Rede von
Dr.
Gerhard
Stoltenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, bei den beiden Reden der finanzpolitischen Sprecher der Opposition fand ich am anregendsten das Karl-Marx-Zitat, das wir zum Schluß gehört haben.
— Lassen Sie mich doch einmal begründen, warum ich das so anregend fand. — Es hat mich an die sehr lesenswerte Biographie „Karl Marx" von Friedenthal erinnert, die uns ja zeigt, daß Karl Marx, ein bedeutender, umstrittener Denker, zwar in vielen Punkten kompetent gewesen sein mag, aber, wie die katastrophale Situation seiner privaten Finanzwirtschaft zeigt, sicherlich nicht als Kronzeuge beim Thema der öffentlichen oder privaten Finanzen herangezogen werden kann.
Jeder in diesem Hause würde es weit von sich weisen, daß er zur Lösung seiner privaten Finanzprobleme Verwandte, Freunde und Gönner so hemmungslos anpumpt und gelegentlich auch sitzen läßt wie der große Vordenker des Marxismus, der eben genannte Karl Marx.
Ich sage aber auch deshalb, daß ich dies als den anregendsten Beitrag fand, nämlich das Karl-MarxZitat, weil ich bei Ihnen, Herr Kollege Apel, das vermißt habe, was nicht nur ich in einer über einstündigen Rede mit Spannung erwartet habe: die Alternative der Opposition.
Sehr verehrter Herr Kollege Apel, viel Kritik war
zu erwarten. Das ist Ihr gutes Recht. Nur muß sie
stimmen; ich werde etwas zur Stimmigkeit Ihrer
Zahlen und Tatsachen sagen. Aber natürlich habe nicht nur ich in dieser ersten großen Debatte über die Finanz- und Haushaltspolitik dieser Wahlperiode den programmatischen Beitrag der Opposition erhofft, um auch daraus zu lernen. Wir haben ihn nicht gehört. Sie haben Ihr Manuskript von 25 Seiten dankenswerterweise auch mir zur Verfügung gestellt. Auf Seite 24 unten beginnt „Unsere Alternative", und danach folgen fünf Spiegelstriche,
die ich nun auch nicht gerade als erhellend empfinden konnte.
Unter diesen fünf Spiegelstrichen „Die SPD fordert" finden wir dann — ich darf das noch zu Ende führen und Ihnen dann zur Verfügung stehen; erlauben Sie mir, diese Kritik noch zwei Minuten weiterzuführen, damit Ihre Zwischenfragen noch umfassender werden —
zum Beispiel als Alternative: „Bund, Länder und Gemeinden müssen finanzpolitisch gemeinsam handeln und finanzwirtschaftlich handlungsfähig sein."
Ich kann da nicht das Profil einer Alternative erkennen.
Dann steht — was mich besonders beeindruckt hat, Herr Kollege Apel — nach dem letzten Spiegelstrich: „Die Bürger unseres Landes müssen sich auf die finanzpolitischen Versprechungen des Finanzministers und der Politiker der Regierung verlassen können."
Dazu möchte ich sagen, das sollte auch für den finanzpolitischen Sprecher der Opposition gelten, der einmal in seiner Amtszeit als mein Vorgänger — Sie sind der dritte, den ich zitiere, aber nicht zustimmend — nach dem großen Werk der Steuergesetzgebung 1974 den klassischen Satz prägte „Ich denke, mich tritt ein Pferd", als er die Folgen der eigenen Handlungen zu spät erkannte.
Verläßlichkeit, Herr Kollege Apel! Aber jetzt unterbreche ich, damit Sie das Wort bekommen.