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    Plenarprotokoll 10/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des abgeschossenen südkoreanischen Verkehrsflugzeuges 1169A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Haase (Kassel) und Dr. Stercken 1169 B Ausscheiden des Abg. Handlos aus der Fraktion der CDU/CSU 1169 B Verzicht des Abg. Lahnstein und des Abg. Hecker auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 1169 C Eintritt der Abg. Frau Schmedt (Lengerich) und des Abg. Horacek in den Deutschen Bundestag 1169 C Begrüßung des Leiters der britischen Delegation der IPU, Mr. Temple Morris 1191 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) —Drucksache 10/280 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksache 10/281 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Entlassung der Bundesminister des Innern und der Justiz —Drucksache 10/333 (neu) — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers der Justiz und des Bundesministers des Innern — Drucksache 10/342 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1170D, 1204 A Dr. Apel SPD 1180 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 1191 B Hoppe FDP 1197 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 1200 D Walther SPD 1208 B Dr. Stavenhagen CDU/CSU 1213 B Dr. Weng FDP 1217 A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 1219 B Gobrecht SPD 1222 D Dr. Kreile CDU/CSU 1226 B Gattermann FDP 1230 D Echternach CDU/CSU 1234 C Grobecker SPD 1236 D Ronneburger FDP 1237 D Burgmann GRÜNE 1238 B Nächste Sitzung 1239 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1241*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1241*A Anlage 3 Herstellung von Dioxin MdlAnfr 21 13.05.83 Drs 10/55 Dr. Hirsch FDP ErgSchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI 1241* B auf ZusFr Dr. Hirsch FDP Anlage 4 Einführung des Rostschutzsystems SINOX und SINOFLEX bei öffentlichen Aufträgen MdlAnfr 29 13.05.83 Drs 10/55 Broll CDU/CSU ErgSehrAntw Spranger BMI 1241* D auf ZusFr Broll CDU/CSU Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1169 18. Sitzung Bonn, den 7. September 1983 Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung 16. Sitzung, Seite 1104* A, Zeile 16: Statt 22,55 % ist 11,55 % zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 9. 9. Dr. Enders * 9. 9. Handlos 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 9. Ibrügger 7. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 9. 9. Dr. Müller * 9. 9. Reddemann * 7. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Frau Dr. Wex 9. 9. Wilz 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung, des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Juli 1983 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: Gesetz zum Zusatzübereinkommen vom 8. Oktober 1982 zum Übereinkommen vom 9. Dezember 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Fürstentum Liechtenstein, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bereich der Sozialen Sicherheit Gesetz zu dem Übereinkommen vom 30. November 1979 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer Gesetz zu dem Abkommen vom 20. Oktober 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Arbeitslosenversicherung Anlage 3 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Zusatzfrage zur Frage des Abgeordneten Dr. Hirsch (FDP) (Drucksache 10/55 Frage 21, 7. Sitzung, Seite 299 C): Ihre zweite Zusatzfrage zu Ihrer Frage beantworte ich wie folgt: Wie bereits die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drucksache 10/212 vom 27.6. 1983) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hickel und der Fraktion Die GRÜNEN dargelegt hat, stellen Chlordibenzodioxine eine Verbindungsklasse von etwa 75 verschiedenen Isomeren dar. Unter diesen hat das allgemein als Seveso-Dioxin bekannt gewordene 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD) eine extrem hohe Toxizität. Es ist jedoch unzulässig, davon auszugehen, daß alle Dioxine vergleichbares Gefährdungspotential aufweisen wie TCDD. TCDD nimmt insofern eine Ausnahmestellung ein. Einzelne höher als TCDD chlorierte Dioxine können unter Umweltbedingungen - im Verhältnis zur Ursprungssubstanz zu kleinen Anteilen - zu TCDD abgebaut werden. Dieses Dioxin ist jedoch ein relativ kurzlebiges Zwischenprodukt auf dem Wege zu einem vollständigen Abbau. Anlagen zum Stenographischen Bericht Insofern ist festzustellen, daß die in der Umwelt und in der Nahrungskette vorkommenden DioxinKonzentrationen im allgemeinen keine Gefährdung darstellen. Bei Störfällen können infolge Brand oder Explosion durch pyrolytische Zersetzung Dioxin-Konzentrationen auftreten, die zu einer Gefährdung führen können. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften werden von den Dioxinen das TCDD mit einer Konzentrationsschwelle von 0,1 ppm (ein Teil auf 10 Millionen Teile) und 1,2,3,7,8,9-Hexachlordibenzo-pdioxin (HCDD) ab einer Mengenschwelle von 10 g pro Anlage in der 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (StörfallVerordnung) vom 27. Juni 1980 in Verbindung mit der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Störfall-Verordnung vom 23. April 1981 (1. StörfallVwV) erfaßt. Nach Mitteilung der Innenminister (-senatoren) der Länder erhalten die Katastrophenschutzbehörden Kenntnis von den Gefährdungsmöglichkeiten durch die im Anhang II der Störfall-Verordnung aufgeführten Stoffe im Rahmen ihrer Beteiligung bei der Prüfung der Sicherheitsanalyse, die von den Betreibern der Anlagen, in denen diese Stoffe in gefährlichen Konzentrationen im bestimmungsgemäßen Betrieb vorhanden sein oder bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes entstehen können, nach § 7 Störfall-Verordnung zu erstellen ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches der Störfall-Verordnung bestehen teilweise auf örtlicher Ebene Absprachen zwischen den Katastrophenschutzbehörden und Betreibern, die eine Informationsverbesserung der Katastrophenschutzbehörden über mögliche Gefahrenquellen bezwecken. Eine vollständige Erfassung aller Produktgruppen, aus denen unter nicht vorhersagbaren Schadensbedingungen Dioxine freigesetzt werden können oder die Dioxine enthalten, ist wegen der hohen Zahl der chemischen Verbindungen und Reaktionen, bei denen solche Stoffe als unerwünschte Nebenprodukte denkbar sind, jedoch nicht möglich. Sie können daher auch den Katastrophenschutzbehörden nicht generell bekannt sein. Die entstehenden Konzentrationen sind im allgemeinen jedoch so niedrig, daß sie keine bedeutsame Gefahrenquelle darstellen. Ferner lassen derzeit die Länder die Standorte PCB-gekühlter Transformatoren erfassen und kennzeichnen. Anlage 4 Ergänzende Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Zusatzfrage zur Frage des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/55 Frage 29, 7. Sitzung, Seite 308 D): 1242* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 Sehr geehrter Herr Kollege! Ich nehme Ihre Fragen in der Fragestunde vom 18. Mai 1983 gerne zum Anlaß, um Sie eingehender, als dies bei der mündlichen Beantwortung möglich war, über die Aktivitäten des Bundesministeriums des Innern zur Förderung umweltfreundlicher Produkte im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens zu informieren. Das Umweltbundesamt hat bereits 1981 eine Untersuchung über die Möglichkeiten einer stärkeren Berücksichtigung umweltfreundlicher Produkte und Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorgelegt. Wichtiges Ergebnis dieser Studie war, daß weder haushalts- noch vergaberechtliche Grundsätze einer verstärkten Beachtung von Umweltschutzgesichtspunkten entgegenstehen. Umwelteigenschaften sind Qualitätsmerkmale von Produkten, die ebenso wie Arbeitsschutz- oder Sicherheitsanforderungen in die Leistungsbeschreibung bei öffentlichen Ausschreibungen aufgenommen werden sollen. Um diesen Zusammenhang unmißverständlich klarzustellen, hat der Bundesminister des Innern darauf hingewirkt, daß bei der Novellierung der VOL in die Erläuterung zum § 8 ein Hinweis auf die Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der Leistungsbeschreibung aufgenommen wird. Schon jetzt gibt es zahlreiche Beispiele für umweltfreundliche Beschaffungen, von denen ich einige wenige anführen will. Im Geschäftsbereich des BMI wird fast ausschließlich Recyclingpapier eingesetzt. Die Deutsche Bundespost läßt bereits seit zwei Jahren die Telefonbücher recyclinggerecht — unter Verwendung leicht entfärbbarer Druckfarben und leicht löslicher Klebstoffe — herstellen. Das Post-Gelb wurde auf einen nicht cadmiumhaltigen Gelbton umgestellt. Zu erwähnen sind ferner der Einsatz von asbestfreien Bremsbelägen in Kraftfahrzeugen der Post sowie die Erprobung lärmarmer Lastkraftwagen. Umstellungen sind ebenfalls im Bereich des Straßenbaus im Gange. So entwickeln zur Zeit die Bundesanstalt für Straßenwesen und das Umweltbundesamt Anforderungen an umweltfreundliche Straßenmarkierungsstoffe. Nach der Sommerpause sind Gespräche zwischen meinem Hause und dem Bundesministerium für Verkehr vorgesehen, um die Möglichkeiten eines verstärkten Einsatzes von blei- und chromatfreien Korrosionsschutzmitteln im Bereich des Straßen- und Brückenbaus sowie bei der Bundesbahn zu erörtern. Das entscheidende Problem im Hinblick auf eine rasche Verbreitung umweltfreundlicher Produkte auch im Bereich der öffentlichen Verwaltungen ist zur Zeit noch die unzureichende Kenntnis der Beschaffungsstellen über die Umwelterheblichkeit und Umweltverträglichkeit bestimmter Produkte. In meinem Auftrag arbeitet daher das Umweltbundesamt daran, die Information der Beschaffungsstellen zu verbessern. Diesem Ziel dient eine Reihe von Maßnahmen: Ende 1983 wird vom Umweltbundesamt in Form eines Handbuchs das Ergebnis eines Modellvorhabens „Umweltfreundliches Beschaffungsprogramm für Gemeinden" vorgelegt werden, das in den Städten Essen und Wolfsburg läuft. Den Beschaffungsstellen sollen hiermit in praxisgerechter Form Informationen und Handlungshilfen geboten werden. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch das Umweltzeichen für umweltfreundliche Produkte, das von der Jury Umweltzeichen im Auftrag des Bundesministers des Innern und des Umweltbundesamtes vergeben wird. Gegenwärtig sind 22 Produktgruppen mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet. Im Rahmen der Aktion werden für die jeweiligen Produktgruppen detaillierte Vergabebedingungen festgelegt, die in ihrer Konkretheit gut geeignet sind, um von den Beschaffern in den Leistungskatalog einer Ausschreibung übernommen zu werden. Ich begrüße daher sehr, daß die Bundesmaterialkatalogisierungszentrale im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung Hinweise auf das Umweltzeichen in ihre Datenbank aufgenommen hat. Die Datenbank ist allen Beschaffungsstellen zugänglich. Weitere Bemühungen betreffen die Aufnahme von Umweltaspekten in die Arbeit der Stiftung Warentest und der Verbraucherzentrale. Hierdurch soll ebenfalls erreicht werden, daß die Hersteller von sich aus aktiver an der Verbesserung der Umwelteigenschaften ihrer Erzeugnisse arbeiten. Wichtig sind auch die eigenen Bemühungen der Beschaffungsstellen um- entsprechende Informationen über die Umwelteigenschaften von Produkten. Besonders geeignet hierfür ist das im Vergaberecht vorgesehene Instrument der Nebenangebote im Rahmen der Ausschreibungen. Erfolgversprechend wären vor allem bei Großbeschaffern Absichtserklärungen, mit denen angekündigt wird, daß ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch Produkte mit höherem Umweltstandard gekauft werden sollen. Dies würde den Herstellern Zeit für entsprechende Produktentwicklungen lassen. Ich hoffe, daß von diesem Instrument in Zukunft stärker Gebrauch gemacht wird. Abschließend sei noch ein weiteres Projekt erwähnt. Die Studie „Umweltschutz in der öffentlichen Vergabepolitik" hat auch auf das Problem hingewiesen, daß Normen und andere technische Richtlinien sich hemmend auf die Durchsetzung umweltfreundlicher Produkte im öffentlichen Beschaffungswesen auswirken können. Im Auftrag des Umweltbundesamtes überprüft daher zur Zeit das Deutsche Institut für Normung (DIN) Normen und andere Regeln der Technik auf Umweltrelevanz und mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Berücksichtigung des Umweltschutzes im öffentlichen Beschaffungswesen. Die Ergebnisse werden in etwa zwei Jahren vorliegen und Eingang finden in die Arbeiten zur Novellierung von DIN-Vorschriften.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Verheyen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die führenden Vertreter aus Politik und Wirtschaft die derzeitige Problemlage beschreiben, dann sprechen sie gerne von Wirtschaftskrise. Dahinter verbirgt sich meiner Meinung nach der Irrglaube, die derzeitige Krise sei eine bloße Konjunktur- oder Strukturkrise der Wirtschaft.
    Wir GRÜNE meinen, daß es schon längst nicht mehr nur um eine ökonomische Krise geht, sondern vielmehr um eine umfassende soziale und ökologische Krise, die aus grundlegenden Konstruktionsfehlern der industrialistischen Wachstumsgesellschaft erwachsen ist. Deshalb ist dies vor allem auch eine Krise der gesamten Politik. Daß die etablierte Politik dies nicht verstanden hat, ist der tiefste Grund dafür, daß wir heute als GRÜNE im Parlament sitzen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, heute steht zur Entscheidung an, ob die uns aus der Nachkriegszeit vertraute Wachstumsgesellschaft fortgeschrieben werden oder ob eine prinzipielle Neuorientierung erfolgen soll. Die Regierung Kohl plädiert für eine Wende rückwärts hin zu den Rezepten der 50er Jahren mit ihrer anscheinend durch nichts zu erschütternden Wachstumsgläubigkeit. Die Alternativbewegung, viele nachdenkliche Bürger und mit ihnen wir GRÜNE plädieren dagegen für eine Wende nach vorn, orientiert an den Lebens- und Zukunftschancen der kommenden Generation.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So, jetzt werden Sie einmal konkret, ganz konkret!)

    — Ich werde jetzt konkret. —

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wunderbar!)

    Meine Generation ist während der Wachstumsphase der Wirtschaft der Bundesrepublik aufgewachsen und hat die materiellen Wohltaten einerseits, aber auch die soziale und ökologische Zerstörungswut der Wachstumsgesellschaft andererseits am eigenen Leib bitter erfahren müssen. Eine ganz zentrale Erfahrung war dabei für uns, daß der gleiche Produktionsprozeß, der uns viele materielle Güter bescherte, auch für Streß und Arbeitshetze, für Unterdrückung am Arbeitsplatz und Angst in der Schule, für arbeitsbedingte Krankheiten bis hin zum Herzinfarkt unserer Väter verantwortlich war.
    Wir haben erfahren müssen, daß die Bedingungen dieser Wachstumsgesellschaft für soziale Entfremdung unseres Lebens, für die Sprachlosigkeit der alten und die Hoffnungslosigkeit der jungen Generation sowie für die weitgehende Fixierung des Denkens auf das Materielle ursächlich sind.
    Wir haben letztendlich auch erfahren müssen, daß die Interessen der Wirtschaft ins Feld geführt wurden, wenn es darum ging, die Vergiftung unserer Flüsse, die atomare Gefährdung und die ökonomische Ruinierung der Dritten Welt zu rechtfertigen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie wollten doch konkret werden!)

    Diese Erfahrungen kann man nicht als Erfahrungen einiger weniger abtun. Wenn 10 % des Bruttosozialprodukts für Kosten im Zusammenhang mit Gesundheitsproblemen ausgegeben werden, dann ist das ein Zeichen dafür, daß unsere Art zu leben und zu wirtschaften krank macht.
    Die häufigste Todesursache für Kinder, Herr Stoltenberg, ist heute der Verkehrsunfall;

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Also schaffen wir das Auto ab?!)

    die zweithäufigste Todesursache ist der umweltbedingte Krebs. Das sollte uns zum Nachdenken bringen.
    Wenn heutzutage in manchen Branchen, z. B. Chemie, Bau und Metallverarbeitung, fast 100 % aller Beschäftigten schon vor dem 60. Lebensjahr wegen Arbeitsunfähigkeit ausscheiden müssen, dann zeigt dies sehr drastisch, daß das Industriesystem in dieser Art dabei ist, seine Kinder zu fressen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Jetzt sagen Sie einmal, was Sie anders machen wollen, ganz konkret!)




    Verheyen (Bielefeld)

    Angesichts dieser Situation brauchen wir nicht nur eine mittelfristige Finanzplanung, sondern auch eine mittelfristige ökologische Planung und eine Sozialbilanz der Regierung, die diesen Namen verdient.
    Meine Damen und Herren, der heute von der Bundesregierung eingebrachte Haushalt ist keineswegs ein Haushalt der Konsolidierung, wenn man ihn unter diesen Gesichtspunkten beurteilt, sondern ein Haushalt der Gütervernichtung und der Verschwendung. Lassen Sie mich diese recht provozierende Behauptung an einigen Bereichen des Haushalts verdeutlichen.
    Es ist allgemein bekannt, daß der individuelle Straßenverkehr Jahr für Jahr 12 000 Tote und 150 000 Schwerverletzte mit sich bringt. Dieses menschliche Leiden und die Verarmung des Lebens sind für uns GRÜNE Grund genug, für einen Stopp jeglicher öffentlicher Unterstützung für den Autoverkehr zu plädieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Der Bundeshaushalt zeigt aber, daß die Bundesregierung im alten Trott weitermachen will. Der Verkehrsetat weist weiterhin 7 Milliarden DM für den Straßenbau aus.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Zurück zu den Hochstelzen!)

    1983 werden allein die Verkehrsunfallkosten voraussichtlich mehr als 37 Milliarden DM betragen. Die ökologischen und sonstigen gesundheitlichen Schäden durch Luftverschmutzung und Lärm werden von Experten auf weitere 20 Milliarden DM geschätzt. Selbst wenn die ökologischen Kosten, die wegen der Bedeutung des Autoverkehrs für das Waldsterben sehr gravierend sind, nicht berücksichtigt werden, liegen die gesamtgesellschaftlichen Kosten — wohlgemerkt die Kosten in Mark und Pfennig — bei jedem gefahrenen Personenkilometer doppelt so hoch wie im öffentlichen Personenverkehr.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie fahren aber auch mit dem Dienstwagen und nicht mit dem Fahrrad!)

    Diese Kostenrelation zuungunsten des Autos besteht, obwohl seit dem Krieg die staatliche Subventionierung des Individualverkehrs eine massive Wettbewerbsverzerrung zugunsten des Autos bewirkt hat.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn Sie von Marktwirtschaft reden, müssen Sie auch diese Tatsachen zur Kenntnis nehmen: Von 1960 bis 1980 gaben die öffentlichen Haushalte für das Straßennetz etwa 210 Milliarden DM aus, für das Schienennetz der Deutschen Bundesbahn dagegen nicht einmal 20 Milliarden DM.
    Im übrigen werden diese Ausgaben für den Straßenbau in den kommenden Jahren weitere Milliarden an Folgekosten nach sich ziehen, ganz zu schweigen von den ökologischen Schäden, die man bisher noch kaum messen kann. Angesichts dieser
    Realität von Sparhaushalt zu sprechen, ist schlicht eine Irreführung der Öffentlichkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wie viele Autos wollen Sie abschaffen?)

    Seien Sie versichert, Herr Minister Stoltenberg, daß wir auch für eine Konsolidierung des Haushalts sind, aber diese Konsolidierung muß an den Wurzeln des Übels ansetzen und nicht an den Symptomen herumkurieren. Es gilt — darum geht es eigentlich —, Schäden bei der Entstehung zu vermeiden. Nachher die Menschen wieder notdürftig zusammenzuflicken, ist nicht nur unmenschlich, sondern letztlich auch haushaltspolitisch auf Dauer unseriös.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ein weiteres Beispiel für die ungebrochene Verschwendungspolitik der Bundesregierung liegt im Energiebereich. Für technisch unsinnige bzw. überholte Projekte — allen voran der Schnelle Brüter und der Hochtemperaturreaktor — werden Milliarden verpulvert, obwohl sogar der zuständige Minister Riesenhuber zugeben muß, daß eine Wirtschaftlichkeit dieser Atomkraftwerke überhaupt nicht absehbar ist. Zu den unsinnigen Ausgaben kommen hohe gesamtgesellschaftliche Kosten. Zukünftige Generationen werden im bittersten Sinne des Wortes jahrtausendelang unabsehbare Folgekosten für die Entsorgung zu tragen haben. Sie werden mit einer Bedrohung leben müssen, deren Bewältigung den totalen Überwachungsstaat geradezu zwingend notwendig macht. Investitionsruinen, Herr Stoltenberg, wie Sie sie soeben genannt haben, deren Schadenspotential durch Abriß gestoppt wird, sind uns immer noch erheblich lieber als Investitionsruinen, die auch noch zukünftige Generationen bedrohen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Für das Märchen vom billigen Atomstrom werden wir wahrscheinlich alle noch teuer bezahlen müssen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sie machen das mit der Kohle, j a?)

    Andererseits fehlen angeblich die Mittel, wenn es um eine Kraftwärmekoppelung bei Kohlekraftwerken oder um Wärmedämmung von Häusern geht, beides wirtschaftlich und volkswirtschaftlich äußerst sinnvolle Maßnahmen.
    Ein besonders eklatanter Fall von Verschwendung sind die 100 Milliarden DM, die der Postminister für die Installierung einer industriepolitisch völlig unsinnigen Verkabelung der Republik verschleudern will.

    (Kolb [CDU/CSU]: „Verschleudern"?)

    Wer die verkabelte Fernsehrepublik will, vernichtet Millionen Arbeitsplätze und muß darüber hinaus wissen, daß er die sozialen Kontaktprobleme der Menschen dieser Republik, die sowieso schon groß genug sind, noch vergrößert und gleichzeitig erheblich höhere gesamtgesellschaftliche Kosten für Al-



    Verheyen (Bielefeld)

    koholismus und Gewaltkriminalität einplanen muß.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Auch der Wald wird Opfer Ihrer Unterlassungspolitik. Während das Waldsterben fortschreitet, reagiert die Bundesregierung mit völlig unzureichenden Maßnahmen, die keine wesentliche Besserung bringen. Schon jetzt liegen die Kosten für Waldschäden bei mindestens 60 Milliarden DM. Die Schmutz- und Giftemissionen verursachen zusätzlich rund vier Milliarden DM Kosten jährlich an Gebäudeschäden, Korrosionsschäden und zusätzlichem Reinigungsaufwand. Insgesamt treten nach Schätzungen der OECD Luftverunreinigungsschäden in Höhe von mindestens drei bis fünf Prozent des Bruttosozialprodukts auf. Das sind in der Bundesrepublik Jahr für Jahr 40 bis 70 Milliarden DM.
    Wer angesichts derartiger Kosten und Belastungen die Frage stellt, ob wir uns ein umfassendes Programm gegen das Waldsterben leisten können, beweist damit nur die Beschränktheit seines Horizonts.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die eigentliche Frage lautet längst schon, ob wir es uns leisten können, ein solches Umweltprogramm nicht zu machen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, die kurzsichtige und zerstörerische Sicht Ihres Haushalts zeigt sich nicht zuletzt auch in der Art und Weise, wie Sie unser Verhältnis zu den Ländern der Dritten Welt gestalten wollen. Die Bundesregierung verzichtet völlig auf strukturverändernde Maßnahmen, ohne die eine dauerhafte Verbesserung der Lebenssituation der Menschen der Dritten Welt nicht möglich ist. Ihre untauglichen und unzureichenden Rezepte beschränken sich auf Außenwirtschaftsförderung und Almosenverteilung. Sie verweigern im weltwirtschaftlichen Bereich — wie auf der letzten UNCTAD dokumentiert — jeden Ansatz zu einer Neuordnung. Dagegen können viele Diktaturen mit Ihrer politischen, ökonomischen und militärischen Hilfe rechnen. Das neueste traurige Beispiel ist die Türkei.
    Wenn schon das Lebensschicksal der Menschen in der Dritten Welt für Sie kein hinreichender Grund zu sein scheint, Ihre Politik zu ändern, möchte ich doch zumindest an Ihren Realitätssinn appellieren: Können Sie sich nicht vorstellen, welche langfristigen Kosten und Schäden diese Ihre Unterentwicklungspolitik für unsere Bevölkerung und für künftige Generationen hier bei uns mit sich bringen wird?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wissen Sie, was auf uns zukommt, wenn die Menschen in der Dritten Welt mangels Alternativen weiterhin ihre Wälder abholzen, wenn internationale Konzerne weiterhin ohne jede Auflage umweltvergiftende Industrieunternehmen in Afrika, Asien und Lateinamerika errichten können, wenn die weitere Verschuldung zum Zusammenbruch nicht nur der nationalen Volkswirtschaften, sondern des internationalen Währungssystems insgesamt führt und wenn die weitere Aufrüstung von Staaten in der Dritten Welt durch Rüstungsexporte von hier zu kriegerischen Konflikten führt, die langfristig sicher nicht auf diese für Sie anscheinend so fernen Regionen zu beschränken sind? Die Folgen unterlassener Entwicklungspolitik werden wir auch in Mark und Pfennig schon bald zu tragen haben.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sagen Sie mal konkret, was Sie anders machen wollen!)

    Einen letzten Bereich der Verschwendung sehe ich in der tatenlosen Hinnahme der Massenarbeitslosigkeit. Wir GRÜNE können erzwungene Erwerbslosigkeit unter keiner Bedingung akzeptieren, denn sie bedeutet für die Betroffenen nicht nur materielle Not, sondern auch soziale Deklassierung und menschliches Elend.
    Wer Massenarbeitslosigkeit zum Dauerzustand macht, wie es diese Regierung faktisch tut, auch wenn sie anders redet, der betreibt einen unverantwortlichen Raubbau an den Gütern und Werten unserer Bevölkerung. Wer Massenarbeitslosigkeit in Kauf nimmt, muß die Kosten für Produktivitätsverlust, verschwendete Bildungsausgaben, aber auch für Alkoholismus, für eine Ausweitung von Kriminalität und Krankheitskosten dazurechnen. Schon die heute feststellbaren gesamtfiskalischen Kosten betragen nach den Berechnungen des IAB, des Forschungsinstituts des „Bundesarbeitsamts", 24 000 DM pro Arbeitslosen und Jahr. Das sind bei drei Millionen Arbeitslosen mehr als 70 Milliarden DM im Jahr. Wir meinen: Dieses Geld ist für die Finanzierung des Lohnausgleichs bei Einführung der 35-Stunden-Woche erheblich besser angelegt als für die Dauerarbeitslosigkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So rechnet Lieschen Müller!)

    Und damit komme ich zu den Lösungsvorschlägen, die wir GRÜNE anbieten.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Jetzt kommt's!)

    Hierzu gehört erstens eine schnelle Realisierung der 35-Stunden-Woche. Denn ohne eine solche drastische Verkürzung der Wochenarbeitszeit ist eine Lösung des Problems der Massenarbeitslosigkeit nicht vorstellbar.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Alle anderen Lösungsvorschläge, die z. B. auch die Regierung anbietet, etwa die Verkürzung der Lebensarbeitszeit, sind schon unter quantitativen Gesichtspunkten — und Sie rechnen ja so gern — überhaupt nicht bedeutend. Die Verkürzung der Lebensarbeitszeit — bis zum 60. Lebensjahr — würde nur etwa 200 000 neue Arbeitsplätze schaffen. Demgegenüber kann man bei einer Verwirklichung der 35-Stunden-Woche innerhalb der nächsten zwei Jahre mit einer Million bis 1,5 Millionen neuen Stellen rechnen.



    Verheyen (Bielefeld)

    Die Bundesregierung hat deshalb meiner Ansicht nach die Pflicht, auf eine schnelle Verwirklichung der Verkürzung der Wochenarbeitszeit zu drängen, übrigens auch im öffentlichen Dienst. Ansonsten ist Ihr Bekenntnis, die Arbeitslosigkeit bekämpfen zu wollen, vollkommen unglaubwürdig.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Haben Sie mal berechnet, was das die öffentlichen Haushalte kostet?)

    Als zweites schlagen wir zur Lösung der drängendsten Probleme die Durchführung eines SOS-Programmes vor, eines sozialen und ökologischen Sofortprogramms. Dieses Programm haben wir gestern der Öffentlichkeit vorgestellt und dazu auch Finanzierungsvorschläge gemacht. Ich möchte mich deshalb angesichts der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit auf einige wesentliche Schwerpunkte beschränken.
    Wir fordern dort erstens gesetzliche Verbote und Auflagen, die die Emissionen hochgiftiger Stoffe in Wasser und Luft weitgehend verhindern; denn die Schäden müssen zunächst einmal dadurch vermieden werden, daß man an der Quelle etwas tut, anstatt sie nachher durch staatliche Zuschüsse zu beseitigen.
    Wir fordern zweitens ökologische Investitionen zur Stützung des Grundwasserspiegels sowie zur Reinigung der Flüsse und des Trinkwassers, zur Rettung des Waldes, zur Einsparung von Energie und zum Ausbau der Alternativenergiesysteme, zur Förderung von Recycling-Unternehmen sowie zum Schutze des Bodens.
    Wir fordern drittens spezielle Umstrukturierungsmaßnahmen für die Landwirtschaft, die die wirtschaftliche Existenz der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe sichern und den weiteren Abbau von 100 000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft verhindern.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Gleichzeitig soll eine Umstellung auf biologischen Anbau gefördert werden.
    Wir fordern viertens staatliche Unterstützung für Konversionsmaßnahmen im Bereich absterbender und abzubauender Industriebranchen. Hier seien nur die Stichworte Stahl und Werften genannt. Eine solche Umstellungshilfe halten wir für sinnvoller als einfache Verlängerungszuschüsse, die nur das Elend verlängern, wenngleich wir aus sozialen Gründen — nicht aus wirtschaftspolitischen Gründen, aus sozialen Gründen — durchaus für solche Zuschüsse sind.
    Fünftens sind wir für die Einrichtung eines Selbstbestimmungsfonds für soziale und gesundheitliche Alternativprojekte mit dem Ziel der Stärkung der Selbsthilfekräfte im Sozial- und Gesundheitsbereich.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Sechstens fordern wir Maßnahmen zur innerstädtischen Verkehrsberuhigung, zum Ausbau des Radwegenetzes und zur Förderung der öffentlichen
    Personenverkehrssysteme, insbesondere der Deutschen Bundesbahn.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dieses SOS-Programm ist — das geben wir offen zu — nur ein erstes Notprogramm.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Sagen Sie mal, was das kostet!)

    Es erfordert Ausgaben in Höhe von jährlich 28 MilliardenDM, die wir jedoch deshalb für gerechtfertigt halten, weil ohne dieses Programm die gesamtgesellschaftlichen Schäden und auch die mittelfristigen Ausgaben im Bundeshaushalt weit höher liegen würden. Außerdem würde dieses Sofortprogramm gleichsam als Nebeneffekt, der von uns sehr erwünscht ist, für die nächsten Jahre rund 500 000 Arbeitsplätze schaffen.
    Über die Finanzierungsmöglichkeiten brauche ich an dieser Stelle nicht mehr sehr viel zu sagen. Wenn Sie das, was ich vorher zu dem Schaden, den dieser Bundeshaushalt anrichtet, und zu dem, was Sie da kürzen könnten, gesagt habe, ernst nehmen, können Sie sich Ihre Finanzierungsmodelle schon selbst machen.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Jede Klarheit ist beseitigt!)

    Meine Damen und Herren, sowohl die soziale als auch die ökologische Bedrohung unserer Lebensgrundlagen machen ein entschlossenes Handeln zwingend notwendig. Im Interesse der Verhinderung weiteren Schadens sind deshalb unserer Ansicht nach alle Volksvertreter verpflichtet, ein solches Programm zu unterstützen. Nicht anders kann ich die Eidesformel, Schaden vom deutschen Volk zu wenden, verstehen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf des Abg. Gerster [Mainz] [CDU/CSU])



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Gobrecht.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Gobrecht


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte für meine Fraktion konkret zu den Begleitgesetzen zum Bundeshaushalt, insbesondere natürlich zu den Steuergesetzen, einiges sagen.
    Den Ansatz, den die Bundesregierung auf diesem Gebiet gewählt hat, halte ich für gesellschaftspolitisch völlig falsch.

    (Sehr richtig! bei den GRÜNEN)

    Es werden Milliarden Mark an Steuergeldern im wahrsten Sinne des Wortes hinausgeworfen, obwohl doch, wie gesagt wird, im Haushalt ein hoher Konsolidierungsbedarf bestünde, und dies ohne jede Beschäftigungswirkung, ohne Förderung der Nachfrage, die ja eine entsprechende Auswirkung haben könnte, und, wie ich behaupte, ohne hinlängliche Förderung der Investitionsfähigkeit der Wirtschaft, insbesondere ohne entsprechende Förderung vor allem der kleineren und mittleren Unternehmen, die ja in diesem Bereich insgesamt die Hauptlast tragen.



    Gobrecht
    Die Gesetzentwürfe, insbesondere das Steuerentlastungsgesetz 1984, bringen nach meiner Meinung Steuerungerechtigkeiten und haben schwere verteilungspolitische Schlagseite. Sie bedeuten eindeutig unverändert die Umverteilung von unten nach oben.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Vorhaben werden das Steuerrecht ganz erheblich komplizieren. Sie werden — darauf hat der Kollege Kreile in freundlicher Offenheit auch schon einmal hingewiesen — das Steuerrecht schwieriger machen, werden das Gegenteil von Steuervereinfachungen bringen.
    Schauen wir uns diese Punkte im einzelnen an, denn, meine Damen und Herren, ich möchte diese Behauptungen natürlich begründen.
    Daß von diesem Haushalt und von diesen Steuergesetzen Beschäftigungswirkungen ausgingen, behaupten Sie selbst j a nicht mehr. Man kann das kaum noch irgendwo hören. Das ist richtig, weil es die Wahrheit ist. Von diesen Gesetzen gehen keine Hilfen für neue Arbeitsplätze und für neue Ausbildungsplätze aus, und das bei einer Arbeitslosigkeit, die weit über 2 Millionen liegt. Die Wirtschaft und die seriöse Presse sehen solche Hilfen ohnedies von Anfang an nicht darin und liegen damit eindeutig richtig, denn auf allen Ebenen, auch bei der sehr notwendigen Schaffung von gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, versagt dieser Haushalt, versagen diese Gesetze.
    Aber, meine Damen und Herren, selbst wenn man sich die Prämisse, die Ihren Gesetzentwürfen zugrunde liegt, zu eigen macht, verfehlen Sie, so finde ich, eindeutig Ihre eigene Zielsetzung, z. B. mit dem riesigen Vermögensteuergeschenk, das Sie der Wirtschaft machen, denn das Ziel, das Sie erreichen wollen, nämlich die Verbesserung der Investitionsfähigkeit der Wirtschaft, wird damit absolut nicht erreicht. Schon 1975, also vor einigen Jahren, hat der Sachverständigenrat eindeutig belegt, daß man das mit einem solchen Instrument nicht erreichen kann. Das „Handelsblatt" hat das plastisch auf die Formel gebracht: Wie sollen denn wohl Steuervergünstigungen für frühere Investitionen zu künftigen Investitionen führen?

    (Beifall bei der SPD)

    Nun hat der Bundesfinanzminister hier den nordrhein-westfälischen Finanzminister Posser sehr positiv mit einem Artikel vom vorigen Monat zitiert. Er hat gesagt, der Finanzminister Posser aus Nordrhein-Westfalen liege da sehr richtig. Damit bin ich natürlich sehr einverstanden. Ich denke aber, es würde dann auch dazugehören, daß Sie, Herr Minister Stoltenberg, nicht nur einen Artikel nehmen, sondern z. B. auch die aktuellste Stellungnahme des nordrhein-westfälischen Finanzministers Posser in der letzten Woche im Bundesrat zu just diesen Gesetzen, die wir heute diskutieren. Sie waren j a im Bundesrat und haben diese Rede gehört; Sie müßten auch sie mit zur Kenntnis nehmen.
    Man muß dann doch feststellen, daß — Minister Posser hat ganz konkrete Zahlen aus Erhebungen
    der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung vorgetragen — von der Vermögensteuersenkung die Kleinbetriebe eindeutig überhaupt nichts haben, daß die mittleren Betriebe fast gar nichts davon haben und daß 60% der Senkungssumme an genau 0,7 % der Betriebe gehen. Wenn das nicht auch innerhalb der Prämisse der Vermögensteuersenkung, also Ihrer eigenen Prämisse, eine tolle Schieflage ist, dann weiß ich nicht, was eine Schieflage sein soll.
    Aber es kommt ja noch schlimmer. Der Hauptteil geht, wie sich aus diesen Prozentsätzen schon ergibt, an die Großunternehmen, an die wirklichen Großunternehmen der deutschen Wirtschaft, und hier nun nicht etwa an diejenigen, die es besonders nötig hätten, nämlich die in Problembereichen, sondern an die ganz besonders kapitalstarken Großunternehmen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Es geht z. B. an die „notleidende" Firma DaimlerBenz in Stuttgart und woanders, die allein aus dieser Senkung — so lautet die Hochrechnung von Finanzminister Posser — rund 10 Millionen DM an Entlastung von der Vermögensteuer bekommt. Das nehmen die natürlich gern mit auf der Ertragsseite. Das wird an den Investitionen, schon allein, wenn man an die Größenordnung denkt — obwohl es ja ein erheblicher Betrag ist —, überhaupt nichts ändern. Es wird in keiner Weise helfen.
    Durch dieses klare Beispiel wird beleuchtet, welche Schlagseite selbst auf der Basis Ihrer Argumentation hier vorliegt.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, für meine Fraktion und für mich als Sozialdemokraten ist es erst recht wirklich empörend, daß Sie dieses Milliardengeschenk an die kapitalstarke Großwirtschaft von der Masse der Verbraucher bezahlen lassen: von den Arbeitnehmern, von den Arbeitslosen, von den Sozialhilfeempfängern, von den Rentnern; denn die bezahlen die höhere Mehrwertsteuer, mit der dieses Vermögensteuergeschenk finanziert wird. Das finde ich skandalös.

    (Beifall bei der SPD — Walther [SPD]: Unglaublich!)

    Ich finde, das ist wirklich eine schwere Verteilungsungerechtigkeit, eine Steuerungerechtigkeit, eine unsoziale Schlagseite zu Lasten der Arbeitnehmer, zu Lasten der Rentner, zu Lasten der Sozialhilfeempfänger, zu Lasten der Arbeitslosen, aber auch, wie eben gesagt, zu Lasten der kleinen Unternehmen, zu Lasten des kleinen Kaufmanns an der Ecke, zu Lasten des kleinen Freiberuflers, auch zu Lasten der Großunternehmen in den Branchen wie Kohle, Stahl und Werftindustrie, die es in dieser Zeit nötig hätten, unterstützt zu werden, um auch Arbeitsplätze zu sichern.
    Ich frage mich: Wenn Sie zu Beginn einer Legislaturperiode in diesem Politikbereich schon so anfangen, wie mag das noch weitergehen?

    (Zuruf von der SPD)




    Gobrecht
    Ich komme zu einem weiteren Punkt. In der Opposition haben Sie ständig eine Steuervereinfachung gefordert. Das ist von der Forderung her weiß Gott unterstützenswert und akzeptabel.

    (Zuruf des Abg. Dr. von Wartenberg [CDU/ CSU])

    Ich spreche niemandem ab, daß er sich darum bemühen will. Aber wenn man dies jahrelang fordert und kritisiert, die frühere Regierung habe viele Komplikationen mit hineingebracht — das kann man nicht ganz von der Hand weisen; das will ich selbstkritisch durchaus einräumen —, dann darf auch wohl erwartet werden, wenn mit riesigem Getöse die „geistig-moralische Wende" stattfindet, daß man ein bißchen von den eigenen Worten in der Opposition ernst nimmt.

    (Walther [SPD]: Das ist doch die Wende!)

    Das ist das genaue Gegenteil. Das ist offenbar die „geistig-moralische Wende", daß man sich an seine Worte von gestern nicht hält. Das ist natürlich nicht sauber.

    (Beifall bei der SPD)

    Darunter leidet die Union mit Sicherheit im öffentlichen Ansehen. Das Bedauerliche ist nur: Darunter leiden im öffentlichen Ansehen alle, die sich mit Politik beschäftigen, wenn man heute anders handelt, als man gestern geredet hat.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Sie haben nicht mehr viel zu verlieren!)

    — Wie Sie, Herr Kollege Schäuble, beim Telefonieren auch noch Zwischenrufe machen können — wirklich meinen Respekt! Aber vielleicht ist der Partner oder die Partnerin am anderen Ende nicht so interessant.
    Sie haben in dem halben Jahr bis zum 6. März das Steuerrecht schon kompliziert, indem Sie die ominöse Zwangsanleihe einführten, die nach Meinung namhafter Verfassungsrechtler verfassungswidrig ist. Das werden Sie bald auch noch bescheinigt bekommen. Sie haben die Insolvenzrücklage eingeführt, die ein schwieriges Bescheinigungsverfahren auslöst, die wirklich eine Sache ist, die in der Praxis gar nicht funktioniert und das Steuerrecht unheimlich kompliziert.
    Jetzt machen Sie das bei der Vermögensteuer, die schon aus ganz anderen Gründen wirklich ein totaler Fehlgriff ist, wofür Sie nirgendwo Lob bekommen, weil Sie das nicht verdienen. Jetzt machen Sie es bei der Vermögensteuer auch noch von den Abläufen her für die Bürger, für die Steuerberater, für die Steuerverwaltung außerordentlich schwierig. Sie müssen extra eine neue VermögensteuerHauptveranlagung 1984 dazwischenschieben. Sie weichen damit von dem Dreijahreszeitraum ab. Die Erklärung 1983 ist in den Finanzämtern noch nicht einmal angepackt.
    Ich muß sagen: Das ist schon ziemlich schlimm.
    Sie schaffen beim Betriebsvermögen neue Sondertatbestände im Bereich der Vermögensteuer, obwohl wir da weiß Gott schon durch den Ansatz der Einheitswerte beim Grundvermögen eine ziemliche
    Schieflage haben, weil diese den Verkehrswerten überhaupt nicht entsprechen. Jetzt wird eine neue Ebene eingebaut. Das ist weiß Gott eine Steuerkomplizierung par excellence.
    Sie schaffen eine zusätzliche Sonderabschreibung, die bei denen, denen sie helfen soll, mit Klekkerbeträgen ankommt, die also auch aus sich selbst heraus absolut nicht hilfreich ist. Sie schaffen dafür schwierige Abgrenzungskriterien, die erst einmal verwirklicht werden müssen, damit man weiß, ob der kleine Betrieb das überhaupt in Anspruch nehmen kann. Hinterher kann sich das durch Betriebsprüfung alles wieder ändern. Also ist es weiß Gott nur eine Verkomplizierung. Sie heben — immer unter der hehren Fahne, der Mittelstand müsse gefördert werden — den Verlustrücktrag von bisher 5 Millionen DM auf 10 Millionen DM. Meine Damen und Herren, bei 10 Millionen DM Verlust sind wirklich viele, viele Mittelbetriebe längst überhaupt nicht mehr auf der Landkarte, so daß sie so etwas nicht rücktragen können. Dies ist also in sich falsch, und es ist außerdem eine Verkomplizierung. Das Bild ist schon oft gebraucht, aber es ist leider richtig: Sie machen hier Politik nach der Melodie „Was schert mich mein Geschwätz von gestern".

    (Walther [SPD]: Dummes Geschwätz von gestern!)

    — Ja gut, Herr Kollege Walther. Das sind die kleinen Temperamentsunterschiede zwischen uns, aber im Sachverhalt stimme ich Ihnen natürlich zu.
    Das könnte ich Ihnen auch noch vorführen unter dem Stichwort Subventionsabbau, wo vorher der Rasenmäher, die Prozentsatzkürzung, über alles hinweggehen sollte und jetzt hohe neue Erkenntnisse gewonnen werden. Wenn Sie uns damals zugehört hätten, hätten Sie diesen schwierigen Lernprozeß nicht gebraucht, und vor allem hätten Sie deswegen nicht extra an die Regierung kommen müssen; denn das haben wir vorher auch schon gewußt.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun hat der Kollege Weng von der FDP — nur als Zwischenbemerkung; er scheint nicht mehr da zu sein — wieder das hohe Lied der Privatisierung gesungen, und er hat die Bundespost dabei erwähnt. Er hat natürlich nicht die ganze Bundespost gemeint, sondern von Teilprivatisierung gesprochen. Es ist in der FDP immer die alte Melodie: Privatisierung da, wo es Rendite verspricht. Aber wenn der Brief auch in einem kleinen Dorf zugestellt werden soll, soll natürlich nicht privatisiert werden. Das soll natürlich die Mehrheit der Bürger bezahlen. Meine Damen und Herren, nach dieser Melodie läuft die Privatisierung mit uns Sozialdemokraten j a nicht. Das überrascht Sie j a auch nicht.
    Meine Damen und Herren, nachdem wir nun elf Monate einer wirklich schlüssigen, ruhigen, stringenten Steuerpolitik der Union verfolgt haben

    (Heiterkeit bei der SPD)

    — ich habe schon ein paar Beispiele gebracht —,
    reizt es mich natürlich außerordentlich, eine kleine
    Bestandsaufnahme zu machen, wie es im Moment



    Gobrecht
    da aussieht. Das soll dann gleichzeitig das Thema berühren, das bei Ihnen früher als Opposition auch eine große Rolle gespielt hat, nämlich die Frage der Rückgabe der heimlichen Steuererhöhungen.
    Der Herr Kollege Häfele — ich sehe, er ist auch nicht mehr da — —

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich bitte um Verzeihung, verehrter Herr Kollege. Er ist doch noch da, der Herr Abgeordnete. Er sitzt da, rechts natürlich.
    Jedenfalls hat sich der Herr Kollege Häfele mit der Formulierung dieses Begriffes, der sehr einprägsam ist, durchaus einen Namen gemacht. Ich möchte Sie bitten, sich einmal daran zu erinnern. Sie haben jetzt ja Möglichkeiten, das umzusetzen.
    Wie sieht es denn nun eigentlich im Hinblick auf diese heimlichen Steuererhöhungen aus, insbesondere im Hinblick auf die Steigerung der Lohnsteuer, nachdem die Vermögensteuer schon so weit zurückgegeben ist, wobei sie am wenigsten gestiegen ist und die niedrigste Steigerungsrate hat? Dazu sagt der Finanzminister Stoltenberg, er wolle 1984/ 85 darüber nachdenken, ob und wann — vor allem aber: wann — eine Steuersenkung gemacht werden soll, garniert diese Bereitschaft dazu aber gleich mit dem Hinweis auf Ausgleichsnotwendigkeiten. Was kann das anderes heißen? Das heißt „Steuererhöhungen". Das heißt wahrscheinlich Verbrauchsteuererhöhung, weitere Mehrwertsteuererhöhung oder auch Mineralölsteuererhöhung oder Erhöhung irgendwelcher anderen Verbrauchsteuern. Da wird diese Bereitschaft sofort garniert. Wann eine Steuersenkung gemacht werden soll, wissen wir noch nicht. Vielleicht 1987. Das ist passend. Das ist ja auch ein Wahljahr. Aber natürlich werden auf der anderen Seite gleich Steuererhöhungen in Aussicht gestellt. Der Wirtschaftsminister Lambsdorff — den kennen wir ein bißchen aus der Steuersenkungsdebatte ebenso wie auf Grund seiner „hervorragenden" Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung, bei denen der Kollege Apel ihn heute morgen schon zur Vorsicht gemahnt hat, was ihre Zuverlässigkeit anbelangt — ist auf einmal wirklich eine Art Sozialanwalt für die Arbeitnehmer und fordert die Lohnsteuersenkung und die Einkommensteuersenkung, und zwar sofort. Dann sagt er wieder, er sei mit dem Kollegen Stoltenberg natürlich völlig einig, der das ja, wie gesagt, für einen späteren Zeitpunkt mit Bedingungen sagt.
    Ich muß schon sagen, das ist eine Art Springprozession. So geht es im Durcheinander der Steuerpolitik insgesamt bei Union und Bundesregierung weiter. Der Kollege Kreile fordert für die CDU/ CSU-Fraktion die Wiedereinführung des Abzugs von Schuldzinsen. Der Finanzminister will Steuersubventionstatbestände abbauen. Das geht nicht auf einen Nenner.
    Nachdem die Unionsbaupolitiker die Mieter in den Städten mit Mieterhöhungen beglückt haben, die ganz schön hart zuschlagen

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

    — ich komme aus einem Ballungszentrum, das stimmt schon, Sie müssen sich das ansehen —, fordern sie neue steuerliche Subventionen, um damit von ihrer Wohnungspolitik abzulenken.
    Die CDU-Kommission des Kollegen Althammer fordert Steuersenkungen für Familien mit Kindern. Der Finanzminister Stoltenberg — heute noch einmal bestätigt — will das Familiensplitting einführen, das wirklich eine unheimlich krasse Sache ist, die Familien mit wenigen Kindern, aber sehr hohen Einkommen Steuergeschenke bringt, die riesig sind
    — 14 000 DM im Jahr sind da gar nichts —, aber Familien mit mehreren Kindern und niedrigen Einkommen so gut wie nichts bringt — also wirklich Umverteilung von unten nach oben par excellence. Das heißt auf jeden Fall, zwei völlig verschiedene Zielrichtungen. Da sollten Sie schauen, was Sie wirklich wollen.
    Der bayerische Finanzminister Streibl, CSU, hat dankenswerterweise inzwischen in einem Interview in der Zeitschrift „Capital" zu dem, was Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung aufgeschrieben haben, sehr klare Äußerungen gefunden, indem er nämlich uns Sozialdemokraten zitiert hat. Da muß ich Herrn Streibl einmal ausdrücklich zustimmen. Er sollte das einmal in die Diskussion einbringen.

    (Gläs [CDU/CSU]: Streibl ist ein guter Mann!)