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ID1001800200

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    Plenarprotokoll 10/18 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 18. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des abgeschossenen südkoreanischen Verkehrsflugzeuges 1169A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Haase (Kassel) und Dr. Stercken 1169 B Ausscheiden des Abg. Handlos aus der Fraktion der CDU/CSU 1169 B Verzicht des Abg. Lahnstein und des Abg. Hecker auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 1169 C Eintritt der Abg. Frau Schmedt (Lengerich) und des Abg. Horacek in den Deutschen Bundestag 1169 C Begrüßung des Leiters der britischen Delegation der IPU, Mr. Temple Morris 1191 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1984 (Haushaltsgesetz 1984) —Drucksache 10/280 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1983 bis 1987 — Drucksache 10/281 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Stabilisierung der Finanzentwicklung in der Rentenversicherung sowie über die Verlängerung der Investitionshilfeabgabe (Haushaltsbegleitgesetz 1984) — Drucksachen 10/335, 10/347 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und zur Einschränkung von steuerlichen Vorteilen (Steuerentlastungsgesetz 1984) — Drucksachen 10/336, 10/345, 10/348 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligungen (Vermögensbeteiligungsgesetz) — Drucksachen 10/337, 10/349 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie (Stahlinvestitionszulagen-Änderungsgesetz) — Drucksachen 10/338, 10/346, 10/350 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Entlassung der Bundesminister des Innern und der Justiz —Drucksache 10/333 (neu) — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entlassung des Bundesministers der Justiz und des Bundesministers des Innern — Drucksache 10/342 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF 1170D, 1204 A Dr. Apel SPD 1180 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 1191 B Hoppe FDP 1197 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 1200 D Walther SPD 1208 B Dr. Stavenhagen CDU/CSU 1213 B Dr. Weng FDP 1217 A Verheyen (Bielefeld) GRÜNE 1219 B Gobrecht SPD 1222 D Dr. Kreile CDU/CSU 1226 B Gattermann FDP 1230 D Echternach CDU/CSU 1234 C Grobecker SPD 1236 D Ronneburger FDP 1237 D Burgmann GRÜNE 1238 B Nächste Sitzung 1239 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1241*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1241*A Anlage 3 Herstellung von Dioxin MdlAnfr 21 13.05.83 Drs 10/55 Dr. Hirsch FDP ErgSchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI 1241* B auf ZusFr Dr. Hirsch FDP Anlage 4 Einführung des Rostschutzsystems SINOX und SINOFLEX bei öffentlichen Aufträgen MdlAnfr 29 13.05.83 Drs 10/55 Broll CDU/CSU ErgSehrAntw Spranger BMI 1241* D auf ZusFr Broll CDU/CSU Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 1169 18. Sitzung Bonn, den 7. September 1983 Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung 16. Sitzung, Seite 1104* A, Zeile 16: Statt 22,55 % ist 11,55 % zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 9. 9. Dr. Enders * 9. 9. Handlos 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 9. Ibrügger 7. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 9. 9. Dr. Müller * 9. 9. Reddemann * 7. 9. Voigt (Frankfurt) 9. 9. Frau Dr. Wex 9. 9. Wilz 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung, des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Juli 1983 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: Gesetz zum Zusatzübereinkommen vom 8. Oktober 1982 zum Übereinkommen vom 9. Dezember 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Fürstentum Liechtenstein, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Bereich der Sozialen Sicherheit Gesetz zu dem Übereinkommen vom 30. November 1979 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer Gesetz zu dem Abkommen vom 20. Oktober 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Arbeitslosenversicherung Anlage 3 Ergänzende Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Zusatzfrage zur Frage des Abgeordneten Dr. Hirsch (FDP) (Drucksache 10/55 Frage 21, 7. Sitzung, Seite 299 C): Ihre zweite Zusatzfrage zu Ihrer Frage beantworte ich wie folgt: Wie bereits die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drucksache 10/212 vom 27.6. 1983) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hickel und der Fraktion Die GRÜNEN dargelegt hat, stellen Chlordibenzodioxine eine Verbindungsklasse von etwa 75 verschiedenen Isomeren dar. Unter diesen hat das allgemein als Seveso-Dioxin bekannt gewordene 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin (TCDD) eine extrem hohe Toxizität. Es ist jedoch unzulässig, davon auszugehen, daß alle Dioxine vergleichbares Gefährdungspotential aufweisen wie TCDD. TCDD nimmt insofern eine Ausnahmestellung ein. Einzelne höher als TCDD chlorierte Dioxine können unter Umweltbedingungen - im Verhältnis zur Ursprungssubstanz zu kleinen Anteilen - zu TCDD abgebaut werden. Dieses Dioxin ist jedoch ein relativ kurzlebiges Zwischenprodukt auf dem Wege zu einem vollständigen Abbau. Anlagen zum Stenographischen Bericht Insofern ist festzustellen, daß die in der Umwelt und in der Nahrungskette vorkommenden DioxinKonzentrationen im allgemeinen keine Gefährdung darstellen. Bei Störfällen können infolge Brand oder Explosion durch pyrolytische Zersetzung Dioxin-Konzentrationen auftreten, die zu einer Gefährdung führen können. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften werden von den Dioxinen das TCDD mit einer Konzentrationsschwelle von 0,1 ppm (ein Teil auf 10 Millionen Teile) und 1,2,3,7,8,9-Hexachlordibenzo-pdioxin (HCDD) ab einer Mengenschwelle von 10 g pro Anlage in der 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (StörfallVerordnung) vom 27. Juni 1980 in Verbindung mit der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Störfall-Verordnung vom 23. April 1981 (1. StörfallVwV) erfaßt. Nach Mitteilung der Innenminister (-senatoren) der Länder erhalten die Katastrophenschutzbehörden Kenntnis von den Gefährdungsmöglichkeiten durch die im Anhang II der Störfall-Verordnung aufgeführten Stoffe im Rahmen ihrer Beteiligung bei der Prüfung der Sicherheitsanalyse, die von den Betreibern der Anlagen, in denen diese Stoffe in gefährlichen Konzentrationen im bestimmungsgemäßen Betrieb vorhanden sein oder bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebes entstehen können, nach § 7 Störfall-Verordnung zu erstellen ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches der Störfall-Verordnung bestehen teilweise auf örtlicher Ebene Absprachen zwischen den Katastrophenschutzbehörden und Betreibern, die eine Informationsverbesserung der Katastrophenschutzbehörden über mögliche Gefahrenquellen bezwecken. Eine vollständige Erfassung aller Produktgruppen, aus denen unter nicht vorhersagbaren Schadensbedingungen Dioxine freigesetzt werden können oder die Dioxine enthalten, ist wegen der hohen Zahl der chemischen Verbindungen und Reaktionen, bei denen solche Stoffe als unerwünschte Nebenprodukte denkbar sind, jedoch nicht möglich. Sie können daher auch den Katastrophenschutzbehörden nicht generell bekannt sein. Die entstehenden Konzentrationen sind im allgemeinen jedoch so niedrig, daß sie keine bedeutsame Gefahrenquelle darstellen. Ferner lassen derzeit die Länder die Standorte PCB-gekühlter Transformatoren erfassen und kennzeichnen. Anlage 4 Ergänzende Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Zusatzfrage zur Frage des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/55 Frage 29, 7. Sitzung, Seite 308 D): 1242* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 18. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1983 Sehr geehrter Herr Kollege! Ich nehme Ihre Fragen in der Fragestunde vom 18. Mai 1983 gerne zum Anlaß, um Sie eingehender, als dies bei der mündlichen Beantwortung möglich war, über die Aktivitäten des Bundesministeriums des Innern zur Förderung umweltfreundlicher Produkte im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens zu informieren. Das Umweltbundesamt hat bereits 1981 eine Untersuchung über die Möglichkeiten einer stärkeren Berücksichtigung umweltfreundlicher Produkte und Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorgelegt. Wichtiges Ergebnis dieser Studie war, daß weder haushalts- noch vergaberechtliche Grundsätze einer verstärkten Beachtung von Umweltschutzgesichtspunkten entgegenstehen. Umwelteigenschaften sind Qualitätsmerkmale von Produkten, die ebenso wie Arbeitsschutz- oder Sicherheitsanforderungen in die Leistungsbeschreibung bei öffentlichen Ausschreibungen aufgenommen werden sollen. Um diesen Zusammenhang unmißverständlich klarzustellen, hat der Bundesminister des Innern darauf hingewirkt, daß bei der Novellierung der VOL in die Erläuterung zum § 8 ein Hinweis auf die Berücksichtigung des Umweltschutzes bei der Leistungsbeschreibung aufgenommen wird. Schon jetzt gibt es zahlreiche Beispiele für umweltfreundliche Beschaffungen, von denen ich einige wenige anführen will. Im Geschäftsbereich des BMI wird fast ausschließlich Recyclingpapier eingesetzt. Die Deutsche Bundespost läßt bereits seit zwei Jahren die Telefonbücher recyclinggerecht — unter Verwendung leicht entfärbbarer Druckfarben und leicht löslicher Klebstoffe — herstellen. Das Post-Gelb wurde auf einen nicht cadmiumhaltigen Gelbton umgestellt. Zu erwähnen sind ferner der Einsatz von asbestfreien Bremsbelägen in Kraftfahrzeugen der Post sowie die Erprobung lärmarmer Lastkraftwagen. Umstellungen sind ebenfalls im Bereich des Straßenbaus im Gange. So entwickeln zur Zeit die Bundesanstalt für Straßenwesen und das Umweltbundesamt Anforderungen an umweltfreundliche Straßenmarkierungsstoffe. Nach der Sommerpause sind Gespräche zwischen meinem Hause und dem Bundesministerium für Verkehr vorgesehen, um die Möglichkeiten eines verstärkten Einsatzes von blei- und chromatfreien Korrosionsschutzmitteln im Bereich des Straßen- und Brückenbaus sowie bei der Bundesbahn zu erörtern. Das entscheidende Problem im Hinblick auf eine rasche Verbreitung umweltfreundlicher Produkte auch im Bereich der öffentlichen Verwaltungen ist zur Zeit noch die unzureichende Kenntnis der Beschaffungsstellen über die Umwelterheblichkeit und Umweltverträglichkeit bestimmter Produkte. In meinem Auftrag arbeitet daher das Umweltbundesamt daran, die Information der Beschaffungsstellen zu verbessern. Diesem Ziel dient eine Reihe von Maßnahmen: Ende 1983 wird vom Umweltbundesamt in Form eines Handbuchs das Ergebnis eines Modellvorhabens „Umweltfreundliches Beschaffungsprogramm für Gemeinden" vorgelegt werden, das in den Städten Essen und Wolfsburg läuft. Den Beschaffungsstellen sollen hiermit in praxisgerechter Form Informationen und Handlungshilfen geboten werden. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch das Umweltzeichen für umweltfreundliche Produkte, das von der Jury Umweltzeichen im Auftrag des Bundesministers des Innern und des Umweltbundesamtes vergeben wird. Gegenwärtig sind 22 Produktgruppen mit dem Umweltzeichen ausgezeichnet. Im Rahmen der Aktion werden für die jeweiligen Produktgruppen detaillierte Vergabebedingungen festgelegt, die in ihrer Konkretheit gut geeignet sind, um von den Beschaffern in den Leistungskatalog einer Ausschreibung übernommen zu werden. Ich begrüße daher sehr, daß die Bundesmaterialkatalogisierungszentrale im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung Hinweise auf das Umweltzeichen in ihre Datenbank aufgenommen hat. Die Datenbank ist allen Beschaffungsstellen zugänglich. Weitere Bemühungen betreffen die Aufnahme von Umweltaspekten in die Arbeit der Stiftung Warentest und der Verbraucherzentrale. Hierdurch soll ebenfalls erreicht werden, daß die Hersteller von sich aus aktiver an der Verbesserung der Umwelteigenschaften ihrer Erzeugnisse arbeiten. Wichtig sind auch die eigenen Bemühungen der Beschaffungsstellen um- entsprechende Informationen über die Umwelteigenschaften von Produkten. Besonders geeignet hierfür ist das im Vergaberecht vorgesehene Instrument der Nebenangebote im Rahmen der Ausschreibungen. Erfolgversprechend wären vor allem bei Großbeschaffern Absichtserklärungen, mit denen angekündigt wird, daß ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch Produkte mit höherem Umweltstandard gekauft werden sollen. Dies würde den Herstellern Zeit für entsprechende Produktentwicklungen lassen. Ich hoffe, daß von diesem Instrument in Zukunft stärker Gebrauch gemacht wird. Abschließend sei noch ein weiteres Projekt erwähnt. Die Studie „Umweltschutz in der öffentlichen Vergabepolitik" hat auch auf das Problem hingewiesen, daß Normen und andere technische Richtlinien sich hemmend auf die Durchsetzung umweltfreundlicher Produkte im öffentlichen Beschaffungswesen auswirken können. Im Auftrag des Umweltbundesamtes überprüft daher zur Zeit das Deutsche Institut für Normung (DIN) Normen und andere Regeln der Technik auf Umweltrelevanz und mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Berücksichtigung des Umweltschutzes im öffentlichen Beschaffungswesen. Die Ergebnisse werden in etwa zwei Jahren vorliegen und Eingang finden in die Arbeiten zur Novellierung von DIN-Vorschriften.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeshaushalt 1984 und die umfangreichen Begleitgesetze sind die ersten Finanzvorlagen, die von der neuen Bundesregierung voll in eigener Verantwortung erarbeitet und nun fristgerecht Bundesrat und Bundestag zugeleitet wurden. Ende 1982 hatten wir in wenigen Wochen die Entwürfe unserer Vorgänger auf die radikal verschlechterten wirtschaftlichen Bedingungen umzustellen und sofort Entscheidungen für die Verstärkung öffentlicher und privater Investitionen zu treffen. Dies bedeutete u. a.: Die für 1983 vom Kabinett Schmidt erwarteten Steuereinnahmen des Bundes mußten um rund 10 Milliarden DM zurückgenommen und die Bundesmittel für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zunächst um rund 8 Milliarden DM erhöht werden. Ohne die gesetzlichen Einsparungen vom Herbst 1982 wäre die Nettokreditaufnahme des Bundes 1983 auf deutlich mehr als 50 Milliarden DM angestiegen.
    Der bisherige Haushaltsverlauf dieses Jahres ist voll befriedigend. Wir haben die begründete Erwartung, daß wir die gesetzliche Ermächtigung für die Nettokreditaufnahme in Höhe von 40,9 Milliarden DM nicht voll in Anspruch nehmen müssen. 40,9 Milliarden DM — diese Zahl macht zugleich für den Haushaltsentwurf 1984 und die Finanzpolitik



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    der kommenden Jahre auch die Größe und Schwere der uns gestellten Aufgaben deutlich. Wir müssen den unerträglich gewachsenen, weit überhöhten Fehlbetrag im Etat konsequent auf ein erträgliches Maß zurückführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir dürfen nicht weiter unsere Tagesaufgaben durch eine maßlose Neuverschuldung auf Kosten der Generation unserer Kinder bewältigen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir für 1987 eine Nettokreditaufnahme von etwa 22,5 Milliarden DM als Zielvorstellung beschrieben. Bei allen konjunkturellen Unwägbarkeiten vor allem der späteren Jahre bleibt dies ein zentraler Orientierungspunkt.
    Wir wollen den 1983 begonnenen Prozeß der Umschichtung der Bundesausgaben zur Belebung der Wirtschaft und zur Verbesserung der Arbeitsmarkt- und Ausbildungssituation fortsetzen. Wir sind — alle miteinander — verpflichtet, die schwer erschütterten finanziellen Grundlagen der sozialen Sicherungssysteme nach den ersten Entscheidungen für dieses Jahr auch langfristig wieder tragfähig und verläßlich zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung hat schon vor der Wahl im März keinen Zweifel daran gelassen, daß dies die Aufgabe einer ganzen Wahlperiode ist. Zu hart waren die Folgen der wirtschaftlichen Talfahrt 1982 nach den Jahren der Stagnation und Rezession; zu schwer sind die Vorbelastungen einer die Finanz- und Wirtschaftskraft überfordernden Ausgabenpolitik der 70er Jahre, um diese großen Ziele gleichsam im Handstreich erreichen zu können. Wir haben jetzt in wenigen Monaten sehr weitreichende Regierungsbeschlüsse gefaßt, über die Sie, meine Damen und Herren, an Hand der Vorlagen endgültig entscheiden werden. Aber wir haben noch gewaltige Aufgaben vor uns. Wir brauchen keine Belehrungen, daß nach elf Monaten noch nicht alle Probleme gemeistert werden konnten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Ich nenne beispielhaft vor allem: die Entscheidungen über die künftigen finanziellen Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft, bei der sich nach Auffassung der Kommission die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit auf Grund des Ausgabenwachstums der letzten Jahre abzeichnet; die Gesundung der seit langem von einer schweren Finanzkrise belasteten Bundesbahn; die dritte Stufe der Rentengesetzgebung, um den Generationenvertrag wieder langfristig, bis in das kommende Jahrhundert hinein verläßlich zu machen.
    Im Mittelpunkt der Erwartungen und Sorgen der meisten Menschen steht zweifellos die Zukunft der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung entspricht bisher ziemlich genau den Annahmen unseres im Januar veröffentlichten Jahreswirtschaftsberichts. Eher können wir etwas bessere Ergebnisse erwarten.
    Der Rückgang des realen Bruttosozialprodukts ist gestoppt. Das war ja die Zielformulierung für 1983. Heute steht so gut wie fest, daß wir tatsächlich — erstmals wieder seit 1980 — mit einem positiven Wachstumsergebnis von 1/2 % bis 1 % rechnen können.
    Die Arbeitslosenzahl dürfte etwas niedriger ausfallen als die im Rahmen der Haushaltsvorsorge angenommene Zahl von 2 350 000 im Jahresdurchschnitt. Während die Zahl der Arbeitslosen in den letzten beiden Jahren im August noch jeweils stark zunahm, ist sie in diesem Jahr im Vergleichsmonat leicht zurückgegangen; die Betriebe meldeten fast 20 % mehr neue offene Stellen als im August 1982 — aber natürlich immer noch auf einem viel zu niedrigen Niveau.
    Die Verbraucherpreise werden im Jahresdurchschnitt voraussichtlich nur um 3 %, statt wie im Januar angenommen, um 4 % steigen.
    Schließlich wird der Leistungsbilanzüberschuß am Jahresende eher über als unter 10 Milliarden DM liegen.
    Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf hat so die Richtigkeit unserer Entscheidungen des vergangenen Herbstes durchaus bestätigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Uns alle erfüllt dabei mit Sorge, daß wir trotz erster positiver Zeichen auf dem Arbeitsmarkt zunächst noch mit einem weiteren Anstieg der Erwerbslosigkeit rechnen müssen. Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt folgen wirtschaftlichen Aufwärtsbewegungen erfahrungsgemäß erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Die Aufgabe ist aber vor allem deshalb so groß, weil die Zahl der Erwerbspersonen aus demographischen Gründen noch bis zum Ende dieses Jahrzehnts zunimmt, allein in den Jahren 1983 bis 1984 um rund eine Viertelmillion.
    Einige Sprecher der Sozialdemokratie entrüsten sich heute darüber, daß wir in unserer Haushaltsplanung für 1984 für eine mögliche Arbeitslosigkeit von bis zu zweieinhalb Millionen Vorsorge treffen. Ich möchte diese sozialdemokratischen Kollegen daran erinnern, daß es Ende 1969, im Jahre Ihrer Regierungsübernahme, 192 000 Arbeitslose gab und demgegenüber Ende 1982, unmittelbar nachdem wir Sie in der Verantwortung abgelöst hatten, 2 223 000.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Welch ein seriöser Vergleich!)

    Ich frage unsere Kritiker — ich frage Sie, Herr Spöri —, was sie über ein Jahrzehnt in der Regierungsverantwortung getan haben, um für den ja schon vor Jahren vorhergesagten wachsenden Bedarf an Arbeits- und Ausbildungsplätzen Vorsorge zu treffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Mit dieser Frage müssen Sie sich auseinandersetzen, bevor Sie Kritik üben. Neue Arbeitsplätze entstehen ja nicht über Nacht. Sie entstehen nur, wenn zuvor Kapital gebildet — gespart — wird, das in eine rentable, wettbewerbsfähige Produktion investiert wird.

    (Zuruf des Abg. Westphal [SPD])

    In den 60er Jahren, Herr Kollege Westphal, wurden noch fast 20% des Nettosozialprodukts zum Aufbau des Volksvermögens und damit der kapitalmäßigen Grundlage für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Verbesserung der Produktivität verwendet. 1982 waren es knapp 10 %. 90 % des Nettosozialprodukts wurden verbraucht — zuviel für eine Volkswirtschaft, der im harten internationalen Wettbewerb nichts geschenkt wird. Die Arbeitsplatzlücke von heute ist die Investitionslücke von gestern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Kritik an den zahlreichen Beschäftigungsprogrammen der 70er Jahre ist so vor allem eine wachstums- und ordnungspolitische Kritik. Diese Programme setzten im wesentlichen bei der Unterauslastung vorhandener Produktionskapazitäten an, obwohl es im Kern — spätestens seit 1972 — doch um strukturelle Probleme der Anpassung an neue ökonomische Knappheiten und Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs ging. Auch unsere sozialdemokratischen Amtsvorgänger waren zuletzt zu der Einsicht gelangt, daß die Anpassung an den strukturellen Wandel vor allem eine Investitionsaufgabe ist. Es fehlte aber, vor allem seit 1980, an der politischen Kraft, sich in dem Konflikt zwischen Wünschenswertem und Notwendigem eindeutig zugunsten des letzteren zu entscheiden.
    Eine weit überhöhte Staatsverschuldung war Ausdruck der Illusion der 70er Jahre, mehr verteilen zu können, als erwirtschaftet wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der öffentliche Schuldenstand — einschließlich Bahn und Post — belief sich Ende 1982 auf rund 700 Milliarden DM; das entsprach fast der Hälfte unseres Bruttosozialprodukts. Während sich der Anteil der investiven Ausgaben in den öffentlichen Haushalten von 1970 bis 1982 von 24,5% auf 16,4 % verringerte — ganz im Gegensatz zu Ihren ständigen verbalen Bekundungen über die Priorität öffentlicher Investitionen —, erhöhte sich gleichzeitig der Anteil der Zinsausgaben von 3,5 % auf 8 %. Allein der Bund mußte 1982 für Zinsen mehr ausgeben, nämlich mehr als 22 Milliarden DM, als für Kindergeld, Mutterschutz, Wohngeld und BAföG zusammen. Im Krisenjahr 1967 wurden 12% der Nettoersparnis des privaten Sektors durch den staatlichen Kreditbedarf in Anspruch genommen. 1982 lag diese Quote — bei einem Anteil der öffentlichen Investitionen an den gesamten Bruttoanlageinvestitionen von nur noch rund 15% — bei mehr als 40 %.
    Selbstverständlich, wir alle wissen, daß öffentliche Kreditaufnahme nicht an sich von Übel ist, sondern daß ein gewisses Maß an Staatsverschuldung zur Finanzierung produktiver Investitionen normal
    ist. Man kann aber durchaus mit Recht — wie z. B. die Sparerschutzgemeinschaft — von „defizitbedingter Konjunkturschwäche" statt von ,,konjunkturbedingten Defiziten" sprechen. Das heißt, meine Damen und Herren: Die Staatsverschuldung wird selbst zur Ursache des wirtschaftlichen Niedergangs und des Anstiegs der Arbeitslosigkeit, wenn die Neuverschuldung in guten wie in schlechten Jahren unverändert stark zunimmt, wenn durch Staatsverschuldung in wachsendem Maße Konsum finanziert wird und wegen sprunghaft steigender Zinsbelastungen für öffentliche Investitionen immer weniger übrigbleibt und wenn der Staat auf dem Kapitalmarkt in zinstreibende Konkurrenz zu privaten Investoren tritt. Eine solche Entwicklung — wir haben es erlebt — untergräbt das Vertrauen von Wirtschaft und Bürgern in die Zukunft.
    Bei dieser Ausgangslage gibt es für uns keine Möglichkeit der Wahl zwischen höherer Neuverschuldung und mehr Wirtschaftswachstum. Ohne Sanierung der öffentlichen Haushalte kann es keine wirkliche wirtschaftliche Gesundung und damit keine dauerhafte Lösung der Beschäftigungsprobleme geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb sind auch alle noch so intelligenten Selbstfinanzierungsrechnungen — ich nehme an, Herr Apel, wir werden heute hier noch einige hören — neuer staatlicher Beschäftigungsprogramme letzten Endes auf Sand gebaut. Wenn wir die Erschütterung der Grundlagen der Finanzen von Staat und Sozialversicherungen nicht heute entschlossen bekämpfen, werden die Opfer für alle Betroffenen morgen noch härter sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nach den Beschlüssen des letzten Herbstes hat die Bundesregierung Ende Juni ihre Entscheidung für den zweiten Schritt zur Gesundung von Wirtschaft und Finanzen getroffen. Das Ergebnis liegt dem Hohen Hause in einem Bündel von Einzelvorlagen zur Beratung und Beschlußfassung vor: Bundeshaushalt 1984, Finanzplan bis 1987, Haushaltsbegleitgesetz, Steuerentlastungsgesetz, Novellierung des Stahlinvestitionszulagengesetzes, Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern sowie das Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung.
    Wichtigster Inhalt ist die Fortsetzung der Haushaltskonsolidierung, nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch Sparsamkeit bei den Ausgaben. Die Einsparungen vom letzten Herbst, rund 6 Milliarden DM jährlich ab 1983, werden um zusätzliche Einsparungen von 6,5 bis 7 Milliarden DM jährlich ab 1984 erweitert. Nur so war es möglich, das Wachstum der Bundesausgaben im Haushaltsentwurf 1984 von 1,8 % und im Finanzplan 1985 bis 1987 von jeweils 3 % zu erreichen.
    Die Nettokreditaufnahme soll 1984 rund 37 Milliarden DM betragen. Gegenüber dem Haushalt 1983 ist das eine Verringerung von 3,5 Milliarden DM. Der eigentliche Konsolidierungseffekt beträgt aber rund 8 Milliarden DM, weil gleichzeitig der Bundesbankgewinn — eine Einnahme, die dem Bund nicht



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    dauerhaft zur Verfügung steht — im Einvernehmen mit der Bundesbank nur noch mit 6,5 Milliarden DM veranschlagt wurde.
    Gemessen an der Ausgangslage und den Einschränkungen, die wir den Bürgern zumuten müssen, ist dieser Effekt doch beachtlich. Dennoch will ich hier keinen Zweifel darüber lassen: Mehr als ein gutes Zwischenergebnis ist das nicht. Die Nettokreditaufnahme liegt nach unserem Entwurf auch 1984 noch über der Verschuldungsgrenze, die Art. 115 des Grundgesetzes für eine konjunkturelle Normalsituation vorschreibt. Deshalb müssen eventuelle Mehreinnahmen beim Haushaltsvollzug zur Verringerung der Neuverschuldung eingesetzt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    1985 ist, wie in unserem Finanzplan vorgesehen, die Grenze des Art. 115 in jedem Fall einzuhalten. Sollte, was nach den Entwicklungen der letzten Wochen möglich ist, der Bundesbankgewinn im nächsten Jahr höher ausfallen, muß dies schon 1984 unser Ziel sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage das vorsorglich, Herr Kollege Apel, weil das offenbar in Ihren neuen Finanzierungsrechnungen eine Rolle spielt. Nein, dieser Bundesbankgewinn steht jetzt nicht zur Disposition an. Er muß vorrangig verwandt werden, um das verfassungsmäßige Ziel von Art. 115 zu gewährleisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Trotz der von der Bundesregierung eingeleiteten Konsolidierung steigen die Zinsausgaben des Bundes von gut 27 Milliarden DM in diesem Jahr voraussichtlich auf etwas mehr als 36 Milliarden DM im Jahre 1987. Dies ist — ich sage das ohne Vorbehalt — eine besorgniserregende Zahl und macht deutlich, daß wir auch in den nächsten Jahren in den Anstrengungen nicht nachlassen dürfen. Der Anteil an den gesamten Ausgaben würde sich von 10,6 % 1983 auf beinahe 13 % 1987 erhöhen. Diese Zahlen zeigen uns mit aller Eindringlichkeit, daß wir ein Gleichgewicht zwischen Einnahmen- und Ausgabenentwicklungen in den öffentlichen Haushalten erst nach Jahren einer konsequenten Politik erreichen könen.
    Meine Damen und Herren, aus den vielen Einzelpunkten unserer Vorlagen möchte ich einige besonders hervorheben. Rund 2,5 Milliarden DM sollen gegenüber dem geltenden Recht bei den Zuschüssen an die Bundesanstalt für Arbeit und bei der Arbeitslosenhilfe eingespart werden. Ohne diese sicher nicht einfache Änderung würde der Bund 1984 hierfür mehr als 14 Milliarden DM aufwenden müssen.
    Wir bejahen unsere soziale Verantwortung für die erwerbslosen Mitbürger, und wir müssen zugleich den finanziellen Spielraum für die Wirtschaftsbelebung und Regionalpolitik im Interesse der arbeitenden Menschen und derer, die Arbeit suchen, erweitern. Deshalb halten wir die gezielten Einsparungen hier für unabweisbar. Zugleich aber erhöhen wir gegenüber dem Finanzplan unserer Vorgänger auch die Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und für Ausbildungsplätze ganz erheblich.
    Die Sparbeschlüsse für den öffentlichen Dienst haben ja ein sehr unterschiedliches Echo gefunden. Während einige Verbands- und Gewerkschaftsfunktionäre in schwärzesten Farben seinen angeblichen sozialen Niedergang beklagen, meinen viele andere Mitbürger, der Gesetzgeber müsse schon auf Grund der Sicherheit der Arbeitsplätze hier noch wesentlich härtere Eingriffe vornehmen.

    (Beifall eines Abgeordneten der CDU/ CSU)

    Ich halte beide extreme Positionen für falsch — trotz des Beifalls eines Kollegen.

    (Heiterkeit bei allen Fraktionen)

    Meine Damen und Herren, Sie führen doch dieselben Debatten wie wir. Sie kennen doch auch den Sachverhalt, daß es diese zweite Auffassung gibt. Und deswegen habe ich beide Positionen hier einmal vorgetragen.

    (Heiterkeit bei allen Fraktionen)

    Es würde mich sehr überraschen, wenn Sie nicht auch beiden Auffassungen, die ich hier einmal genannt habe, in Ihren Diskussionen begegnen würden.
    Aber ich will einmal die Größenordnungen deutlich machen. 1969 gaben Bund, Länder und Gemeinden für die Gehälter, Löhne und Pensionen im öffentlichen Dienst rund 53 Milliarden DM aus. 1983 werden es 177 Milliarden DM sein. Seit 1980 die Finanzkrise offenkundig wurde, sind ja im öffentlichen Dienst rund 30 000 Stellen abgebaut worden, allein in der Verantwortung unserer Vorgänger beim Bund über 10 000.
    Wir halten es jetzt für richtiger, auf sehr niedrige Steigerungsraten bei den Besoldungserhöhungen hinzuwirken und einzelne Besitzstände zu überprüfen, als den Personalabbau im Tempo und in der Art der letzten Jahre fortzusetzen. Der Haushaltsentwurf 1984 sieht beim Bund keine linearen Planstellenkürzungen mehr vor. Damit tragen wir auch der Tatsache Rechnung, daß sehr viele Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes heute durch vorbildliche Pflichterfüllung und ein Mehr an beruflicher Leistung steigenden Aufgaben gerecht werden müssen.

    (Vereinzelter Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese Entscheidung entspricht aber vor allem auch dem Interesse der jungen Menschen, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze suchen. Und hier — das muß man klar sagen — steigt die Anziehungskraft des öffentlichen Dienstes ungeachtet der kritisierten Kürzung weiter nachhaltig an. Wir halten es deshalb auch für richtig, die nächste Besoldungs- und Tarifrunde für den 1. April 1985 vorzusehen.
    Zu vielen Stellungnahmen haben j a unsere Beschlüsse zum Mutterschaftsgeld geführt. Wir sehen, wie Sie wissen, ab 1. Januar 1984 eine Verringerung der Leistungsdauer und des Tagessatzes vor, und wir haben zugleich eine Erweiterung dieser staatlichen Leistung ab 1. Januar 1987 auf alle Mütter an-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    gekündigt. Die hierfür erforderlichen Mittel sind in den neuen Finanzplan eingestellt.
    Heute wird nach dem seit 1979 geltenden Recht jede zweite Frau, die ein Kind bekommt, von dieser staatlichen Hilfe ausgeschlossen, darunter viele mit einem sehr niedrigen Einkommen. Über die Einzelheiten der Neuregelung wird sicher noch im Hohen Haus diskutiert werden.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [Bonn] [SPD])

    Aber ich will hier betonen, Herr Ehmke: Die Gleichstellung aller Frauen ist sozialpolitisch und sozialethisch erforderlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ja! Sie haben das seit 1979 nicht getan. Sie haben das in der Finanzplanung nicht vorgesehen. Wir tun das konkret bis zur Aufnahme der Mittel in die Finanzplanung.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Jetzt nehmen Sie denen mit den niedrigen Einkommen etwas weg ...)

    — Nein!

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: ... gegen das Versprechen, es später anders zu machen!)

    — Nein, Herr Kollege Ehmke, das ist eben Ihr Irrtum, wenn Sie sagen: die mit den niedrigen Einkommen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das haben Sie doch eben gerade zitiert!)

    Der unbefriedigende Zustand liegt ja auch darin, daß die von Ihnen getroffene Abgrenzung nicht eine Einkommensgrenze ist, über deren Problematik ich mich jetzt hier nicht näher äußern will — sie hat ja auch eine Problematik —, sondern daß sie soziologisch dazu führt, daß Frauen, die zehn oder zwölf Jahre gearbeitet haben und vor der Geburt des zweiten und dritten Kindes ausscheiden, ohne Rücksicht auf die Einkommen kein Mutterschaftsgeld bekommen. Das ist unbefriedigend.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Andere dagegen, die als Beamte, Angestellte und Arbeiter im Arbeitsleben sind, bekommen es auch mit einem höheren Einkommen. In der jetzigen Gesetzgebung ist ja nicht einmal der Gesichtspunkt der Einkommensgrenze als soziales Element verankert. Das ist der Grund, warum wir unsere Entscheidung für richtig halten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ehmke der Familienpolitiker! — Dr. Ehmke [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Bitte sehr, Herr Kollege Ehmke.


Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Ehmke, ich glaube, daß das im Augenblick nicht zulässig ist.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Das steht in der Geschäftsordnung! — Dr. Ehmke [SPD]: Ich bitte um Entschuldigung!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich hoffe, daß wir Gelegenheit haben, im Laufe der Debatte unsere Meinungen darüber auszutauschen.
    Ich muß hinzufügen, meine Damen und Herren: Wer die vorgesehenen Einsparungen jetzt prinzipiell in Frage stellt, gefährdet diese zweite Stufe der Gleichstellung aller; denn die von uns vorgesehene Neuregelung kostet den Bund ab 1987 mindestens 100 Millionen DM mehr als die jetzt geltende rechtliche Regelung.
    Um einen weiteren Punkt aufzunehmen: Mit den Sparvorschlägen für die Sozialhilfe entsprechen wir einem nachhaltigen Wunsch der Länder und der kommunalen Spitzenverbände. Ihre Aufwendungen für diesen Bereich steigen seit langem mindestens um 10% jährlich, zum Teil noch stärker. Einige wesentliche Ursachen dafür sind, daß die Relation von verfügbarem Einkommen der untersten Lohngruppen und manchen Leistungen der Sozialhilfe seit Jahren nicht mehr stimmt und daß es in Teilbereichen der Sozialhilfe, vor allem im Bereich der Pflegeheime, kostspielige Regelungen und Entwicklungen gibt, die niemand mehr bezahlen kann. Wir beurteilen in diesem Zusammenhang auch die Bundesratsinitiative für ein bedarfsgerechteres Angebot an Pflegeheimplätzen für Sozialhilfeempfänger positiv.
    Die rasch steigende Zahl der anerkannten Schwerbehinderten macht vor allem bei der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr Änderungen erforderlich. Über 3 Millionen Mitbürger nehmen jetzt diese Möglichkeit in Anspruch. Wir wollen deshalb die Vergünstigung auf die in der Bewegung tatsächlich Behinderten konzentrieren. So soll die unentgeltliche Beförderung durch Zahlung eines pauschalen, zumutbaren Eigenanteils eingeschränkt werden. Freie Beförderung gibt es aber weiterhin für im Straßenverkehr besonders Behinderte und sozial besonders Schwache. Ferner wird eine Wahlmöglichkeit zwischen der Inanspruchnahme dieser Vergünstigung und der Entlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer geschaffen. Besonders Bewegungsbehinderte wie Rollstuhlfahrer sind von dieser Änderung nicht betroffen. Das gilt auch für die Kriegsopfer.
    Ich will daran erinnern, daß auch zur Zeit der früheren Regierung in öffentlichen Erklärungen des verantwortlichen Bundesarbeitsministers die Notwendigkeit einer grundlegenden Neuordnung des Schwerbehindertenrechts angesprochen wurde. Dies wird zu den Aufgaben der kommenden Jahre gehören. Wir machen jetzt den ersten notwendigen Schritt.
    Mit dem Haushaltsbegleitgesetz entlasten wir schließlich die gesetzliche Rentenversicherung 1984 um rund 5,5 Milliarden DM. Wir nehmen damit zugleich notwendige Strukturveränderungen vor. So verstößt es beispielsweise gegen die Grundsätze unseres Altersversorgungssystems, wenn immer stärker dort der Weg über Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten beschritten wird, wo die Voraussetzungen für die Altersrente nicht vorliegen. Im letzten Jahr entfielen über die Hälfte der neu zugegangenen Renten auf verminderte Erwerbsfähigkeit, und



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    das kann j a nicht die Situation der Zukunft sein. Um dies wieder in ein vertretbares Verhältnis zu bringen, hat die Bundesregierung vorgeschlagen, die Festsetzung von Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten an engere Voraussetzungen einer beitragspflichtigen Tätigkeit zu binden.
    Alles in allem, meine Damen und Herren, sollen die von uns vorgesehenen Maßnahmen für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden sowie für Bahn und Post 1984 insgesamt bis zu 11,5 Milliarden DM Entlastung bringen. Vor allem die erwähnten Entscheidungen und Planungen für den öffentlichen Dienst führen zu einem deutlichen Rückgang der Neuverschuldung der Länder und Gemeinden.
    Auch für 1984 und für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung geht es uns um zwei Ziele: darum, die Konsolidierung voranzubringen, und darum, durch Umschichtung die Mittel des Bundes für Förderung des Wachstums und der Beschäftigung zu verstärken. Diese Mittel sind gegenüber dem letzten Finanzplan unserer Vorgänger vom Sommer 1982 um fast 2 Milliarden DM erhöht worden, vor allem für die großen Gemeinschaftsaufgaben, für den Wohnungsbau, für Stahl, für Schiffbau und für Ausbildungsplätze der Jugend.
    Das Schwergewicht unserer Vorlage zur Verstärkung des wirtschaftlichen Erholungsprozesses liegt aber im Bereich der Steuerpolitik. Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1984 wollen wir die Eigenkapitalbildung der Unternehmen unterstützen, deren Investitions- und Innovationskraft stärken sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft verbessern. Sichere Arbeitsplätze gibt es nur in gesunden Unternehmen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im Vordergrund der steuerpolitischen Maßnahmen stehen eine Entlastung der Unternehmen bei der ertragsunabhängigen Vermögensteuer und Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Unternehmen.
    Ich begrüße es ganz besonders, daß der Bundesrat in der vergangenen Woche unserem Konzept zustimmte und auch den Ausgleichsvorschlag bei der Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bejaht. Diese erste und klare Entscheidung des Bundesrates hat auch die Relativität mancher Sommerspekulationen und Sommerinterviews gezeigt, die sicher in Ihren Ausführungen, Herr Kollege Apel, noch eine gewisse Rolle spielen werden.

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD — Zuruf des Abg. Roth [SPD] und weitere Zurufe von der SPD: CSU!)

    — Herr Kollege Roth, machen Sie sich überhaupt keine Sorgen über den Zusammenhalt der CDU/ CSU, beschäftigen Sie sich lieber mit den Problemen Ihrer eigenen Partei! Das kann ich Ihnen nur raten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich gebe ja zu, daß es das eine oder das andere
    Interview und die eine oder die andere Schlagzeile
    gab, die Ihren Erwartungshorizont in dieser Beziehung erweitert hat,

    (Weitere Zurufe von der SPD)

    aber er wird sehr bald auf ein realistisches Normalmaß zurückgeführt werden. Das ist am Freitag im Bundesrat sichtbar geworden, und das wird in diesen Tagen im Deutschen Bundestag sichtbar. Wir sehen den Beratungen bis zum Dezember, was den Zusammenhalt der drei Koalitionsparteien betrifft, mit großem Optimismus entgegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Mit dem Gesetzentwurf zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer durch Kapitalbeteiligung erfüllt die Bundesregierung ihr Versprechen, sofort in der neuen Wahlperiode den zehnjährigen Stillstand in der Vermögenspolitik zu beenden. Kapitalbeteiligung kann vom Staat natürlich nicht verordnet werden. Die Neuregelung ist deshalb in unserem Verständnis vor allem ein Angebot an die Tarifparteien. Die Bundesregierung appelliert an Gewerkschaften und Arbeitgeber, die vermögenspolitische Initiative zu unterstützen und einer breiter gestreuten Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital zum Durchbruch zu verhelfen. Zur Regelung indirekter Beteiligungsformen wollen wir noch in dieser Wahlperiode einen ergänzenden Gesetzentwurf vorlegen.
    Meine Damen und Herren, gestern hat das Kabinett den 9. Subventionsbericht verabschiedet und veröffentlich.

    (Dr. Vogel [SPD]: Lineare Kürzung!)

    Vor allem seit 1980 hat die frühere Bundesregierung eine Reihe von Subventionskürzungen vorgenommen, die wir — auch im Bundesrat — konstruktiv begleitet und gefördert haben. Ich hoffe, daß dasselbe jetzt für unsere Politik gilt.

    (Dr. Vogel [SPD]: 5 bis 6 %!)

    — Herr Kollege Vogel, wir werden das nachher feststellen.
    Im Herbst 1982 bauten wir 500 Millionen DM Finanzhilfen ab. Unsere Vorlagen für 1984 gehen weiter. So werden z. B. Neubewilligungen bei der Landabgabenrente nur noch in diesem Jahr erfolgen, und Steuervergünstigungen zur Heizenergieeinsparung werden auf moderne, noch nicht wirtschaftliche Verfahren beschränkt. Die steuerlichen Vorteile bei Bauherrenmodellen sollen weiter reduziert und Beteiligungen, die ohne echte Gewinnerzielungsabsicht eingegangen werden, sollen steuerlich nicht mehr anerkannt werden.
    Aber bestimmte neue Initiativen für die Wirtschafts- und die Arbeitsmarktpolitik führen auch zu Haushaltsansätzen, die als Subventionen oder subventionsähnliche Leistungen eingestuft werden. Schuldzinsenabzug für den privaten Wohnungsbau, Sonderabschreibungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen, die Verstärkung der Gemeinschaftsaufgaben, mehr Mittel für Stadterneuerung und anderes mehr sind im formalen Verständnis Subventionen.



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Diese staatlichen Hilfen kommen nicht nur Unternehmen, sondern gleichermaßen den privaten Haushalten zugute. Der Anteil der privaten Haushalte an den Subventionen liegt 1984 voraussichtlich bei 54,2 %, der Anteil der Unternehmen bei 45,8 %.
    Den stärksten Anstieg bei den Subventionen gegenüber dem Vorjahr haben wir übrigens mit 13,5% im Bereich des Wohnungswesens zu verzeichnen, vor allem auf Grund der nachhaltigen Förderung des Wohnungsbaus, deren wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Begründung jedermann bekannt ist. Trotz der schweren Strukturprobleme in einzelnen Branchen — Kohle, Stahl, Werften — wird der Anteil der Subventionen am Bruttosozialprodukt 1984 voraussichtlich unverändert 1,7 % betragen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Wir werden weitere Entscheidungen für einen Subventionsabbau herbeiführen.
    Meine Damen und Herren, wer konsumtive Ausgaben im Staatshaushalt kürzt, um die Schuldenaufnahme zu vermindern, belastet dadurch breite Schichten der Bevölkerung. Das ist unausweichlich.

    (Zuruf des Abg. Duve [SPD])

    — Ich kann hier ja den früheren Bundeskanzler Schmidt und meine Vorgänger mit ähnlichen Aussagen zitieren. Das ist ein Sachverhalt, Herr Duve, aus dem Sie unterschiedliche Folgerungen ziehen können. Auch ich ziehe jetzt noch einige daraus. — Denn die Staatsverschuldung ist nicht ein Problem von „arm" und „reich", sie geht in Wahrheit, wenn sie so weiterläuft wie bisher, auf Kosten der schwächeren Einkommensgruppen. Auch das ist eine Bemerkung, die man hier machen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Staatsverschuldung ist in erster Linie ein Problem des fundamentalen Ungleichgewichts zwischen volkswirtschaftlicher Leistungskraft und staatlichem Leistungsangebot.
    Die Frage der sozialen Gerechtigkeit, die zu Recht gestellt wird, läßt sich nicht allein am Haushalt ablesen, sondern nur im Gesamtzusammenhang der Wirtschafts- und Finanzpolitik beurteilen. Dazu gehört auch — was in der öffentlichen Diskussion erstaunlicherweise fast keine Rolle spielt und auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, bisher nicht gesehen wird —: Trotz der erneuten Einsparungen war es erforderlich, die Beiträge zur Sozialversicherung ab 1984 vor allem durch die Einbeziehung von Sonderzahlungen um mehr als 4,5 Milliarden DM zu erhöhen. Unternehmer wie Arbeitnehmer mit mittleren und höheren Einkommen erbringen damit einen besonderen Solidarbeitrag, der in der Verteilungsdiskussion auch einmal gewürdigt werden sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung setzt auf einen nachhaltigen Aufschwung der Investitionstätigkeit als entscheidenden Schlüssel für eine neue Wachstumsdynamik und eine grundlegende Verbesserung der
    Beschäftigungsperspektiven. Diesem Ansatz widerspricht es, unsere Maßnahmen gleichsam als ein Geschenk an Unternehmen abzuqualifizieren, das der Korrektur an anderer Stelle des Haushalts bedürfe.
    Die Bundesregierung sagt ja zum Sozialstaat. Soziale Sicherung ist ein Wesenselement Sozialer Marktwirtschaft. Weil irdisches Leben immer von wirtschaftlicher Knappheit bestimmt bleibt, darf der Begriff „Sozialstaat" aber nicht losgelöst werden von der Frage der Finanzierbarkeit sozialer Leistungen und der Frage des zumutbaren Leistungsbeitrags des einzelnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage ausdrücklich „des zumutbaren", weil wir alle wissen, daß die einzelnen in ihrer Situation hier sehr unterschiedlich zu bewerten sind.
    Die Gefährdung ökologischer Regelkreise ist in der aktuellen Diskussion mit Recht ein wichtiges Thema. Es gibt jedoch auch soziale Regelkreise, die gestört werden können und nachweislich gestört sind: Übersteigerungen und auch bestimmte Mißbräuche im sozialen Leistungssystem, wenn Eigenverantwortung nicht gefordert ist und deshalb verlorengeht. Ein Sozialstaat auf Pump ist in Wahrheit kein sozialer Staat, sondern eine Versündigung an der Zukunft unseres Volkes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mein sozialdemokratischer Amtsvorgänger Professor Karl Schiller hat diesen Sachverhalt vor kurzem klar angesprochen. Ich zitiere:
    Die optimale Kombination von Wohlfahrtsstaat und dynamischer Marktwirtschaft gehörte viele Jahre zu den hervorragenden Eigenschaften der deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, daß das Verhältnis von Sozialstaat und Marktwirtschaft aus dem Gleichgewicht geraten ist. Alle politischen Kräfte wissen letztlich, daß die Relation von Marktwirtschaft und Wohlfahrtsstaat neu adjustiert werden muß.
    So weit Karl Schiller. Ich würde mich freuen, wenn alle politischen Kräfte in diesem Hause das offen aussprechen und daraus ihre Konsequenzen ziehen.

    (Zuruf von der SPD: Freuen Sie sich schon darauf?)

    und möchte mehr staatlich induzierte Nachfrage.
    Aber — das dürfen Sie nicht übersehen — eine



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    andere bedeutende Richtung betont prononciert, die Konsolidierungspolitik sei noch zu zaghaft, die restriktiven Nachfrageeffekte der bisherigen Gesundungsmaßnahmen würden überschätzt. Auch mit diesen bedeutenden Stimmen in der wissenschaftlichen Diskussion müssen wir uns j a gemeinsam auseinandersetzen.
    Die Bundesregierung geht einen mittleren Weg, der die Konsolidierung schrittweise verwirklicht, aber zugleich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht aus dem Auge verliert. Die vorliegenden Indikatoren berechtigen zu der Annahme, daß sich die bisherige konjunkturelle Verbesserung auch im weiteren Jahresverlauf und 1984 fortsetzt und noch verstärkt. Zusätzliche Impulse sind insbesondere — ich erwähnte es schon — von den Unternehmensinvestitionen zu erwarten. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist ja das Aufspüren neuer Nachfrage- und Wachstumsbereiche ureigenste Aufgabe unternehmerischen Handelns. Wir halten für das kommende Jahr ein reales Wirtschaftswachstum von 21/2 bis 3 % weiterhin für erreichbar.
    Die Konjunktur ist ja nicht zuletzt — darauf haben uns bedeutende Wissenschaftler wie Professor Schmölders immer wieder hingewiesen — ein Ergebnis der Einschätzung der Zukunft, also von Vertrauen oder Mißtrauen. Die konjunkturpolitische Wirkung staatlicher Ausgaben kann nicht mehr allein an ihren unmittelbaren Kreislaufwirkungen gemessen werden. Sie muß in wesentlich stärkerem Maße die Erwartungen und Reaktionen der Bürger und der Unternehmen einbeziehen. Konsolidierung bedeutet unter diesem Vorzeichen, daß Schluß gemacht wird mit jenem schlimmen Opportunismus, der den Menschen Leistungen vorgaukelt, ohne zu wissen oder ohne zu sagen, wie sie und von wem sie einmal bezahlt werden sollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Ausgang der Wahlen vom 6. März 1983 hat uns allen gezeigt, daß die Bürger in unserem Lande diese Wahrheit verstehen und auch bereit sind, sie mit Vertrauen zu honorieren.
    Wir sind auch nicht im Stadium einer Volkswirtschaft, bei der die Ausgaben für den unmittelbaren Lebensunterhalt bei einem sehr großen Teil der Haushalte mit dem jeweiligen Einkommen identisch sind. Trotz mehrerer Jahre der Stagnation und Rezession und der harten Arbeitslosigkeit sind wir immer noch die Reisenation Nummer eins. Die Schätzungen für die ökonomischen Aktivitäten in der Schattenwirtschaft liegen überwiegend bei 10 % des Sozialprodukts oder mehr. Dies sind Faktoren, die die Voraussehbarkeit des wirtschaftlichen Verhaltens der Verbraucher, aber auch von manchen Investoren erschweren. Diese Faktoren verringern auch die Wirksamkeit einer im wesentlichen nachfrageorientierten Politik.
    Man muß sich auch erinnern, meine Damen und Herren: 1977 wurde eine begonnene Haushaltskonsolidierung frühzeitig abgebrochen und damit eine entscheidende Weichenstellung für die ökonomischen Enttäuschungen in den folgenden Jahren
    vollzogen. Die Bundesregierung wird diesen Fehler nicht wiederholen.
    Ich kann hier nur zustimmend zitieren, was mein sozialdemokratischer Vorgänger Professor Alex Möller vor zwei Jahren zur Frage des richtigen Zeitpunkts der Konsolidierung geschrieben hat. Ich zitiere ihn:
    Eine Konsolidierung der Staatsfinanzen ist spätestens dann erforderlich, wenn die gesamtwirtschaftliche Situation erste Ansatzpunkte dafür bietet.
    Alex Möller fährt fort:
    Bei ausgeglichener Konjunkturlage entfällt die gesamtwirtschaftliche Rechtfertigung für eine Kreditfinanzierung der öffentlichen Hand. Die Konsolidierungslast bei einem verstetigten deficit spending absorbiert von einem gewissen Punkt an einen so großen Teil der kreditfinanzierten Ausgaben, daß der Spielraum für (spätere) konjunkturwirksame Ausgabenanteile unangemessen eingeengt wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Genau dies ist die Erfahrung, die wir spätestens seit 1980 machen.
    Im übrigen, meine Damen und Herren: Sozialdemokratische Politiker verhalten sich in der Regierungsverantwortung auch nicht anders als wir — im Gegensatz zu den Angriffen der sozialdemokratischen Opposition in diesem Haus. Ich empfehle Ihnen allen den Aufsatz von Finanzminister Dr. Diether Posser im „Handelsblatt" vom 2. September 1983 unter der Schlagzeile „Nordrhein-Westfalen ist seit zwei Jahren auf Konsolidierungskurs". Das größte Bundesland, von Strukturproblemen und Arbeitslosigkeit besonders hart betroffen, hat seine Ausgaben 1982 nicht mehr erhöht; Nullwachstum bei den Ausgaben. Minister Posser kündigt hier von 1984 bis 1987 eine Zunahme der Ausgaben des Landes um jährlich nur 2,7 % an, um, so sagt er, die erschreckend überhöhte Neuverschuldung endlich in den Griff zu bekommen.
    Er schreibt dann, was ich mit großer Genugtuung hier vortrage, Herr Kollege Apel — ich zitiere ihn —:
    Es besteht Einigkeit darüber, daß die Konsolidierung der Landesfinanzen nur über eine strikte Begrenzung der Ausgaben erreicht werden kann. Dieses Konzept steht auch im Einklang mit den Empfehlungen des Finanzplanungsrats, so daß für den wichtigsten Punkt der einzuschlagenden Therapie eine allseits übereinstimmende Grundauffassung festzustellen ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich kann das nur unterstreichen. Herr Kollege Vogel, nach den Beratungen und den Entschließungen des Finanzplanungsrats ist das so. Im Finanzplanungsrat sind sich Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände über Parteigrenzen hinweg über dieses Erfordernis



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    vollkommen einig. Wenn ich den Text Ihrer Pressekonferenz betrachte, muß ich sagen: Die SPD-Fraktion in diesem Hohen Hause hat den entsprechenden Lernprozeß offenbar noch vor sich.
    Die von der Bundesregierung eingeleitete Kurskorrektur zielt auch auf ein gutes Zusammenwirken von Finanz- und Geldpolitik. Mit der Bundesbank sind wir einig, daß es gegenwärtig darauf ankommt, den Aufschwung zu sichern, ohne die erreichte Stabilität wieder zu gefährden. Eine klare und trotz aller Schwierigkeiten unbeirrbar auf Gesundung der öffentlichen Haushalte ausgerichtete Finanzpolitik wird dazu beitragen, in der Bundesrepublik Deutschland wieder ein Zinsniveau zu erreichen, das unseren gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen besser entspricht.
    Dabei übersehe ich keineswegs, daß wir uns aus dem internationalen Zinsverbund nie völlig werden lösen können. Die Entwicklung der letzten Wochen und Monate zeigt nämlich erneut, daß wir mit unseren ganz bewußt für den internationalen Güter- und Kapitalverkehr offenen Grenzen voll auch in der internationalen Konkurrenz der Kapitalmärkte stehen. Die Zinsen an den Kapitalmärkten der USA liegen heute wieder bei knapp 12 % und sind damit um gut 1,5 % höher als Anfang Mai. Dies hat auch unser Zinsniveau nicht unberührt gelassen. Natürlich ist die leichte erneute Zunahme der Zinsen in den letzten drei Monaten ein gewisses Unsicherheitsmoment für die weitere konjunkturelle Aufwärtsentwicklung.
    Eine der Hauptursachen für die neue weltweite Zinsrunde liegt sicherlich in den Schwierigkeiten der Vereinigten Staaten, ihre Haushaltsprobleme für die kommenden Jahre zu lösen. Diese Entwicklung zeigt, welche Verantwortung den USA wegen der Größe ihres Wirtschaftsraums und der zentralen Stellung des Dollars im internationalen Währungssystems für die übrige Welt zukommt.
    Aber, meine Damen und Herren, umgekehrt muß auch gelten: Wer, wie wir alle, von den USA den deutlichen Abbau ihrer Haushaltsdefizite fordert, kann sich bei uns nicht gegen die Konsolidierung der eigenen Etats stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist zumindest ein Gebot der Glaubwürdigkeit. Andererseits wird der über alle Erwartungen kräftig begonnene konjunkturelle Aufschwung in den Vereinigten Staaten auch positive Impulse für die Weltwirtschaft bringen.
    Nicht nur Bund und Länder sind sich darin einig, daß der Abbau einer weit überhöhten Kreditaufnahme auch im Interesse langfristig verbesserter Rahmenbedingungen für die Volkswirtschaft notwendig ist. Überall in Westeuropa setzt sich diese Überzeugung durch, bei Regierungen und Parlamenten ganz unterschiedlicher politischer Mehrheiten.
    Die sozialistische Regierung Frankreichs hatte 1981 mit einem expansiven Programm der starken Erhöhung von Sozialleistungen, voll bezahlter Arbeitszeitverkürzung, höheren Abgaben für die Betriebe und die Besserverdienenden begonnen. Nach der drastischen Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft im Jahr 1982 erfolgte ein nachhaltiger Kurswechsel. Die neue Politik, amtlich in Paris als Politik der Strenge — „politique de rigueur" — bezeichnet, stellt die Stärke der internationalen Konkurrenzfähigkeit des Landes, die Bekämpfung der Inflation und den Abbau des Haushaltsdefizits ganz in den Vordergrund. Präsident Mitterrand hat seine Regierung angewiesen, die Neuverschuldung 1984 auf 3 % des Bruttosozialprodukts zu begrenzen. — Wir werden trotz aller angefochtenen Sparbeschlüsse gemeinsam mit Ländern, Gemeinden, Bahn und Post noch fast 4 % erreichen. — Zu dem neuen Pariser Programm gehören u. a. die Kürzung sozialer Leistungen, stärkere Selbstbeteiligung der Patienten im Krankenhaus, Erhöhung der 1983 eingeführten Sondersteuer von 1 auf 2 % und ihre Erweiterung auf bestimmte kleinere Einkommen. Demgegenüber erhalten private und verstaatlichte Unternehmen verstärkte Anreize für Eigenkapitalbildung und mehr Investitionen. Mir kommt dieser Punkt sehr bekannt vor.
    In den Niederlanden sollen ab 1. Januar 1984 die Bezüge im öffentlichen Dienst um 3,5 % gekürzt werden. Eingriffe bei Sozialleistungen von 4,2 Milliarden Gulden, globale Minderausgaben bei allen Ressorts und Einsparungen im Gesundheitswesen kommen hinzu.
    In Belgien sollen ab 1. Januar 1984 u. a. das Urlaubsgeld im öffentlichen Dienst um 12 % gekürzt und die Dienstalterszulagen abgeschafft werden. — Als ich das gelesen habe, habe ich gedacht, es wäre doch ganz gut, wenn die Herren Fehrenbach, Krause und Hagedorn einmal eine gemeinsame Studienreise in die Beneluxländer unternehmen würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe mir überlegt, daß die Kritik an unseren Beschlüssen dann vielleicht etwas moderater sein würde.
    In Dänemark wurde in diesem Jahr die Indexautomatik bei den staatlichen Transferleistungen, den Gehältern und den Steuerfreibeträgen abgeschafft.
    In Italien nannte der neue sozialistische Ministerpräsident Craxi es als die vorrangige Aufgabe, den entgleisten Zug der öffentlichen Finanzen wieder auf die Gleise zu stellen.
    Und in Österreich schließlich, meine Damen und Herren — das ist besonders interessant —, will die neue sozialistisch-liberale Koalition ab 1. Januar 1984 das Defizit um 30 Milliarden Schilling verringern, nach ersten Pressemeldungen voraussichtlich durch Kürzungen in Höhe von 10 Milliarden Schilling, vor allem bei Sozialleistungen, sowie durch Steuer- und Abgabenerhöhungen mit einem Volumen von 20 Milliarden Schilling.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Sehr gut!)

    Bundeskanzler Sinowatz bezeichnete angesichts
    der dramatisch gestiegenen Fehlbeträge „eine Re-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    form vieler Reformen der 70er Jahre als unvermeidbar".

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich hoffe nicht, lieber Herr Ehmke, daß Sie und seine politischen Freunde in Deutschland ihn jetzt des „Kaputtsparens" oder der „sozialen Demontage" bezichtigen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Man muß in der Tat den Blick über die eigenen Grenzen richten, um die Zeichen der Zeit zu erkennen.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    — Wir entschuldigen uns nicht mit den Fehlern anderer. Das unterscheidet uns von unseren Vorgängern in diesem Hause, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber niemand sollte sich abwenden, wenn andere aus ihren Fehlern lernen.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Im internationalen Bereich macht uns insbesondere die Verschuldung der Dritten Welt und des Ostblocks weiterhin große Sorgen. Die Risiken einer ständig steigenden Kreditaufnahme sind dort eindeutig unterschätzt worden. Schwerwiegende binnenwirtschaftliche Fehler in manchen Schuldnerländern, die Weltrezession und der Zinsanstieg haben diese Probleme noch weiter verschärft.
    Die Ergebnisse der letzten zwölf Monate zeigen aber auch, daß in enger internationaler Zusammenarbeit schwierige Probleme bewältigt werden können. Regierungen und Zentralbanken, vor allem aber auch Geschäftsbanken und die großen internationalen Finanzierungsinstitutionen, haben mit viel Mut und Einsicht verhindert, daß es zu schweren Störungen auf den Finanzmärkten kam. Die Sanierungsprogramme, die viele Schuldnerländer im Zusammenwirken mit dem Internationalen Währungsfonds übernommen haben, waren dabei von ganz wesentlicher Bedeutung. Damit der Währungsfonds angesichts der wachsenden Schwierigkeiten auch weiterhin eine zentrale Rolle spielen kann, haben die Mitgliedstaaten beschlossen, seine Mittel kräftig aufzustocken. Die im September noch in Washington stattfindende Jahresversammlung von Währungsfonds und Weltbank gibt uns Gelegenheit, mit einer Vielzahl von Beteiligten über die Stärkung des Währungsfonds und unseren weitergehenden Beitrag für die internationale Zusammenarbeit zu sprechen. Wir werden dafür eintreten, daß der Ausweg aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten nicht nur mit neuen Krediten, sondern vor allem durch eine Wirtschaftspolitik gesucht wird, die den Kreditbedarf der hochverschuldeten Länder spürbar verringert. Dazu gehören auch gemeinsame Bemühungen um eine deutliche Besserung der Weltkonjunktur und ein Offenhalten oder eine weitergehende Öffnung der Märkte der Industrieländer für die Produkte der Länder der Dritten Welt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zusammenfassend folgendes sagen: Der wichtigste Beitrag der Bundesregierung zu einem dauerhaften und inflationsfreien Wachstum der Weltwirtschaft besteht darin, daß wir zunächst unser eigenes Haus in Ordnung bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Leitlinien unserer Finanzpolitik in den kommenden Jahren werden sein:
    Erstens. Die Neuverschuldung muß unter Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse weiter zurückgeführt werden. Strenge Ausgabendisziplin bleibt die oberste Richtlinie finanzpolitischen Handelns in den 80er Jahren. Wir werden das Wachstum der Staatsausgaben ab 1985 auf 3 % jährlich begrenzen und so weiter deutlich unter dem Wachstum des nominalen Bruttosozialprodukts halten. So wird der Staatsanteil schrittweise zurückgeführt, privater Initiative mehr Raum gegeben.
    Zweitens. Gleichzeitig bedeutet Konsolidierung für uns auch in Zukunft die weitere Umschichtung der öffentlichen Ausgaben. Wir müssen die Haushaltsgestaltung in den 80er Jahren noch stärker auf Kosten von konsumtiven Verwendungen zugunsten zukunftsorientierter und beschäftigungsfördernder Verwendungen ändern. Das ist auch ein notwendiger Beitrag zur Arbeitsmarktpolitik. Neben der Stärkung der Investitionen wollen wir die Voraussetzungen für mehr Flexibilität in der Lebensarbeitszeit und die Rahmenbedingungen für Teilzeitarbeit und Arbeitsplatzteilung verbessern.
    Drittens. Eine dauerhafte Konsolidierung der Staatsfinanzen ist überhaupt nur möglich, wenn auch die sozialen Sicherungssysteme wieder gefestigt sind. Die langfristige Verläßlichkeit dieser Systeme für Alter, Krankheit und Wechselfälle des Lebens der Bürger sind wichtiger als jeder einzelne aktuelle Besitzstand. Zu den Zielen der Neuordnung gehört auch, Selbstverantwortung, zumutbare Eigeninitiative und Eigenvorsorge zu stärken.
    Viertens. Die Steuerpolitik muß weiterhin im Dienste der Stärkung der Investitionskraft der Unternehmen und der Förderung der beruflichen Leistung stehen. Die Bundesregierung wird im ersten Halbjahr 1984 über die Eckdaten einer Neugestaltung des Lohn- und Einkommensteuertarifs entscheiden. Ich sage hier aber erneut: Voraussetzung für eine Realisierung sind erhebliche Fortschritte bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und eine Umschichtung im Steuersystem, auch durch die Einschränkung von Steuervergünstigungen. In Verbindung damit wollen wir ein Familiensplitting einführen. Bereits 1985 soll eine steuerliche Besserstellung der Alleinerziehenden in Kraft treten.
    Fünftens. Die Bundesregierung wird in den nächsten Jahren viele neue Subventionsforderungen abwehren müssen und die bestehenden Subventionen weiter auf ihre Berechtigung hin prüfen. Meine Damen und Herren, das heißt aber auch: Staatliche Garantien für bestimmte Arbeitsplätze kann es nicht geben. Die Sanierung von Unternehmen ist in unserer Wirtschaftsordnung grundsätzlich nicht die



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    Aufgabe des Staates; er wäre damit im generellen Anspruch auch überfordert. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen können staatliche Hilfen gewährt werden, die jedoch an das Vorliegen enger Voraussetzungen gebunden werden müssen. Hierzu gehören insbesondere die Ausschöpfung aller Selbsthilfemöglichkeiten der Beteiligten und zukunftsorientierte Unternehmenskonzepte.
    Zweifellos gibt es auch für 1984 einige Etatrisiken. Wie kann es 16 Monate vor Jahresende 1984 anders sein! Ich verweise hier insbesondere auf die wachsende Beanspruchung unseres Haushalts durch Garantien und Exportbürgschaften der vergangenen Jahre. Auch wir übernehmen hier neue, im Hinblick auf die internationale Verschuldungslage beträchtliche Risiken, um Betrieben unserer Exportwirtschaft und ihren Arbeitnehmern zu helfen.
    Meine Damen und Herren, zugleich ist es ermutigend, daß die ersten politischen Entscheidungen für mehr private Investitionen sehr positive Wirkungen haben.

    (Zuruf von der SPD: Wo?)

    — So ist beispielsweise die Zahl der Darlehensanträge im ERP-Existenzgründungsprogramm im ersten Halbjahr um fast 50% gestiegen. Beim Eigenkapitalhilfe-Programm hat sich das Antragsvolumen gegenüber dem ersten Halbjahr 1982 sogar verdreifacht; es stieg auf 331%.

    (Zuruf des Abg. Wieczorek [Duisburg] [SPD])

    — Das sind die Kleinen, Herr Wieczorek, natürlich! Sie spüren die richtigen Zeichen dieser Regierung, und sie fassen Vertrauen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In einer wirklich eindrucksvollen Weise steigen die Zahl der Existenzgründungen und die Bereitschaft vor allem im Mittelstand, zu investieren. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 3,3 Milliarden DM an Investitionskrediten für mittlere und kleine Unternehmen bewilligt. Das ist nach sieben Monaten bereits dasselbe Volumen wie im ganzen Jahr 1982. An solchen Zeichen kann man doch nicht vorbeigehen. Ich hebe sie einmal hervor, weil verständlich ist, daß im Alltag bei der Berichterstattung vor allem Schlagzeilen über die Krisenbranchen und ihre Sorgen im Vordergrund stehen. Wir sollten aber auch diese anderen Zeichen nicht übersehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie sind für uns eine Ermutigung, daß der eingeschlagene Weg der Verbesserung der Rahmenbedingungen für private Investitionen und Existenzgründungen auch arbeitsmarktpolitisch richtig ist.
    Andererseits: Niemand kann erwarten, daß sich Fehlentwicklungen von über zwölf Jahren in zwölf Monaten beseitigen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Cronenberg [Arnsberg] [FDP])

    Herr Kollege Vogel, ich möchte Sie einmal ansprechen. Ich habe wie viele gestern im Fernsehen gesehen, daß Sie uns vorhalten, wir hätten noch kein Sanierungskonzept für die Bundesbahn. Ich kann das nur mit Staunen feststellen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich war da an die Diskussionen erinnert, die wir, Herr Kollege Brandt, gemeinsam mit dem hochgeschätzten damaligen Kollegen Georg Leber als Verkehrsminister im Kabinett Kiesinger gehabt haben. Aber die Feststellung, die ich in den ersten Monaten meiner Amtsführung machen mußte, ist, daß die zum Ende der Großen Koalition diskutierten und seitdem dramatisierten Probleme der Bundesbahn in der Zwischenzeit nicht gelöst wurden. Wer zehn Jahre in der Regierung war, Herr Vogel, soll doch seinem Nachfolger nach zehn Monaten nicht solche Vorwürfe machen, wie Sie das im Deutschen Fernsehen tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei der Größe der Aufgaben, wie wir sie übernommen haben, ist es doch eine Binsenwahrheit, daß keine Regierung alle Problemfelder gleichzeitig aufarbeiten kann.
    Eine erste Zwischenbilanz zeigt uns jedoch, daß die Weichen richtig gestellt sind. Die Finanzpolitik wird sich auch künftig vorrangig an dem Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Stärkung privater und öffentlicher Investitionen sowie der Verbesserung unserer Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit orientieren. Niemand sollte die Konsequenz und Standfestigkeit dieser Regierung unterschätzen.
    Ich danke den Koalitionsfraktionen für ihre Bereitschaft, die Eckwerte und die wesentlichen Strukturentscheidungen unserer Vorlage zu vertreten. Ich appelliere an alle gesellschaftlichen und politischen Kräfte, konstruktiv — auch mit abweichenden Vorstellungen — mitzuarbeiten. Mit den Grundsätzen unserer Politik, meine Damen und Herren, mit Tatkraft und Beharrlichkeit können wir gemeinsam die großen Probleme meistern.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)