich wenig gefragt, man verläßt sich auf die Subventionen des Staates, man macht Druck wegen des Verlustes von Tausenden von Arbeitsplätzen, und wenn die Karre endgültig im Dreck sitzt, versucht man, die Restbestände der Unternehmen an den Vater Staat abzutreten.
Wenn Graf Lambsdorff die politische Verantwortung für die Überwindung der Werftenkrise polemisch abschieben will, so erklärt sich das für mich nicht zuletzt aus dem lamentablen Zustand der FDP. Wichtiger aber ist, daß seine Argumentation an den eigentlichen Problemen völlig vorbeigeht.
Hier wird doch ein eklatantes Versagen der Unternehmenswirtschaft sichtbar, und darüber müßte in diesem Lande debattiert werden.
Wir brauchen eine Industriepolitik, die unter Einsatz des gesamten Sachverstandes, auch des Sachverstandes der öffentlichen Hände und natürlich der Unternehmer, Konzepte entwickelt, die aus der Krise herausführen.Wir begrüßen, daß die Bundesregierung in ihrer gestrigen Kabinettsitzung erste Hilfsmaßnahmen beschlossen hat. Aber damit sind wir mit dem Problem noch lange nicht durch. Wir müssen die Bundesregierung fragen, ob sie warten will, bis die Stahlindustrie endlich weiß, was sie will. Wollen Sie den Niedergang der deutschen Werftindustrie abwarten?Sind Sie sich im klaren darüber, daß Sie durch Ihre industriepolitische Abstinenz viele tausend Arbeitsplätze gefährden und zudem die öffentlichen Kassen mit den Konsequenzen von Unternehmenszusammenbrüchen belasten?
Es reicht eben nicht aus, Abschreibungserleichterungen für Forschung und Entwicklung zu gewähren, um unserer Wirtschaft einen Innovationspush zu geben. Die von Ihnen vorgeschlagenen Abschreibungserleichterungen bei Forschung und Entwicklung werden von den Klein- und Mittelbetrieben kaum genutzt werden können; bei den Großbetrieben werden sie hohe Mitnehmereffekte auslösen und die Steuerverwaltung erneut belasten. Hier wird uns von Ihnen ein alter Hut aufgetischt, der bereits in den 70er Jahren seine Unwirksamkeit unter Beweis gestellt hat.Unser Ziel muß es sein, den Staat nicht nur zum Zahler werden zu lassen, sondern über Industriepolitik rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, damit in
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1184 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. Apelunserem Lande nicht ganze Industriezweige zusammenbrechen und wir schrittweise in unserer Wettbewerbsfähigkeit hinter unsere Hauptwettbewerber auf dem Weltmarkt zurückfallen.
Nach zwölf Monaten Regierungsverantwortung der CDU/CSU stellen wir fest: Von einer konjunkturellen Wende kann nicht die Rede sein. Wir haben heute 500 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. Es droht uns in diesem Jahre erneut ein neuer Pleiterekord. Die Monate nach dem März mit einer bescheidenen Aufschwungstimmung sind vergangen. Der Alltag hat Sie, die Bundesregierung, eingeholt, und nun werden Sie nicht mehr Aufschwünge herbeireden können. Es muß deshalb gehandelt werden,
wollen wir 1984 nicht noch tiefer in die Depression und damit in die Massenarbeitslosigkeit abrutschen.Die Bundesregierung lehnt das ab. Sie beschwört weiterhin den Aufschwung. Sollte Ihre Selbstsicherheit, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, jedoch auf Prognosen beruhen, die aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommen, dann ist allerdings größte Vorsicht geboten.
Wir Sozialdemokraten wissen aus leidvoller eigener Erfahrung, wie oft sich schon der Wirtschaftsminister geirrt hat.
Wir sollten uns, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, die Prognosen derer anschauen, die die wirtschafts- und finanzpolitische Entwicklung ohne ideologische Scheuklappen betrachten.Für uns sollten die Warnungen der Bank für internationalen Zahlungsausgleich wichtig sein, die bereits im Juni dieses Jahres darauf hingewiesen hat, welche verheerenden Wirkungen von der amerikanischen Haushaltspolitik und damit vom US-Zinsniveau ausgehen. Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich weist darauf hin, daß die Haushaltsdefizite in der Bundesrepublik Deutschland angesichts der konjunkturellen Lage keineswegs als alarmierend anzusehen sind. Sie fügt hinzu, es sei zwar richtig, daß die Defizite historisch gesehen nach wie vor hoch sind; aber sie sagt dann auch, das gleiche gelte eben auch hinsichtlich der Schwere der Rezession.Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wie auch das Ifo-Institut in München machen darauf aufmerksam, welche Risiken durch einen zu rigorosen Sparkurs im Bundeshaushalt 1984 für die deutsche Konjunktur- und Wirtschaftsentwicklung entstehen. Das Ifo-Institut geht so weit, daß es mit einem Abbruch des bescheidenen Aufschwungs im nächsten Jahre rechnet und für 1985 einen neuen Abschwung erwartet. Das Institut rechnet uns vor, daß kaufkräftige Nachfrage durch Ausgabenkürzungen und Abgabenerhöhungen in einer Größenordnung von 15 Milliarden DM ausfällt. Das Ifo-Institut sagt — und wir können das unterschreiben —, daß die Konsolidierung der Staatsfinanzen weiterhin geboten bleibt. Es wendet sich aber gegen den bedenklichen Kurs der Haushaltskonsolidierung und damit eine Entwicklung, die für die Konjunktur eine beträchtliche Gefahr darstellen kann.Sie, Herr Bundesminister der Finanzen erwarten, daß sich die durchschnittliche Jahresarbeitslosigkeit von 2,3 Millionen Menschen in diesem Jahre auf 2,5 Millionen Menschen im Jahre 1984 erhöht. Das macht doch bereits deutlich, daß auch Sie diesen Haushalt als wenig konjunkturfördernd anse. hen. Sie müssen die Warnung der Experten ernst nehmen.
Die Arbeitslosigkeit wird durch die von Ihnen gewollte Finanzpolitik verstärkt.Es hat keinen Zweck, meine Damen und Herren, den Eindruck zu erwecken, als gäbe es Patentrezepte, mit denen die Depression, die Massenarbeitslosigkeit in unserem Land quasi von selbst gelöst werden könnten. Es ist sicherlich richtig, daß sich die Wirtschaftspolitik und damit auch die Haushaltspolitik 1984 erneut auf einem schmalen Pfad bewegen müssen, mit dem Ziel, das an Konjunkturanstößen zu geben, was möglich ist, ohne die Notwendigkeit des weiteren Abbaus struktureller Haushaltsdefizite zu übersehen. Es stimmt, daß vor allem die Privatinvestitionen den Aufschwung tragen müssen. Aber auch die öffentlichen Investitionen müssen zunehmen. Sie sind für unsere Zukunft unverzichtbar.Der uns von der Bundesregierung vorgelegte Haushalt ist nicht nur sozialpolitisch ungerecht und ungenügend austariert, er ist einseitig. Er setzt auf Konsolidierung, ohne die Konsequenzen für die wirtschaftliche Entwicklung zu bedenken.
Er nimmt das Phänomen Massenarbeitslosigkeit augenscheinlich gelassen hin und läßt damit Verantwortungsbewußtsein und Humanität im finanzpolitischen Denken vermissen.
Deswegen muß der Bundeshaushalt 1984 in dem Maße, in dem es möglich ist, konjunkturpolitische Mitverantwortung tragen. Wir Sozialdemokraten wollen 170 000 Jugendlichen einen Ausbildungs-Arbeitsplatz geben.
Wir wollen unsere Wälder retten. Dazu müssen die Schadstoffe, die unsere Schlote verlassen, herausgefiltert werden.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1185
Dr. ApelWir wollen unsere Gewässer vor dem Umkippen bewahren und unsere Trinkwasserversorgung auf Dauer sicherstellen.
Unsere Städte und Gemeinden müssen menschengerechter werden.Hier liegen Aufgaben vor uns, die wir anpacken müssen.
Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken und ihren Strukturwandel erleichtern.
Wir müssen einen Beitrag zu mehr Flexibilität bei der Lebensarbeitszeit leisten.
Stahl, Kohle und Werften brauchen unsere Hilfe für eine bessere Zukunft.
Sie fragen: Wer will das denn nicht? — Meine Damen und Herren, in Ihrem Haushaltsentwurf findet sich nicht ein einziger konstruktiver Ansatz, der diese Aufgaben lösen will. Sie schwätzen, aber Sie handeln nicht!
Unsere Vorstellungen zur Überwindung der Depression und der Massenarbeitslosigkeit können solide finanziert werden. Wir wissen doch heute, daß der Bundesbankgewinn um weit mehr als 2 Milliarden DM, wahrscheinlich um 3 Milliarden DM höher sein wird, als im Bundeshaushalt eingestellt.
Wir lehnen die Steuersenkungen für die Unternehmen ab. Diese Milliardenbeträge wie die Einnahmen aus der Ergänzungsabgabe ergeben einen zusätzlichen Spielraum für konjunkturpolitische Maßnahmen allein des Bundes für das Jahr 1984 von mindestens 7 Milliarden DM, ohne die Neuverschuldung zu erhöhen.
Wir müssen deutlicher als bisher erkennen, wie stark die verfehlte amerikanische Finanzpolitik, die riesenhaften US-Haushaltsdefizite hineinwirken in unser finanz- und wirtschaftspolitisches Geschehen.Wir sind nicht so töricht wie Sie, meine Damen und Herren, als Sie in der Opposition waren, alle Probleme für hausgemacht zu erklären. Aber wir wissen, daß erst im Herbst des nächsten Jahres in Amerika Präsidentschaftswahlen sind. Es dauertdann viele Monate, ehe eine Kurskorrektur der verfehlten amerikanischen Finanzpolitik denkbar ist. Wollen wir zwei Jahre oder mehr zusehen, wie diese amerikanische Politik unsere konjunkturellen Chancen gefährdet?
Macht es einen Sinn, daß die sehr hohen Rüstungsausgaben der USA bei gleichzeitigen Steuersenkungen zu riesenhaften Haushaltsdefiziten führen, die dann finanziert werden auch über aus der Bundesrepublik eingeführtes Sparkapital, mit dem Effekt, daß auch bei uns die Zinsen steigen?Ich bin skeptisch, daß es die einfache und simple Abkopplung von dieser amerikanischen Politik gibt. Alles das, was bisher dazu an Plänen vorgelegt wurde, hat mich wenig überzeugt. Aber das heißt doch nicht, daß Sie, Herr Dr. Stoltenberg, als der Verantwortliche für die Finanzpolitik, für die internationale Geld-, Kredit- und Zinspolitik untätig zusehen können und zusehen dürfen, wie die Karre in den Graben läuft.
Einige wohlklingende Worte in Ihrer Einbringungsrede heute morgen reichen in dieser Situation einfach nicht aus.
Der Bundeskanzler erklärte nach seiner Rückkehr aus dem Sommerurlaub im deutschen Fernsehen, man werde mit dieser Zinssituation bis zu den Wahlen in den USA leben müssen; daran könnten wir keine Freude haben, doch man müsse mit diesem Faktum leben. Ist das alles, Herr Bundeskanzler, was Sie zu dieser konjunkturell entscheidenden Frage zu sagen haben?
Mir macht ein primitiver und dümmlicher Antiamerikanismus in Westeuropa Sorgen,
aber, meine Damen und Herren, ist es nicht so, daß die amerikanische Politik im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik unwiderlegbare Beweise dafür liefert, daß unsere amerikanischen Freunde in ihrer politischen Verantwortung herzlich wenig darüber nachdenken, welche Konsequenzen ihre Politik für Westeuropa hat?
Kann das ein Bündnis von Gleichberechtigten auf Dauer ertragen? Wenn wir es nicht fertigbekommen, die amerikanischen Politiker zu einer Kurskorrektur zu veranlassen oder über starke Koordinierungsmaßnahmen in der EG und im europäischen Währungsverbund unangenehme Auswirkungen auf die Konjunkturpolitik Westeuropas — und damit unseres Landes — abzuschwächen,
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1186 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. Apeldann werden wir das Ziel, das wir uns selbst gesetzt haben, einen moderaten Aufschwung möglich zu machen, sehr viel schwerer verwirklichen können.Deswegen unterstützen wir die Deutsche Bundesbank in ihrem Bemühen, auf die erratischen Entwicklungen des Dollarkurses gelassen zu reagieren. Die Zinsen sind bereits viel zu hoch, aber wir wollen nicht, daß die Deutsche Bundesbank diese Entwicklung durch falsche geldpolitische Entscheidungen noch verstärkt.Wir stellen fest, daß die Zinsspannen im deutschen Kreditgewerbe überhöht sind. Ich verstehe sehr wohl, daß das Kreditgewerbe ein Interesse daran hat — und auch haben muß —, die vielfältigen Risiken im Kreditgeschäft abzudecken. Die Risiken im internationalen Kreditgeschäft sind groß. Auch national müssen Wertberichtigungen vorgenommen werden. Das Kreditgewerbe trägt aber auch Verantwortung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und nicht nur für seine eigenen betriebswirtschaftlichen Belange.
Wir fordern die Bundesregierung auf, Stellung zu nehmen zu den kritischen Bemerkungen der Deutschen Bundesbank, so z. B. im Bericht der Bundesbank vom Juli 1983. Die deutliche Kritik der Bundesbank an der Zins- und Konditionenpolitik des Kreditgewerbes ist unüberhörbar.Dieses Verhalten unseres Kreditgewerbes hat auch Konsequenzen für die weitere Entwicklung der privaten Investitionen. Die privaten Investitionen sind von Zinshöhe und Zinserwartungen sehr viel stärker betroffen als von vielen anderen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns. Wenn wir es nicht fertigbringen, das Zinsniveau zu stabilisieren, ja, den gebotenen Trend zu Zinssenkungen fortzusetzen, dann werden Sie, Herr Bundesfinanzminister, nicht nur in Ihren Bundeshaushalt 1984 sehr viel höhere Beträge zur Abdeckung Ihrer Zinsverbindlichkeiten einsetzen müssen, sondern wir alle werden erleben, wie stark gerade die Belastung durch die Zinsen und die Unruhe über die weitere Zinsentwicklung unseren wirtschaftlichen Aufstieg bremsen.Angesichts dieser Zinsproblematik ist es geradezu geboten, unseren sozialdemokratischen Vorstellungen zu folgen und über die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Rahmen unserer konjunkturpolitischen Anstrengungen ein großes, gezieltes, zusätzliches Programm für zinsverbilligte private und öffentliche Investitionen aufzulegen.
Insbesondere die Investitionsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen muß wirksam verbessert werden. Wir bewegen uns hier, Herr Kollege Stoltenberg, durchaus in Überlegungen, die Sie in Ihrer Einbringungsrede heute morgen positiv gewürdigt haben.Die Zeitung „Handelsblatt" hat am 14. Mai, also zeitlich deutlich vor der letzten Runde der Zinssteigerungen, zu diesem Problemkreis folgendes ausgeführt — ich zitiere —:Die Regierung behauptet, durch die von ihr geplanten Steuersenkungen würden Sachinvestitionen und damit Wachstumsimpulse ausgelöst. Doch— so das „Handelsblatt" —diese Kausalität ist nicht zu sehen. Das Problem der deutschen Unternehmen ist der hohe Realzins am Kapitalmarkt bei einer mickrigen Rendite des Produktivvermögens.Das „Handelsblatt":Dieses Problem läßt sich aber kaum durch einen steuerlichen Renditezuschuß lösen, sondern nur durch eine Senkung des realen Zinses, die allerdings von den USA ausgehen müßte.Das „Handelsblatt" fährt dann fort, Herr Dr. Stoltenberg:Die Unternehmen legen ihre freie Liquidität, unter anderem auch die verdienten Abschreibungserlöse— auch die des nächsten Jahres —am Kapitalmarkt an, nicht zuletzt in Rentenwerten des Bundes.Das „Handelsblatt" weiter:Im Jahr 1981 erreichte die Geldvermögensbildung der Unternehmen eine Höhe von 56 Milliarden DM, 1982 waren es noch 41 Milliarden DM. Das gesamte Geldvermögen der Unternehmen belief sich Ende 1982 auf sage und schreibe 780 Milliarden DM. Es verzinste sich glänzend, obwohl es zum Betriebsvermögen gehört und folglich vermögensteuerlich begünstigt wird.Ich möchte in diesem Zusammenhang an eine Stellungnahme des finanzpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herrn Dr. Kreile, vom 24. Mai dieses Jahres erinnern. Herr Dr. Kreile sagte — ich zitiere —:Bezieht man die steuerpolitischen Maßnahmen aus den letzten Jahren in die Betrachtung ein,— er meint die vielfältigen Absenkungen der Unternehmensbesteuerung durch die sozialliberale Koalition —so läßt sich die Behauptung wagen, daß die steuerlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen jetzt nicht mehr als Begründung für mangelnde Investitionen angeführt werden können.
Wir werden uns diese Aussage vormerken. Macht sie doch deutlich, daß nach Meinung der CDU/CSU-Fraktion jetzt von einer steuerlichen Benachteiligung der Investitionen in unserem Lande nicht mehr gesprochen werden kann.
Zu diesen Aussagen von Herrn Dr. Kreile stehen allerdings die Forderungen von Ministerpräsident Albrecht in einem scharfen Widerspruch. Er will die Unternehmensbesteuerung zusätzlich um 20 % sen-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1187
Dr. Apelken und zum Ausgleich dafür die Mehrwertsteuer und die Verbrauchsteuern kräftig erhöhen.
Wir lehnen diese Forderungen von Ministerpräsident Albrecht ab.
Das wäre Umverteilung der Lasten zu Lasten der großen Mehrheit aller Steuerzahler, ohne daß es zu einer anhaltenden Belebung der Privatinvestitionen kommt. So werden die Ungerechtigkeiten im Steuerrecht nur massiv erhöht. Würden wir so handeln, so würde der ausgelöste Kaufkraftverlust die Konjunkturentwicklung zusätzlich nachteilig beeinflussen.Im übrigen möge doch die Union bei sich endlich einmal klären, wer denn nun recht hat, Kreile oder Albrecht. Die Finanzpolitik der Union darf doch nicht nach dem Motto „Für jeden etwas" verfahren. Wir Sozialdemokraten lehnen diese absurde Finanzpolitik ab.
Bund, Länder und Gemeinden verzichten zugunsten der Unternehmen auf Steuereinnahmen und machen sich damit unfähig, konjunkturpolitische Anstöße zu finanzieren. Die Steuernachlässe der Unternehmen werden kaum reinvestiert. Es kommt nicht zu Mehrarbeit und damit auch nicht zu höheren Steuereinnahmen. Die Unternehmen leihen dem Staat die ihnen von den öffentlichen Händen nachgelassenen Beträge zurück und kassieren dafür dann auch noch Zinsen.Es stimmt eben nicht, daß die Steuerbelastung der Unternehmen in den letzten Jahren unerträglich gestiegen sei. Wenn wir den Veröffentlichungen des derzeitigen Bundesministers der Finanzen oder einer Veröffentlichung des Instituts „Finanzen und Steuern" folgen, stellen wir fest, daß die typischen Unternehmenssteuern sehr viel geringer gestiegen sind als alle anderen Steuern, daß insbesondere die Einnahmen aus der Vermögensteuer von 1972 bis 1982 um 60 % gestiegen sind, während alle Steuereinnahmen in diesen zehn Jahren um 90 % gestiegen sind, daß insbesondere die Lohnsteuer um sage und schreibe 150 % gestiegen ist.
Dann wird um so deutlicher, daß die Vermögensteuersenkung unverantwortbar ist.
Herr Kollege Dr. Stoltenberg, wenn Sie zu Recht den Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, unseren Freund Diether Posser, loben, so lesen Sie doch bitte noch einmal gründlich seine Rede im Bundesrat nach. Eine klarere Philippika gegen Ihre verfehlte Steuerpolitik kann es nicht geben.
Sie betreiben eine Steuerpolitik der Verschleuderung knapper Steuermittel. Wir wissen wie Sie, daß die privaten Investitionen wesentlicher Träger der Überwindung der Depression sein müssen. Die vonIhnen eingeleiteten Maßnahmen verfehlen das gewünschte Ziel. Die privaten Investitionen werden durch die von Ihnen gewollten Steuererleichterungen nicht gefördert. Der zu hohe Realzins und mangelnde Absatzchancen stören die Investitionsbereitschaft der deutschen Unternehmen.Die öffentlichen Investitionen befinden sich ebenfalls in einem tiefen Tal. Es hat mich schon einigermaßen verwundert, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, daß Sie heute morgen so zufrieden mit dem Anteil der investiven Ausgaben an den Bundesausgaben waren.
Ich muß darauf aufmerksam machen, daß die Investitionen des Bundes auch dadurch steigen, daß BAföG künftig nicht mehr als Zuschuß, sondern als Darlehen an die Studenten gegeben wird. Das erhöht rein rechnerisch in der Tat die Investitionsausgaben des Bundes, aber dadurch wird doch nicht eine müde Mark bewegt. Das sind doch Taschenspielertricks.
Nicht einmal diese Tricks können verschleiern, daß der Anteil der investiven Ausgaben des Bundes in den vor uns liegenden Jahren Jahr für Jahr weiter zurückgeht. Im Laufe der mittelfristigen Finanzplanung wird der Anteil der investiven Ausgaben des Bundes an den Gesamtausgaben einen Tiefpunkt erreichen, der in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland einmalig ist.Auch hier zeigt sich also, daß dieser Haushaltsentwurf kein Beitrag zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in unserem Lande ist; denn auch die Länder und Gemeinden verringern ihre Investitionen.Meine Damen und Herren, wir sind doch mit folgender Situation konfrontiert. Auf der einen Seite gibt sich die Bundesregierung alle Mühe, über den sozialen Wohnungsbau, über Hilfen im Bereich des Eigenheimbaus die Baukonjunktur anzukurbeln, auf der anderen Seite zerschlagen Sie durch Ihre Steuerpolitik die Finanzbasis der Gemeinden. Diese müssen öffentliche Investitionen in beträchtlichem Maße zurücknehmen. Per Saldo kann dabei herauskommen, daß die Bauinvestitionen auf Dauer nicht zunehmen, sondern abnehmen. Herr Dr. Herion, der Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, hat dazu vor kurzem erklärt: „Ohne ausreichende öffentliche Baunachfrage droht uns ein Strohfeuereffekt." Finanzpolitik aus einem Guß? — Ich meine: Fehlanzeige.
Die Gemeinden müssen uns allen ganz besondere Sorge machen. Ihre Finanzen sind in Not. Die Bundesregierung schneidet massiv in die Gemeindefinanzen ein. Sie verstärkt damit die Finanzprobleme unserer Städte und Gemeinden. Aber ich will selbstkritisch hinzufügen, daß es keinen Zweck hat, verschleiern zu wollen, daß auch die sozialliberale Koalition durch die Abschaffung der Lohnsummensteuer Mitverantwortung dafür trägt, daß es heute
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1188 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. Apelbei den Gemeindefinanzen Schwierigkeiten gibt und ein deutliches Nord-Süd-Gefälle.So ist es eben nicht ausreichend, wenn die Vertreter aller Fraktionen vor dem Plenum des Städtetages im Juni dieses Jahres versprochen haben, daß ihnen die Kommunalfinanzen besonders am Herzen liegen, daß es eine weitere Verschlechterung nicht geben dürfe.Ich habe die Ausführungen von Herrn Dr. Dregger mit besonderem Interesse gelesen. Sie haben ein Bekenntnis zur quantitativen Ausstattung der Gemeindefinanzen abgegeben. Sie haben ein Bekenntnis zur Finanzautonomie der Gemeinden abgegeben. Sie haben vor allem gesagt, daß bei allen Steuer- und Haushaltsbeschlüssen des Bundes sichergestellt werden muß, daß es für die Gemeinden und für die Länder keine zusätzlichen Haushaltsbelastungen geben darf. Ich nehme das zur Kenntnis, Herr Dr. Dregger. Nur: Wort und Tat widersprechen sich. Der Städtetag stellt am 10. August fest: „Der vom Bund vorgesehene Ausgleich für die Steuerverluste ist völlig unzureichend."Die von der Bundesregierung angekündigten Entlastungen in der Sozialhilfe sind nicht nur sozialpolitisch äußerst fragwürdig, sie bringen eigentlich auch keine wirksame Entlastung der Gemeindehaushalte. Wir müssen das Gegenteil feststellen. Die anhaltenden, von der Bundesregierung gewollten Mietensteigerungen, der Abbau des Wohngeldes, der BAföG-Kahlschlag wie die Absenkung des realen Rentenniveaus treffen nicht nur viele Millionen Menschen in unserem Lande hart und ungerecht, sie lassen die Sozialhilfeleistungen der Gemeinden sprunghaft nach oben schnellen. Deswegen verlangen die Gemeinden dafür von der Bundesregierung zu Recht einen finanzwirtschaftlichen und finanzwirksamen Ausgleich.
Besonders bedenklich sind die Luftbuchungen, die Sie, Herr Dr. Stoltenberg, vornehmen. Sie behaupten heute morgen, Sie hätten die Länder und Gemeinden vor einer Explosion der Personalkosten gerettet.
Die Länder und Gemeinden hatten gar keine Explosion der Personalkosten vor. Sie sagen, die Länder und Gemeinden verdanken Ihnen — z. B. durch die Nullrunde im nächsten Jahr — steuerliche und finanzwirtschaftliche Entlastung. Herr Stoltenberg, solche Politik ist doch nicht solide. Sie rechnen den Bund und die anderen Gebietskörperschaften reich, ohne daß eine Mark mehr in die Kassen kommt. Die Länder und Gemeinden wenden sich zu Recht gegen diese Art von Luftbuchungen, die ihnen nicht weiterhelfen und die um so deutlicher unterstreichen, daß es Ausgleichsforderungen der Gemeinden an den Bund gibt. Wir werden sie unterstützen.
Wir sind doch alle stolz darauf, daß unsere Städte, unsere Dörfer, unsere Straßen, unsere Infrastruktur so viel besser gepflegt, so viel besser ausgebaut sind als bei manchen unserer westeuropäischen Nachbarn; von unseren osteuropäischen Nachbarn ganz zu schweigen. Wir sind froh darüber, daß unsere Großstädte nicht so vergammelt sind wie manche Großstadt im Ausland. Aber wenn wir nicht gemeinsam eine große Anstrengung unternehmen, um die Finanzausstattung der Gemeinden und Städte zu verbessern, dann werden wir uns wundern, wo dieses Land in einigen Jahren hingekommen ist. Heute schon fehlen die Mittel, um die Parks zu pflegen; heute schon werden die Straßen nicht überall mehr ausreichend repariert. Der Verfall unserer Infrastruktur beginnt.
— Meine Damen und Herren, ich bin dafür, daß Sie dieses Gelächter — das im übrigen keine Argumente ersetzt — Ihren Finanzkämmerern zu Hause entgegensetzen.
Dann werden die Ihnen hoffentlich den nötigen Nachhilfeunterricht geben, damit Sie endlich begreifen, wie ernst die Lage der Gemeindefinanzen ist.
Wir Sozialdemokraten werden deshalb noch in diesem Herbst einen Gesetzentwurf im Deutschen ' Bundestag einbringen, der die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden so verbessert, daß der Gefahr des Zerfalls unserer gemeindlichen und städtischen Umwelt begegnet wird und daß einem weiteren Konjunkturabschwung durch fehlende Auftragsvergabe im Hoch- und Tiefbau der Städte und Gemeinden Einhalt geboten werden kann.Wir werden uns insbesondere mit aller Kraft jedem Versuch widersetzen, die Gewerbesteuer weiter abzubauen.
Würden wir im übrigen den von wenig Sachverstand geprägten Vorschlägen der FDP-Fraktion nach einer völligen Beseitigung der Gewerbesteuer folgen, dann müßten wir uns am Ende fragen, warum Städte und Gemeinden dann eigentlich noch Industrieansiedlung bei sich haben wollen.
Dies ist doch eine Finanzpolitik, die dem Weseneiner Industrienation wie der BundesrepublikDeutschland widerspricht; sie ist ohne Fundierung.
Dieser Haushaltsentwurf enthält beträchtliche finanzwirtschaftliche Risiken. Sie ergeben sich nicht zuletzt aus den von diesem Haushaltsentwurf selbst ausgehenden Risiken einer weiter wachsenden Massenarbeitslosigkeit. Ich habe bereits auf die
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1189
Dr. ApelProbleme des Schiffbaues, der Stahlindustrie und des Kohlebergbaues hingewiesen.Ein unübersehbares Haushaltsrisiko in Milliardenhöhe, Herr Bundesfinanzminister, ergibt sich für den Bundeshaushalt 1984 aus der EG-Agrarpolitik. Sie, Herr Stoltenberg, haben vor dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages erklärt, daß Sie einer Erhöhung des einprozentigen Mehrwertsteueranteils für die Eigenmittel der EG erst dann zustimmen werden, wenn Spanien und Portugal der EG beigetreten sind. Ich kann diese Aussage akzeptieren. Nur, Herr Stoltenberg, Sie sollten nicht übersehen, daß Ihnen dieser hehre Grundsatz überhaupt nichts nutzt, wenn die Ausgabendynamik in Brüssel nicht gebremst werden kann. Nun weiß ich sehr wohl, daß in Brüssel zehn Länder zustimmen müssen — insofern sind die Möglichkeiten der Bundesregierung nicht unbegrenzt —, aber Bonn muß dennoch seine Verantwortung ernst nehmen.
Die „Frankfurter Allgemeine" schrieb dazu am 11. August — ich zitiere —:Trotz dramatischer Finanzkrise sind die Aussichten auf eine echte Reform der Agrarpolitik sogar noch geringer geworden. Die einzigen, die bei der notwendigen Korrektur wenigstens die richtige Richtung erzwingen könnten, die Deutschen, sie passen. In der früheren Bundesregierung ist Josef Ertl allein der große Bremser gegenüber Reformen gewesen: in der heutigen ist der Bremser Ignaz Kiechle gar nicht allein. Die Wende der CDU/CSU, die „Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft"— von der Herr Kohl spricht —... wird von ihr in der Agrarpolitik ganz bestimmt nicht betrieben.Die deutsche Fachpresse beurteilt das Ergebnis der letzten Verhandlungsrunde in Brüssel negativ. Sie weist darauf hin, mit welchen absurden Ansinnen Bonn in Brüssel antritt. So können die Probleme der EG-Agrarpolitik wahrlich nicht gelöst werden.
Die FAZ schrieb gestern — ich zitiere —: Die Bundesregierung ist „dabei, in der Agrarpolitik eine geradezu katastrophale Wende zu vollziehen".Sie haben gefragt: Wie? Wir Sozialdemokraten haben bereits im Herbst 1980 unsere detaillierten Vorstellungen zur Reform der EG-Agrarpolitik vorgelegt.
Wir erwarten, daß sich die Bundesregierung aufrafft, damit es in Brüssel zur Reform der EG-Agrarpolitik kommt und damit zu Einsparungen, die sozial und ökonomisch verantwortbar sind. Es hat doch keinen Sinn, meine Damen und Herren, Milliardenbeträge in die Brüsseler Kassen fließen zu lassen, die zu nichts nutze sind, die bestenfalls dazudienen, eine verfehlte Politik noch tiefer in ihr Dilemma treiben zu lassen.
Wir lehnen Ihre verfehlte Haushaltspolitik im Bereich der sozialen Sicherung ab. Art und Inhalt der Kürzungen sind wirtschaftlich nicht verantwortbar, verstoßen gegen primitivste Gesetze der Gerechtigkeit, bürden erneut die Lasten der Haushaltskonsolidierung einseitig den sozial Schwachen auf.Man kann das, was Sie uns in diesem Bereich vorlegen, in drei Punkten zusammenfassen und darstellen:Erstens. Sie entwickeln einen sinnlosen und kein Problem lösenden Verschiebebahnhof von Belastungen zwischen den verschiedenen Säulen der sozialen Sicherung, insbesondere der Renten- und der Arbeitslosenversicherung. Wir lehnen das ab.
Die Schwierigkeiten im Bereich der sozialen Sicherheit entstehen im wesentlichen durch die anhaltende und zunehmende Massenarbeitslosigkeit. Dann müssen aber die Probleme auch in diesem Bereich angepackt und einer Lösung zugeführt werden. Wer die Massenarbeitslosigkeit nicht bekämpfen will — die Bundesregierung handelt nicht —, wird das System der sozialen Sicherung Jahr für Jahr erneut in schwierigste Belastungsproben bringen.
Zweitens. Die Bundesregierung beschließt zum 1. Januar 1984 zum dritten Mal in zwölf Monaten massive Beitragserhöhungen. Diese erneute Beitragserhöhung ist ungerecht, da von ihr nur die mittleren Einkommensbezieher betroffen werden.Drittens. Diese Bundesregierung schneidet massiv in das Netz der sozialen Sicherung ein. Auch wir Sozialdemokraten wissen, daß es selbst bei einer aktiven Beschäftigungspolitik nicht möglich ist, das Sozialleistungssystem in seiner heutigen Struktur auf Dauer ohne Veränderungen zu finanzieren. Eine Finanzierung durch eine höhere öffentliche Kreditaufnahme scheidet aus. Eine Erhöhung der Steuer- und Abgabenbelastung ist nur in beschränktem Umfang möglich und sinnvoll. Wir müssen deshalb durch innere Umschichtungen die zu sozialpolitischen Zwecken erforderlichen Finanzmittel gezielter und gerechter einsetzen, und zwar so, daß der qualitative Leistungsstand des Sozialstaats insgesamt erhalten bleibt.Wir kritisieren, daß diese Koalition mit ihren Haushaltsbeschlüssen einseitig die sozial Schwächeren trifft. Wir sehen dadurch das Gebot der sozialen Gerechtigkeit verletzt. Wir geben uns aber auch nicht der Illusion hin, daß allein die Unternehmen und die Besserverdienenden die Lasten der wirtschafts- und sozialpolitischen Anpassung tragen könnten. Notwendig sind Maßnahmen, die alle gesellschaftlichen Gruppen entsprechend ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit an den Lasten mittragen lassen. Wir werden der Kahlschlagspolitik die-
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1190 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. Apelser Koalition unsere Alternativen gegenüberstellen.
Nicht akzeptabel sind für uns Ihre Vorschläge für den öffentlichen Dienst. So kann doch eine NullRunde in der Besoldung für Beamte, also keine Besoldungserhöhung für Beamte im nächsten Jahr, nur dazu führen, daß die Gutverdienenden mit einem blauen Auge davonkommen, während die große Zahl von Bediensteten, insbesondere im einfachen und mittleren Dienst, im nächsten Jahr in echte finanzielle Schwierigkeiten kommen muß.
Wir fragen Sie, Herr Kollege Dr. Stoltenberg: Ist es da nicht angemessener, beim 13. Monatsgehalt, beim Weihnachtsgeld anzusetzen, es in einer gewissen Höhe zu begrenzen, zu plafondieren, damit alle an den Sparmaßnahmen gerecht beteiligt werden?
Auch hier fordern wir von Ihnen Augenmaß und Gerechtigkeit.
Ich fasse zusammen: Der uns vorgelegte Haushaltsentwurf soll die Konsolidierung der Bundesfinanzen fortsetzen, und Haushaltskonsolidierung ist auch geboten; sein Ansatz ist aber falsch.
Er schafft zusätzliche Haushaltsrisiken und kann das Ziel deshalb verfehlen. Diesem Entwurf fehlt jeglicher Anstoß zur Überwindung der zunehmenden Beschäftigungs- und Investitionsrisiken in unserer Wirtschaft: Die geplanten Steuersenkungen werden wirkungslos sein; Milliardenbeträge werden sinnlos verplempert; die öffentlichen Investitionen beim Bund, bei den Ländern und den Gemeinden gehen zurück; wirksame Anreize zur Förderung der Privatinvestitionen fehlen.Wir Sozialdemokraten stellen dieser gefährlichen wirtschaftspolitischen Abstinenz der Bundesregierung unsere Finanzpolitik gegenüber — wohlwissend, daß damit zwar eine Trendumkehr, aber nicht die Überwindung aller Probleme möglich wird.
Die Bundesregierung legt uns einen Etat vor, der den elementarsten Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit in jeder Beziehung widerspricht.
Die von Ihnen beschlossene Zwangsanleihe ist voller finanzpolitischer Risiken. Sie ist finanzwirtschaftlich ein Flop und bürokratisch ein Monster.
Wir fordern deshalb die Einführung einer zeitlich begrenzten Ergänzungsabgabe.
Die Etatansätze für die von Krisen geschüttelten Branchen sind unzureichend; Vorstellungen für die Zukunft dieser Branchen fehlen. Wenn die Mechanismen der Marktwirtschaft die Probleme regeln sollen, dann droht Massenarbeitslosigkeit und weiterer Verlust von Industriekapazität. Wir stellen dieser Inaktivität der Bundesregierung unsere zukunftsorientierten Vorstellungen entgegen.
Dieser Haushalt ist dank einer verfehlten EG-Agrarpolitik mit massiven Haushaltsrisiken belastet. Die Bundesregierung nimmt weder in der EG noch weltweit ihre Verantwortung wahr, obwohl insbesondere die weitere wirtschaftliche Entwicklung in der Welt für unser Land von zentraler Bedeutung ist. Diesem Haushaltsentwurf fehlen die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Konturen, die unser Land weiterführen.
Sein Zahlenwerk ist Ausdruck finanzpolitischer Hilflosigkeit: viel Flickschusterei, wenig Perspektiven.
Dieser verfehlten Finanzpolitik stellen wir unsere Alternativen gegenüber. Die SPD fordert:Erstens. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten muß in der Finanzpolitik das Gebot sozialer Ausgewogenheit und steuerpolitischer Gerechtigkeit gewahrt werden.
Zweitens. Die öffentlichen Finanzen müssen entschlossen den ihnen möglichen Beitrag im Kampf gegen die wachsende Arbeitslosigkeit leisten, ohne das Gebot des Abbaus struktureller Haushaltsdefizite zu übersehen.
Drittens. Bund, Länder und Gemeinden müssen finanzpolitisch gemeinsam handeln, und insbesondere die Gemeinden müssen auch finanzwirtschaftlich handlungsfähig bleiben.
Viertens. Wir müssen uns unserer weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung, aber auch unserer Verantwortung bewußt sein. Wir müssen darauf drängen, daß die USA ihre verfehlte Finanzpolitik ändern.Fünftens. Die Bürger unseres Landes müssen sich auf die finanzpolitischen Versprechungen des Finanzministers und der Politiker der Regierung verlassen können.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1191
Dr. ApelWeniger Geschwätz, mehr wirksames Handeln ist erforderlich.
Wir Sozialdemokraten betrachten die Finanzpolitik der Bundesregierung mit großer Sorge.
Deshalb werden wir im Laufe der Haushaltsberatungen unsere konstruktiven Vorschläge detailliert einbringen und zur Abstimmung stellen.
Wir sind auf Kooperation eingestellt. Uns geht es um Ergebnisse, die unserem Land weiterhelfen. Wir haben kein Interesse daran, daß unser Land 1984 in eine tiefe Depression und Massenarbeitslosigkeit versinkt.
Wir Sozialdemokraten werden unsere Verantwortung für eine solide Finanzpolitik übernehmen,
die den Herausforderungen unserer Zeit gerecht wird. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne hat Mr. Temple Morris, der Leiter der britischen Delegation der IPU, Platz genommen. Ich begrüße ihn sehr herzlich bei uns im Deutschen Bundestag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Carstens .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Entwurf des Haushalts 1984 und den ihn begleitenden Gesetzentwürfen setzt die Bundesregierung ihre Politik der konsequenten Sanierung der Staats- und Sozialfinanzen fort.
Die CDU/CSU begrüßt dies sehr. Diese Politik stützt sich auf den Wählerauftrag vom 6. März, und sie gründet in der festen Überzeugung, daß eine konsequente Konsolidierung die Voraussetzung für die Gesundung unserer Wirtschaft und für die Erholung des Arbeitsmarktes ist.
Der Bundesfinanzminister hat heute morgen die Grundlinien der Finanz- und Wirtschaftspolitik noch einmal auf eindrucksvolle Weise herausgestellt. Dies ist eine mittlere Linie, eine Linie, die nach bestem Fachwissen und zum Wohle der Menschen vernünftig und daher verantwortbar ist.
Herr Abgeordneter Carstens, entschuldigen Sie, daß ich unterbreche. Ich darf die Damen und Herren, die nicht weiter an der Aussprache über den Haushalt teilnehmen wollen, bitten, den Saal zu verlassen.
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie fortzufahren.
Meine verehrten Damen und Herren! Ihnen hier im Saal und den Bürgern im Lande möchte ich meine persönliche feste Überzeugung vermitteln, daß diese Politik erfolgreich sein wird. Der richtige Weg ist eingeschlagen. Der Weg ist nicht sehr leicht zu gehen, und wir haben noch ein erhebliches Stück des Weges vor uns. Aber ich bin davon überzeugt, daß dieser Weg erfolgreich sein wird. Und die Bürger in unserem Lande können sich darauf verlassen, daß wir bei unseren Sparmaßnahmen nicht überziehen werden. Wir werden die sozialen Aspekte nicht aus dem Auge verlieren. Und die Bevölkerung soll in die Lage versetzt werden, unsere Entscheidungen auch psychologisch mitzutragen.
Wir werden aber um so beharrlicher diesen Weg gehen und uns nicht irritieren lassen, meine Damen und Herren.
Und nun zur Rede des Kollegen Dr. Apel. Herr Kollege Dr. Apel, ich habe den Eindruck gehabt, daß nach Ihrer Rede die Chancen des Professors Ehmke in Ihrer Fraktion mächtig gestiegen sein müssen. Denn das war sehr schwach und sehr mager, was Sie hier vorgetragen haben.
Ich glaubte, meinen eigenen Ohren nicht mehr trauen zu dürfen. Es hagelte Vorwürfe und Kritik. Keine konstruktiven Vorschläge. Von „schwätzen", „polemisch", „dümmlich", „töricht" war die Rede. Herr Kollege Dr. Apel, Sie haben auch noch gerade Anlaß, so zu reden.
Sie sprachen davon, daß Stahl, Kohle und Werften notleidend seien. Ja, das ist ja richtig. Aber darf ich Sie daran erinnern, daß Sie uns doch die Probleme eingebrockt haben, von denen Sie hier gesprochen haben. Sie haben 13 Jahre regiert.
Und wir sind nun dabei, so langsam aufzuräumen. Stück für Stück gehen wir an die Arbeit.
Nicht aufräumen müssen wir im Zusammenhang mit Ihrer Fragestellung zum DDR-Kredit. Das ist nicht Ihr Bereich, den wir Ihnen vorzuwerfen ha-
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ben. Ich habe nur den Eindruck, daß Sie über diesen DDR-Kredit mächtig überrascht gewesen sind. Und mir ist aufgefallen, daß Sie in der Sache nichts dagegen vorzubringen hatten. Das ist sehr interessant.
Herr Kollege Apel, ich meine im übrigen, daß Sie als Ratgeber in Sachen Finanzpolitik nicht besonders geeignet sind. Denn Sie haben ja die Schulden mitgemacht, mit denen wir es jetzt zu tun haben. Jahr für Jahr haben Sie auf den Schuldenturm mehr draufgelegt.Und die Karre läuft nicht in den Dreck. Sie ist tief drin im Dreck. Und wir sind dabei, die Karre wieder herauszuziehen. Sie sollten mitziehen und sich nicht auf die Karre draufsetzen, Herr Kollege Dr. Apel.
Ich habe gesagt: Wir lassen uns nicht irritieren. Und das ist gut so. Ich komme auf weitere Ausführungen des Kollegen Apel im Zusammenhang meiner Rede gleich noch zurück.In der deutschen Wirtschaft tut sich etwas — nach Jahren der Niedergeschlagenheit. Ich habe gestern einige Artikel aus einer einzigen Tageszeitung herausschneiden lassen, aus der „Welt" vom 6. September, alle nur von diesem einen Tag: „Stingl: Noch nicht die Wende, aber ..." „Erstmals seit 1979
ist die Zahl der Arbeitslosen in einem August gesunken."
— Das hat nichts mit dem Präsidenten Stingl zu tun, sondern das ist ein Fakt, der festzustellen ist.— „Die Rezession scheint überwunden"; „Produktion: Im Juni/Juli wieder gestiegen"; „Konjunktur: Wachstum hat sich beschleunigt"; „Ökonomische Durststrecke geht offenbar zu Ende"; „Neugeschäft spürbar höher".Nur von einem Tag — 6. September 1983, gestern— in der „Welt".Wir können weiter feststellen,
daß der sprunghafte Anstieg der Unternehmenszusammenbrüche sich spürbar abgeflacht hat und daß es eine erhebliche Bereitschaft junger Menschen gibt, sich selbständig zu machen. Das ist ein sehr erfreuliches Zeichen, das wir mit Freude zur Kenntnis genommen haben.
Meine Damen und Herren, diese Mitteilungen bedeuten noch nicht den endgültigen Aufschwung, zurZuversicht aber, daß wir richtig liegen, berechtigensie schon. Wir werden auf diesem Wege fortfahren.Nun haben wir die Kritik und die Einwände der SPD gehört. Das einzige Institut, das Herr Apel noch zitieren konnte, war Ifo. Ich muß hier zum Ausdruck bringen, daß Ifo unsere Linie grundsätzlich unterstützt
und alle anderen ebenfalls.
Es geht nur darum, daß Ifo eine etwas leichtere, langsamere Gangart einschlagen möchte. Daß Sie aber nur Ifo zitieren, ist recht mager und recht schwach. Das kann uns von unserem Weg nicht abbringen.
Die GRÜNEN haben heute noch nicht das Wort ergreifen können. Ich konnte aber in der Presse lesen, daß sie als Anfangsstufe die Verteidigungsausgaben um ein Drittel zusammenstreichen wollen. Da kann ich nur sagen, daß sie mit ihren Vorschlägen vom Boden abheben, so nach dem Liedertext: Völlig losgelöst von der Erde.Ich bin davon überzeugt, daß dieser Haushaltsentwurf die Kritiken aushält, die gegen ihn erhoben werden. Er hält nicht nur die Kritik aus, sondern besteht auch vor den finanz- und wirtschaftspolitischen Alternativen der SPD-Opposition. Einmal mehr verspricht sich die SPD die Lösung aller Probleme von einem großen Milliarden-Beschäftigungsprogramm, durch neue Steuern und durch Bundesbankgewinne finanziert. Das ist typisch. Das sind altbekannte unbrauchbare Rezepte: zunächst den Investoren das Geld über höhere Steuern aus der Tasche ziehen, um es dann für die Verbilligung von Krediten wieder zurückzugeben. Wenn das helfen würde, wenn Beschäftigungsprogramme die Lösung wären, dann müßte Deutschland eine Oase der Vollbeschäftigung sein.
Das kann ja wohl nicht der richtige Weg sein.
Ein weiteres ist für die SPD bezeichnend. Es ist nicht auszuschließen, daß der Bundesbankgewinn etwas höher sein wird, als wir bei der Erstellung des Entwurfes angenommen haben. Aber dieser Bundesbankgewinn ist noch nicht einmal entstanden, und wir wissen noch gar nicht, ob er überhaupt in der Höhe entstehen wird, und schon ist er eingeplant und vergeben. Das ist das Typische an der SPD: Geld verteilen, was Sie gar nicht haben. Das war schon immer Ihre Stärke.
Herr Kollege Dr. Apel — er hat wohl aus dringenden Gründen den Saal verlassen; es ist aber auch sehr bezeichnend für seine Art —
hat schon gestern in Kurzform zum besten gegeben,wie er die Debatte bestreiten möchte. Er ist auch
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hier recht polemisch gewesen, hat aber diese Presseerklärung mit einer billigen und böswilligen Polemik begonnen, nämlich mit dem Satz: „Mit ihrer für 1984 vorgesehenen Finanzpolitik verschärft die Bundesregierung die Drepression und die Massenarbeitslosigkeit."
Heute haben wir in der Presse nachlesen und feststellen können, wie kläglich das Echo darauf war. Das war ein vernichtendes Echo in Richtung SPD.Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um in Polemik zu machen. Die Bevölkerung will, daß wir eine sachliche Auseinandersetzung führen,
um zu einer Lösung der Probleme zu kommen.
Darum muß es gehen, und in diesem Sinne will ich mit meiner Rede fortfahren.Sie haben uns vorgeworfen, wir würden die Lehrstellengarantie nicht einhalten. Sie werden sich noch wundern, wenn Ende September abgerechnet wird, wenn die Zahlen vorliegen, wie erfolgreich die deutsche Wirtschaft bei der Vermittlung von Jugendlichen in Ausbildungsplätze gewesen ist,
und Sie werden sich ärgern, nicht dabeigewesen zu sein.Dr. Apel sagt, wir schröpften die Bürger, die Lohnsteuer sei zu stark gestiegen. Meine Damen und Herren, da hat er ja recht, aber das Steigen der Lohnsteuer hat die vorherige Regierung bewirkt. Und wenn er sagt, wir würden nur Einkommensschwächeren Lasten auferlegen, dann möchte ich doch die Frage aufwerfen, wer noch vor wenigen Jahren das Kindergeld für alle Familien, ob Generaldirektor oder Hausmeister, gekürzt hat. Das waren doch nicht wir, das war die SPD.
Die SPD sagt, sie lehne die vorgeschlagenen Steuersenkungen für Unternehmen ab. — Ja, es ist immer wieder festzustellen, daß, sobald von Unternehmungen die Rede ist, die SPD rot sieht. Geht es aber um Einzelbetriebe, dann ist man dabei, dann fühlt man sich sehr stark, dann setzt man sich ein. Das ist zutiefst unaufrichtig, meine Damen und Herren. Wir sagen es frei heraus: Wir brauchen gesunde Betriebe, die investieren können und die Arbeitsplätze schaffen können; deswegen diese Maßnahmen.
In einem Punkt stimme ich mit Herrn Dr. Apel überein. Er sagt, notwendig seien auch in Zukunft Maßnahmen zum Abbau struktureller Defizite. Ja, aber ich vermisse einen Vorschlag zum Abbau dieser strukturellen Defizite. Er macht keinen einzigen, sondern vertröstet uns damit, daß im Laufe des Herbstes im Haushaltsausschuß Vorschläge kommen sollen.Er hat dann den öffentlichen Dienst angesprochen. Meine Damen und Herren, für uns ist völlig klar, daß es mittelfristig zu einer Gleichbehandlung kommen muß zwischen Beamten einerseits und Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst andererseits. Das haben wir zugesagt, und das werden wir auch einhalten. Aber auch der öffentliche Dienst muß sein Opfer beitragen zur Gesundung der öffentlichen Finanzen. Wir sagen es dem öffentlichen Dienst und stehen auch dazu und verstecken uns nicht hinter anderen.Dann ist hier die Rede von Haushaltsrisiken. Selbstverständlich gibt es Risiken. Das ist doch völlig klar. Dr. Apel ist nur so vorsichtig gewesen, nicht schon jetzt von einem Nachtrag zu reden, den man für 1983 drei- oder viermal angekündigt hat. Der kommt nicht, der ist nicht da und wird auch nicht festzustellen sein. Ganz im Gegenteil, es wird noch Geld übrigbleiben gegenüber den Ansätzen, die wir vorgesehen haben.
Als letztes hierzu noch dies: Da spricht er von den Maßnahmen zur Stützung der Werften, von Stahl und von Kohle. Meine Damen und Herren, wir werden diese Bereiche nicht im Regen stehenlassen. Darauf können sich die Bereiche schon verlassen. Er spricht davon, daß wir den Niedergang abwarten wollten. Ja, wer wartet denn den Niedergang ab? Wir haben doch die Misere vorgefunden und tun das, was notwendig ist, aber nur, wenn auch Eigenleistung, wenn Eigeninitiative der betroffenen Zweige hinzukommt. In diesem Sinne werden wir all diese Strukturprobleme angehen. Daß es gut läuft, darauf können Sie sich schon verlassen, meine Damen und Herren.
Wir haben übrigens zu der Ergänzungsabgabe und zu dem Beschäftigungsprogramm im „GeneralAnzeiger" — auch vom 6. September dieses Jahres — Interessantes lesen können. Ich zitiere den Artikel „Apels alte Rezepte". Da geht man auf seine Vorschläge ein und da ist zu lesen — wörtlich —:... Doch genau mit dieser Methode sind Stahl und Schiffbau in die derzeitige Situation gebracht worden, wurde eine lähmende Subventionsmentalität gezüchtet. ... An Apels Rezeptur würden auch die letzten Gesunden noch erkranken. Sozialen Besitzstand auf Kosten der Zukunftschancen zu verteidigen ist keine Leistung, sondern Mangel an Realitätssinn.Das ist der „General-Anzeiger".
„Mangel an Realitätssinn", sollte es das sein?Sie dreschen munter drauflos und sehen nicht oder wollen nicht sehen, was wirklich passiert. Ihre Kritik geht ins Leere. Wir sind zu Recht in der Offensive. Wir werden in dieser Offensive weitermachen. Wir haben erfreuliche Zeichen der Wirtschaft zu verzeichnen und sind sicher, auf dem rich-
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tigen Wege zu sein. Wir werden auf diesem Wege weitermachen.Meine Damen und Herren, wenn wir die Politik der SPD fortgesetzt hätten, dann wäre die Entwicklung katastrophal geworden. Ich habe nur einmal den Fünfjahresvergleich zwischen den Zinsaufwendungen und den Steuereinnahmen herangezogen. In den letzten fünf Jahren kumulierten die jährlichen zusätzlichen Steuereinnahmen auf einen Betrag von 70 Milliarden DM. Die entsprechenden kumulierten Zinsaufwendungen betrugen 30,7 Milliarden DM. Das heißt im Ergebnis, daß von den zusätzlichen Steuereinnahmen rund 44')/0 durch zusätzliche Zinsaufwendungen absorbiert wurden.Es ist wohl zuviel verlangt, daß die SPD Abstand nimmt von ihrer bisherigen Politik und von ihren früheren Initiativen, aber eines sollte sie doch allmählich begreifen: daß ihre frühere Schuldenpolitik total gescheitert ist — total gescheitert ist — und daß sie uns jeglichen Handlungsspielraum in der Haushaltspolitik genommen hat.Bei folgendem Beispiel sieht es noch verhängnisvoller aus. Die Perspektive hätte sich fürchterlich dargestellt, wenn man auf die relativen Veränderungen abstellte. Mit 19,2 % stiegen die Zinsen in diesen fünf Jahren viermal schneller als die Steuereinnahmen. Ich hielt das fast für nicht möglich, als ich zu diesem Ergebnis kam. Deshalb habe ich es einige Male nachgerechnet.Bei diesem Verschuldungstempo hätten schon 1999, also in nur 16 Jahren, die gesamten Steuereinnahmen nicht mehr zur Abdeckung der Zinslasten ausgereicht. Das wäre in 16 Jahren geschehen. 13 Jahre hat die SPD regiert; gut, daß sie heute nicht mehr regiert, meine Damen und Herren!
Diese frühere Schuldenpolitik war — das zeigen diese Beispielsrechnungen — eine Politik des „no future". Wir hätten überhaupt keinen Bewegungsspielraum mehr gehabt.Ich bin gern bereit zuzugeben, daß auch wir noch in den nächsten Jahren verstärkt Kredite aufnehmen müssen. Wir müssen leider verstärkt Kredite aufnehmen. Aber der Unterschied ist folgender. Sie übernahmen von uns 0 DM Neuverschuldung und haben dann in wenigen Jahren eine Haushaltslücke von über 50 Milliarden DM zustande gebracht. Wir mußten diese Haushaltslücke übernehmen und sind dabei, Stück für Stück in Richtung auf 0 DM Neuverschuldung zu gehen.Hier wurde Art. 115 des Grundgesetzes angesprochen. Sie können sicher sein, daß wir diese Klage mit Kraft weiterführen. Wir wollten eine Klärung dieser Frage. Wir haben keine Angst vor dem Urteil des Verfassungsgerichts. Wir halten spätestens ab 1985 diese Grenze des Artikels ein. Vielleicht kann das auch schon, wie es der Finanzminister zum Ausdruck brachte, 1984 geschehen. Aber es muß geklärt werden, damit für die Geschichte gesichert ist, daß derartige Vorkommnisse nicht noch einmal passieren können.
Herr Abgeordneter Carstens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Walther?
Herr Kollege Carstens, wenn Sie sagen, Sie werden diese Klage mit aller Kraft weitertreiben, dann darf ich Sie fragen, wann Sie endlich dafür sorgen werden, daß das von Ihnen seit Monaten angeforderte Gutachten von Herrn Professor Friauf endlich kommt, damit die Klage in Karlsruhe fortgeführt werden kann.
Herr Kollege Walther, ich habe hier erklärt, daß wir die Klage ernsthaft weiter betreiben werden. Man kann uns nicht das Recht nehmen, eine solch wichtige Klage gut vorzubereiten. Das werden wir tun.
Sobald uns die nötigen Unterlagen vorliegen, gehen wir auf dem Weg der Klärung dieser Frage weiter. Das wird nicht mehr lange dauern.
Herr Abgeordneter Carstens, der Abgeordnete Walther hätte noch eine Zwischenfrage.
Walther: : Herr Kollege Carstens, ich möchte es bitte etwas konkreter haben: Wann geht die Klage endlich weiter?
Herr Kollege Walther: schnellstmöglich.Meine Damen und Herren, die Ausführungen haben, so meine ich, deutlich gemacht, daß wir keine andere Wahl haben, als durch gewaltige Konsolidierungsanstrengungen uns letztlich den für die private Wirtschaft notwendigen Freiraum zu verschaffen, auch auf die bittere Erkenntnis hin, daß die Zinslasten vorausgegangenen Schuldenmachens demnächst fast ganz aus Steuern finanziert werden müssen.Aus diesen Sachzwängen können wir nur herauskommen durch ein stärkeres Wachstum der Wirtschaft. Daher müssen wir das eine — die Konsolidierung — weiterführen und das andere ebenfalls tun, nämlich die Stärkung aller Wachstumskräfte in Gang bringen.Genau auf dieser Linie liegen der Haushaltsentwurf 1984 und die Begleitgesetze.Meine Damen und Herren, dieser Weg wird erfolgreich sein; ich habe es bereits zu Beginn gesagt. Die rasante wirtschaftliche Talfahrt der letzten Jahre ist abgestoppt. Ein wirtschaftlicher Erholungsprozeß ist eingeleitet. Heute gilt es, diese Erholung zu einem dauernden, sich selbst tragenden kräftigen Aufschwung zu verstetigen. Für 1983 zeichnet sich wieder ein leichtes reales Wirtschaftswachstum ab. Wir erwarten ein Wachstum zwischen 0,5 und 1 %. Das übertrifft die vorsichtige Prognose des Jahreswirtschaftsberichts. Wenn nun jemand dazu kommen sollte, zu sagen, die Erwartungen hätten sich nicht erfüllt, dann kann ich nur sagen, daß
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man dann von übertriebenen Erwartungen ausgegangen ist; denn alle Prognosen von Ende 1982, die Grundlage für unseren Haushalt 1983 gewesen sind, sind entweder so eingetroffen oder übertroffen worden, und zwar in allen Einzelbereichen, ob sie bei der Inflation anfangen, beim Wachstum, beim Steueraufkommen, bei der Leistungsbilanz, wo auch immer. Deswegen sind wir auch relativ zufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung.Bei den Zinsen ist ein kleiner Rückschlag eingetreten, aber da sind wir nicht Herr des Verfahrens. Da hilft es auch nichts, wenn Herr Dr. Apel auf die Amerikaner verweist. Ich möchte einmal sehen, wie er sie hier im Bundestag dargestellt hätte, wenn sich die Amerikaner erlauben würden, in unsere Haushaltspolitik einzugreifen. Wir müssen mit den Problemen fertigwerden. Wir müssen das tun, wozu wir in der Lage sind. Ich bin davon überzeugt, daß die außenwirtschaftlichen Bedingungen mittelfristig gesehen sehr günstig sind. Wir haben einen Leistungsbilanzüberschuß. Wir haben eine niedrige Inflationsrate. Wir haben ein leichtes reales Wachstum zu erwarten. Das alles sind Voraussetzungen dafür, daß die Zinsen sich mit der Tendenz nach unten stabilisieren werden. Davon gehe ich aus und darauf hoffe ich; denn 1 % weniger Zinsen bedeutet 6 bis 7 Milliarden DM weniger Belastung für die deutsche Wirtschaft. Das ist ein wesentlicher Merkposten für zukünftige gedeihliche Entwicklung.Auch bei den Arbeitslosen sind die Prognosen nicht unterschritten worden. Wir mußten von diesem Anwachsen der Arbeitslosigkeit ausgehen. Wir können aber feststellen, daß im August erstmals die Arbeitslosenzahl heruntergegangen ist und daß von Januar bis heute die Zahl der Kurzarbeiter um über 800 000 heruntergegangen ist. Wir werden 1984 erstmals wieder mehr Erwerbstätige haben als im Jahr zuvor. Aber weil die geburtenstarken Jahrgänge nachrücken, wird die Arbeitslosigkeit noch leicht ansteigen. Das bleibt der wichtigste Merkposten. Wir werden jetzt alles daransetzen, der Arbeitslosigkeit zu Leibe zu rücken. Das geht nur, zumindest in erster Linie, über ein Wachstum der Wirtschaft. Alle anderen Maßnahmen können bestenfalls partiell helfen. Deswegen müssen wir alles darauf anlegen, die Wirtschaft in Gang zu bringen, wirtschaftliches Wachstum zu bewirken. Hierüber werden wir im Laufe der Jahre auch die Arbeitslosigkeit zurückführen können.Der erste Schritt hierzu war der Haushalt 1983. Die Haushaltslücke betrug 55 Milliarden DM. Wir haben dieses Defizit in einer großen Anstrengung in wenigen Wochen auf 41 Milliarden DM zurückführen können. Dr. Stoltenberg erklärte heute, daß es bis Ende des Jahres etwas niedriger sein würde. Das ist ein erfreuliches Zeichen. Erfreulich sind auch die Impulse, die darüber gegeben wurden. Die Wirtschaft hat sich besser entwickelt als wir annehmen konnten.Nun kommt es darauf an, weitere Maßnahmen für die investierende Wirtschaft in Gang zu setzen. Da muß der Hebel angesetzt werden. Wir müssen wieder zu Investitionen kommen. Die Investitionen müssen angeregt werden. Darüber entwickelt sich die Wirtschaft, und so werden Arbeitsplätze geschaffen. Hier liegt also der Schlüssel zum Erfolg.Bedauerlicherweise ist dieser Schlüssel zum Erfolg bei der SPD in den letzten zehn Jahren verlorengegangen. Es war typische Politik aller Regierungen, die sozialistisch denken, den öffentlichen Korridor auszuweiten. Man wollte die angebliche öffentliche Armut beseitigen. Das führte zu immer mehr Ausgabeprogrammen. Immer mehr staatliche Ausgaben, die Geld kosten, wurden in Szene gesetzt. Man hat in kürzester Zeit, in wenigen Jahren, von 1969/70 bis 1980 die Staatsquote von 38/39 % auf 50 % und darüber erhöht. Das heißt — bezogen auf unser Bruttosozialprodukt —, daß 180 Milliarden DM allein in einem Jahr nicht mehr von den Leuten ausgegeben werden, die das Geld verdient haben. Wenn man so vorgeht, wenn man die Staatsquote derart steigert, dann muß man auch die Abgaben steigern, um diese Ausgaben finanzieren zu können. Dann muß man von Jahr zu Jahr immer mehr Kredite aufnehmen. Das läßt die Zinsen steigen. Das nimmt den Privatleuten die Möglichkeit, zu investieren. Darüber macht man die Wirtschaft kaputt. Auf Ihren Vorwurf und Angriff hin darf ich deshalb sagen, daß Sie die Wirtschaft kaputtverschuldet haben und daß wir sie gesundsparen müssen.
Herr Abgeordneter Carstens, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte diesen Gedanken zuerst zu Ende führen. Wir haben festgestellt, daß daraufhin trotz harter Arbeit beim Nettoeinkommen wenig verbleibt. Es besteht kein Anreiz für Fleißige. Betriebe haben niedriges Eigenkapital, es gibt zuwenig Zukunftsinvestitionen. Das fördert das Anspruchsdenken und ist ein Hindernis für Eigeninitiative. Hier müssen wir ansetzen, und das ist unser Punkt.
Wir müssen das so deutlich und offen sagen: Das geht nur über Sparsamkeit bei den Ausgaben. Wer der Bevölkerung etwas anderes einreden will, sagt nicht die Wahrheit. Aber wir kürzen nicht, um Leute zu ärgern. Wir kürzen nicht um des Kürzens willen, sondern wir wollen sparsamer sein, um Freiräume zu schaffen, damit wir wieder Investitionen haben können, damit die Wirtschaft sich wieder entwickeln kann, damit wir wieder Arbeitsplätze bekommen und die Arbeitslosigkeit abgebaut wird — eine zutiefst soziale Tat, die wir vorhaben.
Wenn aber die SPD jeden Einschnitt als sozialen Kahlschlag, als Kaputtsparen diffamiert,
dann bringt sie damit zum Ausdruck, daß sie an derLösung dieser schwierigen Probleme überhaupt
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nicht mitarbeiten will, daß sie überhaupt nicht mithelfen will.
Wir lassen uns nicht beirren. Der 1983er Haushalt ist verabschiedet. Er läuft und schneidet besser ab, als wir erwarten konnten. Es geht jetzt mit dem 1984er Haushalt weiter. Der 1984er Haushalt setzt diese Politik fort. Die Einschätzungen sind wiederum realistisch. Das schafft neues Vertrauen. Die Bevölkerung kann sich auf unsere Einschätzungen verlassen. Sie kann darauf bauen, daß das eingehalten wird, was wir zum Ausdruck bringen. Sie braucht nicht im Juni Angst zu haben, daß im Dezember das nicht mehr gilt, was wir zum Beispiel im Januar gesagt haben. Das ist eine stetige und berechenbare Finanzpolitik, und sie schafft das nötige Vertrauen für eine gedeihliche wirtschaftliche Entwicklung.Wir bauen die Neuverschuldung weiter ab. Wenn man den Bundesbankgewinn berücksichtigt, bauen wir sie um weitere 8 Milliarden DM ab. Wenn Sie die Zielplanung 1987 vor Augen haben — dies sollte man nicht außer Betracht lassen —, dann stellen Sie fest, daß wir Ende 1982 einschließlich des Bundesbankgewinns, der volkswirtschaftlich einer Neuverschuldung gleichkommt, eine Haushaltslücke von 66 Milliarden DM zu bewältigen hatten. Unser Ziel ist es — und wir halten dieses Ziel ein —, bis 1987 auf 25 Milliarden DM einschließlich des Bundesbankgewinns herunterzukommen, über 40 Milliarden DM weniger. In der Gesamtsumme — wenn Sie die Zahlen der einzelnen Jahre zusammenzählen — ist es viel, viel mehr. Das ist der nötige Impuls, den wir einsetzen müssen, um wieder zu privaten Investitionen zu kommen.Erstmals im Jahr 1984 wird es wieder möglich sein, die Staatsquote zu senken. Wir werden in der Lage sein, auf knapp unter 50 % zu kommen. Nachdem sie von 39 auf über 50 % geklettert ist, ist es ein Riesenerfolg, diesen Trend gestoppt zu haben, damit wir in die entgegengesetzte Richtung gehen, von der allein der wirtschaftspolitische Erfolg kommen kann.
Herr Abgeordneter Carstens, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Kollege Carstens, Sie sprachen eben über die schlechte Lage der Wirtschaft, die die sozialliberale Koalition hinterlassen hat, und darüber, daß Sie jetzt alles wesentlich besser machen und daß die Menschen in unserem Lande sich künftig auf das Wort verlassen können, das Sie sagen.
Kann ich davon ausgehen, da ich auf der Regierungsbank den gleichen Wirtschaftsminister wie
früher sehe, daß Sie das, was Sie hier dargestellt haben, nur Ihrer eigenen Partei zumuten wollen?
Herr Kollege Stahl, es ist natürlich so, daß selbst dann, wenn ein Politiker ungemein gut ist, er auch die nötige Umgebung braucht, um gute Politik machen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden also die Haushaltsstruktur stetig verbessern. Auch bei der Investitionsquote wollen wir eine Verbesserung erreichen. Es soll, gemessen an den mittelfristigen Planungen der alten Regierung, eine Aufstockung um 2 bis 3 Milliarden DM jährlich erfolgen.
Damit kann es aber nicht getan sein. Wir werden jetzt bei den Haushaltsberatungen darauf achten, daß es zu weiteren Umschichtungen vom konsumtiven Bereich in den investiven Bereich kommt. Wir wollen also auch auf diesem Gebiet etwas tun. Wir wollen auch durch steuerliche Maßnahmen die Investitions- und Innovationsfähigkeit der Wirtschaft weiter verbessern.Dies wird durch gezielte wirtschaftliche Anreize für Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital der Wirtschaft flankiert. Das ist auch wieder so ein Punkt. Es ist politisch hochinteressant: Die SPD hat immer vorgegeben, etwas für die Arbeitnehmer tun zu wollen. Herausgekommen ist eine hohe Arbeitslosigkeit. Bei der Vermögensbildung ist vieles im argen liegengeblieben. Unsere Regierung ist noch nicht einmal ein Jahr im Amt und tut schon etwas für die Arbeitnehmer im Bereich der Vermögensbildung. Das ist eine große Tat. Es paßt genau in unsere Wirtschaftspolitik hinein, die Leistungsfähigkeit der Unternehmen über den Produktivanteil der Arbeitnehmer zu stärken.
Meine Damen und Herren, wir sind — davon bin ich überzeugt — mit diesem haushalts- und finanzpolitischen Konzept auf dem richtigen Weg. Unsere Fraktion wird diese Linie mit ganzer Kraft weiterhin verfolgen und nach Möglichkeit weiter akzentuieren. In diesem Zusammenhang möchte ich einige Punkte nennen.Erstens. In den kommenden Ausschußberatungen werden wir durch eigene Initiativen bemüht sein das schon erreichte Konsolidierungsergebnis noch weiter zu verbessern. Wir denken dabei nicht zuletzt an den Bereich der Subventionen. Ich möchte an dieser Stelle auf das ausgezeichnete Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen von der FDP im Haushaltsausschuß hinweisen, wofür ich mich aufrichtig bedanke. Lieber Hans-Günter Hoppe, wir werden uns sicherlich schon in der nächsten Woche gemeinsam an die Arbeit machen. Wir werden den Haushalt 1984 auch noch in diesem Jahr
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unter Dach und Fach bringen. Hier gibt es keinen Disput mit den GRÜNEN und der SPD.Zweitens. Wir erwarten darüber hinaus, daß alle anfallenden Mehreinnahmen wie höhere Steuereinnahmen oder ein höherer Bundesbankgewinn zur weiteren Absenkung der Neuverschuldung verwendet werden.Drittens. Wir erwarten, daß die für die Jahre 1985 bis 1987 in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehene Ausgabensteigerung von jährlich 3 % die absolute Höchstgrenze ist, die bei den konkreten Haushaltsplanungen für diese Jahre nach Möglichkeit unterschritten werden soll. Dabei müssen gleichzeitig beschäftigungswirksame und zukunftsorientierte Investitionsausgaben weiter erhöht werden.Viertens. Die Regierungsentwürfe sind nicht sakrosankt. Verbesserungsvorschläge sind willkommen. Für jede Anregung und für alle Kritiker muß aber gelten: Wer Einsparungsvorschläge ablehnt oder zu ändern wünscht, muß eine gleichwertige realistische Alternative anzubieten haben. Das Konsolidierungsziel steht nicht zur Disposition. Wir wollen es weiter verbessern.Fünftens. Die CDU/CSU-Fraktion hält eine Tarifkorrektur bei der Lohn- und Einkommensteuer in Verbindung mit Umschichtungen im Steuersystem auf längere Sicht für ebenso unverzichtbar wie Verbesserungen beim Familienlastenausgleich. Sie sieht darin die beiden vorrangigen Aufgaben, die in dieser Legislaturperiode ohne Gefährdung des Konsolidierungsprozesses bei den öffentlichen Finanzen gelöst werden müssen. Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung, wenn möglich, schon Anfang 1984 über eine Tarifkorrektur entscheiden will und spätestens für 1987 die Ausdehnung des Mutterschaftsurlaubsgeldes auf alle Mütter plant.Sechstens. Fiskalische Maßnahmen wie Haushaltssanierung und steuerliche Erleichterungen sind unerläßlich, um unsere Wirtschaft dauerhaft und kräftig zu beleben. Dies allein reicht aber nicht aus, meine Damen und Herren. Wir werden auch damit zu tun haben, Hemmnisse vielfältigster Art zu beseitigen, bürokratische, ideologische, rechtliche Hemmnisse, Hemmnisse in Gesetzen, in Verordnungen, in der Verwaltung, wo auch immer. Die Abänderungen müssen vernünftig sein. Wir werden sie uns gut überlegen. Wir werden nicht von heute auf morgen entscheiden, nach einem gewissen Vorlauf aber hier das unternehmen, was notwendig ist, ohne allerdings zu einem Kahlschlag zu kommen. Das scheint mir neben den haushalts- und steuerpolitischen Maßnahmen wichtig zu sein.Meine Damen und Herren, das waren die sechs Punkte, auf die wir besonderen Wert legen werden bei den Beratungen bis Dezember 1983, bis zur Verabschiedung des Haushalts. Ich bin zuversichtlich, daß es uns bei zielstrebiger, beharrlicher und geduldiger Fortsetzung der im letzten Herbst eingeleiteten finanzpolitischen Wende gelingt, die wirtschaftliche und soziale Lage in unserem Lande wieder dauerhaft zu bessern.Dazu können alle in unserem Land beitragen, und dazu sollten auch alle beitragen, weil es für uns alle ist. Es sollte sich keiner abseits stellen. Jeder sollte mitmachen. Wenn wir alle mitmachen, dann werden wir auch den Erfolg haben. Es sollen mitmachen die Unternehmer mit Investitionen und Preisdisziplin, junge Menschen, die den Mut haben, sich selbständig zu machen, die Tarifpartner mit einer verantwortungsbewußten Tarifpolitik, die Arbeitnehmer durch Qualitätsarbeit und Fleiß, der Staat mit einem weiteren Abbau der Haushaltsdefizite, damit weitere Zinssenkungen möglich sind, aber auch mit einer leistungsgerechten und weiter investitions- und wachstumsfördernden Ausrichtung des Steuerrechts, die Bundesbank, indem sie jeden Spielraum für Zinssenkungen nutzt, die Kreditwirtschaft, indem sie die Spielräume, die sie hat, auch weitergibt, und wir alle, meine Damen und Herren, dadurch, daß wir nicht miesmachen, sondern daß wir mitmachen. Es steht sehr viel auf dem Spiel. Wir sollten uns erinnern an Sparsamkeit, an Fleiß, an Leistungsbereitschaft und uns auf Eigenverantwortung zurückbesinnen. Wir sollten auf die Leistungsfähigkeit unseres Volkes mit der Politik der Sozialen Marktwirtschaft vertrauen.Meine Damen und Herren, in diesem Sinne gehen wir die Aufgaben an. In diesem Sinne werden wir Erfolg haben. Ich bin gewiß, daß uns das deutsche Volk in der großen Breite unterstützt. Bei der Leistungsfähigkeit, bei dem Können und bei dem Geist unserer Menschen wäre es doch gelacht, wenn wir nicht in wenigen Jahren aus der Misere heraus wären und es in Deutschland nicht endgültig aufwärts ginge. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Apel hat vom beklagenswerten Zustand der Freien Demokratischen Partei gesprochen. Zu sprechen aber ist über den beklagenswerten Zustand der Staatsfinanzen und des Arbeitsmarktes und über die therapeutischen Mittel, darüber, wie wir hier eine Gesundung herbeiführen können.Herr Kollege Apel, ich meine, im Umgang miteinander sollten wir uns die Arroganz und die Häme abschminken.
Überlassen wir dem Bürger das Urteil über unsere Parteien! Wenn Sie aber schon über beklagenswerte Zustände von Parteien reden müssen, dann, würde ich sagen, stellen Sie sich in Hessen, Bremen und Nordrhein-Westfalen selbst vor den Spiegel.
Meine Damen und Herren, ich will nun aber nicht darüber rechten, wer alte Hüte durch das Land trägt. Ich will im Plenum auch nicht über Kreditgeschäfte reden. Ich bin jedoch mit dem Kollegen Apel davon überzeugt und hoffe, davon ausgehen zu können, daß es im zuständigen Haushaltsausschuß eine vorbehaltlose, umfassende Information über
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Hoppedie Garantie-Erklärung der Bundesregierung zum DDR-Kredit geben wird.
Meine Damen und Herren, bei mehr als zwei Millionen Arbeitslosen, einer düsteren Risikolandschaft bei Stahl, Kohle und Schiffbau, bei den erkennbar schwierigen Bemühungen um ausreichende Ausbildungsplätze für die Jugendlichen und bei einer Neuverschuldung von über 37 Milliarden DM müssen sich Regierung und Koalition natürlich immer wieder neu fragen, ob sie mit ihrer Politik die richtige Konzeption verfolgen und die geeigneten Instrumente einsetzen. Die Auseinandersetzung mit dieser Kritik führt dann doch wohl zu einer Bestätigung des eingeschlagenen politischen Weges. Die Freien Demokraten sagen dem Bundesfinanzminister deshalb ihre volle Unterstützung für den hier von ihm vertretenen Kurs zu.
Daß sich Bundesregierung und Koalition mit dem Haushalt 1984 und den Begleitgesetzen nicht so völlig auf dem Holzweg befinden können, mag dann doch ein Blick in die Beschlüsse des Finanzplanungsrates vom 23. Juli 1983 erhellen. Die Vertreter aus Bund, Ländern und Gemeinden mit Einschluß der Bundesbank haben dort jedenfalls einmütig folgende Feststellung getroffen:Für die Haushalte 1984 und die Finanzpläne bis 1987 wird daran festgehalten, daß insbesondere der Konsolidierung der Haushalte Vorrang eingeräumt werden müsse, und konsumtive Ausgaben zugunsten beschäftigungs- und investitionsfördernder Ausgaben eingeschränkt werden müssen.Dann wird dort noch einmal gesagt:In vielen Bereichen sind weitere nachhaltige Maßnahmen zur Begrenzung der Ausgabendynamik und zur Einsparung von Ausgaben unerläßlich.Die Mitglieder des Finanzplanungsrates waren sich im übrigen auch darin einig, daß Steuermehreinnahmen in den Jahren 1983 und 1984 in erster Linie zur Senkung der Defizite verwendet werden sollten, um die Beanspruchung des Kapitalmarktes zu reduzieren und weiteren Raum für private Kapitalnachfrage zu schaffen. Damit sollen zugleich durch Normalisierung der Schuldendienstentwicklung Spielräume für die öffentlichen Haushalte geschaffen werden.Diese Feststellung — wie mir scheint, ein dringender Allparteienappell — sollten Richtschnur unseres gemeinsamen Handelns sein. Der Bundesfinanzminister jedenfalls hat diese Zielvorgabe aufgenommen und verfolgt die Konsolidierung der Staatsfinanzen mit bewundernswerter Konsequenz. Damit macht er diese Aufgabe für uns Parlamentarier zur ersten Bürgerpflicht.
Die Rahmendaten des Finanzplans der Bundesregierung stecken nun den aktuellen Handlungsbedarf ab. Die Nettokreditaufnahme soll unter Berücksichtigung der letzten Steuerschätzung und eines schrittweisen Abbaues des Bundesbankgewinns von rund 39 Milliarden DM im Jahre 1984 stufenweise auf 22,5 Milliarden DM im Jahre 1987 reduziert werden. Meine Damen und Herren, die Botschaft höre ich wohl, aber ich brauche dazu nach langjährigen bitteren Erfahrungen wahrlich einen starken Glauben, denn in früheren Finanzplänen sollte auch immer im vierten Jahr das rettende Ufer erreicht sein. Auf dem Papier machten sich drastisch abgesenkte Zahlen der Neuverschuldung dann auch immer sehr gut. In der Praxis versanken diese Visionen jeweils unter neuen Schuldenbergen.
Der jetzige Anlauf zur Konsolidierung beginnt auf einem Neuverschuldungsplateau von rund 40 Milliarden DM. Die Probleme sind also die alten, j a, sie haben sich noch dramatisch verschärft. Ob die neue Regierung auch schärfer, konsequenter und damit erfolgreicher zupackt, hat sich erst noch zu erweisen.Man ist in dieser Situation jedenfalls versucht Goethe zu zitieren: „Wie machen wir's, daß alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei?"Meine Damen und Herren, mit dem Haushalt 1984 und den Begleitgesetzen wird der nächste Schritt auf dem dornigen Weg getan, die staatlichen Einnahmen und Ausgaben den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Das Urteil über die Arbeit dieser Koalition wird entscheidend davon beeinflußt werden, ob es denn nun tatsächlich gelingt, die wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Aufgaben zu lösen.
Wir haben den Nachweis zu erbringen, daß wir zur Bewältigung der großen Herausforderung die richtigen Konzepte entwickelt haben und auch die Kraft besitzen, das als richtig Erkannte unbeirrt durch die Fährnisse der parlamentarischen Beratungen zu steuern.Die Koalition aus CDU/CSU und FDP ist schließlich gewählt worden, weil der Bürger begriffen hat, daß die Zeiten eines ungestörten Wirtschaftswachstums fürs erste vorbei sind, daß Wohlstand und soziale Gerechtigkeit auf Dauer nicht durch Pump gesichert werden können, daß wir Abschied nehmen müssen von einer bis dato immer weiter um sich greifenden Anspruchsmentalität
und daß schließlich die krisenhafte Zuspitzung der Wirtschaftslage und die damit einhergehende Arbeitslosigkeit nur durch Leistung, Wettbewerb, Innovation und Investition überwunden werden können.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1199
HoppeMeine Damen und Herren, das uns am 6. März eingeräumte Vertrauenskapital würde schnell wieder verspielt, wenn wir hier Enttäuschung produzieren sollten.Im Etatentwurf und in den Begleitgesetzen schlägt sich das Ringen um die richtigen Rezepturen nieder, mit denen der Wirtschaft, die trotz durchaus erkennbarer Genesungstendenzen noch immer angeschlagen ist, dauerhaft wieder auf die Beine geholfen werden kann.Es ist die Auseinandersetzung darüber, ob durch Kredite und Steuererhöhungen finanzierte Beschäftigungsprogramme dafür das probate Mittel sind oder ob wir der geschwächten Wirtschaft zunächst kräftigende Aufbaumittel zu verabreichen haben; diese wirken zwar erst allmählich, dann aber um so dauerhafter.Wir haben jedenfalls seit 1975 Dutzende von Konjunkturprogrammen gefahren. Doch die erhofften Anstoßwirkungen für einen sich selber tragenden dauerhaften Aufschwung sind leider ausgeblieben. Wir haben also durchaus guten Willen gezeigt, das Konzept der antizyklischen Budgetpolitik zu nutzen und einzusetzen. Dennoch hat es nicht den Erfolg gebracht. Gleichwohl sind wir weit davon entfernt, es absolut und allemal als verfehlt und unpraktikabel anzusehen. Aber, meine Damen und Herren, teures Lehrgeld sollten wir nur einmal zahlen. Wir haben es bereits für die Erkenntnis entrichtet, daß die Voraussetzungen für eine erfolgversprechende Anwendung von Ausgabenprogrammen jedenfalls jetzt nicht gegeben sind.
Unsere Probleme sind nämlich struktureller und nicht konjunktureller Art.
Deshalb kann mit kurzatmigen Ausgabenprogrammen zwar Aktionismus gezeigt werden, der Rentabilität bestenfalls vortäuscht, der aber den Problemen auf Dauer nicht begegnen kann. Gefragt ist vielmehr eine grundlegende, auf Sicht angelegte Förderung der Modernisierung unserer Wirtschaft, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken.
Die seit längerem eher zögerliche Entwicklung unserer Ausfuhren unterstreicht diese Notwendigkeit deutlich. Dauerhafte Maßnahmen, die der Wirtschaft eine Perspektive geben, werden benötigt. Nur sie können ein fundiertes und verstetigtes Wirtschaftswachstum herbeiführen, ohne das die Defizite nicht abgebaut werden können. 1 % Wirtschaftswachstum ergibt Steuermehreinnahmen von 4 Milliarden DM. Dieses Wachstum gedeiht sicher am ehesten in einer Tariflandschaft, in der den Unternehmen durch zurückhaltende Tarifabschlüsse wieder mehr Luft verschafft wird.
Aber, meine Damen und Herren, es beißt auch keine Maus einen Faden davon ab: Den zweiten Konsolidierungspfad, nämlich das Sparen, müssenwir konsequent weiterverfolgen. Und sparen heißt nun einmal: die Ausgaben den Einnahmen anpassen und nicht umgekehrt.
Es wäre fatal, das Heil in Steuererhöhungen zu suchen. Die Grenze der Zumutbarkeit hinsichtlich der Abgabenbelastung ist seit langem überschritten.
Deshalb, meine Damen und Herren, gehen auch die Forderungen der Opposition nach einer Ergänzungsabgabe, der Abschaffung des steuerlichen Kinderfreibetrages und der Kappung des Splittingeffekts in die falsche Richtung. Im Gegenteil, gefordert ist eine durchgreifende, leistungsorientierte Reform des Lohn- und Einkommensteuertarifs.
Ohnehin ist es an der Zeit, einmal herauszustellen, daß wir auch den Besserverdienenden schon jetzt einen Konsolidierungsbeitrag in Milliardenhöhe abverlangen. Die Besserverdienenden haben nämlich an sich längst einen Anspruch auf Rückgabe der heimlichen Steuerhöhungen erworben, die von ihnen in besonderem Maße zu verkraften sind. Meine Damen und Herren, wir können diesen Anspruch jetzt nicht erfüllen. Aber die Vernunft gebietet es, dieses Haushaltsopfer der Bürger mit überdurchschnittlichem Einkommen auch anzuerkennen.
Der vom Bundesfinanzminister begründete Konsolidierungshaushalt gibt uns das richtige Instrument an die Hand.
— Herr Fischer, ich halte in der Tat seit Jahren eine mahnende und, wenn Sie so wollen, eine Schweiß-und-Tränen-Rede, weil die Solidität der Staatsfinanzen ohne Schweiß und Tränen nicht zurückzugewinnen ist. —
Aber, meine Damen und Herren, Genugtuung über dieses Konzept, das die Bundesregierung vorlegt, kann man doch erst dann empfinden, wenn die Ausgabenentwicklung 1984 auch tatsächlich so abläuft, daß sich die Steigerungsrate im Haushaltsvollzug auf 1,8 % beläuft, und auch in den Folgejahren ebenfalls eine Steigerungsrate von jeweils weniger als 3 % zu verzeichnen ist. Werden Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts und der Steuereinnahmen dann merklich unterschritten, wird in der Tat ein beachtlicher Konsolidierungserfolg eintreten,
und dies nicht nur beim konjunkturellen, sondern dann auch beim strukturellen Teil des Defizits. Insofern ist die politische Leistung hier respektabel. Doch seien wir uns bewußt, daß der Etatentwurf
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1200 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Hoppeund die Finanzplanung vorerst nichts als Zielvorgaben sind: Entscheidend kommt es jetzt darauf an, den vorgezeichneten Kurs auch durchzuhalten. Wer dafür plädiert, auf einzelne Sparmaßnahmen zu verzichten, oder wer kostenträchtige neue Forderungen stellt, muß entsprechende Deckungsvorschläge präsentieren.Meine Damen und Herren, der Lage angemessener wäre es allerdings, würden potentielle Einsparungsmöglichkeiten ohne Wenn und Aber für die Konsolidierung und damit für die Senkung des Kreditbedarfs eingesetzt.
Es scheint ja doch vielen aus dem Blick geraten zu sein, oder es wird bewußt verdrängt, daß wir das Gebot des Art. 115 des Grundgesetzes noch nicht erfüllt haben.
Meine Damen und Herren, es wäre ein krönender Abschluß der Haushaltsberatungen, wenn wir schließlich doch den Etat 1984 mit einem Zahlenwerk verabschieden könnten, das sich innerhalb des Korridors des Art. 115 bewegt, d. h. daß die Kreditaufnahme die Höhe der Investitionsausgaben nicht übersteigt.
Aber in jedem Falle müssen doch wohl für die Risiken Reserven vorhanden sein. Ich buchstabiere noch einmal: Kohle, Stahl und Schiffbau, und ich bleibe damit noch im Inland. Nein, der Rotstift darf uns jetzt nicht abbrechen.Die Koalitionsfraktionen werden bemüht sein, das im Regierungsentwurf erreichte Konsolidierungsergebnis im parlamentarischen Verfahren noch einmal zu verbessern. Keine Frage sollte es sein, etwaige Steuermehreinnahmen oder einen erhöhten Bundesbankgewinn zur weiteren Absenkung der Nettoneuverschuldung zu verwenden. Auch Einsparungen, wie sie uns beim Kindergeld wegen der sinkenden Kinderzahlen in den nächsten Jahren ins Haus stehen, dürfen nicht gleich wieder durch neue Wohltaten beim Familienlastenausgleich verfrühstückt werden.
Das Entwickeln von neuen Plänen und Konzepten ist eine durchaus sinnvolle Aufgabe, und man kann dabei viel Genugtuung empfinden und auch viel Beifall einsammeln. Nur sollten wir uns jetzt auf die große und wichtige Aufgabe der Haushaltskonsolidierung konzentrieren, und wir dürfen uns nicht verzetteln. Vielleicht hilft hier ein Wort von Gottfried Benn: „Vollende nicht deine Persönlichkeit, vollende ein jedes deiner Werke!" Unser Werk, das es zu vollenden gilt, heißt Haushaltskonsolidierung.
Es hilft nichts, die Entziehungskur muß durchgestanden werden. Die öffentliche Hand muß sich Schritt für Schritt vom Kapitalmarkt zurückziehen, um wohltuend auf das Zinsniveau einzuwirken und somit dazu beizutragen, daß gewerbliche Investitionen und der Wohnungsbau zu tragbaren Konditionen finanziert werden können.Aber auch die Schwachstellen des Zahlenwerks wollen wir nicht verschweigen. Der Bundesbankgewinn — der Herr Kollege Apel hat darauf aus guten Erfahrungen und aus bekannter Tradition schon hingewiesen — geht, wenn auch in drastisch verringerter Höhe, immer noch in die Haushaltsrechnung ein, und beim Subventionsabbau lassen Erfolgserlebnisse weiter auf sich warten.
Ja, bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist der eingeleitete Subventionsabbau sogar gestoppt worden. Es mag auch für diese Entscheidung gute Gründe geben, und die Betroffenen werden es der Regierung danken. Allerdings ist der Aufbruch zu neuen Ufern damit bereits negativ präjudiziert.In der Subventionspolitik stehen wir aber jedenfalls alle im Wort. Die Subventionen müssen zurückgedrängt werden. Die Fraktion der Freien Demokraten ist bereit, sich dieser Aufgabe zu stellen und dabei auch unpopuläre Entscheidungen mitzutragen.
Neben konkreten Kürzungen, die es zu suchen und zu beschließen gilt, sollten eine zeitliche Begrenzung aller Subventionen, ihre degressive Ausgestaltung und eine Umstellung von Zuschüssen auf Darlehen Inhalt einer revidierten Subventionspolitik werden.Die Chancen für einen Erfolg unserer Strategie stehen nicht schlecht. Die in der Bevölkerung überall zu verspürende Bereitschaft, die Ansprüche an den Staat auf den Boden der Realitäten zurückzuschrauben, gibt uns Rückenwind bei der Verfolgung unseres Kurses.Meine Damen und Herren, beherzigen wir eine Mahnung Friedrichs des Großen, der einmal sagte:Eine Regierung muß sparsam sein. Das Geld ohne Rücksicht auf die Zukunft ausgeben heißt handeln wie ein Tyrann, nicht wie ein Vater des Volkes.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Bundeshaushalts 1984, den der Bundesfinanzminister hier vorgelegt hat, verspricht Konsolidierung und Stabilität. Mit großen Worten haben Sie, Herr Stoltenberg, die Sanierung der Staatsfinanzen und den damit angeblich verbundenen Beitrag der Haushaltspolitik zur wirtschaftlichen Neubelebung herausgestellt.Sie sagen, dieser Haushalt weise Perspektiven in die Zukunft.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1201
Kleinert
Wir sehen das ganz anders. Und um es gleich sehr deutlich zu machen: Für uns ist dieser Haushaltsentwurf ebenso wie die Haushaltsbegleitgesetze Ausdruck eines völlig verfehlten politischen Grundkonzepts, der den wirklichen wirtschaftlichen Problemen in gar keiner Weise gerecht wird.
Dieser Haushalt ist einerseits ein Haushalt der Verschwendung, einer Verschwendung, die sich z. B. an den mehr als sieben Milliarden DM zeigt, die zur Verwirklichung weiterer Fernstraßenprogramme vorgesehen sind, die sich an der Fortsetzung ökonomisch sinnloser und ökologisch schädlicher Großprojekte, wie es der Rhein-Main-DonauKanal ist, zeigt und die sich auch an der weiteren Finanzierung des Schnellen Brüters usw. usw. zeigt.
Dieser Haushalt finanziert unwirtschaftliche Maßnahmen mit hohen Folgekosten für künftige Generationen.
Das gilt nicht nur für den Straßenbau, für den Bau weiterer Atomkraftwerke, für die beabsichtigte Verkabelung der Bundesrepublik, es gilt ganz besonders auch für die Rüstungspolitik, es gilt für den Rüstungsetat, der erneut um 3,7 % und damit doppelt so stark anwachsen soll wie der Gesamthaushalt. Deshalb ist dieser Haushalt ein Haushalt der Verschwendung.
— Ach, seien Sie doch erst einmal still, hören Sie doch erst einmal zu!Es ist ein Haushalt, der auf der anderen Seite Maßnahmen unterläßt, die zur Vermeidung unermeßlicher ökologischer und sozialer Schäden mit unabsehbaren Belastungen unbedingt notwendig wären. Wirksame Investitionsmaßnahmen zur Bekämpfung des Waldsterbens sind in diesem Haushalt ebensowenig vorgesehen wie die Förderung moderner Kohletechnologien mit Abwärmenutzung. Die Reduzierung der chemischen Vergiftung wird ebensowenig als dringende Aufgabe gesehen wie der Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs. Dieser Haushalt unterläßt wirksame politische Maßnahmen gegen die Massenarbeitslosigkeit und zur Schaffung neuer Lehrstellen, und das zu einer Zeit, in der es weit mehr als zwei Millionen registrierte Erwerbslose in der Bundesrepublik gibt und in der mehr als 100 000 Jugendliche keine Lehrstelle haben.Doch dieser Haushalt ist nicht nur ein Haushalt der Verschwendung und der Unterlassung. Er ist auch Ausdruck einer rigorosen Kürzungspolitik, mit der ein massiver Angriff auf das System der sozialen Sicherung unternommen wird, ein Angriff, der Ausmaße erreicht hat, die nur als sozialpolitische Katastrophe bezeichnet werden können. Sie treffen mit Ihren rigorosen Leistungskürzungen gerade im sozialen Bereich die Arbeitslosen, Sie treffen mit den Arbeitslosen, mit den Rentnern, mit den Schwerbehinderten und mit anderen sozial schwächergestellten Schichten ausgerechnet diejenigen Bevölkerungsgruppen, die ohnehin unter den Auswirkungen der Krise am stärksten zu leiden haben. Sie treffen die Mütter, denen Sie das Mutterschaftsgeld rigoros zusammenstreichen wollen — ein merkwürdiger Widerspruch zu Ihrer ansonsten so gerne beschworenen christdemokratischen Familienpolitik.
Die soziale Demontage, die hier betrieben wird, sie kommt auf leisen Sohlen daher. Sie findet sich hübsch eingepackt in so wohlklingenden Sätzen wie: „Die Konsolidierung des staatlichen Finanzierungsdefizits soll dabei nicht durch Steuererhöhungen erreicht werden, sondern durch eine nachhaltige Dämpfung der Ausgabendynamik vor allem im konsumtiven Bereich." Herr Stoltenberg, ich frage Sie: Wissen Sie eigentlich, was das für die Betroffenen im einzelnen bedeutet? Ich will es Ihnen sagen und diesen Satz aus den Höhen des finanzwissenschaftlichen Fachjargons herunterholen und in all-gemeinverständliches Deutsch übersetzen. Nehmen wir z. B. den Fall eines 28jährigen arbeitslosen verheirateten Lehrers ohne Kinder. Dieser arbeitslose Lehrer — und davon gibt es inzwischen schon Zehntausende — bekommt, nachdem ihm seine beruflichen Perspektiven nach dem zweiten Staatsexamen erst einmal abgeschnitten worden sind — und das ist auch eine Folge der haushaltspolitischen Prioritätensetzung, um die es geht —, wenn die von Ihnen geplanten Änderungen des Arbeitsförderungsgesetzes verwirklicht werden, real mehr als ein Drittel an Arbeitslosenhilfe weniger als bisher — mehr als ein Drittel, genauer gesagt 35,7%. Nimmt man die von Ihnen vorgesehene Abstufung der Eingangsbesoldung im öffentlichen Dienst noch dazu, dann liegen die tatsächlichen Leistungskürzungen noch erheblich höher. — Da gibt es gar nichts zu grinsen. — Sie liegen dann bei 43,7 %. In konkreten Beträgen ausgedrückt heißt das, wenn dieser arbeitslose Lehrer bisher noch 870 DM an Arbeitslosenhilfe erhalten hat, dann wird er in Zukunft, wenn sich Ihre Planungen durchsetzen, nur noch 490 DM haben. Damit aber liegt er im Bereich der Sozialhilfe. Daß dadurch im Endeffekt den Kommunen weitere finanzielle Belastungen auferlegt werden, die sie gar nicht tragen können, will ich an dieser Stelle nur am Rande erwähnen.Ein zweites Beispiel: Sie kürzen das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe von 68 auf 63 bzw. von 58 auf 56% für Unverheiratete. Wenn man einbezieht, daß die realen Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit ohnehin um ca. 5% niedriger liegen, dann muß ein Arbeitsloser, ebenfalls verheiratet, ohne Kinder, vor seiner Arbeitslosigkeit über 2 000 DM brutto verdient haben, wenn er eine Leistung erreichen will, die auch nur die Höhe der Sozialhilfe erreicht. Beim Arbeitslosenhilfebezieher liegt das, was er vorher verdient haben muß, sogar bei über 2400 DM.
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1202 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Kleinert
Schon heute liegen 20 % der männlichen und 80 % der weiblichen Leistungsempfänger unter diesen Beträgen und erhalten damit bestenfalls Leistungen, die im Bereich der Sozialhilfesätze liegen. Mit den jetzt vorgesehenen Maßnahmen würde die Zahl derjenigen, die unter diese Grenze sinken und die damit unter die Armutsgrenze sinken, weiter erheblich anwachsen.Ihr massiver Angriff auf die sozialen Leistungen trifft nicht nur die Arbeitslosen; er trifft auch die Rentner, die mit der Rentenanpassung 1984 erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen sollen, er trifft auch die Schwerbehinderten, denen Sie u. a. die unentgeltliche Beförderung im Schienenverkehr streichen wollen, und er trifft auch diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben. So sollen die Arbeitnehmer, wenn sie krank werden, nunmehr voll zur Zahlung eines Krankenversicherungsbeitrages herangezogen werden, was nichts anderes heißt, als daß das Krankengeld in Zukunft um 11,25% gekürzt wird.Diese Beispiele ließen sich noch lange fortsetzen. Was Sie — ich zitiere den Satz gern noch einmal — „nachhaltige Dämpfung der Ausgabendynamik im konsumtiven Bereich" nennen, es ist nichts anderes als ein tiefer Einschnitt in die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen in diesem Land, ein Einschnitt, der vor allem eine Konsequenz haben wird, nämlich die, daß Armut in dieser Gesellschaft wieder zu einer massenhaften Erscheinung wird.
Dieser Haushalt ist darüber hinaus nicht nur ein Haushalt der Verschwendung und der sozialen Demontage, er ist gleichzeitig Ausdruck einer Gesellschaftspolitik, die im Gewande angeblicher Haushaltskonsolidierung offen eine massive Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums betreibt. Wohin hier die Reise gehen soll, das zeigt sich nicht nur an den Thesen des Herrn George und an dem Papier des Herrn Albrecht, es zeigt sich schon jetzt sehr deutlich z. B. an den in den Haushaltsbegleitgesetzen vorgesehenen steuerlichen Entlastungsmaßnahmen im Bereich der Vermögensteuer.Das zusätzliche Steueraufkommen, das sich durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer ergibt und dessen Löwenanteil j a von den sogenannten kleinen Leuten stammt, kommt fast ausschließlich der steuerlichen Entlastung der Unternehmen zugute. Was ist dies denn anderes als eine direkte Form der Umverteilung?Diese steuerlichen Entlastungen sind gleichzeitig nichts anderes als eine weitere Verschwendung öffentlicher Mittel; denn das zentrale Argument, mit dem die Bundesregierung diese Politik zu rechtfertigen versucht, dieses Argument ist falsch. Sie sagen, die Verminderung der Nettokreditaufnahme könnte in Verbindung mit solchen Entlastungsmaßnahmen für die Unternehmen die Investitionstätigkeit beleben, und damit sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit getan. Schon die erste Annahme, eine Verringerung der staatlichen Kreditaufnahme beeinflusse das Zinsniveau positiv, ist mehr als fragwürdig. Zahlreiche empirische Untersuchungen haben gezeigt, daß dieTheorie des sogenannten Crowding-Out-Effekts, nämlich daß durch Zunahme der staatlichen Verschuldung das Zinsniveau in die Höhe getrieben würde, in dieser Form unhaltbar ist. Eine Belebung der Investitionstätigkeit ist also durch diese Form der Haushaltskonsolidierung überhaupt nicht zu erwarten.Auch mit den steuerpolitischen Maßnahmen, die Sie vorhaben, werden Sie dieses Ziel nicht erreichen; denn zunächst ist festzustellen, daß von einer Senkung der Vermögensteuer die vermögenden Schichten insgesamt profitieren, als auch diejenigen, die ihr Kapital in Haus- und Grundbesitz, in Geld- oder Betriebsvermögen angelegt haben und die gar nicht an Investitionsmaßnahmen denken. Darüber hinaus ist angesichts der derzeitigen Zinssätze ohnehin damit zu rechnen, daß zusätzliche Unternehmergewinne eher in amerikanischen Wertpapieren angelegt werden. Soweit überhaupt zusätzliche finanzielle Mittel, die mit dem Steuerentlastungsgesetz den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, zu neuen Investitionen führen, muß davon ausgegangen werden, daß sie vor allen Dingen zur Finanzierung neuer Rationalisierungsinvestitionen genutzt werden, die mehr Arbeitsplätze vernichten als daß sie neue Arbeitsplätze schaffen können. Ihr Konzept, durch Umverteilung zugunsten der besitzenden Schichten eine Belebung der Investitionstätigkeit zu erreichen, wird gar nicht greifen können.Mehr als fragwürdig ist nicht nur dieses Konzept; fragwürdig sind auch eine ganze Reihe von Eckdaten, die Ihrem Haushaltsentwurf wie der mittelfristigen Finanzplanung bis 1987 zugrunde liegen. Um diese Liste der Ungereimtheiten hier in der Kürze der Zeit nur anzudeuten: Sie prognostizieren für die kommenden Jahre viel zu niedrige Arbeitslosenzahlen. Selbst wenn die von Ihnen angenommenen Wachstumsraten von 2,5% für 1984 und von 3 % danach überhaupt erreicht werden sollten, wird die Zahl der Arbeitslosen nach den Berechnungen fast sämtlicher wissenschaftlicher Institute schon bald über die 3-Millionen-Grenze ansteigen. Sie gehen jedoch in Ihren Annahmen davon aus, daß die Zahl der Arbeitslosen unter 2,5 Millionen gehalten werden kann. Zur Aufklärung dieses Widerspruchs gäbe es allenfalls die Erklärung, daß die Regierung insgeheim doch mit erheblichen Arbeitszeitverkürzungen rechnet. Davon ist aber nach Ihren wiederholten Aussagen ganz gewiß nicht auszugehen.Wenn aber die Arbeitslosenzahlen weit höher ausfallen werden als in Ihrem Entwurf angenommen, dann wird sich auch Ihre mittelfristige Finanzplanung nicht halten lassen; denn wenn die Zahl der Arbeitslosen steigt, dann müssen auch die Leistungen der Arbeitslosenversicherung ansteigen, es sei denn, Sie wollen diese Leistungen noch weiter drastisch zusammenstreichen.Um dies etwas konkreter zu machen: Rechnet man 3,5 Millionen Arbeitslose im Durchschnitt für die Jahre bis 1987 — das ist eher vorsichtig geschätzt —, dann ergibt sich schon daraus eine Erhöhung des Zuschußbedarfs der Bundesanstalt für Arbeit von mindestens 6 Milliarden DM. Dies aber
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1203
Kleinert
würde nicht nur den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit, sondern auch Ihre mittelfristige Finanzplanung völlig aus den Fugen geraten lassen.Eine weitere wesentliche Ungereimtheit liegt darin, daß Sie bei der Einschätzung der bei der Verwirklichung Ihres Konzepts zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Effekte außenwirtschaftliche Rahmenbedingungen ebensowenig berücksichtigen wie die Finanzlage von Ländern und Gemeinden, die sich auf Grund Ihrer Haushaltspolitik noch weiter drastisch zuspitzen würde. Gerade angesichts dieser Bedingungen aber ist zu erwarten, daß Sie nicht einmal die nominellen Wachstumsraten von 6 % werden erreichen können, die Sie Ihrem finanzpolitischen Konzept zugrunde legen.Insgesamt vernachlässigen Sie die Rückwirkungen Ihrer eigenen haushaltspolitischen Maßnahmen auf die künftige Finanzsituation; denn wenn sich gerade auf Grund dieser Haushaltspolitik ein geringeres Wachstum ergeben sollte, als Sie annehmen, dann werden die beträchtlichen Einnahmenzuwächse, mit denen Sie für die kommenden Jahre rechnen, ausbleiben.Man muß also gar nicht einmal den Rahmen Ihrer eigenen haushalts- und finanzpolitischen Logik verlassen, um das ganze Ausmaß der Konzeptionslosigkeit zu erkennen, mit der Sie die drängenden Probleme der nächsten Jahre angehen wollen. Angesichts der grundlegenden ökologischen und sozialen Krise haben Sie hier nichts anderes anzubieten als ein haushaltspolitisches Konzept, das nicht nur die weitere Verschwendung gesellschaftlichen Reichtums bedeutet, das nicht nur soziale Demontage mit einer Gesellschaftspolitik der Umverteilung von unten nach oben verbindet, sondern das zugleich im Rahmen Ihrer eigenen Grundannahmen derartige Widersprüche und Ungereimtheiten aufweist, daß hierzu nur ein Urteil möglich ist: Dies ist alles andere als ein Konzept der Konsolidierung und der Schaffung von Voraussetzungen zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit.
Solche wohltönenden Begriffe dienen Ihnen eher dazu, das ganze Ausmaß an sozialen und ökologischen Problemen, das diese Haushaltspolitik noch verschärfen bzw. sogar erst hervorrufen wird, in Roßtäuschermanier zu verschleiern. Den Menschen wird Sand in die Augen gestreut über das ganze Ausmaß der Krise, in der wir uns befinden und die sich mit dieser Politik noch verschärfen wird.Der Bundesfinanzminister hat in der Debatte zur Regierungserklärung vor einigen Monaten von „Steinzeitmarxisten" gesprochen,
die ihn — ich zitiere — mit ihren „primitiven Formeln" überhaupt nicht treffen könnten.
Er hat sich mit dieser Bemerkung seinerzeit auf meinen Redebeitrag bezogen.Nun habe ich mich in der Zwischenzeit einmal hingesetzt — in der Sommerpause war ja Zeit genug — und habe nachgeschlagen, ob sich denn bei dem Herrn Marx auch etwas über Budgetfragen findet.
Nach einigem Suchen bin ich dann sogar fündig geworden.
Ich möchte diese Gelegenheit nicht versäumen, Ihnen das Resultat meiner Suche zu Gehör zu bringen. Karl Marx schreibt in seinem Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel „Die neue Finanzgaukelei" — ich zitiere —:Es gibt wahrscheinlich keinen größeren Humbug in der Welt als das sogenannte Finanzwesen. Die einfachsten Operationen, die Budget und Staatsschuld betreffen, werden von den Jüngern dieser Geheimwissenschaft mit den abstrusesten Ausdrücken bezeichnet. Hinter dieser Bezeichnung verstecken sich die trivialsten Manöver.
An einer anderen Stelle heißt es — ich zitiere wieder —:Da es nun einmal zur Gewohnheit geworden ist oder, besser gesagt, das Parlament sich daran gewöhnt hat, im Schatzkanzler den geheimnisvollen Hexenmeister zu sehen, der mit irgendwelchen mysteriösen Tricks, die niemand kennt, die ganze Jahreseinnahme des Staates herbeizaubert, so ist es nicht erstaunlich, wenn diese gewichtige Persönlichkeit, wer immer sie auch sein mag, sich sorgfältig bemüht, diese schmeichelhafte Illusion nicht zu zerstören.
Obgleich ich weit davon entfernt bin, die Finanzwissenschaft als Humbug zu bezeichnen, glaube ich doch, daß diese Bemerkungen des Herrn Marx diesen Haushaltsentwurf durchaus treffend bezeichnen.
Entkleidet der fachwissenschaftlichen Terminologie und reduziert auf die einfachen Grundtatbestände stellt sich dieses scheinbar undurchdringliche Zahlenwerk als bloße Mischung aus sozialem Zynismus, beschäftigungspolitischem Nichtstun, einer Gesellschaftspolitik der Umverteilung und einer Fortsetzung von Verschwendung und Gütervernichtung dar. Mit seiner radikalen Kürzung sozialer Leistungen erinnert dieser Entwurf darüber hinaus an den Brüningschen Versuch, in der Endphase der Weimarer Republik durch drastische Sparmaßnahmen aus der Deflation herauszukommen. Welche Konsequenzen dieser Versuch am Ende gehabt hat, ist Ihnen allen im Hause ja wohl bekannt.Dieser Haushalt enthält jedenfalls nicht einmal Elemente einer Politik, die in die richtige Richtung geht. Deshalb wird er ebenso auf unsere entschie-
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1204 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Kleinert
dene Ablehnung stoßen wie die Haushaltsbegleitgesetze.Gestatten Sie mir zum Abschluß noch drei Sätze zur Alternative der GRÜNEN.
Wir wissen, daß es nicht ausreicht, bei der grundsätzlichen Kritik des Regierungsentwurfs stehenzubleiben. Wir begnügen uns nicht mit der Benennung des ganz Anderen, sondern wir werden in dieser Debatte konkrete Vorschläge vorlegen, die deutlich machen werden, was grüne Alternativen zu dieser Haushaltspolitik sind. Zu diesen Vorschlägen wird im weiteren Verlauf der Debatte der Kollege Verheyen sprechen.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, bei den beiden Reden der finanzpolitischen Sprecher der Opposition fand ich am anregendsten das Karl-Marx-Zitat, das wir zum Schluß gehört haben.
— Lassen Sie mich doch einmal begründen, warum ich das so anregend fand. — Es hat mich an die sehr lesenswerte Biographie „Karl Marx" von Friedenthal erinnert, die uns ja zeigt, daß Karl Marx, ein bedeutender, umstrittener Denker, zwar in vielen Punkten kompetent gewesen sein mag, aber, wie die katastrophale Situation seiner privaten Finanzwirtschaft zeigt, sicherlich nicht als Kronzeuge beim Thema der öffentlichen oder privaten Finanzen herangezogen werden kann.
Jeder in diesem Hause würde es weit von sich weisen, daß er zur Lösung seiner privaten Finanzprobleme Verwandte, Freunde und Gönner so hemmungslos anpumpt und gelegentlich auch sitzen läßt wie der große Vordenker des Marxismus, der eben genannte Karl Marx.
Ich sage aber auch deshalb, daß ich dies als den anregendsten Beitrag fand, nämlich das Karl-MarxZitat, weil ich bei Ihnen, Herr Kollege Apel, das vermißt habe, was nicht nur ich in einer über einstündigen Rede mit Spannung erwartet habe: die Alternative der Opposition.
Sehr verehrter Herr Kollege Apel, viel Kritik war
zu erwarten. Das ist Ihr gutes Recht. Nur muß sie
stimmen; ich werde etwas zur Stimmigkeit Ihrer
Zahlen und Tatsachen sagen. Aber natürlich habe nicht nur ich in dieser ersten großen Debatte über die Finanz- und Haushaltspolitik dieser Wahlperiode den programmatischen Beitrag der Opposition erhofft, um auch daraus zu lernen. Wir haben ihn nicht gehört. Sie haben Ihr Manuskript von 25 Seiten dankenswerterweise auch mir zur Verfügung gestellt. Auf Seite 24 unten beginnt „Unsere Alternative", und danach folgen fünf Spiegelstriche,
die ich nun auch nicht gerade als erhellend empfinden konnte.
Unter diesen fünf Spiegelstrichen „Die SPD fordert" finden wir dann — ich darf das noch zu Ende führen und Ihnen dann zur Verfügung stehen; erlauben Sie mir, diese Kritik noch zwei Minuten weiterzuführen, damit Ihre Zwischenfragen noch umfassender werden —
zum Beispiel als Alternative: „Bund, Länder und Gemeinden müssen finanzpolitisch gemeinsam handeln und finanzwirtschaftlich handlungsfähig sein."
Ich kann da nicht das Profil einer Alternative erkennen.
Dann steht — was mich besonders beeindruckt hat, Herr Kollege Apel — nach dem letzten Spiegelstrich: „Die Bürger unseres Landes müssen sich auf die finanzpolitischen Versprechungen des Finanzministers und der Politiker der Regierung verlassen können."
Dazu möchte ich sagen, das sollte auch für den finanzpolitischen Sprecher der Opposition gelten, der einmal in seiner Amtszeit als mein Vorgänger — Sie sind der dritte, den ich zitiere, aber nicht zustimmend — nach dem großen Werk der Steuergesetzgebung 1974 den klassischen Satz prägte „Ich denke, mich tritt ein Pferd", als er die Folgen der eigenen Handlungen zu spät erkannte.
Verläßlichkeit, Herr Kollege Apel! Aber jetzt unterbreche ich, damit Sie das Wort bekommen.
Herr Kollege Apel!
Herr Kollege Dr. Stoltenberg, wenn wir in kabarettistischen Einlagen konkurrieren wollen, werde ich Ihnen wahrscheinlich überlegen sein.
Es war nicht kabarettistisch, sondern ernst gemeint, nur humoristisch gesagt.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1205
Ich möchte Sie fragen, ob Sie denn nicht zugehört haben. Ich habe in drei Bereichen sehr deutlich — —
— Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mindestens in drei Bereichen Ihrer Position unsere entgegengesetzt habe, nämlich erstens im Bereich der Konjunkturpolitik Ihrem Nichtstum unsere Alternative, zweitens im Bereich der Sozialpolitik Ihrer Kahlschlag-Alternative entgegengesetzt, was wir tun werden — das wird auch noch dargestellt werden —, und drittens zum öffentlichen Dienst gesagt habe: keine Nullrunde, sondern wenn, dann bitte beim Weihnachtsgeld eine Regelung finden, die für alle gleich stark einschneidend ist? Also bitte keine Polemik, sondern Texte lesen und zuhören!
Ich versage mir eine Bewertung Ihrer letzten Bemerkung und fand an Ihrer Zwischenfrage den Hinweis am erhellendsten: das wird noch dargestellt werden. Darauf warten wir, vor allem in der Sozialpolitik.
Aber nun darf ich fortfahren, damit es nicht zu einseitig wird; zur Zeit habe ich das Wort.
Ich konzediere Ihnen gern — ich hatte das noch vor —, daß sich vor der Seite 24 und den fünf Spiegelstrichen zwei, drei Ansätze für Verdeutlichungen finden, aber nur zu Spezialfragen, zum Beispiel zum öffentlichen Dienst: Sollte man nicht an das 13. Monatsgehalt herangehen, auch um eine gleichmäßigere soziale Wirkung zu erzeugen? Das ist ja Ihr Gedanke. Sie sind nicht der erste, der an so etwas dachte. Johannes Rau und Lothar Späth haben ähnliche Überlegungen angestellt. Der Grund, warum dies wohl keine Alternative ist, liegt darin, daß ich bis heute nicht die Bereitschaft der Gewerkschaften erkennen kann, für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes so etwas ins Auge zu fassen. Sowohl Mitglieder der Regierung Nordrhein-Westfalens — also auch Ihre Parteifreunde — wie der Regierung Baden-Württembergs haben das öffentlich gesagt. Wir haben auf diese Alternative, die ja einen Tarifvertrag zum Abbau von Leistungen — 13. Monatsgehalt — auch für Angestellte der mittleren und höheren Gehaltsgruppen voraussetzt, keine Antwort bekommen. — Deswegen glaube ich nicht, daß das eine Alternative ist.
Herr Apel, solche Einzelhinweise ändern aber nichts an der Gesamtbewertung. Ich will nun gern noch eine Zwischenfrage entgegennehmen. Dann möchte ich aber doch im Gesamtzusammenhang meine Fundamentalkritik fortsetzen. Wenn Sie jeden Punkt aufnehmen wollen, würde es sehr lange dauern. Bitte sehr!
Eine Sekunde! Bevor ich das Wort zur Zwischenfrage erteile, darf ich auf § 27 Abs. 2 der Geschäftsordnung hinweisen: Zwischenfragen müssen kurz und präzise sein.
Herr Apel!
Herr Präsident, ich werde mich daran halten.
Herr Kollege Dr. Stoltenberg, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Bundesratsmehrheit eine entsprechende Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen zum Thema Beamtenbesoldung, so wie zwischen uns beiden besprochen, abgelehnt hat und darin der Grund für das Scheitern dieser Initiative zu sehen ist?
Herr Kollege Apel, sie ist im Bundesrat abgelehnt worden, weil es damals keine Antwort auf die Frage gab — es gibt sie übrigens bis heute nicht —, wie der Gleichklang mit dem öffentlichen Dienst im Tarifvertragsbereich vor allem bei den Angestellten gesichert werden kann. Das ist der Grund gewesen.
Dieser Grund gilt auch heute. Wir haben in den Vorgesprächen über die Kabinettsentscheidung sehr ernsthaft darüber gesprochen und gesagt, daß dies keine realistische Alternative ist. Die Wiederaufnahme eines interessanten Gedankens von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ändert aber nichts an meiner Bewertung, daß wir insgesamt in Ihrer Rede keine Alternative zu den Grundlinien unserer Finanzpolitik aufgezeigt bekommen haben.Zum zweiten muß ich Ihnen nun dies sagen. Es ist leider auch so, daß Ihre Zahlen nicht stimmen. Ich betone das besonders angesichts der Härte, mit der Sie hier formuliert haben. Die Position der Regierung im vorformulierten Text einer Haushaltsrede als „Geschwätz" zu bezeichnen, ist ungewöhnlich. Das kann man einmal im Zorn sagen. Sie haben mich hier gerügt, als ich den Kollegen Kleinert im Mai in freier Rede hart kritisiert habe. Sie sagten, das sei stillos. Ich finde, es ist ein bißchen ungewöhnlich, in der vorformulierten Rede von „Geschwätz" zu sprechen. Deswegen will ich auch etwas härter und deutlicher sagen, was ich von Ihren falschen Zahlen und ungenauen Tatsachen halte.Sie sagen auf Seite 7 Ihrer Rede: Wir haben heute 500 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. — Ihnen stehen natürlich — wie mir — seit gestern die Zahlen für August zur Verfügung. Wir haben 399 000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr. Das ist immer noch eine bedrückend hohe Zahl. Es ist aber unzulässig, daß Sie in einem Bereich, der die Sorgen, Schicksale und Erwartungen vieler Menschen berührt, in dieser Weise Zahlen entstellen, um politische Wirkungen herbeizuführen. Das kann man Ihnen nicht durchgehen lassen.
— Wir reden über Tatsachen und Zahlen und ihre Behandlung in diesem Hohen Hause, Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang, Herr Kollege Apel, an die schlimme Anzeige, die ich vor einer Woche in
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1206 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Bundesminister Dr. Stoltenbergden hessischen Zeitungen gelesen habe und in der unter der Verantwortung Ihres Kollegen und Freundes Holger Börner, der morgen hier j a auch noch reden wird, schlichtweg gesagt wird, zu Weihnachten würden wir drei Millionen Arbeitslose haben, um dies dann politisch in schlimmster Weise gegen uns auszubeuten. Wir werden zu Weihnachten keine drei Millionen Arbeitslose haben. Wir werden mehr Arbeitslose haben, als uns lieb sein kann. Ich habe dazu etwas gesagt.
Ich halte es nicht für vertretbar, das Thema der Erwerbslosigkeit mit falschen Zahlen und falschen Prognosen politisch so auszubeuten. Ich halte es für verwerflich, wenn so gehandelt wird.
Herr Bundesfinanzminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann ?
Herr Kollege Hoffmann, gern. Nur möchte ich das im Interesse der folgenden Redner als letzte Zwischenfrage ansehen.
Ich will mich sehr kurz fassen, Herr Minister. — Sie haben in Ihren eigenen Unterlagen stehen, daß Ihre Prognose und Ihre mittelfristigen Erwartungen für die Arbeitslosenzahlen für die nächsten vier Jahre im Durchschnitt etwa 2,5 Millionen sind. Was bedeutet das für die Winter?
Ich nehme dazu noch Stellung. Aber ich möchte jetzt im Gesamtzusammenhang noch auf das Thema der Arbeitsmarktsituation eingehen.
— Ich gehe auf diese Frage noch ein, Sie können davon ausgehen, meine Damen und Herren.Ich will hier nur sagen, daß wir alle natürlich in Prognosen dem Irrtum unterworfen sein können, daß man aber mit Tatsachen und Zahlen sorgfältiger umgehen sollte, als Sie es getan haben. Die Zahlen stimmen nicht. Es ist auch sachlich falsch, wenn Sie, Herr Kollege Apel, auf Seite 17 Ihres verteilten Textes behaupten, in unserer Finanzplanung gingen die investiven Ausgaben Jahr für Jahr zurück und landeten dann auf einem nie gekannten Tiefpunkt. Sie können doch die Zahlen zur Hand nehmen. Die Finanzplanung geht von einer Investitionsquote im Jahre 1982 im Ist von 13,1 % aus. Das war noch unter Ihrer Verantwortung. Sie steigt im Soll 1983 auf 13,2 %. Sie steigt in unserem Haushaltsentwurf 1984 auf 13,5 %. Wir haben die Trendwende erreicht, die Sie zwölf Jahre lang durch eine Talfahrt so notwendig gemacht haben.
— Die BAföG-Darlehen machen — weil Sie das sobewegt, will ich Ihnen auch das sagen — genau0,3 % aus. Das ist doch kein Buchhaltertrick, sondern eine Umstellung, die nach dem Investitionsbegriff, der nun einmal in der Vergangenheit bei der Neufassung der Haushaltsordnung mit Ihrer Mehrheit beschlossen ist, einfach unvermeidbar ist. Daß wir einen Investitionsbegriff und einen Subventionsbegriff in unseren gesetzlichen Grundlagen und im Haushaltsrecht haben, der in manchem problematisiert werden kann, weiß jeder, der etwas von Finanzpolitik versteht. Aber Sie können doch den Beamten des Finanzministeriums und mir als zuständigem Minister keinen Vorwurf machen, wenn wir unsere Unterlagen nach den geltenden Rechtsbegriffen aufstellen.Das BAföG-Argument kann weder unter der Bezeichnung „Trick" laufen, noch macht BAföG den wesentlichen Teil dieser positiven Veränderungen aus. Es ist eben ein Tatbestand, daß wir gegenüber der Finanzplanung unserer Vorgänger bis 1984 die Investitionsquote deutlich angehoben haben. „Jahr für Jahr" ist also falsch.
— Ich komme genau darauf, Herr Kollege Apel. Sie sind immer zu ungeduldig. — Richtig ist, daß es dann in den Folgejahren nach geltendem Recht und geltender Erkenntnis zunächst wieder einen Rückgang gibt.
— Sie haben gesagt, Jahr für Jahr ginge das zurück. Ich sage Ihnen nochmals: Das ist sachlich nicht richtig. Ich füge hinzu: Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein — das habe ich in der Rede heute vormittag mit allem Nachdruck hervorgehoben —, die begonnene Umschichtung im Haushalt weiterzuführen und auch 1986 und 1987 die Investitionsquote nach oben zu führen.Nun will ich gern noch zu einem anderen Punkt Stellung nehmen. Ich habe mit großem Interesse das leidenschaftliche Bekenntnis für die Stärkung der Gemeinden und der kommunalen Finanzen gehört, das Sie hier abgegeben haben. Ich habe übrigens nicht behauptet, Länder und Gemeinden vor einer Explosion der Personalkosten gerettet zu haben. Das ist ein falsches Zitat. Ich sprach von einer Entlastung gegenüber den bisherigen Planungen und Erwartungen. Gegenüber Ihren heftigen Vorwürfen will ich einfach sagen: Die Mehrheit des Bundesrates — er ist in erster Linie zuständig, Treuhänder für die Gemeinden zu sein — erkennt unsere Ausgleichsregelungen für die Länder und Gemeinden an. Sie sind großzügiger als diejenigen, die Sie in den vergangenen Jahren in Ihrer Zeit oder in der Zeit von Herrn Kollegen Matthöfer ins Auge gefaßt oder beschlossen haben.
Das zweite will ich hier sagen. Ihre Forderung nach einer nachhaltigen Stärkung der kommunalen Finanzen steht im völligen Widerspruch zu sozialdemokratischer Politik in den Flächenländern.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1207
Bundesminister Dr. Stoltenberg— Nein, nicht mehr, Herr Kollege Apel. Ich will es nicht zu lange machen.Ich habe Herrn Posser in der Frage der Konsolidierung zustimmend zitiert, aber ich muß Sie hier kritisch darauf hinweisen, daß das sozialdemokratisch regierte Bundesland Nordrhein-Westfalen durch massive Eingriffe in den kommunalen Finanzausgleich
die Landeszuweisungen an seine Gemeinden von 1981 bis 1983 um 1,150 Milliarden DM gekürzt hat.
Es hat doch keinen Sinn, daß Sie uns hier stellvertretend für die SPD-Fraktion kritisieren und Anträge ankündigen, in denen Sie uns auffordern, Milliarden DM — wahrscheinlich auf Kosten des Bundes — an die Kommunen zu übertragen, während sozialdemokratische Landespolitik zugleich zu den schwersten Eingriffen in die kommunalen Finanzen führt, die wir in der Nachkriegszeit erlebt haben. Verständigen Sie sich mit Ihren eigenen Freunden in den Ländern über die kommunalfreundliche Politik, bevor Sie hier erneut solche Reden halten oder Anträge einbringen.
Dann will ich etwas zu dem von Ihnen eingeführten Stichwort Europäische Gemeinschaft sagen. Die Bundesregierung bemüht sich, ausgehend von den Beschlüssen des Stuttgarter Gipfels und gestützt durch den dort vereinbarten Text der Staats- und Regierungschefs, um eine deutliche Verringerung des Ausgabenzuwachses in der Europäischen Gemeinschaft. Die Europäische Gemeinschaft muß auch in den kommenden Jahren mit den jetzigen Finanzgrundlagen auskommen. Ich halte es jedoch nicht für eine zutreffende Beschreibung der vergangenen Jahre, wenn Sie hier ausschließlich den Kollegen Josef Ertl für unterbliebene Entscheidungen oder Fehlentwicklungen der deutschen EG-Politik verantwortlich machen wollen. Ich halte das für eine unzulässige Abladung mancher Versäumnisse auf einen Kollegen, der nicht mehr der Bundesregierung angehört. — Herr Kollege Apel, Herr Matthöfer, Sie wissen ganz genau, was uns jene Nachtsitzungen, in denen der Staatsminister von Dohnanyi die Bundesregierung vertreten hat — um nur einen zu nennen, der hier eine ganz besondere Verantwortung zu übernehmen hat —, bis heute an Kosten und Problemen gebracht haben.
Dann bitte ich auch, daß Sie die Verantwortung für das eigene Handeln und Unterlassen generell übernehmen. Es ist doch nicht zulässig, die Erhöhung der Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung unter der Überschrift zu behandeln: Die CDU/CSU bricht ihre Versprechungen. — Die Beitragserhöhung zur Rentenversicherung geht auf eine Initiative der Regierung Schmidt zurück. Sie ist von uns aus der akuten Notsituation der Rentenversicherung vier Monate eher als von Ihnen geplant in Kraft gesetzt worden.Die Beitragserhöhung zur Arbeitslosenversicherung geht auf eine Initiative der Regierung Schmidt zurück. Wir haben dann aus der akuten Finanzkrise heraus aus 0,5 % 0,6 % gemacht. Man kann nicht eigene Vorlagen, die der Verbesserung der Einnahmen bei den sozialen Sicherungssystemen dienen, der heutigen Regierung polemisch vorhalten und zugleich alle Kürzungen in diesen Bereichen bekämpfen. Das ist mit dem Rang eines finanzpolitischen Sprechers der Sozialdemokratischen Partei überhaupt nicht mehr vereinbar.
Meine Damen und Herren, wer sich, wie Herr Kollege Apel, in einem Satz zur Bedeutung einer verstärkten Investitionsdynamik bekennt, kann die steuerlichen Entlastungen für den Mittelstand und die gewerbliche Wirtschaft nicht so abqualifizieren, wie das hier geschehen ist. Wir werden mit Interesse abwarten, ob uns der weitere Verlauf der Beratungen nun noch jene Alternative oder den Versuch einer Alternative bringt, den wir heute vermißt haben.Herr Kollege Kleinert, ich habe Ihre Berechnungsmodelle nicht ganz verfolgen können. Ich will das gern im Protokoll nachlesen. Ich habe es auch nicht ganz verstehen können, daß beim Beispiel eines arbeitslosen Lehrers, das Sie gebracht haben, die Kürzung der Eingangsbesoldung im öffentlichen Dienst eine Rolle spielen kann.
— Ich habe das nicht ganz verstanden, aber ich werde das mit Sorgfalt nachlesen.Ich will zwei Bemerkungen zu dem machen, was Sie zu den Großprojekten gesagt haben. Wir haben die von Ihnen kritisch angesprochenen Großprojekte in einer Situation übernommen, in der sie zu 70 % fertiggestellt waren. Verkehrswissenschaftler und Verkehrspolitiker können weiterhin eine abstrakte Diskussion darüber führen mit beachtlichen Argumenten Pro und Kontra, ob der Rhein-Main-Donau-Kanal eine richtige Investition ist. Nur: Wer sich als Parlamentarier — auch als Parlamentarier der Opposition — oder gar als Regierungsmitglied dazu äußert, darf zwei Tatsachen nicht übersehen. Er beruht auf geltenden Verträgen und er ist in der Verantwortung unserer Vorgänger zu 70 % fertiggebaut. Ich sage das als Beispiel für andere Fälle. Da wir unter den Regeln eines Rechtsstaats leben und sie ernst nehmen, muß ich Ihnen sagen: Dies kann man nicht übersehen.Ich sage auch ein zweites: Ich halte nichts von Investitionsruinen. Darin unterscheiden wir uns grundsätzlich. Ein Großteil der Aktivitäten Ihrer politischen Gruppe in den letzten Jahren war ja darauf gerichtet, möglichst viele Investitionsruinen in diesem Land entstehen zu lassen.
Ich halte das nicht für einen förderlichen Beitrag zur Lösung der Wirtschafts- und Arbeitsmarktprobleme der Zukunft.
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1208 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Bundesminister Dr. StoltenbergIch will als letztes sagen: Ich will auf Ihre volkswirtschaftlichen Theorien nicht im einzelnen eingehen.
Aber wenn Sie die Theorie des Crowding-out bezweifeln, d. h. die Überzeugung oder die Analyse, daß eine überhöhte Staatsverschuldung zinstreibend wirkt und rentable private Investitionen bedroht, dann ist doch ein entscheidendes Argument der Kritik an den Vereinigten Staaten von Amerika in diesem Bereich gegenstandslos, dem Herr Apel drei Seiten seiner Rede gewidmet hat.
Ich möchte einmal salopp sagen: Was bekümmert uns letzten Endes das Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten von Amerika im Hinblick auf die deutsche Innenpolitik, wenn wir nicht befürchten und annehmen müssen, daß ein überhöhtes Haushaltsdefizit entscheidend zu dieser Zinssteigerung beigetragen hat, die uns berührt? — Wir sind j a hier mit Herrn Apel, jedenfalls in der Grundsatzbeurteilung, nicht verschiedener Meinung. Wir sind nur der Meinung, daß man in einer innenpolitischen Debatte für diese Betrachtung nicht zuviel Zeit verwenden sollte, sondern sich mehr damit beschäftigen sollte, das eigene Haus in Ordnung zu bringen.Ich möchte den Herrn Kollegen Hoppe und Carstens für ihre eigenen Überlegungen, die auch über die Regierungsvorlage hinausgehen, aber vor allem auch dafür danken, daß die Gemeinsamkeit unserer politischen Überzeugung, unseres politischen Handelns hier bekräftigt wurde.
Das Wort hat der Abgeordnete Walther.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, da Sie in dem Zwiegespräch mit meinem Freund Hans Apel die Frage, ob Sie bei der Darstellung unserer Alternativen nicht zugehört hätten, nur ausweichend beantwortet haben, will ich versuchen, diese Alternativen hier noch einmal in wenigen Sätzen darzustellen. Wir haben gesagt, auch wir Sozialdemokraten gehen vom Ziel der Konsolidierung nicht ab. Nur den Weg, den Sie hier gehen, nämlich Konsolidierung allein auf dem Rücken der Kleinen und Schwachen, lehnen wir ab. Ich denke, das hätten Sie zur Kenntnis nehmen sollen.
Über das, was Sie, Herr Kollege Hoppe, hier gesagt haben, die Besserverdienenden leisteten mit der bürokratischen Zwangsanleihe einen erheblichen Sparbeitrag, kann ich nur lachen. Herr Stoltenberg hat selber zugegeben, daß dabei nicht viel hereinkommt, und außerdem wird das zurückgezahlt werden. Wer dies als einen Sparbeitrag von Besserverdienenden bezeichnet, von dem muß ich annehmen, daß er die Begriffe der deutschen Sprache zumindest hier am Rednerpult ein bißchen durcheinander bringt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Stoltenberg, ich will in dem Zusammenhang gerne noch aufgreifen, was Sie im Hinblick auf unsere Überlegungen zum öffentlichen Dienst gesagt haben. Sie haben gefragt — ich will diesen Ansatz zunächst einmal nicht kritisieren —: Wie kann man den Gleichklang zwischen Tarif und Besoldung herstellen? Aber wenn Sie diese Überlegung anstellen, dann frage ich Sie: Warum tun Sie denn genau das Gegenteil? Indem Sie Beamte anders behandeln als Arbeiter und Angestellte, stören Sie genaugenommen den Gleichklang. Indem Sie die Erhöhungsraten anders ansetzen, indem Sie die Zeitpunkte anders ansetzen, stören Sie sofort den Gleichklang zwischen Besoldung und Tarif. Dort geht es. Aber hinsichtlich der Vorschläge, die wir machen, die sozial ausgeglichener sind, sagen Sie, daß es ein Auseinanderfallen von Tarif und Besoldung nicht geben dürfe. Mir scheint, Herr Bundesfinanzminister, Sie sollten an der Stelle über Ihre eigene Argumentation noch einmal nachdenken.
Ich sage das gar nicht polemisch, sondern meine, daß das, was an der einen Stelle richtig ist, an der anderen nicht falsch sein kann.Nun möchte ich mich noch kurz an meinen Kollegen Hoppe wenden. Sie haben vorhin gesagt, Herr Kollege Hoppe, daß die Konjunkturprogramme in der Zeit, in der unsere beiden Fraktionen miteinander regiert haben, nicht viel gebracht, keinen selbsttragenden Aufschwung herbeigeführt hätten. Herr Kollege Hoppe, ich darf hoffentlich mit Ihrer Zustimmung sagen: Diese Regierung, diese konservative — angeblich liberale Regierung würde sich doch „von" schreiben, wenn die Zahl der Arbeitslosen so gering wäre, wie sie damals während unserer Regierungszeit gewesen ist.
Dann will ich in dem Zusammenhang noch eins sagen, Herr Kollege Hoppe: Ich verstehe ja das, was Sie sagen; denn Sie sind in einer sehr schwierigen Situation. Sie haben damals — gemeinsam mit Ihren politischen Freunden — den Koalitionsbruch bei einer Neuverschuldung von rund 28 Milliarden DM vorangetrieben. Jetzt dagegen müssen Sie eine Neuverschuldung von 40 Milliarden DM in diesem Jahr und von 37 Milliarden DM im nächsten Jahr als großen Erfolg verkaufen. Das ist schon verdammt schwierig; das gebe ich zu. Daß Sie deshalb so argumentieren müssen, verstehe ich.Nur, Herr Bundesfinanzminister, ich sage es noch einmal: Das, was Hans Apel hier vorgetragen hat, sollten Sie im Ernst noch einmal bedenken. Die Verplemperung, die Verschleuderung von Steuergeldern für nichtbeschäftigungswirksame Maßnahmen ist in dieser Situation Gift. Der Kollege Apel hat Ihnen doch erläutert, daß die Vermögensteuersenkung — die Vermögensteuer ist ja sowieso nur eine Großbetriebs-Steuer — zu nichts anderem
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1209
Waltherführt, als daß Daimler-Benz noch größere Geldvermögen ansammelt und sie noch höher verzinsen läßt als bisher.
Statt dessen sollten Sie das Geld nehmen, um die dringend notwendige Nachfrage im Investitionssektor voranzutreiben. Der neben Ihnen sitzende Bundeswirtschaftsminister wird Ihnen bestätigen können, daß der Anspruch, die Investitionsrate in der Volkswirtschaft müsse steigen, nun wirklich bis heute nicht erfüllt ist.Ich will nur noch eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, hinsichtlich Ihrer letzten Intervention machen. Sie haben Herrn Kollegen Apel vorgeworfen, er habe sich hier polemisch mit dem Teil Ihres Pakets, der Abgabenerhöhung beinhalte, auseinandergesetzt, und Sie haben darauf hingewiesen, daß es solches in der früheren Regierung auch gegeben habe. Dies hat doch niemand bestritten. Nur, Herr Bundesfinanzminister, der Kollege Apel hat Sie doch an Ihren eigenen Zitaten, an Ihren eigenen Ansprüchen aus Ihrer Oppositionszeit gemessen.
Wenn wir Sie daran messen, Herr Bundesfinanzminister, dann können Sie doch nicht bestreiten, daß Sie, wie ich es schon einmal gesagt habe, eine Lernfähigkeit entwickelt haben, die nur noch in Schallgeschwindigkeitseinheiten zu messen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß in diesem Zusammenhang auf den vom Bund gewährten Milliardenkredit an die DDR zurückkommen, über den in der Öffentlichkeit viel diskutiert worden ist. Mit Ihnen, Herr Dr. Stoltenberg, sind wir der Meinung, daß jede öffentliche Erörterung der Umstände im Zusammenhang mit diesem Kredit den deutsch-deutschen Beziehungen nicht förderlich ist. Um so mehr aber hätten Sie als der dafür politisch verantwortliche Minister dafür sorgen müssen, daß die zuständigen Gremien des Parlaments rechtzeitig und umfassend informiert werden. Eine zögerliche — ich muß sagen: unwillige — Informationspolitik Ihres Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Voss hat aber die öffentlichen Fragestellungen erst provoziert.Nun, Herr Bundesfinanzminister, sage ich Ihnen etwas ganz Ernstes: Es ist der Gipfel der Unverschämtheit, wenn besagter Herr Voss an Stelle einer sachgerechten Beantwortung der von mir als dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses gestellten Fragen den „Bayernkurier" als Lektüre empfiehlt. Herr Bundesfinanzminister, ich sage Ihnen: Wenn das der Stil ist, mit dem Ihr Parlamentarischer Staatssekretär mit dem Haushaltsausschuß verkehren will, dann wird er viel Ärger mit uns bekommen.
— Es kann sein, daß Sie Ihren Zwischenruf so wenig ernst nehmen, wie Ihre Gesichtszüge dies zum Ausdruck zu bringen scheinen. Ich sage Ihnen: Wenn dieser Parlamentarische Staatssekretär offizielle Fragen des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses damit beantwortet, daß er ihm den „Bayernkurier" übersendet, dann ist es ein empörendes Verfahren, gegen das sich das gesamte Parlament wehren sollte.
Herr Abgeordneter Walther, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte.
Herr Kollege Riedl, bitte.
Herr Kollege Walther, darf ich mich für diese einzigartige Schleichwerbung für den „Bayernkurier" recht herzlich bedanken?
Herr Kollege Dr. Riedl, Sie dürfen dies. Nur hätte ich von Ihnen als dem stellvertretenden Vorsitzenden des Haushaltsausschusses erwartet, daß Sie sich hinsichtlich des Verfahrens meiner Beurteilung angeschlossen hätten.
Ebenso enttäuschend, meine Damen und Herren — darüber möchte ich jetzt reden —, ja noch dürftiger als der Haushaltsentwurf 1984 ist der Finanzplan der Jahre 1983 bis 1987, den die Bundesregierung heute ebenfalls hier vorlegt. Der Finanzplan ist nämlich adäquat der Qualität der gesamten Regierungspolitik. Er ist sozusagen eine geistig-moralische Mifrifi.
Ich bin weit davon entfernt, die mittelfristige Finanzplanung überzubewerten. Das wissen wir alle, und wir alle haben unsere leidvollen Erfahrungen damit. Aber was die Bundesregierung heute vorlegt, gibt überhaupt keine Auskunft über die Regierungspolitik bis zum Ende der Legislaturperiode. Mit einer unter Berücksichtigung der aktuellen Wirtschaftsdaten unglaublichen Blauäugigkeit geht die Bundesregierung von Wachstumsraten der Volkswirtschaft für die nächsten Jahre aus, bei denen nirgendwo zu sehen ist, wie sie erreicht werden sollen, und daran ändert auch die optimistische Rede des Kollegen Carstens von heute nachmitag überhaupt nichts.Es ist überhaupt nichts von den nationalen und internationalen strukturellen Krisen und Risiken zu erkennen, die die Haushaltswirtschaft der künftigen Jahre belasten. Ich nenne nur ein paar Daten und Fakten: der kraftlose Verlauf der Weltkonjunktur, die Bedrohungen des internationalen Finanzsystems, vor allem das amerikanische Zinsniveau —
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1210 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Waltherdarüber ist geredet worden —, die Probleme von Stahl, Kohle und Werften, aber auch die großen Probleme bei der Deutschen Bundesbahn.Der drohende Kollaps des EG-Haushalts — Sie haben davon hier nur sehr sibyllinisch gesprochen, Herr Dr. Stoltenberg — wird im Finanzplan einfach negiert. Ich will Ihnen dazu eine aktuelle Meldung von vor zwei Stunden vorlesen. Dort steht: „Der Agrarfonds der Europäischen Gemeinschaft wird in sechs Wochen seine Zahlungen einstellen müssen, wenn das Europäische Parlament nicht bis dahin den vorgeschlagenen Nachtragshaushalt verabschiedet. Das teilte die Europäische Kommission am Mittwoch in Brüssel mit." Das heißt, schon im Jahre 1983 reichen die eigenen Einnahmen der EG nicht mehr aus, um die Ausgaben bezahlen zu könen. Da wollen Sie uns vormachen, Herr Dr. Stoltenberg, im Jahre 1984 könnten Sie die 1 %-Mehrwertsteuergrenze halten.Dies halte ich um so mehr für einen Aberglauben, als die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Reform des EG-Agrarmarkts eine sehr unklare Haltung an den Tag legt. Der Bundeslandwirtschaftsminister hat schon gesagt, daß er sich von Ihnen keine Vorschriften machen läßt und daß der Bundeskanzler ihm im Rücken stünde. Eine solche Haltung läßt nicht erwarten, daß es zu Kostensenkungen kommt. Im Gegenteil, man muß befürchten, daß die Kosten bei dem, was in Brüssel herauskommt, noch mehr steigen als schon bisher. Herr Bundesfinanzminister, Sie wissen genauso gut wie ich: Wenn das, was aus Brüssel kommt, einen Anteil von 1,3% von der Mehrwertsteuer bedeutet, dann ist das für Ihren Haushalt ein Risiko von ca. 3 Milliarden DM im Jahr.Das gleiche — ich rede über die Risikofaktoren — gilt für die Gewährleistung des Bundes, über die Sie, Herr Bundesfinanzminister, nicht nur sonst öffentlich reden, sondern auch heute morgen geredet haben.Die Naivität, mit der Sie im Anhang I — Sie können das alles nachlesen — des Finanzplans diese Hypotheken und diese Probleme angesprochen haben, kann nicht übertroffen werden. Da wird sozusagen als Geschäftsgrundlage unterstellt — ich zitiere —, „daß es in den nächsten Jahren nicht zu neuerlichen schwerwiegenden weltpolitischen oder weltwirtschaftlichen Störungen kommt", als ob wir vom Export lebende Nation nicht mitten in solchen Störungen steckten. Es wird weiter unterstellt — ich zitiere wieder —, „daß der Welthandel nicht durch zusätzliche protektionistische Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogen wird", so als ob nicht der von mir eben schon zitierte Landwirtschaftsminister dieser Bundesregierung, und zwar gerade als Führer, sogar dabei wäre, in Reaktion und Gegenreaktion zu den USA zusätzlich derartige Hürden im Agrarbereich aufzubauen. Da wird schließlich davon ausgegangen, daß es zu keiner Erschütterung des internationalen Finanzsystems komme, so als ob wir angesichts der Zahlungsprobleme von Ländern der Dritten Welt oder von Staatshandelsländern diese Erschütterungen mit noch nicht absehbaren Folgen nicht längst erlebten. — Es vergehtauch kaum ein Tag, an dem nicht von einem neuen Land Zahlungsschwierigkeiten gemeldet werden.Wir hätten erwarten können und haben erwartet, Herr Bundesfinanzminister, daß diese Probleme, von denen unsere Haushaltswirtschaft ebenfalls entscheidend abhängt, weniger lapidar und ohne den schalen Optimismus, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, angesprochen werden.Der Finanzplan erhebt den hohen Anspruch — ich zitiere wieder —, die wirtschaftliche Neubelebung zu kräftigen und die Voraussetzungen zur Überwindung der hohen Arbeitslosigkeit zu verbessern. Dabei wird von einer Umschichtung des Haushalts vom konsumtiven zum investiven Teil gesprochen.
— Das ist der beste Witz.Herr Kollege Dr. Stoltenberg, wenn Sie sich Ihren eigenen Finanzplan anschauen, stellen Sie fest, daß die Investitionsquote nach Ihren eigenen, von Ihnen vorgelegten Zahlen von 13,3% auf 12,5 % absinkt.
— Ich will gar nicht von Trick reden. Sie haben als Folge Ihres BAföG-Kahlschlags ja die Darlehen aus BAföG nach dem Investitionsbegriff als Investition einsetzen müssen. Ich gebe das zu. Aber ohne die Umwandlung von BAföG-Unterstützung in BAföG-Darlehen wäre auch 1984 Ihr Investitionsanteil erheblich geringer.
Und wenn Sie schon vergleichen wollen, Herr Dr. Stoltenberg, dann müssen Sie 1984 mit BAföG-Darlehen vergleichen mit 1982: Investitionsanteile ohne BAföG-Darlehen. Nur dann kommen Sie zu einem vernünftigen Vergleich.Meine sehr verehrten Damen und Herren, da soll den Bürgern eingeredet werden, die Sparmaßnahmen zu Lasten der Einkommensschwächeren und die gleichzeitigen Steuergeschenke vor allem an Großunternehmen seien notwendig, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dabei widerspricht sich die Bundesregierung im Finanzplan selbst. Denn auch wieder im Anhang I des Finanzplans heißt es — Herr Kollege Hoffmann, ich beantworte Ihnen jetzt Ihre Frage, die der Bundesfinanzminister nicht beantwortet hat —, daß bis 1987 allenfalls eine leichte Zunahme der Zahl der Arbeitnehmer zu erwarten sei und daß 1984 die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosen auf 2,5 Millionen steige und bis 1987 nicht abgebaut werde. Das heißt, in einem regierungsamtlichen Dokument, das uns heute vorliegt, wird Massenarbeitslosigkeit für die Zukunft fortgeschrieben. Wo Sie, Herr Kollege Carstens, da Ihren Optimismus hernehmen, ist mir völlig schleierhaft.
Sie sagen: Das Ergebnis unserer eigenen Politik wird sein, daß wir 1987 immer noch 21/2 Millionen Arbeitslose haben werden.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1211
WaltherNun, meine Damen und Herren, viele von Ihnen glauben ja selbst diese 21/2 Millionen nicht mehr. Herr Albrecht, Ihr eigener Ministerpräsident, Herr Carstens, hat Ihnen j a vorgerechnet, daß 31/2 Millionen sehr viel realistischer seien.Und da frage ich schon: Wie sind Sie eigentlich darauf vorbereitet, wenn diese Prophezeiung von Herrn Albrecht — Mitglied in Ihrem Parteipräsidium, Herr Dr. Stoltenberg — eintritt? Was bedeutet dann dies für die öffentlichen Haushalte? Und vernichtender als die Kritik von Herrn Albrecht an Ihrer Politik kann unsere doch gar nicht sein. Herr Albrecht hat doch gesagt: So, wie Sie Ihre Politik angelegt haben, kommen zwangsläufig 3 bis 31/2 Millionen Arbeitslose.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stoltenberg?
Bitte schön.
Herr Kollege Walther, ist es nicht richtiger, bei der finanziellen Vorsorge für Arbeitslosigkeit, wie in diesem Jahr eine Prognose am oberen Rand der möglichen Entwicklung vorzunehmen und zum Schluß des Jahres 1983 voraussichtlich festzustellen, daß die Arbeitslosigkeit darunter liegt, als zu niedrige Zahlen einzustellen und zum Schluß des Jahres zu erkennen, daß die Arbeitslosigkeit und der Finanzbedarf höher sind?
Herr Kollege Stoltenberg, wenn das so wäre, wie Sie es darstellen, könnte ich dagegen gar nichts einwenden. Nur hatte ich gehofft, daß Ihre Zwischenfrage zum Inhalt gehabt hätte, daß Sie die Prognosen Ihres Präsidiumsmitglieds Albrecht zurückweisen. Der hat gesagt, Sie seien viel zu optimistisch, es sei realistischer, von dreieinhalb Millionen Arbeitslosen auszugehen.
Herr Kollege, es gibt zwei Bitten um Zwischenfragen, noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Stoltenberg und eine Frage des Abgeordneten Apel. Sie haben die Freiheit der Wahl, keinen oder nacheinander.
Die beiden letzten.
Die beiden letzten. Wen wünschen Sie zuerst zu beantworten, Herr Kollege? Herrn Kollegen Apel?
Ich gehe nach dem Alphabet, und Sie waren gerade dran.
Herr Kollege Walther, wäre es nicht besser, wenn der Bundesfinanzminister, statt vorsichtig zu rechnen, lieber aktive Bekämpfung der Arbeitslosigkeit über seine Finanzpolitik betreiben würde?
Herr Kollege Dr. Apel, daß ich Ihnen zustimme, davon können Sie unbesehen ausgehen. Ich gehe aber davon aus, daß Ihre Frage an Herrn Dr. Stoltenberg gerichtet war, und er wird sie gleich beantworten.
Bitte, die nächste Frage, Herr Abgeordneter Stoltenberg.
Herr Präsident, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil der Herr Kollege Walther sozusagen darum ersucht hat, das jedenfalls nahegelegt hat.
Herr Kollege Walther, würden Sie zugeben, daß eine sorgfältige Lektüre der Thesen des Kollegen Ernst Albrecht zeigt, daß die von Ihnen genannte Zahl von über drei Millionen Arbeitslosen von ihm dann für möglich gehalten wird,
wenn den von ihm begrüßten ersten Entscheidungen der Bundesregierung für die Verbesserung der Arbeitsmarktlage nicht weitere folgen, daß also insofern Ihre Wiedergabe dieser These eine unzulässige Verkürzung war?
Herr Dr. Stoltenberg, genau da will ich ansetzen.
— Bitte schön, behalten Sie ruhig Platz.
Verzeihen Sie, das ist die Ordnung des Hauses, Herr Kollege Walther.
Herr Präsident, da ich weiß, welch schwere Sorgen den Herrn Dr. Stoltenberg drücken, hätte ich nichts dagegen, wenn er das nicht im Stehen täte.
Nein, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, genau das ist der Punkt, auf den ich in meinen nächsten Ausführungen eingehen wollte. Genau darüber, über die nächsten Maßnahmen, gibt Ihr Finanzplan überhaupt keine Auskunft. Er ist die buchhalterische Fortschreibung des Status quo von 1984 inklusive langatmiger Beschreibungen des Haushaltsbegleitgesetzes für die Jahre 1985, 1986, 1987; hat also überhaupt keinen Ansatz von aktiver Politik.
Ich frage z. B., Herr Dr. Stoltenberg: Wo findet sich in Ihrem Finanzplan, was Graf Lambsdorff und andere als eigentlich schon morgen zu vollziehend darstellen, nämlich die Tarifreform im Einkommen- und Lohnsteuerbereich? Wo nehmen Sie die 15 Milliarden DM her? Das Familiensplitting kostet mindestens 10 Milliarden DM. Wo nehmen Sie die her? Der Bundeskanzler spricht von der Familie. Wo schlägt sich die Familienpolitik in Ihrem1212 •Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
WaltherFinanzplan nieder? Ich muß Sie wirklich fragen, Herr Dr. Stoltenberg: Wenn Sie heute hier einen Finanzplan vorlegen, der auf die Diskussionen in Ihren eigenen Reihen nicht eingeht, dann müssen Sie doch selbst zugeben, daß dieser Finanzplan bereits heute Makulatur ist.Ich sage noch einmal, Sie haben Risiken, die Sie nicht berücksichtigen. Das schlimmste Risiko ist die EG. Große Risiken entstehen aus den Beschäftigungsproblemen bei Stahl, Kohle und Werften. Nirgendwo im Finanzplan ist zu sehen, wie Sie diese Probleme eigentlich handhaben wollen. Nirgendwo gibt es eine Auskunft darüber. Nirgendwo ist zu sehen, wie Sie das Thema Bundesbahn abhandeln wollen. Ich bestreite gar nicht — ich will das hier ganz fair sagen —, daß es auch zu früheren Zeiten bessere Lösungen für die Behandlung der Bundesbahn hätte geben können. Sie tun aber so, als kämen Sie 1987 bei der Deutschen Bundesbahn mit einem Zuschußbedarf von 12 Milliarden DM aus; darüber lachen doch die Hühner, es sei denn, Sie wären bereit, die ganze Deutsche Bundesbahn vor die Hunde gehen zu lassen. Sagen Sie uns doch bitte, wie Sie mit diesen Risiken umgehen wollen.Sie haben Risiken aus der Beschäftigung, Risiken aus dem Nichteintreffen von Wachstumsprognosen. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß Sie 3% reales Wachstum im Jahr erreichen werden, schon gar nicht bei Ihrer Politik. Alle die Risiken, die Sie hier deutlich haben, auch die aus den Bürgschaften, schlagen sich nicht nieder, die finden sich in Ihrem Finanzplan nicht. Ich weiß, Sie haben 1987 in Ihrem Finanzplan eine frei verfügbare Masse von rund 9 Milliarden DM, von denen Sie noch nicht wissen, was Sie damit machen sollen. Ich will das fairerweise hier sagen. Aber all die Risiken, von denen ich gesprochen habe, werden diese Masse mehr als verfrühstücken.Dann frage ich Sie, bitte schön: Wie haben Sie vor, das Thema Einkommensteuer- und Lohnsteuertarifreform zu behandeln? Dann frage ich Sie: Wie haben Sie vor, das Thema Familiensplitting zu behandeln? Dann frage ich Sie: Wie wollen Sie das finanzieren? Wenn Sie es kostenneutral machen wollen, müssen Sie das Kindergeld weitgehend abschaffen. Ich frage Sie: Haben Sie das vor? Dies hier, meine Damen und Herren, das Parlament ist der Ort, an dem solche Fragen beantwortet werden müssen.
Ich wäre sehr dankbar, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie im Laufe dieser zweieinhalb Tage noch häufig die Gelegenheit der Intervention nehmen würden und hierher kämen, um die Fragen, die hier gestellt wurden, zu beantworten. Ihr Finanzplan geht jedenfalls davon aus, als würden Sie die nächsten drei Jahre — es ist sowieso eine Tu-nixRegierung — noch weniger tun, als Sie bisher zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit getan haben. Dies kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
Da Sie dies selber nicht glauben, frage ich noch einmal: Welches sind Ihre Antworten? Wenn Ihre Antworten so ausfallen, daß der Finanzplan schon heute Makulatur ist, frage ich Sie: Sind Sie bereit, ihn zurückzuziehen und durch einen neuen, durch einen realistischeren zu ersetzen?
Herr Kollege, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gerster?
Eigentlich stehe ich zu meinem Wort, Herr Präsident. Ich hatte gesagt: „die beiden noch".
Das Präsidium hat Ihre Redezeit bereits verlängert.
Aber bei dem Kollegen Gerster, der, wie ich weiß, bei den Mainzer Hofsängern beheimatet ist, will ich gerne eine Ausnahme machen.
Herr Kollege Gerster.
Herr Kollege Walther, sind Sie bereit, hier öffentlich zuzugeben, daß Sie bereits im März dieses Jahres angekündigt haben, der Haushalt 1984 sei unsolide, und bereits Mitte des Jahres sei ein Nachtragsetat notwendig, und daß Sie sich zumindest in dieser Prognose geirrt haben?
Herr Kollege Gerster, warten wir einmal den 15. Januar 1984 ab. Dann werden wir die endgültigen Zahlen des Haushalts 1983 haben, und dann können wir darüber weiterreden. Dann können wir einmal gucken, ob es da nicht Überkipper gibt, ob es da nicht vielleicht im Einzelplan 14 Beträge gibt, die ins neue Jahr verschoben sind, oder ob es nicht andere Fragen gibt.
Dann bin ich gern bereit, Ihre Frage zu beantworten. Bis dahin rate ich Ihnen: Haben Sie mit mir Geduld; warten wir den Zeitablauf ab.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte eine weitere Bemerkung im Zusammenhang mit dem Finanzplan machen. Das einzige, worüber Sie sich im Finanzplan deutlich äußern, ist, daß Sie die Zuwachsraten im Verteidigungshaushalt deutlich über den Zuwachsraten des Gesamthaushaltes halten wollen. Ich sage Ihnen freimütig, Herr Bundesfinanzminister: Wir Sozialdemokraten bejahen ohne Wenn und Aber die Landesverteidigung. Wir haben auch zu unserer Zeit dem Verteidigungsminister das gegeben, was ihm zukam.
— Ich bin gerne bereit, Ihnen meinen Namen zu nennen, wenn Ihnen der entfallen sein sollte.Aber in einer Zeit, in der Sie den Ärmsten der Armen, den kleinen Leuten eine Menge Geld wegnehmen — der Kollege Kleinert hat es vorgerechnet —, in dieser Zeit, in der Sie massive Einschnitte in das soziale Netz vornehmen, indem bei Ihnen die Sparpeitsche dort am lautesten knallt, wo die Ein-
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Waltherkommen am niedrigsten sind, halte ich eine Zuwachsrate in diesem Bereich über die Zuwachsrate des Bundeshaushalts hinaus für nicht vertretbar.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie aus allgemeinen gesellschaftspolitischen Gründen darüber noch einmal nachdenken würden. Ich weiß, daß dies harte Sparmaßnahmen bedeuten würde. Aber, wenn wir überall sparen wollen, dann muß das auch dort geschehen. Seitdem Herr Wörner auf der Hardthöhe sitzt und ganz anders redet als noch früher von der Oppositionsbank her, habe ich das Gefühl, daß das auch dort oben noch mehr verstanden wird.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe versucht, eine Reihe von Fragen an die Bundesregierung im Hinblick auf die Haushaltswirtschaft der nächsten vier Jahre zu stellen. Ich fordere Sie noch einmal auf, Herr Dr. Stoltenberg, die gestellten Fragen im Verlaufe dieser Debatte zu beantworten. Wenn dies nicht oder nur unzureichend geschehen sollte, werden wir diese Fragen öffentlich so lange wiederholen, bis die Bundesregierung nicht mehr kneifen kann. Wir Sozialdemokraten werden uns jedenfalls nicht damit abfinden, daß in einem regierungsamtlichen Dokument Massenarbeitslosigkeit auf unendliche Dauer fortgeschrieben wird.Mir als einem hessischen Abgeordneten möge man es nachsehen, wenn ich die Hoffnung ausspreche, daß auch die hessischen und bremischen Wähler am 25. September mit ihrem Stimmverhalten deutlich machen werden, daß auch sie nicht bereit sind, sich mit regierungsamtlich verordneter Massenarbeitslosigkeit abzufinden. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stavenhagen.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Auf die Anmerkungen des Kollegen Walther einige Erwiderungen.
Ich komme zunächst zu dem Problem mit der Vermögensteuer. Lieber Herr Kollege Walther, Sie wissen genau, daß in dem Konzept der Absenkung der Vermögensteuer ein neuer Freibetrag eingebaut ist. Das ist die mittelstandspolitische Komponente dabei. Dies wirkt für unten. Etwa 30% aller Handwerksbetriebe sind von dieser Steuersenkungsmaßnahme betroffen. Es ist also falsch, wenn Sie behaupten, dies sei eine Maßnahme allein für die Großen.
Sie haben zum Schluß Ihrer Rede den Einzelplan 14 angesprochen und darauf hingewiesen, daß Sie die Steigerungsrate in der mittelfristigen Finanzplanung nicht mitmachen. Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß sich die über dem Durchschnitt des Bundeshaushalts liegende Steigerungsrate beim Einzelplan 14 nur unter Einbeziehung der Personalverstärkungsmittel ergibt; sonst liegt sie unter dem Durchschnitt.
Der Einzelplan 14 weist 40 % Personalkosten auf. Wir reden hier also nicht nur über Beschaffungsmaßnahmen, von denen Verteidigungsminister Wörner noch keine einzige neue beschlossen hat. Bisher zahlen wir nur für das, was Sie angeschafft haben. Wir bezahlen Ihre Rechnungen, Herr Kollege.
Das muß bezahlt werden. Das kann man nicht alles auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Dadurch wird es nicht billiger.
Herr Kollege Stavenhagen, erlauben Sie eine Frage des Abgeordneten Hoffmann?
Ja, bitte. Präsident Dr. Barzel: Herr Kollege Hoffmann.
Ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung in dem jetzt vorgelegten Dokument „Finanzbericht 1984" selbst davon ausgeht, daß in den nächsten drei Jahren deutlich über dem Durchschnitt der Zuwachsraten des Gesamtetats liegende Steigerungen bei den Verteidigungsausgaben zu verzeichnen sind? Ist es richtig, daß Ihr Argument bezüglich der Personalkosten allein schon deshalb nicht stichhaltig ist, weil die Beschaffungen auf dem Sektor Rüstung um 7,1 % bis 8,5 % steigen, also noch viel stärker als alle anderen Faktoren?
Herr Kollege, die Preissteigerungsraten im Rüstungssektor liegen aus Gründen, die Sie genausogut wissen wie ich, immer deutlich über den normalen Preissteigerungsraten. Hier hatten wir in den letzten Jahren eine Größenordnung von 7 bis 8 %. Das bedeutet einen realen Stillstand. Was Sie sagen, ändert überhaupt nichts an meiner Feststellung: Zur Zeit bezahlen wir nur Ihre Rechnungen, sonst überhaupt nichts.
Ich möchte noch etwas zum Thema der Investitionsquote sagen. Das wurde heute wiederholt angesprochen. Wenn wir den alten Finanzplan von Ihnen übernommen hätten, wären wir im Haushalt 1984 bereits bei der Investitionsquote von 12,5 %, die Sie für 1987 kritisieren. Dort wären wir jetzt schon.Wenn Sie sich die Finanzpläne der Vergangenheit ansehen, stellen Sie fest, daß die Investitionsquote häufig sank. Im Planungszeitraum 1979 bis 1982 sank sie um über 2 %.Ein Absinken der Investitionsquote ist also nichts Neues. Zum anderen ist die Investitionsquote allein
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Dr. Stavenhagenein problematisches Kriterium für die Qualität eines Bundeshaushalts.
Es kommt natürlich im wesentlichen darauf an, daß wir im Bundeshaushalt genügend zukunftsgerichtete und wachstumsfördernde sowie beschäftigungswirksame Ausgaben haben. Nicht alle Ausgaben, die diese Kriterien erfüllen, sind unter dem etwas problematischen Begriff „Investitionen" einzuordnen.
Ich will nunmehr an Ihre generelle Kritik an der mittelfristigen Finanzplanung anschließen. Lieber Herr Kollege Walther, bei der mittelfristigen Finanzplanung würden Sie uns zu Recht kritisieren, wenn wir dort das Prinzip Hoffnung bilanzierten.
Die mittelfristige Finanzplanung ist eine Fortschreibung dessen, was heute rechtlich überschaubar ist.
Sie können doch nicht ernsthaft, bevor Sie überhaupt in der EG Verhandlungen geführt haben, in der mittelfristigen Finanzplanung das Geld quasi auf den Tisch legen. Dann ist Ihre Verhandlungsposition ausgesprochen mies.Wer wie Sie die mittelfristige Finanzplanung kritisiert, soll sich doch noch einmal daran erinnern, wie die Etats der vergangenen Jahre gelaufen sind.
Ich erinnere nur daran, was wir im Herbst 1982 zu tun hatten. Im Januar 1982 waren in der dritten Lesung 27 Milliarden DM Neuverschuldung etatisiert worden. Das hat fünf Monate gehalten. Im Juli brachten Sie dann den ersten Nachtragshaushalt ein, der die Neuverschuldung auf 34 Milliarden DM steigen ließ. Im Oktober mußten wir schließlich den zweiten Nachtragshaushalt einbringen. Die Neuverschuldung betrug danach rund 40 Milliarden DM. Sie konnten also nicht einmal über mehrere Monate präzise planen.Das zweite, was wir auch im Herbst 1982 zu machen hatten — Sie erinnern sich daran —, war, Kassensturz zu machen und Lahnsteins „stocksoliden Haushalt" mit einer angeblichen — strahlenden — Neuverschuldung von 28 Milliarden DM erst einmal umzuarbeiten. Das haben wir alles machen müssen.Daß in der mittelfristigen Finanzplanung Risiken und Unwägbarkeiten stecken, wissen wir so gut wie Sie. Wir haben die erwarteten Wachstumsraten real mit 2 bis 21/2 % angenommen. Wir hoffen, daß diese Annahme zutreffen wird; wir hoffen sogar, daß wir darüber liegen werden.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sperling?
Bitte schön.
Herr Stavenhagen, stimmt es nicht, daß Sie, wenn Sie ein solches Wachstum in der mittelfristigen Finanzplanung zugrunde legen, von vornherein mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen müssen, weil alles andere 'wirtschaftspolitisch, wirtschaftswissenschaftlich unlogisch wäre, und daß Ihre mittelfristige Finanzplanung folglich die Erhöhung der Arbeitslosigkeit vorprogrammiert?
Herr Kollege, die mittelfristige Finanzplanung ist keine vollständige Beschreibung dessen, was in der gesamten Welt passiert, was sich z. B. im tariflichen Bereich im Zusammenhang mit der Flexibilität von Arbeitsplätzen und Arbeitszeit auswirken wird, findet in der mittelfristigen Finanzplanung überhaupt keinen Niederschlag. Daß heißt, was Sie in der mittelfristigen Finanzplanung finden, ist das, was der Finanzminister zu tun, was er fortzuschreiben hat. Darüber hinaus gibt es noch andere Felder der Politik, auch der Tarifpolitik, andere Politikbereiche, die sich hier nicht niederschlagen.
Ich möchte noch etwas zu Art. 115 des Grundgesetzes sagen. Kollege Walther hat j a die Frage gestellt, mit welchem Nachdruck wir die Klage verfolgen. Ich darf Ihnen deshalb mit Billigung des Kollegen Dr. Schäuble berichten, daß wir den Gutachter Professor Friauf gebeten haben, sein Gutachten bis zum 15. September dieses Jahres abzuliefern. Wenn wir es bis dahin nicht hätten, müßten wir das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ohne Vorlage des Gutachtens fortführen, d. h. wir werden die Sache mit Nachdruck weiter betreiben.
Über das Thema Bundesbankgewinn will ich jetzt nichts sagen. Aber doch noch etwas, Herr Kollege Walther, zum Thema DDR-Kredit: Tatsache ist, daß dieser DDR-Kredit keine Subvention ist, kein Risiko für den Bundeshaushalt darstellt, in einer Mitteilung vom 7. Juli 1983 die Bundesregierung den Haushaltsausschuß unterrichtet hat. Sie, Herr Kollege Walther, haben diese offizielle Unterrichtung der Bundesregierung mit einem Zitat des bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß — entnommen einer Rede, die er auf dem Parteitag der CSU gehalten hat — verglichen und sich dann darüber pikiert gezeigt, daß Kollege Voss Ihnen gesagt hat: Hätten Sie den „Bayernkurier" gelesen, hätten Sie alles gewußt, weil darin alles enthalten war.Wenn Sie sich hierüber empören, sollten Sie — das ist meine Meinung — auf der anderen Seite offizielle Mitteilungen der Bundesregierung so nehmen, wie sie sind. Sie sind offiziell informiert und unterrichtet worden. Der Vergleich mit Zitaten, die
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Dr. Stavenhagenauf einem Parteitag gefallen sind, ist nicht hilfreich und in diesem Fall nicht üblich.
Was wir jetzt mit diesem Haushalt eingeleitet haben, ist der zweite Schritt des neuen finanzpolitischen Kurses. Heute ist ja wiederholt die Frage diskutiert worden, ob wir eigentlich zu schnell vorangehen oder nicht. Tatsache ist doch, daß wir mit den bisher ergriffenen Maßnahmen die Neuverschuldung bis 1987 auf die Größenordnung von 20 Milliarden DM herunterbringen. Aber wir senken nur die Neuverschuldung, die gesamte Verschuldung nimmt also weiterhin erheblich zu. Sie sagen, wir würden die Konjunktur kaputtsparen. Die OECD mahnt wissenschaftlich in ähnlicher Weise und ist besorgt. Aber andere sagen: das geht alles viel zu langsam, wir müssen hier wesentlich schneller vorangehen; so etwa das Kieler Institut für Weltwirtschaft.Was wir machen, ist der Kurs einer Konsolidierung auf mittlere Sicht, ein Kurs, der sowohl die angebotsorientierten Erfordernisse einer Stärkung der privaten Investitionskraft im Auge hat als auch den Erfordernissen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage Rechnung trägt.
Wir brauchen eine Doppelstrategie zur Wiederbelebung der Wirtschaft auf der einen Seite und Sanierung der öffentlichen Finanzen auf der anderen Seite. Solide Staatsfinanzen sind Voraussetzung für eine Wiedergesundung der Wirtschaft. Andererseits ist es notwendig, daß die private Wirtschaft wieder als Steuerzahler, als Leistungszahler und nicht als Kostgänger der öffentlichen Hand auftritt.Was Sie wollen, ist die alte nachfrageorientierte Politik, mit Beschäftigungsprogrammen die Beschäftigungsprobleme zu überwinden. Aber Herr Kollege Walther, wenn es richtig ist, daß wir zur Zeit das Problem der nicht ausgelasteten Kapazitäten haben — und es ist auch gestern wieder in der Presse bestätigt worden, daß das derzeitige Wirtschaftswachstum, das wir erfreulicherweise wieder haben, voll von der Produktivität getragen wird, also noch keinen Beschäftigungseffekt auslöst —, dann kann — —
— der Produktivitätszuwachs liegt jetzt bei 2,5 %, ist also höher als die Zunahme des Bruttosozialprodukts. Das heißt aber, daß durch eine nachfragebelebende Maßnahme allein zwar die Kapazitäten besser ausgelastet werden, aber mit den gleichen Beschäftigten; das ergibt in dieser Situation keinen Beschäftigungseffekt.
Deswegen ist eine kombinierte Strategie, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht außer acht läßt, aber andererseits die angebotsorientierte Seite, nämlich die Investitionen, stärkt, das Richtige, das in der gegenwärtigen Situation nottut.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther? — Herr Kollege Walther!
Herr Kollege Dr. Stavenhagen, ich fand diesen Teil Ihrer Ausführungen sehr interessant. Deshalb möchte ich Sie fragen, welche Investitionen Sie sich durch Ihre Steuergesetzgebung erwarten, angesichts Ihres eigenen Eingeständnisses, daß etwa ein Viertel der deutschen Wirtschaft unausgelastet ist.
Auch da geben die Presse und das Statistische Bundesamt Auskunft. Wir haben bei den Hochbauinvestitionen eine sehr erfreuliche Entwicklung. Wir haben auch bei den Ausrüstungsinvestitionen der Industrie im letzten Quartal im Vergleich zum entsprechenden Quartal des Vorjahres eine erfreuliche Entwicklung. Ich gebe gern zu, daß der spitze Bleistift nicht das einzige Investitionskriterium ist. Ein nicht unerhebliches Investitionskriterium ist auch, daß die Bürger sich wieder trauen, etwas einzukaufen, und die investierenden Unternehmer Mut fassen, in die Verläßlichkeit und Kalkulierbarkeit der politischen Entscheidungen zu vertrauen. Die erratischen Wechselsprünge sind weg, und auch deswegen wird wieder investiert.
Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther?
Die letzte bitte, Herr Kollege.
Ich verstehe das, Herr Kollege Dr. Stavenhagen. Aber der Teil ist so interessant, daß ich noch einmal nachfragen möchte: Welcher Unternehmer, dessen vierte Maschine stillsteht, wird sich als Folge Ihrer Steuergesetzgebung eine fünfte kaufen?
Herr Kollege, diese Frage ist zwar sehr hübsch, aber in sich falsch. Sie müssen sich die Zusammensetzung der Investitionen anschauen. Ihr Beispiel wäre eine reine Erweiterungsinvestition. Das ist aber nicht das Zentrale der Gegenwart, sondern das Zentrale ist die Modernisierungs- und Verbesserungsinvestition, die Investition zur Steigerung der Qualität der Produktion. In die Modernisierung wird im Moment investiert, und da ist es durchaus denkbar, daß ich für drei alte Maschinen, die zum Teil auch noch umweltmäßig unbefriedigend sind, neue kaufe, um damit entsprechend moderner, umweltfreundlicher und leistungskräftiger produzieren zu können.
— Nicht immer, Herr Kollege, durchaus nicht immer.Ich will der Behauptung von Herrn Apel, wir würden einem Rekordjahr an Insolvenzen entgegensteuern, aber doch noch etwas entgegenstellen. Tatsache ist, daß sich der Anstieg der Zahl der Unternehmenszusammenbrüche spürbar abgeflacht hat.
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1216 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. StavenhagenIm Januar 1983 hatten wir 30% mehr Unternehmenszusammenbrüche zu verzeichnen als im Januar 1982. Im Juni 1983 waren es nur 1,5 % mehr als im Juni des Vorjahres. Der Anstieg hat sich also wesentlich verlangsamt.Das zweite, was in diesem Zusammenhang auch wichtig ist, ist dies. Es ist erfreulich, daß die Bereitschaft zur Gründung selbständiger Existenzen enorm zugenommen hat. Dies läßt sich aus der Zahl der Anträge auf Gewährung eines ERP-Existenzgründungsdarlehens ablesen. Die Zahl ist im ersten Halbjahr 1983 gegenüber dem ersten Halbjahr 1982 um rund 50% gestiegen.
Das Eigenkapitalhilfeprogramm der Bundesregierung wurde sogar zu 163 % mehr nachgefragt als im Vorjahr.
Meine Kolleginnen und Kollegen, die Neuverschuldung nahm in den 70er Jahren sprunghaft zu. Gleichzeitig sank die Investitionsquote aller öffentlichen Hände. Herr Finanzminister Stoltenberg hat die Zahlen heute morgen schon genannt. Der Bund stand 1982 mit rund 50%, mit rund der Hälfte der Gesamtverschuldung besonders stark in der Kreide. 1982 haben die Zinsausgaben der öffentlichen Hände rund 67 % der Neuverschuldung der öffentlichen Hände in Anspruch genommen. Hier wird deutlich, wie die Last der Schulden den finanzpolitischen Spielraum abwürgt und erdrosselt.Die Deformation, die Fehlentwicklung der öffentlichen Finanzstruktur wird, wie ich glaube, an den Zahlen besonders deutlich, die ich Ihnen hier noch nennen möchte. Im Jahr 1983, im laufenden Jahr betragen die Steuereinnahmen aller öffentlichen Hände knapp 400 Milliarden DM. Die Personalausgaben einschließlich Altersversorgung usw. belaufen sich bereits auf 181 Milliarden DM, die Zinsen auf 53 Milliarden DM. Das heißt, Personalausgaben und Zinsen, also Bedienung des eigenen Personals und des Kapitals, machen schon rund 60 % der Steuereinnahmen der öffentlichen Hände aus. Ich glaube, daran wird deutlich, daß wir einen akuten Sanierungs- und Konsolidierungsbedarf haben.Ich möchte zwei Felder nennen, auf denen wir über das bisher Geleistete hinausgehen müssen. Zum einen nenne ich die Subvention.
— Kollege Walther, man muß bei den Subventionen neue Kriterien anlegen. Ich behaupte, daß eine zeitlich befristete Subvention ausreichen muß, um einen dauerhaften volkswirtschaftlichen Nutzen zu stiften. Eine Subvention wäre dann gewissermaßen eine Überbrückungshilfe, die zu neuen Strukturen führt. Überall dort, wo Dauersubventionen gezahlt werden müssen, ist der Verdacht berechtigt, daß die Strukturen unheilbar krank sind. Das führt dazu, daß der Einsatz öffentlicher Mittel die notwendigenAnpassungen verhindert und die Mittel dann auch in anderen Bereichen nicht zur Verfügung stehen.
Sodann muß darauf hingewiesen werden, daß Subventionen den Wettbewerb verfälschen und regionale Probleme schaffen, nämlich in den Regionen, die von Subventionen nicht betroffen werden.
Deswegen begrüßen wir die Aussage der Bundesregierung, Subventionen zeitlich zu befristen, degressiv auszugestalten und mit Unternehmenskonzepten zu verbinden, die zukünftige Subventionen überflüssig machen. Das haben wir, die Haushaltsgruppen von CDU/CSU und FDP, auch was die Stahlsubventionen angeht, als zwingende Voraussetzung beschlossen.Als letzten Punkt spreche ich die Privatisierung an. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen, daß der Staat auf den Kern seiner eigentlichen Aufgaben zurückgeführt werden muß. Man muß deshalb die Frage stellen, ob in unserer marktwirtschaftlichen Ordnung der Bund eigentlich der größte Unternehmer sein muß bzw. ob er dies überhaupt sein darf. Allein in seinen Industriebeteiligungen haben 1982 440 000 Beschäftigte einen Umsatz von 109 Milliarden DM erwirtschaftet. Ich glaube, daß es jetzt, da wir auch unsere vermögenspolitische Initiative ergreifen, an der Zeit ist, eine neue Runde der Privatisierung von industriellem Bundesvermögen einzuleiten.
Dies darf wohlgemerkt kein Husarenritt werden. Es bedarf sorgfältiger Kurspflege. Man darf dies nicht überstürzen. Es ist aber jetzt wirklich an der Zeit, ein Konzept mit neuen Zielen vorzulegen. Die Kapitalerhöhung der Lufthansa, die in der Diskussion ist, wäre eine gute Gelegenheit, privaten Vermögenssparern den Vortritt vor der öffentlichen Hand zu lassen. — Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weng.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben beim Vortrag des Herrn Kollegen Walther ganz eindeutig das Gefühl gehabt, daß wir hier die Auseinandersetzungen des hessischen Wahlkampfs fortführen sollten.
Herr Kollege Walther, auch wenn Sie in Ihrem letzten Satz nicht selber gesagt hätten, daß Ihre Rede eine Rede zum hessischen Wahlkampf war, hätte es wahrscheinlich jeder hier im Raume gemerkt.
Ich glaube aber nicht, daß die Verratslegende, dieSie heute hier noch einmal aufgelegt haben und dieIhnen beim letzten hessischen Wahlkampf als Par-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1217
Dr. Wengtei doch etwas hilfreich gewesen ist, noch einmal dazu reichen wird, der SPD eine Wahlniederlage zu ersparen. Ansonsten kann man diese Legende nur noch im Märchenbuch nachlesen.
Herr Kollege Walther, ich sage eines zusätzlich: Es ist für mich nicht vorstellbar, daß gerade Sie als einer der Kollegen, die seit längerer Zeit dem Haushaltsausschuß angehören, den Kollegen Hoppe eines Bruchs der Koalition zichtigen können, ohne sich bewußt zu sein, daß Sie hier Unwahrheiten verbreiten. Dies, meine ich, ist selbst in einer Wahlkampfrede eine Entgleisung.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther?
Ich gestatte eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther, selbstverständlich.
Herr Kollege Dr. Weng, ist es richtig, daß Sie ein neuer Abgeordneter dieses Hauses sind und die Ereignisse vom Herbst vorigen Jahres überhaupt nicht wissen können?
Herr Kollege Walther, es ist richtig, daß ich ein neuer Abgeordneter dieses Hauses bin. Aber da mich gerade die Ereignisse des letzten Herbstes hier in dieses Haus gebracht haben,
habe ich diese Ereignisse natürlich mit sehr großer Sorgfalt verfolgt.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie, daß ich dem Kollegen Carstens im Namen unserer Haushaltsgruppe für sein freundliches Lob danke. Dieses Lob geben wir gerne der Haushaltsgruppe der CDU/CSU zurück.
Meine Damen und Herren, wir haben bei diesem Haushalt natürlich nicht erwartet, daß die Opposition hier in großen Jubel ausbricht. Das ist bei der Einbringung eines Haushalts auch gar nicht ihre Aufgabe. Aber ich meine, daß die Damen und Herren der SPD in Kenntnis ihrer Hinterlassenschaft wenigstens eine gewisse Anerkennung für das Bemühen dieser Koalition hier hätten einbringen sollen. Denn dieses Bemühen ist für mich zweifelsfrei. Ebenso ist für mich zweifelsfrei, daß das vorzeitige Ende der vergangenen Legislaturperiode insbesondere dadurch verursacht war, daß beim sozialdemokratischen Regierungspartner Bereitschaft oder Fähigkeit zu einer Umkehr in der Haushaltspolitik nicht vorhanden war. Natürlich haben an der Situation der öffentlichen Haushalte in Bund, Ländern und Gemeinden in der Vergangenheit alle politischVerantwortlichen mitgewirkt, weswegen einseitige Schuldzuweisungen sinnlos sind.Die Frage aber, vor der der 9. Bundestag und in Konsequenz dann am 6. März auch der deutsche Wähler stand, war, wer bereit sein würde, die notwendigen Änderungen zu vollziehen, Änderungen, die beinhalten, daß Staatsverschuldung auf Dauer nur für zukunftweisende Investitionen akzeptabel ist und daß solche Verschuldung selbstverständlich nicht beliebig ausgeweitet werden darf. Ausweitung der Staatsverschuldung für Zuwendungen jeder Art, für laufende Kosten und insbesondere auch für Sozialausgaben konnte und kann kein Weg in die Zukunft sein. Es mußte ein Ende sein mit der Mentalität, die Kreditaufnahmen wie ganz normale Einnahmen behandelte. Und es mußte wie beim guten schwäbischen Hausvater auch daran gedacht werden, Schulden zu einem greifbaren Zeitpunkt abzutragen.
Die neue Regierung ist unter anderem mit dem Ziel angetreten, die Struktur des Bundeshaushalts nachhaltig zu verbessern. So ist es ihr gelungen, im laufenden Haushalt 1983 die Investitionen gegenüber dem Vorjahr um 3,5 % zu steigern und im hier zu beratenden Haushalt 1984 noch einmal eine Investitionssteigerung von 4,8 % vorzunehmen. Die Summe beträgt damit rund 35 Milliarden DM. Dies ist im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren zwar eine positive Umkehr, bedarf jedoch, wenn man auf die mittelfristige Finanzplanung abstellt, auch mittel- und langfristig einer weiteren Verbesserung, damit dieser positive Trend nicht wieder umgekehrt wird. Dies ist ja auch in den Redebeiträgen der Kollegen heute deutlich geworden. — Das bedeutet, daß wir auch in den kommenden Haushalten den begonnenen Umschichtungsprozeß weiter fortführen müssen.Zu dem Thema Verbesserung der Haushaltsstruktur gehört auch der Themenkomplex Abbau von Subventionen. Bei der Diskussion über Subventionen besteht in der Öffentlichkeit sehr häufig irrtümlich die Vorstellung, es handle sich hierbei nur um einseitige Hilfen zugunsten der Unternehmen. Subventionen — das muß hier auch einmal deutlich festgehalten werden — umfassen aber auch bestimmte finanzielle Hilfen für private Haushalte; ich erinnere an Wohngeld, Sparförderung und Vermögensbildung, die ebenfalls unter diesen Begriff zu subsumieren sind.Es ist auch nicht richtig, daß die Subventionen in der Vergangenheit nur zugenommen hätten. Richtig ist vielmehr, daß z. B. bei den Finanzhilfen — wie es ja gerade in diesen Tagen der 9. Subventionsbericht ausweist — der Anteil gegenüber 1970 von 9,2 % auf 5,2 % der Ausgaben des Bundes gesunken ist.Trotzdem sollte die Subventionsgewährung in einer Marktwirtschaft immer nur die Ausnahme von der Regel sein. Ich sage dies im Bewußtsein der hier anstehenden Erfordernisse des nächsten Jahres. Subventionen müssen nach unserer Vorstellung, nach Vorstellung der Fraktion der FDP in die-
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1218 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. Wengsem Hause, zukünftig stärker als bisher zeitlich begrenzt, gewährt, degressiv gestaltet und unter dem Vorbehalt der grundsätzlichen Rückzahlbarkeit gewährt werden. Wir werden hierauf besonders achten.
Ich weiß natürlich, meine Damen und Herren, daß es immer öffentlichkeitswirksam und auch einfach ist, den Abbau von Subventionen zu fordern. Dies paßt immer in die Landschaft der öffentlichen Meinung. Schwieriger ist es jedoch, diese Forderungen in die Tat umzusetzen, weil immer der massive Widerstand der Begünstigten zu erwarten ist. Insoweit ist es natürlich wenig hilfreich, wenn die Opposition am gleichen Tage auf der einen Seite durch ihren Vorsitzenden im Haushaltsausschuß der Bundesregierung vorwerfen läßt, sie tue zu wenig beim Subventionsabbau, während sie auf der anderen Seite einige Herren der Fraktion der SPD — die Herren Grobecker und Klose — z. B. fordern läßt, die Bundesregierung solle massiv zusätzliche Subventionen gewähren. Wahrscheinlich haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, hier Ihr endgültiges Urteil noch nicht gefunden.
Zur Verbesserung der Haushaltsstruktur gehört ebenfalls die Begrenzung der konsumtiven Ausgaben; hier soll insbesondere auch der große Block der Personalkosten angesprochen werden. Die jetzt beschlossene Verschiebung der Lohn- und Gehaltsanpassung im öffentlichen Dienst ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bei allem Verständnis dafür, daß dies für die einzelnen Betroffenen eine Härte bedeutet, ist in der heutigen Situation auch das Argument der Arbeitsplatzsicherheit mit zu berücksichtigen. Eine Konsolidierung öffentlicher Haushalte ist ohne Begrenzung der Personalausgaben im öffentlichen Dienst nicht möglich.
Ich weiß, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Problematik des Arbeitsmarktes nicht alleine über den öffentlichen Dienst gelöst werden kann; das Gegenteil ist richtig. Natürlich wird immer gesagt werden: Wer einen Stellenabbau im öffentlichen Dienst fordert, der wird bei der augenblicklichen Arbeitsmarktsituation den falschen Schritt tun. — Dies stimmt aber nicht, denn eine zurückhaltende Personalpolitik, die ein Beitrag zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ist, stellt eine notwendige Voraussetzung für die Belebung von Wachstum und Beschäftigung in der Wirtschaft dar.Die neue Bundesregierung hat in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 1983 folgende Aussage zu ihrer Leitlinie gemacht — ich zitiere —:... die Staatstätigkeit auf ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren, öffentliche Dienstleistungen möglichst auf Private zu übertragen, wo diese sie besser erfüllen können, und öffentliche Vermögen dort zu privatisieren, wo dieseohne Beeinträchtigung staatlicher Belange möglich ist.Diese Maxime bedeutet für die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der kommenden Jahre, daß wir alle staatlichen Dienstleistungen dahin gehend kritisch überprüfen müssen, ob sie effizienter und kostengünstiger durch die Privatindustrie erbracht werden können. Ich will auch sagen: Wir sind hier für jeden geeigneten Hinweis aus der Wirtschaft wie aus der Bevölkerung selbstverständlich dankbar.Die von Gegnern einer Privatisierung in solchen Fällen regelmäßig angekündigten katastrophalen Folgen für die Verbraucher sind bisher in keinem einzigen der vielen erfolgreichen Beispiele eingetreten. Im Gegenteil, wir können feststellen, daß Leistungen für den Bürger nicht schlechter, sondern vielfach besser und billiger geworden sind. Grundsatz muß sein: Wo Voraussetzungen für die privatwirtschaftliche Initiative erfüllt sind, muß sich der Staat zurückziehen.Meine Damen und Herren, der Bund ist mit zirka 1000 Beteiligungen an der Wirtschaft bzw. über seine Sondervermögen Post, Bahn und ERP direkt oder mittelbar beteiligt. Dieser Beteiligungsbesitz des Bundes muß auf den Prüfstand. Die Vorschrift des § 65 der Haushaltsordnung schreibt vor, daß eine Bundesbeteiligung nur erfolgen soll, wenn wichtige Interessen des Bundes vorliegen oder der angestrebte Zweck nicht besser oder wirtschaftlicher auf andere Weise erreicht werden kann. Als ein erster Schritt bietet sich der Verkauf von Anteilen börsennotierter Gesellschaften an. Ich denke hier an VEBA und VW und insbesondere an die Deutsche Lufthansa, bei der nicht einzusehen ist, daß der Bund 74 % der Anteile besitzen muß.
Hier sollte die bevorstehende Kapitalerhöhung, Herr Minister, als ein erster, wegweisender Schritt auf dem Kapitalmarkt erfolgen.Des weiteren sollten wir bei der anstehenden Ausdehnung der Unternehmensbereiche der Bundespost — auch hier ein Appell an das Ministerium — darauf achten, daß die zusätzlichen Dienstleistungen privatisiert angeboten werden bzw. in Kooperation zwischen Bundespost und Privatunternehmen erfolgen.Bei einem anderen Sondervermögen, der Deutschen Bundesbahn, die sich zunehmend zu einem unkalkulierbaren Haushaltsrisiko entwickelt hat, müssen wir prüfen, inwieweit Unternehmensteile, die von der Privatindustrie kostengünstiger gestaltet werden können, ausgegliedert werden müssen.
— Herr Kollege Wieczorek, Sie werden von mir nicht erwarten, daß ich Ihnen hier das Gesamtkonzept zur Sanierung der Bundesbahn auf den Tisch legen kann. Ich bin aber sicher, daß gerade die mit diesem Bereich besonders befaßten Kollegen Ihrer Fraktion das Ministerium bei der augenblicklichen
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Dr. WengAusarbeitung sehr heftig unterstützen werden. Daran, daß hier einige Bereiche in Frage kommen, gibt es wohl keinen Zweifel. Denken Sie z. B. nur an Streckenüberprüfungen, Reparaturbetriebe und ähnliches. Ich glaube, das ist ein weites Feld. Allerdings wird man darüber im Kreis von Leuten, die damit befaßt sind, im einzelnen diskutieren müssen.
— Ich wecke nicht Hoffnungen, sondern mache deutlich, daß wir uns in den nächsten Jahren um diese Dinge bemühen werden. Das kann bei einer solchen Haushaltsrede durchaus gesagt werden.Als letztes Beispiel erwähne ich in diesem Zusammenhang die geplante Zusammenlegung der Postbus- und Bahnbusdienste in private regionale Verkehrsgesellschaften. In einer solchen Privatisierung, meine Damen und Herren, liegt nach Auffassung der FDP-Bundestagsfraktion nicht nur eine finanzpolitische Chance, sondern auch eine ordnungspolitische Aufgabe.Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß für unsere Fraktion Sparen nicht Selbstzweck ist. Für uns ist die Tendenz des vorliegenden Haushalts schon deshalb notwendig, weil allein durch die eingeleitete Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ein Anteil des Staates an der Gesundung der Wirtschaft geleistet werden kann. Deshalb hat der Herr Bundesfinanzminister bei seinen Bemühungen die volle Unterstützung unserer Fraktion. — Ich bedanke mich für Ihrer aller Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Verheyen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die führenden Vertreter aus Politik und Wirtschaft die derzeitige Problemlage beschreiben, dann sprechen sie gerne von Wirtschaftskrise. Dahinter verbirgt sich meiner Meinung nach der Irrglaube, die derzeitige Krise sei eine bloße Konjunktur- oder Strukturkrise der Wirtschaft.Wir GRÜNE meinen, daß es schon längst nicht mehr nur um eine ökonomische Krise geht, sondern vielmehr um eine umfassende soziale und ökologische Krise, die aus grundlegenden Konstruktionsfehlern der industrialistischen Wachstumsgesellschaft erwachsen ist. Deshalb ist dies vor allem auch eine Krise der gesamten Politik. Daß die etablierte Politik dies nicht verstanden hat, ist der tiefste Grund dafür, daß wir heute als GRÜNE im Parlament sitzen.
Meine Damen und Herren, heute steht zur Entscheidung an, ob die uns aus der Nachkriegszeit vertraute Wachstumsgesellschaft fortgeschrieben werden oder ob eine prinzipielle Neuorientierung erfolgen soll. Die Regierung Kohl plädiert für eine Wende rückwärts hin zu den Rezepten der 50er Jahren mit ihrer anscheinend durch nichts zu erschütternden Wachstumsgläubigkeit. Die Alternativbewegung, viele nachdenkliche Bürger und mit ihnen wir GRÜNE plädieren dagegen für eine Wende nach vorn, orientiert an den Lebens- und Zukunftschancen der kommenden Generation.
— Ich werde jetzt konkret. —
Meine Generation ist während der Wachstumsphase der Wirtschaft der Bundesrepublik aufgewachsen und hat die materiellen Wohltaten einerseits, aber auch die soziale und ökologische Zerstörungswut der Wachstumsgesellschaft andererseits am eigenen Leib bitter erfahren müssen. Eine ganz zentrale Erfahrung war dabei für uns, daß der gleiche Produktionsprozeß, der uns viele materielle Güter bescherte, auch für Streß und Arbeitshetze, für Unterdrückung am Arbeitsplatz und Angst in der Schule, für arbeitsbedingte Krankheiten bis hin zum Herzinfarkt unserer Väter verantwortlich war.Wir haben erfahren müssen, daß die Bedingungen dieser Wachstumsgesellschaft für soziale Entfremdung unseres Lebens, für die Sprachlosigkeit der alten und die Hoffnungslosigkeit der jungen Generation sowie für die weitgehende Fixierung des Denkens auf das Materielle ursächlich sind.Wir haben letztendlich auch erfahren müssen, daß die Interessen der Wirtschaft ins Feld geführt wurden, wenn es darum ging, die Vergiftung unserer Flüsse, die atomare Gefährdung und die ökonomische Ruinierung der Dritten Welt zu rechtfertigen.
Diese Erfahrungen kann man nicht als Erfahrungen einiger weniger abtun. Wenn 10 % des Bruttosozialprodukts für Kosten im Zusammenhang mit Gesundheitsproblemen ausgegeben werden, dann ist das ein Zeichen dafür, daß unsere Art zu leben und zu wirtschaften krank macht.Die häufigste Todesursache für Kinder, Herr Stoltenberg, ist heute der Verkehrsunfall;
die zweithäufigste Todesursache ist der umweltbedingte Krebs. Das sollte uns zum Nachdenken bringen.Wenn heutzutage in manchen Branchen, z. B. Chemie, Bau und Metallverarbeitung, fast 100 % aller Beschäftigten schon vor dem 60. Lebensjahr wegen Arbeitsunfähigkeit ausscheiden müssen, dann zeigt dies sehr drastisch, daß das Industriesystem in dieser Art dabei ist, seine Kinder zu fressen.
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Angesichts dieser Situation brauchen wir nicht nur eine mittelfristige Finanzplanung, sondern auch eine mittelfristige ökologische Planung und eine Sozialbilanz der Regierung, die diesen Namen verdient.Meine Damen und Herren, der heute von der Bundesregierung eingebrachte Haushalt ist keineswegs ein Haushalt der Konsolidierung, wenn man ihn unter diesen Gesichtspunkten beurteilt, sondern ein Haushalt der Gütervernichtung und der Verschwendung. Lassen Sie mich diese recht provozierende Behauptung an einigen Bereichen des Haushalts verdeutlichen.Es ist allgemein bekannt, daß der individuelle Straßenverkehr Jahr für Jahr 12 000 Tote und 150 000 Schwerverletzte mit sich bringt. Dieses menschliche Leiden und die Verarmung des Lebens sind für uns GRÜNE Grund genug, für einen Stopp jeglicher öffentlicher Unterstützung für den Autoverkehr zu plädieren.
Der Bundeshaushalt zeigt aber, daß die Bundesregierung im alten Trott weitermachen will. Der Verkehrsetat weist weiterhin 7 Milliarden DM für den Straßenbau aus.
1983 werden allein die Verkehrsunfallkosten voraussichtlich mehr als 37 Milliarden DM betragen. Die ökologischen und sonstigen gesundheitlichen Schäden durch Luftverschmutzung und Lärm werden von Experten auf weitere 20 Milliarden DM geschätzt. Selbst wenn die ökologischen Kosten, die wegen der Bedeutung des Autoverkehrs für das Waldsterben sehr gravierend sind, nicht berücksichtigt werden, liegen die gesamtgesellschaftlichen Kosten — wohlgemerkt die Kosten in Mark und Pfennig — bei jedem gefahrenen Personenkilometer doppelt so hoch wie im öffentlichen Personenverkehr.
Diese Kostenrelation zuungunsten des Autos besteht, obwohl seit dem Krieg die staatliche Subventionierung des Individualverkehrs eine massive Wettbewerbsverzerrung zugunsten des Autos bewirkt hat.
Wenn Sie von Marktwirtschaft reden, müssen Sie auch diese Tatsachen zur Kenntnis nehmen: Von 1960 bis 1980 gaben die öffentlichen Haushalte für das Straßennetz etwa 210 Milliarden DM aus, für das Schienennetz der Deutschen Bundesbahn dagegen nicht einmal 20 Milliarden DM.Im übrigen werden diese Ausgaben für den Straßenbau in den kommenden Jahren weitere Milliarden an Folgekosten nach sich ziehen, ganz zu schweigen von den ökologischen Schäden, die man bisher noch kaum messen kann. Angesichts dieserRealität von Sparhaushalt zu sprechen, ist schlicht eine Irreführung der Öffentlichkeit.
Seien Sie versichert, Herr Minister Stoltenberg, daß wir auch für eine Konsolidierung des Haushalts sind, aber diese Konsolidierung muß an den Wurzeln des Übels ansetzen und nicht an den Symptomen herumkurieren. Es gilt — darum geht es eigentlich —, Schäden bei der Entstehung zu vermeiden. Nachher die Menschen wieder notdürftig zusammenzuflicken, ist nicht nur unmenschlich, sondern letztlich auch haushaltspolitisch auf Dauer unseriös.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Beispiel für die ungebrochene Verschwendungspolitik der Bundesregierung liegt im Energiebereich. Für technisch unsinnige bzw. überholte Projekte — allen voran der Schnelle Brüter und der Hochtemperaturreaktor — werden Milliarden verpulvert, obwohl sogar der zuständige Minister Riesenhuber zugeben muß, daß eine Wirtschaftlichkeit dieser Atomkraftwerke überhaupt nicht absehbar ist. Zu den unsinnigen Ausgaben kommen hohe gesamtgesellschaftliche Kosten. Zukünftige Generationen werden im bittersten Sinne des Wortes jahrtausendelang unabsehbare Folgekosten für die Entsorgung zu tragen haben. Sie werden mit einer Bedrohung leben müssen, deren Bewältigung den totalen Überwachungsstaat geradezu zwingend notwendig macht. Investitionsruinen, Herr Stoltenberg, wie Sie sie soeben genannt haben, deren Schadenspotential durch Abriß gestoppt wird, sind uns immer noch erheblich lieber als Investitionsruinen, die auch noch zukünftige Generationen bedrohen.
Für das Märchen vom billigen Atomstrom werden wir wahrscheinlich alle noch teuer bezahlen müssen.
Andererseits fehlen angeblich die Mittel, wenn es um eine Kraftwärmekoppelung bei Kohlekraftwerken oder um Wärmedämmung von Häusern geht, beides wirtschaftlich und volkswirtschaftlich äußerst sinnvolle Maßnahmen.Ein besonders eklatanter Fall von Verschwendung sind die 100 Milliarden DM, die der Postminister für die Installierung einer industriepolitisch völlig unsinnigen Verkabelung der Republik verschleudern will.
Wer die verkabelte Fernsehrepublik will, vernichtet Millionen Arbeitsplätze und muß darüber hinaus wissen, daß er die sozialen Kontaktprobleme der Menschen dieser Republik, die sowieso schon groß genug sind, noch vergrößert und gleichzeitig erheblich höhere gesamtgesellschaftliche Kosten für Al-
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koholismus und Gewaltkriminalität einplanen muß.
Auch der Wald wird Opfer Ihrer Unterlassungspolitik. Während das Waldsterben fortschreitet, reagiert die Bundesregierung mit völlig unzureichenden Maßnahmen, die keine wesentliche Besserung bringen. Schon jetzt liegen die Kosten für Waldschäden bei mindestens 60 Milliarden DM. Die Schmutz- und Giftemissionen verursachen zusätzlich rund vier Milliarden DM Kosten jährlich an Gebäudeschäden, Korrosionsschäden und zusätzlichem Reinigungsaufwand. Insgesamt treten nach Schätzungen der OECD Luftverunreinigungsschäden in Höhe von mindestens drei bis fünf Prozent des Bruttosozialprodukts auf. Das sind in der Bundesrepublik Jahr für Jahr 40 bis 70 Milliarden DM.Wer angesichts derartiger Kosten und Belastungen die Frage stellt, ob wir uns ein umfassendes Programm gegen das Waldsterben leisten können, beweist damit nur die Beschränktheit seines Horizonts.
Die eigentliche Frage lautet längst schon, ob wir es uns leisten können, ein solches Umweltprogramm nicht zu machen.
Meine Damen und Herren, die kurzsichtige und zerstörerische Sicht Ihres Haushalts zeigt sich nicht zuletzt auch in der Art und Weise, wie Sie unser Verhältnis zu den Ländern der Dritten Welt gestalten wollen. Die Bundesregierung verzichtet völlig auf strukturverändernde Maßnahmen, ohne die eine dauerhafte Verbesserung der Lebenssituation der Menschen der Dritten Welt nicht möglich ist. Ihre untauglichen und unzureichenden Rezepte beschränken sich auf Außenwirtschaftsförderung und Almosenverteilung. Sie verweigern im weltwirtschaftlichen Bereich — wie auf der letzten UNCTAD dokumentiert — jeden Ansatz zu einer Neuordnung. Dagegen können viele Diktaturen mit Ihrer politischen, ökonomischen und militärischen Hilfe rechnen. Das neueste traurige Beispiel ist die Türkei.Wenn schon das Lebensschicksal der Menschen in der Dritten Welt für Sie kein hinreichender Grund zu sein scheint, Ihre Politik zu ändern, möchte ich doch zumindest an Ihren Realitätssinn appellieren: Können Sie sich nicht vorstellen, welche langfristigen Kosten und Schäden diese Ihre Unterentwicklungspolitik für unsere Bevölkerung und für künftige Generationen hier bei uns mit sich bringen wird?
Wissen Sie, was auf uns zukommt, wenn die Menschen in der Dritten Welt mangels Alternativen weiterhin ihre Wälder abholzen, wenn internationale Konzerne weiterhin ohne jede Auflage umweltvergiftende Industrieunternehmen in Afrika, Asien und Lateinamerika errichten können, wenn die weitere Verschuldung zum Zusammenbruch nicht nur der nationalen Volkswirtschaften, sondern des internationalen Währungssystems insgesamt führt und wenn die weitere Aufrüstung von Staaten in der Dritten Welt durch Rüstungsexporte von hier zu kriegerischen Konflikten führt, die langfristig sicher nicht auf diese für Sie anscheinend so fernen Regionen zu beschränken sind? Die Folgen unterlassener Entwicklungspolitik werden wir auch in Mark und Pfennig schon bald zu tragen haben.
Einen letzten Bereich der Verschwendung sehe ich in der tatenlosen Hinnahme der Massenarbeitslosigkeit. Wir GRÜNE können erzwungene Erwerbslosigkeit unter keiner Bedingung akzeptieren, denn sie bedeutet für die Betroffenen nicht nur materielle Not, sondern auch soziale Deklassierung und menschliches Elend.Wer Massenarbeitslosigkeit zum Dauerzustand macht, wie es diese Regierung faktisch tut, auch wenn sie anders redet, der betreibt einen unverantwortlichen Raubbau an den Gütern und Werten unserer Bevölkerung. Wer Massenarbeitslosigkeit in Kauf nimmt, muß die Kosten für Produktivitätsverlust, verschwendete Bildungsausgaben, aber auch für Alkoholismus, für eine Ausweitung von Kriminalität und Krankheitskosten dazurechnen. Schon die heute feststellbaren gesamtfiskalischen Kosten betragen nach den Berechnungen des IAB, des Forschungsinstituts des „Bundesarbeitsamts", 24 000 DM pro Arbeitslosen und Jahr. Das sind bei drei Millionen Arbeitslosen mehr als 70 Milliarden DM im Jahr. Wir meinen: Dieses Geld ist für die Finanzierung des Lohnausgleichs bei Einführung der 35-Stunden-Woche erheblich besser angelegt als für die Dauerarbeitslosigkeit.
Und damit komme ich zu den Lösungsvorschlägen, die wir GRÜNE anbieten.
Hierzu gehört erstens eine schnelle Realisierung der 35-Stunden-Woche. Denn ohne eine solche drastische Verkürzung der Wochenarbeitszeit ist eine Lösung des Problems der Massenarbeitslosigkeit nicht vorstellbar.
Alle anderen Lösungsvorschläge, die z. B. auch die Regierung anbietet, etwa die Verkürzung der Lebensarbeitszeit, sind schon unter quantitativen Gesichtspunkten — und Sie rechnen ja so gern — überhaupt nicht bedeutend. Die Verkürzung der Lebensarbeitszeit — bis zum 60. Lebensjahr — würde nur etwa 200 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Demgegenüber kann man bei einer Verwirklichung der 35-Stunden-Woche innerhalb der nächsten zwei Jahre mit einer Million bis 1,5 Millionen neuen Stellen rechnen.
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Die Bundesregierung hat deshalb meiner Ansicht nach die Pflicht, auf eine schnelle Verwirklichung der Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu drängen, übrigens auch im öffentlichen Dienst. Ansonsten ist Ihr Bekenntnis, die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen, vollkommen unglaubwürdig.
Als zweites schlagen wir zur Lösung der drängendsten Probleme die Durchführung eines SOS-Programmes vor, eines sozialen und ökologischen Sofortprogramms. Dieses Programm haben wir gestern der Öffentlichkeit vorgestellt und dazu auch Finanzierungsvorschläge gemacht. Ich möchte mich deshalb angesichts der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit auf einige wesentliche Schwerpunkte beschränken.Wir fordern dort erstens gesetzliche Verbote und Auflagen, die die Emissionen hochgiftiger Stoffe in Wasser und Luft weitgehend verhindern; denn die Schäden müssen zunächst einmal dadurch vermieden werden, daß man an der Quelle etwas tut, anstatt sie nachher durch staatliche Zuschüsse zu beseitigen.Wir fordern zweitens ökologische Investitionen zur Stützung des Grundwasserspiegels sowie zur Reinigung der Flüsse und des Trinkwassers, zur Rettung des Waldes, zur Einsparung von Energie und zum Ausbau der Alternativenergiesysteme, zur Förderung von Recycling-Unternehmen sowie zum Schutze des Bodens.Wir fordern drittens spezielle Umstrukturierungsmaßnahmen für die Landwirtschaft, die die wirtschaftliche Existenz der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe sichern und den weiteren Abbau von 100 000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft verhindern.
Gleichzeitig soll eine Umstellung auf biologischen Anbau gefördert werden.Wir fordern viertens staatliche Unterstützung für Konversionsmaßnahmen im Bereich absterbender und abzubauender Industriebranchen. Hier seien nur die Stichworte Stahl und Werften genannt. Eine solche Umstellungshilfe halten wir für sinnvoller als einfache Verlängerungszuschüsse, die nur das Elend verlängern, wenngleich wir aus sozialen Gründen — nicht aus wirtschaftspolitischen Gründen, aus sozialen Gründen — durchaus für solche Zuschüsse sind.Fünftens sind wir für die Einrichtung eines Selbstbestimmungsfonds für soziale und gesundheitliche Alternativprojekte mit dem Ziel der Stärkung der Selbsthilfekräfte im Sozial- und Gesundheitsbereich.
Sechstens fordern wir Maßnahmen zur innerstädtischen Verkehrsberuhigung, zum Ausbau des Radwegenetzes und zur Förderung der öffentlichenPersonenverkehrssysteme, insbesondere der Deutschen Bundesbahn.
Dieses SOS-Programm ist — das geben wir offen zu — nur ein erstes Notprogramm.
Es erfordert Ausgaben in Höhe von jährlich 28 MilliardenDM, die wir jedoch deshalb für gerechtfertigt halten, weil ohne dieses Programm die gesamtgesellschaftlichen Schäden und auch die mittelfristigen Ausgaben im Bundeshaushalt weit höher liegen würden. Außerdem würde dieses Sofortprogramm gleichsam als Nebeneffekt, der von uns sehr erwünscht ist, für die nächsten Jahre rund 500 000 Arbeitsplätze schaffen.Über die Finanzierungsmöglichkeiten brauche ich an dieser Stelle nicht mehr sehr viel zu sagen. Wenn Sie das, was ich vorher zu dem Schaden, den dieser Bundeshaushalt anrichtet, und zu dem, was Sie da kürzen könnten, gesagt habe, ernst nehmen, können Sie sich Ihre Finanzierungsmodelle schon selbst machen.
Meine Damen und Herren, sowohl die soziale als auch die ökologische Bedrohung unserer Lebensgrundlagen machen ein entschlossenes Handeln zwingend notwendig. Im Interesse der Verhinderung weiteren Schadens sind deshalb unserer Ansicht nach alle Volksvertreter verpflichtet, ein solches Programm zu unterstützen. Nicht anders kann ich die Eidesformel, Schaden vom deutschen Volk zu wenden, verstehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gobrecht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte für meine Fraktion konkret zu den Begleitgesetzen zum Bundeshaushalt, insbesondere natürlich zu den Steuergesetzen, einiges sagen.Den Ansatz, den die Bundesregierung auf diesem Gebiet gewählt hat, halte ich für gesellschaftspolitisch völlig falsch.
Es werden Milliarden Mark an Steuergeldern im wahrsten Sinne des Wortes hinausgeworfen, obwohl doch, wie gesagt wird, im Haushalt ein hoher Konsolidierungsbedarf bestünde, und dies ohne jede Beschäftigungswirkung, ohne Förderung der Nachfrage, die ja eine entsprechende Auswirkung haben könnte, und, wie ich behaupte, ohne hinlängliche Förderung der Investitionsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere ohne entsprechende Förderung vor allem der kleineren und mittleren Unternehmen, die ja in diesem Bereich insgesamt die Hauptlast tragen.
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GobrechtDie Gesetzentwürfe, insbesondere das Steuerentlastungsgesetz 1984, bringen nach meiner Meinung Steuerungerechtigkeiten und haben schwere verteilungspolitische Schlagseite. Sie bedeuten eindeutig unverändert die Umverteilung von unten nach oben.
Meine Damen und Herren, die Vorhaben werden das Steuerrecht ganz erheblich komplizieren. Sie werden — darauf hat der Kollege Kreile in freundlicher Offenheit auch schon einmal hingewiesen — das Steuerrecht schwieriger machen, werden das Gegenteil von Steuervereinfachungen bringen.Schauen wir uns diese Punkte im einzelnen an, denn, meine Damen und Herren, ich möchte diese Behauptungen natürlich begründen.Daß von diesem Haushalt und von diesen Steuergesetzen Beschäftigungswirkungen ausgingen, behaupten Sie selbst j a nicht mehr. Man kann das kaum noch irgendwo hören. Das ist richtig, weil es die Wahrheit ist. Von diesen Gesetzen gehen keine Hilfen für neue Arbeitsplätze und für neue Ausbildungsplätze aus, und das bei einer Arbeitslosigkeit, die weit über 2 Millionen liegt. Die Wirtschaft und die seriöse Presse sehen solche Hilfen ohnedies von Anfang an nicht darin und liegen damit eindeutig richtig, denn auf allen Ebenen, auch bei der sehr notwendigen Schaffung von gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, versagt dieser Haushalt, versagen diese Gesetze.Aber, meine Damen und Herren, selbst wenn man sich die Prämisse, die Ihren Gesetzentwürfen zugrunde liegt, zu eigen macht, verfehlen Sie, so finde ich, eindeutig Ihre eigene Zielsetzung, z. B. mit dem riesigen Vermögensteuergeschenk, das Sie der Wirtschaft machen, denn das Ziel, das Sie erreichen wollen, nämlich die Verbesserung der Investitionsfähigkeit der Wirtschaft, wird damit absolut nicht erreicht. Schon 1975, also vor einigen Jahren, hat der Sachverständigenrat eindeutig belegt, daß man das mit einem solchen Instrument nicht erreichen kann. Das „Handelsblatt" hat das plastisch auf die Formel gebracht: Wie sollen denn wohl Steuervergünstigungen für frühere Investitionen zu künftigen Investitionen führen?
Nun hat der Bundesfinanzminister hier den nordrhein-westfälischen Finanzminister Posser sehr positiv mit einem Artikel vom vorigen Monat zitiert. Er hat gesagt, der Finanzminister Posser aus Nordrhein-Westfalen liege da sehr richtig. Damit bin ich natürlich sehr einverstanden. Ich denke aber, es würde dann auch dazugehören, daß Sie, Herr Minister Stoltenberg, nicht nur einen Artikel nehmen, sondern z. B. auch die aktuellste Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Finanzministers Posser in der letzten Woche im Bundesrat zu just diesen Gesetzen, die wir heute diskutieren. Sie waren j a im Bundesrat und haben diese Rede gehört; Sie müßten auch sie mit zur Kenntnis nehmen.Man muß dann doch feststellen, daß — Minister Posser hat ganz konkrete Zahlen aus Erhebungender nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung vorgetragen — von der Vermögensteuersenkung die Kleinbetriebe eindeutig überhaupt nichts haben, daß die mittleren Betriebe fast gar nichts davon haben und daß 60% der Senkungssumme an genau 0,7 % der Betriebe gehen. Wenn das nicht auch innerhalb der Prämisse der Vermögensteuersenkung, also Ihrer eigenen Prämisse, eine tolle Schieflage ist, dann weiß ich nicht, was eine Schieflage sein soll.Aber es kommt ja noch schlimmer. Der Hauptteil geht, wie sich aus diesen Prozentsätzen schon ergibt, an die Großunternehmen, an die wirklichen Großunternehmen der deutschen Wirtschaft, und hier nun nicht etwa an diejenigen, die es besonders nötig hätten, nämlich die in Problembereichen, sondern an die ganz besonders kapitalstarken Großunternehmen.
Es geht z. B. an die „notleidende" Firma DaimlerBenz in Stuttgart und woanders, die allein aus dieser Senkung — so lautet die Hochrechnung von Finanzminister Posser — rund 10 Millionen DM an Entlastung von der Vermögensteuer bekommt. Das nehmen die natürlich gern mit auf der Ertragsseite. Das wird an den Investitionen, schon allein, wenn man an die Größenordnung denkt — obwohl es ja ein erheblicher Betrag ist —, überhaupt nichts ändern. Es wird in keiner Weise helfen.Durch dieses klare Beispiel wird beleuchtet, welche Schlagseite selbst auf der Basis Ihrer Argumentation hier vorliegt.
Meine Damen und Herren, für meine Fraktion und für mich als Sozialdemokraten ist es erst recht wirklich empörend, daß Sie dieses Milliardengeschenk an die kapitalstarke Großwirtschaft von der Masse der Verbraucher bezahlen lassen: von den Arbeitnehmern, von den Arbeitslosen, von den Sozialhilfeempfängern, von den Rentnern; denn die bezahlen die höhere Mehrwertsteuer, mit der dieses Vermögensteuergeschenk finanziert wird. Das finde ich skandalös.
Ich finde, das ist wirklich eine schwere Verteilungsungerechtigkeit, eine Steuerungerechtigkeit, eine unsoziale Schlagseite zu Lasten der Arbeitnehmer, zu Lasten der Rentner, zu Lasten der Sozialhilfeempfänger, zu Lasten der Arbeitslosen, aber auch, wie eben gesagt, zu Lasten der kleinen Unternehmen, zu Lasten des kleinen Kaufmanns an der Ecke, zu Lasten des kleinen Freiberuflers, auch zu Lasten der Großunternehmen in den Branchen wie Kohle, Stahl und Werftindustrie, die es in dieser Zeit nötig hätten, unterstützt zu werden, um auch Arbeitsplätze zu sichern.Ich frage mich: Wenn Sie zu Beginn einer Legislaturperiode in diesem Politikbereich schon so anfangen, wie mag das noch weitergehen?
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1224 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
GobrechtIch komme zu einem weiteren Punkt. In der Opposition haben Sie ständig eine Steuervereinfachung gefordert. Das ist von der Forderung her weiß Gott unterstützenswert und akzeptabel.
Ich spreche niemandem ab, daß er sich darum bemühen will. Aber wenn man dies jahrelang fordert und kritisiert, die frühere Regierung habe viele Komplikationen mit hineingebracht — das kann man nicht ganz von der Hand weisen; das will ich selbstkritisch durchaus einräumen —, dann darf auch wohl erwartet werden, wenn mit riesigem Getöse die „geistig-moralische Wende" stattfindet, daß man ein bißchen von den eigenen Worten in der Opposition ernst nimmt.
Das ist das genaue Gegenteil. Das ist offenbar die „geistig-moralische Wende", daß man sich an seine Worte von gestern nicht hält. Das ist natürlich nicht sauber.
Darunter leidet die Union mit Sicherheit im öffentlichen Ansehen. Das Bedauerliche ist nur: Darunter leiden im öffentlichen Ansehen alle, die sich mit Politik beschäftigen, wenn man heute anders handelt, als man gestern geredet hat.
— Wie Sie, Herr Kollege Schäuble, beim Telefonieren auch noch Zwischenrufe machen können — wirklich meinen Respekt! Aber vielleicht ist der Partner oder die Partnerin am anderen Ende nicht so interessant.Sie haben in dem halben Jahr bis zum 6. März das Steuerrecht schon kompliziert, indem Sie die ominöse Zwangsanleihe einführten, die nach Meinung namhafter Verfassungsrechtler verfassungswidrig ist. Das werden Sie bald auch noch bescheinigt bekommen. Sie haben die Insolvenzrücklage eingeführt, die ein schwieriges Bescheinigungsverfahren auslöst, die wirklich eine Sache ist, die in der Praxis gar nicht funktioniert und das Steuerrecht unheimlich kompliziert.Jetzt machen Sie das bei der Vermögensteuer, die schon aus ganz anderen Gründen wirklich ein totaler Fehlgriff ist, wofür Sie nirgendwo Lob bekommen, weil Sie das nicht verdienen. Jetzt machen Sie es bei der Vermögensteuer auch noch von den Abläufen her für die Bürger, für die Steuerberater, für die Steuerverwaltung außerordentlich schwierig. Sie müssen extra eine neue VermögensteuerHauptveranlagung 1984 dazwischenschieben. Sie weichen damit von dem Dreijahreszeitraum ab. Die Erklärung 1983 ist in den Finanzämtern noch nicht einmal angepackt.Ich muß sagen: Das ist schon ziemlich schlimm.Sie schaffen beim Betriebsvermögen neue Sondertatbestände im Bereich der Vermögensteuer, obwohl wir da weiß Gott schon durch den Ansatz der Einheitswerte beim Grundvermögen eine ziemlicheSchieflage haben, weil diese den Verkehrswerten überhaupt nicht entsprechen. Jetzt wird eine neue Ebene eingebaut. Das ist weiß Gott eine Steuerkomplizierung par excellence.Sie schaffen eine zusätzliche Sonderabschreibung, die bei denen, denen sie helfen soll, mit Klekkerbeträgen ankommt, die also auch aus sich selbst heraus absolut nicht hilfreich ist. Sie schaffen dafür schwierige Abgrenzungskriterien, die erst einmal verwirklicht werden müssen, damit man weiß, ob der kleine Betrieb das überhaupt in Anspruch nehmen kann. Hinterher kann sich das durch Betriebsprüfung alles wieder ändern. Also ist es weiß Gott nur eine Verkomplizierung. Sie heben — immer unter der hehren Fahne, der Mittelstand müsse gefördert werden — den Verlustrücktrag von bisher 5 Millionen DM auf 10 Millionen DM. Meine Damen und Herren, bei 10 Millionen DM Verlust sind wirklich viele, viele Mittelbetriebe längst überhaupt nicht mehr auf der Landkarte, so daß sie so etwas nicht rücktragen können. Dies ist also in sich falsch, und es ist außerdem eine Verkomplizierung. Das Bild ist schon oft gebraucht, aber es ist leider richtig: Sie machen hier Politik nach der Melodie „Was schert mich mein Geschwätz von gestern".
— Ja gut, Herr Kollege Walther. Das sind die kleinen Temperamentsunterschiede zwischen uns, aber im Sachverhalt stimme ich Ihnen natürlich zu.Das könnte ich Ihnen auch noch vorführen unter dem Stichwort Subventionsabbau, wo vorher der Rasenmäher, die Prozentsatzkürzung, über alles hinweggehen sollte und jetzt hohe neue Erkenntnisse gewonnen werden. Wenn Sie uns damals zugehört hätten, hätten Sie diesen schwierigen Lernprozeß nicht gebraucht, und vor allem hätten Sie deswegen nicht extra an die Regierung kommen müssen; denn das haben wir vorher auch schon gewußt.
Nun hat der Kollege Weng von der FDP — nur als Zwischenbemerkung; er scheint nicht mehr da zu sein — wieder das hohe Lied der Privatisierung gesungen, und er hat die Bundespost dabei erwähnt. Er hat natürlich nicht die ganze Bundespost gemeint, sondern von Teilprivatisierung gesprochen. Es ist in der FDP immer die alte Melodie: Privatisierung da, wo es Rendite verspricht. Aber wenn der Brief auch in einem kleinen Dorf zugestellt werden soll, soll natürlich nicht privatisiert werden. Das soll natürlich die Mehrheit der Bürger bezahlen. Meine Damen und Herren, nach dieser Melodie läuft die Privatisierung mit uns Sozialdemokraten j a nicht. Das überrascht Sie j a auch nicht.Meine Damen und Herren, nachdem wir nun elf Monate einer wirklich schlüssigen, ruhigen, stringenten Steuerpolitik der Union verfolgt haben
— ich habe schon ein paar Beispiele gebracht —,reizt es mich natürlich außerordentlich, eine kleineBestandsaufnahme zu machen, wie es im Moment
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1225
Gobrechtda aussieht. Das soll dann gleichzeitig das Thema berühren, das bei Ihnen früher als Opposition auch eine große Rolle gespielt hat, nämlich die Frage der Rückgabe der heimlichen Steuererhöhungen.Der Herr Kollege Häfele — ich sehe, er ist auch nicht mehr da — —
— Ich bitte um Verzeihung, verehrter Herr Kollege. Er ist doch noch da, der Herr Abgeordnete. Er sitzt da, rechts natürlich.Jedenfalls hat sich der Herr Kollege Häfele mit der Formulierung dieses Begriffes, der sehr einprägsam ist, durchaus einen Namen gemacht. Ich möchte Sie bitten, sich einmal daran zu erinnern. Sie haben jetzt ja Möglichkeiten, das umzusetzen.Wie sieht es denn nun eigentlich im Hinblick auf diese heimlichen Steuererhöhungen aus, insbesondere im Hinblick auf die Steigerung der Lohnsteuer, nachdem die Vermögensteuer schon so weit zurückgegeben ist, wobei sie am wenigsten gestiegen ist und die niedrigste Steigerungsrate hat? Dazu sagt der Finanzminister Stoltenberg, er wolle 1984/ 85 darüber nachdenken, ob und wann — vor allem aber: wann — eine Steuersenkung gemacht werden soll, garniert diese Bereitschaft dazu aber gleich mit dem Hinweis auf Ausgleichsnotwendigkeiten. Was kann das anderes heißen? Das heißt „Steuererhöhungen". Das heißt wahrscheinlich Verbrauchsteuererhöhung, weitere Mehrwertsteuererhöhung oder auch Mineralölsteuererhöhung oder Erhöhung irgendwelcher anderen Verbrauchsteuern. Da wird diese Bereitschaft sofort garniert. Wann eine Steuersenkung gemacht werden soll, wissen wir noch nicht. Vielleicht 1987. Das ist passend. Das ist ja auch ein Wahljahr. Aber natürlich werden auf der anderen Seite gleich Steuererhöhungen in Aussicht gestellt. Der Wirtschaftsminister Lambsdorff — den kennen wir ein bißchen aus der Steuersenkungsdebatte ebenso wie auf Grund seiner „hervorragenden" Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung, bei denen der Kollege Apel ihn heute morgen schon zur Vorsicht gemahnt hat, was ihre Zuverlässigkeit anbelangt — ist auf einmal wirklich eine Art Sozialanwalt für die Arbeitnehmer und fordert die Lohnsteuersenkung und die Einkommensteuersenkung, und zwar sofort. Dann sagt er wieder, er sei mit dem Kollegen Stoltenberg natürlich völlig einig, der das ja, wie gesagt, für einen späteren Zeitpunkt mit Bedingungen sagt.Ich muß schon sagen, das ist eine Art Springprozession. So geht es im Durcheinander der Steuerpolitik insgesamt bei Union und Bundesregierung weiter. Der Kollege Kreile fordert für die CDU/ CSU-Fraktion die Wiedereinführung des Abzugs von Schuldzinsen. Der Finanzminister will Steuersubventionstatbestände abbauen. Das geht nicht auf einen Nenner.Nachdem die Unionsbaupolitiker die Mieter in den Städten mit Mieterhöhungen beglückt haben, die ganz schön hart zuschlagen
— ich komme aus einem Ballungszentrum, das stimmt schon, Sie müssen sich das ansehen —, fordern sie neue steuerliche Subventionen, um damit von ihrer Wohnungspolitik abzulenken.Die CDU-Kommission des Kollegen Althammer fordert Steuersenkungen für Familien mit Kindern. Der Finanzminister Stoltenberg — heute noch einmal bestätigt — will das Familiensplitting einführen, das wirklich eine unheimlich krasse Sache ist, die Familien mit wenigen Kindern, aber sehr hohen Einkommen Steuergeschenke bringt, die riesig sind— 14 000 DM im Jahr sind da gar nichts —, aber Familien mit mehreren Kindern und niedrigen Einkommen so gut wie nichts bringt — also wirklich Umverteilung von unten nach oben par excellence. Das heißt auf jeden Fall, zwei völlig verschiedene Zielrichtungen. Da sollten Sie schauen, was Sie wirklich wollen.Der bayerische Finanzminister Streibl, CSU, hat dankenswerterweise inzwischen in einem Interview in der Zeitschrift „Capital" zu dem, was Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung aufgeschrieben haben, sehr klare Äußerungen gefunden, indem er nämlich uns Sozialdemokraten zitiert hat. Da muß ich Herrn Streibl einmal ausdrücklich zustimmen. Er sollte das einmal in die Diskussion einbringen.
Herr Kollege Gobrecht, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kroll-Schlüter?
Ich habe leider nur noch drei Minuten Redezeit, Herr Kroll-Schlüter. Ich bitte um Verzeihung, daß ich die Frage nicht mehr zulasse.Ich bin noch bei den Steuersenkungen. Der Hesse Wallmann verspricht, er werde sich im Bundesrat für sofortige Entlastung einsetzen, wenn sie ihn in Hessen nur wählten. Der Niedersachse Albrecht will nach den Steuermilliarden, die die jetzige Bundesregierung schon verschenken will, noch eine ganze Masse von Steuermilliarden an die Unternehmen zurückgeben, die Unternehmenssteuern stark senken. Der Parlamentarische Staatssekretär Voss sagt auf eine Frage eines meiner Kollegen nach der Quantifizierung der Entwicklung der Unternehmenssteuern, Unternehmenssteuern gebe es gar nicht. Das hat mich sehr überrascht. Nun ist Herr Albrecht von der CDU, und Herr Voss ist nicht von der CDU; vielleicht liegt es daran. Es ist schon ein ziemlich starkes Durcheinander.Besonders stark fand ich dann, daß der Bundeskanzler gemeint hat, diese Diskussion sollte man — —
— Der ist von der CDU, das ist richtig, das bestreite ich auch gar nicht. Das ist eines der wenigen Dinge, die man bei ihm nicht bestreiten kann.
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Gobrecht— Da stimme ich Ihnen auch zu, Herr Kollege Hoffmann. — Er hat gemeint, man solle gar nicht mehr darüber nachdenken. Ich weiß nicht, ob es weiterhilft, nicht darüber nachzudenken.
Früher, als wir den Bundeskanzler stellten, wußte man, an wen man sich zu halten hat, wenn Schwierigkeiten auftauchen und wenn es darum geht, eine Entscheidung zu fällen. Ich weiß heute leider überhaupt nicht, an wen ich mich eigentlich wenden soll, um in das totale Tohuwabohu der Steuerpolitik von Union und Regierung eine klare Linie hineinzubringen.
Darum würde ich Sie also bitten. Am besten bitte ich wohl die Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion darum. Vielleicht bringen sie das fertig, denn sie haben sich auf diesem Gebiet relativ vorsichtig verhalten.
— Ich habe ja gerade beschrieben, welche Linie Sie haben, insgesamt jedenfalls. Zickzack ist da noch eine ganz höfliche Bezeichnung, sehr verehrter Herr Kollege.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Sozialdemokraten wollen nicht wie Sie in der Opposition vollmundig Steuersenkungen, Rückgabe der heimlichen Steuererhöhungen fordern. Das läßt sich als Opposition leicht sagen, das macht sich gut. Wir sind da vorsichtig. Wir denken auch an die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte, insbesondere da, wo es den Bürger vor allem angeht, nämlich in den Gemeinden und in den Städten. Wir sagen deshalb: Wenn hier endlich eine klare Linie hineingebracht wird, wenn endlich mit der Verplemperung von Steuermilliarden an die Großwirtschaft aufgehört wird, wenn das Steuererhöhungsgerede der Union endlich aufhört, dann läßt sich mit uns über einen vernünftigen Zeitpunkt reden; das darf natürlich kein Wahlgeschenktermin sein, das ist völlig klar. — Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kreile.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Redner der Opposition, die gestern in Form und Inhalt eine besonders scharfe Debatte angekündigt haben, haben ihre Reden nun in der Tat mit den erwarteten Vorwürfen von der „Ellbogengesellschaft" und von der „Umverteilung von unten nach oben", mit „Kahlschlag" und sonstigen Vokabeln bestritten.
— Doch.Dieser darin zum Ausdruck gekommenen Denkweise möchte ich gern ein Zitat des großen amerikanischen Präsidenten Lincoln entgegensetzen, der gesagt hat:Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, nicht helfen, indem ihr die ruiniert, die sie bezahlen, und ihr werdet keine Brüderlichkeit schaffen, indem ihr den Klassenhaß schürt. Ihr werdet den Armen nicht helfen, indem ihr die Reichen ausmerzt. Ihr werdet mit Sicherheit in Schwierigkeiten kommen, wenn ihr mehr ausgebt, als ihr verdient, und ihr werdet kein Interesse an den öffentlichen Angelegenheiten und keinen Enthusiasmus wecken, wenn ihr dem einzelnen seine Initiative und seine Freiheit nehmt. Ihr könnt den Menschen nie auf die Dauer helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selbst für sich tun sollten und könnten.Wenn man dieses Zitat von Lincoln so hört, meint man, diese Mahnung sei an die heutige Opposition gerichtet. Wenn man dies hört, wird man erneut an die Fehler der Politik der heutigen Opposition in den letzten 13 Jahren erinnert. Wenn man dies hört, wird man vor einer Wiederholung dieser Fehler gewarnt.Aus allem, was jetzt von Ihnen auch zur Steuerpolitik gesagt worden ist, hört man die atemlose Hektik wieder heraus, die Ihre Steuerpolitik in den vergangenen Jahren gekennzeichnet hat. Kaum war etwas beschlossen, wollten Sie auch schon die Ergebnisse und die Wirkungen dieser Maßnahmen sehen. Eine Maßnahme hatte noch nicht gewirkt, da riefen Sie schon nach der nächsten. Das machen Sie unverändert auch heute noch. Ich spreche hier von der Hektik und von der Rücksichtslosigkeit der Steuererhöhungspolitik, die Sie in den letzten Jahren betrieben haben, nicht, um alte und vergangene Schlachten nochmals zu schlagen. Wir wollen und werden diese Fehler in der langfristigen Konzeption unserer Steuerpolitik nicht machen. Auch Herr Professor Ehmke, der den sehr netten und amüsanten Satz, der ihn als Asterix-und-Obelix-Leser ausweist, von der Tu-nix-Regierung geprägt hat, wird uns nicht in eine hektische Steuerpolitik hineinjagen, denn diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen tun etwas, und zwar das Richtige.Daß uns nun die einen Tatenlosigkeit und die anderen Hektik vorwerfen, zeigt, daß wir uns offensichtlich auf dem richtigen Mittelweg befinden, nämlich auf dem Weg, das Notwendige zu tun, schrittweise und beharrlich eine steuerpolitische Konzeption zu verwirklichen, wie wir sie im Wahlkampf angekündigt haben, wie wir sie in der Koalitionsabsprache vereinbart haben, wie sie in der Regierungserklärung dargelegt worden ist und wir sie nunmehr in den ersten Schritten bereits verwirklichen.
Wenn nun nach der Wende gefragt wird, so kann ich für den Bereich der Steuerpolitik nur sagen: Wir
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Dr. Kreilehaben das Ruder umgelegt, und zwar beim Haushalt auf Konsolidierungskurs, auf Senkung des Staatsanteils und in der Steuerpolitik auf die Ermunterung der Leistungsbereitschaft, auf Stärkung der Investitionskraft der Betriebe, und wir haben damit begonnen, die Steuerstruktur zu verbessern. Wir haben erste Impulse gegeben. Wir haben Signale gesetzt, indem wir im Haushaltsbegleitgesetz 1983 die Sanierungsrücklage eingeführt haben, um die Übernahme gefährdeter Betriebe im mittelständischen Bereich zu fördern, damit Arbeitsplätze gesichert und erhalten werden. Wir haben Signale gesetzt, indem wir die Baukonjunktur durch den befristeten Schuldzinsenabzug angeregt haben. Auch dies ist übrigens ein Beleg dafür, daß man durch steuerliche Maßnahmen in aller Regel mehr Wirkung erzielen kann als durch aktionistische Windhundprogramme. Wir haben bereits im Steueränderungsgesetz 1983 Signale gesetzt, indem wir die Belastung mit ertragsunabhängigen Steuern im Gewerbesteuerbescheid durch Halbierung der Zurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldzinsen gesenkt haben.Der nächste Schritt, den wir zur Stärkung der Investitionsbereitschaft und Investitionsfähigkeit vorhaben, wird im Steuerentlastungsgesetz 1984 vorgesehen. Die Belastung durch Vermögensteuer wird im betrieblichen Bereich abgesenkt. Dies ist eine Fortsetzung unserer Politik, die ertragsunabhängigen Steuern zu reduzieren, um die Eigenkapitalbildung und Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen anzuregen.Für kleine und mittlere Betriebe werden wir eine Sonderabschreibungsmöglichkeit einführen. Die Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen sollen schneller als bisher abgeschrieben werden können. Ich war heute sehr verwundert, als der finanzpolitische Sprecher der SPD, Herr Dr. Apel, gesagt hat, dies sei keine Maßnahme, die greift. Genau diese steuerliche Sonderabschreibung gibt den Betrieben — und zwar sowohl den kleineren, als auch den mittleren und den großen —, die auf intelligente Technologie bedacht sind, die Möglichkeit, solche schwierige Forschungs- und Investitionstätigkeit überhaupt vorzunehmen.
Wir haben mit der Streichung der Sonderregelung für die Emissionskosten ermöglicht, daß der Börsenzugang und damit die betriebliche Kapitalbeschaffung erleichtert werden. Schließlich werden wir bei dem Vermögensbeteiligungsgesetz die Möglichkeit für eine bessere Kapitalausstattung der Unternehmen öffnen.
— Nicht immer für die Unternehmer!
Ich darf Ihnen einmal deutlich machen, was der Sinn dieser Steuerpolitik ist. Weder Sie noch Herr Dr. Apel, der dies an und für sich besser verstehen müßte, haben dies zumindest verbal verstanden.Die Finanzpolitik der CDU und CSU ist nicht widersprüchlich. Sie beinhaltet, wie in der Regierungserklärung vom Bundeskanzler und heute in der Rede vom Bundesfinanzminister dargelegt worden ist, zwei ganz wesentliche Schritte. Erstens wollen wir eine steuerliche Entlastung der Wirtschaft im Bereich der ertragsunabhängigen Steuern herbeiführen, und zwar um die Arbeitsmarktlage zu verbessern, um der Industrie überhaupt die Möglichkeit zu geben, durch Investitionen Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.
Der zweite Schritt, Herr Kollege Kühbacher, der angekündigt worden ist und den wir einhalten werden, heißt Tarifreform, Entlastung und Verbesserung des Familienlastenausgleichs. Das sind zwei logisch aufeinander folgende Schritte unserer Steuerpolitik. Wir werden uns davon nicht abhalten lassen.Die Argumente, die Sie dagegen vorbringen, sind widersprüchlich. Zum einen sagen Sie, das alles sei empörend; die Entlastung käme nur den Großen zugute, und für die Kleinen bliebe nichts. Die Rechnung des Finanzministers Herrn Dr. Posser — Herr Kollege Gobrecht hat sie erneut zitiert — ist nur sehr unvollständig. Er sagt, die Vermögensteuerentlastung würde bei den kleineren und den mittelständischen Unternehmen nicht wirken. Ein Handwerksmeister mit einem Betriebsvermögen von 200 000 DM — das ist schon mit einem größeren Backofen oder einer Schneidemaschine der Fall — ist durch die Vermögensteuerentlastung bereits betroffen, und zwar auf positive Weise. Wenn ein solcher Handwerksmeister entlastet wird, wird das von Herrn Posser oder Herrn Gobrecht als empörend empfunden? Wo bleibt denn in Ihrer Argumentation mit den guten Armen und den bösen Reichen die mittelstandspolitische Komponente bei der Vermögensteuersenkung? Wo bleiben denn die Wirkungen der Sonderabschreibungen für kleinere und mittlere Unternehmen? Die Erhöhung des Freibetrages bei der Betriebsaufgabe ist eine der ganz wichtigen mittelstandspolitischen Maßnahmen. Diese Maßnahme hat gleichzeitig mittelstandspolitische Wirkung und einen hohen sozialen Wert. Sie wird von Ihnen offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.Natürlich — das muß zugegeben werden — haben die großen Unternehmen, die viel Vermögensteuer zahlen, hiervon einen größeren unmittelbaren Vorteil. Das ist ja auch ganz klar. Wir haben dies getan, weil diese Unternehmen das tun, worauf es uns ankommt: Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze erhalten.Haben Sie schon einmal nachgerechnet, daß die fünf umsatzgrößten Unternehmen, die wir in der Bundesrepublik haben, zusammen bereits über eine Million Arbeitsplätze haben? Die 20 umsatzgrößten Unternehmen haben zusammen über zwei Millionen Arbeitnehmer, und die 50 umsatzgrößten Unternehmen haben bereits über 3 Millionen Arbeitnehmer. Das bedeutet: ein Siebtel aller deutschen Arbeitnehmer ist in den 50 umsatzgrößten Unter-
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Dr. Kreilenehmen versammelt. Die vorgesehene Vermögensteuerentlastung soll natürlich auch dazu führen, daß diese Unternehmen die Arbeitsplätze erhalten können. Sie wissen genausogut wie ich, daß einige der umsatzgrößten Unternehmen rote Zahlen schreiben und daß die Vermögensteuerentlastung für diese Unternehmen von ganz besonderer Bedeutung ist.Man muß sich immer wieder einmal vergegenwärtigen, daß man, wenn man einen Betrag von 100 DM Vermögensteuer zahlen muß, einen Gewinn von 265 DM — das ist weit mehr als das Doppelte — erwirtschaften muß. In den Jahren, in denen kein Gewinn erzielt werden kann, geht der Betrag, der an Vermögensteuer gezahlt werden muß, an die Substanz; er mindert die Substanz und das Eigenkapital. Dies zwar nicht ganz zu beseitigen, aber diese Belastung der Unternehmen zu reduzieren, damit das den Arbeitsplätzen zugute kommt, das ist der Sinn der Maßnahme zur Vermögensteuersenkung, die wir Ihnen vorschlagen.
Herr Abgeordneter Dr. Kreile, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Bitte schön.
Herr Kollege Dr. Kreile, wenn wir schon über die Unternehmensschichtung in der Bundesrepublik diskutieren: Können Sie bestätigen, daß etwa 60 % der 3,5 Milliarden DM aus der Vermögensteuersenkung bei etwa 0,7 % der Unternehmungen oder Unternehmer landen, und glauben Sie nicht auch, daß auf Grund dieser Tatsache die Großen den Verdrängungswettbewerb gegenüber den kleinen Unternehmern, dem Mittelstand, rasant fortsetzen werden? Das würde bedeuten, daß sich das gerade von Ihnen erwünschte Ergebnis nicht einstellt, denn sechs Siebtel der Arbeitnehmer, die bei den Kleineren beschäftigt sind, werden unter dem Druck der großen Unternehmer leiden, und die Pleiten werden zunehmen.
Herr Kollege Kühbacher, Ihrer Fragestellung entnehme ich, daß Sie die großen Unternehmen, von denen die Wirtschaft Deutschlands lebt und von denen auch der deutsche Mittelstand als Zulieferer ganz wesentlich lebt — ich denke nur an die Automobilindustrie — offenbar abschaffen wollen.
Ich darf noch einmal wiederholen: Über 3 Millionen Arbeitnehmer von den 21 Millionen Arbeitnehmern sind in den 50 umsatzgrößten deutschen Betrieben beschäftigt. Unsere Sorge ist es, daß diese Unternehmen — das sind j a Unternehmen, die in der Hand einer breit gestreuten Aktionärsmehrheit liegen — die Arbeitsplätze nicht mehr finanzieren
können. Deswegen müssen diese Unternehmen eine Erleichterung bekommen.
Lassen Sie mich gleich fortfahren und Ihnen die zweite Antwort geben. Ich habe immer den Eindruck, daß Sie, insbesondere wenn Sie von Mitnahmeeffekten sprechen, eine höchst bedenkliche Strategie offenbaren. Es ist offenbar Ihr Ziel, nicht die Ertragskraft der Unternehmen zu stärken, sondern die Unternehmen dazu zu bringen, daß sie auf Investitionshilfemaßnahmen, auf direkte Subventionen des Staates angewiesen sind. Alle Programme, die Sie vorgeschlagen haben, hatten stets diese Zielrichtung. Wir aber wollen genau diese Zielrichtung nicht, sondern wir wollen die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft anregen. Es hat nichts mit einem Nachbeten der Angebotstheorie zu tun, wenn Ichsage: Die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft müssen angeregt werden.
Zunächst gilt es, einmal ein Wort zu der unreflektierten Übernahme volkswirtschaftlicher und nationalökonomischer Schulen in der praktischen Politik zu sagen. Weder eine puristische Angebotstheorie noch die puristische Theorie von Keynes kann uns heute allein weiterhelfen. Leider ist festzustellen, daß die Verfechter der jeweils einen Theorie immer nur die Ignoranz gegenüber der anderen bekunden, statt beide Theorien zu studieren und miteinander zu verbinden. Man kann es deswegen nicht deutlich genug sagen. Diejenigen, die Keynes kennen, wissen, daß auch er dies immer getan hat, daß auch er immer vor einem VulgärKeynesianismus gewarnt hat, und diejenigen, die die grundlegenden Werke der Angebotstheoretiker kennen, wissen, daß auch sie vor einer Durchsetzung einer reinen Angebotstheorie in der praktischen Politik warnen, auch davor warnen, die Nachfrage außer acht zu lassen.
Ich wiederhole: Man kann nicht deutlich genug sagen, daß es in unserer politischen Lage nicht darauf ankommt, eine der herrschenden nationalökonomischen Schulen in ihrer reinen Lehre umzusetzen. Wir behalten dies im Auge. Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern, aber dabei die Nachfrageseite nicht vergessen. Wir halten dies für den besten Weg, dem, so hoffe ich doch, gemeinsamen Ziel zu dienen, zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit zu kommen. Wir werden uns davon nicht abbringen lassen. Denn was wir wollen, ist, der Wirtschaft und den Investoren Sicherheit und Beständigkeit zu geben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier?
Da Sie immer wieder auf die Arbeitsplätze abstellen, frage ich: Wollen Sie bitte verstehen, daß wir Ihre Vorschläge zur Steuerentlastung insgesamt, aber speziell bei der Vermögensteuer, nicht nur für unsozial halten, sondern auch — das ist jetzt der wichtige Punkt — für unökonomisch, weil wir davon überzeugt sind, daß dadurch keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen werden? Denn erstens wird ein vernünftiger Unternehmer mit den freiwerdenden Geldern viel
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Frau Matthäus-Maiereher zu Herrn Reagan in die USA gehen, um dort Schatzpapiere zu kaufen. Zweitens wissen wir seit vielen Jahren nach allen Umfragen, auch nach der neuesten Ifo-Umfrage, daß die Frage der Steuergesetzgebung für die Unternehmen bei weitem nicht das erste Entscheidungskriterium für neue Investitionen ist, sondern daß Absatzerwartungen, Zinshöhe und Gewinnerwartungen viel bedeutender sind als etwa die Frage nach der Höhe der Steuersätze.
Ich darf mit dem letzten anfangen, Frau Kollegin Matthäus-Maier. Sie haben die Ifo-Unternehmensbefragung gelesen und hier ihr Ergebnis zitiert. Bei dieser Befragung sind in der Bundesrepublik zu dieser Fragestellung 21 Teilnehmer befragt worden. Das Ergebnis sagt sehr zu Recht, daß die größten Probleme bezüglich der Investitionstätigkeit der Unternehmen derzeit in ungenügenden Absatzerwartungen liegen; das haben 15 Teilnehmer gesagt. 11 Teilnehmer haben auf ungenügende Investitionserträge hingewiesen; dazu gehört natürlich auch die Reduzierung dieser Erträge durch ertragsunabhängige Steuern. 5 Teilnehmer haben die hohe Steuerbelastung auf Grund hoher Steuersätze als das Hauptproblem bei den derzeitigen Unternehmensinvestitionen genannt. 5 Teilnehmer haben die Abschreibungshemmnisse herausgestellt.Wenn ich jetzt mit Ihnen zusammen addieren darf, dann gibt es 11 Teilnehmer, die die Investitionserträge unter steuerlichen Aspekten herausgestellt haben, 5 Teilnehmer, die auf die hohen Steuerlasten hingewiesen haben, und 5 weitere Teilnehmer, die die geringfügigen Abschreibungen genannt haben. Von den 21 Teilnehmern, die in der Bundesrepublik Deutschland befragt worden sind, haben also 21 gesagt, daß die Belastung der Investitionen mit ertragsunabhängigen Steuern — sprich: Vermögen- und Gewerbesteuer — ein Grund für die Zurückhaltung der Unternehmen bei den Investitionen ist.Herr Präsident, ich habe versucht, die Zwischenfrage zum Teil zu beantworten. Ich werde den Versuch machen, den anderen Teil der Frage von Frau Matthäus-Maier in meinen weiteren Ausführungen zu beantworten.
— Ich bitte um Verständnis, wenn ich angesichts der ablaufenden Redezeit zunächst keine weitere Zwischenfrage zulassen kann.Worum es uns deswegen geht, ist, diese Steuerpolitik schrittweise zu verwirklichen, die ich nur nochmals darstellen kann: Der erste Schritt ist der Abbau der Steuerbelastung im Unternehmensbereich. Wir haben mit einer erheblichen Reduzierung bei der Gewerbesteuer begonnen und dies mit einer erheblichen Reduzierung bei der Vermögensteuer weitergeführt. Wenn diese Maßnahmen, wie wir hoffen und auch erwarten, greifen, wenn damit ein finanzieller Handlungsspielraum geschaffen ist, dann können wir den zweiten Schritt bei der Gestaltung unseres steuerpolitischen Vorhabens tun,nämlich an den Tarif herangehen. Deswegen darf ich dem Herrn Bundesfinanzminister im Namen der CDU/CSU-Fraktion an dieser Stelle Dank dafür sagen, daß er in seiner Haushaltsrede klare Aussagen über die Absicht der Bundesregierung gemacht hat, noch im ersten Halbjahr 1984 über die Eckdaten einer neuen Gestaltung des Lohn- und Einkommensteuertarifs zu entscheiden.Wir werden dazu beitragen, daß diese Absicht auch durch Fortschritte bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte verwirklicht werden kann. Denn der derzeitige Tarif und das Hineinwachsen in eine ständig steigende Grenzsteuerbelastung sind doch mit einer der Gründe für den Bürger, sich in die Schattenwirtschaft — oder, um es im Klartext zu sagen: in die Schwarzarbeit — zu flüchten. Uns ist doch allen klar, daß einer der Gründe für die zunehmende Schwarzarbeit die zu hohe Abgabenbelastung der legalen Arbeit ist. Mit einem Stundensatz von 50 DM hat ein Handwerksmeister eben keine Chance, mit dem Stundensatz eines Schwarzarbeiters von 15 DM zu konkurrieren. Professor Schmölders hat dies in seinem jetzt erschienenen Buch mit dem sehr bezeichnenden und, wie ich meine, Sie sehr treffenden Titel, Herr Gobrecht, „Wohlfahrtsstaat am Ende — Adam Riese schlägt zurück", pointiert ausgeführt. Ich möchte hier aus dem Buch zitieren:Je höher die Arbeitslosigkeit, um so selbstverständlicher wird der naheliegende Ausstieg in Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft, der den Betroffenen zusammen mit der Arbeitslosenunterstützung den bisherigen Lebensstandard gewährleistet, freilich zugleich den Willen lähmt, aus eigener Initiative wieder eine geregelte Arbeit aufzunehmen. Die Quittung für den Marsch in den Wohlfahrtsstaat ist das Ende der Vollbeschäftigung.Wir werden über diese Sachverhalte miteinander reden müssen und uns mit Lösungsvorschlägen auseinandersetzen. Wir wollen uns dabei gegenseitig keine Totschlagsvokabeln an den Kopf werfen: Sie sollten uns gegenüber nicht die Vokabel „Manchester-Kapitalismus" gebrauchen, und wir wollen gegenüber Ihrem Versuch, den Weg über die Nachfragepolitik zu finden, auch keine entsprechende Totschlagsvokabel gebrauchen. Aber es geht uns um die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, und dies geht nach unserer Meinung — man muß es immer wieder wiederholen — nur durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen.
Gewiß, keine Tarifreform, wie immer sie ausgestaltet sein wird, wird die Schwarzarbeit an der Wurzel beseitigen; aber sie wird mit dazu dienen, sie einzudämmen.Nun möchte ich auf einen Punkt kommen, den Herr Kollege Gobrecht wieder in den Vordergrund gestellt und den auch Herr Ministerpräsident Börner in seiner Rede im Bundesrat am vergangenen Freitag angesprochen hat, nämlich die Frage, wo der Beitrag der sogenannten Besserverdienenden — ich würde lieber sagen: der Beitrag der finanziell
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1230 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Dr. KreileLeistungsfähigeren — zur Haushaltskonsolidierung bleibe. Man kann dies mit einem Wort sagen: in der Hinnahme der verdeckten und versteckten Steuererhöhungen durch unseren Progressionstarif. Wenn Herr Ministerpräsident Börner — oder auch manche andere, die hier sitzen — seine jetzigen und seine früheren Gehaltsabrechnungen zur Hand nimmt, so wird er feststellen, was Millionen der sogenannten Besserverdienenden — das sind schlicht und einfach diejenigen mit mittlerem und höherem Einkommen, die mit dem Progressionstarif und nicht mehr mit dem Proportionaltarif besteuert werden — schon längst festgestellt haben, nämlich daß die Steuerbelastung von Jahr zu Jahr überproportional steigt. Das hat sich zwar mit einem gewissen Rückgang der Inflationsrate reduziert, aber das Phänomen der heimlichen Steuererhöhungen ist geblieben. Jedes Jahr, in dem auf die Tarifreform verzichtet wird, leisten diese Lohn- und Einkommensteuerzahler einen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts in Milliardenhöhe. Da wir immer von heimlichen Steuererhöhungen sprechen, möchte ich dies ganz deutlich sagen: Wir bitten diese Bürger, auch in den nächsten Jahren, bis wir zur Tarifreform kommen diesen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, zur Wiederbelebung der Wirtschaft zu erbringen.
Herr Gobrecht, Sie haben darauf hingewiesen, daß dieses Steuerentlastungsgesetz nicht gerade das bringt, was wir als Steuervereinfachungspolitik bezeichnen. Das ist völlig richtig. Aber wir versuchen, beim Subventionsabbau bei den Bauherrenmodellen und bei Abschreibungsgesellschaften, wo wir die Steuerersparnisabsicht nicht mehr als eine Gewinnerzielungsabsicht anerkennen, sozusagen die letzten großen Schwierigkeiten auf diesem Gebiet auszuräumen. Wir alle, die wir den entscheidenden § 15 a des Einkommensteuergesetzes geschaffen haben, wissen, daß er gesetzestechnisch ein Monstrum ist. Aber wir wissen ebenfalls, daß dieser § 15 a weitgehend das, was man als Sumpf der Abschreibungsgesellschaften bezeichnet hat, ausgetrocknet hat.
Deswegen wissen wir leider, daß manches in der Steuerpolitik nur mit komplizierten steuertechnischen Formulierungen zu gestalten ist. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir bei den Beratungen im Finanzausschuß Ihre Unterstützung fänden und bei diesen Fragen, bei den Bauherrenmodellen, bei den Abschreibungsgesellschaften, aber auch bei der Neufestsetzung der Einheitswerte für das Jahr 1984, die durch die Sonderabschreibungsmöglichkeiten eventuell erforderlich sein kann, Ihre Hilfe hätten. Der Bundesrat — das soll hier dankbar vermerkt werden — hat in seiner Stellungnahme hier schon einige Wege aufgezeigt, wie man diese Probleme vereinfachen kann, wie man diese gesetzestechnischen Maßnahmen dann vereinfacht durchführen kann. Wir wollen sehen, ob sich Ihr Ruf nach Steuervereinfachung dann, wenn er tatsächlich verwirklicht werden soll, auch in einer Mitwirkung Ihrerseits konkretisiert.
Meine Damen und Herren, zum Schluß: Die Steuerpolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionen, ihre Ankündigung im Wahlprogramm und in der Regierungserklärung, ihre Durchsetzung in den zwei ersten Schritten, der Steuerentlastung für 1983 und für 1984, sowie in ihrer klaren Aussage für diese Legislaturperiode, ist ein konsequentes, in mehreren Schritten durchzuführendes Steuerprogramm. Uns geht es um die Freisetzung der verschütteten Leistungskräfte unserer Wirtschaft, und uns geht es darum, das verlorengegangene Vertrauen der Betriebe und Arbeitnehmer in verläßliche und leistungsfreundliche staatliche Rahmenbedingungen wiederzugewinnen.Ich halte es für ganz wichtig, daß die Steuerpolitik verläßlich und berechenbar ist. Verläßlichkeit und Berechenbarkeit in der Steuerpolitik heißt, daß sie den Bürgern und den Unternehmen Zeit lassen muß und lassen soll, damit sie sich auf die gesetzten Rahmenbedingungen einstellen können, damit sie wieder mit den Rahmenbedingungen kalkulieren können, die wir setzen. Wir werden deswegen alles tun, im Rahmen dieser Rahmenbedingungen die Kräfte der Sozialen Marktwirtschaft zu stärken, um die Investitions- und Leistungsbereitschaft zu fördern. Der Wähler hat uns am 6. März gezeigt, daß er uns zutraut, diesen schwierigen Weg zu gehen. Wir werden diesen Weg gehen — unbeirrt! — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gattermann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierung Kohl/ Genscher war mit dem Anspruch angetreten, zu den Grundsätzen einer soliden Finanz- und Haushaltspolitik unter grundlegend veränderten wirtschaftlichen — weltwirtschaftlichen und nationalwirtschaftlichen — Rahmendaten zurückzufinden; und das — übrigens die Ursache vieler Konflikte in diesem Haus; auch in der Zukunft — bedeutet, Abschied zu nehmen von bequemer, allgefälliger Schönwetterpolitik.Obwohl diese christlich-liberale Koalition nach den ersten finanzpolitischen Sofortmaßnahmen nun zwar nicht gerade mit dem Versprechen von „Blut und Tränen", aber doch mit der Ankündigung von Opfern und Einschränkungen und der Forderung nach mehr Leistung und mehr Verantwortung vor die Bürger getreten ist, haben die Wähler diesen Kurs am 6. März eindrucksvoll bestätigt. Dieses
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GattermannWählervotum verpflichtet. Ich sage das nicht ohne einen Unterton von Selbstkritik an mich selbst
und auch an die Reihen der Koalitionsabgeordneten, denen es natürlich nicht leichtfallen kann, allen Wünschen und Forderungen der Betroffenen zu widerstehen.Die Grundsätze solider Finanzpolitik verwirklichen heißt, mit einem langen Atem Maßnahmen zur Erreichung verschiedener, einander teilweise widersprechender Ziele durchzusetzen, die durchweg nicht populär sind und die zudem Angriffsflächen für polemische Anfeindungen in Fülle bieten.
Der Finanzminister hat heute morgen die Schwierigkeiten der Aufgaben — wie ich meine: sehr eindrucksvoll — beschrieben und zugleich den Weg markiert, auf dem sich diese Regierungskoalition zur Aufgabenerfüllung befindet. Er hat dabei auch die Länge der noch vor uns liegenden unbewältigten Wegstrecke nicht verschwiegen.Aus dem vielfältigen Aufgabenkatalog will ich bei dieser Finanz- oder Steuerrunde den Bereich herausgreifen, der die steuerlichen Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft umfaßt. Das geht nicht ohne den weiteren Punkt, die weitere generelle Aufgabe: Schaffung von Vertrauen auf stetige, verläßliche finanz- und steuerpolitische Rahmendaten.Mit den vorliegenden Finanzvorlagen erfüllt diese Regierung ein Versprechen — ich halte das für sehr wichtig —, das sie im Herbst vorigen Jahres abgegeben hat und das im Wahlkampf vielfach wiederholt worden ist, nämlich die damals beschlossene, sicher unpopuläre Mehrwertsteuererhöhung mit ihrem Mehraufkommen ohne Wenn und Aber und ohne Einschränkung in die Verbesserung der Unternehmensbesteuerung zurückzugeben.Dieses Versprechen wird hier eingelöst, obwohl man natürlich auf die Idee verfallen könnte, Herr Gobrecht, diese vier Milliarden schlicht und einfach zur Senkung der Nettokreditaufnahme zu verwenden oder irgend etwas anderes damit zu finanzieren, vielleicht auch — wie Holger Börner — Wahlgeschenke zu verteilen, nämlich genau diese vier Milliarden über eine Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags und der Kilometerpauschale zu verbraten. Das alles sind natürlich Überlegungen, die man anstellen kann. Aber unter dem Stichwort „Vertrauen und Verläßlichkeit" ist es ganz unverzichtbar, daß die Regierung dieses Versprechen, dieses Steuermehraufkommen in die Verbesserung der steuerlichen Rahmendaten zu lenken, eingehalten hat.
Eine halbe Milliarde — auch das war ein Versprechen; auch das ist eingelöst — fließt in die Verbesserung der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen. Auch das hat etwas mit sozialer Symmetrie zu tun.
Meine Damen und Herren, das bedeutet nun nicht, wie Sie immer wieder draußen der Bevölkerung weismachen wollen, daß hier Steuergelder verschleudert würden oder daß Steuergeschenke an Unternehmer verteilt würden. Sie wissen es doch sehr viel besser, Sie sollten es aber auch offiziell und öffentlich zur Kenntnis nehmen, daß nur eine gesunde, ertragsstarke Wirtschaft Arbeitsplätze zur Verfügung stellen kann. Es kann keinen Arbeitnehmern gutgehen, deren Betrieben es nicht gutgeht.
Im Vordergrund des steuerlichen Maßnahmenbündels steht die hier angesprochene und vielfach kritisierte Senkung der von den Betrieben zu tragenden Vermögensteuer. Damit wird die Milderung einer Besteuerung fortgesetzt, die auf die Gewinnoder Verlustsituation der Betriebe nach meiner Einschätzung immer noch zu wenig Rücksicht nimmt.Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen — das ist hier heute schon mehrfach zitiert worden — hat die Verteilungswirkung dieser Vermögensteuerentlastung kritisiert. Ich kann mich zu diesem Punkte etwas kürzer fassen, weil Kollege Kreile darauf schon sehr intensiv eingegangen ist. — Übrigens zeigt sich hier, wie synchron steuerpolitisch in der Koalition gedacht wird, ich habe das mit Befriedigung festgestellt, Herr Kollege Kreile. — Diese Berechnungen verschweigen doch — das Beispiel von Herrn Kollegen Kreile hat es gezeigt —, daß relativ die Entlastungswirkung durch die Freibeträge natürlich bei den kleinen und mittleren Betrieben größer als bei den Großbetrieben ist. Das ist ernsthaft nicht zu bestreiten. Wenn man — auch darauf ist hingewiesen worden, nämlich auf die Zahl der Beschäftigten bei diesen Großunternehmen — die Zahl 0,7 % der Betriebe einmal auf Arbeitsplätze umrechnet, dann ergeben sich schon völlig andere Prozentzahlen. Überhaupt halte ich in diesem Zusammenhang, das Operieren mit absoluten Zahlen, die dann wieder in Prozentzahlen umgerechnet werden, für schlicht unseriös.
Meine Damen und Herren, es ist j a wohl auch die Frage erlaubt, warum eigentlich große Unternehmen, die eine Vielzahl von Arbeitsplätzen stellen, von diesen Entlastungswirkungen ausgenommen werden sollen. Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß man sozusagen den Test auf die Belastbarkeit der Wirtschaft so lange fortsetzt, bis man nachher wieder versucht, Arbeitsplätze über erhöhte Subventionen zu sichern.
Meine Damen und Herren, wem hier gesagt wird, größere Betriebe würden gegenüber kleineren und mittleren Betrieben benachteiligt, sollte man den Gesamtzusammenhang des vorliegenden Paketes nicht verschweigen, und man sollte auf die Son-
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1232 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Gattermannderabschreibungen für die kleinen und mittleren Betriebe hinweisen.
Dies ist eine ausgeprägt mittelstandsfreundliche Komponente mit einem Volumen von immerhin einer Milliarde DM. Das ist j a auch Geld. Ich sehe darin das Gegenteil einer Bevorzugung der Großbetriebe.Aus der Fülle der weiteren Entlastungsmaßnahmen will ich nur noch die Wiedereinführung der Sonderabschreibung für Forschung und Technologie und die Abzugsfähigkeit von Emissionskosten hervorheben. Das erste ist dringend geboten, um der Wirtschaft Hilfestellung bei der Entwicklung neuer Innovationskraft zu leisten, und das zweite, um Familienunternehmen insbesondere den Zugang zum Markt für Risikokapital zu erleichtern.Meine Damen und Herren, diese Maßnahme zeigt übrigens schon auf die bloße Ankündigung hin Wirkung. Deshalb werden der Kollege Kreile und ich unseren Fraktionen vorschlagen, daß diese Regelung nicht erst am 1. Januar 1984, sondern schon mit der Verkündung dieser Absicht, nämlich mit dem 29. Juni 1983 in Kraft tritt, um hier einem möglichen Attentismus bei der Eigenkapitalbeschaffung vorzubeugen.
Meine Damen und Herren, in unserer freidemokratischen Wertung des gesamten Maßnahmenbündels — mag man an der einen oder anderen Maßnahme auch Detailkritik anmelden — sehen wir ein geschlossenes Konzept, das einen wichtigen Schritt für die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft darstellt und das — da sind wir sicher — von der Wirtschaft auch angenommen werden wird.Herr Kollege Gobrecht — andere haben es auch angesprochen, aber Sie haben es dezidiert gesagt —, Sie meinen, diese 31/2 Milliarden DM Steuermindereinnahmen seien vertan, sie bewirkten keine einzige zusätzliche Investition, sie brächten keinen einzigen Arbeitsplatz, denn sie seien nicht beschäftigungspolitisch eingesetzt worden.Geben Sie doch endlich diesen törichten Irrglauben auf, unsere Wirtschaft sei ein simpler Spielautomat, den man nur mit einigen staatlichen Münzen füttern müsse, und postwendend kämen unten Arbeitsplätze, Investitionen und Wachstum heraus!
Glauben Sie doch nicht, wir seien so kurzsichtig, anzunehmen, mit 31/2 Milliarden Mark Steuerentlastungen würden wir nun postwendend 2 Millionen Arbeitslose oder auch nur einen großen Teil von ihnen unmittelbar und sofort wieder in Arbeit und Brot bringen!
Meine Damen und Herren, wir haben uns — das ist das, was ich eingangs die Angriffsfläche für polemische Anfeindungen genannt habe — auf einen sehr langen und mühsamen Weg begeben, auf den Weg nämlich, das Vertrauen wieder aufzubauen und schrittweise jenen staatlichen Rahmen zu schaffen, in dem sich wirtschaftliche Betätigung und wirtschaftliches Handeln schlicht und ergreifend lohnt; denn das ist die unverzichtbare Voraussetzung für Arbeitsplätze.
Meine Damen und Herren, der Herr Apel und eigentlich der ganze Chor der wirtschafts- und finanzpolitischen Sprecher und Experten der SPD vermissen in diesen Überlegungen der christlichliberalen Koalition und in den vorliegenden Gesetzentwürfen das Konzept.
Mich erinnert das, wenn ich mir überlege, was denn statt dessen so angeboten wird, ein bißchen an das Motto „Haltet den Dieb!"; denn ein Alternativkonzept habe ich von Ihnen nicht gehört.
Zumindest habe ich sehr viel Verwirrendes gehört. Vom Kollegen Roth habe ich gelernt — so die beschäftigungspolitischen Leitlinien der SPD-Fraktion —, daß dringend große staatliche Beschäftigungsprogramme mit einem deutlichen Schwergewicht auf öffentlichen Investitionen her müssen.
— Ich habe gesagt, wo die Quelle ist, Herr Kollege, nämlich in den veröffentlichten beschäftigungspolitischen Leitlinien der SPD-Fraktion.Vom Kollegen Apel habe ich — schon vor der heutigen Debatte, aber heute habe ich es wieder gehört, wenn auch nicht ganz so deutlich — gelesen, daß er ein Beschäftigungsprogramm wünscht, das einen Schwerpunkt in den privaten Investitionen sieht.Bei Herrn Börner höre ich reine nachfrageorientierte Politik; ich hör nämlich von 4 Milliarden DM Entlastungen bei den Arbeitnehmereinkommen.
Meine Damen und Herren, ich will jetzt einmal offenlassen, ob letztere reine Wahlkampfbemühungen sind; ich will auch nicht die Frage stellen, wie seriös es eigentlich im Hinblick auf das Gesetzesinitiativrecht in unserer Republik ist, daß nur zu Wahlkampfzwecken von vornherein absolut aus-sichtlose Gesetzesanträge eingebracht werden. Es würde zu weit führen, dem jetzt im einzelnen nachzugehen.Meine Damen und Herren, die Alternativen haben eigentlich nur eines gemeinsam: Sie kosten viel Geld, das nicht da ist. Als Finanzierungskonzept kommt dann: weitere Schulden machen oder Steuern erhöhen, wobei das Schuldenmachen neuerdings ein bißchen verklausuliert wird. Man spricht
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1233
Gattermannnicht expressis verbis von Schulden, sondern sagt, man dürfe die Konsolidierung nicht zu weit treiben, aber genau das Schuldenmachen ist gemeint und kommt dabei heraus.Ich fürchte, Herr Kollege Gobrecht, es könnte vielleicht doch etwas an dem bösen Urteil über den wirtschaftspolitischen Sachverstand der SPD dran sein, daß die SPD genau weiß, wie man Geld ausgibt — auch sozial vernünftig ausgibt —, aber nicht weiß, wie man Wirtschaft und Bürger in den Stand versetzt, dieses auszugebende Geld zunächst einmal zu verdienen.
In den Ausschußberatungen werden wir uns allerdings sehr ernsthaft mit der Kritik des Bundesrates auseinanderzusetzen haben, die bei grundsätzlicher Billigung des Entwurfs vorgebracht wurde. Das Stichwort ist „Vereinfachung"; Herr Gobrecht, Sie haben es auch angesprochen. In der Tat wird durch einige Regelungen das Steuerrecht nicht einfacher. Dies veranlaßt mich zunächst einmal zu einer Bemerkung, von der ich meine, daß sie im Interesse der Mitarbeiter in den Finanzverwaltungen einmal gemacht werden muß.Unser politisches Anliegen, mehr Steuergerechtigkeit, mehr Verteilungsgerechtigkeit, die unterschiedlichsten politischen Zielsetzungen mit Mitteln des Steuerrechts zu verwirklichen, zwingt uns natürlich immer wieder zu immer neuen Kompromissen, deren gesetzestechnische Umsetzung außerordentlich kompliziert ist, dem Vereinfachungsgedanken entgegenwirkt und die Arbeit der Beamten erschwert. Ich meine, wir sollten offen eingestehen, daß der Adressat für Bürgerunmut wegen der komplizierten Steuergesetze zunächst einmal und in erster Linie dieser Gesetzgeber selbst ist. Ich meine, das müßte einmal gesagt werden.
Herr Gobrecht, Sie haben insbesondere der CDU vorgeworfen, daß sie diesem Vereinfachungsgedanken spontan keinen Raum mehr seit dem Zeitpunkt gebe, da sie in die Regierungsverantwortung überwechselte. Ich darf das zurückgeben und sagen: Sie haben genauso spontan gelernt, diesen Gedanken hervorzukehren und sauber vorzutragen, nachdem Sie in die Oppositionsrolle übergewechselt sind.
Ich will Ihnen ein Beispiel sagen, Herr Kollege Gobrecht. Ich erinnere mich an eine Nachtsitzung im Rahmen einer Koalitionsverhandlung, in der tatsächlich der Versuch unternommen werden sollte, im Zusammenhang mit dem Programm zur Energieeinsparung in Höhe von 4,35 Milliarden DM — Sie erinnern sich — steuerlich zu regeln, daß die steuerlichen Vorteile, die dabei auf der Vermieterseite entstanden, durch die einzelnen Mietverträge an die Mieter weitergegeben werden. Es hat einer ganzen Nacht bedurft, um Ihnen diesen verteilungspolitisch durchaus akzeptablen Gedanken auf derGrundlage des Vereinfachungsgedankens auszureden.Wie gesagt: Ich glaube, wir sollten uns da wechselseitig nicht zu viele Vorwürfe machen. Deswegen habe ich das gesagt.
Nach den ersten Schritten zur Entlastung der Unternehmensbesteuerung im vergangenen Herbst und jetzt wird als nächster Schritt der Abbau leistungsfeindlicher Wirkungen des Lohn- und Einkommensteuertarifs in Angriff zu nehmen sein.
Hier ist der Staat immer wieder in der Pflicht — ich benutze jetzt das Wort des Herrn Kollegen Häfele —, heimliche Steuererhöhungen zurückzugeben. Diese Aufgabe — jetzt hören Sie gut zu — ist im Zuge unserer gesamten Wirtschaftsstrategie um so dringlicher, als ein Florieren der Wirtschaft nicht nur bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmen voraussetzt, sondern auch motivierende Regelungen für die unerläßlich mitarbeitenden Arbeitnehmer voraussetzt.
Meine Damen und Herren, die Steuer- und Abgabenlast übersteigt in einigen Einkommensbereichen bereits das Erträgliche. Ich habe hier heute wieder den Vorwurf gehört — man hört ihn ja allenthalben —, daß die finanzpolitischen Maßnahmen dieser Koalition sozial unausgewogen seien.
Ich will nicht den Gedanken wiederholen, den Herr Kollege Kreile bereits vorgetragen hat. Jedes Jahr der hinausgeschobenen Tarifreform fordert von allen Bürgern dieses Landes ein Konsolidierungssonderopfer. Das ist überhaupt nicht zu bestreiten.
Ich gehe darüber hinaus und sage: auch von den Steuerbürgern in der Proportionalzone, weil sich dort nämlich durch die Nichtanhebung des Grundfreibetrags zusätzliche reale Belastungen ergeben. Aber natürlich greift dieses Sonderopfer massiv und intensiv dort, wo sich der Progressionstarif am stärksten auswirkt. Dies muß man so deutlich sehen und sagen.Der Kollege Apel hat gemeint, Graf Lambsdorff habe gesagt, 1985 müßten wir diese Tarifreform durchführen. Das hat Graf Lambsdorff zu keiner Zeit gesagt.
Seine Formulierung war: in dieser Legislaturperiode. Ich schließe mich dieser Formulierung an, meine Damen und Herren.
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1234 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
GattermannSie können selbst ausrechnen, wieviel Jahre Sonderopfer das schon sind.
Meine Damen und Herren, ich will noch sagen, daß daneben als nächste Aufgabe, Herr Bundesfinanzminister, eine Ordnung — ich will nicht sagen „Neuordnung" — der Besteuerung des Wohneigentums in Angriff genommen werden muß.
Ich halte das deshalb für eine ganz dringende Aufgabe, weil wir uns auseinanderzusetzen haben mit möglichen konjunkturpolitischen Auswirkungen, die sich aus dem Zusammenwirken diverser auslaufender gesetzlicher Maßnahmen ergeben. Das Investitionszulagengesetz läuft aus. Bestimmte Bauherrenmodelle laufen mit dem Wegfall der Mehrwertsteueroption aus.
Der Schuldzinsenabzug für das selbstgenutzte Wohneigentum, Bausparzwischenfinanzierungsprogramme, Sonderprogramme im sozialen Wohnungsbau, das alles wird, zeitlich kumulierend, in den Jahren 1985/86 und 1987 auslaufen. Deswegen brauchen wir eine Anschlußregelung, von der ich zunächst einmal nur sagen will, daß sie aufkommensneutral zu sein hat. Sonst ist sie nicht zu finanzieren. Sie hat also quantitativ und qualitativ gleichwertig zu sein, wenn wir Konjunktureinbrüche vermeiden wollen.Ein letztes Wort in die Zukunft gerichtet: Nach diesen Aufgaben bleibt das Thema „Struktur der Unternehmensbesteuerung" weiter auf der Tagesordnung. Das Stichwort ist Gewerbesteuer. Ich hätte das heute nicht gebracht, wenn nicht der finanzpolitische Sprecher der SPD, der Kollege Dr. Apel, sehr direkt — wie es seine Art ist — gemeint hätte, die Forderung der FDP nach Abschaffung der Gewerbesteuer offenbare wenig finanzpolitischen und steuerpolitischen Sachverstand.
Herr Kollege Gattermann — —
Ich bin in wenigen Sätzen fertig, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, der Kollege Dr. Apel sollte vielleicht einmal ein Privatissimum bei Frau Matthäus nehmen, die sehr viel von der Gewerbesteuer versteht, die da sehr viel Sachverstand einzubringen hat. Meine Damen und Herren, diese Steuer führt zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Unsere Unternehmen sind mit etwa 8 Milliarden DM belastet, die im Grenzausgleich nicht zurückerstattet werden können. Ausländische Unternehmen haben gewisse Wettbewerbsvorteile im Inland durch diese Steuer. Sie führt zu immensen Steuerkraftunterschieden der Gemeinden. Meine eigene Heimatstadt hatte 1980 259 DM — —
Herr Kollege Gattermann, ich muß Sie unterbrechen. Wir haben uns eine gemeinsame Regel gegeben. Ihre Zeit ist weit überschritten.
Meine eigene Heimatstadt hatte also 259 DM pro Kopf, während Hamburg weit über 600 DM hat.
Meine Damen und Herren, ich will nur zur Klarstellung sagen: Dies ist keine Aufgabe für diese Legislaturperiode, aber die Neuordnung der Gemeindefinanzierung ist eine Aufgabe, der wir uns in der nächsten Legislaturperiode nicht werden verschließen können.
Und das ist die Stunde der Abschaffung der Gewerbesteuer.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Echternach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte heute nachmittag hat gezeigt, wo das Dilemma der Opposition dieses Hauses liegt. Dabei will ich die GRÜNEN einmal ausklammern; denn wenn man auf der einen Seite ein zusätzliches Programm von 28 Milliarden DM fordert und auf der anderen Seite zum Steuerboykott aufruft, dann meldet man sich im Grunde von jeder ernsthaften parlamentarischen Diskussion über die Lösung unserer Haushaltsprobleme ab.Was das Dilemma der SPD angeht, so ist es nicht viel kleiner. Auf der einen Seite haben Sie den Scherbenhaufen angerichtet, mit dem wir es jetzt zu tun haben, und auf der anderen Seite haben Sie nicht die Kraft, einen Weg daraus zu finden. Sie haben nicht die Kraft dazu, eine finanzpolitische Konzeption zu entwickeln, die geeignet wäre, diesen Scherbenhaufen auch wieder abzutragen.
Sie haben heute nachmittag versucht, das hinter einem Wust von Polemik zu kaschieren, hinter dem nur eines deutlich geworden ist: daß Sie unverändert für die Politik eintreten, die uns in diese Krise geführt hat. Sie sind nicht bereit, die Konsolidierungsmaßnahmen mitzutragen. Sie fordern statt dessen, daß die Steuerlast erhöht wird. Sie wollen die Mehrwertsteuererhöhung zweckentfremden.
— Sie wollen sie nicht zurückgeben. Sie wollen sie zweckentfremden für Haushaltsausgaben. Sie sind nicht bereit, bei der Konsolidierung mitzuwirken, sondern fordern durch ihre Sprecher heute und in den letzten Tagen draußen eine fortlaufende Erhöhung der Staatsausgaben. Herr Apel fordert zusätzliche Ausgaben für die Städte und Gemeinden, er fordert zusätzliche Ausgaben für den Umweltschutz. Sie fordern zusätzliche Maßnahmen für die Bundeswehr.
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Echternach— Herr Horn hat gesagt, zum 1. Januar nächsten Jahres würde ein Gesetzentwurf für die Erhöhung des Wehrsoldes durchgesetzt und die SPD werde dafür sorgen, daß zum 1. Januar nächsten Jahres der Wehrsold erhöht werde.
Das kann man alles nachlesen. Herr Roth will zusätzlich Milliarden für die Bundesbahn akquirieren. Herr Börner fordert zusätzlich die Einführung eines Arbeitnehmerfreibetrages, eine höhere Kilometergeldpauschale und, und, und.
Mit anderen Worten, es ist das alte Programm — mehr Steuern, mehr Schulden, mehr Staatsausgaben —, das Programm, das uns in die Krise geführt hat. Sie haben aus Ihrem Scheitern nichts gelernt.
Interessant war auch das, was Herr Apel heute zum Thema Werften gesagt hat. Er hat vom Versagen der Unternehmenswirtschaft gesprochen. Er hat nur vergessen hinzuzufügen, daß er selbst und seine SPD/FDP-Kabinettskollegen 13 Jahre lang Miteigentümerfunktion in der größten deutschen Werft ausgeübt haben,
mit dem Ergebnis, daß nirgendwo die Kostenstruktur so ungünstig war und nirgendwo der Strukturwandel so verschlafen worden ist wie auf dieser größten deutschen Werft, bei der wir — —
— Nein, das Finanzministerium ist federführend, Sie wissen es.
75% gehören dem Bund, und insofern hatten Sie die Aufgabe, dort etwas zu tun. Sie wissen, daß mit Hilfe eines vom Bund entsandten Vertreters die notwendigen Strukturwandlungsmaßnahmen damals nicht durchgeführt werden konnten, die schon vor Jahren fällig gewesen wären.
Sie sagen auch die Unwahrheit, Herr Apel, wenn Sie in Ihrer Rede hier heute behauptet haben, daß die Bundesregierung gestern erste Hilfsmaßnahmen für die Werften ergriffen habe. Es ist interessant, wieviel gröber Sie sogar draußen argumentieren. Ich nehme die Ausgabe des „Vorwärts" der letzten Woche. Auf der ersten Seite heißt es: „Bonn will nicht helfen — Selbstheilungskraft des Marktes heißt bei den Werften tausendfache Arbeitslosigkeit".
Dieser Artikel wird mit dem Satz begonnen:Bisher weigert sich die Bundesregierung, dembedrängten Schiffbau Hilfen zu geben, obwohlalle anderen europäischen Länder ihre Werften stützen.
Sie wissen, daß diese Polemik, mit der Sie draußen arbeiten, die Wahrheit auf den Kopf stellt.
Die Wahrheit ist, daß die neue Koalition den Schiffbau in diesem Jahr weit stärker fördert, als Sie das mit Ihren Ansätzen im alten Etat selbst vorhatten. Die Wahrheit ist, daß auch der Haushaltsentwurf für das nächste Jahr eine weit stärkere Aufstokkung der Schiffbauzuschüsse vorsieht, als Sie es in der mittelfristigen Finanzplanung vorhatten.Natürlich kann die neue Bundesregierung genausowenig wie ihre Vorgänger Besitzstandsgarantien für die gegenwärtigen Werften oder die gegenwärtigen Arbeitsplätze geben. Aber sie hat bewiesen, daß sie alles ihr Mögliche tut, um Schiffbau und Schiffahrt in ihrer schwierigen Lage trotz der desolaten Finanzsituation zu helfen. Trotz der Notwendigkeit, an allen Ecken und Enden zu sparen, hat der Bund in diesem Jahr die Schiffbauzuschüsse um 55 Millionen DM aufgestockt, im Haushaltsjahr 1984 sogar eine Erhöhung um 70 Millionen DM vorgesehen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung in diesem Jahr im Rahmen ihrer Aufgaben die unmittelbaren Aufträge für die Werften um 100 Millionen DM gegenüber den Ausgaben 1982 aufgestockt. Außerdem ist vorgesehen, daß die Steuerentlastungen im nächsten Jahr auch zu einer Fortsetzung der Sonderabschreibungen für die Handelsschiffe um insgesamt sechs Jahre führen sollen, die nach Ihrem Willen eigentlich Ende dieses Jahres auslaufen sollten.Diese Hilfen stellen keine Dauersubventionierung dar. Das könnten wir auch gar nicht verantworten, denn diese gewährten Hilfen sollen Hilfen zur Selbsthilfe sein. Sie dürfen den wirtschaftlich notwendigen strukturellen Anpassungsprozeß nicht verhindern, sie sollen ihn im Gegenteil erleichtern. Auch die norddeutschen Länder waren sich im April dieses Jahres darüber einig,
daß der Anpassungsprozeß weiter voranschreiten muß, daß die vorhandenen Kapazitäten im Großschiffbau immer noch zu groß sind und deshalb weiter abgebaut werden müssen. Wenn mehr als eine Jahresproduktion im Schiffbau aufliegt, wenn alle Prognosen sagen, daß der Weltschiffbau auch in den nächsten Jahren zurückgeht, gibt es dazu keine Alternative. Man muß es den Betroffenen dann auch offen sagen.Andererseits aber haben es die deutschen Werften nicht nur mit dem international üblichen Preis- und Leistungswettbewerb zu tun. Diesen brauchten unsere Werften bei ihrem Leistungsstand nicht zu scheuen. Sie haben es vor allem — damit können unsere Werften auf die Dauer nicht konkurrieren —
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1236 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983
Echternachmit dem gewaltigen Subventionswettlauf im internationalen Maßstab zu tun.
In einer Reihe von europäischen Ländern liegen die Subventionen bei 50 % und mehr der Neubaukosten. Solange es nicht gelingt, diesen Wettlauf zu stoppen, müssen wir verhindern, daß unsere Werften ihm zum Opfer fallen.
Nicht nur hier gibt es Parallelen zum Stahl. Niemand kann darüber hinwegsehen, welche Bedeutung die Werften gerade für den strukturschwachen Norden haben. Es geht aber eben nicht nur um ein regionales Strukturproblem. Ein so exportabhängiges Land wie die Bundesrepublik braucht eine leistungsfähige Schiffahrt und dementsprechend auch ein Mindestmaß an Schiffbauindustrie. Wir bekennen uns dazu und werden die Werften nicht im Stich lassen. Über die Einzelheiten der Hilfen werden wir noch im Haushaltsausschuß zu reden haben, auch über die jetzt in Rede stehende Exporthilfe. Allerdings muß man das Problem in der richtigen Dimension sehen. Die im Haushaltsplan vorgesehene Aufstockung der Schiffbauzuschüsse macht bereits einen erheblich höheren Betrag als den Betrag aus, den die norddeutschen Länder für Exporthilfen fordern. Es wird auch zu prüfen sein, was Exporthilfen von 5 % überhaupt bewirken können. Sie wissen, daß der Verband der Schiffbauindustrie meint, mit 5% sei überhaupt nichts zu machen. Ebenso wird zu prüfen sein, inwieweit diese Hilfen mit dem EG-Vertrag in Übereinstimmung zu bringen sind. Wir können schließlich die EG-Kommission auf der einen Seite nicht immer auffordern, gegen vertragswidrige Wettbewerbsbeschränkungen anderer vorzugehen, dann aber auf der anderen Seite selbst gegen Vertragspflichten verstoßen. Das alles werden wir im Haushaltsausschuß zu beraten haben.
Herr Kollege Echternach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?
Ja, bitte.
Herr Kollege Echternach, wenn wir schon über Subventionen reden: Würden Sie denn einem Werftarbeiter nicht zustimmen, wenn er Ihnen vorhält, daß diese Bundesregierung Agrarprodukte subventioniert, die anschließend vernichtet werden — ich denke nur an die Butterberge, die Obstberge usw. —, während sie andererseits nicht bereit ist, Subventionen für die Arbeitsplätze in der Werftindustrie, wie sie die europäischen Nachbarstaaten gewähren, zur Verfügung zu stellen?
Wir haben hier in diesem Hause mehrfach Debatten über die protektionistischen Maßnahmen im EG-Binnenmarkt geführt. Sie wissen, daß wir hier darauf drängen, daß die protektionistischen Maßnahmen anderer abgebaut
werden. Insofern wird es notwendig sein, daß wir EG-vertragskonform vorgehen.
— Ich bitte um Verzeihung, meine Redezeit ist sofort zu Ende.
Meine Damen und Herren, der Haushaltsplan 1984 ist ein Etat, der auf gesicherten Daten beruht, nicht von Wunschdenken und Schönfärberei diktiert wurde — wie die Zahlen früherer Haushaltspläne, die in der Regel wenige Monate später schon wieder überholt waren und nachgebessert werden mußten. Diesem Etat liegen realistische Zahlen zugrunde. Es wird deutlich, daß wir wieder einen Finanzminister haben, der nicht taktiert und der nicht trickst, sondern der mit Augenmaß und Konsequenz den Weg der Konsolidierung des Haushaltes geht. Wir werden deshalb in den Beratungen des Haushaltsausschusses an den Eckdaten dieses Haushaltes festhalten. Für jede Mark, die zusätzlich umgeschichtet wird, werden wir gleichzeitig Streichungen an anderer Stelle vornehmen. Wir werden noch mehr anstreben, nämlich das Haushaltsdefizit, die Nettokreditaufnahme weiter zu reduzieren. Wir werden den im Herbst eingeschlagenen Kurs fortsetzen, weil es offenbar — so zeigt diese Debatte — keine realistische Alternative zu ihm gibt und weil wir nach den Erfolgen der letzten Monate zuversichtlich sind, daß dieser Weg uns aus der Krise herausführen wird.
— Die Erfolge, die Sie abfragen, sind der Stopp des Anstiegs der Arbeitslosigkeit, die Zunahme der Bereitschaft unserer Bürger, selbständig zu werden, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Erfolg kann auch in dem Wachstum der Wirtschaft gesehen werden. Es ist zwar immer noch branchenmäßig unterschiedlich; wir haben aber ein stärkeres Wachstum zu verzeichnen, als es die Bundesregierung vor der letzten Bundestagswahl im Jahreswirtschaftsbericht selbst noch prognostiziert hatte. Das zeigt: Wir sind auf dem richtigen Wege. Wir werden diesen Weg weitergehen. — Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Abgeordnete Grobecker.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich den Laden hier noch ein bißchen aufhalten muß. Ich bitte um Entschuldigung.
— Das Hohe Haus, natürlich. — Aber der Ritus dieses Hauses erfordert es, daß da nun wieder noch einer draufkommen muß. Ich würde es mir gern ersparen.
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GrobeckerVielleicht hat es interfraktionelle Gründe, daß der Herr Echternach heute sprechen muß: weil der Herr Metz morgen spricht.Wissen Sie, Herr Echternach, verehrter Freund, Sie haben selbst dem Abgeordneten Riedl aus Bayern keine Neuigkeiten mehr berichtet mit dem, was Sie hier über Schiffbau gesagt haben.
Aber ganz neu ist, daß Sie nun endlich einen Schuldigen klargemacht haben, auf den Haken genommen haben, um in der Wendung zu bleiben. Hans Apel ist schuldig. Das ist völlig klar. Ich mache das nicht so billig und polemisch zurück. Herr Stoltenberg, Sie haben kein Wort von mir zu erwarten, was HDW Kiel und Hamburg angeht, denn ich finde, das Land Schleswig-Holstein und der Bund haben sich in der Zeit, in der wir im Haushaltsausschuß die erste Krise bewältigen mußten, vernünftig verhalten, wie anständige Kapitaleigner verhalten: Sie haben nämlich nachgeschossen, wie sich das gehört. Sie haben Kapitalaufstockung gemacht, damit HDW nicht den Bach runtergeht. Das haben wir gemacht.
— Meine Damen und Herren, ich will das nun wirklich nicht so lange machen.Herr Echternach, es ist doch ein Irrtum, wenn Sie meinen, ein Brennglas auf Hans Apel und HDW Kiel richten zu müssen. Die Schiffbaukrise ist weltweit. Bei uns geht sie von Emden bis nach Flensburg. Wen wollen Sie denn in Emden verantwortlich machen, wenn Sie Apel für HDW verantwortlich machen? Wen wollen Sie in Lübeck verantwortlich machen? Die wirklich Verantwortlichen, die Werftgrandies, haben Sie dabei überhaupt nicht erwischt.Deshalb nur ein Satz: 1974, als die ganze Welt wußte, jetzt ist es vorbei mit den Bulk-Carriers und Tankern — alle wußten das, selbst die Werftmanager wußten das —, ist der Zeitpunkt verpaßt worden, den Schiffbau in der Bundesrepublik, einen technologisch hochentwickelten Schiffbau in einem Hochlohnland, auf den Markt umzustellen, den es auch heute noch gibt. Jetzt kommen wir nicht darum herum nachzuschießen — Herr Stoltenberg weiß das auch —, damit wir wenigstens das verkleinerte Niveau im Schiffbau behalten.Wir haben von 1974 bis heute mehr als 15 000 Schiffbauer auf die Straße gesetzt, die nichts anderes machen können. Sie müssen unter schwierigen Bedingungen umgeschult werden. Sie wie wir haben gesehen — Sie kommen ja aus Hamburg; da gibt es noch einigermaßen Industrie —, was es insbesondere für die kleineren Schiffbauplätze wie Emden, Husum, Lübeck oder Flensburg bedeutet, wenn dort kein Schiffbau mehr betrieben wird. Deswegen gehen wir in einigermaßen guten Schuhen. Das ist Ihnen entgangen. Fragen Sie Ihren Kollegen Metz! Er sitzt ja neben Ihnen. Er weiß das alles.Wir haben 1979 und 1981 ein Programm gehabt, das mit verhältnismäßig geringen Mitteln von Bund und Ländern den Schiffbau in der Waage gehalten hat, d. h. Abbrüche vermieden hat, wie sie jetzt stattfinden: bei HDW 4 000 Leute entlassen, bei uns in Bremen eine ganze Werft dicht. Darum bemühen wir uns im Augenblick.Ich denke, daß wir im Haushaltsausschuß übereinkommen werden mit dem, was Sie hier gesagt haben. Wir werden die beiden wichtigsten Elemente, die dieses Programm beinhaltet hat, wieder vorschlagen. Wir werden — erstens — die Reeder investitionsfähig machen. Wir müssen sie investitionsfähig machen, da sie sonst keine Schiffe bauen. Was sollen sie auch mit Schiffen, wenn sie für eine Tonne Kaffee von Costa Rica nach Europa nur 60 Dollar kriegen? Also müssen wir sie investitionsfähig machen.Zweitens werden wir die Werften in die Lage versetzen, weltweit zu akquirieren. Es ist Einsicht bei allen Fachleuten, außer bei Ihnen — natürlich, Sie sind ja auch kein Fachmann —,
daß wir die Werften eine gewisse Zeit in die Lage versetzen müssen, weltweit mitzubieten. Wir konkurrieren schon lange nicht mehr mit Korea und seinen Billigpreisen, was Bulk-Carriers und Tanker angeht. Wir konkurrieren mit der klassischen europäischen Schiffbauindustrie, die komplizierten Schiffbau macht. Das können wir. Unsere Schiffbauer können das. Unsere Konstrukteure können das. Wir müssen noch eine Zeitlang durchhalten, damit wir Abbrüche, wie wir sie im Augenblick erleben, vermeiden. Darum geht es.Nun bitte ich um Entschuldigung, daß es noch fünf Minuten gedauert hat. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ronneburger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden mir nachsehen, daß ich mit einigem Zögern ans Rednerpult gegangen bin, nachdem soeben der einzige Sachverständige für Schiffbau-Fragen dieses Hohen Hauses seine Rede beendet hat,
denn offenbar, Herr Kollege Grobecker, gibt es außer Ihnen keinen anderen.Aber darf ich dann einige Bemerkungen auch an Ihre Adresse richten. Wieso reden wir hier eigentlich immer von Schiffbau, als gebe es hier nur ein ganz einheitliches Problem auf allen unseren Werften? Wieso lassen wir nicht einmal deutlich werden, daß die Situation der Mittel- und Kleinwerften erheblich besser ist als die der Großwerften, und zwar deswegen, weil diese am ehesten in der Lage waren, ihre Produktion den veränderten Anforderungen anzupassen und damit z. B. erreicht haben, daß im Sonderschiffbau ein erheblicher Anteil von Aufträ-
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Ronneburgergen auf die mittleren und kleinen Werften entfallen ist. Die Großwerften waren erheblich unbeweglicher; sie haben auch durch Fehlentscheidungen in der Vergangenheit ihre Produktionskapazitäten für die Zukunft belastet.Aber ich warne hier im Hohen Hause jedermann, nun etwa zu sagen: wir sind natürlich gegen Subventionen, dann aber, wenn es um einen Spezialbereich geht, tatsächlich höhere Subventionen zu fordern. Hier, meine ich, kann nicht übersehen werden, daß Kapazitätsanpassung und Strukturveränderung in den Werften vordringlich Aufgabe der Länder und der betroffenen Unternehmen selbst sind, und, Herr Bundesfinanzminister, daß es natürlich Aufgabe des Bundes ist, bei vorliegenden Projekten und Entwicklungsvorstellungen der einzelnen Werften auch in angemessener Weise Hilfe zu leisten. Ich bin sehr froh darüber, daß der Bund das auch tut, denn er wird, wenn wir die bisherige Finanzplanung hochrechnen, in Zukunft mehr Mittel für den Schiffsbau und gerade auch für die Reederhilfe bereitstellen, von der Sie, Herr Grobecker, soeben gesprochen haben.Herr Grobecker, wenn ich auch einen Blick auf Bremen werfen darf, dann kann ich Ihnen die Bemerkung, daß der Senat in Bremen die anstehenden Probleme in der Vergangenheit offenbar zu spät erkannt hat und keine überzeugenden Initiativen entwickelt hat, um auch seinen Beitrag zur Lösung der bremischen Werftprobleme zu leisten, nicht ersparen.
Dies kann auch nach Ihren Ausführungen, Herr Sachverständiger, nicht verschwiegen werden.Deswegen, glaube ich, ist es richtig, daß wir uns darum bemühen, im europäischen Rahmen einen Abbau der Subventionen zu erreichen, von denen Sie ja soeben auch zu Recht gesprochen haben. Diese Subventionen haben gerade für den mittleren und kleinen Schiffsbau — ich meine jetzt nicht von der Werft her, sondern von der Größenordnung der gebauten Fahrzeuge und vom Sonderschiffsbau her — eine ganz besondere Bedeutung. Ich kann dabei nicht verschweigen, daß die Forderung, die ich damit aufstelle, durch jüngste Maßnahmen unserer europäischen Partner nicht gerade positiv beeinflußt worden ist, daß eine angemessene Hilfe des Bundes weiter gegeben wird und daß Unternehmen und Länder — wie es übrigens das Land SchleswigHolstein in seinem jüngsten Sonderprogramm für HDW ja getan hat — ihrer Pflicht gegenüber ihren eigenen Unternehmen auch gerecht werden. — Danke sehr.
Das Wort hat der Abgeordnete Burgmann.
Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde! Herr Echternach hat hier vorhin gesagt, wir GRÜNEN hätten gar kein Recht, über diese 26 Milliarden DM zu reden, wenn wir gleichzeitig zum Steuerboykott aufrufen. Herr Echternach hat offensichtlich nicht mitbekommen, daß wir diesen Steuerboykott als Rüstungsboykott verstehen, daß wir also unsere Steuern nicht für Rüstung, für todbringende Gegenstände ausgeben werden. Die Vorschläge, die wir gemacht haben, denken wir, sind geeignet, das Leben in diesem Lande zu erhalten. Da sind wir gern bereit, Steuern zu zahlen. Das nur zur Richtigstellung.
Nun zu den Problemen der Werften, die hier in den letzten Minuten, leider gerade noch so am Ende der Debatte eine wesentliche Rolle gespielt haben. „Leider" deshalb, weil wir glauben, daß die Werften doch ein ganz typisches Beispiel für die Situation sind, in der sich unsere freie Marktwirtschaft und unser freies Unternehmertum zur Zeit befindet.Zunächst wurden im Großschiffahrtsbau Riesengewinne erwartet. Man hat dort enorme Summen investiert und auch Gewinne gemacht, bis dann die Ölkrise zu Einsparungen im Energiebereich und damit auch im Schiffsverkehr zwang. Vor allem gingen die Schwellenländer dazu über, auf Grund einfacher Technologien Schiffe selber zu bauen, was wir durchaus begrüßen, weil wir die Entwicklung dieser Länder j a wollen. Man kann sagen, daß sich eine Reihe von Unternehmen auf diese Entwicklung umgestellt haben und dazu übergegangen sind, kompliziertere Technologien zu entwickeln, die sie anbieten können. Das ist leider bei einem Teil der deutschen Werften unterblieben, genau bei denen, die sich heute in einer sehr großen Krise befinden.Ich kann also feststellen: Die Unternehmen haben die Gewinne zunächst einmal mitgenommen. Nun wird aber nach dem Staat gerufen, d. h. die Soziallasten sollen — wie immer — vom Steuerzahler bzw. noch mehr von den Betroffenen, den Beschäftigten, getragen werden. In den letzten zehn Jahren wurden im Bereich der Werften bereits über 20 000 Arbeitsplätze vernichtet. Weitere zigtausend werden folgen. Das zeigt, wer das Risiko in unserer Wirtschaft letzten Endes trägt: Es sind nicht die Unternehmer, sondern die Betroffenen. Für diese geht es um ihre ganz persönliche Existenz und nicht um irgendwelche Gewinne.
Nun geht es wieder um das Hauptkonzept: Schließung von Werften. Das bedeutet wiederum Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen, Fusion, Konzentration. Und das Ganze soll durch Millionen von Steuergeldern unterstützt werden. Wieder soll also der Steuerzahler die Vernichtung von Arbeitsplätzen unterstützen statt deren Schaffung.Wir sehen zusätzliche Gefahren auf die Werften bzw. auf die betroffenen Küstenstädte zukommen. Gestern fand z. B. in der Bremer Landesvertretung ein Gespräch mit Rüstungsfachleuten statt, d. h. mit Militärs, Industriellen und dergleichen. Ich kann nur sagen: Koschnick, ich höre dir trapsen. Offen-
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Burgmannbar hofft man, hier von dem gesteigerten Rüstungshaushalt ein wenig profitieren zu können.
Die GRÜNEN in Land und Bund — in Bremen, Hamburg wie in Bonn — wenden sich mit Leidenschaft dagegen, daß die Krise durch Rüstung wieder behoben werden soll. Da haben wir eine fatale historische Tradition in diesem Lande.
Dagegen möchten wir uns wehren, insbesondere dagegen, daß nun versucht wird, in Regionen wie Bremen, die sowieso schon eine hohe Rüstungskonzentration haben, diese weiter zu fördern.Wir unterstützen insofern alle diejenigen Kollegen, die sich in den Betrieben — Gewerkschaften, Vertrauensleute und Arbeitnehmer — dagegen wehren, daß diese Krise mit Rüstungsproduktion behoben wird. Genauso begrüßen wir, daß sie sich dagegen wehren, daß nun Asbestschiffe und anderes dort repariert werden sollen. Wir meinen, Arbeitsplätze dürfen nicht auf Kosten von Gesundheit und Leben geschaffen werden.
— Ich komme jetzt dazu, Herr Kollege.Die GRÜNEN fordern im Werftenbereich wie in der Stahlindustrie und anderen Bereichen, daß Subventionen von Bund und Ländern nicht an die Vernichtung, sondern an die Schaffung von Arbeitsplätzen gekoppelt werden. Die GRÜNEN fordern, daß die Beschäftigten und die Gewerkschaften an der Lösung der Krise beteiligt werden. Wir fordern, daß dann, wenn der Staat, d. h. die Gemeinschaft, Steuergelder zuschießt und sich auf der anderen Seite die Unternehmen aus der Verantwortung abmelden, die Beschäftigten die Verantwortung für ihre Arbeitsplätze, für ihre Betriebe übernehmen.
Wir sagen: Die Fusion ist keine taugliche Krisenlösung für die Bremer Werften. Ihre Kosten sind immens. Eine Fusion beinhaltet kein zukunftssicherndes Konzept alternativer Produktion, und sie sichert den Belegschaften keinen größeren Einflußauf Investition und Produktion. Statt dessen sind einzelbetriebliche Krisenlösungen zu verfolgen bei optimaler Nutzung des Produktionspotentials und der Qualifikation der Belegschaften der jeweiligen Betriebe.Im Mittelpunkt jeder Krisenstrategie muß die Förderung alternativer, bedarfsorientierter Produktion in den Werften sein. Die Bundesregierung muß durch verschärfte Sicherheitsbestimmungen für Schiffe, die westdeutsche Häfen anlaufen, den Neubau- und Reparaturbedarf erhöhen.Öffentliche Subventionen sind mit qualitativen Auflagen im Hinblick auf Produktion und Beschäftigung zu verbinden. Arbeitszeitverkürzung muß Vorrang vor Entlassung haben. Der betriebswirtschaftlichen Kostenentlastung durch Entlassungen stehen die Not der Arbeitslosen und die gesellschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit gegenüber. Wir unterstützen deshalb die Forderung der Gewerkschaften nach der 35-Stunden-Woche.Nur durch ein solches Bündel von Maßnahmen, das in eine ganz neue Richtung geht, ist die Zukunft der Beschäftigten auf den Werften zu sichern. Die notwendigen kurzfristigen Hilfen von Bund und Land müssen den Sinn haben, die Fristen für solche Umstellungen zu verlängern und Gelegenheit zu geben, solche Umstellungen vorzunehmen. Auch hier ist eine Perspektive notwendig und nicht Flickwerk. Von einer Perspektive allerdings ist in diesem Hause leider nichts zu sehen gewesen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen für die heutige Sitzung nicht vor.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. September 1983, 9 Uhr ein. Wir fahren dann in der Aussprache über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 fort.
Die Sitzung ist geschlossen.