Protokoll:
5025

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 25

  • date_rangeDatum: 3. März 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:47 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 25. Sitzung Bonn, den 3. März 1966 Inhalt: Begrüßung des Generalsekretärs der IPU, Herrn de Blonay 1125 C Fragestunde (Drucksachen V/339, V/340) Fragen des Abg. Reichmann: Beseitigung der ehemaligen Westwallanlagen Dr. Dollinger, Bundesminister . . 1117 B Reichmann (FDP) 1117C Josten (CDU/CSU) 1118 A Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Aktion zur Linderung der Hungersnot in Indien Dr. Vialon, Staatssekretär . . . . 1118 C Kahn-Ackermann (SPD) 1118D Frage des Abg. Dr. Schmidt (Offenbach) : Fluglärmgutachten vom Mai 1965 Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1119 A Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . 1119 B Cramer (SPD) 1119 C Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) 1119 C Frage des Abg. Büttner: Neuregelung der Rechtsverhältnisse der nebenberuflich tätigen Fleischbeschauer Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1120 A Büttner (SPD) . . . . . . . . 1120 A Fragen des Abg. Büttner: Änderung des Fleischbeschaugesetzes vom 15. März 1960 Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . 1120 B Büttner (SPD) 1120 C Frage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Angabe von Zusatzstoffen bei Lebensmitteln Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1121 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) 1121 B Frau Dr. Hubert (SPD) 1121 C Dr. Rinderspacher (SPD) 1121 D Frage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Schädlingsbekämpfungsmittel Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . . . . . 1122 A Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) 1122 A Frage des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Gehalt der Luft und Nutzungspflanzen an Blei und krebserregenden Stoffen in der Nähe verkehrsreicher Straßen Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1122 B Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) 1122 C II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1966 Fragen des Abg. Geiger: Neufassung der Bundespflegesatzverordnung 1122 D Fragen des Abg. Dr. Tamblé: Krebsforschung Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister 1123 A Dr. Tamblé (SPD) 1123 B Fragen des Abg. Dr. Hamm (Kaiserslautern): Berufsstand der Hebamme, Besoldung und Nachwuchsfrage Frau Dr. Schwarzhaupt, Bundesminister . . . 1123 C, 1124 C Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 1123 D, 1124 C Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . . 1124 A Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . . 1125 B Fragen des Abg. Seibert: Absetzung der Mineralöl- und der Kfz-Steuer bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1125 C Fragen des Abg. Ott: Arbeitsrückstände für Sparprämien bei den Finanzämtern Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1126 B Frage des Abg. Ott: Wirtschaftliche Verluste der Wehrpflichtigen durch Ableistung ihrer Wehrpflicht Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1126 D Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 1127 B Fragen der Abg. Ruf und Dr. Mommer: Errichtung eines Bürohauses des Deutschen Bundestages Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1127 B Dr. Mommer (SPD) . . . . . . . 1128 C Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksache V/250), in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1966 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1966) (Drucksache V/305) — Fortsetzung der ersten Beratung — Dr. Erhard, Bundeskanzler . . . 1128 D Leicht (CDU/CSU) 1132 D Schoettle (SPD) 1140 B Dr. Heck, Bundesminister . . . 1149 B Dr. Emde (FDP) 1149 D Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 1157 B von Hassel, Bundesminister . . 1164 B Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 1165 D Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 1174 A Windelen (CDU/CSU) 1175 D Dorn (FDP) 1181 C Brese (CDU/CSU) 1182 A Dichgans (CDU/CSU) 1185 C Hermsdorf (SPD) 1188 D Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . 1191 A Entwurf eines Gesetzes über die Unterbringung von Rüböl aus inländischem Raps und Rübsen (Drucksache V/320) — Erste Beratung — 1193 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. November 1965 mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel über die Rückzahlung der Reichsmarkanlagen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Deutschland (Drucksache V/330) — Erste Beratung — 1193 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. September 1965 mit der Republik Kolumbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Schiffahrt- und Luftfahrtunternehmen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und -vom Vermögen (Drucksache V/331) — Erste Beratung — 1194 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. Februar 1964 mit der Republik Korea über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Drucksache V/332) — Erste Beratung — 1194 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Drucksache V/329) — Erste Beratung — 1194 A Entwurf eines Architektengesetzes (CDU/ CSU) (Drucksache V/306) — Erste Beratung — 1194 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung (FDP) (Drucksache V/307) — Erste Beratung — 1194 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1966 III Berichte des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Neunte, Zwölfte, Siebente und Vierzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Drucksachen V/243, V/315; V/259, V/316; V/261, V/260, V/317) . . . 1194 C Schriftliche Berichte des Ausschusses für das Bundesvermögen über die Anträge des Bundesministers der Finanzen betr. Zustimmung zur unentgeltlichen Abtretung von Geschäftsanteilen an willschaftlichen Unternehmungen, hier: Beteiligungen an Flughafengesellschaften (Drucksachen V/202, V/321), betr. Grundstückstausch mit dem Land Berlin (Drucksachen V/25, V/322) und betr. Zustimmung des Bundesrates und des Deutschen Bundestages zur Überlassung junger Aktien der Deutschen Lufthansa AG an private Zeichner (Drucksachen V/209, V/323) 1194 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes auf der Karthause in Koblenz (Drucksache V/336) . . . . 1195 C Antrag betr. Einsicht in Gesetzentwürfe durch Abgeordnete (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Mertes u. Gen.) (Drucksache V/126) 1195 C Nächste Sitzung 1195 D Anlagen 1197 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1966 1117 25. Sitzung Bonn, den 3. März 1966 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung: Es ist zu lesen: 24. Sitzung, Seite 1048 B, vorletzte Zeile statt Scholven-Dokument: Schollwer-Dokument. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Beurlaubungen Adorno 4. 3. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 4. 3. Bading 7. 3. Dr.-Ing. Balke 26. 3. Behrendt 3. 3. Benda 4. 3. Berkhan 12. 3. Beuster 3. 3. Frau Blohm 4. 3. Blumenfeld 27. 3. Burger 10. 4. Damm 4. 3. Deringer 4. 3. Dr. Dittrich.*) 4. 3. Eisenmann 13. 3. Dr. Eppler 12. 3. Erler 4. 3. Faller 6. 3. Figgen 5. 3. Fritz (Wiesbaden) 31. 3. Frau Funcke 4. 3. Freiherr von und zu Guttenberg 5. 3. Haage (München) 4. 3. Hahn (Bielefeld) *) 4. 3. Hamacher 31. 3. Hirsch 4. 3. Horstmeier 4. 3. Illerhaus *) 3. 3. Jacobi (Köln) 4. 3. Dr. h. c. Jaksch 3. 3. Dr. Jungmann 31. 3. Klein 18. 3. Dr. Kliesing (Honnef) 5. 3. Klinker *) 4. 3. Frau Krappe 31. 3. Freiherr von Kühlmann-Stumm 5. 3. Frau Kurlbaum-Beyer 4. 3. Liedtke 15. 4. Dr. Löhr 4. 3. Mattick 4. 3. Mertes 12. 3. Metzger *) 4. 3. Dr. Miessner 12. 3. Mischnick 4. 3. Missbach 22. 3. Dr. Morgenstern 25. 3. Porten 3. 3. Riegel (Göppingen) 4. 3. Rösing 4. 3. Schonhofen 4. 3. Frau Schroeder (Detmold) 4. 3. Schulhoff 4. 3. Schultz (Gau-Bischofsheim) 3. 3. Dr. Schulz (Berlin) 11. 3. Dr.-Ing. Seebohm 11. 3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Seifriz*) 4. 3. Dr. Starke 3. 3. Stephan . 3. 3. Teriete 4. 3. Dr. Verbeek 8. 3. Dr. Vogel 4. 3. Wächter 4. 3. Dr. Wilhelmi 4. 3. Baron von Wrangel 4. 3. Dr. Wuermeling 3. 3. Zerbe 5. 3. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Heck vom 25. Februar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wuermeling (Drucksache V/251 Frage XV/4) : Ist aus der Nichtbeantwortung von drei verschiedenen von Mitgliedern des Hauses dem Bundeskanzler schriftlich und mündlich vorgetragenen Bitten um Klärung seiner gegensätzlichen Äußerungen über Einkommensgrenzen beim Kindergeld zu schließen, daß der bei den Ausbildungszulagen, beim Mutterschaftsgeld und bei den Schülertarifen begonnene Abbau unseres Familienausgleichs durch Einführung international allgemein abgelehnter Einkommensgrenzen im Kindergeldgesetz fortgesetzt werden soll? In der Regierungserklärung, die der Herr Bundeskanzler am 10. November 1965 vor dem Bundestag abgegeben hat, heißt es: „Es gehört zu den Aufgaben der kommenden Jahre, die Familienpolitik fortzuentwickeln. Dies gilt auch für den Familienlastenausgleich." Unter Fortentwicklung verstehe ich eine Entwicklung des Familienlastenausgleichs nach den bisherigen Grundsätzen. Es besteht daher kein Anlaß anzunehmen, daß die Bundesregierung beim Familienlastenausgleich eine Einkommensgrenze einführen wird. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 2. März 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Tamblé (Drucksache V/303 Fragen III/4 und III/5): Ist der Bundesregierung bekannt, daß § 44 Abs. 4 der Allgemeinen Zollordnung zum Nachteil der Fischer von der Oberfinanzdirektion Kiel enger ausgelegt wird als vom Bundesfinanzministerium, daß die Besatzungen also auch dann vom ab; gabenfreien Schiffsbedarf ausgenommen sind, wenn sie nicht in den Heimathafen, wohl aber ins Zollgebiet zurückkehren? Billigt die Bundesregierung das in Frage III/4 geschilderte Verfahren der Oberfinanzdirektion Kiel, das grundsätzlich alle von kürzeren Fangreisen in das Zollgebiet zurückkehrenden Fischer von der möglichen Abgabenbefreiung ausnimmt? 1198 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 25. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. März 1966 Die Praxis der Oberfinanzdirektion Kiel entspricht der Rechtslage. Mund- und Schiffsvorrat auf Fischereifahrzeugen ist nicht zollfrei, wenn die Schiffe nach den üblichen kurzen Fangreisen ins Zollgebiet zurückkehren (vgl. § 44 Abs. 4 der Allgemeinen Zollordnung). Dabei ist es gleichgültig, ob bei der Rückkehr der Heimathafen des Schiffes oder ein anderer Hafen angelaufen wird. Der Grund für diese Regelung liegt darin, daß die Besatzungen die Fischereifahrzeuge nach ihrer Rückkahr ins Zollgebiet in aller Regel verlassen, und zwar meist auch dann, wenn ein anderer als der Heimathafen angelaufen wird; es besteht daher kein Anlaß, Mund-und Schiffsvorrat an Bord der Schiffe zollfrei zu lassen. Diese Regelung besteht schon seit Jahrzehnten. Sie wird in der angegebenen Weise von: allen Oberfinanzdirektionen an der Küste praktiziert. Anders lautende Weisungen meines Hauses sind nicht ergangen.
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502500000
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 2. März 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Fellermaier, Dr. Schmidt (Gellersen), Frehsee, Porzner und Genossen (Drucksache V/291) betr. Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/357 verteilt.
Wir kommen zum ersten Punkt der Tagesordnung: Fragestunde

(Drucksachen V/339, V/340)

Ich rufe zunächst die Frage V/1 des Abgeordneten Reichmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die erfolgreiche Durchführung von Flurbereinigungen in den westlichen Grenzgebieten durch ehemalige Kampfanlagen bzw. Ruinenbunker vielfach verhindert wird?
Bitte, Herr Minister!
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Ich bitte um Einverständnis, auch ,die beiden nächsten Fragen des Herrn Kollegen Reichmann in meine Antwort einbeziehen zu dürfen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502500100
Einverstanden. Ich rufe dann noch die Fragen V/2 und V/3 des Abgeordneten Reichmann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Beseitigung von ehemaligen Kampfanlagen und Ruinenbunkern in den Gemeinden vorrangig finanziell zu unterstützen, welche Flurbereinigungen durchführen?
Bis zu welchem Zeitpunkt können gegebenenfalls die in Frage V/2 genannten Gemeinden mit entsprechender Unterstützung rechnen?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Zu der Frage der Beseitigung der ehemaligen Westwallanlagen habe ich in der Fragestunde am 16. Februar dieses Jahres ausführlich Stellung genommen. Hiernach ist eine Beseitigung solcher Anlagen vorgesehen, die die Belange der Allgemeinheit beeinträchtigen. Dies kann, worauf ich in meiner Antwort in der Fragestunde am 16. Februar 1966 besonders hingewiesen habe, bei Flurbereinigungsverfahren der
Fall sein. Soweit die Beseitigung von Bunkern, die 1962 in das Auswahlprogramm nicht aufgenommen worden sind, infolge der Durchführung von Flurbereinigungsverfahren notwendig wird, können diese dann beseitigt werden, wenn entweder auf die Beseitigung von im Jahre 1962 ausgewählten Bunkern verzichtet werden kann oder mir zusätzliche Mittel für die Beseitigung zugewiesen werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502500200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0502500300
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß im Rahmen der Flurbereinigung der Gemeinde Diersheim bei Kehl, wo die Bunkerbeseitigung besonders vordringlich ist, diese trotzdem abgelehnt wurde?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Die Angelegenheit Diersheim ist mir bekannt. Es handelt sich dort um acht Bunker; in den benachbarten Gemeinden Neumühl und in Odelshofen sind es zwölf bzw. neun Bunker. Sie wurden 1962 nicht zur Beseitigung ausgewählt. Durch das inzwischen eingeleitete Flurbereinigungsverfahren in Diersheim und eine Bachregulierung ist dort eine neue Lage entstanden. Ich bin auch in diesem Falle bereit, die im Jahre 1962 getroffene Auswahl zu ändern, 'wenn entweder auf die Beseitigung ausgewählter Bunker verzichtet wird oder zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen. Für Diersheim kommt ein Betrag von 71 000 DM in Frage und für Neumühl und Odelshofen ein Betrag von insgesamt 328 000 DM. Sie sehen also, es sind keine kleinen Beträge.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502500400
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Reichmann.

Martin Reichmann (FDP):
Rede ID: ID0502500500
Herr Minister, wären Sie bereit, den besonders dringlichen Fall in Diersheim zu berücksichtigen, weil im Zuge der Flurbereinigung die Beseitigung der Trümmerreste ganz besonders zweckmäßig ist?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Ich will tun, was möglich ist. Aber ich muß noch einmal darauf hinweisen, daß die Mittel begrenzt sind und daß versucht werden muß, eine Änderung der Auswahl im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen des Landes zu erreichen. Dies will ich gern prüfen.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502500600
Herr Abgeordneter Josten zu einer Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0502500700
Herr Minister, Sie erwähnten vorhin das Auswahlprogramm. Darf ich Sie fragen, ob bei diesem Auswahlprogramm für die einzelnen Bundesländer bestimmte Beträge im kommenden Jahr vorgesehen sind, aus denen man ersehen kann, wieweit die Beseitigung von ehemaligen Bunkern bzw. Kampfanlagen vorgenommen werden kann.
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Kollege Josten, wir sind in den Mitteln begrenzt. Der Haushaltsausschuß hatte sich damals festgelegt und einen Betrag von insgesamt 26,8 Millionen DM bis einschließlich 1965 zur Bunkerbeseitigung zur Verfügung gestellt.
Ich muß erneut betonen, was ich bereits in der Fragestunde im Februar gesagt habe: wir haben 20 000 Bunker, 184 km Höckerlinie und 36 km Panzergräben; bis 1965 wurden 2200 Bunker und 10 km Höckerlinie beseitigt; dafür wurde der Betrag von 26,84 Millionen DM ausgegeben. Es ist uns völlig unmöglich, alle Anlagen zu beseitigen. Das würde nach früheren Berechnungen mindestens 400 Millionen DM kosten. Deshalb sollten wir bei sparsamem Umgang mit den Steuergeldern nur dort Bunker beseitigen, wo es dringend erforderlich ist. Ich gebe nun zu ,daß sich seit der Auswahl in manchen Gegenden die Lage im Laufe der letzten Jahre verändert hat und aus diesem Grunde eine Überprüfung in einzelnen Fällen notwendig sein wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502500800
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0502500900
Herr Minister, sind Sie bereit, mir in Ihrem Ministerium eine schriftliche Aufstellung machen zu lassen, in der der geschätzte finanzielle Bedarf für die Beseitigung ehemaliger Kampfanlagen in Rheinland-Pfalz, nach den Kreisen geordnet, angegeben ist und auch die bisherigen Leistungen des Bundes bis Dezember 1965 aufgezeichnet sind?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Kollege Josten, ich habe die Globalzahlen hier schon genannt. Wenn Sie Auskünfte über einzelne Gebiete wünschen, bin ich selbstverständlich auch dazu bereit.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502501000
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf, die Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann gestellt hat:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, um sich an einer Aktion zur Linderung der Hungersnot in Indien zu beteiligen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502501100
Herr Präsident, ich darf auf die Frage des Herrn Abgeordneten folgendes antworten. Ebenso wie eine Reihe von Regierungen anderer Staaten hat auch die Bundesregierung beschlossen, sich an der weltweiten Aktion zur Linderung der Hungersnot in Indien zu beteiligen. Während die indische Regierung an die klassischen landwirtschaftlichen Überschußländer vor allem wegen der Lieferung von Nahrungsmitteln herangetreten ist, hat sie die Bundesregierung in erster Linie um die Lieferung von Düngemitteln gebeten. Die landwirtschaftlichen Überschußländer haben inzwischen umfangreiche Nahrungsmittellieferungen zugesagt, wobei allein die USA neben ihren laufenden, sehr beträchtlichen Getreidelieferungen die sofortige Lieferung von zusätzlichen 1,5 Millionen t Weizen angeboten haben.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände und in Übereinstimmung mit den speziellen Wünschen der indischen Regierung hat die Bundesregierung in erster Linie solche Maßnahmen vorgesehen, die die Ernährungslage Indiens in Bälde erleichtern und gleichzeitig auch längerfristige Auswirkungen haben sowie außerdem das bisherige deutsche Entwicklungsprogramm auf landwirtschaftlichem Gebiet sinnvoll ergänzen.
Im einzelnen sind folgende Maßnahmen beabsichtigt: Erstens die Lieferung von Düngemitteln im Werte von 12 Millionen DM. Zweitens wird das sehr erfolgreiche Projekt Mandi, das eine landwirtschaftliche Beratung mit der Lieferung landwirtschaftlicher Produktionsmittel kombiniert, auf die Nachbardistrikte Sirmur und Kangra erweitert; ferner wird im Staate Madras in den Nilgiris ein zweites, ähnliches Produktionsmittelvorhaben unverzüglich in Angriff genommen. Darüber hinaus ist vorgesehen, ein zusätzliches Produktionsmittelvorhaben in Zusammenarbeit mit der FAO durchzuführen. Es ist beabsichtigt, diese Programme auch in den nächsten Jahren fortzusetzen. Das dritte ist ein Geschenk von Milchpulver. Der Gesamtwert der seitens der Bundesregierung beabsichtigten Soforthilfe für Indien beträgt etwa 24 Millionen DM. Die Bundesregierung ist in ständiger Verbindung mit der indischen Regierung, den westlichen Geberländern und der FAO, um eine gute Durchführung ihrer Maßnahmen sicherzustellen.
Wie der Bundesregierung bekannt ist, beabsichtigen auch die Kirchen in Deutschland, namhafte Beträge für die Linderung der Hungersnot zur Verfügung zu stellen. Auch läuft eine Aktion des deutschen Ausschusses für den Kampf gegen den Hunger in der Welt, um das Verständnis der deutschen Bevölkerung für dieses Problem zu wecken und zu einer Zusammenarbeit mit den anderen Nationen zur Lösung dieses Problems aufzurufen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502501200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0502501300
Herr Staatssekretär, betrachtet die Bundesregierung ihre Düngemittelaktion nur als sozusagen einmaligen Beitrag in die-



Kahn-Ackermann
ser Situation, oder ist daran gedacht, diese Aktion wegen des vorläufig noch bestehenden strukturellen Mangels an Düngemitteln und wegen der Wiederholungsgefahr möglicherweise auf mehrere Jahre fortzusetzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502501400
Es ist an eine Fortsetzung der Aktion auf sicherlich mehrere Jahre gedacht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502501500
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen auf, zunächst Frage XIV/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) :
Ist die Bundesregierung der Empfehlung des im Auftrage des Bundesgesundheitsministeriums erstellten Fluglärmgutachtens vom Mai 1965 gefolgt und hat eine ständige wissenschaftlich-technische Kommission zur Beratung in Fluglärmfragen (nach englischem und holländischem Vorbild) und zur Planung und Koordinierung von Fluglärmminderungsmaßnahmen gebildet?
Bitte, Frau Minister!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502501600
Die Bundesregierung hält es mit den Gutachtern, die das Fluglärmgutachten erstattet haben, für notwendig, wissenschaftlich-technisch durch Sachverständige beraten zu werden. .Deshalb wurde der Ausschuß Fluglärm im Luftfahrtbeirat des Verkehrsministeriums neu konstituiert. Dem Ausschuß gehören neben Vertretern der Luftfahrtmedizin, von Organisationen der Luftfahrttechnik und der Verkehrsflughäfen auch die Verfasser des Göttinger Fluglärmgutachtens an, um die Bundesregierung wissenschaftlich-technisch zu beraten. Der Ausschuß wird sich vordringlich mit der Auswertung des Fluglärmgutachtensbefassen und der Bundesregierung Vorschläge machen, welche Folgerungen gezogen und welche Maßnahmen nach diesem Gutachten zum Schutz der Bevölkerung getroffen werden sollen. An den Sitzungen des Ausschusses nehmen die Bundesminister für Verkehr, für Verteidigung und für Gesundheitswesen teil.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502501700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Offenbach).

Dr. Horst Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502501800
Hat der Ausschuß schon seine praktische Arbeit aufgenommen, Frau Ministerin?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502501900
Die Neukonstituierung ist gerade erfolgt.

Dr. Horst Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502502000
Wäre es möglich, daß Sie bei entscheidenden Ergebnissen das Hohe Haus über diese Ergebnisse unterrichten können, vielleicht besonders die. Mitglieder des Ausschusses für Gesundheitswesen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502502100
Das ist durchaus möglich. Vielleicht geben Sie von sich aus eine Anregung, daß ich Ihnen dann einen Bericht darüber gebe.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502502200
Herr Abgeordneter Cramer, eine Zusatzfrage.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0502502300
Frau Ministerin, werden Sie in Ihre Untersuchung offiziell auch den Lärm mit einbeziehen, der durch die Düsenjäger entsteht?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502502400
Selbstverständlich.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502502500
Herr Abgeordneter Dr. Bechert, eine Zusatzfrage.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) : Frau Ministerin, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die ausländischen Fluggesellschaften, die deutsche Flughäfen anfliegen, das technisch und organisatorisch Mögliche getan und erreicht haben, um den Fluglärm möglichst gering zu halten?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502502600
Herr Kollege, ich möchte die Arbeitsresultate dieses Ausschusses nicht vorwegnehmen, indem ich jetzt ja oder nein sage; das werden Sie verstehen. Das ist gerade die Frage, mit der wir uns zu beschäftigen haben. Ich bin aber ganz mit Ihnen einig, daß es eine sehr wichtige Frage ist, die nachgeprüft werden muß, ob wirklich alles Notwendige geschieht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502502700
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) : Darf ich darauf aufmerksam machen, daß in dem sogenannten Göttinger Gutachten der Überschallflugverkehr nicht behandelt ist, darin also auch keine Vorschläge dazu vorhanden sind, außer möglichst großer Flughöhe und dergleichen, um diesen besonders großen Fluglärm, der sich ja in dem bekannten donnerähnlichen Knall äußert, möglichst gering zu halten.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502502800
Herr Kollege, Sie wissen sicher aus unserer vergangenen Arbeit in der letzten Legislaturperiode, welch große Aufmerksamkeit gerade mein Haus dem Überschallflugverkehr zuwendet, und dies werden wir durchaus fortsetzen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502502900
Ich rufe die Frage XIV/2 des Herrn Abgeordneten Büttner auf:
Welche weiteren Schritte hat die Bundesregierung nach der in der Fragestunde des Bundestages am 11. Dezember 1964 erteilten Auskunft unternommen, um eine Neuregelung der Rechtsverhältnisse für die nebenberuflich tätigen Fleischbeschauer herbeizuführen?
Bitte, Frau Ministerin!




Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502503000
Die Arbeiten an einer Neuregelung der Rechtsverhältnisse der nebenberuflich tätigen Fleischbeschauer und Trichinenbeschauer sind fortgesetzt worden. Sie haben aber noch zu keinem endgültigen Gesetzentwurf führen können. Das hängt damit zusammen, daß die verschiedenen neuen höchstrichterlichen Entscheidungen uns dazu gezwungen haben, die in Betracht kommenden Berufsverbände noch einmal auf Grund der Lage, die diese Entscheidungen geschaffen haben, zu befragen. Die Antworten sind erst im Laufe des Dezember vollständig gewesen. Wir haben im März wieder eine Beratung mit den obersten Landesveterinärbehörden vorgesehen, und wir werden dann, sobald es möglich ist, einen Entwurf erstellen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502503100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büttner.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0502503200
Frau Ministerin, darf ich Sie fragen, was konkret außer den vorgesehenen Besprechungen geschehen ist.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502503300
Herr Kollege, es handelt sich da um eine recht komplizierte Frage, bei der wir gesetzgeberisches Neuland zu betreten haben. Die Angelegenheit muß erst einmal so geklärt werden, daß wir zu einem Gesetzentwurf kommen können. Etwas Konkreteres als den Gesetzentwurf können wir nicht vorlegen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502503400
Eine weitere Frage.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0502503500
Frau Ministerin, darf ich, weil ich die gleiche Antwort schon im Dezember 1964 bekommen habe, Sie fragen: Haben Sie die Vertreter der Länder und vor allen Dingen auch die Organisationen der Fleischbeschauer zu dieser Frage gehört, um in Gesprächen mit den Sachverständigen die Schwierigkeiten zu erörtern, und sind Ihnen von diesen Stellen konkrete Vorschläge zur Lösung gemacht worden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502503600
Selbstverständlich haben wir das getan, was ich Ihnen soeben gesagt habe. Bei einer neuen Überprüfung der Lage, die auf Grund der neuen Rechtslage infolge der höchstrichterlichen Entscheidungen entstanden war, haben wir uns mit all diesen Stellen in Verbindung gesetzt und deren Meinungen erfragt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502503700
Frage XIV/3 des Herrn Abgeordneten Büttner:
Aus welchem Grunde ist eine Ergänzung des § 4 des Fleischbeschaugesetzes vom 29. Oktober 1940 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes vom 15. März 1960 in der von mir vorgeschlagenen Form nicht erfolgt, obwohl das Gesetz inzwischen geändert worden ist?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502503800
Das Fleischbeschaugesetz wurde im Jahre 1965 nur insoweit geändert, als es die EWG-Richtlinie „Frisches Fleisch" vom 26. Juni 1964
erforderte. Für diese Rechtsangleichung stand nur die verhältnismäßig kurze Zeit von 12 Monaten zur Verfügung. Diese kurze Frist zwang uns dazu, die anderen, noch nicht ausreichend geklärten Fragen zurückzustellen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502503900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büttner.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0502504000
Frau Ministerin, darf ich fragen, welche Meinung in Ihrem Hause vorherrscht: will man der arbeitsrechtlichen Regelung oder dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis den Vorzug geben?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502504100
Herr Kollege, ganz genau das ist die Frage, um die es geht. Es geht um das Problem — wir haben dafür kein Vorbild —, die Rechtsstellung eines Berufsstandes zu klären, der auf der einen Seite freiberuflich tätig ist und auf der anderen Seite eine notwendige öffentlich-rechtliche Aufgabe erfüllt. Solange wir nicht die Meinung aller Beteiligten zu diesem Problem wirklich geprüft haben, kann ich Ihnen eine 'Antwort auf die Frage, welche Ansicht mein Haus vertritt, nicht geben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502504200
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Büttner.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0502504300
Frau Ministerin, seit wann lagen die höchstrichterlichen Entscheidungen, die Sie angezogen haben, vor? Lagen sie nicht auch schon im Dezember 1964 vor?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502504400
Sie sind Ende 1964 ergangen. Anfang 1965 haben wir die Fragen an die Organisationen und die beteiligten Stellen gerichtet, und Ende 1965 waren die Antworten vollständig.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502504500
Frage XIV/4 des Herrn Abgeordneten Büttner:
Wenn eine endgültige Regelung entsprechend Frage XIV/2 noch nicht möglich war, welche wichtigen Gründe standen dem entgegen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502504600
Ich glaube, diese Frage ist zum großen Teil bereits dadurch beantwortet, daß ich versucht habe, Ihnen die Schwierigkeiten bei der Lösung des Problems darzustellen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502504700
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Büttner.

Fritz Büttner (SPD):
Rede ID: ID0502504800
Frau Ministerin, Sie haben also sowohl die Ländervertreter als auch die Berufsorganisationen gehört, und die Antworten der geannten Stellen sind Ihnen erst im Dezember 1965 zugegangen?




Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502504900
Die letzten Antworten! Ein Teil der Stellen hat schon im Laufe des Jahres geantwortet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502505000
Frage XIV/5 des Abgeordneten Dr. Bechert (Gau-Algesheim) :
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu bewirken, daß die Bestimmungen des deutschen Lebensmittelrechts über die Angabe von Zusatzstoffen besser eingehalten werden als jetzt, wo der Verbraucher kaum noch in Lebensmittelgeschäften oder Gaststätten Angaben darüber findet, welche Fremdstoffe sich in angebotenen Lebensmitteln befinden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502505100
Herr Kollege, Ihre Frage setzt einen Kausalzusammenhang voraus, der in dieser Allgemeinheit nicht gegeben ist. Ziel des Lebensmittelgesetzes war es ja nicht, daß es möglichst viele Kennzeichnungen gibt, sondern daß es möglichst wenig Fremdstoffe gibt. Die Abnahme der Kennzeichnungen auf Lebensmittelpackungen ist in der Hauptsache auf den Rückgang der Verwendung kennzeichnungspflichtiger Stoffe zurückzuführen, nicht auf eine Laxheit in der Durchführung der Kennzeichnungsbestimmungen. Das ist eine günstige Wirkung des Lebensmittelgesetzes. Zum Beispiel sind viele Gaststätten dazu übergegangen, nur noch Speisen anzubieten, die keine kennzeichnungspflichtigen fremden Stoffe enthalten. Das soll nicht ausschließen, daß eine Überwachung in bezug auf die Durchführung der Kennzeichnungsbestimmungen nach wie vor notwendig ist. Das ist Sache der Länderbehörden. Ich glaube, die Bundesgesetze, für die wir hier verantwortlich sind, bieten eine ausreichende Handhabe, um gegen Verstöße vorzugehen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502505200
Eine Zusatzfrage.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) : Frau Ministerin, ist die Bundesregierung bereit, auch dem Umstand Aufmerksamkeit zu widmen, daß auch aus der Verpackung Fremdstoffe in Lebensmittel einwandern können, wie das z. B. bei den durchsichtigen Hüllen, die für Käse und für Schinken verwendet werden, der Fall sein kann, wo chemisch aggressive Stoffe, die sogenannten Weichmacher, vorhanden sind, die erwiesenermaßen einwandern können und die wahrscheinlich gesundheitlich keineswegs unbedenklich sind?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502505300
Herr Kollege, im Bundesgesundheitsamt werden alle diese Verpackungsstoffe nachgeprüft, und wir benachrichtigen die Länder über die Ergebnisse dieser Prüfungen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502505400
Eine weitere Frage.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD): Frau Ministerin, ist der Bundesregierung bekannt, daß in den mit dem Namen „Jaffa" gekennzeichneten Zitrusfrüchten mitunter — wie nachgewiesen ist - auch Arsen enthalten ist und daß Arsen auch in die Früchte einwandert?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502505500
Sofern dies der Fall ist, widerspricht es dem Lebensmittelgesetz, und es ist Sache der Länderbehörden, hier einzuschreiten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502505600
Bitte, Frau Dr. Hubert, eine Zusatzfrage.

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0502505700
Sieht das Bundesgesundheitsministerium eine Möglichkeit, daß wir von den Ländern einmal Auskunft darüber bekommen, inwieweit der sehr auffällige Rückgang der Kennzeichnungen wirklich darauf zurückzuführen ist, daß so viel weniger Fremdstoffe benutzt werden, oder ob da in der letzten Zeit nicht doch auch eine gewisse Lässigkeit eingerissen ist? Halben Sie da bestimmte Unterlagen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502505800
Nach den Angaben der Länder ist es so, daß, wie ich gesagt habe, in der Hauptsache ein sehr starker Rückgang der Verwendung von kennzeichnungspflichtigen Fremdstoffen die Ursache ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502505900
Bitte, Herr Dr. Rinderspacher!

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0502506000
Frau Ministerin, ist das Bundesgesundheitsamt in der Lage und bereit, auch wirklich zu kontrollieren, ob die Länder ihre Pflicht zur Kontrolle erfüllen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502506100
Herr Kollege, es ist nicht Aufgabe des Bundesgesundheitsamtes, die Länder- und Gemeindebehörden zu kontrollieren.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502506200
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Rinderspacher.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0502506300
Frau Ministerin, sind Sie der Meinung, daß es genügt, wenn der Bund ein Gesetz macht und es dann den Ländern überläßt, mit welcher Gründlichkeit sie das Gesetz durchführen wollen oder nicht?'

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502506400
Herr Kollege, ich würde gern mit der Gegenfrage antworten, wie Sie es auf Grund unseres Grundgesetzes einrichten möchten, die Länder von seiten des Bundes zu kontrollieren.

(Beifall bei der CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502506500
Ich rufe die Frage XIV/6 des Abgeordneten Dr. Bechert (Gau-Algesheim) auf:
Trifft es zu, daß nur etwa 40 A der für die Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln verwendeten Stoffe so weit untersucht sind, daß eine für den Menschen nach heutiger Kenntnis unschädliche Dosis angegeben werden kann?




Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502506600
Herr Kollege, die angegebenen Verhältniszahlen werden ungefähr zutreffend geschätzt sein. Ich darf zur Ergänzung sagen, daß es etwa 200 wirksame Substanzen gibt, die für die Schädlingsbekämpfung technisch geeignet sein mögen. Aus ihnen bestehen die Mittel, die im Handel unter unzähligen — man sagt, mehr als tausend -Phantasiebezeichnungen umlaufen. Der Entwurf der Verordnung über duldbare Höchstmengen ihrer Reste auf Lebensmitteln, der jetzt fertiggestellt ist und in kürzester Zeit dem Bundesrat zugehen wird, enthält für 73 dieser Substanzen die Festsetzung voll sehr niedrigen Restmengen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502506700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) : Frau Ministerin, wird die Bundesregierung dafür sorgen, daß solche — wie ich sie in meiner ersten Frage genannt habe — nicht hinreichend untersuchten Stoffe nicht zur Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln verwendet werden dürfen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502506800
Eine ganze Reihe von Stoffen sind bereits verboten, und wir sind selbstverständlich daran, durch Untersuchungen des Bundesgesundheitsamts, aber auch durch Aufträge an einzelne Wissenschaftler und Institute alle diese Stoffe, die verwandt werden, untersuchen zu lassen, um die Höchstmengenverordnung, die ja eine Verordnung ist und ständig ergänzt werden kann, auf dem laufenden zu halten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502506900
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) : Frau Ministerin, darf ich fragen, ob auch Endrin und Präparate, in denen Endrin verwendet wird, verboten sein werden, da Endrin ja nach amtlicher amerikanischer Feststellung für die Wasserversorgung gefährlich sein kann.

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502507000
Herr Kollege, unser Verordnungsentwurf enthält ein Verbot für diese Stoffe.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502507100
Dann rufe ich die Frage XIV/7 des Abgeordneten Dr. Bechert auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag oder dem Ausschuß für Gesundheitswesen Bericht darüber zu geben, was sich bei der Untersuchung des Gehalts der Luft und von Nutzpflanzen an Blei und krebserregenden Stoffen wie Benzpyren in der Nähe von vielbefahrenen Autostraßen, besonders von verkehrsreichen Straßenkreuzungen, ergeben hat?
Bitte, Frau Minister!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502507200
Untersuchungen über den Gehalt an Blei und krebserregenden Stoffen, die Luft und Pflanzen in der Nähe verkehrsreicher Straßen aufweisen, werden in Deutschland und im Ausland
durchgeführt. Ich lasse im Augenblick entsprechende Untersuchungen in Frankfurt, Berlin und Düsseldorf anstellen. Bisher liegen nur Teilergebnisse vor, die kein abschließendes Urteil erlauben. Ich bin gern bereit, Ihnen über die bisher vorliegenden Ergebnisse eine Mitteilung zu machen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502507300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD) : Frau Ministerin, wird die Bundesregierung alsbald gesetzliche Maßnahmen vorschlagen, welche eine ausreichende Entgiftung solcher Abgase von Verbrennungsmotoren wie Kraftfahrzeugmotoren, Ölmotoren usw. bewirken?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502507400
Herr Abgeordneter, ich glaube auch auf Grund der Verhandlungen, die zwischen meinem Hause und dem Verkehrsministerium schweben, diese Frage bejahen zu können.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502507500
Eine weitere Frage des Herrn Abgeorneten Dr. Bechert.
Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (SPD): Erwägt die Bundesregierung — ich weise auf meine erste Frage hin — im Zusammenhang mit dem nachgewiesenen Vorkommen von Blei und krebserregenden Stoffen in der Nähe von vielbefahrenen Autostraßen, einen Sicherheitsstreifen von einigen hundert Metern Breite in der Nähe solcher Straßenkreuzungen vorzuschreiben, wie das ja in den Vereinigten Staaten erwogen wird?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502507600
Das ist ein guter Gedanke. Sie wissen, daß im Augenblick ziemlich viele Straßen oder jedenfalls Autobahnen einen Sicherheitsstreifen erhalten. Die Frage selbst müßte aber an den Herrn Verkehrsminister gerichtet werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502507700
Ich rufe die Fragen XIV/8 und XIV/9 des Abg. Geiger auf:
Trifft es zu, daß die von der Bundesregierung geplante neue Bundespflegesatzverordnung für die Träger der sozialen Krankenversicherung eine jährliche Belastung von etwa 1,8 Milliarden DM bringen wird?
Welche Auswirkungen wird die vorgesehene Erhöhung der Pflegesätze auf die Beiträge der Krankenkassen haben?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Frau Dr. Schwarzhaupt vom 16. Februar 1966 lautet:
Es ist richtig, daß die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger die erwarteten Mehraufwendungen für Krankenhauspflege nach der von uns vorgelegten Änderung der Pflegesatzverordnung auf bis zu 1,85 Milliarden DM angegeben haben. Die von meinem Haus angestellten Schätzungen liegen wesentlich darunter, und zwar zwischen 500 und 600 Millionen DM. Dieser Unterschied erklärt sich im wesentlichen daraus, daß in meinem Hause von erheblich geringeren Bettenwerten und einem niedrigeren Abschreibungssatz ausgegangen wird.
Unter der Voraussetzung, daß die Mehreinnahmen durch die Anhebung der Pflichtgrenzen die bisher geschätzten 2,3 Milliarden DM erreichen, können nach unseren Berechnungen die Sozialversicherungsträger die Mehraufwendungen aus den Mehreinnahmen decken. Eine Erhöhung der Pflichtversicherungsbeiträge wäre danach nicht nötig.



Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe dann die Fragen XIV/10 und XIV/11 des Abgeordneten Dr. Tamblé auf:
Hält die Bundesregierung die von ihr zur Verfügung gestellten Mittel für die Krebsforschung für ausreichend?
Gedenkt die Bundesregierung, Schlußfolgerungen aus der auf dem Münchener Krebsforschungskongreß 1966 gegebenen Darstellung zu ziehen, daß in den USA ein einziges Krebsforschungsinstitut über einen Etat von 120 Millionen DM verfüge, während die Bundesrepublik für die Krebsforschung jährlich nur 4,5 Millionen DM aufbringe?
Bitte, Frau Minister!

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502507800
Herr Kollege, ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Ihre beiden Fragen zusammen beantworten.
Ich möchte vorausschicken, daß die Mittel für Zwecke der Krebsforschung im Grunde genommen nie und nirgends genug sind. Ich weiß aber nicht, welche Berechnung der Angabe zugrunde liegt, daß in der Bundesrepublik für die Krebsforschung ,jährlich nur ein Betrag von 4,5 Millionen DM aufgebracht werde. Diese Angabe ist in dieser Form unzutreffend. Es besteht aber auch nach meiner Auffassung kein Zweifel, daß die Krebsforschung in der Bundesrepublik einer verstärkten Förderung bedarf.
Ich darf vielleicht auf folgendes hinweisen. Krebsforschung ist ja nicht eine selbständige Wissenschaft mit einem abgegrenzten Forschungsbereich, sondern es sind sehr viele Wissenschaftszweige daran beteiligt. Da sind beteiligt die Pathologie, die Forschung am Krankenbett, die Epidemiologie, die Immunologie, die Genetik, die Biologie, die Physik und die
Chemie. Dazu kommt, daß in unserem Lande in den verschiedenen Ländern und in verschiedenen Universitätsinstituten fast durchweg auch Krebsforschung betrieben wird, so daß man die Summen, die hierfür verwandt werden, gar nicht ohne weiteres in einer Zahl nennen kann.
Schließlich darf ich darauf hinweisen, daß der Bund in den Jahren 1964 und 1965 insgesamt 6,5 Millionen DM für die Errichtung der ersten Betriebsstufe des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg aufgewandt hat. Das sind zwei Drittel der gesamten Bausumme. Ein Drittel der Baukosten wird von dem Land Baden-Württemberg getragen. Der Wissenschaftsrat empfiehlt, in diesem Jahr 3,5 Millionen DM für den weiteren Bau des Zentrums zur Verfügung zu stellen.
Für die laufenden Betriebskosten haben wir im Jahr 1965 1 Million DM ausgegeben. Für 1966 ist vorgesehen, daß der Bund die Hälfte der Betriebskosten übernimmt. Dafür sind 2 Millionen DM eingeplant. Das Land Baden-Württemberg wird die andere Hälfte übernehmen. Es geschieht also schon einiges auf diesem Gebiet.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502507900
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Tamblé.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502508000
Frau Ministerin, es geht mir doch mit meiner Frage vor allen Dingen darum, einmal festzustellen, welche Mittel von seiten des Bundes für die Krebsforschung im Jahre 1966 zur Verfügung gestellt werden, und nicht darum, welche
Mittel in der Vergangenheit zur Verfügung gestellt worden sind und welche Mittel von Länderseite zur Verfügung gestellt werden. Können Sie mir eine konkrete Zahl sagen, welche Bundesmittel für den von mir angeführten Zweck in diesem Rechnungsjahr zur Verfügung gestellt werden?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502508100

(beschäftigen. Ich kann Ihnen die Gesamtzahl-im Augenblick nicht aus dem Handgelenk nennen. Ich werde sie Ihnen aber gern schriftlich mitteilen. Ich rufe dann noch die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen auf Drucksache V/340 auf, zunächst die Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung, daß die Zahl der freiberuflichen Hebammen, die seit 1952 um rund 40 % abgenommen hat, allein im Jahre 1965 um 500, das sind mehr als 8 %, zurückgegangen ist? Bitte, Frau Ministerin. Herr Kollege Hamm, die Bundesregierung beobachtet mit größter Aufmerksamkeit, daß die Zahl der freiberuflich tätigen Hebammen in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Auf entsprechende Anfragen meines Hauses, zuletzt im September 1965, an die obersten Landesgesundheitsbehörden, die dieser Frage ja unmittelbar nahestehen, ist bisher erwidert worden, daß die Abnahme der Zahl der freiberuflich tätigen Hebammen durch die Zunahme der Anstaltsentbindungen ausgeglichen werde und daß die Versorgung der Bevölkerung mit Hebammenhilfe nach wie vor als ausreichend zu bezeichnen sei. Ich kann mich hier nur auf die Berichte der Länder berufen. Bitte, Herr Dr. Hamm! Frau Ministerin, trifft es zu, daß bei einer Abnahme von rund 40 % bei den freiberuflichen Hebammen bei einer Ausgangszahl von 10 000 die Zahl der Anstaltshebammen nur um 1800 zugenommen hat, was trotz der rationelleren Entbindungsmöglichkeit im Krankenhaus meinem Dafürhalten nach gravierend ist? Diese Zahl kann stimmen. Eine weitere Frage. Frau Ministerin, wie beurteilen Sie diesen besonders rapiden Rückgang bei den freiberuflichen Hebammen im Jahre 1965? Herr Kollege, Sie wissen, daß wir uns durchaus bemühen, durch eine Verbesserung der Arbeitsund Bezahlungsbedingungen der Hebammen dafür zu sorgen, daß dieser Rückgang nicht zu einer gesundheitspolitisch bedrohlichen Situation führt. Wir meinen auch, daß gerade die Änderung der Reichsversicherungsordnung — der Rechtsanspruch auf Hilfe während der Schwangerschaft — neue Aufgaben für die Hebammen entstehen läßt und daß wir schon aus diesem Grunde den Hebammenstand unterstützen müssen. Herr Dr. Schmidt Frau Ministerin, ich möchte Sie fragen, ob Sie die Feststellung des Vertreters Ihres Ministeriums auf der letzten Hebammentagung im Februar 1966 in Frankfurt am Main teilen, daß in erster Linie die Länder für die Misere dieses Berufsstandes verantwortlich seien, weil sie mit den Mindesteinkommensgrenzen nicht nachzögen. Ich war bei dieser Sitzung nicht dabei und kenne den Wortlaut der Äußerung meines Mitarbeiters nicht. Ich muß aber sagen, daß sicher die Länder eine ganz große Verantwortung dabei haben. Wir haben zwar die einzelnen Gebühren in der Gebührenordnung festzusetzen, aber die Schwierigkeiten in der wirtschaftlichen Lage der Hebammen kommen ja daher, daß in weniger dicht besiedelten Gebieten und mit dem Vordringen der Anstaltsentbindung allein aus den Gebühren für die Einzelleistungen kein hinreichendes Einkommen erwächst, so daß das Mindesteinkommen eine steigende Bedeutung hat. Dies ist allerdings Sache der Länder. Eine weitere Frage. Meinen Sie nicht auch, daß man zunächst einmal die Gebühren, für die der Bund zuständig ist, anheben müßte, weil die heutigen Sätze nicht ausreichend sind, da sie ja nicht nur die Kosten für die Entbindung, sondern auch die zahlreichen Hausbesuche vor und nach der Entbindung beinhalten? Herr Kollege, wir haben bereits, ich glaube, im Jahre 1963 oder 1964, die Gebühren der Hebammen angehoben. Sie werden auch weiter überprüft werden müssen. Es wird in jedem Falle eine Änderung der Gebührenordnung nötig sein im Hinblick auf die Leistungen, die sich jetzt aus der Änderung der Reichsversicherungsordnung ergeben. Im Zusammenhang mit dieser Änderung müssen wir uns wiederum mit dem neuesten Stand der Gebühren beschäftigen. Ich rufe die Frage IV/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Hamm Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl freiberuflicher und angestellter Hebammen, die für eine geordnete Mutterschaftshilfe benötigt werden? Bitte, Frau Minister! Ich kann die Frage nicht beantworten, Herr Kollege. Denn es ist nicht vorauszusehen, in welchem Umfang die Frauen, die Kinder erwarten, Hebammenhilfe über das bisherige Maß hinaus, insbesondere Vorsorgeuntersuchungen durch die Hebamme; in Anspruch nehmen können. Wir müssen also erst ein wenig Erfahrung in der Auswirkung der Änderung der Bestimmungen haben, ehe wir Ihnen hier eine zahlenmäßige Antwort geben können. Aber Sie haben aus meinen bisherigen Antworten ersehen, daß ich diese Frage für sehr wichtig halte und erwarte, .daß wir uns auf ein Zunehmen der Leistungen der Hebammen einrichten müssen. Eine Zusatzfrage. Frau Ministerin, darf ich Ihre Antwort wenigstens so verstehen, daß Sie den rapiden Rückgang der Zahl der freiberuflichen Hebammen für gesundheitspolitisch bedenklich halten? Durchaus! Ich halte ihn gerade im Hinblick auf die Durchführung der Vorsorgeuntersuchungen und der Leistungen während der Schwangerschaft, die jetzt neu eingeführt worden sind, für eine bedenkliche Erscheinung. Ich rufe die Frage IV/3 des Abgeordneten Dr. Hamm Was hat die Bundesregierung getan, um den Berufsstand der Hebammen im gebotenen Umfang zu erhalten und für ausreichenden Nachwuchs zu sorgen? Die dritte Frage, Herr Kollege, ist wohl eigentlich beantwortet. Ich habe bereits ausgeführt, daß wir im Jahre 1963 die Gebührensätze angehoben haben. Wir haben eine Ausbildungsund Prüfungsordnung für Hebammen erlassen, die eine Verbesserung Ides Ausbildungsstandes der Hebammen mit sich bringt. Wir haben den Ländern empfohlen, bei der Ausbildung, die ja in deren Händen liegt, auf Lehrgangsgebühren zu verzichten und Ausbildungsbeihilfen sowie freie Unterkunft, Verpflegung und Berufskleidung zu gewähren. Wir haben den Ländern auch wiederholt empfohlen, das garantierte Mindesteinkommen zu erhöhen. Diesen Anregungen sind die Länder durchweg gefolgt. Im übrigen sagte ich ja bereits, daß wir die notwendige Anpassung der Gebühren an die Entwicklung des Preisstandes selbstverständlich überprüfen müssen und daß das im Zusammenhang mit der Änderung der Gebührenordnung, die durch die Änderung der Reichsversicherungsordnung erzwungen wird, erfolgen kann, Zu einer Zusatzfrage Herr Dr. Hamm. Frau Ministerin, Sind Sie mit mir der Meinung, daß, nachdem die Vorbildungsanforderungen für die Vollschwestern durch die im Normalfall verlangte mittlere Reife gehoben worden sind, diese Vorbildungsvoraussetzungen in das Hebammengesetz eingefügt werden müssen, um die Hebammen nicht noch weiter abfallen zu lassen? Herr Kollege, die Frage kann ich leider nicht bejahen. Der Schwesternberuf ist auch ein Mangelberuf. Hier konnten wir die Ausbildungsvoraussetzungen heben, indem wir zugleich den Beruf der Pflegehelferin geschaffen haben, zu dem die Volksschülerin Zugang hat. Die Volksschülerin von dem Beruf der Hebamme auszuschließen, würde ich im Augenblick für bedenklich halten. Eine weitere Zusatzfrage. Frau Ministerin, wann werden Sie im Zusammenwirken mit dem Minister für Arbeit und Sozialordnung die Frage der Gebühren der Hebammen klären, damit der Streit um das Mindesteinkommen seitens der Länder endlich etwas entschärft wird? Ich hoffe, daß das im Laufe dieses Jahres geschieht. Herr Dr. Rinderspacher zu einer Zusatzfrage. Frau Ministerin, Sie sagten vorhin, daß Sie im Februar dieses Jahres nicht bei dem Kongreß der Hebammen in Frankfurt waren. Ist Ihnen wie mir bekannt, daß Ihr Nichterscheinen bei den Hebammen großes Befremden erregt hat, und würden Sie an dieser Stelle die sicherlich sehr wichtigen Gründe dafür angeben, damit der Eindruck ausgeräumt wird, Sie persönlich hätten an diesem Berufsstand nicht das Interesse, das er verdient? Herr Kollege, dieser Eindruck ist völlig falsch. Ich stehe in einer so engen Verbindung mit der Leitung des Hebammenverbandes, auch mit Frau Spingborn, daß dieser Eindruck bestimmt nicht begründet ist. Vor nicht sehr langer Zeit waren die Vertreter des Verbandes persönlich bei mir. Nebenbei darf ich bemerken, daß auch meine Mitarbeiter in einer ständigen Verbindung mit der Vertretung der Hebammen stehen. — Ich konnte an diesem Tag nicht, Ich danke Ihnen, Frau Minister. Meine Damen und Herren, wir haben die Ehre, den Generalsekretär der Interparlamentarischen Union, Herrn de Blonay, als Gast in unserem Hause zu sehen. Ich darf ihn herzlich begrüßen. Der Deutsche Bundestag ist mit mehr als 70 anderen nationalen Parlamentariergruppen Mitglied der Interparlamentarischen Union. Wir wünschen Ihnen, Herr Generalsekretär, und Ihrer Organisation für die Erfüllung ihrer wichtigen völkerverbindenden Aufgabe vollen Erfolg. Ich hoffe, daß Sie (bei uns gute Eindrücke haben. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf Drucksache V/339. Zunächst rufe ich die Frage VII/1 des Abgeordneten Seibert auf: Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfange durch die Absetzung der Mineralölund der Kraftfahrzeugsteuer bei der Einkommenund Körperschaftsteuer Mindereinnahmen bei den beiden zuletzt genannten Steuern verursacht werden? Bitte, Herr Minister! Bitte erlauben Sie mir, daß ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Seibert, die in einem Sachzusammenhang stehen, gemeinsam beantworte. Einverstanden. Ich rufe zusätzlich die Frage VII/2 des Herr Abgeordneten Seibert auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die durch das in Frage VII/1 erwähnte Vorgehen bedingte Beeinträchtigung des gesamten Steueraufkommens nicht mit den Wirkungen in Einklang gebracht werden kann, die mit der Zweckbindung der Mineralölsteuer beabsichtigt werden? Ist der Herr Abgeordnete Seibert im Saal? — Die Frage wird von Herrn Albgeordneten Haar Zur Beantwortung der ersten Frage könnte man von den Mineralölund Kraftfahrzeugsteuern ausgehen, die von Lohn-, Einkommenund Körperschaftsteuerpflichtigen direkt — z. B. bei der Kraftfahrzeugsteuer — bzw. indirekt — im Preis für Kraftstoffe und ähnliches bei der Mineralölsteuer — gezahlt und von diesen dann als Werbungskosten oder Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden. Nach unseren Schätzungen — genauere statistische Angaben darüber liegen nicht vor — dürften im Jahre 1965 von dem Mineralölund Kraftfahrzeugsteueraufkommen entfallen auf Lohnsteuerbelastete für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 360 Millionen DM, auf Einkommenund Körperschaftsteuerbelastete für als Betriebsausgaben abzugsfähige Fahrten 5,2 Milliarden DM, zusammen also rund 5,5 Milliarden DM. Bei einem durchschnittlichen Spitzensteuersatz von 20 % bei der Lohnsteuer, 13 % bei der Gewerbesteuer und 35 bis 40 % bei der Einkommen-und Körperschaftsteuer lassen .sich — ich betone: Bundesminister Dr. Dahlgrün rein rechnerisch — folgende Steuermindereinnahmen ermitteln: bei der Lohnsteuer 70 Millionen DM, bei der Gewerbesteuer 680 Milionen DM und bei der Einkommenund Körperschaftsteuer 1,5 bis 1,8 Milliarden DM. Das macht zusammen 2,3 bis 2,6 Milliarden DM. Die Frage, ob diese Steuermindereinnahmen von 2,3 bis 2,6 Milliarden DM tatsächlich entstehen, läßt sich allerdings nicht ohne weiteres beantworten. Das ist nämlich — bei der Gewerbe-, Einkommenund Körperschaftsteuer — davon abhängig, ob die gezahlte Mineralölund Kraftfahrzeugsteuer von den betroffenen Unternehmen im Preis weitergegeben wird oder nicht. Geht man von der vollen Überwälzung der Mineralölund Kraftfahrzeugsteuer im Preis aus — Wissenschaft und Praxis sind überwiegend dieser Ansicht —, dann wird der Gewinn dieser Unternehmen nicht gemindert, so daß überhaupt keine Mindereinnahmen bei den Gewinnsteuern eintreten, sondern im Gegenteil — wegen der höheren steuerpflichtigen Umsätze — Umsatzsteuermehreinnahmen. Die zweite Frage darf ich dahin gehend beantworten,, daß die Bundesregierung die Auffassung nicht teilt, nach der die durch die Absetzung der Mineralölund Kraftfahrzeugsteuer bedingte Beeinträchtigung des Gesamtsteueraufkommens nicht mit den Wirkungen in Einklang gebracht werden kann, die mit der Zweckbindung der Mineralölsteuer beabsichtigt werden. Ich rufe die Fragen VII/3 und VII/4 des Herrn Abgeordneten Ott — die wohl in einem Zusammenhang stehen — auf: Ist es der Bundesregierung bekannt, daß bei den Finanzämtern erhebliche Arbeitsrückstände für Sparprämien bestehen, so daß diesmal am Jahresanfang etwa 30 % der Prämien überfällig waren? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregieiung einzuleiten, damit die Sparer, welche Sparprämie und Zinsen bei Freiwerden der Sperrfrist in Empfang nehmen können, gleichzeitig auch die dafür gutgeschriebene Prämie ausgezahlt erhalten? Bitte, Herr Minister! Ich bitte, Herr Abgeordneter, damit einverstanden zu sein, daß ich Ihre Fragen zusammen beantworte. Sie decken sich weitgehend mit der Frage des Herrn Abgeordneten Folger, die Herr Staatssekretär Grund bereits in der Fragestunde am 18. Februrar 1966 beantwortet hat. Seine Ausführungen von damals gelten heute noch. Die Bundesregierung hat, worauf Herr Staatssekretär Grund in seiner Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Folger hingewiesen hat, keine Möglichkeit, unmittelbar auf die Durchführung des Spar-Prämiengesetzes Einfluß zu nehmen. Das Spar-Prämiengesetz wird als Bundesgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Die Bundesregierung ist damit auf den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, beschränkt. In diesem begrenzten Rahmen hat sie alles getan, um sicherzustellen, daß die Prämien einschließlich der Zinsen und Zinseszinsen den Kreditinstituten rechtzeitig, d. h. beim Ablauf der Festlegungsfrist, zur Verfügung stehen. Diesem Zweck dient insbesondere auch die in Abschnitt 16 Abs. 1 der Richtlinien zum Spar-Prämiengesetz enthaltene Aufforderung an die Kreditinstitute, die vorgenannten Beträge nach Möglichkeit nicht später als drei Monate vor Ablauf der Festlegungsfrist bei den Finanzämtern anzufordern. Dem Bundesfinanzministerium ist erst durch die Frage des Herrn Abgeordneten Folger sowie durch Ihre heutigen Anfragen, Herr Kollege, und durch einige in den letzten Tagen erschienene Pressemeldungen bekanntgeworden, daß es bei den Überweisungen der Sparprämien unliebsame Verzögerungen gegeben haben soll. Ergänzend zu den Ausführungen von Staatssekretär Grund auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Folger darf ich heute noch bemerken, daß ich einige Länder fernmündlich um eine Stellungnahme gebeten habe. Danach ist es keineswegs so, daß allgemein von den zum 1. Januar 1966 freigewordenen Sparprämien 30 % zu diesem Zeitpunkt noch ficht überwiesen waren. Vielmehr waren die Anforderungen der Kreditinstitute, die entsprechend der Empfehlung drei Monate vor Ablauf der Festlegungsfrist bei den Finanzämtern eingegangen waren, auch bis zum 31. Dezember 1965 im wesentlichen abschließend bearbeitet. Nennenswerte Rückstände sollen sich lediglich bei den Finanzämtern einer Großstadt ergeben haben, Rückstände, die offensichtlich auch der Anlaß zu dem Bericht in der „Süddeutschen Zeitung" vom 10. Februar 1966 waren. Soweit allerdings die Kreditinstitute die Sparprämien bei den Finanzämtern später als drei Monate vor Ende des Kalenderjahres angefordert haben, haben sich zwangsläufige Verzögerungen der Überweisung ergeben, da diese Arbeit dann mit dem Geschäft der Eintragung von Freibeträgen auf den Lohnsteuerkarten und der Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zusammengetroffen ist. Unabhängig davon bin ich jedoch gern bereit, die obersten Finanzbehörden der Länder auf diese Schwierigkeiten aufmerksam zu machen und gemeinsam mit ihnen zu überlegen, wie den von Ihnen, Herr Kollege, vorgebrachten Beanstandungen entgegengewirkt werden kann. Ich rufe die Frage VII/5 des Herrn Abgeordneten Ott auf: Hat die Bundesregierung die Absicht, die wirtschaftlichen Verluste, die Wehrpflichtige durch Ableistung ihrer Wehrpflicht gegenüber denen haben, die aus irgendwelchen Gründen die Wehrpflicht nicht erfüllen, zu mindern durch Gewährung eines steuerfreien Betrages nach dem Ausscheiden aus dem Wehrdienst für die gleiche Anzahl von Monaten, wie die Dienstzeit gedauert hat? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht ihren Grundwehrdienst geleistet haben, einen einkommensteuerlichen Freibetrag zu gewähren. Ein derartiger Freibetrag wäre schon aus psychologischen Gründen bedenklich, da er als Prämie für die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht aufgefaßt werden könnte. Es müßte befürchtet werden, daß dann auch für die Erfüllung anderer gesetzlicher Pflichten die Gewährung steuerlicher Freibeträge gefordert würde. Der Bundesminister Dr. Dahlgrün Freibetrag ließe sich auch kaum auf Soldaten beschränken, die einen Grundwehrdienst von 18 Monaten geleistet haben. Er müßte vielmehr auch den Personen gewährt werden, die an Stelle des Grundwehrdienstes einen Ersatzdienst geleistet haben, sowie den Soldaten, die auf Grund der jeweils geltenden Vorschriften nur zu einem kürzeren Wehrdienst verpflichtet sind. Ein steuerlicher Freibetrag zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile wäre zudem gegenüber den Kriegsteilnehmern und hierunter insbesondere den Spätheimkehrern und den Kriegsopfern nicht zu vertreten, da auch diese bisher einen Freibetrag für erlittene Einkommenseinbußen nicht erhalten haben. Die Bundesregierung ist überdies der Auffassung, daß steuerliche Freibeträge kein geeignetes Mittel sind, um wirtschaftliche Nachteile auszugleichen. Bei dem progressiven Aufbau des Einkommensteuertarifs würden einkommensstärkere Personen erheblich mehr begünstigt als einkommensschwächere, bei denen sich unter Umständen ein derartiger Freibetrag überhaupt nicht auswirken könnte. Gegen die Einführung eines derartigen einkommensteuerlichen Freibetrags spricht schließlich noch, daß er zwangsläufig mit erheblichen Steuermindereinnahmen verbunden wäre, zumal er ja auch wohl für die Vergangenheit gewährt werden müßte. Die angespannte Lage des Bundeshaushalts läßt derartige Steuermindereinnahmen nicht zu. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott. Herr Minister, halten Sie die wirtschaftlichen Vorteile der anderen, die die Wehrpflicht nicht erfüllen, für gerechtfertigt? Ist Ihnen bekannt, daß im Einkommensteuergesetz eine Reihe von Freibeträgen enthalten sind, die die gleichen Ursachen haben, wie die von mir zur Diskussion gestellten, die Sie jetzt wegen der unterschiedlichen Besteuerungshöhe ablehnen? Ich würde sagen, Herr Kollege, mindestens ähnliche Ursachen, und ich glaube, daß es an der Zeit ist, alle diese Vergünstigungen im Steuerrecht einmal einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Keine weitere Frage. Dann die Frage VII/6 des Herrn Abgeordneten Ruf: Wann gedenkt der Bundesfinanzminister, die Zustimmung gemäß § 9 des Haushaltsgesetzes zum Beginn der Baumaßnahme Abgeordneten-Bürohaus zu erteilen, nachdem bekanntgeworden ist, daß der Bundeswirtschaftsminister seinerseits seine Zustimmung bereits gegeben hat? Bitte, Herr Minister! Herr Präsident, ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich die Frage des Herrn Abgeordneten Mommer mit der Frage des Herrn Abgeordneten Ruf zusammen beantworte, da praktisch ein völliger Sachzusammenhang gegeben ist. Einverständnis, Herr Dr. Mommer? Dann rufe ich noch die Frage VII/7 des Herrn Dr. Mommer auf: Wann gedenkt der Bundesfinanzminister den Antrag auf Vorwegbewilligung der für die Errichtung eines Bürohauses des Deutschen Bundestages erforderlichen Mittel dem Haushaltsausschuß des Bundestages vorzulegen? Die bauund planrechtlichen Genehmigungen zum Beginn des Neubaues eines Bürohauses des Deutschen Bundestages sind noch nicht erteilt. Die Anträge sollen, soweit ich weiß, dem Regierungspräsidium vorliegen, das auch über die Fragen des Landschaftsschutzes noch entscheiden muß. Daneben steht das Verfahren nach § 9 des Haushaltsgesetzes. Nach dieser Vorschrift bedarf der Beginn jeder Hochbaumaßnahme des Bundes der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft. In diesem Verfahren sind die finanziellen und konjunkturellen Aspekte der Baumaßnahme zu prüfen. Vorher muß gemäß dem Verwaltungsabkommen über die Koordinierung von Hochbaumaßnahmen im Lande Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 1965 der zuständige Interministerielle Baukoordinierungsausschuß beim Land eingeschaltet werden. Dieser Ausschuß hat das Vorhaben in seiner Sitzung vom 9. Februar gebilligt. Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 15. Februar daraufhin nach den für seinen Bereich allein maßgebenden bauwirtschaftlichen Gesichtspunkten unter bestimmten Voraussetzungen keine Einwendungen erhoben. Ich bin jedoch der Meinung, daß es nicht allein um den Beginn der Hochbaumaßnahme geht. Das zeigt auch die Frage, die Herr Kollege Dr. Mommer gestellt hat. Im Haushalt des Bundestages für 1965 war für das Projekt ein Betrag von 2 Millionen DM und eine Bindungsermächtigung von 10 Millionen DM ausgebracht. In dem Voranschlag des Einzelplans 02 für 1966, den ich erst vor ca. 14 Tagen erhalten habe, werden 12 Millionen DM und eine Bindungsermächtigung von 34,5 Millionen DM beantragt. Das ergibt die volle Summe von 48,5 Millionen DM. Das bedeutet, meine Herren Kollegen: Wenn die jetzt beantragte Zustimmung erteilt wird, so wird der Bau mit allen finanziellen Konsequenzen zügig durchgeführt. Um den Bau wirtschaftlich zu vergeben, müßten nämlich gleich zu Beginn Verpflichtungen von wenigstens 30 Millionen DM eingegangen werden. Das würde die Entscheidung des Hohen Hauses in den nächsten Wochen bei den Beratungen über den Bundeshaushalt 1966 über die für dieses Projekt angeforderten Mittel vorwegnehmen. Ich halte das nicht für richtig. Zwar hat der Bundestag bei der Beratung über den Bundeshaushalt 1965 im Februar vorigen Jahres Bundesminister Dr. Dahlgrün dem Vorhaben mit Mehrheit grundsätzlich zugestimmt, doch sind, wie Sie wissen, seit jenem Beschluß schwerwiegende Tatsachen eingetreten, die. unsere Haushaltslage entscheidend verändert haben. Sie haben die Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes und weitere einschneidende Maßnahmen notwendig gemacht. Außerdem, meine Herren Kollegen, gehen die Gesamtkosten offenbar über die bisher genannte Summe von 48,5 Millionen DM hinaus. Während es in der . Zweckbestimmung bei Kap. 0201 Tit. 710 im Jahre 1965 ausdrücklich heißt „Errichtung eines Bürohauses — ... einschließlich der erforderlichen Ersteinrichtung ...", fehlt dieser Zusatz im Voranschlag 1966, den ich, wie gesagt, erst kürzlich erhalten habe. Die Ersteinrichtung soll damit außerhalb der veranschlagten Mittel aufgebracht werden. Außerdem soll nach einer Auflage der Stadt Bonn neben dem Bürohaus der Bau einer eingeschossigen Tiefgarage für 240 Fahrzeuge geplant sein. Das zusammen bedeutet nach grober Schätzung einen Mehraufwand von etwa 7 bis 8 Millionen DM. Deshalb halte ich es für notwendig, daß das Projekt bei den bevorstehenden Haushaltsberatungen über den Einzelplan 02 nochmals in diesem Hause erörtert und geprüft wird, ohne daß zuvor Verpflichtungen eingegangen werden, die eine zwangsläufige Automatik auslösen. Damit komme ich speziell zu der Beantwortung der Frage des Herrn Kollegen Dr. Mommer. Die 1965 von diesem Hohen Hause bewilligten Mittel und Bindungsermächtigungen reichen nicht aus, um mit dem Vorhaben zu beginnen. Zusätzliche Mittel oder eine Erweiterung der Bindungsermächtigung können jedoch nicht vom Haushaltsausschuß, sondern nur vom Parlament selbst bewilligt werden. (Zurufe von der Mitte: Sehr richtig! In aller Öffentlichkeit!)

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502508200
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502508300
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502508400
Dr. Ludwig Hamm (FDP):
Rede ID: ID0502508500
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502508600
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502508700
Dr. Ludwig Hamm (FDP):
Rede ID: ID0502508800



Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502508900
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502509000
Dr. Horst Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502509100
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502509200
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502509300
Dr. Horst Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502509400
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502509500
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502509600
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502509700
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502509800
Dr. Ludwig Hamm (FDP):
Rede ID: ID0502509900
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502510000
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502510100
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502510200



Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502510300
Dr. Ludwig Hamm (FDP):
Rede ID: ID0502510400
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502510500

(Sehr gut! bei der SPD.)

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502510600
Dr. Ludwig Hamm (FDP):
Rede ID: ID0502510700
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502510800
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502510900
Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0502511000
Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0502511100
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502511200

(Allseitiger Beifall.)


(Erneuter allseitiger Beifall.)

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502511300
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502511400
Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502511500



Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502511600
Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502511700
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502511800
Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502511900



Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502512000
Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0502512100
Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502512200

(Beifall in der Mitte.)

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502512300
Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502512400
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502512500
Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502512600

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)





(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


(Hört! Hört! in der Mitte.)


(Zurufe von der CDU/CSU.)


(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Die Reichshaushaltsordnung gibt allerdings dem Finanzminister unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, in eigener Verantwortung überplanmäßig Mittel zu bewilligen oder die Eingehung von Verbindlichkeiten mit Wirkung für künftige Rechnungsjahre zu genehmigen. Dabei ist es üblich, in bedeutsamen Fällen vorher den Haushaltsausschuß zu hören, und hiervon gehen Sie, Herr Kollege Mommer, offenbar bei Ihrer Frage aus. Die Beteiligung des Haushaltsausschusses ändert aber nichts daran, daß allein der Finanzminister — und zwar nur im Notfall — die Entscheidung über überplanmäßige Ausgaben treffen kann. Bei der Größe, dem Zuschnitt und dem Zeitpunkt der Durchführung muß dieses Vorhaben von der Verantwortung dieses Hohen Hauses getragen werden. Das Parlament muß bei der Feststellung des Haushalts selbst die Entscheidung treffen. Der Bundesminister der Finanzen kann die beantragte Zustimmung zum Beginn dieser Hochbaumaßnahme aus den dargelegten finanziellen Gründen nicht erteilen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Er wird die Prüfung und Entscheidung durch das Parlament im Rahmen der Haushaltsberatungen abwarten.

(Erneuter Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502512700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Dr. Mommer \\(SPD) : Herr Minister, haben Sie eben als Abgeordneter der FDP-Fraktion oder als Mitglied der Bundesregierung gesprochen?

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502512800
Ich lasse diese Frage nicht zu, Herr Abgeordneter Mommer, das ist keine Sachfrage.

(Abg. Dr. Mommer: Das ist die einzige Frage, die angebracht ist! — Oho-Rufe bei der FDP. — Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502512900
Ich danke Ihnen, Herr Minister. Die Fragestunde ist beendet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966)

— Drucksache V/250 —
Dieser Punkt wird verbunden mit Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1966 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1966)

— Drucksache V/305 —
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502513000
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Etatrede des Bundesfinanzministers, dem ich an dieser Stelle für seine Arbeit besonders danken möchte, halte ich es für richtig, den Haushaltsberatungen des Hohen Hauses einige grundsätzliche Bemerkungen vorauszuschicken.
Ich habe in meiner Regierungserklärung vom November 1965 darauf hingewiesen, daß die haushaltspolitische Stabilisierungsaufgabe dauerhaft nur dann bewältigt werden kann, wenn die jährlichen Haushalte in eine längerfristige Zielsetzung der Stabilitäts- und Wachstumspolitik eingeordnet werden. Die gestern veröffentlichte Vorausschau des



Bundeskanzler Dr. Erhard
Bundesfinanzministeriums über die Einnahme- und Ausgabeentwicklung des Bundeshaushalts bis 1970 unterstreicht diese Notwendigkeit mit der harten Sprache der Zahlen. die haushaltspolitischen Entscheidungen — so sagte ich — müssen von den EinJahres-Zufälligkeiten gelöst und auf der Grundlage mehrjähriger und nach Maßgabe sachlicher und politischer Dringlichkeit geordneter Finanzpläne vollzogen werden. Ich weiß mich in dieser Frage nicht nur einig mit den Koalitionsfraktionen, sondern glaube davon ausgehen zu können, auch bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, Verständnis, wenn nicht gar Zustimmung für eine solche Politik zu finden.
Die Haushaltsvorlage, die Sie nunmehr zu beraten haben, konnte dieser Aufgabenstellung noch nicht gerecht werden. Immerhin erforderten die zurückliegenden Monate den Aufwand von viel Kraft, die überhöhten Ansprüche an den Haushalt 1966 auf ein vertretbares Maß zurückzuschrauben. Die Bundesregierung weiß sich diesem Hohen Hause zu Dank dafür verpflichtet, daß das Haushaltssicherungsgesetz in so kurzer Frist verabschiedet werden konnte. Im Ergebnis wurde damit erreicht, daß der bereits so sehr angespannte Soll-Haushalt 1966 nach denkbarer Voraussicht praktisch mit dem Ist-Haushalt gleichzusetzen sein wird. Ich möchte es auch nicht wünschen, daß uns durch erhöhte Steuereinnahmen, die aus Preissteigerungen resultieren, haushaltsmäßige Entlastung zuteil wird. Das setzt voraus, daß Regierung und Parlament sich bei allen künftigen ausgabenwirksamen Initiativen äußerste Beschränkung auferlegen müssen. Die Lage der Bundesfinanzen verlangt in jedem Falle einschneidende haushaltspolitische Maßnahmen.
Aber damit allein ist es nicht getan. Alle Gruppen und Schichten des deutschen Volkes müssen sich in ihren Forderungen nach Einkommenssteigerung bzw. Arbeitszeitverkürzung die notwendige Beschränkung auferlegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Andererseits warne ich vor dem Mittel der Steuererhöhung, denn dieses sich vordergründig anbietende Mittel kommt zu sehr einer Flucht aus der Wirklichkeit gleich und hilft uns zuletzt auch nicht weiter. Viel wichtiger und richtiger erschiene es mir, vorab zu prüfen, ob nicht Subventionen und überkommene Steuervergünstigungen unter den obwaltenden Verhältnissen abgebaut werden sollten.

(Beifall in der Mitte und bei der SPD.)

Jedenfalls aber kann man die öffentliche Hand nicht anklagen, durch Erhöhung des Haushaltsplafonds über die Produktivitätssteigerungs-Rate hinaus der inflationären Entwicklung Vorschub zu leisten, gleichzeitig aber Steuererhöhungen ins Auge zu fassen. Das eine schließt das andere aus. Das gilt besonders dann, wenn der Bund durch seine Ausgabenpolitik in vorderster Front und beispielhaft Verantwortung tragen soll.
Dabei müssen wir uns darüber klar sein, daß allein die gesetzlichen Ausgabenverpflichtungen des Bundes von Jahr zu Jahr um Milliarden steigen und für sich allein die Zuwachsraten des Sozialprodukts
weitgehend aufzehren. Darüber hinaus erfordert die Erfüllung der großen Gemeinschaftsaufgaben unserer Gesellschaft, über die sich alle Parteien einig sind, die Aufbringung bzw. Bereitstellung von immer erheblicheren Mitteln.
Dieser Tatbestand zwingt uns zu grundsätzlichen Überlegungen in bezug auf die Gestaltung unserer Haushaltspolitik. Inzwischen hat die Sachverständigenkommission für die Finanzreform ihr umfangreiches Gutachten vorgelegt, das im Prinzip mit den Intentionen der Bundesregierung übereinstimmt. Aber auf dem Weg zu einer solchen Reform begegnen wir vielen Schwierigkeiten. Bei noch so intensiver Arbeit des Bundestages wird ihre Durchführung längere Zeit in Anspruch nehmen. Diese Zeit müssen wir nutzen. Die Bundesregierung wird aus diesem Grunde über eine mittelfristige Vorausschau der Einnahmen und Ausgaben hinaus einen mehrjährigen Finanzplan mit Schwerpunkten und Prioritäten vorlegen.

(Abg. Dr. Stammberger: Das wollten Sie früher doch nicht wahrhaben! — Zustimmung bei der SPD.)

Ich hoffe, daß bis dahin die Diskussion um das Gutachten noch eine bessere Klärung und weitere Fortschritte erbracht hat.
Die Bundesregierung wird sich ihrerseits darum bemühen, in den einzelnen Ressorts die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine zügige Weiterbehandlung zu schaffen. Eine interministerielle Arbeitsgruppe ist bereits mit dieser Aufgabe befaßt. Ich meine aber, daß eine solche Reform der Haushaltspolitik im Grundsätzlichen nicht nur eine Aufgabe der Bundesregierung ist, sondern daß sie ebenso sehr im vitalen Interesse des Parlaments selbst liegt. Denn die bisherige Praxis der Ausgabenbewilligung hat in zu großem Umfang Dauerverpflichtungen begründet. Dadurch wurde die disponible Finanzmasse von Jahr zu Jahr geringer, wasgleichbedeutend ist mit einer fortschreitenden Einengung der Handlungsfähigkeit des Bundestages hinsichtlich vieler und entscheidender Probleme der inneren und auch der äußeren Politik. Parlament und Parteien müssen sich endgültig — das liegt in unser aller Interesse — von dem Verdacht eines kurzsichtigen Ausgabenopportunismus befreien.
Vor allem aber liegt mit daran, auf die Schwere der Aufgaben hinzuweisen, die vor uns liegen. Natürlich wird ein auf mehrere Jahre festgelegter Rahmen des Bundeshaushalts ständig neu überprüft werden müssen und neuen Erkenntnissen und Erfordernissen anzupassen sein.
In jedem Falle wird zuerst immer die Frage nach der Deckung langfristig festgelegter Aufgaben zu klären und die Mechanik der möglichen Ausgabensteigerungen zu berücksichtigen sein. Diese fast automatisch anfallenden Ausgabensteigerungen erreichen nach der Vorausschau bis 1970 eine enorme Höhe und drohen den Haushalt immer mehr zu blokkieren. Im Rahmen einer längerfristigen Haushaltspolitik ergibt sich daraus die zwingende Notwendigkeit, die bisherigen Ausgabenverpflichtungen des



Bundeskanzler Dr. Erhard
Bundes schärfer als bisher ohne Rücksicht auf Tabus und sogenannte Ansprüche auf Sicherung des Besitzstandes im Hinblick auf ihre Notwendigkeit für heute und morgen zu überprüfen.
Unser sozialer Leistungsstand wird dadurch nicht beeinträchtigt. Denn bei einem Sozialprodukt von 450 Milliarden DM und einer angenommenen Steigerung von 4 % verfügen wir durchschnittlich in jedem Jahr über ein Mehr von 18 Milliarden DM. Damit müssen die Einkommenserhöhungen, die Steigerung der öffentlichen und privaten Investitionen sowie der Staatsausgaben und die wachsenden Ansprüche an den Staat abgegolten werden. Diese Steigerungsrate ist wahrhaftig nicht gering, aber — das muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden — sie ist doch nach Maßgabe unserer gemeinsamen Arbeitsleistung begrenzt. Das Bewußtsein dieses einfachen, aber durch keine Tricks auflösbaren Zusammenhanges geht in einer Wohlstandsgesellschaft offenbar verloren, so daß wir ständig der Gefahr ausgesetzt sind, über unsere Verhältnisse zu leben. Wir haben eben des Guten oft zuviel getan und vergessen, uns in den uns bzw. von uns gesetzten Grenzen zu bewegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Vom Bungalow bis zum Palais!)

- Das ist zu billig! —
Man mag mich ob dieser schon vor Jahren ausgesprochenen Mahnung verunglimpfen wollen, das deutsche Volk weiß und spürt sehr wohl, daß diese Aussage berechtigt war und ist. Es ist und bleibt verdammenswert, den Zuwachs unserer volkswirtschaftlichen Leistung mehr oder minder ausschließlich der Verbesserung unserer privaten Lebensführung zuzuwenden und gleichzeitig mit verlogenem Augenaufschlag zu beklagen, daß die so wert- und sinnvollen Gemeinschaftsaufgaben nicht erfüllt werden können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dieses Problem aber geht nicht allein die öffentliche Hand an, sondern es sind in dieser Frage vornehmlich auch die Gruppen angesprochen, die in Wahrung der Tariffreiheit volkswirtschaftliche Entscheidungen von höchster Tragweite treffen.
Ich wiederhole es darum, daß es mir in unserer konjunkturellen Situation unverantwortlich erscheint, die allgemeine Einkommensverbesserung auf die Dauer über den Produktions- bzw. Produktivitätszuwachs hinaus zu erhöhen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es kommt bei der Gestaltung der öffentlichen Haushalte darauf an, daß wir uns nicht nur vom allgemeinen Gesichtspunkt der Sparsamkeit leiten lassen. Sparsamkeit sollte selbstverständlich bei allen Ausgaben geübt werden.

(Zurufe von der SPD: Bungalow!)

Aber es ist sehr viel dringender, nach der Rechtfertigung, der Notwendigkeit und der Zielsicherheit der einzelnen Ausgabenpositionen zu fragen.
Inzwischen ist eine Reihe von wichtigen Gutachten und Plänen vorgelegt worden. Neben dem Gutachten zur Finanzreform das der Postkommission und der Plan zur Sanierung der Bundesbahn, die Vorschläge zur Finanzierung des Verkehrsprogramms der Zukunft wie auch der Ausgaben für Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung. Gegen Mitte dieses Jahres dürfen wir das Ergebnis der sozialpolitischen Enquete erwarten. Gleich, welche Konsequenzen wir daraus ziehen: Wir werden handeln und einschneidende Reformen durchzuführen haben.
Wie schon deutlich zum Ausdruck gebracht, geht es gar nicht darum, Gesamtleistungen des Staates abzubauen. Dieser oft gehörten falschen Darstellung ist durch breite Aufklärung zu begegnen. Bund, Länder und Gemeinden werden in jedem Falle — wenn auch in den Grenzen der Produktions- und Produktivitätssteigerung — ihre Ausgaben erhöhen bzw. ihre Leistungen verbessern. Es gilt nur einzusehen, daß wir nicht alles zur gleichen Zeit tun, daß wir nicht mehr allen Wunschvorstellungen Erfüllung gewähren können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir werden in der Zukunft allerdings nicht in zu engen oder gar lokalen Bereichen bzw. Kategorien, sondern in umfassenderen regionalen Räumen zu denken haben.
Ein mehrjähriger Finanzplan setzt aus dieser Sicht die folgenden grundsätzlichen Bedingungen voraus:
Erstens: Mit der Entscheidung über Prioritäten die Programmierung von Reformen hinsichtlich der Ausgabenverpflichtungen des Bundes.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Programmierung?)

Dabei werden wir uns nicht mehr allein auf den disponiblen Teil des Haushalts beschränken dürfen.
Zweitens: Ein solcher Finanzplan muß sich nach ökonomisch-funktionalen Gesichtspunkten gliedern. Das Finanzreformgutachten betont zu Recht, daß eine bloß verwaltungsmäßige Gliederung den Erfordernissen nicht mehr gerecht werden kann.
Drittens muß eine längerfristige Haushaltsplanung die Gesamtheit der politischen Ziele der Bundesregierung erfassen, aus denen sich erst die Entscheidung über Prioritäten rechtfertigen läßt.
Schließlich muß ein solcher Finanzplan die Zusammenhänge zwischen der Tätigkeit der öffentlichen Hand aller Ebenen und der wirtschaftlichen Entwicklung erkennen lassen und gebührend berücksichtigen. Unter diesem Aspekt muß auch die Bewertung einer langfristigen Haushaltsplanung im Hinblick auf die konjunkturpolitischen Notwendigkeiten beachtet werden. Eine antizyklische Haushaltspolitik als wirksames konjunkturpolitisches Instrument ist ohne langfristigen Haushaltsrahmen kaum denkbar.
Diese umfassende Aufgabe schließt außergewöhnliche Schwierigkeiten — sowohl verfassungsrechtlicher wie auch organisatorischer und technischer Art — ein. Es ist nicht in einem Anlauf eine perfekte



Bundeskanzler Dr. Erhard
und totale Lösung zu erzielen. Vielmehr wird sich eine so verstandene Haushaltsreform nur stufenweise vollziehen lassen.
Zunächst bedarf es einer Schätzung der voraussichtlichen Einnahmeentwicklung auf der Basis bestimmter Annahmen hinsichtlich der zukünftigen Steigerung des Sozialprodukts. Aus der Gegenüberstellung der Ergebnisse dieser Vorausschätzung mit den bereits feststehenden Vorausbelastungen künftiger Haushalte ergibt sich die in den einzelnen Haushaltsjahren zur Verfügung stehende disponible oder auch fehlende Finanzmasse. Dieser erste Schritt ist bereits getan und hat seinen Niederschlag im Finanzbericht 1966 der Bundesregierurng gefunden. Das vorliegende Zahlenmaterial kann als Basis für die weiteren Schritte zur Realisierurng einer langfristigen Finanzplanung gelten.
Sodann gilt es, Prioritäten für bestimmte Ausgabenkategorien nach ihrer sachlichen und zeitlichen Dringlichkeit festzulegen. Für einige wichtige Aufgabengebiete, wie Wissenschafts-, Verkehrs- und Wirtschaftsförderung, bestehen bereits mehrjährige Entwicklungs- und Finanzpläne, oder sie sind in Vorbereitung. Das impliziert die Festsetzung des Finanzbedarfs und dessen Abstimmung mit den finanziellen Möglichkeiten. Selbstverständlich kann die Prioritätsentscheidung in einem Haushaltsjahr und ihre Konfrontation mit dem Volumen der öffentlichen Einnahmen wie auch den Kreditmöglichkeiten eine Neubewertung bereits festliegender Aufgaben aus früheren Haushaltsjahren bedeuten.
Meine Damen und Herren, ich spreche bei alledem — und das möchte ich unterstrichen wissen — von langfristiger Haushaltspolitik und in gar keiner Weise von Wirtschaftsplanung und Planwirtschaft.

(Lachen bei der SPD.)

Wer das nicht auseinanderzuhalten versteht oder es an meine Adresse bei der billigen allgemeinen Aussage belasten möchte, daß es in unserer modernen Zeit eben nicht ohne „Planung" gehe, der vernebelt nur die politische Landschaft,

(Lachen bei der SPD)

aber er leistet damit keinen Beitrag zur Lösung der
von uns gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier also geht es um die Planmäßigkeit der inneren Politik, um ihre Zielstrebigkeit und -sicherheit, d. h. also vornehmlich um die Lösung der großen Gemeinschaftsaufgaben unseres Volkes.

(Zurufe von der SPD.)

Ihre Meisterung ist, wie ich schon in meiner Rede am 15. Oktober 1964 vor diesem Hohen Hause feststellte, die Voraussetzung für eine bessere Lebensordnung überhaupt. Wo die Prioritäten der Zukunft liegen werden, ergibt sich daher zwangsläufig: nämlich bei den Sozialinvestitionen und nicht mehr bei den konsumtiven Ausgaben des Staates und gewiß nicht bei den Subventionen. In rechtzeitiger Erkenntnis der Notwendigkeit dieser Sozialinvestitionen für die Zukunft unseres Volkes hatte ich im
vorigen Jahr das „Deutsche Gemeinschaftswerk" proklamiert.

(Zurufe von der SPD.)

Ich freue mich, daß die Gutachter für die Vorbereitung der Finanzreform gerade diesem so wichtigen Komplex ihre besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben. Ich sehe in ihren Vorstellungen gute Ansatzpunkte für die langfristige, gemeinsam von Bund und Ländern vorzunehmende Programmierung und Finanzierung der Sozialinvestitionen nach sachlicher und zeitlicher Dringlichkeit. Ich bin sicher, daß im Zuge der Beratungen des Finanzreformgutachtens durch die beschlossene gemeinsame Bund-LänderKommission nach dieser Richtung hin wichtige Fortschritte erzielt werden können.
Die Diskussion um Planwirtschaft ist, das hoffe ich, bei uns vorüber. Das ist gar keine Fragestellung, die der Lösung der Probleme, die uns hier beschäftigen, gerecht wird — weder der Probleme der Wirtschaft noch der des Staates, noch der der modernen Gesellschaft.
Aber die Bedeutung der Aufgaben, die ich hier nur in Umrissen zeichnen wollte, ergibt sich nicht allein aus der Reform der Haushalte an sich und den Schwierigkeiten der dabei auftretenden Sachfragen. Wenn wir diese Reform vollziehen, stecken wir die Ziele viel weiter: wir tun einen entscheidenden Schritt hin zu einer Strukturänderung unserer inneren Politik. Das wird heute leider von sehr vielen Kritikern, — von denen, die sich damit begnügen, ihr bloßes Unbehagen auszubreiten, wie aber auch von denen, die sich berechtigte Sorgen machen, nicht immer klar genug gesehen.
Das moderne Leben ist viel differenzierter, als daß es sich etwa in der Katalogisierung: Staatsverbrauch — Investitionen — privater Verbrauch einfangen ließe. Sowenig der Staatsverbrauch in seiner Gänze, vom Schicksal der Bürger gelöst, betrachtet werden kann — man denke dabei nur an die Einkommensumverteilungsfunktion der öffentlichen Hand —, so abwegig wäre es andererseits, der privaten Lebensführung der Bürger nur jeweils das zurechnen zu wollen, was diesen aus unmittelbarem Einkommen und Einkommenssteigerung zufließt. Erhebliche Ausgaben der öffentlichen Hand dienen neben der schon besagten Umverteilung und sozialen Leistungen auch heute schon der Bereicherung des individuellen menschlichen Lebens. Ich denke dabei an all das, was für Wissenschaft und Forschung, Bildung und Ausbildung, für das Gesundheitswesen, für den Sport oder für die Bewältigung der Verkehrsprobleme ausgegeben wird. Das alles erscheint in keiner Lohnabrechnung, in keiner Steuererklärung, aber im ganzen handelt es sich dabei um einen Verbrauch, der ohne unmittelbare eigene Aufwendung der Privaten doch jedem einzelnen zugute kommt.

(Abg. Ruf: Sehr richtig!)

Das voll zu erfassen und auch in die volkswirtschaftliche Rechnung einzubeziehen, erfordert viel Verständnis, Besinnung und Selbstzucht. Der einzelne Staatsbürger weiß sehr wohl, daß Einkommenswohlstand und die staatlich garantierte soziale



Bundeskanzler Dr. Erhard
Perfektion allein keine befriedigenden Lebensaufgaben der Zukunft sind. Er spürt genau, daß es darüber hinaus Aufgaben gibt, die sich die Gemeinschaft stellen und die der Staat als Träger dieser Gemeinschaft erfüllen muß. Das sind Aufgaben nicht nur materieller Natur, sondern jene Anliegen, die die geistig-moralische Basis unserer Gemeinschaft festigen und fortentwickeln.
Gerade dann, wenn wir eingesehen haben, daß unsere Gesellschaft höhere Aufwendungen für die Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben im Interesse eines ganzen Volkes erfordert, können wir nur zu dem Ergebnis gelangen, daß - unsere Einkommensverteilung jenen Erfordernissen nicht genügend Rechnung trägt und daß wir zum anderen noch mehr tun müssen, um die Ergiebigkeit unserer Arbeit zu steigern. Vergessen wir es aber nie, daß die Arbeit die Quelle nicht nur unseres Wohlstandes, sondern auch des Fortschritts ist. Ich gebe gern zu, daß in diesen Fragenkreis dann notwendig auch Fragen der Vermögensbildung und Vermögensschichtung einzubeziehen sein werden, aber das alles sollte und darf uns nicht erschrecken, die Probleme entschlossen anzugehen.
Dieses Hohe Haus kann sich ebensowenig wie die Bundesregierung damit zufrieden geben, allein den Ausgleich des Jahres 1966 zu überprüfen und die einzelnen darin aufgeführten Positionen zu überdenken. Wir müssen noch in dieser Legislaturperiode zunehmend und zusätzlich Maßnahmen treffen, um den Haushalt für die Zukunft zu entlasten, — nicht, wie ich schon betont habe, allein aus Gründen der Sparsamkeit, sondern um der Erhaltung einer gesunden, leistungskräftigen wirtschaftlichen und sozialen Ordnung willen.
Wenn ich von der Strukturänderung unserer inneren Politik gesprochen habe, so ist auch aus dem Sachverständigengutachten zur Finanzreform deutlich genug zu ersehen, daß eine Reform des Haushalts auf die Dauer von dem Mit- und Zusammenwirken auch der Länder und -der Gemeinden abhängt. Das Gutachten spricht hier von der Notwendigkeit eines „kooperativen Föderalismus". Man merke sich diese Begriffsbildung, denn sie wird nicht mehr untergehen. Wir werden in der Tat mit der Diskussion des alten Gegensatzpaares Zentralismus und Eigenstaatlichkeit der Länder nicht weiterkommen, sondern müssen alle um bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit bemüht sein. Zu einem modernen föderativen Verfassungssystem, in dem sich Autonomie und kooperative Koordination gegenseitig ergänzen, gehören, wie schon gesagt, notwendig auch die Gemeinden.
Eine längerfristig festgelegte Haushaltspolitik betrifft aber auch die Arbeit des Bundestages selbst. Der Druck einer ständig wachsenden Vielzahl öffentlicher Aufgaben, dann aber auch der Einfluß der organisierten Interessen schwächt die Kraft des Parlamentarismus, die Arbeit der Regierung und die parlamentarische Demokratie überhaupt. Die Notwendigkeit, einen mehrjährigen Finanzplan verbindlich zu beschließen, wird, das hoffe ich, das Parlament mehr als bisher in den Stand setzen, die höheren und umfassenderen Ziele der Politik zu debattieren und die Fragestellungen der Fachausschüsse noch mehr als bisher den politischen Gesamtzielen zu oder auch unterzuordnen: Haushaltspolitik und Gesetzgebungsprogramm werden genauer und verbindlicher aufeinander abgestimmt werden müssen. Das scheint mir ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der parlamentarischen Arbeit zu sein.
Selbstverständlich wird diese Reform auch die Regierung und ihre Verwaltung zu einer intensiveren Koordination zwingen, und zwar sowohl im Sinne einer Modernisierung wie auch einer Straffung. Schließlich werden, sich dann auch die Interessengruppen auf eine derart ausgerichtete Politik einstellen müssen. Mit Recht hat bereits der Jahresbericht dès wirtschaftlichen Sachverständigengremiums eine bessere Konzertierung auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik verlangt.
Ich habe Zweifel geäußert, ob eine theoretische Aussage dieser Art mehr als platonische Bedeutung haben werde. In der Straffung der Haushaltspolitik sehe ich allerdings bedeutsame Ansätze, unverantwortlichen Ausuferungen zu begegnen und der gesamten deutschen Öffentlichkeit unmißverständlich und klar vor Augen zu führen, um was es im letzten geht. Die Gesellschaft ist mehr als eine Addition von Gruppeninteressen; die Bande einer gewachsenen Gesellschaft lösen sich auf, wenn sie nur noch rechenhaft auf Mark und Pfennig reduziert werden. Das deutsche Volk ist reifer als wir mannigfach annehmen!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das alles, meine Damen und Herren, was ich Ihnen vorgetragen habe, ist die notwendige und unvermeidliche Konsequenz einer Reform der Haushaltspolitik, die zugleich eine Anpassung der parlamentarischen Demokratie an die Bedingungen des sozialen Rechtsstaates ausmacht. Das heißt aber, es handelt sich um die Reform der deutschen Demokratie. Die Gemeinschaftsaufgaben, die Notwendigkeiten eines kooperativen Föderalismus einschließlich der kommunalen Selbstverwaltung, die bessere wirtschaftliche und sozialpolitische Konzertierung, das alles zeigt, wie ich schon in meiner Regierungserklärung betont habe, daß wir dabei sind, den Schritt zu einer sich selbst und ihrer Zukunft bewußten, sinnvoll gegliederten, d. h. zu einer „Formierten Gesellschaft" zu tun.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502513100
Das Wort hat der
Abgeordnete Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0502513200
Herr Präsident! Meine Damen und- Herren! Die Diskussionen der letzten Monate, insbesondere die Diskussion in der vorvergangenen Woche hier in diesem Hause über das Gutachten des Sachverständigenrates zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, haben eines sehr eindringlich klargemacht: neben den Arbeitgebern, neben den Gewerkschaften, neben der Kreditwirtschaft ist auch die öffentliche Hand aufgefordert, zu



Leicht
einer ausgeglicheneren wirtschaftlichen Entwicklung beizutragen. Mit Recht verlangen unsere Staatsbürger von ihren Parlamenten, gerade aber vom Deutschen Bundestag, ein hohes Maß an wirtschaftlicher Disziplin.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Seit langem, sicherlich schon vor den Wahlen im vergangenen Herbst, ist in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung ein gewisses Unbehagen über die wirtschaftliche Entwicklung spürbar geworden.

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502513300
Einen Augenblick! Entschuldigen Sie, Herr Kollege! Darf ich bitten, Privatgespräche aus diesem Rahmen hinauszuverlegen.

(Beifall.)

Bitte, fahren Sie fort!

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0502513400
Es wurde eine Unbehagen spürbar, weil man erkannt hatte, daß nur stabile Verhältnisse gewährleisten, den durch Fleiß und gute Politik erreichten Standard zu erhalten und auszubauen. Unsere Bürger wissen sehr wohl, daß es kein Rezept gibt für eine ständige hektische Wohlstandssteigerung bei ständig verkürzter Arbeitszeit, ständig höheren Löhnen, allzeitig gleichbleibenden Verbraucher- und Dienstleistungspreisen und immer noch höheren Leistungen des Staates für die Daseinsvor- und -fürsorge.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Stabilität heute, Stabilität aber auch morgen ist den Menschen wichtiger als die übermäßige Steigerung bestimmter Leistungen,

(Zustimmung in der Mitte)

auch die übermäßige Steigerung der Leistungen des Staates.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb halte ich es für gut, gleich beim ersten Haushalt, den dieser Bundestag zu gestalten hat, die Grenzen abzustecken, die von der Finanz- und Haushaltspolitik gesetzt werden müssen, wenn dieses Haus es wirklich ernst meint mit der Erhaltung der Währungsstabilität und der Kaufkraft.
Die CDU/CSU-Fraktion wird zusammen mit der Bundesregierung unsere — trotz aller Unkenrufe immer noch stabile — D-Mark gegen jede Aufweichung verteidigen. Das bedeutet aber, daß Einzelinteressen zurückzutreten haben. Das bedeutet weiter, daß Forderungen an den Staat zurückgehalten werden müssen. Das bedeutet auch, daß man auf manche liebgewordene Leistung des Staates verzichten muß. Und das bedeutet für uns alle, wenn wenn ich es kurz fassen darf, daß wir Opfer zú bringen haben. Um bessere Voraussetzungen für die Stabilerhaltung von Währung und Kaufkraft sicherzustellen, haben wir am 9. Dezember 1965 als ersten Schritt das Gesetz zur Sicherung des Haushaltsausgleichs verabschiedet. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben dieses Gesetz abgelehnt, obwohl Sie allen gesetzlichen Verbesserungen, die Sie als Wahlversprechen bezeichnen, zustimmten. Ja, wenn es nach Ihren damaligen Forderungen gegangen wäre, hätten durch ein Haushaltssicherungsgesetz ganz andere Summen außer Kraft gesetzt werden müssen, als dies nun geschehen mußte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Man sollte ein für allemal feststellen, daß es einfach nicht angeht, daß Sie immer wieder in den Refrain einstimmen — ich wandle nun ein Wort aus der Zeit vom 19. November des vergangenen Jahres ab —: „Wir wissen, daß wir unvernünftig waren und unsere Forderungen maßlos, aber der Erhard, die Regierung und die Koalitionsparteien hätten uns bremsen sollen, sie trugen die Verantwortung." Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition — und das hat Herr Wehner bei der Aussprache über die Regierungserklärung deutlich gesagt —, tragen Verantwortung. Zeigen Sie endlich diese Verantwortung!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei der Aussprache in der vorvergangenen Woche wurde von allen Seiten des Hauses, zwar etwas abgestuft im Gewicht, die Bedeutung einer an der wirtschaftlichen Gesamtlage orientierten, konjunkturgerechten Haushaltspolitik der öffentlichen Hand für unsere Währungsstabilität betont. Ich kann mir deshalb spezielle Ausführungen hierzu ersparen.
Folgendes muß ich aber feststellen. Im Jahre 1965 haben sich die Gesamtausgaben der öffentlichen Hand auf schätzungsweise 138,2 Milliarden DM belaufen. Soweit man es augenblicklich überblicken kann, wird für 1966 mit einer Zunahme von etwa 6 % zu rechnen sein, wobei die Zunahme beim Bund rund 5 und bei den Ländern und Gemeinden 7 % und mehr betragen wird. Diese Steigerung würde noch in einem vertretbaren Rahmen liegen.
Wir wissen aber, daß es nicht allein auf die Entwicklung der Gesamtausgaben der öffentlichen Hand ankommt. Dazu sind die von den einzelnen Ausgabearten ausgehenden Impulse auf die Wirtschaftsentwicklung zu unterschiedlich. So spielt die Verteilung der Investitionsausgaben auf Bund, Länder und Gemeinden eine besondere Rolle. Das wird besonders klar bei Gegenüberstellung der Anteile der öffentlichen Hand an den Ausgaben für eigene Investitionen und an der Investitionsfinanzierung. Für 1963 entfallen auf den Bund 17,7, die Länder 31,5 und die Gemeinden 44,8 % der öffentlichen Investitionen, während aus eigenen ordentlichen Einnahmen und Krediten beim Bund 26,5, bei den Ländern 33,3, bei den Gemeinden aber nur 33,9 % aufgebracht wurden. Für 1964 und 1965 dürften sich nur relativ geringfügige Verschiebungen ergeben.
Die Investitionsausgaben haben in den verschiedenen öffentlichen Haushalten auch ein unterschiedliches Gewicht. Im Jahre 1963 entfielen von den Gesamtausgaben einschließlich Investitionsförderungen auf die Investitionen beim Bund 13, bei den Ländern 27 und bei den Gemeinden 44 %.
Bereits diese wenigen Angaben lassen erkennen: auch die Länder und die Gemeinden müssen sich dem Bund hinsichtlich einer konjunkturgerechten



Leicht
Haushaltsgestaltung anschließen. Noch entscheidender ist, alle drei Ebenen, Bund, Länder und Gemeinden, müssen einen konjunkturgerechten Haushaltsvollzug erstreben.
Meine Damen und Herren, mit Befriedigung stelle ich namens meiner Fraktion fest, daß der für 1966 vorgelegte Haushaltsentwurf mit einer effektiven Ausgabensteigerung von weniger als 5 % und einer Beschränkung der Anleiheaufnahmen auf knapp 1,4 Milliarden DM den Stabilisierungsbemühungen Rechnung zu tragen sucht.

(Beifall in der Mitte.)

Ich stelle aber auch fest, daß wir uns bei den Einzelberatungen bemühen werden, das Volumen des Haushalts weiter einzuschränken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die im Haushaltsausschuß begonnenen Vorberatungen haben den Glauben an dieses Gelingen gestärkt. Wir behalten uns natürlich vor, wenn möglich und nötig die eine oder andere Aufgabe besser zu dotieren.
Hier gleich ein Wort zu den Einnahmen. Wir erhoffen uns bei den Einzelberatungen und bei der vor der zweiten Beratung nochmals erfolgenden Steuerschätzung höhere Einnahmeansätze. Wir erklären aber gleichzeitig, daß zu erwartende Steuermehreinnahmen nur dazu Verwendung finden dürfen, den Kreditrahmen zu senken.

(Sehr richtig! rechts.)

In seiner ganzen Konzeption scheint mir dieser Entwurf wesentlich stabiler als der Haushalt 1965 zu sein. Dies zeigt sich, wie schon der Finanzminister hervorgehoben hat, vor allem darin, daß die gesamten Mehrausgaben voll aus den Mehreinnahmen des ordentlichen Haushalts gedeckt werden können, und zwar mit entsprechender Einkommens-und Nachfrageminderung im privaten Bereich.
Anzuerkennen ist auch der niedrige Ansatz des Kreditbedarfs, der eine Rücksichtnahme auf die Kapitalmarktverhältnisse erkennen läßt. Dem Bemühen um eine innere Stabilität des Haushalts dienen auch der Verzicht im Haushaltsgesetz 1966, von vornherein eine globale Minderausgabe vorzusehen, wie es noch 1965 der Fall war, und die Ermächtigung im Haushaltsgesetz an Finanz- und Wirtschaftsminister, zur Sicherung der Preisstabilität geplante Ausgaben zu regulieren.
Hinweisen muß ich noch auf die Schuldentilgung einschließlich der Abdeckung des Defizits 1964 und des Defizits 1965 mit einem Teilbetrag von 200 Millionen DM.
Auch darf nicht übersehen werden, daß Milliardenbeträge aus der Bundeskasse ins Ausland fließen, was in gewissem Umfang auch Ableitung kaufkräftiger Nachfrage vom Binnenmarkt bedeutet und stabilisierend wirken wird.
Schließlich erkennen wir das Bemühen der Bundesregierung um eine freiwillige Vereinbarung mit den Rentenversicherungsträgern an. Sie hat dabei erreicht, daß die Rentenversicherungsträger im Gegensatz zu den Vorjahren nun in einem gewissen
Umfang Schuldbuchforderungen statt Barzahlungen annehmen.
Natürlich haben wir auch eine Reihe von kritischen Feststellungen zu treffen, die ich im Laufe meiner Ausführungen im Sachzusammenhang anbringen werde. Lassen Sie mich aber hier schon feststellen: die CDU/CSU ist der Meinung, daß alles in allem dieser Entwurf des Bundeshaushalts eine gute Ausgangsbasis für unsere weiteren Beratungen ist. Er steht auch im Dienst der Stabilitätspolitik, die für uns erste Priorität besitzt. Wir alle wissen um die Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, bis diese Vorlage möglich war. Daß wir sie so beraten können, erfordert unseren Dank. Wir danken der Bundesregierung, Ihnen, Herr Finanzminister, insbesondere aber auch allen Ihren Mitarbeitern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir bedauern, daß die Beratung des Etatentwurfs 1966 in erster Lesung erst heute, am 3. März, möglich ist. Die Gründe hierfür sind so vielfältig, daß es nicht angebracht ist, einen Schuldigen anzuklagen, wenn es überhaupt einen solchen gibt.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Die Opposition!)

— Nicht immer ist die Opposition schuld, Herr Möller.

(Abg. Schoettle: Gott sei Dank!)

Wir müssen aber erwarten, Herr Finanzminister, daß der nächstjährige Haushaltsentwurf noch vor den Parlamentsferien dem Bundesrat zugeleitet wird. Wir wünschen auch — das richtet sich an das Hohe Haus — zu prüfen, ob die erste Lesung des Etats 1967 nicht schon im September stattfinden kann, was allerdings dann eine Einschränkung unserer Ferien bedeutet.

(Zustimmung rechts.)

Leider mußten sich bei den Vorberatungen im Haushaltsausschuß die Koalitionsfraktionen dafür entscheiden, die Personaltitel erst nach der Verabschiedung des Haushalts zu beraten. Das war für uns eine sehr unangenehme Entscheidung, die wir aber treffen mußten, um den Haushalt wenigstens noch zwischen Ostern und Pfingsten in dritter Lesung verabschieden zu können. Herr Kollege Schoettle hat bei der ersten Lesung zum Haushalt 1964 zu diesen Fragen Ausführungen gemacht, die wir im wesentlichen teilten. Er schloß seine Ausführungen mit den Worten — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Wir waren einfach in einer Zwangslage, wenn wir nicht den völligen Bankrott des Budgetrechts dieses Parlaments riskieren wollten.
Diesmal erfolgt die erste Lesung fast acht Wochen später als damals. Die Lage ist also noch zwingender. Deshalb ist das Geschrei uni diese Entscheidung nicht ganz verständlich.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir verlangen allerdings, daß wir in Zukunft nicht mehr in eine solche Zwangslage gebracht werden. Dazu könnte die schon seit Jahren von allen Seiten



Leicht
dieses Hauses geforderte Reform des Haushaltswesens beitragen. Wir wissen zwar, daß seit einiger Zeit beim Bundesministerium der Finanzen ein Ausschuß von Beamten des Bundes und der Länder besteht, der sich um gewisse technische Fortschritte bemüht. Teiländerungen und Ergänzungen der Haushaltsordnung werden aber den Anforderungen nicht genügen können, die heute an ein modernes Finanzrecht gestellt werden müssen. Ich denke dabei insbesondere an die Bedeutung der formellen Ordnung der öffentlichen Finanzen und ihrer Rechtsinstitute für die allgemeine Wirtschaftspolitik, insbesondere zur Sicherung von Konjunktur und Wirtschaftswachstum. Wir behalten uns vor, in dieser Frage nach Rücksprache mit allen Fraktionen dieses Hauses im Laufe der Beratungen konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Wir fordern allerdings die Bundesregierung auf, im Vorgriff auf die Haushaltsreform möglichst bald auf einen Zwei-JahresPersonalhaushalt überzugehen.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

Bevor ich mich nach diesen mehr grundsätzlichen Ausführungen einigen Schwerpunkten des Haushalts 1966 zuwende, halte ich es für notwendig, wenige Bemerkungen zu Personalfragen des öffentlichen Dienstes zu machen. Im Entwurf des Haushaltsplans sind zahlreiche Stellenhebungen als Harmonisierungsmaßnahmen gegenüber den Stellenverbesserungen bei den Ländern vorgesehen. Selbst mit den für 1967 bisher schon in Aussicht genommenen Stellenhebungen wird aber eine Angleichung der Stellenpläne des Bundes an die der Länder
lange noch nicht erreicht. Aus Gründen der Gleichbehandlung und der Nachwuchsgewinnung muß angestrebt werden, die Beförderungsverhältnisse beim Bund nicht schlechter zu gestalten als im Mittel bei den Ländern. Dieses Ziel kann jedoch nur dadurch erreicht werden, daß die Länder in der Gestaltung ihrer Stellenpläne an rahmenrechtliche Vorschriften gebunden werden.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Deshalb ist es erneut notwendig, eine Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes anzustreben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Uns scheint dazu im Augenblick der Boden reif zu sein, nachdem auch die Sozialdemokraten — Herr Gscheidle war es, soviel ich weiß — in dieser Frage ihre Bereitschaft gezeigt haben und nachdem die Regierungschefs der Länder in Berlin ein Halt in diesen Fragen angekündigt haben. Vielleicht wäre es für den Herrn Bundesinnenminister ein Weg, den er beschreiten könnte, zusammen mit den Ministerpräsidenten zunächst über eine Ländervereinbarung zur Änderung des Art. 75 zu kommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Erst durch eine Bindung in der Stellenplangestaltung werden auf die Dauer annähernd gleiche Beförderungsverhältnisse gewährleistet und die innere Gerechtigkeit im Besoldungsgefüge wiederhergestellt werden. Auch hier erwarten meine Freunde eine baldige Initiative der Bundesregierung.
Doch nun zu einigen Schwerpunkten des Haushalts! Die Bedeutung, die der Wissenschaft und Forschung für die zukünftige Stellung Deutschlands in der Welt zukommt, haben Bundesregierung und alle Fraktionen zunächst in der Debatte am 10. Februar mit Nachdruck betont. Weitere Begründungen sind heute und hier nicht nötig. Die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung wird dadurch so sehr unterstrichen, daß die Bundesregierung in diesem Haushaltsentwurf eine Steigerung des Gesamtansatzes für den Einzelplan 31 um etwa 30 % vorschlägt. Es ist aber auf diesem Gebiet genauso, meine Damen und Herren, wie auf vielen anderen Lebensgebieten. Der Bedarf, isoliert betrachtet, ist größer als die Möglichkeit, ihm Rechnung zu tragen. Deshalb stehen wir vor der Frage der Auswahl, mit anderen Worten, vor ,dem Zwang, Schwerpunkte zu schaffen. Hier ist ein Schwerpunkt unserer Politik. Dies wurde auch deutlich in der Wissenschaftsdebatte, in der meine Freunde — insbesondere auch der Bundeswissenschaftsminister — unsere Vorstellungen eingehend dargelegt haben. Wir freuen uns darüber, daß dieser Entwurf 100 Millionen DM mehr an Zuschüssen für Hochschulen vorsieht, als im Verwaltungsabkommen mit den Ländern vereinbart war.
Mit Genugtuung stellen wir auch fest, daß in diesem Haushalt Mittel für die Finanzierung von zwei medizinischen Akademien veranschlagt sind. Der große Mangel an medizinischem Nachwuchs ist von der Länderseite bei Abschluß des Länderabkommens über den Neubau wissenschaftlicher Hochschulen nicht berücksichtigt worden. Die Länder haben die Deckung dieses Bedarfs dem Ausbau der alten Hochschulen und den Hochschulneugründungen überlassen, die in 15 Jahren fertiggestellt sein sollen. Wir halten es für richtig, daß die Bundesregierung sich bereit erklärt hat, nach ihren Kräften diesem Mangel zu steuern und auch durch bilaterale Regelungen den Bau medizinischer Akademien zu ermöglichen, solange eine multilaterale Regelung mit oder zwischen den Ländern nicht möglich ist.
Bei diesen Tatsachen müssen wir beim Meinungsstreit, der in der Öffentlichkeit ausgetragen wird, durch Memoranden, durch Reden, durch Demonstrationen ein weit größeres Maß von Loyalität von allen Seiten verlangen, als das zu beobachten ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auch Objektivität bei Feststellung der Ursachen für die Schwierigkeiten in der Finanzierung der Betriebskosten bei DESY in Hamburg — eine Sache, die vor kurzem in diesem Hohen Hause Gegenstand der Polemik war — ist notwendig, wenn man ein sachliches Ergebnis erreichen will. Schwierigkeiten sind doch nur deshalb aufgetreten, weil die Länder ihre Zusage eingeschränkt hatten. Mit Befriedigung stellen wir heute fest, daß durch Entgegenkommen der Bundesregierung und des Landes Hamburg eine Lösung gefunden worden ist.
Ich komme nunmehr zu den Problemen des Verkehrswesens. Straßen, Schienen und Luftverkehrswege sind die Nervenstränge eines hochentwickelten Industriestaates. Ohne ein leistungsfähiges Verkehrsnetz ist unsere Wirtschaft nicht lebensfähig. Ziel der Verkehrspolitik muß daher eine optimale



Leicht
Verkehrsbedienung sein. Dabei dürfen öffentliche Mittel jedoch nur eingesetzt werden, soweit dadurch die Erreichung dieses Zieles gefördert werden kann. Reine Gruppeninteressen von Verkehrsnutzern oder einzelner Verkehrsträger haben bei der Betrachtung auszuscheiden. Vor allem die Planung neuer Verkehrswege bedarf besonderer Sorgfalt. Insbesondere muß dabei geprüft werden, welche Auswirkungen durch den Strukturwandel im Verkehrsaufkommen und durch den Abgang von Transportleistungen auf Pipelines zu erwarten sind. Derartige Überlegungen dürfen auch nicht vor bereits lange projektierten Vorhaben halt machen, weil sich die Verhältnisse grundlegend geändert haben können.
Lassen Sie mich noch auf die Bundesbahn zu sprechen kommen und ein die Bahn und die Post gleichermaßen betreffendes Problem aufgreifen. Ich meine die Frage nach Tarif- bzw. Gebührenerhöhungen. Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zu den Leistungen an die Sondervermögen Bundesbahn und Bundespost haben deutlich gemacht, in welchem Maße der Bundeshaushalt von der Wirtschaftsführung dieser größten Dienstleistungsbetriebe der Bundesrepublik mit immerhin zusammen etwa 900 000 Bediensteten beeinflußt wird.
Bisher ist die Rücksichtnahme verschiedenster Art, die Anpassung der Dienstleistungsentgelte von Bahn und Post an die veränderten Kosten, wenn überhaupt, dann nur sehr zögernd und verspätet vorgenommen worden. Es wird jedoch niemand die Augen davor verschließen können, daß die nachteiligen volkswirtschaftlichen Wirkungen durch den Verzicht auf eine Tarifkorrektur nicht ausgeschaltet werden können. Im Gegenteil, das Festhalten an nicht kostengerechten Leistungsentgelten führt zu Verzerrungen und zu Fehlleitungen von Produktivitätskräften, ohne zu verhindern, daß die Kostendeckung schließlich doch als Forderung an den Haushalt in Erscheinung tritt, die Haushaltswirtschaft empfindlich stört und die Stabilität gefährdet. Es ist daher dringend geboten, die Leistungsentgelte von Bahn und Post mehr, als bisher nach den Kosten auszurichten und der Kostenentwicklung anzupassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nur auf dieser Grundlage können dann die gezielten Maßnahmen des Bundeshaushalts zugunsten
von Bahn und Post auch die gewollte Wirkung entfalten.
Im Zusammenhang mit den finanziellen Problemen der Bundesbahn sollte auch einmal die Betätigung der Bundesbahn in Gesellschaften des Handelsrechts erörtert werden. Ich verkenne nicht, daß es eine Reihe von Gesellschaften gibt, die den Eisenbahnbetrieb der Bundesbahn ergänzen und deshalb notwendig sind. Aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Bundesbahn auch darüber hinaus einen ganz schönen Ehrgeiz entwickelt. So soll sich die Bundesbahn nach Pressenotizen — und ich unterstelle einmal, daß das zumindest im großen stimmt — kürzlich über Tochtergesellschaften an einer Luftverkehrsgesellschaft beteiligt haben. Den Erwerb und den weiteren Ausbau dieser Gesellschaft finanziert die Bundesbahn letztlich, meine
Damen und Herren, mit Mitteln, die sie aus dem Bundeshaushalt bekommt,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

und sie tut das, während der Bund gleichzeitig seine Beteiligung an der Lufthansa vermindert. Die Bundesbahn soll sich auch an Hotels beteiligt haben, die noch dazu nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Hier sollte die Bundesregierung Vorsorge treffen, daß die Beteiligungspolitik der Bundesbahn in Zukunft schärfer überwacht und mit den Grundsätzen des Bundes abgestimmt wird.
Wenden wir uns dem Agrarsektor zu. Über die Bedeutung der deutschen Landwirtschaft sind wir alle einig. Das wurde gestern bei der Aussprache über den Grünen Bericht ja deutlich. Jeder von uns weiß auch, daß unsere Landwirtschaft auf eine finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand zur Zeit und sicherlich noch in weite Zukunft hinein noch nicht verzichten kann.

(Zuruf von rechts: Hoffentlich!)

Aber gerade deshalb sollten wir der EWG-Agrarfinanzierung besondere Beachtung schenken. Aus kleinen Anfängen heraus entstehen hier für den Bund Dauerausgaben von Hunderten von Millionen jährlich. Die gemeinsame Agrarfinanzierung enthält viele Probleme, von denen ich nur einige wenige in diesem Zusammenhang aufzeigen kann. Für Deutschland ist die EWG-Agrarfinanzierung ein gezieltes Opfer, das wir für den Gemeinsamen Markt bringen. Per Saldo der Einnahmen und Ausgaben ist und bleibt unsere Beteiligung an dem europäischen Agrarfonds ein Verlustgeschäft. Deshalb können wir kein Interesse an einer Ausweitung des Fondsvolumens haben; denn in absoluten Zahlen ausgedrückt wird das Verlustgeschäft für uns immer größer, je mehr die Ausgaben des Agrarfonds steigen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Daraus sollten wir meines Erachtens zwei Lehren ziehen. Wir müssen nämlich dazu beitragen, daß das europäische Agrarpreisniveau nicht übermäßig hoch festgesetzt wird.
Die andere Lehre ist die: Solange die jetzige Vorregelung gilt, sollten wir möglichst nicht den Weg über den Europäischen Agrarfonds, sondern den der nationalen Ausgaben wählen, wenn wir den deutschen Bauern Geld geben wollen, um ihr Einkommen zu verbessern.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die zweite Frage ist, wie man über die Agrarfinanzierung in der EWG am zweckmäßigsten verhandelt. Es gibt bei uns manchen, der sagt, der Gemeinsame Markt sei für die deutsche Wirtschaft von so großem Interesse, daß wir ihn uns auch etwas kosten lassen müßten. Das ist wohl richtig. Aber wir haben uns ja bereits ein großes Opfer zugunsten der Gemeinschaft auferlegt, ein Opfer, das uns in der Endphase per Saldo mehr als i Milliarde DM, wenn ich gestern richtig gehört habe, sogar bis zu 2 Milliarden DM jährlich kosten wird.

(Zuruf rechts: Drei!)




Leicht
Bei dieser Sachlage sollten wir, und zwar nicht nur aus haushaltspolitischen Gründen, den Ministern für Wirtschaft, Finanzen und Ernährung das Vertrauen und die Vollmacht geben, in den Verhandlungen über die EWG-Agrarfinanzierung in Brüssel auch weiter einen festen Standpunkt einzunehmen. Daran knüpfen wir die Erwartung, daß der deutsche Steuerzahler nicht noch größeren Belastungen ausgesetzt wird.
Mit Recht hat der Herr Bundesfinanzminister darauf verwiesen, daß die Sozialleistungen des Bundes, die beinahe ein Drittel des Gesamthaushalts ausmachen, fast ausschließlich nach Grund und Höhe festgelegt sind und fast überhaupt keinen haushaltspolitischen Entscheidungsspielraum mehr lassen. Das ist aber, zumindest rückschauend betrachtet,. heute mehr oder weniger eine Zwangsläufigkeit geworden, und man sollte daran nicht die Schlußfolgerung knüpfen, daß die Sozialleistungen, die wir bisher gewähren, in Zukunft eingeschränkt werden sollten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Haushaltspolitisch bleibt allerdings die Tatsache besonders schwerwiegend, daß vor allem die allgemeinen Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung mit der Lohnentwicklung von Jahr zu Jahr automatisch anwachsen, so daß Milliardenbeträge als Vermögen der Sozialversicherungsträger entstehen, die — zumindest sagen mir das auch meine sozialpolitischen Freunde — nicht in diesem Maße weiter anwachsen dürfen. Vielmehr müssen hier Überlegungen angestellt werden, wie man — die Gelder werden zwar woanders gebraucht, sie entlasten den Haushalt nicht — nun vermeidet, daß dieses Ansteigen weitergeht.
Lassen Sie mich hier gleich eine Bemerkung zu den gesetzlichen Automatismen machen. Wir haben ja eine ganze Reihe dieser gesetzlichen Automatismen in unserem Haushaltswesen. Was ich jetzt sage, gilt also ganz allgemein, nicht nur im Bereich der Sozialausgaben. Mittels dieser gesetzlich eingebauten Automatismen wird bereits im voraus über einen erheblichen Teil des Zuwachses der Steuereinnahmen für ganz bestimmte Zwecke verfügt. Der Spielraum für eine bewegliche Haushaltspolitik wird entsprechend eingeengt und das jährliche Budgetrecht des Parlaments in doch ziemlich bedenklicher Weise beschränkt, wenn man eben weiß, daß wir praktisch nur noch über 10 oder 8% des gesamten Haushaltsvolumens frei entscheiden können.
Ich möchte nun nicht — es ist mir ein Anliegen, das besonders zu betonen — den Bundeszuschuß auf dem Gebiete der Sozialversicherung in Frage stellen. Im Gegenteil! Ich möchte aber das Hohe Haus aus den Gründen, die ich ganz kurz nur angedeutet habe, bitten, diese Frage in die Überlegungen zur Neuordnung der Grundlagen und der Rücklagevorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung für den zweiten, 1967 beginnenden Deckungsabschnitt einzubeziehen. Das ist ein Anlaß, wo man so etwas überdenken kann. Gleichzeitig und umgehend müssen alle Subventionen, die sich ja in einer Zahl von rund 28 Milliarden DM, wie wir aus dem Finanzbericht entnehmen konnten, uns darbieten, überprüft werden, um überhaupt wieder eine gewisse Beweglichkeit für echte politische Entscheidungen zu gewinnen.
Einen Ansatz im Bereich des Sozialhaushalts möchte ich noch kurz streifen. Ich denke an die erst im vergangenen Jahr eingeführte Ausbildungszulage. Es werden Zweifel an dem bildungspolitischen Effekt dieser Maßnahme geäußert, und man verweist darauf, daß zumindest bei den Beziehern höherer Einkommen diese Einkommenshilfe eingespart werden könnte. Außerdem wird es nicht für gerechtfertigt gehalten, daß auch erwachsene Kinder, die ,gar nicht mehr von der Familie unterhalten werden, bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für die Ausbildungszulage mitgezählt werden. Meine Fraktion ist im Augenblick schon dabei - und wir bitten das Hohe Haus insgesamt, auch die Bundesregierung —, eine Überprüfung anzustellen, weil sie uns unbedingt erforderlich erscheint.

(Beifall in 'der Mitte.)

Während die Ausgaben für die soziale Sicherheit im Jahre 1966 gegenüber dem Vorjahr erhöht worden sind, sind im Bundeshaushaltsplan 1966 die Verteidigungsausgaben im engeren Sinne um 0,8 Milliarden auf 18,6 Milliarden DM gesenkt worden; „im engeren Sinne" bedeutet, ohne — was ja aus ganz bestimmten Gründen immer gemacht wird - die Berlin-Leistungen mit einzubeziehen. Die Ausgaben für unsere Streitkräfte liegen um rund 900 Millionen DM niedriger als der Ansatz 1965. Im Hinblick auf die bereits laufenden oder vor der Durchführung stehenden Umrüstungsvorhaben bei den Streitkräften sowie auf die weiter anwachsenden Kosten für Personal und die Materialerhaltung kann eine weitere Kürzung der Verteidigungsausgaben für die Folgejahre nicht in Betracht gezogen werden. Im Gegenteil, als Ausblick für das Jahr 1967 ergibt sich schon jetzt, daß der Plafond des Einzelplans 14 im nächsten Jahr aufgestockt werden muß, schon um unsere internationalen Verpflichtungen zu erfüllen und die Forderung auf Vorwärtsverteidigung aufrechtzuerhalten. Abgesehen davon muß der Verteidigungshaushalt so bemessen werden, daß der Devisenausgleich gegenüber unseren Verbündeten gewährleistet ist. Dies sollte man sich bereits heute vor Augen halten und nicht darauf vertrauen, daß die für 1967 zu erwartende Dekkungslücke etwa durch eine zusätzliche Herabsetzung der Ausgaben für die Bundeswehr geschlossen werden könnte; das wäre unreal. Das bedeutet nicht, daß wir alles so hinnehmen, wie es dieser Entwurf vorsieht. Wir werden bei den Einzelberatungen diesen Etat, wie in den vergangenen Jahren — und wir sind es gewesen, die 1965 fast eine Milliarde gestrichen haben —, sehr kritisch durchleuchten.
Meine Damen und Herren, die Haushaltslage des Bundes in den kommenden Rechnungsjahren dürfte es ausschließen, daß der Ausgabenzuwachs im Bereich der Entwicklungshilfe ständig, wie im Etat 1966, über dem durchschnittlichen Ausgabenzuwachs des Gesamthaushaltes liegt. Die Höhe der Baransätze ist zwar weitgehend durch die Auszah-



Leicht
lungsverpflichtungen bestimmt, die im Rahmen der Bindungsermächtigungen der Vorjahre und durch multilaterale Abkommen begründet worden sind.
Eine Steuerung der Ausgabenentwicklung auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe ist bei dieser Sachlage nur über die Bindungsermächtigungen und die multilateralen Abkommen möglich. Der Haushaltsentwurf 1966 bringt wiederum eine hohe Steigerung der Bindungsermächtigungen. Es sollen also künftige neue Verpflichtungen in einem solchen Umfange begründet werden — wenn ich mich recht entsinne: 1,6 Milliarden DM —, daß es ausgeschlossen erscheint, den Ausgabenzuwachs bei der Entwicklungshilfe dem durchschnittlichen Ausgabenzuwachs des Gesamthaushaltes anzupassen. Hier erwarten wir von der Bundesregierung eine klarere Zielsetzung. Die Höhen der Bindungsermächtigungen werden im Zuge der Beratungen, soweit wir es vertreten können, herabzusetzen sein.
Ein Wort der Kritik auch noch zu der Entwicklung der Beiträge an die internationalen Organisationen. Schon seit Jahren beobachten wir mit Sorge — im Haushaltsausschuß spielt das immer eine große Rolle —, daß viele Beiträge in einem unverhältnismäßig stärkeren Maße anwachsen, als es etwa dem Zuwachs der nationalen Haushalte entspräche. Aus den Ansätzen des uns vorliegenden Haushalts 1966 ergibt sich, daß sich diese Entwicklung leider fortsetzt. Gegenüber 1965 ist wieder eine Steigerung um rund 200 Millionen DM auf rund 950 Millionen DM eingetreten; das bedeutet eine Steigerungsquote von etwa 26 %.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Von dem Steigerungsbetrag entfallen über 50 Millionen DM auf Beiträge an die Sonderorganisationen und Sonderfonds der Vereinten Nationen, rund 75 Millionen DM auf Beiträge an die europäischen Gemeinschaften und rund 50 Millionen DM auf Beiträge an europäische Kernforschungs- und Weltraumforschungseinrichtungen. Ich glaube, daß diese Zahlen uns allen zu denken geben müssen, und zwar einfach deshalb, weil wir als Parlament — zumindest so, wie es jetzt aussieht — auf diese Dinge gar keinen Einfluß mehr haben.
Die mißliche Situation für uns besteht darin, daß wir diese Anforderungen weitgehend als rechtliche Verpflichtungen einfach hinnehmen müssen und bei den Haushaltsberatungen nur geringe Einwirkungsmöglichkeiten haben. Um so mehr müssen wir von der Bundesregierung fordern, daß Sie alle Möglichkeiten nutzt, hier gemeinsam mit den Vertretern anderer Staaten eine vernünftige Regelung zu erzielen. Die sich dabei ergebenden Schwierigkeiten sind uns klar, zumal bei solchen Organisationen, bei denen die Empfängerländer zahlenmäßig ungleich stärker als die Hauptbeitragszahler vertreten sind. Sollten aber keine befriedigenden Ergebnisse zu erzielen sein, wird dieses Parlament auch einmal vor drastischen Maßnahmen nicht zurückschrecken dürfen.
Im folgenden spreche ich einen Punkt an, der auch mit finanzieller Hilfe, wenn auch natürlich einer ganz anderen Art, zu tun hat. Ich meine die
Ergänzungsanweisungen gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 des Grundgesetzes. Auf Betreiben der finanzschwachen Länder Bayern ,Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein hat der Bundesrat vorgeschlagen, diesen Ländern Ergänzungszuweisungen in Höhe von nunmehr — nach Vorschlag des Finanzausschusses des Bundesrates —250 Millionen DM zu gewähren. Auf die Ursachen der Schwierigkeiten der Länder will ich gar nicht eingehen; es wäre sicherlich sehr viel dazu zu sagen. Meiner Meinung nach kann. der Vorschlag nur als der Versuch bezeichnet werden, aus der disziplinierten Haushaltsgebarung des Bundes Nutzen zu ziehen, ohne daß die Voraussetzungen für solche Ergänzungszuweisungen vorliegen. Das wird deutlich, wenn man in der Stellungnahme des Bundesrates liest, es könne dem Bund zugemutet werden — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502513500
Eine Zwischenfrage?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502513600
Herr Kollege Leicht, Sie haben soeben gesagt, es werde ein Nutzen aus undiszipliniertem Verhalten gezogen. Sind Sie nicht mit mir einig, daß z. B. finanzschwache Länder wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein in einer solchen Lage sind, daß man nicht von undiszipliniertem Finanzverhalten sprechen kann?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0502513700
Erstens habe ich mich nicht so ausgedrückt, wie Sie sagen, und zweitens, Herr Hermsdorf, habe ich bewußt gesagt: „Auf die Gründe, warum es einzelnen Ländern bekanntermaßen und anerkanntermaßen schlecht geht, will ich nicht eingehen. Es wäre viel dazu zu sagen."

(Abg. Hermsdorf: Dann soll man aber auch nicht gegen die Länder polemisieren!)

- Ich polemisiere gar nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe wörtlich gesagt — im Blick auf den Haushalt 1966 und den Vorschlag des Bundesrates, und wenn Sie es nochmals gehört haben, dann überlegen Sie sich diesen Gedankengang, ob Sie dann noch von „Polemisieren" sprechen können —: Meiner Meinung nach kann der Vorschlag nur als der Versuch bezeichnet werden — wohlgemerkt: unter dem Aspekt Haushalt 1966 —, aus der disziplinierten Haushaltsgebarung des Bundes Nutzen zu ziehen, ohne daß die Voraussetzungen für solche Ergänzungszuweisungen vorliegen.
Das wird deutlich — und jetzt hören Sie zu! —, wenn man in der Stellungnahme des Bundesrates liest, es könne dem Bund zugemutet werden, mit jenen 200 Millionen DM, die für die teilweise Abdeckung des Defizits aus 1965 vorgesehen sind, den Ländern unter die Arme zu greifen. Dabei ist völlig außer acht gelassen, daß dieser Betrag ausdrücklich — und wie ich anmerken möchte, zu Lasten der Versorgungsempfänger — im Haushaltsjahr 1966 frei gemacht worden ist, um jetzt einen Teil des Defizits aus 1965 auszugleichen, damit die Versorgungsempfänger wenigstens schon 1967 und nicht



Leicht
erst, wie ursprünglich vorgesehen, im Jahre 1968
in den vollen Genuß der gesetzlich festgelegten Leistungsverbesserungen kommen. Über diesen Zusammenhang, Herr Kollege Hermsdorf, hätte man sich Klarheit verschaffen können, bevor man einfach die Hand nach diesen 200 Millionen DM ausstreckte. Man hätte sich nämlich von diesem Zusammenhang in der Bundestags-Drucksache zu Drucksache V/84 überzeugen können. Ich lese Ihnen wörtlich vor.

(Zuruf von der SPD: Sie haben ja bisher nur vorgelesen!)

— Vielleicht machen Sie es besser, Herr Tamblé.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der Cicero Tamblé!)

Ich will Ihnen nicht noch mehr sagen. — In diesem Schriftlichen Bericht, der von diesem Hause ja dann angenommen worden ist — ich selber war Berichterstatter anläßlich des Haushaltssicherungsgesetzes —, steht:
Die im Jahre 1966 gegenüber der Regierungsvorlage eintretende zusätzliche Einsparung für den Bund ... von rund 227 Millionen DM
— nicht nur 200 Millionen —
soll zur Deckung eines Teils des für 1965 zu
erwartenden Kassendefizits verwendet werden,
um damit die durch die Neufassung gegenüber
dem Regierungsentwurf entstehenden Mehrkosten im Jahre 1967 in etwa auszugleichen.
Nichts anderes ist hier gemacht worden, als was der
Bundestag selber als seine Meinung gesagt hat.
Diese notwendigen kritischen Bemerkungen, meine Damen und Herren, sollen aber keineswegs den positiven Gesamteindruck verdecken, den wir im ganzen gerade von diesem Haushalt haben müssen. Der Ausblick auf das Jahr 1966 ist, soweit die Haushaltsgestaltung des Bundes in Frage steht, durchaus befriedigend. Nach dem Haushaltssicherungsgesetz wird dieser Haushalt ein zweiter Schritt, ein weiteres Glied in der Kette der Maßnahmen sein, die die Regierungsparteien ergreifen, um die ökonomische Grundlage für eine sich in Frieden und Freiheit festigende Gesellschaft sicherzustellen.
Dieser Etat ist, wie wir meinen, solide. Er ist ausgeglichen, er ist gut finanziert, nämlich nur mit ordentlichen Einnahmen und einem sehr „angemessenen" — im Verhältnis' gesehen — Kreditbedarf. Dieser Haushalt wirkt unserer Meinung nach auch antizyklisch und dieser Etat wirkt daher inflationären Tendenzen entgegen, aber nur dann — das muß uns klar sein und ist uns auch klar —, wenn er so durchgeführt wird, wie er, hoffentlich bald, dieses Hohe Haus verläßt. Daß das möglich ist, beweist uns der Etat 1964, in dem der Ausgaberahmen mit dem Einnahmerahmen auch am Schluß des Rechnungsjahres noch übereingestimmt hat.
Aus dem Finanzbericht ergibt sich für 1967 ein voraussichtlicher Ausgabenbedarf von rund 77 Milliarden DM. Diesem Ausgabenbedarf von geschätzten 77 Milliarden stehen ordentliche Einnahmen nur in einer Größenordnung von rund 71,4 Milliarden DM gegenüber. Gelingt es, die verbleibende
Deckungslücke zu etwa einem Drittel durch Inanspruchnahme des Kapitalmarkts zu schließen, so verbleibt dennoch ein ungedeckter Fehlbetrag von etwa 4 Milliarden DM im Jahre 1967. Für die kommenden Jahre bis 1970 ergibt sich kein günstigeres Bild. Unterstellt man, daß auch in diesen Jahren eine Deckung der Finanzierungslücke auf dem Anleiheweg zu etwa einem Drittel möglich sein wird, so verbleiben weiterhin Deckungslücken von durchschnittlich 4 Milliarden DM. Zu berücksichtigen ist dabei — und das sollte man nicht aus den Augen verlieren —, daß der geschätzte Ausgabenbedarf zu 90 % auf Ausgaben entfällt, die auf gesetzlicher, vertraglicher oder internationaler Bindung beruhen.
Die Schwierigkeiten der künftigen Jahre werden noch offensichtlicher, wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß beim vorgeschätzten Bedarf für die Jahre bis 1970 keine Aufwendungen für neue Maßnahmen aufgenommen sind. Daß solche kommen, wissen wir. Für uns ist es z. B. klar, daß in der Kriegsopferversorgung etwas geschehen muß. Entsprechendes gilt für andere Probleme. Es ist also klar, daß diese neuen Ausgaben kommen.
Ich möchte mich nicht mit dem Zahlenwerk auseinandersetzen, das in diesem Finanzbericht dargelegt worden ist — vielleicht tut es mein Kollege Dr. Althammer —, und zwar deshalb, weil die Größenordnungen des vorausgeschätzten Defizits von vielen unwägbaren Faktoren abhängen, worüber wir uns sicherlich alle klar sind. Aber eines ist jedenfalls offensichtlich: daß im Aufzeigen einer solchen Entwicklung für Regierung und Parlament eine Herausforderung liegt, auf die wir einfach eine Antwort zu geben haben. Die Antwort kann nur darin bestehen, daß die Bundesregierung in erster Linie die verschiedenen Staatszwecke nach Prioritäten neu ordnet und uns spätestens beim Haushalt 1967 entsprechende Vorschläge unterbreitet. Das wird zwar harte Entscheidungen fordern, aber ich hoffe, daß das, was der Herr Bundeskanzler heute morgen gesagt hat, schon andeutet, daß die Regierung gewillt ist, hier etwas zu tun.
Wenn wir der sich abzeichnenden Entwicklung Herr werden und den Haushaltsausgleich in den kommenden Jahren zu einem wesentlichen Teil durch Ausgabekürzungen erzwingen wollen, ergeben sich nur folgende Möglichkeiten: 1. einschneidende Eingriffe in die beeinflußbaren Ausgaben, insbesondere im Bereich der Subventionen, 2. neue gesetzliche Maßnahmen — dabei ist an die Durchforstung insbesondere der Steuer- und Prämienvergünstigungen mit dem Ziel ihrer Harmonisierung und wohl auch ihres teilweisen Abbaues zu denken —, 3. Kürzung von rechtlich gebundenen Ausgaben, 4. Entlastung des Bundeshaushalts durch Reorganisation der Bundesbahn und Konsolidierung der Bundespost und 5. Zurückhaltung bei neuen Ausgaben. Nur eine gleichzeitige und alsbaldige Inangriffnahme der verschiedenen Maßnahmen läßt einen durchgreifenden Erfolg erhoffen. Wir erwarten daher von der Bundesregierung in diesem Rahmen unverzüglich Vorschläge.
Daneben halten wir es für dringend notwendig, durch eine Änderung des Grundgesetzes den



Leicht
Art. 113 zu einem praktisch brauchbaren Instrument zur Sicherung der Bundesfinanzen zu machen und zugleich eine Änderung des § 96 der Geschäftsordnung dieses Hauses zu beschließen. Ein Vorschlag meiner Fraktion hierzu liegt dem Haus bereits vor. Wir wären dankbar, wenn er demnächst oder ziemlich schnell hier behandelt werden könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, auch die Opposition muß jetzt Farbe bekennen. Ich nehme an, daß Herr Schoettle das gleich tun wird.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Sie haben doch noch keine Farbe bekannt!)

Sie muß klarstellen, ob sie wenigstens grundsätzlich bereit ist, auf dem vorgezeichneten Wege mitzumachen, oder ob sie auch künftig auf dem Gebiet der Haushaltspolitik weiter in untätiger Kritik verharren will.
Es ist der Zeitpunkt gekommen — und damit möchte ich schließen —, wo es nicht mehr genügt, in Finanzfragen nur den Mund zu spitzen, wie Sie es, Herr Kollege Schoettle, einmal so schön gesagt haben,

(Abg. Schoettle: Ich werde es Ihnen wieder sagen!)

sondern es muß endlich gepfiffen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn — und nun spreche ich mit einem ehemaligen Kollegen, wenn man so sagen darf — um mit dem Bankier und ehemaligen Abgeordneten David Hansemann zu sprechen — es war in einer Sitzung des Vereinigten Landtags am 8. Juni 1847 —: Bei Geldsachen — bei Geldsachen, so heißt das wörtliche Zitat — hört die Gemütlichkeit auf. Auch für Sie, auch für uns, für alle!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502513800
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502513900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir scheinen bei den Haushaltsberatungen einen neuen Stil zu entwickeln; wenigstens scheint es mir so, wenn ich einen Vergleich mit früheren Gepflogenheiten ziehe. Betrachten Sie diese Bemerkung bitte nicht als einen Ausfluß persönlichen Gekränktseins. Immerhin ist es eine Neuerung gegenüber früher, daß, nachdem der Bundesfinanzminister einen langen Teil der Beratung mit der Begründung seines Haushalts in Anspruch genommen hat, dann auch der Herr Bundeskanzler in die Arena reitet und dann die stärkste Regierungsfraktion noch die Spitze der Diskussion nimmt. Das erweckt doch stark den Eindruck, als ob man das Wort der Opposition möglichst weit in den Hintergrund drängen oder gar durch die Wucht eines massiven Aufmarsches überdecken wollte.

(Beifall bei der SPD.)

Das ist aber schließlich eine Geschmacksfrage. Und wenn es Ihr Geschmack ist, wir können ihn nicht ändern.

(Abg. Killat: Das ist die chloroformierte Gesellschaft! — Heiterkeit bei der SPD.)

So viel zum Stil.
Nun zur Sache, meine Damen und Herren. Die gestrige Rede des Herrn Bundesfinanzministers könnte man als die Eröffnungsbilanz für die 5. Legislaturperiode des Bundestages bezeichnen. Denn was der Herr Bundesminister über den Inhalt des Haushalts des Jahres 1966 hinaus gesagt hat, was er für die nächsten Jahre in Aussicht gestellt hat und was durch die statistischen Daten des Finanzberichts 1966 an Einzelheiten beigesteuert worden ist — und das ist nicht wenig —, hat ein Bild abgerundet, das man nur als düster bezeichnen kann. Das Ergebnis kurz susammengefaßt — Herr Kollege Leicht hat schon einige Daten dazu genannt —: Die Bundeshaushalte bis 1970 werden unter den gegebenen Voraussetzungen — keine Aufwendungen für neue Maßnahmen auf der Ausgabenseite, kein Ansatz für außerordentliche Deckungsmittel auf der Einnahmenseite, keine Defizite ab 1966 — genauso beengt sein wie der Haushalt, den uns der Herr Bundesfinanzminister gestern unterbreitet hat.
Bei einem Gesamtausgabenbedarf, der nach dem Finanzbericht — ich verkürze hier die Perspektive etwas — von 1967 mit 76,5 Milliarden DM auf 1970 mit 86,1 Milliarden steigen soll, wird sich die Finanzierungslücke immer um Beträge zwischen 5 und 7 Milliarden DM herum bewegen. Der Finanzbericht, den man wohl als eine Verbesserung gegenüber früher bezeichnen darf, ist zwar noch immer unzulänglich als Instrument einer längerfristigen finanzpolitischen Vorausschau, aber er ist immerhin nützlich als eine Orientierung über eine ganze Reihe von Daten.
Jedenfalls muß man sich die Bedeutung der Erkenntnisse, die auf Seite 97 des Finanzberichts 1966 niedergelegt sind, für die kommende Finanz- und Haushaltspolitik gründlich zu Gemüte führen. Da wird in aller Nüchternheit folgendes festgestellt:
Vorausschauen läßt sich, daß selbst bei einer Besserung der Kapitalmarktlage voraussichtlich die Finanzierungslücken kaum zu mehr als einem Drittel durch Kreditmarktmittel geschlossen werden können. Danach ergibt sich, daß in den Jahren bis 1970 eine Finanzierungslücke von durchschnittlich 4 Milliarden jährlich verbleibt. Diese permanente Finanzierungslücke
— ich zitiere immer noch den Finanzbericht —
ist darauf zurückzuführen, daß durch die automatische Steigerung der Ausgaben auf Grund der einigen Gesetzen innewohnenden Dynamisierung der jährliche Einnahmezuwachs mehr als aufgezehrt wird. Hieraus wird deutlich, daß es sich bei den wiederkehrenden Finanzierungslücken um einen strukturell bedingten defizitären Ausgabeüberhang handelt. . . . Wenn Steuererhöhungen vermieden werden sollen, müssen auf der Ausgabeseite tiefgreifende



Schoettle
Umstellungen vorgenommen werden. Von den gegenwärtig im Bundeshaushalt vorhandenen Schwerpunkten können nur wenige bestehenbleiben.
Das, was der Herr Bundeskanzler heute vormittag gesagt hat, deutet darauf hin, daß man hier auf dem Weg der längerfristigen Finanzplanung den Versuch machen will, die Klippen, die in einer solchen Prognose zweifellos sichtbar werden, zu bewältigen, ohne die Konsequenzen zu ziehen, die hier auch im Finanzbericht als eine Alternative angedeutet sind, nämlich Steuererhöhungen, durch die vermieden werden könnte, daß tatsächlich tiefgreifende Umstellungen auf der Ausgabeseite des Bundeshaushalts vorgenommen werden müßten.
Diese düstere Prognose ist, wie gesagt, dem Finanzbericht entnommen. Wenn man sich die Konsequenzen für die Finanz- und Haushaltspolitik der Bundesregierung für die nächsten Jahre einmal vorstellt, dann kann man nur zu dem Schluß kommen, daß die offenkundige Ausweglosigkeit dazu führen muß, eine Reihe von Ausgabegesetzen erneut zu ändern, und zwar mit der Absicht, die Ausgaben herabzusetzen, mit anderen Worten: eine Neuauflage des Haushaltssicherungsgesetzes. Man kann nur die Frage stellen: Oder was denn sonst?
Der Herr Bundesfinanzminister hätte übrigens — das sei hier mit aller Deutlichkeit gesagt — das, was ich die Eröffnungsbilanz für die Legislaturperiode genannt habe, schon weit früher und mit gar nicht sehr verschiedenen Daten dem Parlament vorlegen können, ja vorlegen müssen,

(Beifall bei der SPD)

nämlich spätestens im Frühjahr 1965, als sich das Parlament anschickte, jene großen finanzwirksamen Gesetze zu beschließen, die in allen entscheidenden Punkten aus dem Schoße der Regierung oder der Regierungskoalition hervorgegangen sind und die dann schließlich zu dem geführt haben, was man mit Recht den Finanzschock des Jahres 1965 genannt hat. Er wirkt heute noch — ich möchte sagen, glücklicherweise — auf allen Seiten dieses Hauses und auch in der Öffentlichkeit nach. Die Regierung hat sich aber damals darauf beschränkt, zu protestieren, nachdem das Parlament bereits auseinandergegangen war, und hat lediglich dem neu zu wählenden Bundestag mit dem Knüppel eines Haushaltssicherungsgesetzes gewinkt, das damals in Ansätzen schon offenbar vorbereitet wurde und dann auch dem Hause vorgelegt worden isst.

(Zurufe von der CDU/CSU: Vor der Wahl! — Also doch!)

— Was heißt „Also doch"? Ich sage: die Bundesregierung hat das Parlament erst nach Hause gehen lassen, ehe sie wirklich — scheinbar — tätig geworden ist. Sie hat aber die Verantwortung für das, was zu tun war, dem neuen Bundestag überlassen.
Der Bundesfinanzminister hat gestern in seiner Rede wieder einmal davon gesprochen — auch Herr Kollege Leicht hat das heute gesagt —, daß sich die Opposition diesem Haushaltssicherungsgesetz versagt habe. Er sollte nicht vergessen, daß wir unsere Haltung in erster Linie darauf gestützt haben, daß damit Änderungen an einem Haushalt beschlossen werden sollten, der noch nicht einmal in Umrissen für das Parlament sichtbar war.

(Beifall bei der SPD.)

Auf den Gesamtvorgang, meine Damen und Herren, ist nicht zu Unrecht das Wort geprägt worden, daß man vor der Wahl mit der Gießkanne querfeldein gegangen sei, um nach der Wahl die ausgestreuten Gaben mit dem Staubsauger wieder einzusammeln. Wir können das bis heute noch nicht als eine ordentliche und vernünftige Finanzpolitik betrachten.
Herr Minister Dahlgrün hat übrigens in seinem Rückblick auf den Bundeshaushalt 1965 einige Ansichten bestätigt, die wir Sozialdemokraten bereits früher dazu geäußert haben. Ich will nicht alle Bedenken wiederholen, die wir während der Beratungen des letztjährigen Haushalts vorgebracht haben. Ich will nicht noch einmal die Kunstgriffe hier dartun, mit denen die Deckungslücke in Höhe von 2,4 Milliarden DM geschlossen worden ist. Es bleibt nur festzustellen, daß folgende Tatsachen durch den Finanzminister, wenn auch nicht verbal, so doch dem Sinne nach bestätigt worden sind. Der Bundeshaushalt 1965 war nicht solide bilanziert und verstieß in einer Reihe von Punkten gegen die Etatwahrheit und -klarheit. Wieweit es der gegenwärtige Entwurf tut, wird zu untersuchen sein. Der Haushalt 1965 war zwar formal, aber nicht tatsächlich in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen. Außerhalb des Haushalts sind eine ganze Reihe von Aufwendungen vorgenommen worden, die eigentlich in den Haushalt gehört hätten, Dadurch, daß sie außerhalb des Haushalts stattfanden, haben sie das Etatvolumen künstlich niedergehalten. Das Etatvolumen lag höher, als der Soll-Ansatz von 63,9 Milliarden DM vorgab. Es lag über dem Zuwachs des Sozialprodukts und um rund 2 Milliarden DM über dem Soll.
Der Vergleich zwischen Ist und Soll und der Streit darüber, ob das eine zulässige Vergleichsmethode sei, brauchen hier nicht weitergeführt zu werden; man kann das so oder so beurteilen. Wenn man von dem Haushalts-Soll 1965 ausgeht, dann bleibt jedenfalls festzustellen, daß das Ist, d. h. der vollzogene Haushalt, um rund 2 Milliarden DM darüberlag. Das Defizit von rund 700 Millionen DM wird die Haushaltswirtschaft der Jahre 1966 und 1967 zusätzlich belasten. So gesehen ist auch der Haushalt 1965 leider nicht, wie mein Kollege Dr. Schiller gelegentlich zu sagen pflegt, der „Schnee vom vorigen Jahr".
Vor uns stehen nun der Haushalt 1966 und die mit ihm verbundenen finanzpolitischen und allgemeinpolitischen Fragen. Der Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede eine bemerkenswerte Warnung ausgesprochen. Er sagte nämlich — und darin können wir ihm nur zustimmen —, daß nicht nur von zu hohen, sondern auch von zu niedrigen Staatsausgaben nachteilige Wirkungen für unsere Volkswirtschaft ausgingen; die Staatsaufgaben dürften weder vernachlässigt noch übermäßig vorangetrieben werden. — Das gilt nach unserer Meinung für alle Ebenen der öffentlichen Gewalt. Deshalb ist eine Abstimmung der Haushaltspolitik aller öffent-



Schoettle
lichen Hände, wie sie das Gutachten der TroegerKommission vorsieht, durchaus wünschenswert.
Wir Sozialdemokraten treten keineswegs für überhöhte öffentliche Haushalte ein. Wer uns das andichtet, erzählt Märchen. Was wir wollen, sind sachgerechte Haushalte, die den jeweiligen Trägern der öffentlichen Gewalt die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglichen. Bei dem Zustand, in den unsere Finanzwirtschaft durch das allzulange Aufschieben der längst notwendigen Reform geraten ist, ist diese Aufgabenerfüllung an vielen Punkten in Frage gestellt. Wir sind uns durchaus darüber klar, daß die Realisierung der Vorschläge der Troeger-Kommission nicht von heute auf morgen möglich ist. Der Bundesfinanzminister hatte vermutlich nur allzu recht, als er gestern meinte, daß diese Aufgabe den 5. Deutschen Bundestag während seiner ganzen Legislaturperiode beschäftigen werde. Es wäre nach unserer Meinung aber ein verhängnisvoller Irrtum, zu glauben, daß die Lösung aller Fragen, die uns die gegenwärtige Lage unserer öffentlichen Finanzwirtschaft auf allen Ebenen stellt, bis zu dem Zeitpunkt verschoben werden könnte, in dem das große Werk der Reform unserer Finanzverfassung glücklich unter Dach und Fach gebracht worden ist.

(Beifall bei der SPD.)

Ich werde auf einige dieser Fragen noch zu sprechen kommen, vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt der Festlegung von Prioritäten oder Rangordnungen oder Schwerpunkten, wie Sie belieben, das zu nennen. Davon ist ja heute mehrfach die Rede gewesen, und es ist geradezu ein beliebtes Stichwort für eine Diskussion dieser Fragen geworden.
Damit komme ich zum Haushalt selber. Zunächst einige Bemerkungen zum Haushaltsgesetz. Wir werden sehr genau prüfen, ob alle die Ermächtigungen, die der Entwurf vorsieht, mögen sie nun den Bundesfinanzminister oder den Haushaltsausschuß dieses Hauses betreffen, gerechtfertigt sind oder ob sie nicht in einem unzulässigen Umfang das Haushaltsrecht des Parlaments in entscheidenden Punkten einschränken .Das gilt insbesondere für den § 7, auch für den § 13 des Haushaltsgesetzes 1965, ohne daß ich damit unsere Bedenken bereits in vollem Umfang umrissen hätte.
Unsere Bedenken richten sich aber auch gegen eine Beratungspraxis — Herr Kollege Leicht hat schon davon gesprochen —, die zum Teil durch das Haushaltsgesetz legitimiert, zum Teil durch Übung geheiligt und durch den immer bestehenden Zeitdruck bei den Beratungen des Haushalts gerechtfertigt werden soll. Ich meine damit die Ausklammerung des gesamten Personalhaushalts aus den nun beginnenden Beratungen des Haushaltsausschusses und ihre Verschiebung bis nach der Verabschiedung des Bundeshaushalts durch das Plenum dieses Hauses. Durch diese Methode, die allerdings schon einige Jahre geübt worden ist — das ist richtig —, wird erreicht, daß das Parlament selber einen unvollständigen Haushalt verabschiedet, daß der Bundesrat, der ja ein legitimer Mitträger der Gesetzgebung ist, um einen Teil seiner Gesetzgebungsbefugnis geprellt wird, weil auch ihm für den zweiten
Durchgang ein unvollständiger Haushalt vorgelegt wird, und daß schließlich der Haushaltsausschuß eine abschließende Gesetzgebungsaufgabe übertragen bekommt, die ihm als einem Organ dieses Hauses gar nicht zusteht.
Der Haushalt 1966 ist mit reichlicher Verspätung eingebracht worden. Die Gründe wären sehr eingehend zu untersuchen. Ich will heute darauf verzichten, obwohl ich mir durchaus vorstellen könnte, daß man auch in der Bundesrepublik in einem Wahljahr so verfahren könnte wie z. B. in einem skandinavischen Staat, in dem der Abtritt einer Regierung nach einer Wahl keineswegs verhindert hat, daß der von dieser Regierung vorbereitete Haushalt im Parlament noch eingebracht worden ist. Das ist also durchaus möglich, und ich weiß nicht, ob es nicht auch in der Bundesrepublik möglich wäre, anständig festgesetzte Fristen für die Haushaltsgesetzgebung trotz des Wahljahres einzuhalten.

(Beifall bei der SPD.) Aber das nur nebenbei.

Bei der reichlich verspäteten Einbringung dieses Haushalts hätte nach meiner Meinung eine um 14 Tage oder drei Wochen verzögerte Verabschiedung des Haushalts bei vollständiger Beratung auch der Personaltitel keine umstürzende Bedeutung mehr bekommen. Die Fortsetzung der leider schon mehrmals geübten Praxis aber führt zu Unsauberkeiten und zu wachsender Unsicherheit auch in der Verwaltung. Dort weiß man schließlich überhaupt nicht mehr, woran man ist.
Der Herr Minister hat gestern gesagt, daß die Aufstellung des Haushalts 1966 außergewöhnliche Schwierigkeiten bereitet habe. Das ist wohl kaum zu bezweifeln. Eine andere Frage ist es aber, ob sein Inhalt in allen Punkten dem entspricht, was die Situation erfordert. Gewiß, auch wir stellen die schwierige Finanzlage ebenso in Rechnung wie der Bundesfinanzminister. Wir sind aber einigermaßen darüber erstaunt, daß der Herr Minister offensichtlich gar nicht besonders entschieden zu dem von ihm selber dem Hause vorgelegten Entwurf steht. Anders kann man die Bemerkung doch nicht verstehen, die er gestern gemacht hat. Er hat nämlich gesagt, das Haus möge vielleicht die Ausgaben noch weiter kürzen, und die Bundesregierung werde dieses Bemühen im Grundsatz nur begrüßen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Bisher haben wir immer gehört, daß diejenigen„ die einen Entwurf einbringen, und die Beamten, die ihn dann vertreten, zu diesem Entwurf zu stehen hätten. Offenbar wird auch hier inzwischen eine andere Übung eingeführt.
Wir waren der Meinung — der Herr Finanzminister hat diese Meinung durch seine eigenen Ausführungen gestützt —, daß der Haushalt in der vorgeschlagenen Höhe von 69,15 Milliarden DM unter konjunktur- und finanzpolitischen Erwägungen gründlich geplant worden sei. Wenn das so ist, dann kann die Kürzung von Ausgabeansätzen doch nicht als eine Tugend um ihrer selbst willen angepriesen werden, wenn sie nicht dazu dient, aus ein-



Schoettle
zelnen Positionen tatsächlich noch vorhandene Luft herauszulassen. Offenkundig ist auch der Bundesfinanzminister der Meinung — ich übrigens auch —, daß es solche Positionen gebe. Aber der durch solche Kürzungen gewonnene finanzielle Ertrag müßte nach unserer Auffassung dazu benützt werden, wirkliche Schwerpunkte im Haushalt stärker zu betonen und die Manövriermasse zu vergrößern, die dem Parlament sowieso nur in einem außerordentlich begrenzten Umfang zur Verfügung steht.
Wir Sozialdemokraten stehen — offenbar im Gegensatz zum Bundesfinanzminister — zu dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Haushaltsvolumen. Ich wiederhole, was mein Kollege Professor Schiller in der Debatte zum Gutachten des Sachverständigenrates am 16. Februar auf eine präzise Frage des Bundeswirtschaftsministers, wenn ich mich recht erinnere, antwortete:
Sie, Herr Minister, — sagte Dr. Schiller —
haben uns von der Opposition gefragt, wie wir ... es mit dem Haushaltsvolumen für 1966 halten, jenen bekannten 69,15 Milliarden DM. Ich kann Ihnen klipp und klar sagen: Wir sind heute der Meinung, daß vom konjunkturpolitischen Standpunkt aus keine weitere Kürzung der Bundesausgaben notwendig ist, Das schließt nicht aus, daß man im Haushaltsausschuß . . . darauf achtet, daß die Grundsätze ordentlicher öffentlicher Wirtschaft beachtet werden und daß jeder einzelne Titel unter Sparsamkeitsgesichtspunkten geprüft wird.
Hier, meine Damen und Herren, haben Sie die Auffassung der Sozialdemokraten zum Haushaltsvolumen und ebenso zu dem Verfahren, nach dem die einzelnen Titel des Haushalts in den Beratungen im Haushaltsausschuß unter die Lupe genommen werden sollen.
Ich möchte diese Gesichtspunkte um eine wesentliche Nuance ergänzen. Wir wollen keine Ausweitung des Haushalts. Aber wir sind überzeugt, daß in den Beratungen im Haushaltsausschuß noch in einigen wenigen Punkten, wie ich ausdrücklich sage, Gewichtsverlagerungen und eine andere Betonung der Rangordnung von Aufgaben möglich, ja notwendig ist. Wir sind auch überzeugt, daß für eine solche andere Gewichtsverteilung, deren materiellen Umfang wir auf etwa 800 Millionen DM beziffern, in einem Haushalt von 69,15 Milliarden DM Raum sein muß, wenn die politische Notwendigkeit dieser Gewichtsverlagerungen eingesehen wird; und ich glaube, daß sie eingesehen werden kann. Wir jedenfalls werden um diese Einsicht kämpfen.
Wir sprechen zur Zeit alle davon, daß eine Rangordnung der Aufgaben festgesetzt werden müsse, daß man Prioritäten schaffen oder Schwerpunkte bilden müsse. Wir Sozialdemokraten haben ziemlich klare Vorstellungen davon, welche Schwerpunkte in diesem Bundeshaushalt 1966 stärker betont werden müßten, nicht weil wir Lust an größeren Geldausgaben haben, sondern weil wir überzeugt sind, daß die Aufgaben, die wir ins Auge gefaßt haben, vordringlich, ja unaufschiebbar sind und daß keine von ihnen warten kann, bis bessere Zeiten kommen. Ich will diese Aufgaben nennen, ohne in jedem Fall bereits einen konkreten Ansatz vorschlagen zu können; darüber wird man reden müssen.
Ich nenne an erster Stelle die Aufgabe der Wissenschaftsförderung.

(Beifall bei der SPD.)

Sie erinnern sich, meine Damen und Herren, daß dieses Haus eine lange und gründliche Debatte über dieses Thema geführt hat, bei der sich zum Schluß ein Punkt ganz konkret herausgebildet hat, daß nämlich durch die Kürzung der vom Wissenschaftsrat empfohlenen Aufwendungen für den Ausbau und die Weiterentwicklung unserer Hochschulen kaum wiedergutzumachende Schäden entstehen würden. Wir sind überzeugt und werden uns entschieden darum bemühen, daß diese 180 Millionen DM wieder in den Bundeshaushalt eingestellt und die Empfehlungen des Wissenschaftsrates in vollem Umfang berücksichtigt werden.

(Beifall bei der SPD.)

Eine andere, unübersehbar auf den Bundeshaushalt zukommende Aufgabe entsteht durch die Lage im Steinkohlenbergbau. Es ist klar, meine Damen und Herren, daß wir bei der Situation, die sich da im Revier herausgebildet hat, nicht in der Lage sind, für die Bewältigung dieser Aufgabe in diesem Augenblick konkrete Summen zu nennen. Aber die Bundesregierung selber muß sich wohl auch darüber klar sein, daß dieser Frage nicht ausgewichen werden kann und daß sich in kurzer Zeit aus den Verhandlungen mit allen Beteiligten auch der materielle Umfang der Bundesleistungen ergeben muß. Für diese materiellen Leistungen des Bundes muß in diesem. Haushalt 1966 Raum geschaffen werden. Das ist unsere feste Überzeugung.

(Beifall bei der SPD.)

Ich sollte mich sehr täuschen, wenn nicht auch im
Lager der Regierungsparteien dieses Problem ähnlich gesehen würde, wie ich es hier dargestellt habe.
Eine andere, nach unserer politischen Einsich ebenfalls lösbare und trotz der Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zu dieser Frage dringliche Aufgabe scheint uns die Hilfe für das Land Berlin zu sein. Es handelt sich dabei um eine Deckungslücke von 54 Millionen DM im Haushalt des Landes Berlin, für die das Land in keiner Weise Deckungsmittel aufbringen kann, nachdem es bereits selber einschneidende Sparmaßnahmen getroffen hat und der Forderung des Bundesfinanzministers auf Inanspruchnahme des Kapitalmarkts in Höhe von 200 Millionen DM nachgekommen ist.

(Beifall bei der SPD.)

Da die Berlinhilfe, wie der Finanzbericht 1966 so schön sagt, auch nach Auffassung der Bundesregierung der Sicherung unserer Freiheit nach außen dient und deshalb den Verteidigungsaufgaben zuzurechnen ist, scheint uns die Aufbringung dieser 54 Millionen sowohl notwendig wie möglich und politisch auf jeden Fall nach jeder Seite hin gerechtfertigt.



Schoettle
Schließlich hat der Herr Bundesfinanzminister in seiner gestrigen Rede sehr entschieden die Forderung des Bundesrates nach einer Ausgleichsleistung des Bundes für die finanzschwachen Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Saarland zurückgewiesen, die zuletzt auf 250 Millionen beziffert worden ist, verteilt auf die bereits erwähnten finanzschwachen Länder. Der Herr Bundesfinanzminister hat diese Länder auf den horizontalen Finanzausgleich verwiesen. Es ist aber dem Herrn Bundesfinanzminister sicher auch nicht unbekannt, daß sich die Finanzlage der Länder insgesamt in den letzten Jahren erheblich verschlechtert hat und daß selbst steuerstarke Länder wie das Land Baden-Württemberg, aus dem ich komme, das zum horizontalen Finanzausgleich einen Betrag von rund 420 Millionen DM leistet, in finanzielle Bedrängnis geraten sind, daß also von der Lage der Länder her die Möglichkeiten, im Wege des horizontalen Finanzausgleichs Leistungen dieser Art zu erbringen, nur gegeben sind, wenn innerhalb der Länder die eigenen Leistungen für die Kommunen wahrscheinlich auf eine geradezu verhängnisvolle Weise gekürzt werden müßten.

(Beifall bei der SPD.)

Das kann man aber doch auch nicht wünschen. Auch der Herr Bundesfinanzminister muß schließlich wissen, daß die Steueränderungsgesetze der letzten Jahre — insbesondere die Senkung der Einkommen-und Körperschaftsteuer — die Länder weit stärker getroffen haben als den Bund, und die steuerschwachen Länder besonders hart. Wir glauben daher, daß man diese Frage nicht einfach vom Tisch wischen kann und daß durch eine Beteiligung des Bundes die verfassungsrechtliche Ordnung- nicht gestört oder die fällige Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern um die Aufteilung der Einkommen- und Körperschaftsteuer präjudiziert würde.
Schließlich glauben wir, meine Damen und Herren, daß im Bereich der Verkehrspolitik die allgemein als vordringlich angesehenen Probleme des kommunalen Verkehrs nicht ausreichend berücksichtig worden sind. Der Bundesregierung liegt schon seit August 1964 der Bericht einer Sachverständigenkommission vor, die Vorschläge für eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden erarbeitet hat. Bisher hat sie aber daraus keine haushaltspolitischen Konsequenzen gezogen. Wir halten es nicht für ein taugliches Mittel, daß jetzt die Kraftfahrer zur Kasse gebeten werden sollen und daß sie die notwendigen Straßenbaumittel für die Gemeinden durch einen erhöhten Treibstoffpreis aufbringen sollen —, ein Vorschlag der in der Diskussion ist.
Der Bund verwendet für den Straßenbau nur die Hälfte des Mineralölsteueraufkommens. Ob die Gemeinden das Mehraufkommen aus einer Steuererhöhung auch tatsächlich in vollem Umfang bekämen, kann auf Grund der Erfahrungen mit der zweckgebundenen Verwendung eines Teils der Abgaben des Kraftverkehrs füglich bezweifelt werden.

(Abg. Baier meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502514000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502514100
Nein, ich bin im Augenblick nicht bereit, Fragen zu beantworten. Nach der Art, wie diese Debatte eingeleitet worden ist, muß ich darauf verzichten.

(Beifall bei der SPD.)

Wir sind der Meinung, daß für die Gemeinden ein rechtlich fundierter Anspruch geschaffen werden muß, der ihnen 15 % an dem vom Bund für Verkehrsbauten bereitgestellten Mineralölsteueraufkommen sichert. Darüber hinaus fordern wir von der Bundesregierung auf der Grundlage des Gutachtens der Sachverständigenkommission über Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden die rasche Ausarbeitung eines Programms zur Förderung des Nah- und Regionalverkehrs. Die Durchführung dieses Programms sollte ab 1967 einsetzen. Es sollte von Bund und Ländern zu fördernde Verkehrsobjekte enthalten, deren Ausgabe nach Gesichtspunkten der Dringlichkeit und der spezifischen Leistungsfähigkeit bestimmt werden sollte. Dabei wäre auch der experimentellen Einführung neuer, besonders leistungsfähig er Transportmittel auf eigenen Fahrstrecken der Vorrang zu geben.
Meine Damen und Herren, wir wollen auch der Frage nicht ausweichen, woher die Aufwendungen aus den von mir aufgeführten Gewichtsverlagerungen kommen sollen. Man kann es auch Umschichtungen nennen. Das ist ja ein landläufiger Ausdruck. Diese Umschichtungen vollzieht man sozusagen im Wege des Haushaltsvollzugs in jedem Jahr, manchmal in einer Weise, die weit über das hinausgeht, was das Parlament eigentlich beabsichtigt hat. Wir sind der Überzeugung, daß im Bereich der Subventionen — das Stichwort ist ja heute schon in einem anderen Zusammenhang gefallen, und zwar in einer sehr betonten Weise — nicht unbeträchtliche Möglichkeiten für die Finanzierung solcher Umschichtungen liegen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Welche?)

— Ja, meine Damen und Herren, welche? Die Frage stellen Sie uns, der sozialdemokratischen Opposition, obwohl die einzige Stelle, die sie beantworten könnte, die Bundesregierung selber ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Wobei wir uns darüber klar sind, daß nicht jede Art — —(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber billig!)

—.Nun, meine Damen und Herren, wenn man von „billig" redet, könnten wir bei dem, was Sie gelegentlich der Opposition auf der Suche nach Sündenböcken sagen, auch sagen, daß Sie recht billig sind.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Wehner: Formierte Billigkeit!)

Wir sind uns darüber klar, meine Damen und Herren, daß nicht jede Art von Subvention zu jedem



Schoettle
Zeitpunkt gekürzt oder gar ganz beseitigt werden kann. Das Thema des Abbaus der Subventionen steht aber schon so lange zur Diskussion, daß man endlich damit ernst machen muß. Der Bundesfinanzminister selbst hat gestern angekündigt, daß die Vielzahl der noch immer bestehenden steuerlichen Subventionen auf ihre Berechtigung überprüft werde. Auch heute morgen haben wir solche Töne in der Rede des Herrn Bundeskanzlers gehört. Es scheint uns dazu höchste Zeit zu sein. Das ist ein Punkt, an dem die Bundesregierung selber tätig werden muß. Das ist nur ein Teil der Subventionen. Der Finanzbericht beziffert die sichtbaren Finanzhilfen des Bundes — auf deutsch also: Subventionen, wenn Sie so wollen — in den verschiedenen Bereichen unserer Gesamtwirtschaft im Jahre 1965 auf über 5,5 Milliarden DM. Vorhin ist eine Zahl genannt worden, die ich deshalb für eine Phantasiezahl halte, weil darin alles enthalten ist, was man, wenn man die Dinge sehr weit auslegt, als Subvention bezeichnen kann, auch die gesetzlich verbrieften zuschösse an die Sozialversicherungsträger. Mir scheint, daß das eine unzulässige Ausweitung des Begriffs der Subvention ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wir gehen jedenfalls von dem Betrag aus, der im Finanzbericht mit 5,5 Milliarden DM beziffert ist als sichtbare Finanzhilfe auf einer Reihe von Gebieten unserer Gesamtwirtschaft.
Wenn auch eine lineare Kürzung dieser Subventionen — ausgehend von diesem Betrag von 5,5 Milliarden DM — sicher Schwierigkeiten bereiten und Widerstände auslösen würde — das wird sie übrigens in jedem Falle und wo immer man sie anpackt —, so ist doch die Frage zu prüfen, ob in diesem Bereich nicht, wie in den vergangenen Jahren in vielen anderen Fällen, z. B. bei Investitionsansätzen, lineare Kürzungen möglich wären, etwa in der Größenordnung von 10 %, damit wenigstens einmal ein Anfang gemacht würde.

(Beifall bei der SPD.)

Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede sicher nicht ohne Absicht einen speziellen Fall einer Subvention verhältnismäßig breit abgehandelt, in dem für ein einziges Produkt — ich zitiere den Herrn Bundesfinanzminister —

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Struve!)

Aufwendungen zu Lasten des Bundeshaushalts von rund einer Milliarde aufgebraucht werden müssen. Auch wir sind uns klar darüber, meine Damen und Herren, daß eine solche unter agrarwirtschaftlichen Gesichtspunkten einmal gerechtfertigte Maßnahme nicht einfach beseitigt werden kann, ohne die Konsequenzen zu überdenken. An diesem Fall aber hat der Bundesfinanzminister selber exemplifiziert, wo die Schwächen unseres Subventionssystems liegen. Wir müssen zu dem strikten Grundsatz kommen -das sage ich jetzt ganz allgemein —, daß Subventionen nur für genau beschriebene Zwecke und klar befristet gegeben werden. Es ist leichter, eine Frist zu verlängern, wenn der Zweck noch nicht erreicht ist, als eine unbefristete Subvention zu beseitigen,
die sich in einen Einkommensanspruch umgewandelt hat.

(Beifall bei der SPD.)

Noch einmal: wir sind überzeugt, daß im Bereich der Subventionen Möglichkeiten zur Finanzierung von Umschichtungen bestehen, und wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei den Beratungen im Haushaltsausschuß die Möglichkeiten offenlegt, die sich auf diesem Gebiet ergeben. Man kann hier nicht immer nur den Mund spitzen und gegen die Subventionen angehen. Man muß auch wirklich einmal pfeifen, Herr Kollege Leicht, — damit Sie auch Ihre Freude haben. Insbesondere glauben wir
— das füge ich hinzu —, daß bei den Subventionen

(Zurufe von der CDU/CSU.) — Warten Sie einen Moment!


(Zuruf von der CDU/CSU: Überall pfeifen, Herr Schoettle!)

— Wir pfeifen mit, darauf können Sie sich verlassen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Vorpfeifen! — Lachen bei der SPD.)

— Nein, nein. Für so dumm dürfen Sie die Opposition nun doch nicht halten.
Ich füge hinzu, meine Damen und Herren, daß wir der festen Überzeugung sind, daß z. B. besonders hei den Subventionen für die Mineralölwirtschaft einbeträchtlicher Spielraum für Kürzungen vorliegt, — damit Sie nicht glauben, daß wir nur in eine Richtung zielen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war der erste Pfiff!)

— Gut, wenn Sie so wollen; ich habe nichts dagegen.
Schließlich schlagen wir vor — und damit komme ich auf etwas zu sprechen, was auch der Kollege Leicht bereits berührt hat —, daß das sogenannte Pennälergehalt beseitigt wird. Wir befinden uns mit diesem Vorschlag in der angenehmen Nachbarschaft mit dem nordrhein-westfälischen Kultusminister Mikat.

(Zuruf von der SPD: Kiesinger!)


(bildungspolitische Bedenken vorgebracht. Unsere Bedenken haben sich vollauf bestätigt. Das „Gießkannenprinzip" — — — Was heißt das wieder? Wir haben natürlich dem Gesetz im ganzen zugestimmt, weil wir das Gesetz im ganzen nicht gefährden wollen. Wir konnten es auch nicht ablehnen; das hätte Ihnen so gepaßt, nicht wahr? Schoettle Ich komme darauf zurück, daß wir damals gegen dieses Verfahren die allerschwersten Bedenken vorgebracht haben. Es hat sich eben herausgestellt, daß das „Gießkannenprinzip", das auch hier angewendet worden ist, keine brauchbare Methode der Ausbildungsförderung ist. Nach der Kürzung des Pennälergehalts von 40 auf 30 DM durch das Haushaltssicherungsgesetz ist die Sache noch problematischer geworden. Die öffentliche Diskussion über eine anderweitige Verwendung der dafür eingesetzten Mittel ist deshalb durchaus verständlich. Die Bundesregierung und die Regierungsparteien täten gut daran, einzusehen, daß die bisherige Regelung den Notwendigkeiten einer zeitgemäßen Ausbildungsförderung nicht entspricht. Es kommt darauf an, sie zu einer gezielten Ausbildungsförderung umzugestalten. Und wenn ausreichende Mittel dazu nicht zur Verfügung stehen — die gegenwärtige Situation ist ein Beispiel dafür —, dann muß sich die gezielte Ausbildungsförderung an vernünftigen Einkommensgrenzen orientieren. Schließlich sind wir der Meinung, daß die in den Haushalt eingestellten 200 Millionen DM — Herr Kollege Leicht, auch hier befinde ich mich im Widerspruch zu Ihnen — zur Deckung des Defizits aus dem Haushalt 1965 entsprechend den Vorschriften der Reichshaushaltsordnung in das übernächste Haushaltsjahr, d. h. in den Haushalt 1967, verlegt werden sollten. Auch dadurch wäre unter Aufrechterhaltung des Haushaltsvolumens Spielraum für Umschichtungen gewonnen. Meine Damen und Herren, ich komme nun noch auf einige Fragen zu sprechen, für die im Haushalt 1966 entweder aus Gründen der allgemeinen Finanzlage keine oder noch keine Mittel vorgesehen sind oder deren Problematik sich nach Meinung der Bundesregierung offenbar im Augenblick einer befriedigenden Lösung zu entziehen scheint oder deren Lösung sonstwie vertagt oder verzögert werden kann. Da ist erstens die Frage der Besoldungspolitik und im Zusammenhang damit der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst. Der Herr Bundesfinanzminister hat der Beamtenschaft gestern ein Lob ausgesprochen, und das wird diese sicher freuen. Aber schöne Worte können nicht über die Tatsache hinweghelfen, daß die Bundesregierung zum Thema Besoldungspolitik bisher noch keine Konzeption entwickelt hat. Die Vorschläge, die der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion in der Debatte vom 18. Februar 1966 dem Deutschen Bundestag vorgelegt hat, weisen einen Weg zu einer vernünftigen Besoldungspolitik. Eine Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes in der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Form ist sicher kein taugliches Mittel und wird die Schwierigkeiten im Hinblick auf Dienstpostenbewertung und Stellenplangestaltung nur vermehren. Wir hoffen, daß unsere Vorschläge so sorgfältig geprüft werden, wie es ihnen der Sache nach zukommt. Was die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst angeht, so ist bekannt, daß darüber Verhandlungen schweben. Daß die Regierung das Ergebnis solcher Verhandlungen nicht durch Veranschlagung zusätzlicher Mittel vorwegnehmen will, ist zu begreifen; das verstehen wir durchaus. Da aber ein Ergebnis sicher zu erwarten ist, müssen wir darauf hinweisen, daß hier eine der dubiosen Stellen im Haushalt ist, die mit Sicherheit noch im Haushaltsjahr 1966 wird geschlossen werden müssen. In der Rede des Bundesministers der Finanzen kehrte auch mit schöner Regelmäßigkeit die Feststellung wieder, daß die Finanzierung des zivilen Bevölkerungsschutzes geprüft und gesichert werde. Wir hören das mit nicht geringer Skepsis. Die Formel des Herrn Ministers kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß er in dieser wichtigen Frage mit leeren Händen vor das Haus getreten ist. Meine nächste Frage ist eine Frage an die Regierung. Sie betrifft den Verteidigungshaushalt, der ja, wie bekannt, nicht unbeträchtlich reduziert worden ist; ein Vorgang übrigens, der im Lichte früherer Auseinandersetzungen von einigem politischen Interesse ist. Ich will das nicht vertiefen. Seit Anfang dieses Jahres beschäftigt sich der Verteidigungsausschuß bekanntlich auf Grund einer Kleinen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion mit der Flugsicherheit und der Unfallsituation der Starfighter. Die Serie der Abstürze dieses Flugzeugs im Jahre 1965 hat die Öffentlichkeit erheblich beunruhigt. Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat sich mehrfach noch während der Behandlung der Angelegenheit im Verteidigungsausschuß hierzu vor der Presse geäußert und die Öffentlichkeit über seine Auffassung unterrichtet. Am 11. Februar 1966 hat der Verteidigungsminister der Presse und etwa gleichzeitig auch dem Verteidigungsausschuß eine umfangreiche Liste von Maßnahmen zur Kenntnis gebracht, die er durchzuführen beabsichtigt, um die Flugsicherheit und den Flugbetrieb bei den Starfighterverbänden zu verbessern. Die vom Minister vorgeschlagenen Maßnahmen werden zum Teil erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, die in dem uns vorgelegten Haushaltsplan noch nicht enthalten sind. So soll z. B. der Bau einer großen Zahl von beheizten Unterstellhallen auf allen Starfighterplätzen bis Winter 1966 — ich wiederhole: bis Winter 1966! — fertiggestellt sein. Zusätzliche Prämien sollen gewährt werden, Stellenanhebungen sollen erfolgen, und zusätzliches Personal soll angeworben werden, um die personelle Lage und damit den Klarstand an Flugzeugen zu verbessern. Die Industrie soll in erheblich größerem Umfange als bisher Wartungsund Instandsetzungsarbeiten übernehmen. Am Flugzeug selbst sollen technische Verbesserungen durchgeführt werden, ebenso ist eine Verbesserung der Ausrüstung und der Bodeneinrichtungen geplant. Schoettle Kein einziges Wort des Einwands gegen diese Maßnahmen, wenn sie sich als zweckmäßig und notwendig erweisen. Das alles aber, meine Damen und Herren, wird erhebliches Geld kosten. Dem Parlament liegen bisher noch keine entsprechenden Vorlagen über die finanziellen Auswirkungen aller dieser Maßnahmen vor. Die Bundesregierung muß deshalb gefragt werden, ob sie bereits eine Vorstellung über die zusätzlichen finanziellen Mittel hat, die hierfür bereitgestellt werden müssen. Sie muß weiter gefragt werden, ob sie sich bei der Aufstellung des Haushaltsplans für 1966, der ja gar nicht so weit zurückliegt, wie normalerweie Haushalte zurückliegen, im klaren darüber gewesen ist, daß die dringend notwendigen Verbesserungen für den Flugbetrieb und die Flugsicherheit in den Starfighterverbänden solche Aufwendungen erforderlich machen. Hier scheinen uns — gelinde gesagt — kaum verzeihliche Versäumnisse vorzuliegen. Wir möchten heute keine Antwort auf diese Fragen. Aber die Regierung wird sie beantworten müssen, wenn der Bundestag am 24. und 25. März hier im Plenum mit dem ganzen Starfighterkomplex beschäftigt sein wird. Wir halten es aber für notwendig, schon heute bei der ersten Lesung des Haushaltsplans 1966 auf diese Versäumnisse aufmerksam zu machen. In diesem Zusammenhang, obwohl in ein ganz anderes Ressort gehörend, muß die Bundesregierung auch an die Versprechungen erinnert werden, die sie am 12. Mai 1965 den Kriegsopfern gegeben hat, und die Herr Katzer, der jetzige Bundesarbeitsminister, in der Aussprache über die Regierungserklärung am 1. Dezember 1965 ausdrücklich bestätigt hat. Ich zitiere hier wieder den Finanzbericht 1966. Da heißt es: Weitere wesentliche Verbesserungen der Kriegsopferversorgung dürften demnächst zu erwarten sein. Demnächst! Ähnlich wie bei den Sozialrenten und Unfallrenten sollen künftig auch die Kriegsopferrenten laufend der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt werden. Die Bundesregierung hat am 12. Mai 1965 in einem Beschluß ihre Bereitschaft erklärt, im Haushaltsjahr 1966 den gegesetzgebenden Körperschaften ein drittes Neuordnungsgesetz vorzulegen, . . . Wenn das Wort „demnächst" einen Sinn haben soll, muß ja wohl demnächst etwas geschehen. Wir jedenfalls werden die Bundesregierung nicht aus der Verantwortung für die Zusagen entlassen, die sie den Kriegsopfern gegeben hat. Eine Absage hat der Bundesfinanzminister gestern einer Bevölkerungsgruppe erteilt, die wert ist, daß ihr geholfen wird, als er darauf hinwies, daß für eine Entschädigung der in der SBZ erlittenen Vermögensverluste die erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit in den Haushalt nicht einzuplanen sind. Damit hat der Bundesfinanzminister erkennen lassen, daß in den nächsten Jahren mit einem Leistungsgesetz, das den Flüchtlingen aus der sowjetisch besetzten Zone die Gleichstellung mit den Vertriebenen bringen soll, nicht zu rechnen ist. Wir bedauern diese Absage an die Flüchtlinge, die offenbar für eine unabsehbare Zeit gedacht ist, um so mehr, als uns bekannt ist, daß die vom Finanzminister angegebene Größenordnung von 10 bis 12 Milliarden DM insgesamt zu hoch angesetzt worden ist und weil außerdem die Abwicklung in Parallele zum Lastenausgleichsgesetz in einem langfristigen Zeitraum stattfinden könnte. Man sollte den Betroffenen nicht alle Hoffnung rauben. Schließlich noch einige Worte zur Verkehrspolitik, die ich bereits im Zusammenhang mit den vordringlichen Fragen des kommunalen Verkehrs gestreift habe. Die deutsche Verkehrswirtschaft befindet sich in einem strukturellen Umstellungsprozeß, aus dem sich Konsequenzen für den Wettbewerb und die Zusammenarbeit zwischen den binnenländischen Verkehrsträgern ergeben. Die Verkehrsgesetze von 1961 haben nicht zu der gewünschten Aufteilung des Verkehrsvolumens nach der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Verkehrsträger und den Bedürfnissen der Verkehrsnutzer geführt. Die deutsche Verkehrswirtschaft ist im europäischen Wettbewerb durch die Wettbewerbsverzerrung im nationalen und grenzüberschreitenden Verkehr benachteiligt. Während die EWG-Partnerstaaten ihren grenzüberschreitenden Verkehr vielfach gezielt fördern, ihre Verkehrswirtschaft modernisieren und für den Gemeinsamen Markt leistungsfähig machen, hat sich die Ertragslage der deutschen Verkehrsträger in den letzten Jahren erheblich verschlechtert. Die Anpassung unserer Verkehrswirtschaft an die Erfordernisse der EWG verlangt eine Gesundung der binnenländischen Verkehrsträger und die Schaffung gleichartiger Wettbewerbsvoraussetzungen, die es unseren Verkehrsträgern ermöglichen, auf der Grundlage der Kostendeckung zu arbeiten. Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Verkehrsträger ist darüber hinaus eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und eine Steigerung der Verkehrsinvestitionen notwendig, die sich vom Ausbau der Zuund Ablaufwege zu den Nordseehäfen über die Modernisierung des Fahrzeugparks bis zum Ausbau eines leistungsfähigen Straßenund Binnenstraßennetzes erstrecken. Hier muß auch ein Wort zur Lage der Bundesbahn gesagt werden; das gehört auch in den Komplex der Verkehrspolitik. Nachdem die Bundesregierung entgegen ihren Versicherungen vor der Bundestagswahl eine kräftige Erhöhung der Tarife im Personenund Güterverkehr der Deutschen Bundesbahn beschlossen hatte, sah sie sich angesichts der hohen Fehlbeträge bei der Bundesbahn und der schlechten Ertragslage der binnenländischen Verkehrsträger erstmals genötigt, ein verkehrspolitisches Programm zu erarbeiten. Dieses Programm fordert von der Bundesbahn eine Anzahl negativer Rationalisierungsmaßnahmen, sagt jedoch nichts oder nur sehr wenig über die völlige Befreiung der Bundesbahn von betriebsfremden und betriebsungewöhnlichen Schoettle Lasten, über die dringend notwendige Kapitalausstattung, die Finanzierung des Investitionsprogramms der Bundesbahn, die Regelung der Wegekosten und die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen aus. Auch im Haushaltsjahr 1966 fehlen alle Ansätze für die Verwirklichung des verkehrspolitischen Programms der Bundesregierung. Der Haushaltsplan 1966 sieht für die Bundesbahn die Auflegung einer 400-Millionen-DM-Anleihe vor. Dieser Anleihe steht ein Investitionsmittelbedarf von rund 3 Milliarden DM gegenüber. Der angestrebte Abbau der Bundesleistungen hängt jedoch hauptsächlich davon ab, ob die Bundesbahn durch sofortige und umfassende Investitionen zur Modernisierung und Rationalisierung ihrer Betriebe die Kosten senken kann. Wir müssen deshalb von der Bundesregierung eine klare Aussage über Beginn, Art und Größenordnung der angekündigten Investitionshilfe fordern. Wir fordern außerdem eine offene Deklaration des im Haushaltsplanentwurf ausgewiesenen Liquiditätsdarlehens an die Bundesbahn, damit ersichtlich wird, um welche Ausgleichszahlungen des Bundes es sich hier handelt. Eine Bemerkung zu den Problemen der Binnenwasserstraßen. Auch der Ausbau dieses Verkehrsweges kommt nur schleppend voran. Bereits vorgenommene Investitionen in einzelnen Abschnitten werden oft durch Zurückhaltung in bestimmten Bereichen bereits ausgeworfener Mittel in ihrer Wirksamkeit erheblich beeinträchtigt oder gar wirkungslos gemacht. Neben der Fortsetzung der Kanalbauvorhaben kommt es darauf an, die Vertiefung der Zufahrten zu den deutschen Seehäfen schneller voranzutreiben. Die dafür im Haushalt 1966 vorgesehenen Mittel — 21 Millionen DM für Investitionsvorhaben — erscheinen uns unzureichend. Sie bedeuten einen beträchtlichen Rückgang gegenüber 1965. Wir wollen aber hier keinerlei Forderungen stellen, weil wir der Überzeugung sind, daß die Dinge ihr eigenes Gewicht haben und schließlich im Laufe der Zeit dazu zwingen werden, bestimmte Leistungen zu erbringen, wenn man nicht das, was man schon getan hat, wertlos machen will. Nach diesen Erinnerungsposten — mit diesem Wort soll das Gewicht der angesprochenen Fragen keineswegs vermindert, sondern nur in ein richtiges Verhältnis zum Haushalt 1966 gesetzt werden — gestatten Sie mir noch einige abschließende Worte zu den Problemen des Haushalts im allgemeinen, nicht im Detail. Wir freuen uns immer, wenn der Bundesfinanzminister von der Notwendigkeit einer grundsätzlichen Neuordnung des Haushaltswesens und davon spricht, daß auch das Haushaltsrecht den Erfordernissen der Gegenwart angepaßt werden muß und so weiter und so fort. Diese beiden letzten Worte sind wirklich der Ausdruck der Bekümmernis darüber, daß wir über diese Dinge schon so lange reden, ohne daß etwas geschehen ist. Gehört haben wir es schon des öfteren; aber wir müssen fragen: Wann geschieht es endlich? Die große Perspektive, die heute morgen der Herr Bundeskanzler hier entworfen hat, scheint uns keineswegs eine befriedigende Antwort auf diese Frage zu sein. Soll das alles wirklich erst im Zusammenhang mit der großen Finanzreform passieren, von der wir wissen, daß sie — nach den Worten des Herrn Ministers und leider auch nach unseren eigenen Einsichten in die Schwierigkeiten der Aufgabe — die ganze Legislaturperiode — und hoffentlich nur die — in Anspruch nehmen wird? Wir meinen: Die Reform des Haushaltsrechts und des Haushaltswesens des Bundes ist überfällig. Also her damit! Denn die Vorarbeiten haben lange genug gedauert, und die Entwürfe liegen angeblich schon lange in den Schubladen der Behörden. Der Finanzschock des Wahljahres 1965 hat die Überlegungen neu beflügelt, wie man einer Wiederholung der Ereignisse des Frühjahrs 1965 begegnen könne. Auch in diesem Hause sind Vorschläge gemacht worden; es war schon davon die Rede. Soweit sie darauf ausgehen, durch Geschäftsordnungsbestimmungen die „Ausgabefreudigkeit" des Parlaments im allgemeinen und in Wahljahren im besonderen zu bändigen, halten wir sie schlicht für untauglich. Die Erfahrungen mit dem § 96 der Geschäftsordnung, die dem Haushaltsausschuß schon in der Vergangenheit eine unlösbare und zu unsauberen Behelfslösungen gerade zwingende Aufgabe gestellt haben, sprechen dagegen, die Lösung auf diesem Wege, über die Geschäftsordnung, zu suchen. Wir beabsichtigen, dem Hause einen eigenen Vorschlag zu unterbreiten. Dabei gehen wir von folgenden Erwägungen aus. Die Gestaltung des Bundeshaushalts im Rahmen einer längerfristigen Finanzplanung soll von den zu erwartenden möglichst wirklichkeitsnah geschätzten Einnahmen ausgehen, nicht umgekehrt von der Ausgabenseite. Die Verantwortung für die Ermittlung des Einnahmerahmens — der mit dem Haushaltsrahmen identisch sein müßte — soll bei der Bundesregierung und (beim Parlament liegen. Das letztere müßte sich durch ein besonderes Gesetz an diesen Rahmen binden. Dabei sind wir uns der Problematik frühzeitiger Einnahmeschätzungen durchaus bewußt. Wir halten es alber für besser, wenn Überschreitungen der Einnahmeschätzungen, die im Laufe des Haushaltsjahres eintreten können — das Gegenteil kann ja auch passieren und schafft dann für den Vollzug des Haushalts eine Zwangslage —, dem Bundesfinanzminister und der Regierung zur Finanzierung notwendig werdender Nachtragshaushalte dienen, für besser jedenfalls, als wenn sie zur Manipulierung des Vollzugs am Parlament vorbei oder gar — in Vorwegnahme der tatsächlichen höheren Eingänge — zur Heraufsetzung der Einnahmeansätze zum Zwecke der Deckung eines papiermäßigen Defizits bei der Haushaltsberatung verwendet werden. Wir sind uns klar darüber, daß eine Lösung, wie wir sie vorzuschlagen gedenken, eine gewisse Beschränkung der finanzpolitischen Bewegungsfähigkeit des Parlaments zugunsten der Regierungsverantwortung bedeuten würde. Etwas AhnSchoettle liches wollte ja auch Art. 113 des Grundgesetzes. Ich sehe noch nicht, wie dieser Artikel vernünftigerweise so geändert werden könnte, daß er den Zweck erfüllt. Aber das müßte vielleicht miteinander abgeglichen werden. Wir sind durchaus bereit, mit uns über unsere Vorschläge ernsthaft reden zu lassen, wenn das Ziel erreicht wird. Denn wir glauben, daß gerade angesichts des 1965er Finanzschocks eine Annäherung an das angelsächsische System der Finanzpolitik nur heilsam sein könnte. Ich spreche nur von einer Annäherung, nicht von einer völligen Angleichung. Wir sollten das Gewicht der menschlichen Natur, von der ja auch die Mitglieder des Parlaments und der Regierung — gerade in Wahlzeiten — bestimmt sind, nicht gering einschätzen. Es würde periodisch zu Erscheinungen führen, wie wir sie im Lichte der Erfahrungen des letzten Jahres alle bedauern, wenn auch der Grad der Verantwortlichkeit für sie verschieden groß ist oder verschieden groß eingeschätzt wird. Deshalb halten wir gesetzliche Bindungen für notwendig, die sich das Parlament selbst auferlegt. Ich komme zum Schluß. Der vorliegende Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1966 erscheint uns Sozialdemokraten in einigen wesentlichen Punkten der Verteilung der Akzente nach verbesserungsbedürftig. Ich habe Vorschläge in dieser Richtung angekündigt, die nach unserer Ansicht ohne Erweiterung des Gesamtvolumens verwirklicht werden können. Der Entwurf läßt viele Wünsche offen. Aber das ist ja wohl das Schicksal eines jeden Entwurfs, der durch die politischen Grundvorstellungen derer bestimmt wird, die ihn erarbeiten und vertreten. Wir Sozialdemokraten werden in den nun beginnenden Beratungen von unseren politischen Vorstellungen her an der Verbesserung des Entwurfs mitarbeiten und hoffen dabei auf die Einsicht derjenigen, die der Verantwortung für die praktische Haushaltspolitik näher sind als wir. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emde. — Verzeihung, Herr Bundesminister Heck hatte sich zu Wort gemeldet. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Schoettle, Ihre Ausführungen zu den Ausbildungszulagen im Rahmen des Familienlastenausgleichs können von der Seite der Bundesregierung nicht unwidersprochen bleiben. Zunächst möchte ich sagen, daß es ungut ist, wenn man einer Sache einen falschen Namen gibt, damit man sich dann danach leichter damit auseinandersetzen kann. — Wenn ein volkstümlicher Name ein falscher Name ist, dann eignet er sich nicht zur Verwendung bei einer Debatte hier im Hause. Herr Kollege Schoettle, Sie wissen so gut wie ich, daß es sich bei dieser Ausbildungszulage um eine Maßnahme im Rahmen des Familienlastenausgleichs (Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Schoettle: Deren Zweckmäßigkeit allgemein bezweifelt wird!)


(Zuruf von der CDU/CSU.)


(Lachen bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD.)





(Beifall bei der SPD.)


(Abg. Wehner: Sehr wahr!)


(Beifall bei der SPD.)


(Erneuter Beifall bei der SPD.)


(Beifall bei der SPD.)


(Beifall bei der SPD.)





(Beifall bei der SPD.)


(Zustimmung bei der SPD.)





(Beifall bei der SPD.)





(Anhaltender Beifall bei der SPD.)

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502514200
Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502514300

(Beifall in der Mitte)


(Zuruf von der SPD: Das ist der volkstümliche Name, den haben wir nicht erfunden!)


(Zuruf von der SPD: Des Wahljahres!) handelt.

Sie werden mir nicht darin widersprechen können, daß die Belastungen, die einer Familie dann erwachsen, wenn sie ihre Kinder auf weiterführende Schulen schickt, wesentlich höher sind als die Belastungen einer Familie, die ihre Kinder beispielsweise in eine Berufslehre gibt und dann aus dem Bereich der Wirtschaft Erziehungsbeihilfen in einer Größenordnung zwischen 100 und 200 DM im Monat erhält.

(Zustimmung in der Mitte.)

Dann möchte ich Sie an folgendes erinnern: Zur Entscheidung in diesem Hause stand damals nicht, ob man den Betrag von rund 400 Millionen DM für eine gezielte Ausbildungsförderung oder für den Familienlastenausgleich verwenden sollte, sondern lediglich die Frage, ob mit diesen 400 Millionen DM die Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld beseitigt werden solle oder ob es nicht sinnvoller sei — das war die andere Auffassung —, den Familienlastenausgleich gezielt auszubauen, nämlich diese Mittel dorthin zu lenken, wo die Belastungen, und zwar auch im Interesse der Allgemeinheit, wesentlich größer sind.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Und dann noch eine Frage an Sie, d. h. an Ihre Fraktion: Sagen Sie klar, was Sie wollen! Wollen Sie den Familienlastenausgleich abbauen, um Mittel für die weitere Förderung der Wissenschaft freizubekommen? Das ist eine klare Position. Ich sage Ihnen für die Bundesregierung: die Bundesregierung ist nicht bereit, den Familienlastenausgleich abzubauen, um Mittel für die sicher sehr wichtige Aufgabe der Förderung der Wissenschaft freizubekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502514400
Das Wort hat der Abgeordnete Emde.

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0502514500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser außergewöhnlichen Unterbrechung des normalen Ablaufs der Haushaltsberatung durch einen amtierenden Bundesminister

(Zustimmung bei der SPD)

komme ich nun zur Erklärung der FDP. Wir werden uns über dieses Problem noch unterhalten.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Sehen Sie mal, wie Sie sich darüber aufregen können! Und wir in unserer Lage?! — Abg. Dr. Schäfer: Herr Dahlgrün, Herr Dollinger, der Herr Bundeskanzler und Herr Leicht! — Abg. Leicht: Es ist das Recht der stärksten Fraktion, daß wir auch unsere Meinung sagen können, Herr Schäfer! — Weitere Zurufe.)





Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502514600
Ich bitte Sie, .die Dialoge zu unterlassen.

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0502514700
Meine Damen und Herren, in den bisherigen Ausführungen der Fraktionssprecher haben sich eine Reihe von grundsätzlichen Übereinstimmungen ergeben, die genau analysiert werden müssen, damit man feststellen kann, ob diese Übereinstimmungen echt sind oder sich nur auf Grund der heutigen Situation in der Darstellung der Fraktionen ergeben. In den Sachfragen bestehen allerdings eine Reihe von Meinungsunterschieden, über die wir uns im Laufe der Haushaltsberatung im Haushaltsausschuß, in der zweiten und dritten Lesung in aller Deutlichkeit und Nüchternheit zu unterhalten haben, wenn wir hier zu richtigen und sinnvollen Entscheidungen kommen wollen.
Meine Damen und Herren, wenn wir aber den Haushalt des Jahres 1966 und damit die Basis der Beratungen für die nächsten Jahre richtig untersuchen und in den Griff bekommen wollen, dann müssen wir bereit sein, aus den Erfahrungen, den Vorgängen der Vergangenheit die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
Seit dem Herbst des vergangenen Jahres sind Haushalts- und Finanzpolitik in den Mittelpunkt des innenpolitischen Geschehens in Deutschland gerückt. Erklärungen, Berichte, Gutachten folgen aufeinander. Die Legislaturperiode des 5. Deutschen Bundestages wurde mit einem tiefeingreifenden Finanzgesetz, dem Haushaltssicherungsgesetz, eröffnet. Die gestern hier begonnenen Etatberatungen finden in einer Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit statt. Regierung und Parlament stehen vor weitreichenden Entscheidungen.
Um den vorliegenden Etat und damit die Finanzpolitik der Bundesregierung zu bewerten, muß also die heutige Finanzsituation analysiert werden, Eine solche Analyse ist aber nur dann sinnvoll, wenn sie frei von Vorurteilen nüchtern alle die Tatbestände untersucht, die zur heutigen schwierigen Situation geführt haben.
Es ist unbestritten und wird auch von uns nicht bestritten, daß die Finanzlage kritisch ist; sie war ohne Zweifel im Oktober 1965 erheblich ernster, aber auch heute sind wir noch nicht über den Berg. Der Haushaltsentwurf ist zwar ausgeglichen, aber der Haushaltsausgleich des kommenden Jahres wird erhebliche Probleme stellen, die Finanzkrise von Bundesbahn und Post ist noch nicht überwunden, in den finanzschwachen Ländern sind deutliche Liquiditätsschwierigkeiten entstanden, die Verschuldung der Gemeinden wächst in raschem Tempo weiter. Die Lage ist also alles andere als erfreulich!
Ist das eine schicksalhafte Entwicklung, die einfach über uns gekommen ist, unvorhersehbar und unabänderlich? Nein, so ist es gewiß nicht. Folgen der Vergangenheit sowie eigene Handlungen und Unterlassungen sind die Ursachen für den Zustand, den wir heute alle so laut beklagen. Der Bundesregierung sind auch heute hier wieder harte Vorwürfe gemacht worden; sie trage zusammen mit der Parlamentsmehrheit die Verantwortung für den unbefriedigenden Zustand unserer Staatsfinanzen, Dieser
Vorwurf ist gewiß unberechtigt. Wenn man der Regierung einen Vorwurf machen will, dann höchstens den, nicht schnell und nicht hart genug gehandelt zu haben, aber verursacht hat diese Regierung die heutigen Zustände bestimmt nicht. Die Ursachen liegen Jahre zurück, und wir sollten uns die Mühe machen, ehrlich diese Ursachen zu erforschen, um aus den Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen.
Wir haben vom Jahre 1949 an erlebt, wie es bei uns vorwärtsging. Aufbau der Wirtschaft, Überwindung der Kriegsschäden. Wie haben ab 1953 begonnen, die Kriegsfolgen zu entschädigen, mit Lastenausgleichsgesetzen, Wiedergutmachungs- und Entschädigungsgesetzen, mit Kriegsopferversorgung und Heimkehrerentschädigung. Wir haben begonnen, die Bundeswehr aufzubauen, wir haben steigende finanzielle Leistungen in der militärischen Allianz und in der Entwicklungshilfe erbracht, und wir haben daneben eine fortschrittliche moderne Sozialgesetzgebung konstruiert. Wir haben aber auch leben wollen, wir alle, und dann haben wir systematisch die Löhne erhöht und ebenso systematisch die Arbeitszeit verkürzt überall in unserem Volk. Dazu kamen dann die großen Entwicklungsprogramme im Wohnungsbau, im Städtebau, der Ausbau des Straßen- und Kanalnetzes, der Wiederaufbau der Bundesbahn. Es schien immer so weiterzugehen, bis trotz höchster Rationalisierungserfolge und restloser Ausschöpfung des Arbeitsmarktes wir auf einmal an die Grenzen unserer Möglichkeiten stießen.

(Sehr richtig in der Mitte.)

Heute fühlt es jeder in unserem Volke, daß höherer Wohlstand, steigende soziale Leistungen eben nur durch höhere Arbeitsleistung zu erreichen sein werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es hat genug Einsichtige in unserem Lande in allen Parteien gegeben,, die seit Jahren auf die Fehlentwicklung hinwiesen, alles zur gleichen Zeit leisten zu wollen. Man hat sich aber nicht um sie gekümmert. Man hat sie als lästige Mahner abgetan. Wie oft haben z. B. wir Freien Demokraten gewarnt! Wehe, wenn wir diese Warnungen bei sozialpolitischen Maßnahmen aussprachen! Wie ist dann die SPD über uns hergefallen! Von Sozialreaktionären bis zur Unternehmerpartei ging das Vokabular. Wehe, wenn wir uns gegen überspannte Investitionsprogramme und wenn wir uns gegen überschnelle Ausgaben im Verteidigungssektor aussprachen! Wie hat man uns dann kritisiert, und wie ist man dann über uns hergefallen!
Zu dem Überschätzen unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten kam aber als weiterer Fehler die absolute Scheu, unangenehme Probleme zu lösen und unter Umständen sogar sogenannte unpopuläre Entscheidungen zu fällen. Seit Jahren ist die ungünstige Entwicklung bei Bahn und Post jedem Einsichtigen deutlich; aber auch jeder Einsichtige weiß, daß die Lösung dieser Frage an irgendeiner Stelle unangenehm ist. Ich könnte hier genügend andere Probleme nennen. Man ist sets den bequemsten Weg gegangen, mit kleineren Aushilfen über den Tag zu



Dr. Emde
kommen. Am Ende hieß es dann: Ausgleich über den Haushalt! Finanzminister, zahle! Haushaltsausschuß, stimme zu! Wir haben uns ja oft genug im Haushaltsausschuß über diese Situation gemeinsam Sorgen und Ärger gemacht.

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

Das waren dann die sogenannten politischen Entscheidungen, bei denen es hieß, an sich müßten wir ja so, aber aus angeblich übergeordneten politischen Gründen machen wir es eben anders. Diese politischen Entscheidungen gehen bis in den Bereich der Außenpolitik; in der militärischen Allianz, in der NATO ist die Bundesrepublik — neben dem militärischen Beitrag — ein Partner, dessen Aufnahmebereitschaft für Rüstungsgüter aller Art und dessen finanzieller Beitrag nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Auch hier, ebenso wie bei Entscheidungen im Bereich der EWG-Politik und der Entwicklungshilfe, sind unsere Partner und mancher deutsche Politiker von der Vorstellung ausgegangen, die deutsche Wirtschafts- und Finanzkraft sei unerschöpflich, ihre Zuwachsraten stiegen ständig und der für Entwicklungshilfe, Stationierungskosten und Devisenhilfen verfügbare Anteil sei beliebig zu vergrößern.
Die finanziellen Erkenntnisse des Oktober 1965 haben allen denen, die in der Finanzpolitik nur ein untergeordnetes Instrument zur Durchsetzung großer politischer Ideen sehen, die Grenzen ihrer eigenen Möglichkeiten aufgezeigt.
Zur Vermeidung wachsender Haushaltsdefizite, zum Abbremsen des übermäßig steigenden Preis-und Lohnniveaus, zur Abwendung einer restlosen Überforderung der deutschen Wirtschaftskraft mit allen daraus bestehenden Gefahren, waren rasche Maßnahmen notwendig. Diese Maßnahmen mußten so abgestimmt werden, daß einmal sofortige Wirkungen bei den öffentlichen Haushalten erzielt wurden, zum anderen mußte überall dort, wo sich in der Vergangenheit Krisenherde der Wirtschaftspolitik oder der Sozialpolitik gezeigt hatten, grundsätzliche Entscheidungen mit langfristiger Auswirkung vorbereitet werden.
Bundesregierung und Koalition haben nicht gezögert, sofort nach Herstellung der Arbeitsfähigkeit, also sofort nach Vereidigung des Kabinetts, die notwendigen Sofortmaßnahmen zu beschließen. Einbringung, Beratung und Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes sind in der kürzest möglichen Zeit erfolgt. Schneller konnte es in diesem Fall also nicht gehen. Die SPD hat protestiert, sich zum Teil der Stimme enthalten, zum Teil dagegen gestimmt, im Endeffekt hat sie aber Initiative und Handlungen der Regierungskoalition halb positiv hingenommen.
Das Haushaltssicherungsgesetz war bestimmt nicht die eleganteste Lösung. Es war bestimmt nicht der Weisheit letzter Schluß, denn eine Serie von Gesetzen in einer Liste zusammenzufassen und dann gemäß dieser Liste zu ändern, aufzuheben oder zu verschieben, ist alles andere als gut. Aber Ende vorigen Jahres gab es keinen anderen Weg — darauf kommt es ja an —, und so entzündete sich die
Diskussion der Väter dieses Gesetzes nur an Vorteilen oder Nachteilen einzelner Maßnahmen, nicht am Ganzen. Wenn auch der gefundene Kompromiß manche Einzelkritik herausforderte, insgesamt hat das Haushaltssicherungsgesetz seinen Zweck erreicht, denn erstens hat jedermann in Deutschland begriffen, daß es nicht mehr im alten Stil weitergeht, sondern daß wir an einem Wendepunkt angekommen sind, und zweitens ist der Haushaltsentwurf für das Jahr 1966 ausgeglichen worden.
Lassen Sie mich mit dem haushaltstechnischen Teil beginnen. Noch vor einigen Wochen schien es, als ob der Etat 1965 mit einem Defizit von 1,5 Milliarden abschließen würde und der Etat 1966 nicht ausgeglichen werden könnte. Eine energische, konzentrierte Bewirtschaftung der Haushaltsmittel in allen Ressorts hat den Fehlbetrag 1965 auf 720 Millionen DM herabgedrückt, und die Sparmaßnahmen des Haushaltssicherungsgesetzes haben einen mit 69,1 Milliarden ausgeglichenen Entwurf ermöglicht.
Viel weitgehender waren die psychologischen Wirkungen. Länder, Gemeinden und die Tarifpartrier haben den Ernst der Lage erkannt, zum Teil zögernd, zum Teil entschlossen entsprechende Maßnahmen ergriffen. Zum ersten Male seit Jahren hat die Bundesregierung ihre Führungsrolle in Staat und Wirtschaft spektakulär ausgeübt und Marksteine der allgemeinen Politik gesetzt. Der Ausgleich der Länderhaushalte, die Aufgabe überspannter Absichten verschiedener Großgemeinden, die deutliche Zurückhaltung der Tarifpartner in der Preisgestaltung und bei den Lohnverhandlungen sind die erste Wirkung. Besonders aufschlußreich I sind aber die Reaktionen der Bveölkerung und der meinungsbildenden Organe von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Kaum einer, der über die Opfer klagt.
Im Gegenteil, die Aufforderung an die Politik, nüchtern und sparsam zu handeln, ist die Antwort auf gewiß in vielen Fällen unpopuläre Entscheidungen. Wie beschämend ist die Reaktion doch für all die vielen, die ständig nach der Allgemeinheit schielend Versprechungen und neue Geschenke als die höchste Weisheit politischen Handelns angesehen haben und auch heute noch ansehen.
Aber bei diesem Beginn darf es nicht bleiben. Denn mit der Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes sind die Ursachen unserer finanz-
und wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten noch nicht behoben. Das Gesetz hat den Ausgleich des Etats 1966 bewirkt, aber nicht mehr. Wir haben damit eine Atempause gewonnen, die notwendige Zeit, um in Ruhe und systematisch die verschiedenen kritischen Bereiche unserer Innenpolitik klären und die Problemen lösen zu können.
Denn eines steht eindeutig fest. Die Methode, an Hand einer Liste Gesetze aufzuheben, zu verschieben oder abzuändern, also die Methode des Haushaltssicherungsgesetzes, kann in einem geordneten Staatswesen nur ein einmaliger Vorgang sein, der sich unter einer ganz besonderen, zeitlich bedingten Situation ergibt.

(Beifall bei der FDP.)




Dr. Emde
Eine Wiederholung würde das Provisorium zum Dauerzustand, die Aushilfe zum Grundsatz machen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in Staat und Gesetzgebung erschüttern und damit an die Grundlagen unserer Ordnung rühren. Die FDP lehnt aus diesen Gründen eine Wiederholung der Operation des Dezember 1965 grundsätzlich ab. In anderer Weise muß vorgegangen werden. Genügend Instrumente stehen dabei zur Verfügung.
In diesem Jahre erweist sich der Haushalt als ein bedeutsames Instrument der Politik. Zu seinen üblichen Funktionen kommt diesmal die Aufgabe und Möglichkeit, konjunkturpolitische und allgemein wirtschaftspolitische Wirkungen auszulösen. Der Entwurf ist mit 69,1 Milliarden DM ausgeglichen. Nun, ausgeglichen waren die Haushalte der vergangenen Jahre auch, aber die finanzpolitische Bedeutung des diesjährigen Ausgleichs wirkt schwerer als die der vergangenen Jahre.
Im Entwurf sind keine Globalkürzungen veranschlagt. 1965 mußten wir eine Globalkürzung von 1,5 Milliarden DM während des Haushaltsjahres herauswirtschaften. Heute ist der Haushalt ohne diese Eselsbrücke ausgeglichen. Eine bedeutsame Verbesserung gegenüber dem Jahre 1965!
Im Entwurf sind beim Haushalt des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und beim Haushalt des Ministers für Verkehr die Ansätze um rund 2 Milliarden DM höher als 1965. Wir waren im vergangenen Jahre tatsächlich der Meinung, daß die veranschlagten Mittel in diesen beiden Einzelplänen ausreichen würden. Der Ablauf des Haushaltsjahres zeigte aber, daß durch überplanmäßige Bewilligungen 150 Millionen DM mehr für die Entwicklungshilfe und 1,5 Milliarden DM mehr für die Bundesbahn bereitgestellt werden mußten. Im Entwurf 1966 sind die Konsequenzen gezogen und die Ansätze in diesen beiden Sektoren so ausgebracht, daß nach menschlichem Ermessen keine überplanmäßigen Ausgaben erforderlich werden. Damit ist der Entwurf erheblich stabiler und der Ausgleich entsprechend risikoloser als in den Vorjahren.
Die Beanspruchung des Kapitalmarktes durch den Bund wird geringer sein als in den Vorjahren. Die FDP sieht in dieser Tatsache einen besonders wertvollen Beitrag des Bundes zur allgemeinen Stabilisierung. Während 1965 noch 2 Milliarden DM Darlehensaufnahme vorgesehen waren, von denen wir allerdings nur 1,34 Milliarden DM unterbringen konnten, haben wir für 1966 von vornherein nur 1,3 Milliarden DM ausgebracht. Wir sind der Überzeugung, daß diese 1,3 Milliarden DM ihren Platz am Kapitalmarkt finden werden. Lassen Sie mich dazu einen interessanten Vergleich bringen. Die Anleihen des Bundes in Höhe von 1,3 Milliarden DM sind weniger als das, was die Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen allein in einem Jahr an Darlehen aufnehmen. Auch wenn man die Anleihen von Bahn und Post und die Hergabe von Schuldscheinen an die Rentenversicherungsträger mit einbezieht, wird der Bund den Kapitalmarkt im kommenden Jahr weniger beanspruchen als in der Vergangenheit.
Dadurch konnte es gelingen, die Zuwachsrate des Bundeshaushalts in vertretbaren Grenzen zu halten. Da im Verlauf des Haushaltsjahres kaum mit einer Ausdehnung des Volumens durch über- oder außerplanmäßige Ausgaben zu rechnen ist, kann der Vergleich zwischen Soll 1966 und Ist 1965 tatsächlich gezogen werden. Dann ergibt sich die bekannte Zuwachsrate von 5 %. Das ist eine absolut vertretbare Größenordnung. Wir sollten aber bemüht sein, dieses Ergebnis entschlossener Haushaltsberatungen im Bundeskabinett nicht während des Haushaltsjahres durch alle möglichen Mehrausgaben wieder zu verschlechtern. Eine Notwendigkeit zu Mehrausgaben ist tatsächlich auch nur in ganz geringem Umfang gegeben.
In den Einzelplänen des Entwurfs sind die notwendigen Mittel eingestellt, um alle Staatsaufgaben in der erforderlichen Weise zu erfüllen. Die großen Investitionen bei den Verkehrsbauten, die Strukturmaßnahmen der Landwirtschaft, der Grüne Plan, Verteidigung, alle Sektoren haben ein Höchstmaß an Finanzmitteln erhalten, wenn man unsere heutige Situation berücksichtigt.
Allerdings wird uns im Haushaltsausschuß und später im Plenum in 2. und 3. Lesung die Frage beschäftigen, ob die Mittel für Wissenschaft und Forschung aufgestockt werden können. Es muß aber eindeutig klar sein, daß zusätzliche Gelder auch tatsächlich in diesem Rechnungsjahr ausgegeben werden können und sich nicht neue Reste vor uns auftürmen. Ebenso muß klar sein, daß die Mittel durch vorherige Streichung an anderer Stelle gewonnen werden. Unter dieser Voraussetzung ist die FDP bereit, den Haushalt des Ministers für Wissenschaft und Forschung weiter aufzustocken. Wissenschaft und Forschung sind Bereiche staatlicher Tätigkeit, die zu allen Zeiten mit besonderer Sorgfalt gepflegt werden müssen. Wir sind bereit, aus dieser Erkenntnis die haushaltstechnischen Folgerungen zu ziehen. Aus der bisherigen Debatte habe ich den Eindruck gewonnen, daß auch die anderen Fraktionen die gleiche Meinung vertreten. Hier haben wir also einen Sektor, wo sich schon in der ersten Lesung eine Übereinstimmung deutlich niederschlägt.
Sicherlich werden wir auch eine Diskussion um die Verstärkung der Berlinhilfe erleben. Wir werden ferner ein Gespräch über zusätzliche Mittel im Bergbau führen. Die Besoldungspolitik wird in der zweiten und dritten Lesung des Haushalts behandelt werden. Das gilt auch für das Problem der Kriegsopferversorgung. Aber was ich schon vorhin sagte: Wir können nicht über Geld verfügen, das wir nicht in der Hand haben. Wir müssen vorher an anderer Stelle gestrichen haben, wenn irgendwelche Wünsche auf den Tisch kommen sollen. Ich bitte die Kollegen dieses Hauses, das doch zu beachten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sehen die Möglichkeit, im Haushaltsausschuß Verbesserungen der Struktur des Etats vorzunehmen. Seit einigen Wochen hat der Haushaltsausschuß in den Vorberatungen sieben Einzelpläne behandelt und dabei die Verwaltungseinnahmen um



Dr. Emde
3 Millionen DM erhöht und die Ausgaben um 25 Millionen DM gesenkt. Es bietet sich an, die Mehreinnahmen bei Verwaltungseinnahmen und unter Umständen — das heißt, wenn wir am Ende der zweiten Lesung die gleiche Erkenntnis wie der Bundesrat gewinnen — eine mögliche Höherschätzung von Steuereinnahmen zu verwenden, aber nur, um den Anleihebedarf zu senken. Das heißt, auch die Erhöhung der Verwaltungseinnahmen und der Steuerschätzung darf nicht zu einer Ausweitung des heutigen Haushaltsvolumens führen.
Die bisherigen Streichungen des Haushaltsausschusses sind rein technischer Art: Anpassung überhöhter Ausgabenansätze an die Istzahlen des Vorjahres, Streichung überflüssiger Verwaltungsausgaben, realistische Veranschlagung von Baumaßnahmen entsprechen den tatsächlichen Ausgabemöglichkeiten. Alle diese Streichungen werden uns sicher einen Betrag von über 100 Millionen erbringen. Auch hier muß es heißen: keine zusätzlichen Pläne mit neuen Ausgaben, sondern weitere Senkung des Haushaltsvolumens, Erhöhung der Ansätze für Wissenschaft und Forschung und Stärkung anderer Schwerpunkte.
Darüber hinaus muß aber der Versuch gemacht werden, politische Entscheidungen zu treffen, um zu echten Einsparungen zu kommen, die über 1966 hinaus auch künftige Haushalte entlasten. Im ganzen Land — ich bedaure es, daß der zuständige Minister jetzt nicht da ist, nachdem ich ihn vorhin so attackiert habe — ist das Ausbildungsbeihilfengesetz — das sogenannte Pennälergehalt — heftiger Kritik ausgesetzt. Es ist höchste Zeit, daß hier eine befriedigende Lösung gefunden wird. Der beste Weg wäre eine völlige Streichung dieses verunglückten Gesetzeswerkes, das denen, die tatsächlichen Bedarf haben, zu wenig gibt, für alle anderen aber überflüssig ist. An seiner Stelle — wir kommen mit konstruktiven Vorschlägen — sollten alle in den verschiedenen Einzelplänen des Haushalts stehenden Ausbildungsförderungsbeiträge zusammengefaßt und ein vernünftiges Gesetz an die Stelle der verschiedenen Maßnahmen gesetzt werden.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf des Abg. Schoettle.)

Die FDP wird sich um diesen Weg in aller Ruhe und Sachlichkeit bemühen. Ich glaube, das ist ein Problem, über das wir uns in den weiteren Lesungen des Etats in aller Ruhe unterhalten können. Eines möchte ich aber hier völlig klarmachen. Wir werden einer Rückerhöhung des Monatsbetrages von 30 auf 40 DM etwa ab 1967 nicht zustimmen können. Denn das hieße die Sache zu betonieren. Wir wollen ein vernünftiges Ausbildungsförderungsgesetz, in das alle Gesichtspunkte, auch familienpolitischer Art, eingebaut werden können.

(Beifall bei der FDP und SPD.)

Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß das Haushaltssicherungsgesetz in seinem Bestand verteidigt werden muß. Wir können also die Pläne, die überall umgehen und von denen man hier und dort spricht, ab 1967 den einen oder den anderen Teil aus dem Haushaltssicherungsgesetz herauszubrechen, nicht mitmachen.
Als weitere politische Initiative meiner Freunde möchte ich hier den Antrag ankündigen, die Pläne zum Ausbau des Bundestages — also den Bau des Hochhauses — fallenzulassen und durch weniger kostspielige Maßnahmen die bestehende Raumnot zu beseitigen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Brese.)

Ich bin überzeugt, daß es bessere und weniger kostspielige Möglichkeiten gibt, unser Raumproblem zu lösen, als das geplante Großprojekt.

(Abg. Brese: Sehr richtig! — Zuruf von der SPD: Wo sind Ihre Vorschläge?)

— Wir kommen damit. — Die heftige öffentliche Kritik sollte den Befürwortern des jetzigen Planes zu denken geben. Psychologisch wäre es gewiß ratsam, in unseren eigenen Absichten zurückzuhalten. Die Öffentlichkeit würde ein solches Beispiel sicherlich recht zu werten wissen.
Weiterhin werden wir uns darum bemühen, den Ansatz für die sogenannte Ausrüstungshilfe, also die Lieferung von militärischen Gütern an Entwicklungsländer, zu streichen.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Die bisher gemachten Erfahrungen sind für uns alle nicht erfreulich. Die entsprechenden Konsequenzen sollten im Haushalt gezogen werden.

(Beifall bei der FDP.)

Vielleicht ist jetzt auch der richtige Zeitpunkt gekommen, das zu versuchen, was anscheinend nur unter äußerstem Druck in Deutschland erreichbar ist, nämlich eine bescheidene Verwaltungsvereinfachung. Ich denke dabei nicht nur an den Einsatz von Maschinen und die Automatisierung von Arbeitsvorgängen, sondern insbesondere an die Zusammenfassung bisher aufgesplitterter Zuständigkeiten an einer Stelle.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Die Zusammenfassung aller Aufgaben von Wissenschaft, Forschung und Bildung im Ministerium für wissenschaftliche Forschung ist ein Gebot der Stunde. Heute, da ein Minister der CDU dieses Ressort verwaltet, kann der Vorschlag von der FDP nicht so mißverstanden oder mißdeutet werden, als würden wir einen Kampf um die Ausdehnung der eigenen Macht im Kabinett führen. Ich spreche hier nur aus der Sache und wäre froh, wenn eine Kompetenzzusammenfassung bei Herrn Stoltenberg ermöglicht werden könnte.

(Beifall bei der FDP und SPD.)

Weitere Beispiele wären genügend anzuführen. Die deutsche Politik wird eines Tages auch daran geniessen werden, ob es ihr gelingt, den Staat in übersichtlicher, effektvoller Weise zu verwalten.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Also Möglichkeiten, durch Verbesserung der Organisation, durch Sparsamkeit und sinnvollen Einsatz der Finanzmittel den Aufwand zu senken und den Effekt staatlicher Tätigkeiten zu erhöhen, haben



Dr. Emde
wir noch genug. Das Gesamtproblem wird aber nicht allein damit gelöst werden können, denn wir ringen nicht um die Einsparung von 200 oder 300 Millionen DM zum Haushaltsausgleich, sondern um die Überwindung von Problemen, die im letzten Jahrzehnt entstanden sind.
Ich glaube, es war im November oder Dezember, als eine Gruppe zorniger junger Männer erstmalig ihre Stimme erhob und sagte, wir sollten den Haushalt auf 67 Milliarden begrenzen. Wenn ich das hier sage, spreche ich ohne jede Ironie, und ich würde mich freuen, wenn Herr Klepsch, der der Sprecher dieser Gruppe ist, im Laufe der Beratungen des Haushaltsausschusses oder in 'der zweiten oder dritten Lesung seine Gedanken mit in die Debatte einführte — nicht mit dem Ziel, daß wir ihm dann sagen, das sei Unsinn, sondern für uns ist es wichtig, daß jeder vernünftige Ratschlag jetzt mit beachtet wird. Die Not ist groß genug, und wir sollten alle Ratschläge und alle Hinweise in Ruhe und Vernunft überprüfen.

(Beifall bei der FDP.)

Dazu gehört auch der ganze Bereich des Abbaus der Subventionen. Herr Kollege Schoettle, auch wir sind der Meinung, daß wir an die Subventionen herangehen sollten, aber wir müssen uns natürlich über eins klar sein: Es gibt Subventionen, deren Streichung zu Preissteigerungen führt. Das muß einmal überlegt werden. Es gibt Subventionen, die aus wirtschaftspolitischen Gründen erforderlich sind. Die Zahlungen, die wir an die Sozialversicherungsträger leisten, firmieren mit unter der Gruppe Subventionen. Wir sind bereit, über alle diese Komplexe in Ruhe zu diskutieren, und wir würden uns freuen, wenn es gelänge, durch den Abbau überholter oder nicht mehr notwendiger Subventionen so viel Finanzmasse zu gewinnen, daß wir die Beweglichkeit haben, all die Wünsche zu erfüllen, die in den letzten Passagen Ihrer Rede ausgesprochen worden sind.

(Sehr gut! bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502514800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502514900
Herr Emde, bezüglich der Subventionen sind Sie aber doch mit uns darin einig, daß die in Zeitungen genannte Zahl von 29 Milliarden völlig irreal ist? Dieses Volumen kann man ja nicht als Subventionen ansprechen.

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0502515000
Ich bin der Meinung, daß in diesen 29 Milliarden aber auch alles, auch der letzte Groschen erfaßt ist, der irgendwo abgesetzt oder gegeben wird. Ich würde sagen, als echte Subventionen wird sich ein erheblich geringerer Teil herauskristallisieren. Damit haben wir aber auch die Schwierigkeit, über weniger Masse verfügen zu können, wenn wir die Subventionen abbauen, als wenn wir von 29 Milliarden ausgehen.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502515100
Darf ich vielleicht noch eine Zusatzfrage stellen: Sind Sie nicht der Auffassung,
daß wir von allen drei Frakionen diese Zahl von 29,5 Milliarden als irreführend bezeichnen sollten, weil sonst bei der Bevölkerung eine völlig falsche Vorstellung über die Subventionen entsteht?

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0502515200
Herr Hermsdorf, ich würde nicht sagen: irreführend. Aber die Zahl muß so ausgedeutet werden, daß man begreift, was sich hinter den 29 Milliarden verbirgt.
Meine Damen und Herren, welche Zeit wäre ohne Probleme denkbar? Entscheidend ist nur, ob und wie wir diese Probleme bewältigen. Finanz- und Haushaltspolitik sind wirksame Instrumente bei diesem Bemühen. Eine Haushaltspolitik erfüllt aber nur dann ihre Aufgabe, wenn sie nicht im Krämergeist erstickt; sie muß bereit sein, für große Aufgaben große Mittel einzusetzen. Haushaltspolitik ist Funktion und Instrument der allgemeinen Politik zur gleichen Zeit. Aber sie wird nie die allgemeine Politik oder politische Entscheidungen ersetzen können. Die Probleme der Wirtschaftspolitik können nur durch Entscheidungen im Rahmen der Wirtschaft, Probleme der Verkehrspolitik nur im. Rahmen des Verkehrswesens gelöst werden. Das gilt für alle Bereiche unseres staatlichen Lebens. Im Haushalt können Subventionen für eine Übergangszeit bereitgestellt werden, es können auch Zuschüsse und Finanzhilfen gegeben werden. Wir müssen aber davon ausgehen, daß wir damit nur Aushilfen schaffen und keine wirklichen Entscheidungen treffen.
Die FDP ist bereit, die Bundesregierung bei der Lösung der neuralgischen Punkte der deutschen Wirtschaftsstruktur mit aller Kraft zu unterstützen. Ich möchte hier nur ganz wenige Beispiele anführen. Hinter dem Schlagwort „Defizit der Deutschen Bundesbahn" verbirgt sich einer dieser neuralgischen Punkte. Nicht die Methode der Betriebsführung oder mangelnden Leistung der Belegschaft verursachen das Defizit, sondern strukturelle Änderungen der deutschen Verkehrswirtschaft. Wirksame Rationalisierungsmaßnahmen, verbunden mit einem großzügigen Investitionsprogramm, können die Betriebssituation verbessern, aber die Lösung des Problems ist nur im Rahmen allgemein verkehrspolitischer Maßnahmen zu finden, zu denen die Tarifpolitik ebenso gehört wie eine verbesserte Zusammenarbeit der Verkehrsträger bis hin zur reinen Arbeitsteilung. Die Finanzpolitik muß dazu Hilfestellung geben und die notwendigen Finanzmittel für Investitionen und zur Abgeltung der politischen Lasten beisteuern. Ich glaube, wir sind hier auf dem richtigen Wege, ebenso wie bei der Deutschen Bundespost, die auch ohne großzügige Investitionen nicht ihre Aufgabe in der modernen Wirtschaft erfüllen kann. Wenn ich die Preiserhöhungen bei Bahn und Post zum heutigen Zeitpunkt vertrete und verteidige, bin ich aber der Meinung, daß solche Investitionen nicht voll über den Preis finanziert werden sollten. Sie müssen wenigstens zum Teil über die Kapitalausstattung mitfinanziert werden.
Die Frage der Vermögensbildung ist in der vergangenen Legislaturperiode durch Weiterführung und Weiterentwicklung der Sparförderung positiv



Dr. Emde
behandelt worden. Jetzt erkennen wir, wie die verschiedenen Möglichkeiten sich überschneiden, welche nicht geplanten Sondervorteile entstehen und welche Steuerausfälle sich aus den Gesetzen ergeben. Eine Überprüfung der verschiedenen Gesetze zur Harmonisierung und zur besseren Abstimmung der Möglichkeiten der Vermögensbildung ist auch ein Gebot der Stunde.
Überprüfung und Harmonisierung heißt aber nicht Beseitigung. Die FDP sieht in den Sparförderungsgesetzen einmal die gesellschaftspolitisch erwünschte Stärkung des Spargedankens und die Förderung der Eigentumsbildung, zum anderen aber berücksichtigt die FDP auch die Stärkung des Kapitalmarktes. Hier sollten keine Experimente gemacht werden. Der Kapitalmarkt hat u. a. auch durch das Kuponsteuergesetz von 1964 einen Schock erlitten. Das Vertrauen der unzähligen kleinen Sparer in Recht und Vertrag muß erhalten bleiben. Wir haben daher mit Genugtuung die Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers gehört, daß unter keinen Umständen in die bestehenden Sparverträge eingegriffen werden soll.
Der Bundestag wird sich in den nächsten Monaten mit den Vorschlägen der Kommission für die Finanzreform auseinandersetzen. Wir werden es also in unserer Entscheidungsbefugnis haben, die deutsche Finanzverfassung zu modernisieren und den veränderten Verhältnissen anzupassen. Wir hoffen, daß in diesem Hause die Entscheidungen allein nach sachlichen Gesichtspunkten gefällt werden, unabhängig von der Frage, ob sich eine Fraktion in der Regierung befindet oder ob sie in der Opposition sitzt.
In der zweiten Lesung wird bei der Beratung der Einzelpläne Gelegenheit genug sein, die von mir angeschnittenen Fragen in aller Ausführlichkeit zu debattieren. Meine Fraktion ist bereit, die zweite Lesung zu benutzen, um ihren jeweiligen Standpunkt darzulegen und Lösungsvorschläge zu machen. Ich möchte hier nur eine grundsätzliche Erklärung abgeben: Wir werden uns bemühen, solche Lösungen zu finden, die aus der Sache heraus richtig sind, auch dann, wenn Taktiker uns vor Unpopularität warnen. Das deutsche Volk ist mündig genug, um zu verstehen, worum es geht; es will nicht politische Finten, sondern Wahrheit und Klarheit.
Undoktrinäres Handeln wird in dieser Lage immer besser sein, als in ausgefahrenen Wegen weiterzukarren. Jeder fortschrittliche industrielle Betrieb kämpft mit Leidenschaft gegen zwei Begriffe; erstens: „das gibt es bei uns nicht", zweitens: „das haben wir noch nie so gemacht". Ähnlich sollten wir es halten. Nicht aus der Routine heraus, sondern nur mit Energie und Mut werden wir die Probleme unserer Zeit lösen.
Haushalts- und Finanzpolitik haben hierbei Hilfestellung zu leisten. Sachentscheidungen, Umstrukturierung des Haushalts und Schwerpunktveränderungen müssen von ihr entsprechend unterstützt werden. Die Haushalts- und Finanzpolitik wird in diesem Zusammenhang als Hilfsinstrument der allgemeinen Politik eingesetzt. Und das ist richtig so, wenn man bereit ist, die finanziellen Grenzen und Möglichkeiten richtig einzuschätzen. Im Entwurf des
Haushalts 1966 tun wir das durch die Schwerpunktbildung bei Wissenschaft und Forschung und beim Verkehr. Die Schwerpunktbildung entspricht den Notwendigkeiten. Es ist hier nicht notwendig, das alles noch einmal im einzelnen auszuführen. Aber wenn wir — wie vorhin schon dargestellt — die an anderer Stelle gestrichenen Beträge dem Einzelplan 31 zuführen, dann hat die Haushaltspolitik alles in ihrer Kraft Stehende getan, um Wissenschaft und Forschung zu dienen.
Gleiches gilt für den Verkehr. Die Fortführung aller Investitionsprogramme und die Erhöhung der für die Bundesbahn bereitgestellten Mittel auf 2,5 Milliarden DM machen den Einzelplan 12 zu einem Schwerpunkt der Investitionshaushalte und schaffen damit die haushaltsmäßigen Voraussetzungen zur Überwindung der Schwierigkeiten im deutschen Verkehrssektor.
Haushalts- und Finanzpolitik sind aber nicht nur Instrumente der allgemeinen Politik. Sie legen mit ihren Gesetzmäßigkeiten im Rahmen volkswirtschaftlicher Erkenntnisse auch Grenzen fest, innerhalb deren sich die Politik zu bewegen hat. Denn im wirtschaftlichen Leben und in der Volkswirtschaft gibt es Gesetze, die der Mensch und der Staat nicht ohne schweren Schaden verletzen können. Ich habe im ersten Teil meiner Darstellung von unseren Fehlern der Vergangenheit gesprochen, zu vieles zur gleichen Zeit tun zu wollen.
Diese Politik hat uns die totale Erschöpfung des Arbeitsmarktes, den Einsatz von 1,3 Millionen ausländischer Arbeitskräfte gebracht und in die finanzielle Überforderung hineingetrieben. Wir werden in der Zukunft die Dinge nur dann besser machen, wenn wir bereit sind, den einen oder anderen Wunsch zurückzustellen oder aber eine höhere Arbeitsleistung zu erbringen. Da die Rationalisierungserfolge nicht sprunghaft gesteigert werden können, kann höhere Arbeitsleistung nur bedeuten: zeitweiliger Verzicht auf weitere Arbeitszeitverkürzungen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU.)

Das wird weiterhin auch zu steigenden Steueraufkommen führen und damit die Lücke in der Finanzierung der Jahre 1967 bis 1970 mindern können. Bestes Mittel zur Steigerung der Arbeitsleistung ist die Lohnsteuerbefreiung für Überstunden; wir werden diesen Antrag erneut stellen und hoffen diesmal auf Annahme im Plenum.
Unter keinen Umständen kann die Finanzpolitik der künftigen Jahre zum Ziel haben, durch eine allgemeine oder punktuelle Steuererhöhung die Staatseinnahmen zu mehren. Höhere Steuerbelastung bedeutet für den Verbraucher Konsumeinschränkung, für die Industrie Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel und damit Gefährdung des weiteren Wirtschaftswachstums.
Die Befürworter von Steuererhöhungen argumentieren so: Erhöht die Steuern, dann können wir die eine oder andere Maßnahme verstärken oder zusätzliche Pläne verwirklichen. Damit würde genau



Dr. Emde
die Politik fortgesetzt, die wir kritisieren, nämlich alles zur gleichen Zeit machen zu wollen. Die Funktion des Staates, über immer höhere Anteile am Sozialprodukt zu verfügen und damit die Sozialisierung durch die Hintertür vorwärtszutreiben, würde weiter verstärkt. Darüber hinaus würde der Druck, dem wir von allen Seiten ausgesetzt sind, ständig weiter wachsen.
Genau den entgegengesetzten Weg müssen wir gehen. Steuererhöhungen werden von uns auch für die kommende Zeit unter der gegenwärtigen Wettbewerbs- und Konjunktursituation abgelehnt. Die Haushaltsausgleiche sind auch in den Jahren 1967 und 1968 bei Bereinigung der vorhin von mir aufgezählten neuralgischen Punkte der deutschen Wirtschaftspolitik und bei sparsamer Haushaltsführung herzustellen. Nur so haben wir wenigstens im Bund den festen Boden unter den Füßen, um den Kampf gegen Preisanstieg und Währungsverschlechterung führen zu können. Ich will die Gefahren einer Währungsverschlechterung nicht dramatisieren. Aber auch die mit uns befreundeten Nationen müssen wissen, was wirtschaftliche Instabilität, soziale Unruhe oder was eine dritte Inflation in Deutschland bedeuten würde,

(Zustimmung bei der FDP.)

Wer diese Gefahren sieht — und der Finanzpolitiker muß bei seiner Analyse und bei seiner Zukunftsschau alle solche Gefahren einkalkulieren — wird erkennen, daß wir hier die Grenzen erreicht haben.
Es ist auf die Dauer schlechthin undenkbar, daß ständig neue finanzielle Belastungen für den deutschen Haushalt durch innen- und außenpolitische Entscheidungen erwachsen. Wir haben volles Verständnis dafür, daß Großbritannien bei der Überprüfung seiner Verteidigungspolitik und seiner Verteidigungskosten erwägt, den Bestand seiner Truppen in. Deutschland zu verringern. Das Problem der Stationierungskosten aber damit sofort zu verbinden, halten wir nicht für geschickt. Wir gehen nämlich davon aus, daß die in Deutschland stationierten Verbände nicht nur im Interesse Deutschlands hier stehen, sondern in gleicher Weise auch dem Interesse der Verbündeten dienen; denn an der Demarkationslinie wird nicht nur die Freiheit Deutschlands, sondern auch die Freiheit der ganzen westlichen Welt verteidigt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auch die Frage der Waffenkäufe in den Vereinigten Staaten oder die Vorfinanzierung von großen Beschaffungsprogrammen in Milliardenhöhe muß unter der heutigen wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik gesehen werden. Es ist erforderlich, hier rechtzeitig die deutschen Notwendigkeiten darzulegen und hart um die Berücksichtigung des deutschen Standpunktes zu ringen. Ein solches Verhalten ist auf jeden Fall besser als aus Gründen einer falsch verstandenen Loyalität Verpflichtungen einzugehen, die einfach über die Leistungskraft hinauslaufen oder aber, wenn sie unter allen Umständen eingehalten werden sollen, die wirtschaftliche und soziale Stabilität und damit auch die militärische Sicherheit gefährden.

(Beifall bei der FDP.)

Die Allianz ist aufgebaut auf einer Arbeitsteilung in der Waffentechnik, im Truppeneinsatz und in der Verpflichtung, geographische Bereiche militärisch zu sichern. Dabei ist eindeutig die deutsche Verpflichtung auf den Bereich der NATO, d. h. auf Europa festgelegt. Wir sind gewillt, in diesem Bereich unsere Verpflichtungen weiter voll zu erfüllen und haben mit der restlosen Integrierung unserer Streitkräfte bereits ein Höchstmaß an Bereitschaft gezeigt. Das verstärkte amerikanische Engagement in Ostasien kann, wenn diese Vorstellung der Arbeitsteilung innerhalb der Allianz auch weiter beibehalten werden soll, unter Umständen für uns verstärkte Verteidigungsanstrengungen in Europa zur Folge haben. Ein über den Rahmen entwicklungspolitischer Maßnahmen hinausgehendes Engagement in Ostasien würde einer Verzettelung unserer Kräfte gleichkommen. An einen militärischen Einsatz ist außerdem in der Situation des geteilten Deutschlands sowieso nicht zu denken. Die entsprechenden Erklärungen der Bundesregierung sind deutlich genug und werden von uns hier noch einmal in aller Klarheit unterstützt.
Im übrigen ist das Zahlungsbilanzdefizit der USA mit bedingt durch den weltweiten Kapitalexport aus den Vereinigten Staaten. Gegenmaßnahmen sowie Abkommen innerhalb der Allianz müssen diesen Tatbestand voll würdigen.
Genauso deutlich ist unsere Haltung zu weiteren Verpflichtungen innerhalb der EWG. Es besteht kein Zweifel daran, daß von der Bundesrepublik große finanzielle Opfer für die EWG-Agrarfinanzierung erbracht werden müssen. Es wird sich um einen geschätzten Endbetrag von sicherlich 3 Milliarden DM pro Jahr handeln. Die Bundesregierung wird in Brüssel künftig nur solchen Regelungen zustimmen können, die im Rahmen unserer Finanzmöglichkeiten liegen. So darf z. B. der Aufbringungsschlüssel 28 bzw. 31 % nicht überschreiten. Die Fondsausschüttung darf nicht einseitig zugunsten der Agrarüberschußländer erfolgen. Die Finanzpolitik muß darauf dringen, daß die Weiterentwicklung des Gemeinsamen Marktes nicht zu Lasten des deutschen Steuerzahlers erfolgt.

(Beifall bei der FDP.)

Meine Damen und Herren, ich habe mich bemüht, darzustellen, wo unsere Schwierigkeiten und unsere Möglichkeiten liegen. Die Bundesregierung kann auf die volle Mitarbeit der FDP rechnen. Wir möchten an dieser Stelle dem Herrn Bundeskanzler und dem Herr Bundesfinanzminister für ihre Arbeit in den letzten Monaten danken und ihnen unser volles Vertrauen aussprechen. Bundeskanzler und Finanzminister werden von uns voll unterstützt in der Fortsetzung der Politik der sozialen Marktwirtschaft. Sie hat die wirtschaftliche Grundlage für unseren erfolgreichen Wiederaufbau geliefert. Diese Marktwirtschaft ist aufgebaut auf den Prinzipien der Freiheit, der Eigenverantwortung und enthält wesentliche Merkmale des modernen Liberalismus. Ich betone das besonders, weil es Leute gibt, die meinen,



Dr. Emde
Liberalismus sei eine schlimmere Krankheit als der Herzinfarkt. Die Betreffenden scheinen das eine Gott sei Dank nicht, das andere leider nicht zu kennen.
Wünsche im Innern, Anforderungen von draußen kumulieren sich 1967 und in den folgenden Jahren in einer Weise, die uns heute bei der Beratung des Haushalts 1966 in allen Entscheidungen bereits festlegt und ein hohes Maß an Einsicht und Verantwortung erfordert. Hier helfen keine Schlagworte, sondern nur zähes und stetiges Verhandeln, um unseren Standpunkt im Rahmen unserer internationalen Bindungen darzulegen, Beständigkeit und Offenheit im Innern, um der Bevölkerung deutlich zu machen, wo wir heute stehen. Die deutsche Öffentlichkeit ist bereit, das Ihre zu leisten, um den gewonnenen Stand unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik zu halten und auszubauen. Sie ist bereit, mehr zu leisten, um das Erreichte zu verteidigen. Haben wir den Mut, durch klare und nüchterne Entscheidungen die deutsche Politik der nächsten Jahre zu gestalten!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502515300
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 15.15 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.16 Uhr bis 15.16 Uhr.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502515400
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Aussprache zu Punkt 2 und 3 der Tagesordnung fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0502515500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich zunächst mit den Ausführungen des Abgeordneten Schoettle befassen und möchte eingangs dazu sagen, daß ich seine sichtbare Erregung über den Ablauf des ersten Vormittags dieser Debatte eigentlich nicht verstehen kann.

(Zuruf von der SPD: Das werden Sie nie verstehen, Herr Dr. Althammer!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich das etwas näher ausführen.
Die Haushaltsdebatte soll im Jahresrhythmus der Parlamentsarbeit einer der Höhepunkte sein. Soll, habe ich gesagt. Wir haben in den vergangenen Jahren ja schon verschiedenartigste erste Lesungen des Haushalts erlebt. Wir haben erleben müssen, daß in solchen ersten Lesungen sehr lange, tagelang, über Außenpolitik gesprochen wurde und dann über Haushaltsfragen nur noch am Rande und sehr kurz gesprochen werden konnte. Ich persönlich bin überzeugt, daß, wenn der Herr Bundeskanzler heute vormittag der Debatte ferngeblieben wäre und andere wichtige Amtsgeschäfte wahrgenommen hätte, mit Sicherheit von der gleichen SPD der Vorwurf gekommen wäre, daß diese Debatte offenbar dem Herrn Bundeskanzler nicht wichtig genug erscheine.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte deshalb ganz klar und eindeutig sagen:
ich bin dem Herrn Bundeskanzler sehr dankbar da-
für, daß er durch seine einleitenden Ausführungen vor aller Öffentlichkeit unterstrichen hat, welche Bedeutung er den haushaltspolitischen Fragen beimißt, die wir heute zu behandeln haben.
Nach der Verfassungswirklichkeit unseres Parlaments stehen gerade in Haushaltsfragen die drei Fraktionen dieses Hohen Hauses der Exekutive sehr deutlich gegenüber. Die logische Konsequenz dieser Konfrontation von Legislative und Exekutive ist es und muß es sein, daß natürlich die Sprecher aller drei Fraktionen zu diesen Fragen Ausführungen zu machen haben. Daraus ergibt sich, daß als erster Sprecher der Sprecher der größten Fraktion das Wort zu ergreifen hat. Mein Kollege Leicht hat in seinen Ausführungen auch ganz deutlich gemacht, welche kritischen Anmerkungen und welche Wünsche auch wir von der großen Regierungspartei an dieses Kabinett und an die Exekutive zu richten haben. Im übrigen bin ich der Meinung, daß es für den Herrn Kollegen Schoettle eigentlich gar nicht so schlimm sein kann, ob er nun als zweiter oder dritter Debattenredner zu Worte gekommen ist; denn es kommt ja schließlich auf das Gewicht der Ausführungen des einzelnen Abgeordneten an.

(Zuruf von der SPD: Zur Sache!)

Ich messe diesen Ausführungen des Herrn Kollegen Schoettle sehr großes Gewicht bei. Darum möchte ich mich mit ihnen jetzt beschäftigen.

(Zuruf von der SPD: Das wird auch Zeit!)

— Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mich laufend mit Zwischenrufen provozieren, dann wird es leider noch etwas länger dauern.

(Zurufe von der SPD.)

Der Kollege Schoettle hat sehr deutlich die düstere Prognose der Finanzvorausschau, die im Finanzbericht enthalten ist, vorausgestellt. Er hat dabei die Zahlen, die am Ende der Tabelle auf Seite 97 des Finanzberichts stehen, vorgeführt. Ich glaube aber, man darf diese Zahlen nicht isoliert sehen, sondern man muß sie in das Gesamtbild, das wir von unserer Wirtschafts- und Finanzlage vor uns haben, einfügen. Wenn wir dieses Gesamtbild voranstellen, dann ist es doch ganz eindeutig, daß die Bundesrepublik nach wie vor über eine leistungsfähige Wirtschaft verfügt, deren Wachstumsraten und deren Produktivitätsergebnisse nach wie vor an der Spitze aller großen Industrienationen der Welt liegen. Wenn wir uns z. B. nur die Exportprognose der jüngsten Tage und Wochen ansehen, stellen wir fest, daß diese Exportprognose für die nächste Zeit absolut positiv ist.
Man kann noch weitergehen. Wenn wir uns im Finanzbericht die erste Zeile der Tabelle ansehen, dann stellen wir fest, daß dort in der Vorausschau ein jährliches Wachstum der Haushaltseinnahmen von rund 4 Milliarden DM festgestellt ist.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Ich persönlich bin der Meinung, daß diese Schätzungen noch dazu sehr vorsichtig sind.



Dr. Althammer
Wenn wir das alles sehen, dann ist vom Grundsätzlichen her kein Anlaß zum Pessimismus, sondern Anlaß zum Optimismus gegeben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Und was Optimismus in der Wirtschaft bedeutet, das hat ja unser Herr Bundeskanzler seit dem Jahre 1948 unserem Volk vorexerziert.
Richtig muß deshalb meines Erachtens die Frage so lauten: Weshalb sind wir bei so hohen jährlichen Einnahmezuwachsraten nicht in der Lage, bestehende Ausgabeverpflichtungen in diesen kommenden Jahren nach dieser Prognose voll zu erfüllen und darüber hinaus Mittel für wichtige Zukunftsaufgaben bereitzustellen? Damit nämlich sind wir erst am entscheidenden Punkt. Kollege Schoettle hat von dem sogenannten Finanzschock des Jahres 1965 gesprochen. Ich glaube auch, daß diese Verhaltensweise eine Reaktion dieses Hohen Hauses auf die Ausgabenpolitik mehrerer vergangener Jahre war, nicht nur des Sommers 1965.
Die Fraktionen haben meines Erachtens nicht genügend auf die Warnungen ihrer Finanzleute gehört. Das war bei uns so, ich sage das ganz offen, und ich möchte zur Ehre des Kollegen Schoettle und der anderen Haushaltsexperten der SPD annehmen, daß das auch in der Fraktion der SPD im grundsätzlichen so gewesen ist. Wir sollten also die Verantwortlichkeit für die finanzpolitische Situation, in der wir stehen, nicht hin- und herzuschieben versuchen. Ich habe ja bereits bei der Debatte über die Regierungserklärung meine Meinung zu der Verhaltensweise der Opposition gesagt. Wenn aber die SPD immer wieder betont, daß sie aus dem Mandat ihrer Wählerschaft eine Mitverantwortung für unser ganzes Volk ableitet, dann, glaube ich, muß diese Verantwortung von der SPD auch übernommen werden, wenn es darum geht, Wünsche abzulehnen und Kürzungen vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie den Finanzbericht auf Seite 98 und 99 nachlesen, dann werden Sie finden, daß die Wurzeln dieser Selbstfesselung unseres Parlaments nicht im Sommer und im Frühsommer des Jahres 1965 mit den berühmten Wahlgeschenken liegen, sondern daß sie weit in die Jahre davor zurückreichen. Wir werden zu tun haben, diese Selbstfesselung von uns abzuschütteln.
Kollege Schoettle hat meines Erachtens bemerkenswerte Kürzungsmöglichkeiten für den Haushalt 1966 erörtert. Er hat angekündigt, daß die SPD das Finanzvolumen dieses Haushalts insgesamt nicht ändern will, sondern daß sie intern umschichten will. Gut, ich halte das für ein Konzept.
Kollege Leicht hat für unsere Fraktion erklärt, daß wir das Gesamtvolumen noch weiter nach unten drücken wollen. Das ist unser Konzept. Wenn der Herr Bundesfinanzminister ein solches Bemühen begrüßt hat, dann kann ich darin nicht ein Abgehen von der Regierungsvorlage sehen, sondern ich meine, damit hat er ganz schlicht und einfach gesagt: Die Regierung hat sich bemüht, das Ihre zu tun, nun, Parlament, tu auch du das, was du für notwendig hältst, um die Finanzsituation in Ordnung zu halten.
Immerhin: der Unterschied ist deutlich, die Opposition will das Volumen von 69,1 Milliarden halten, die Koalition will es weiter nach unten drücken. Für den Wachstumsfanatiker darf ich zur Beruhigung sagen, daß wir dabei nicht an Milliardeneinsparungen denken. Aber wir glauben, daß die Einzelberatungen als Ergebnis immerhin noch eine sichtbare Einsparung beinhalten sollten.
Der Kollege Schoettle hat dann aber im zweiten Teil seiner Ausführungen große, zukunftsträchtige und kostenverursachende Projekte angesprochen. Er hat an die Besoldungsprobleme erinnert, er hat den Bevölkerungsschutz erwähnt, er hat den Verteidigungshaushalt genannt, er hat von der Reform der Kriegsopferversorgung gesprochen. Er hat von den Leistungen für Zonenflüchtlinge gesprochen, und er hat die Verkehrsausgaben erwähnt. Sicher wird über all diese Dinge zu sprechen sein. Was ich aber vermißt habe, ist, daß der Kollege Schoettle in diesem Fall genauso verfuhr wie bei der Erörterung des Haushalts 1966. Dort hat er nämlich möglichen Wünschen der SPD Einsparungsmöglichkeiten gegenübergestellt. Aber bei den großen, sehr kostspieligen Zukunftsprojekten habe ich eine ähnliche Gegenüberstellung vermißt. Dort hat der Kollege Schoettle mit keinem Wort davon gesprochen, wie angesichts der sogenannten Finanzierungslücke für die nächsten Jahre diese finanziellen Wünsche befriedigt werden sollen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502515600
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0502515700
Bitte schön!

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502515800

(bis 1970. Das ist wohl ein bißchen ides Guten zuviel verlangt! (Zuruf von der CDU/CSU: Wo haben Sie sie gemacht?)


Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0502515900
Herr Kollege Hermsdorf, darf ich noch einmal in Ihr Gedächtnis rufen, daß ich das ausdrücklich betont habe. Ich habe das sehr begrüßt, und ich werde gleich von dem eventuell sich abzeichnenden neuen Stil der Opposition sprechen. Aber Sie können nicht darüber hinweggehen, daß es dann absolut zweckmäßig und notwendig ist, diese Methode auch für weitergehende Wünsche anzuwenden. Denn was hilft es uns, dieses geringe Volumen in dieser Form zu behandeln — der Kollege Schoettle hat ja von einem Maximum von 500 Millionen gesprochen —, aber Milliardensummen, die z. B. in der Neuregelung der Kriegs-



Dr. Althammer
opferversorgung stecken, hinsichtlich der Deckungsseite nicht zu behandeln?

(Zurufe von der SPD.)

Ich darf noch einmal betonen: diese Ausführungen sollen nicht bedeuten, daß wir es etwa für unmöglich halten, in nächster Zeit solche Probleme anzugehen.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Wir sind uns völlig klar darüber, daß z. B. die Kriegsopferversorgung jetzt sofort angepackt werden muß.

(Zuruf von der SPD: Na, also!)

Vielleicht — ja, ich werde noch darauf zu sprechen kommen, wie die Kosten dann gedeckt werden sollen —, vielleicht ist der Aufmerksamkeit der Kollegen von der Opposition entgangen, daß unser Bundesarbeitsminister Katzer seit seinem Amtsantritt diese Novellierung sehr intensiv vorbereitet und laufend mit den Kriegsopferverbänden über diese Probleme verhandelt.
Wenn sich aber — ich habe das eben schon angedeutet — hier etwa ein neuer Stil der SPD in der finanziellen Mitverantwortung abzeichnen sollte, dann hätte meines Erachtens — vielleicht kann das noch nachgeholt werden — die SPD auch zu der Frage Stellung nehmen sollen, wie wir uns aus der Zwangsläufigkeit befreien, daß längst beschlossene Gesetze den Einnahmezuwachs der künftigen Jahre so ziemlich aufzehren. Der Kollege Leicht und auch der Kollege Emde haben gerade zu diesem Punkte sehr konkrete Ausführungen gemacht. Auch der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß wir jetzt sehr schnell an die Korrektur dei bestehenden Gesetze herangehen müßten, um eine Finanzmasse für künftige Maßnahmen freizubekommen. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, erwarten wir Ihre tätige Mitarbeit. Wir sind auf Ihre Vorschläge in dieser Richtung sehr gespannt.
Ich darf noch ein kurzes Wort zur Abwicklung des Haushalts 1965 sagen, weil auch dies vom Kollegen Schoettle sehr gerügt worden ist. Sie werden sich erinnern, daß im Verlauf des Haushaltsjahres 1965 neue und unabweisbare Finanzierungsnotwendigkeiten von 2,4 Milliarden DM auf den Bundeshaushalt zugekommen sind. Wenn das Defizit trotzdem nur 725 Millionen DM beträgt, dann zeigt das schon, in welcher harten und rigorosen Form die Bundesregierung den Haushalt im letzten Halbjahr 1965 abgewickelt hat. Wer das nicht glaubt, möge im Januarbericht der Bundesbank nachlesen; dort sind diese Dinge sehr genau dargestellt.
Wir dürfen dazu noch folgendes erwähnen. Wenn die Kreditermächtigung im Haushalt 1965 voll ausgeschöpft worden wäre, betrüge das Defizit lediglich 50 Millionen DM. Daraus, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht hervor, daß das Haushaltsergebnis des Jahres 1965 das höchste Lob verdient.
Nun zu den Einzelpunkten. Kollege Schoettle hat vor allem den Verkehrssektor erwähnt. Er hat leider nicht gesagt, was auf diesem Gebiet bereits alles geschieht. Was geschieht, ist im Bulletin der Bundesregierung im Rahmen der Erläuterung des Haushalts 1966 sehr ausführlich dargestellt worden. Ich darf es stichwortartig wiederholen.
Im Straßenbau haben wir den zweiten Vierjahresplan erfolgreich abgeschlossen und die riesige Finanzmasse bis auf einen kleinen Betrag von 100 Millionen DM, was 0,8 % der gesamten Masse ausmacht, eingesetzt. Wir sind daran, den dritten Vierjahresplan mit einem Gesamtvolumen von 18 Milliarden DM anzugehen.
Im Wasserstraßenbau ist neben den laufenden Leistungen jetzt von der Bundesregierung ein Abkommen mit vier norddeutschen Landesregierungen über ein Volumen von 3 Milliarden DM abgeschlossen worden, in dem sich diese Landesregierungen verpflichtet haben, an der Erhaltung und dem Ausbau der bestehenden Kanäle mitzuarbeiten. In Süddeutschland wird Nürnberg planmäßig im Jahre 1970 im Zuge des Baues des Rhein-Main-Donau-Kanals erreicht werden. Auch dort ist die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet worden.
Gestatten Sie mir als bayerischem Abgeordneten hier die Anmerkung, daß sich der Bund in der Finanzierung des Rhein-Main-Donau-Kanals in ähnlicher Weise etwas kräftiger engagieren könnte, wie es im norddeutschen Bereich der Fall ist.

(Zustimmung bei der CSU.)

Wir werden auf jeden Fall mit allen Kräften darauf hinarbeiten, daß jetzt sehr schnell über den Vollausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals entschieden wird und auch die letzte Trasse noch finanziert werden kann.
Bezüglich der Bundesbahn befinden wir uns seit Jahren in der Diskussion. Es liegen Gutachten und Untersuchungen aller Art vor. Es ist nicht so, daß dieses Problem erst jetzt angegangen worden ist. Ich erinnere mich sehr genau, daß Herr Präsident Oeftering vor einigen Jahren in München mit großer Genugtuung verkündet hatte, die Bundesbahn „fahre jetzt aus dem Defizit". Es ist anders gekommen, meine Damen und Herren. Wir werden uns auf Grund der Initiativen unserer Fraktion ausführlich darüber unterhalten können, weshalb das so war und wie hier nun endgültig etwas getan werden kann.
Kollege Schoettle hat auch die Fragen der Besoldungsordnung angeschnitten. Ich darf daran erinnern, daß es die SPD war, die zu unserer großen Enttäuschung die Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes abgelehnt und damit die Harmonisierungsbestrebungen zunichte gemacht hat. Vielleicht können sich einige Bundesländer hinsichtlich ihrer angespannten Finanzlage auch bei der SPD dafür bedanken, daß das damals nicht geschehen ist.
Der Bevölkerungsschutz ist vom Kollegen Schoettle ebenfalls angeschnitten worden. Da besteht eine ganz ähnliche Situation. Wir haben die Gesetze damals in der Erwartung verabschiedet, daß die Grundgesetzänderung als Basis einer vernünftigen Notstandsverfassung ebenfalls akzeptiert wird. Wiederum erhielten wir ein Nein der SPD. Die SPD hat es abgelehnt, die Notstandsverfassung insgesamt zu bejahen. Damit ist für uns die Frage gestellt, was nun in der nächsten Zeit geschehen soll.



Dr. Althammer
Bundesinnenminister Lücke wird zu beiden Punkten — in der Frage der Besoldung und in der Frage der Notstandsgesetzgebung — in allernächster Zeit Gesetzentwürfe der Bundesregierung vorlegen. Auch dabei wird die Opposition wieder gefragt werden, wie sie es mit der Verantwortung für das ganze Volk, von der sie gesprochen hat, halten wird.
Schließlich möchte ich noch dankbar vermerken, daß uns zum Problem der Ausgabebewilligungen durch das Parlament für die Zukunft von der SPD eine Gesetzesinitiative angekündigt worden ist. Ich habe nur die Bitte, daß diese Gesetzesinitiative der SPD sehr rasch ergriffen wird, damit wir dann unsere Vorschläge mit denen der Opposition vergleichen können, um in einem edlen Wettstreit die beste Lösung für eine — das wird es ja wohl sein — gewisse Selbstbindung des Parlaments zu erreichen.
Der Herr Bundeskanzler und auch meine Vorredner haben schon das Gutachten zur Finanzreform erwähnt. Gestatten Sie mir, daß ich auf dieses jetzt vorliegende Gutachten — im Wortlaut ist es mir allerdings noch nicht bekannt, wohl aber nach den Verlautbarungen, die überall zu finden waren — kurz eingehe. Zunächst einmal möchte ich den fünf Sachverständigen recht herzlich dafür danken, daß sie uns in zwei Jahren ein so umfassendes Gutachten vorgelegt haben. Damit ist aber den Verfassungsorganen für die nächsten drei Jahre eine sehr, sehr große Aufgabe gestellt. Sie wird nur gelöst werden können, wenn die Verfassungsorgane konzentriert und konstruktiv zusammenarbeiten. Wir freuen uns darüber, daß verschiedene Sprecher der SPD grundsätzlich ihre Bereitschaft erklärt haben, an diesem Werk der Finanzreform positiv mitzuarbeiten.

(Beifall in der Mitte.)

Das wird um so notwendiger sein, als rund zehn Grundgesetzänderungen in diesem Gesamtwerk enthalten sind. Ich glaube auch gar nicht, daß etwa der Verdacht entstehen könnte, die SPD wolle die Notwendigkeit der Mitwirkung bei den Grundgesetzänderungen dazu benützen, die Koalition aufzubrechen und in die Regierung einzutreten.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Dazu haben wir doch schon Stellung genommen! — Abg. Hermsdorf: Haben Sie eigentlich so große Angst davor?)

— Ich wiederhole und möchte hier ganz klipp und klar erklären: ich persönlich glaube das nicht; aber es wird darauf ankommen, daß dann in den Detailfragen der Wille zur Einigung besteht.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Bei Ihnen!)

Denn man kann es natürlich auch so machen, daß man zuerst grundsätzlich erklärt: Wir sind selbstverständlich bereit, an einer Grundgesetzänderung mitzuwirken, und daß man dann in einer Detailfrage sein Nein zu begründen versucht. Es kann eine Situation entstehen, wo eben keine Einigung möglich ist. Aber es wird entscheidend darauf ankommen, daß hier auf allen Seiten ein möglichst starker und konstruktiver Wille zur Zusammenarbeit besteht.
Der zweite entscheidende Partner bei der Durchführung der Finanzreform ist die Gemeinschaft der Länder. Auch die Länder müssen zu einer sachlichen und konstruktiven Mitarbeit bereit sein. In diesem Zusammenhang möchte ich ein deutliches Wort sagen. Es würde nicht weiterführen, wenn wir jede kritische und einschränkende Äußerung von seiten der Länder sofort als Obstruktion und Sabotage bezeichnen wollten. Wir sollten uns vielmehr ganz generell angewöhnen, davon auszugehen, daß die Ministerpräsidenten und die Minister der Länder bestimmte Aufgaben haben und daß sie in diesen Funktionen in einen Gegensatz sachlicher Natur zu den Vertretern der Bundeszentrale kommen könnten. Für den Fall, daß einmal ein Repräsentant der Länder in einer Sachfrage anderer Meinung sein sollte, als wir sie hier vertreten, und daß es sich dabei zudem um einen Vertreter der CDU/CSU handeln sollte, bitte ich schon jetzt darum, daraus nicht sofort einen parteiinternen Hader konstruieren zu wollen, sondern davon auszugehen, daß es ein Ausdruck des naturgegebenen Spannungsverhältnisses zwischen Bund und Ländern sein kann.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich stimme dem Herrn Bundesfinanzminister darin zu, daß diese Finanzreform nicht in einem Akt, sondern sicherlich in mehreren Abschnitten zu bewältigen sein wird. Wir werden aber gut daran tun, von vornherein dieses Werk nicht mit radikalen, zu weittragenden Forderungen zu belasten. So halte ich z. B. nichts von Bemühungen, etwa eine Neugliederung der Bundesländer in diese Finanzreform miteinzubeziehen,

(Hört! Hört! bei der SPD)

wie es von einem Vertreter der Länder schon einmal angesprochen worden ist. Ich glaube auch nicht, daß es der Sache dient, wenn man die pauschale Forderung erhebt, die Länderfinanzverwaltungen völlig zu beseitigen und nur noch eine Bundesfinanzverwaltung bestehen zu lassen.

(Zuruf von der SPD: Wird nicht erhoben!)

Ich meine sogar, daß wir vielleicht einige Punkte, die im Gutachten selbst angeschnitten sind, notfalls werden ausklammern müssen, z. B. das Problem der Gebietsreform. Wer mit diesen Dingen praktische Erfahrungen hat, der weiß, wie hochexplosiv solche Dinge sein können.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.).

Deshalb betone ich noch einmal, wir sollten alle zusätzlichen Belastungsmöglichkeiten von diesem Werk fernhalten. Wenn wir uns also daran machen, in Etappen vorzugehen, dann wird es im besten Falle möglich sein, bis zum Jahre 1970 ein Endergebnis zu haben. Aber auch dann müssen wir uns unverzüglich an die Arbeit machen und sofort mit den Vorarbeiten beginnen.
Einiges ist bereits geschehen. Wir haben z. B. das Bewertungsgesetz noch im 4. Bundestag verabschiedet, und ich bin sehr froh, daß wir jetzt im 5. Bundestag auf Initiative der CDU/CSU auch die Umsatzsteuerreform sofort wieder eingebracht haben, weil diese Dinge in einem sehr engen organischen Zu-



Dr. Althammer
sammenhang mit der Finanzreform stehen. Wir werden nicht daran vorbeigehen können, daß dieser Teil der Finanzreform mit der Steuerharmonisierung im EWG-Bereich zusammenhängt. Deshalb werden alle Fragen der Steuerneuverteilung nicht in den nächsten ein oder zwei Jahren endgültig gelöst werden können. Auch z. B. das Problem der Gewerbesteuer hängt mit den Fragen der Wettbewerbsgleichheit im EWG-Bereich zusammen.
Es bleibt also die Frage, ob nicht, wenn eine Gesamtlösung, die wahrscheinlich zugunsten der Gemeinden wird ausfallen müssen, nicht sehr schnell möglich ist, Zwischenlösungen zur Verbesserung der Finanzsituation der Gemeinden ergriffen werden müssen. Auch hier ist bereits einiges begonnen: das Städtebauförderungsgesetz, der Vorschlag unseres Kollegen Müller-Hermann zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden; von Länderseite ist ein Vorschlag gemacht worden, zunächst einmal eine Globalzuweisung von 2,4 Milliarden DM im Zeitraum von vier Jahren, zwischen Bund und Länder aufgeteilt, an die Gemeinden zu geben, wonach den Bund im Jahr 350 Millionen treffen würden, mit einem Verteilerschlüssel von 10 DM pro Kopf der Gemeindebevölkerung. Alle diese Punkte werden uns in der nächsten Zeit zu beschäftigen haben.
Wir sind damit aber bereits am neuralgischsten Punkt der Finanzreform angelangt, nämlich an der Frage der zur Verfügung stehenden Finanzmasse. Die Vorschläge der Kommission bedeuten nach den mir bekannten Äußerungen einen Einnahmeausfall für Bund und Länder in Höhe von 5,5 Milliarden DM. Gleichzeitig hört man von allen Seiten, daß Steuererhöhungen in diesem Zusammenhang natürlich nicht in Frage kämen. Wenn Sie die Finanzvorausschau dazunehmen, von der wir vorher gesprochen haben, dann wird jedem offenkundig, wie schwierig dieses finanzpolitische Problem ist.
Der Bund hat für das Jahr 1966 einen sehr guten und realistischen Haushalt vorgelegt. Die Länder haben gleichzeitig die Forderung erhoben, ihnen eine Ergänzungszuweisung in Höhe von 250 Millionen DM für das Haushaltsjahr 1966 zuzugestehen. Schon daraus ergibt sich die sehr prekäre Finanzsituation auch der Länder. Wir werden das bei der Neuverteilung oder der Beibehaltung der Anteile. des Bundes und der Länder an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer für das Haushaltsjahr 1967 und die folgenden Jahre noch sehr intensiv erleben.
Es ist nun heute vormittag schon wiederholt in diesem Zusammenhang — nämlich bei der Frage: woher das Geld nehmen? — von der Streichung von Subventionen die Rede gewesen. Es ist eine sehr populäre Forderung, wenn man erklärt, die Subventionen müßten endlich einmal gründlich durchforstet und auf ein Minimum eingeschränkt werden. Ich möchte hier einen etwas weniger populären Standpunkt beziehen. Wer sich nämlich die Mühe macht, diesen Bereich der Subventionen in den Einzelheiten zu durchleuchten, wird sehr schnell sehen, wie begrenzt in diesem Rahmen die Spar- und Streichungsmöglichkeiten sind. Es ist ja nicht so, daß die Subventionen etwa verborgen und verhüllt seien, sondern in zweijährigem Turnus wird in den Finanzberichten der Bundesregierung immer eine ganz. umfassende Übersicht über die direkten und indirekten Subventionen gegeben. So finden wir im Finanzbericht des Jahres 1966 auf den Seiten 178 bis 201 eine ganz detaillierte Aufzählung all dieser Subventionen.
Vorgestern hat ein Kollege von der CDU mit einem Stoßseufzer erklärt, er habe sich alle Einzelpositionen dieser Zusammenstellung sehr gründlich angesehen und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß keine einzige Streichungsmöglichkeit von großem Ausmaß gegeben sei. Das war ein sehr interessierter, sorgfältig arbeitender Kollege aus dem Finanzausschuß, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn wir uns nun diese Subventionen näher ansehen, zeigt sich sofort — und das ist heute vormittag ja schon von verschiedenen Seiten festgestellt worden —, daß ein Betrag von etwa 25 Milliarden DM natürlich eine Phantasiesumme ist. Wir müssen auch, glaube ich, große Komplexe, die da und dort gern unter Subventionen gefaßt werden, ausklammern. Das sind z. B. die Aufwendungen für Verkehrsmaßnahmen, für den Wohnungsbau und ähnliche Dinge.
Was dann an direkten Zuwendungen bleibt, sind Leistungen an den wirtschaftlichen Bereich, also z. B. unsere Leistungen an die deutsche Landwirtschaft, unsere Leistungen an den Kohlenbergbau, unsere Leistungen an die Erdölindustrie und an mittelständische Berufsgruppen, um nur die wesentlichsten zu nennen. Daß hier keine Milliardenbeträge zu streichen sind, ist jedem klar, der die Dinge im einzelnen verfolgt.
Ich möchte eine grundsätzliche Bemerkung zu dieser Frage der Subventionen machen. Die von Professor Erhard durchgesetzte Marktwirtschaft nennt sich ja auch deshalb „sozial", weil sie im Gegensatz zu der überholten liberalistischen Marktvorstellung davon ausgeht, daß der Staat die Verpflichtung — nicht nur das Recht, sondern die Verpflichtung — habe, unverschuldet in Strukturkrisen geratenen Wirschaftszweigen zu helfen.

(Beifall in der Mitte.)

Wir werden bei der Debatte über die Situation des Kohlenbergbaus ein sehr illustratives Beispiel einer solchen Situation vor Augen haben. Deshalb glaube ich, daß man den Kohlenbergbau bei der Frage nach Streichungsmöglichkeiten völlig ausklammern muß. Ich bin aber der Überzeugung, daß man auch den gesamten Sektor der Landwirtschaft wird ausklammern müssen.
Man kann sich fragen, wie man Subventionen noch günstiger, noch zinswirksamer einsetzen kann. Aber ich halte es für verfehlt, zu glauben, man könne wesentliche Kürzungen vornehmen, etwa pauschal 10 % abstreichen oder so etwas.
Wenn wir alle diese Dinge ausnehmen, verbleibt nach dem Finanzbericht 1965 ein Betrag von 423,7 Millionen DM an Subventionen. Darin stecken allein 335,2 Millionen DM, die an die deutsche Erdölindustrie gehen. Und hier bin ich vom Grundsätzlichen her allerdings der Meinung, daß die deutsche



Dr. Althammer
inländische Erdölindustrie in ihrem harten Konkurrenzkampf gegen die übermächtigen ausländischen Konzerne von uns aus wirtschaftlichen Gründen unterstützt werden sollte.

(Abg. Leicht: Dos sind keine Subventionen in dem Sinne!)

Wenn wir auch das ausklammern, bleibt ein Rest von 88,5 Millionen DM, und in diesen 88,5 Millionen DM stecken nun die Förderungsbeträge für eine Reihe von mittelständischen Anliegen und Bereichen.
Ich glaube, mit dieser Darlegung ist in etwa doch die Mystifikation angeblich riesiger Subveritionen einigermaßen zerstört. Es bleibt natürlich daneben noch der große Bereich der indirekten Zuwendungen, d. h. Steuervergünstigungen. Hier müssen wir uns darüber im klaren sein, daß jede Beseitigung solcher Steuervergünstigungen natürlich eine Ausweitung des Etats bedeutet. Trotzdem möchte ich nachdrücklich betonen, daß gerade in diesem Bereich sicher eine sehr gründliche Durchforstung notwendig ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Soviel zu den Fragen der Subventionen.
Ich komme zurück zu dem Problem der Neuordnung unseres Steuerwesens. Ein wesentlicher Teil dieses Reformprogramms ist die Neuordnung des Haushaltsrechts. Herr Kollege Schoettle hat heute vormittag beanstandet, daß man seit Jahren von diesen Bemühungen spricht, daß aber seit eh und je keine Ergebnisse zu, verzeichnen sind. Auch der Finanzbericht 1966 stellt fest, daß eine Neuordnung — ich zitiere jetzt wörtlich — „noch eine beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen wird". Dagegen hat der Herr Bundesfinanzminister in seiner Haushaltsrede angekündigt, daß dem Hohen Hause demnächst der Entwurf einer neuen Haushaltsordnung vorgelegt werden soll. Ich begrüße diese Ankündigung außerordentlich. Wie mir bekannt ist, sind bereits ganz entscheidende Vorarbeiten in dieser Kommission, die sich aus Sachverständigen des Bundes und der Länder zusammensetzt, geleistet worden. So sind z. B. die entscheidenden Kapitel einer neuen Bundeshaushaltsordnung bereits konzipiert, als da sind die Aufstellung des Haushaltsplans, die Ausführung des Haushaltsplans. Diese Kapitel — so habe ich in Erfahrung bringen können — befinden sich bereits im Stadium des Referentenentwurfs. Andere Abschnitte über Kassen und Buchführung, über Rechnungslegung, über Rechnungsprüfung sind in Arbeit. Hierzu werden noch die sachverständigen Äußerungen des Bundesrechnungshofs erwartet.
Ich möchte betonen, daß die Ländervertreter bei dieser gemeinsamen Neuregelung für Bund und Länder konstruktiv mitgearbeitet haben und damit Aussicht besteht, daß dieses neue Gesetzeswerk für Bund und Länder gleichzeitig in Kraft treten kann. Ein wesentlicher Punkt dieses, wie ich hoffe, jetzt sehr rasch zu behandelnden Gesetzeswerks ist der Übergang zum Zweijahreshaushalt. Damit ist die Frage beantwortet, die Kollege Schoettle auch wieder gestellt hat, nämlich nach dem Grund dieser
jährlichen Zeitbedrängnis, in der sich der Haushaltsausschuß und das Parlament befinden. Wenn diese Aufteilung in Verwaltungshaushalt und Investitionshaushalt durchgeführt sein wird und in jedem Jahr ein Teilbereich beraten wird, dann werden wir aus dieser Klemme heraus sein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502516000
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502516100
Herr Kollege Althammer, ich habe nur eine Frage zur Richtigstellung, weil ich den Zusammenhang zwischen Ihrer Bemerkung und der des Kollegen Leicht nicht ganz verstehe. Sie streben den Zweijahreshaushalt generell an. Habe ich Herrn Kollegen Leicht richtig verstanden, daß er diese Ausweitung nur für die Personaltitel wollte?

(Abg. Leicht: Im Vorgriff zunächst!)


Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0502516200
Herr Kollege Hermsdorf, im Endergebnis ist da kein Unterschied, weil in dem sogenannten Verwaltungshaushalt ja auch die Personaltitel enthalten sein sollen, so daß wir die Möglichkeit haben, roulierend in dem einen Jahr die Verwaltungstitel und im anderen Jahr die Investitionstitel zu behandeln. Dann ist geplant, den außerordentlichen Haushalt wegfallen zu lassen und statt dessen die Kreditausgaben besonders auszuweisen. Eine gesetzliche Verankerung der mehrjährigen Finanzvorschau ist ebenfalls projektiert. Bei der Kassenreform werden insbesondere die I Möglichkeiten der Automation einzuarbeiten sein. Damit soll gleichzeitig ein Instrumentarium für konjunkturpolitische Bedürfnisse geschaffen sein. Der Bundesregierung sind bereits in den Bestimmungen des Haushaltgesetzes 1966 solche Ermächtigungen gegeben, und nun — das ist jetzt das Neue — haben sich die Länder verpflichtet, gleichlautende Bestimmungen, die die Landesregierungen zu Konjunktureingriffen ermächtigen sollen, in ihren Landeshaushaltgesetzen auszubringen. Auch hier sehen Sie wieder den Beginn einer sehr erfolgversprechenden Zusammenarbeit. Die Arbeiten sind so weit fortgeschritten, daß die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, eine neue Kommission von Sachverständigen hierfür einzusetzen, nicht mehr aufgegriffen zu werden braucht; denn dieser Entwurf kann schon sehr bald vorgelegt werden. Sie ersehen daraus, daß wir in diesen Dingen bereits sehr weit gekommen sind.
Nun ist natürlich die Frage, ob die weitergehenden Vorschläge der Sachverständigenkommission zur Finanzreform noch in diesen Entwurf eingearbeitet werden sollen. Meine Meinung dazu ist, wir sollten den Entwurf ohne diese sehr weitgehenden Vorschläge der Sachverständigen dem Hohen Hause vorlegen lassen und sollten diese anderen Vorschläge notfalls in einer zweiten Etappe behandeln. Ich befürchte nämlich, daß die Sache noch auf sehr lange Zeit verzögert wird, wenn diese Vorschläge aus dem Sachverständigengutachten bereits jetzt eingearbeitet werden sollen. Ich befürchte das vor allem deshalb, weil in den Vorschlägen der Sach-



Dr. Althammer
verständigen natürlich sehr tiefgreifende Eingriffe in die Finanz- und Haushaltshoheit der Länder vorgesehen sind.
Ich darf somit feststellen, daß von den Maßnahmen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Debatte über das Sachverständigengutachten hier angekündigt hat, sich bereits ein wesentlicher Teil im Stadium der Verwirklichung befindet. Natürlich — das ist auch zu betonen — ist diese Reform der Haushaltsordnung nur möglich, wenn das Hohe Haus bereit ist, Art. 110 des Grundgesetzes zu ändern, der eine jährliche Haushaltseinbringung und -führung vorschreibt. Ich glaube, das wird einer der ersten Punkte sein, an denen die SPD zeigen kann, wie sehr es ihr in diesen Fragen ernst ist. Ich bin der Meinung, daß das ein Punkt ist, wo man ohne weiteres eine Einigung und damit auch eine Verfassungsänderung in gemeinsamer Absprache sollte erreichen können. Das Einvernehmen zwischen Bund und Ländern ist natürlich von entscheidender Bedeutung.
Ein sehr schwieriges Problem ist die Erstellung eines Gesamtfinanzierungsplans für Bund, Länder und Gemeinden. Der Herr Bundeskanzler hat heute vormittag diesen Punkt sehr ausführlich behandelt und sehr klare Auskünfte darüber gegeben, wie das geschehen soll. Im Sachverständigengutachten ist vorgesehen, daß die Länder verfassungsrechtlich verpflichtet werden sollen, an einer solchen Festlegung der Gesamtfinanzierung für eine Zeit von vier bis sechs Jahren mitzuarbeiten, daß sie aber nicht un- mittelbar gebunden sein sollen.
Wenn Sie aber die weiteren Vorschläge hinzunehmen, die dahin gehen, daß die Bundesregierung die Steuereinnahmen durch eine Verordnungsermächtigung sehr rasch soll verändern können, also entweder eine Erhöhung oder eine Senkung der Einnahmen durch Maßnahmen bei der Einkommen-und Körperschaftsteuer soll vornehmen können, und wenn Sie auf der anderen Seite berücksichtigen, daß vorgesehen ist, daß auch die Kreditermächtigungen von Bund, Ländern, Gemeinden und den anderen öffentlichen Interessenten am Kreditmarkt durch Verordnung der Bundesregierung sollen beschränkt werden können, dann ersehen Sie daraus bereits, wie stark die Länder nach diesen Vorstellungen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeengt werden sollen. Hier wird es noch sehr gründlicher Besprechungen mit den Ländern bedürfen, um einen vernünftigen Weg zur Lösung zu finden.
Man wird dabei berücksichtigen müssen, daß die Länder einen Anspruch darauf haben, daß ihnen die Aufgaben, die sie nach unserer Verfassung zu erfüllen haben, im wesentlichen verbleiben. Dies ist der Bereich der inneren Verwaltung und der Bereich der Kulturhoheit. Wenn wir uns hier etwa mit zu rigorosen Vorstellungen an die Länder wenden wollten, brauchten wir uns nicht zu wundern, wenn wir von dieser Seite her eine ablehnende Stellungnahme hörten. Deshalb wird es notwendig sein, die Gedanken, die zu Fragen z. B. der Bundesauftragsverwaltung, aber vor allem auch der Gemeinschaftsaufgaben entwickelt worden sind, in einer sachlich vernünftigen Form mit den Ländern zu besprechen.
Mir ist bekannt, daß innerhalb der Länder selbst bereits sehr konstruktive Vorstellungen über eine Realisierung solcher Gedanken im Gange sind, wobei die Länder natürlich den Rahmen abstecken, den sie sich in dieser gemeinsamen Bewältigung von Zukunftsaufgaben vorbehalten wollen.
Ich darf noch eine andere Frage ansprechen; das ist die Situation auf dem Kapitalmarkt. Wenn man in diesen Bereich blickt, ergibt sich besonders deutlich die Notwendigkeit, vor allem das Instrumentarium der Bundesbank, aber auch der Bundesregierung zu verstärken. Ich möchte noch einmal in aller Klarheit herausstellen, daß der Bund in der letzten Zeit die Konsequenzen aus der Lage auf dem Kapitalmarkt gezogen hat. Er hat bereits im Jahre 1965 die Anleiheermächtigungen nicht voll ausgeschöpft und auf Anleihen in einem Volumen von 676 Millionen DM verzichtet. Ich habe bereits davon gesprochen, was das für das Defizit des Bundeshaushalts 1965 bedeutet hat. Für das Jahr 1966, meine sehr verehrten Damen und Herren, erhöht sich die Neuverschuldung des Bundes lediglich um 184 Millionen DM, und zwar dadurch, daß der Anleihebedarf um rund 600 Millionen DM auf 1,332 Milliarden DM im außerordentlichen Haushalt zurückgesetzt wurde. Des weiteren sollen 453 Millionen DM an Schulden getilgt werden, es sollen 503 Millionen DM aus der Nachkriegswirtschaftshilfe zurückgezahlt werden, und insgesamt 232 Millionen DM sollen als Defizitdeckung der Haushaltsjahre 1964/65 ebenfalls dem Kapitalmarkt zugute kommen. Wenn man noch dazunimmt, daß es erstmals im November und jetzt wieder im Januar gelungen ist, die Vertreter der verschiedenen öffentlichen Organisationen an einen Tisch und dazu zu bringen, ihre Wünsche, die sie an den Kreditmarkt haben, nach dem „Gänsemasch-Prinzip" gegeneinander abzustimmen, dann zeigt sich, daß auch hier hoffnungsvolle Ansätze für ein besseres Verhalten in der Zukunft vorhanden sind. Das eine jedenfalls möchte ich betonen: Der Bund und die gesamte öffentliche Hand dürfen sich keinesfalls aus dem Kapitalmarkt verdrängen lassen. Es kann nur darum gehen, eine bestimmte Quote, die gegenwärtig auf rund 18 % beziffert wird — das wären augenblicklich 9 Milliarden DM —, als Volumen der öffentlichen Hand zu halten und den Kapitalmarkt nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen.
Hier eine kritische Anmerkung zu dem Problem der Zinssubventionen. Eine kleine Gruppe von Sachverständigen der Bundesbank hat sich die Aufgabe gestellt, den Bereich dieser Zinssubventionen auszumessen. Wenn die vorläufigen Ergebnisse, die wir erfahren haben, richtig sind, dann soll es so sein, daß ein Drittel des Jahresbedarfs zu marktwidrigen Zinsen bereitgestellt wird, d. h. z. B. im Jahre 1964 15 Milliarden, davon allein 9 Milliarden über die öffentliche Hand.
Grundsätzlich ist es sicher berechtigt, durch Zinssubventionen den Kredit auch in Bereiche zu lenken, in denen öffentliche Aufgaben erfüllt werden müssen; ich nenne z. B. Wohnungsbau, Landwirtschaftsförderung, Zonenrandgebiete, Förderung der deutschen Werftindustrie. Aber — und ,das halte ich für



Dr. Althammer
entscheidend — diese Zinssubventionen müssen sich in einer bestimmten Relation zu dem gesamten Kreditmarktvolumen bewegen, weil sonst von diesen Zinssubventionen eine entscheidende Störung für den Kreditmarkt ausgeht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zusammenfassend kann man sagen, die Finanzreform wird uns in den nächsten Monaten und Jahren sehr eingehend beschäftigen müssen. Wir werden von uns aus die Ergebnisse dieser Sachverständigenkommission sofort aufgreifen müssen, und wir werden uns bemühen müssen, in den einzelnen Etappen — einige Dinge habe ich bereits konkret aufgezeigt — Schritt um Schritt voranzukommen. So sollte es möglich sein, bis zum Jahre 1970 ein neues Gebäude hinzustellen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß das ein Vorhaben ist, das für die Finanzverfassung des deutschen Staatswesens wirklich epochale Bedeutung hat.
Deshalb möchte ich mit dem Aufruf schließen, daß sich alle hier in diesem Hohen Hause diese Sache angelegen sein lassen und daß wir alle zusammenarbeiten, ohne kleinliche Rücksichten und Nebengedanken, um dieses Werk möglichst schnell und tatkräftig in Angriff zu nehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502516300
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0502516400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Gang der bisherigen Debatte vier Anmerkungen machen. Die eine richtet sich an die Adresse des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion. Die Bundesregierung und, wie ich glaube, auch die Koalitionsfraktionen begrüßen es, daß am 24. März eine Debatte über den Gesamtkomplex des Starfighters stattfindet. Ich möchte aber, um eine Legendenbildung zu vermeiden, erklären, daß es zu der Debatte im Verteidigungsausschuß nicht einer Kleinen Anfrage der Sozialdemokraten bedurfte, sondern daß der Verteidigungsminister bereits vor der Bundestagswahl erklärt hat, unverzüglich nach Zusammentreten des Parlaments werde von ihm dem Ausschuß ein umfassender Bericht erstattet. Das ist geschehen. Wir freuen uns, daß Ende dieses Monats die Debatte hier im Bundestag eine Darstellungsmöglichkeit gibt, damit die Bevölkerung und auch jeder Parlamentarier sieht, wie die Gesamtzusammenhänge wirklich sind.
Die zweite Bemerkung richtet sich in drei Punkten an den Sprecher der Freien Demokraten. Das erste: Herr Dr. Emde, Sie haben davon gesprochen, daß Sie eine Arbeitsteilung innerhalb der Verteidigung auf dem Gebiete der Waffentechnik, des Truppeneinsatzes, aber auch der Verpflichtungen in geographischen Bereichen bejahten. Ich glaube nicht, Herr Dr. Emde, daß Sie darunter etwa eine Arbeitsteilung dergestalt verstehen, daß die einen Südostasien und die anderen in Deutschland Europa verteidigen. Wir bejahen genau wie Sie eine Arbeitsteilung, aber in anderem Zusammenhang. Ich denke z. B. an eine
Arbeitsteilung dergestalt, daß der Nachschub über den Atlantik von Amerika nach Europa nicht von Deutschland, sondern von anderen innerhalb der Allianz übernommen wird, daß aber bei dieser Arbeitsteilung Deutschland z. B. seine Aufgabe in der westlichen Ostsee und an den Ostsee-Ein- und Ausgängen übernimmt. Das verstehen wir unter Arbeitsteilung. Es könnte aber für uns in Europa eines Tages lebensgefährlich sein, wenn wir meinten, die einen müßten Vietnam verteidigen, und wir blieben hier in Europa und verteidigten Europa. Wir müssen sehr deutlich zum Ausdruck bringen, daß es hinsichtlich Europas in dieser Beziehung geographische oder regionale Arbeitsteilungen nicht gibt, sondern daß wir Europa — auch in Zukunft — nur dann verteidigen können, wenn die gesamte Allianz mit den Amerikanern in Europa steht und das Verhältnis, wie wir es bisher zwischen Europa und Amerika gehabt haben, auch in die Zukunft hinein erhalten bleibt. Deshalb meine ich, daß die Arbeitsteilung in der Verteidigung sich nicht auf geographische Begriffe erstrecken kann.
Das Stichwort der geographischen Arbeitsteilung gibt uns Gelegenheit, noch einmal zum Thema Vietnam Stellung zu nehmen und vor diesem Hohen Hause erneut das zu bestätigen, was der Herr Bundeskanzler vor wenigen Tagen auf einer Pressekonferenz, was mein Kollege, der Außenminister, was ich persönlich und was andere Vertreter der Bundesregierung mehrfach dargelegt haben. Der Herr Bundeskanzler hat vor einigen Tagen auf der Pressekonferenz zu der Frage, ob die Entscheidung der Bundesregierung, keine deutschen Soldaten nach Vietnam zu entsenden, endgültig sei, eine ganz klare und präzise Aussage gemacht. Ich glaube, daß niemand hier im Hause eine andere Auffassung vertritt, als sie der Herr Bundeskanzler geäußert hat. Die Bundesregierung aber bedauert, daß diese klare Darstellung des Bundeskanzlers in einer Sendung einer der deutschen Fernsehanstalten, im „Panorama", völlig verfälscht wiedergegeben worden ist

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und daß dort in Zweifel gezogen wurde, daß das wirklich die ehrliche Auffassung der Bundesregierung gewesen ist, und daß man dort in diesem großen Fernsehunternehmen „Panorama" von einer „Taktik der Vernebelung" durch die Bundesregierung, insonderheit durch ihren Kanzler gesprochen hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)

Wir haben zum einen diese Erklärung unmittelbar nach Erscheinen der „Panorama"-Sendung durch den Sprecher der Bundesregierung zurückgewiesen.
Ich persönlich habe zum anderen am Dienstag, also vorgestern, in einer Pressekonferenz noch einmal das erklärt: daß es nämlich keinen deutschen Soldaten gibt, der für Vietnam ausgebildet wird, daß kein deutsches Kontingent für Vietnam vorgesehen ist, daß keinerlei Überlegungen dieser Art bestehen und daß das, was der Herr Bundeskanzler über unseren militärischen Beitrag mit deutschen Soldaten gesagt hat, endgültig ist. Ich habe, um wirklich jede Unklarheit, die irgendwo noch sein könnte, zu beseitigen, hinzugefügt: „Es gibt in Süd-



Bundesminister von Hassel
Vietnam vier deutsche Soldaten, nämlich einen Militärattaché im Range eines Oberstleutnants, einen Major als Gehilfen des Militärattachés und zwei Feldwebel, die die technische Arbeit für diesen Militärattachéstab machen." Das ist üblich, wir sind in der ganzen Welt mit Militärattachéstäben im Rahmen der diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland vertreten, ich glaube, mit 29 Militärattachéstäben für 35 oder 36 Länder. Das sind die einzigen Soldaten, die dort im Rahmen der deutschen diplomatischen Vertretung ihre Arbeit in aller Öffentlichkeit leisten.
Ich hoffe, daß mit dieser Feststellung dieses Thema so beendet ist, daß auch keine böswilligen Entstellungen mehr draußen in den deutschen publizistischen Organen Platz greifen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die zweite Frage, die ich behandeln möchte, ist diese. Der Herr Kollege Dr. Emde hat — und für diese Klarheit möchte ich ihm danken — gesagt, es könnte aber sein, daß, wenn die Amerikaner zu einem verstärkten Engagement in Südostasien kommen müßten, wir dann — mit Bezugnahme wieder auf die Arbeitsteilung — unter Umständen für eine verstärkte Anstrengung zur Verteidigung in Europa machen müßten. Ich halte diese Auffasung für richtig, und ich möchte jedem, der etwa mit dem Gedanken umgeht, man könne ja ruhig zulassen, daß die Amerikaner einige ihrer Truppen, ein oder zwei Divisionen, abziehen, denn hier sei gegenwärtig ja doch kein Spannungsfeld unmittelbarer Art, sehr deutlich sagen, daß, wenn etwa die Amerikaner oder die Engländer Truppen abziehen würden, in der Tat, Herr Kollege Dr. Emde, wir dann entsprechend eintreten müßten. Das ist dann aber nicht mehr eine Frage des Devisenausgleichs zwischen Amerika und Deutschland, zwischen England und Deutschland, sondern eine Frage, die einerseits unmittelbar im Haushalt in Mark und Pfennig den deutschen Steuerzahler angeht, andererseits aber dazu zwingt, daß eben mehr junge deutsche Männer in die Verteidigung einbezogen werden müssen. Wir glauben daher aus vielfältigen Betrachtungen, daß jeder wissen muß, daß, wenn diese Dinge eintreten und vielleicht zum Teil sogar durch diesen oder jenen Gedanken gefördert werden, das unter Umständen für Regierung und Parlament die Konsequenz in vorbezeichnetem Sinne wird.
Und das dritte! Sie haben, Herr Kollege Dr. Emde, von einer f a l s c h verstandenen Loyalität zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland im Zusammenhang mit Waffenkäufen, mit der Vorfinanzierung der großen Beschaffungsprogramme gesprochen. Ich glaube, Herr Kollege Dr. Emde, Sie stimmen mir zu — und ich darf das aus meiner Kenntnis der Verteidigung und meiner Kenntnis der Amerikaner hier doch einmal erklären —, daß die Vereinigten Staaten uns gegenüber immer in höchstem Maße ein loyaler Partner gewesen sind, daß wir uns auf die Vereinigten Staaten stets haben verlassen können, daß das vorzügliche Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten auch mit dazu beigetragen hat, daß der Kern der Verteidigung in Europa und damit für uns in
Deutschland die amerikanische 7. Armee ist, die unverändert also den Kern der Verteidigung darstellt, daß der nukleare Schutz der Vereinigten Staaten unverändert die beste Sicherheitslösung für uns in Deutschland ist und daß ohne die Vereinigten Staaten und ihr loyales Engagement in Berlin und in Deutschland die Freiheit Berlins sicher nicht mehr gewährleistet sein würde. Deshalb meine ich, daß dieses Maß von Loyalität, das ich hier in einigen Sätzen -zu schildern versuchte, letztlich auch von uns als eine Gegenleistung unsere Loyalität verlangt, daß wir nämlich für die Schwierigkeiten und die Probleme, die die Amerikaner im Raum der Devisenausgleiche haben, Verständnis aufbringen. Dabei stimme ich Ihnen zu, daß man ihnen auch unsere Schwierigkeiten sagen soll. Ich kann Ihnen aber versichern, daß das nicht nur der Außenminister, nicht nur der Finanzminister, nicht nur der Verteidigungsminister tut, sondern auch der Herr Bundeskanzler selber. Auf der anderen Seite jedoch muß man sehr wohl wissen, wie diese Partnerschaft zwischen Europa und Amerika, in diesem Falle einmal am Beispiel Deutschlands dargestellt, uns bisher die Freiheit erhalten hat. Ich glaube, daß ich mit Ihnen der Meinung sein kann, daß das eine gute Loyalität ist und nicht eine f a l s c h verstandene Loyalität.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502516500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Möller.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0502516600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir zunächst eine Vorbemerkung. Herrn Kollegen Emde ist heute vormittag das Mißgeschick passiert, daß, als er schon das Wort bekommen hatte, doch noch ein Bundesminister Vorrang erhielt. Wir haben uns mit dieser Tatsache des öfteren abzufinden, so jetzt auch ich. Denn soeben hat der Herr Bundesverteidigungsminister gesprochen — mit einem ganz ungewohnten Blick nach rechts. Wenn er am Anfang ein paar Bemerkungen zu uns wegen der Starfighter-Affäre gemacht hat, dann nur, um den guten Ton zu wahren. Denn wenn wir die Große Anfrage in der Starfighter-Affäre eingebracht haben, dann, Herr Bundesminister, aus Sicherheitsgründen. Dafür müssen Sie Verständnis haben. Wir wollten sichergehen, daß diese Debatte unter allen Umständen stattfindet; deswegen unsere Große Anfrage. In Wirklichkeit aber handelte es sich hier um ein Privatissimum, das Sie Herrn Emde gehalten haben, und für dieses Privatissimum habe ich volles Verständnis.
Nun, meine Damen und Herren, zur Sache! In Ziffer 6 seiner Rede hat der Herr Bundesfinanzminister auf das nach seiner Meinung böse Wort von der angeblichen Finanzanarchie in der öffentlichen Haushaltswirtschaft, auf Panikmache und auf den damit verbundenen Vorwurf, daß die Staatsausgaben übermäßig stiegen, hingewiesen. Es sind kritische Äußerungen und Warnungen, auch in der Debatte des heutigen Tages, so abgetan worden, als ob doch alles in bester Ordnung sei. Ich muß



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
daher darauf aufmerksam machen, daß auch der Sachverständigenrat in seinem zweiten Jahresgutachten die Finanzpolitik der Bundesregierung scharf kritisiert hat. Er stellt fest, daß
1. Bundesregierung und Bundestag sich nicht nur jeder restriktiv wirkenden Maßnahme enthalten, sondern im Gegenteil dazu beigetragen haben, daß die Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Hand 1964 und noch mehr 1965 die konjunkturellen Auftriebstendenzen verstärkt hat,
2. von verantwortlicher Seite Vorstellungen gegen die Ausgabenbeschlüsse des Deutschen Bundestages erst erhoben wurden, als sie nur noch durch Maßnahmen gemäß Art. 113 des Grundgesetzes hätten aufgehoben werden können, und
3. der Bundestag möglicherweise so hohe zusätzliche Ausgaben nicht beschlossen hätte, wenn ihm ein mehrjähriger Finanzplan vorgelegen hätte.
Während die SPD-Fraktion in der Etatdebatte zum Haushalt 1965 auf alle Risiken der Finanzpolitik hingewiesen hat, erklärte der Bundesfinanzminister am 26. Februar 1965 — und hier muß ich einfach deswegen zitieren, um den krassen Unterschied zwischen den Erklärungen des Herrn Dahlgrün am 26. Februar 1965 und der Darstellung des Herrn Dahlgrün am 2. März 1966 an Hand des Bundestagsprotokolls nicht untergehen zu lassen —:
Wenn man die Fakten sprechen läßt, glaube ich feststellen zu können, daß Bundesregierung und Koalition sich ernsthaft um eine wahrhaft solide und konjunkturgerechte Finanzpolitik bemüht haben und daß dieses Bemühen auch erfolgreich gewesen ist.
Das war die Erklärung des Herrn Dahlgrün am 26. Februar 1965.
Da kann ich nur mit Staatssekretär Professor Dr. Hettlage, der dazu in der Börsenzeitung Nr. 253, Jahresschlußnummer, 1965 geschrieben hat, sagen — und ich zitiere wörtlich —:
In der Finanzpolitik wird das Jahr 1965 ein Jahr der Irrungen und Wirrungen, der Versprechungen und Täuschungen bleiben, gepaart mit Selbsttäuschungen aus Gedankenlosigkeit, Unerfahrenheit und Leichtsinn.

(Beifall bei der SPD.)

Das, meine Damen und Herren, sagt Herr Staatssekretär Dr. Hettlage.

(Zurufe von der CDU/CSU: a. D.!)

— Staatssekretär a. D. Dr. Hettlage, aber eine achtenswerte und fachkundige Persönlichkeit, wie Sie zugeben müssen. Das müssen Sie auch zugeben, wenn Ihnen ein solches Urteil, was ich verstehe, unbequem ist.
Die Prognosen, die von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion dem Bundeshaushalt 1965 und durch ihn der weiteren Entwicklung gestellt worden sind, haben sich in vollem Umfang als richtig erwiesen. Sehr viel später, nämlich erst in der Bundesratssitzung vom 11. Februar dieses Jahres, gibt der Bundesfinanzminister zu, daß der Bundeshaushalt 1965, so wie er im März 1965 vom Parlament verabschiedet worden ist, mit außergewöhnlich großen Risiken belastet war, — eine sehr späte und für die Entwicklung unserer Finanzpolitik zu späte Erkenntnis.
Im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Januar 1966 wird darauf hingewiesen, daß die Expansion der Ausgaben im vergangenen Jahr weit über die der Einnahmen hinausging und auch die in den Plänen veranschlagte Steigerungsrate übertraf. „Das lag nicht zuletzt daran, daß die Etatisierung nicht realistisch war", sagt die Deutsche Bundesbank, meine Herren von der FDP. Der Bundesfinanzminister hat in der Bundesratssitzung vom 11. Februar dieses Jahres erklärt, daß gegenüber dem Bundeshaushalt 1965 die übersehbaren Ausgabeverpflichtungen des Bundes für das Jahr 1966 im Entwurf 1966 sehr realistisch veranschlagt worden seien.
Dazu sind noch zwei weitere Hinweise von ihm, die eindeutiger waren als seine gestrige Darstellung in Ziffer 25, hinzuzufügen. Erstens hat er erklärt:
Ich will vermeiden, daß wieder Forderungen
auf mich zukommen, die nicht eingeplant waren.
Zweitens hat er gesagt, die Risiken 1966 seien wesentlich geringer geworden, weil in diesem Jahr — wörtliches Zitat — „keine globalen Minderausgaben vorgesehen sind", gegen die sich bekanntlich die SPD-Fraktion in der vorigen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages immer gewandt hat.
Ich verweise zur weiteren Abrundung dieses Bildes auf das Kapitel des Finanzberichts 1966, das sich mit der Haushaltslage der einzelnen Gebietskörperschaften beschäftigt. Da wird festgestellt, daß sich das Wachstum der Bundesausgaben wieder auf rund 10 v. H. beschleunigt hat, nachdem es sich 1963 und vor allem 1964 verlangsamt hatte. Dies steht im Finanzbericht 1966 dieser Bundesregierung, und zwar auf Seite 47, damit Sie es beim Nachschlagen einfacher haben.
Wahrscheinlich hat der Kollege Leicht sich nicht die Mühe gemacht, einmal diese Statistik sorgfältig zu prüfen. Sonst wäre mir nicht erklärlich, wieso er heute vormittag in seiner Rede wieder zu der Behauptung kommt, daß die Länder und Stadtstaaten und die Gemeinden und Gemeindeverbände sich sehr viel weniger konjunkturrichtig verhalten als der Bund mit seinem Bundeshaushalt.

(Abg. Leicht: Das habe ich nicht gesagt! Da haben Sie nicht zugehört!)

— Doch, doch, das ist der alte Vorwurf, der immer wieder von Ihrer Seite erhoben wird. Er wird auch im Finanzbericht 1966 auf Seite 47 widerlegt. Denn dort wird die Steigerungsrate beim Bund für 1965 mit 10,2 angegeben gegenüber 6,4 im Jahre 1964. Bei den Ländern und Stadtstaaten waren es 1965 plus 9,7, 1964 plus 10,6, und bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden waren es im Jahre 1965 plus 8,6 und im Jahre 1964 plus 12,7.
In Ziffer 6 hat der Herr Bundesfinanzminister folgendes behauptet:

Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Die Kritiker übersehen, daß der Anteil der Ausgaben des Bundes am Bruttosozialprodukt, von geringfügigen Schwankungen abgesehen, seit 1951 mit rund 14 v. H. unverändert geblieben ist.
Diese Aussage ist sehr summarisch. Sie geht großzügig über die auf Seite 104 des Finanzberichts 1966 registrierten Schwankungen des Anteils der Bundesausgaben am Bruttosozialprodukt hinweg. Schon die Ausgangszahl für 1951 ist falsch. Sie beträgt nicht rund 14 v. H., sondern 15 v. H. Diese Quote fällt bis 1955 auf 12,1 v. H., steigt dann erneut bis auf 14,5 v. H. im Jahre 1959, fällt wiederum bis auf 13,4 v. H. in 1961 und verharrt erst für die Zeit zwischen 1962 und 1965 bei 14,2 bis 14,6 v. H. So viel Großzügigkeit in der Interpretation von Milliardengrößen sollte sich jedenfalls ein Finanzminister nicht leisten.
Aufschlußreicher für den Beitrag des Bundeshaushalts zur konjunkturpolitischen Steuerung sind jedoch die Zuwachsraten der Bundesausgaben in den Jahren der Hochkonjunktur. Die Ausgaben des Bundes stiegen 1956 um 24,3 v. H., 1961 um 8,6 v. H., 1965 um 10,3 v. H. In den Jahren schwacher Wirtschaftsentwicklung, die eine antizyklische stärkere Steigerung der Bundesausgaben zugelassen hätten, findet man folgende Zuwachsraten: 1953 minus 0,5 v. H., 1958 plus 5,1 v. H. In allen diesen Jahren trug die Entwicklung der Bundesausgaben nicht zur Konjunkturstabilisierung bei. Sie war prozyklisch und nicht antizyklisch. Lediglich im konjunkturschwachen Jahr 1963 ergab sich eine Zuwachsrate von 9,4 v. H. Das ist allerdings weniger als die 14,9 v. H. des Jahres 1962 mit starken Preissteigerungen und insofern immer noch kein antizyklisches Verhalten.
Die Überschreitung des Haushaltsplans 1965 um ein Ausgabevolumen von 1,9 Milliarden DM wird von Herrn Dahlgrün als nicht vorhersehbar charakterisiert — Ziffer 14. Das ist, meine Damen und Herren, unrichtig. Bereits im Frühjahr 1965 wurde von Verkehrs- und Finanzfachleuten mit einem Defizit bei der Bundesbahn von rund 2,5 Milliarden DM gerechnet. Bei den Etatberatungen zu Beginn des Jahres 1965 wurde von der Opposition deutlich genug darauf hingewiesen, daß die Etatsumme von 63,9 Milliarden DM nicht realistisch sei. Der Bundesfinanzminister glaubte aber besser informiert zu sein als die nüchternen Rechner innerhalb und außerhalb des Bundestages und versicherte feierlich, daß der Etat eingehalten werden würde. Noch vor wenigen Wochen stritt er sich mit der Opposition über die Höhe der tatsächlichen Ausgabenentwicklung in 1965 und fühlte sich stark genug, auch die Berechnungen der Bundesbank und des Sachverständigenrats zu ignorieren. Der Bundesfinanzminister kann jetzt sogar nachlesen — um eine andere Stelle seines Finanzberichts 1966 zu zitieren —, daß es, wie auf Seite 104 im einzelnen ausgeführt wird, 10,3 v. H. gewesen sind.
Nun eine Bemerkung zum Haushaltssicherungsgesetz. Unter Ziffer 21 hat der Bundesfinanzminister der Opposition vorgeworfen, daß sie seinerzeit die Notwendigkeit des Haushaltssicherungsgesetzes bezweifelt und gemeint habe, daß hierüber erst zusammen mit der Vorlage des Haushaltsentwurfs 1966 gesprochen werden könne. Ich muß nun auch mit
Herrn Dahlgrün sagen „und dazu in aller Deutlichkeit auch heute wieder feststellen": Wir haben nicht nur in unserer Erklärung vom 9. Dezember 1965 unsere grundsätzliche Haltung zu der Regierungsvorlage des Haushaltssicherungsgesetzes so unmißverständlich dargestellt, daß eine solche Legendenbildung unzulässig ist, wir haben auch — und zwar u. a. — dargelegt, welche weiteren Voraussetzungen für eine Zustimmung der SPD damals einfach fehlten.
Mein Freund Erwin Schoettle hat heute schon auf eine dieser fehlenden Voraussetzungen hingewiesen: wir waren einfach nicht in der Lage, Kürzungen zum Ausgleich eines Haushaltsplans 1966 zu beschließen, dessen Entwurf uns Sozialdemokraten noch völlig unbekannt war.
Der zweite Grund, aus dem wir nicht zustimmen konnten, bestand darin, daß das Haushaltssicherungsgesetz anstehende Probleme nur entweder sachlich auf Dritte oder zeitlich auf 1967 oder spätere Haushaltsjahre verlagerte. Das Sachverständigengutachten sagt dazu in Ziffer 157 folgendes:
Ein bloßes Vertagen um ein Jahr vermehrt nur die Probleme in der Zukunft, es sei denn, daß die gewonnene Atempause dazu benutzt wird, den Bundeshaushalt systematisch von allen Lasten zu befreien, die aus der Vergangenheit überkommen und unter den veränderten Umständen nur noch Ballast sind.
Das sagt das Jahresgutachten. Inwieweit das Jahresgutachten recht hat und die Vermutung, daß diese gewonnene Atempause nicht so genutzt wird, zu Recht besteht, dazu wird noch im Laufe der weiteren Ausführungen — nicht zuletzt unter Bezugnahme auf Herrn Althammer — einiges festzustellen sein.
Drittens haben wir beanstandet, daß diese Regierungsvorlage keine zusammenfassende Darstellung der finanziellen Auswirkungen auf das Jahr 1966 und die Folgejahre enthalten hat. Im Zusammenhang mit dem in diesen Tagen vorgelegten Finanzbericht 1966 wäre die Entscheidung manchen in diesem Hohen Hause unzweifelhaft erleichtert worden.
Viertens. Das Haushaltssicherungsgesetz sollte nach der Präambel nur ein erster Schritt zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse sein. Über die beabsichtigten weiteren Schritte wurde damals nichts ausgesagt. Niemand kann behaupten, daß die Erklärungen der Bundesregierung zum Etat 1966 ein neues aufschlußreiches finanzpolitisches Programm mit unmittelbaren Maßnahmen — und darauf kommt es an — angezeigt hätten. Diese Stellungnahme der Bundesregierung ist — um zu zitieren -: „ganz sicher keine Offenbarung".
Meine Damen und Herren, um mich keiner Unterlassungssünde schuldig zu machen, muß ich auch der Auffassung widersprechen, daß es für die Wirtschaft und damit für die Konjunktur nicht mehr entscheidend sei, was im Haushalt 1965 veranschlagt worden ist. Gerade weil jetzt ausschlaggebend ist, was wirklich ausgegeben wurde, kann man bei allem, was über die Ausgabenflut der öffentlichen Hand



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
im Jahre 1965 erklärt worden ist, die Differenz zwischen dem Haushalts-Soll und dem Haushalts-Ist nicht so abtun. Speziell im Hinblick auf unsere prekäre Finanzlage muß gesagt werden, daß die Verläßlichkeit des Haushalts-Solls im Jahre 1965 besonders bedeutsam gewesen wäre. Herr Schmücker gibt uns mit dieser Auffassung recht. Sonst hätte er in seiner Rede zum Jahresgutachten nicht deklariert: Das Soll 1966 muß zum Ist gemacht werden.
Die Soll-Soll-Rechnung ist auch kein Plandenken ohne Anpassung an die Realitäten, wie behauptet worden ist. Der Vergleich zwischen ungleichen Rechengrößen ist methodisch nicht einwandfrei. Für das Verhältnis der Ausgabenentwicklung im Bundeshaushalt zur Entwicklung des Bruttosozialprodukts hat eben nur der richtige Vergleich eine realistische Bedeutung, was meines Erachtens sofort klar wird, wenn man unterstellt: das Haushalts-Ist des Jahres 1966 würde dem Haushalts-Soll ebensowenig entsprechen wie im vergangenen Jahr.
Ich zitiere Ziffer 22 in der Rede des Herrn Dahlgrün: „1965 ist es nicht gelungen, den tatsächlichen Anstieg der Bundesausgaben mit den konjunkturpolitischen Empfehlungen des EWG-Ministerrats in Einklang zu bringen." Wenn Herr Dahlgrün schon konjunkturpolitisch argumentiert, dann kann er die Abdeckung des Fehlbetrages aus 1964 und eines Teils des Fehlbetrages aus 1965 nicht aus der Berechnung für das Jahr 1966 herauslassen; denn konjunkturpolitisch kommt es darauf an, was mit diesen zurückgezahlten Geldern getan wird.
Es sei daran erinnert, daß es Phasen gibt, in denen der Staatsverbrauch schneller wachsen muß als andere Aggregate des Sozialprodukts. Es gibt kein volkswirtschaftliches Grundsatzschema, nach dem sich das Haushaltsvolumen ausrichtet, sondern es geht hier um die Aufstellung von Prioritäten, also um eine Rangliste der im Augenblick innerhalb der jeweiligen konjunkturellen Situation durchführbaren Aufgaben. Im Jahresgutachten heißt es z. B. unter Ziffer 159:
Die Finanzprobleme ... auf Kosten der Bildungsinvestitionen lösen zu wollen, wäre sicher kein guter Beginn für eine am Ziele des angemessenen Wachstums orientierte, vorausschauende Finanzpolitik.
Was die allgemeine Orientierungsgröße betrifft, so kann man die Anstoßwirkung auf die wirtschaftliche Situation einschließlich der Geldwertentwicklung nicht allein unter dem Gesichtspunkt des Haushaltsvolumens betrachten, sondern hat der Ausgabenverwendung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Kassenabschlüsse besagen z. B. nichts über die öffentliche Auftragsvergabe, deren ökonomische Wirkungen außerdem nicht an das Kalenderjahr gebunden sind. Die Darlegung des kassenmäßigen Defizits von rund 728 Millionen DM gibt keine Auskunft über diese ökonomische Wirkung. Außerdem ist es der Opposition leider unmöglich, festzustellen, welche Kassenmanipulationen vorgenommen worden sind. Das können wir erst dann sehen, wenn eventuell in den nächsten Monaten besonders starke Kassenausgänge aus der Bundesbankstatistik erkennbar sind.
Zu der Bemerkung des Herrn Dr. Dahlgrün unter Ziffer 5 möchte ich aus der derzeitigen Sicht sagen, daß die Erhöhung der Steuerdeckungsquote kein Allheilmittel bedeutet, da diese Steuermehreinnahmen vermutlich wiederum gerade dort zu Mehrausgaben führen, wo wir sie am wenigsten gebrauchen können. Ein solches Verhalten zieht dann zwangsläufig Preissteigerungen nach sich.
Im übrigen muß an dieser Stelle auch auf die Stellungnahme der OECD zur Finanzpolitik der Bundesregierung hingewiesen werden. Ich zitiere aus den Ausführungen der OECD, veröffentlicht im Bulletin der Bundesregierung vom 18. Januar 1966:
Es gab sozusagen keine Veränderungen in den Haushalten, die ausdrücklich mit den Erfordernissen kurzfristiger Nachfragesteuerung zusammenhingen, und die Zeitwahl des Inkrafttretens von Maßnahmen, die aus anderen Gründen getroffen wurden, war unter antizyklischem Gesichtspunkt oft unglücklich. Von den vier größeren Einkommensteuersenkungen in der Nachkriegszeit
— gemeint ist selbstverständlich immer die Bundesrepublik —

(1953, 1955, 1958 und 1965) war nur eine, nämlich die von 1958, in diesem Sinne zeitlich gut abgestimmt. Die Steuersenkungen von 1955 und 1965 traten in Kraft, als man besorgt war wegen übermäßiger Steigerung der Nachfrage und der Preise.

Wenn man vor Steuererhöhungen warnt, sollten gerade diejenigen, die das tun, nicht übersehen; daß es jetzt schon Steuererhöhungen gibt, beispielsweise die Steuererhöhung bei Sekt und Branntwein. Aber auch die Frage der Mineralölsteuererhöhung steht im Mittelpunkt einiger Betrachtungen.
Ich verweise darauf, daß die finanzpolitische Situation selbst einige finanzstarke Länder zu Konsequenzen gezwungen hat. Ich erinnere an Baden-Württemberg. Die Regierung von Baden-Württemberg, die sich ebenfalls auf eine CDU-FDPKoalition stützt, hat die kommunale Finanzausgleichsmasse für das Jahr 1966 um rund 150 Millionen DM gekürzt. Das bedeutet, daß sich einige Städte nunmehr mit Gewerbesteuererhöhungen beschäftigen müssen. Diese Kürzung der kommunalen Finanzmasse macht beispielsweise für eine Stadt wie Mannheim den Betrag von etwa 7 bis 8 Millionen DM aus. Die Stadt Mannheim mußte bereits eine Gewerbesteuererhöhung beschließen, um die Deckungslücke ihres Haushalts auszufüllen. Man muß also auch auf diese Auswirkungen bedacht sein, wenn man über die Frage der Steuererhöhungen ein abgerundetes Bild haben möchte.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Nur einige grundsätzliche Bemerkungen zum Thema der Deckungsvorschläge und des Schattenhaushalts. Die Frage der Deckungsvorschläge und der Schattenhaushalte ist in den abgelaufenen Debatten immer wieder vorrangig gewesen.
Zunächst einmal ist zu fragen: Handelt es sich um einen Schattenhaushalt, der neben dem eigentlichen



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Etat nur herläuft, um dem Haushalt selbst eine magische Obergrenze zu geben, der also eine Nebenfinanzierung bedeutet, oder um einen Schattenhaushalt, der im Gegensatz zur Regierungsvorlage die Vorstellungen der Opposition enthält? Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wünscht das erste bekanntlich nicht. Beim letzten kann erst eine Addition der intimsten Kenntnisse aller Schattenzahlen und Überlegungen zu Einzelplänen eine Globalbetrachtung ergeben, die uns in die Lage versetzt, beide Seiten des Etats nach unseren Vorstellungen zu gestalten.
Ich darf auf ein Beispiel aus den Haushaltsberatungen des Jahres 1965 verweisen. Die Regierungskoalition hat damals beim Verteidigungshaushalt in den Ausschußberatungen eine Milliarde DM gestrichen. Die Opposition hat einen solchen Antrag nicht stellen können, weil sie einen solchen Antrag in den einzelnen Positionen nicht ausreichend hätte begründen können. Beispielsweise hat die Koalition gesagt, wir brauchten für Munition nicht 1,2 Milliarden DM, sondern 200 Millionen DM weniger. Die Koalition hat das wahrscheinlich mit dem Bundesverteidigungsministerium abgestimmt. Die Opposition ist zu solchen und ähnlichen Verhandlungen mit solchen Ergebnissen nicht in der Lage.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Sie haben beispielsweise die Einnahmen aus Erlösen, die die Verwertungsgesellschaft beim Verkauf von Materialschrott erzielt, von 67 Millionen DM auf 106 Millionen DM erhöht, also um 57 %. Ich frage Sie: Woher sollte die Opposition die Kenntnis haben, daß sich der Erlös aus Materialschrott in einem solchen Umfang vermehren würde, daß eine neue Etatisierung mit höheren Beträgen vertretbar gewesen wäre?
Meine Damen und Herren, es gibt auch andere Vorgänge im Bundeshaushalt, die wahrscheinlich nur durch Zufall zur Kenntnis der sozialdemokratischen Bundestagfraktion gelangen. Ich erinnere beispielsweise an die deutschen Guthaben für Rüstungsvorauszahlungen im Ausland und darf hier feststellen, daß diese Guthaben in etwa zehn Jahren Kontenbewegungen in Höhe von 30 Milliarden DM, Stornierungen von rund 6 Milliarden DM gehabt haben und daß uns der derzeitige Stand nicht bekannt ist. Uns war der Stand vom Juni 1965 bekannt. Es war uns deswegen auch verständlich, warum gewisse Abstriche beim Bundesverteidigungshaushalt ermöglicht werden konnten. Aber wie es jetzt aussieht, ist der sozialdemokratischen Fraktion nicht bekanntgeworden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch auf einen anderen Vorgang aufmerksam machen, der mir wichtig erscheint. Bei den Haushaltsausgaben des Bundes im engeren Sinn — also ohne Schuldentilgung — ist auch ein Vergleich der Bundesbankstatistik und der Haushaltsrechnung erforderlich, zumal die von der Bundesbank ermittelten Kassenausgänge eigentlich höher sein müßten als die vom Bundesfinanzministerium verbuchten Beträge. Die Zahlen der Bundesbank sind im Vergleich aber niedriger. Das kann nur damit zusammenhängen,
daß bestimmte Haushaltsausgaben das Konto der Bundeshauptkasse bei der Bundesbank überhaupt nicht berühren. Es interessiert daher, zu erfahren, welche Haushaltsausgaben des Bundes auf dem Verrechnungswege etwa mit fälligen Einnahmen des Bundes geleistet werden. Derartige Transaktionen spielen u. a. sicher im Verteidigungsbereich eine größere Rolle. Wer die starke Abweichung in der Zunahme der von der Bundesbank errechneten Kassenausgänge und den um die Schuldentilgung bereinigten Ausgaben des Bundesfinanzministeriums ermittelt hat, kommt zu dem Ergebnis, daß die buchmäßigen Zahlungen im vergangenen Jahr besonders kräftig gewachsen sein müssen. Wenn ein Teil der Bundesausgaben nicht über das Konto der Bundeshauptkasse, sondern über andere Konten abgewikkelt wird, und zwar wahrscheinlich über Konten mit eigenen Eingängen, entgehen Haushaltsausgaben und -einnahmen vermutlich nicht nur der Erfassung durch die Statistik der Bundesbank. Wir fragen: Wie ist diese Erfassung bisher durchgeführt worden und wie wird sie der Bundesbank und dem Bundestag erkennbar gemacht?
Meine Damen und Herren, wir haben in der heutigen Vormittagsdebatte eine bemerkenswerte Rede des Herrn Bundeskanzlers zu hören bekommen. Herr Kollege Althammer hat heute nachmittag eine Kritik des Herrn Kollegen Schoettle zurückgewiesen, die sich darauf bezog, daß ein Ungleichgewicht zwischen dem Aufmarsch der Redner der Regierung und der Koalition und denen der Opposition vorhanden gewesen sei. Herr Kollege Schoettle hat aber ganz sicher nicht die vom Herrn Bundeskanzler abgegebene Erklärung gemeint, denn diese Erklärung des Herrn Bundeskanzlers hat Gesichtspunkte enthalten, die wir nur begrüßen können. Ich möchte sogar meinen, daß diesen Formulierungen ein sorgfältiges Studium der finanzpolitischen Vorstellungen der SPD vorausgegangen ist —

(Beifall bei der SPD)

etwa der Ausführungen auf dem Kongreß der SPD im Oktober 1963 in Essen, jenem Kongreß, der unter der Losung „Stabilität und Aufstieg" stand und auf dem all die Vorschläge über haushaltspolitische Entscheidungen, Finanzplanung usw. gemacht wurden.
Ich darf einmal einige der wichtigsten Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers zitieren. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt:
Die haushaltspolitischen Entscheidungen müssen von den Ein-Jahres-Zufälligkeiten gelöst und auf der Grundlage mehrjähriger und nach der Maßgabe sachlicher und politischer Dringlichkeit geordneter Finanzpläne vollzogen werden.
Hier kann man nun wirklich sagen: Das ist von der SPD abgeschrieben. Wenn der Bundeskanzler sagt: Die Bundesregierung wird über eine mittelfristige Vorausschau der Einnahmen und Ausgaben hinaus einen mehrjährigen Finanzplan mit Schwerpunkten und Prioritäten vorlegen, — so handelt es sich ja um das, was wir seit vielen Jahren im Bundestag und auch sonst gefordert haben.

(Beifall bei der SPD.)




Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Wenn der Herr Bundeskanzler erklärt: Ein mehrjähriger Finanzplan setzt mit der Entscheidung über Prioritäten die Programmierung von Reformen hinsichtlich der Ausgabenverpflichtungen des Bundes voraus, — so können wir das wortwörtlich unterstreichen. Wir freuen uns über diese Erkenntnis, sind allerdings der Meinung, daß es der Herr Bundeskanzler sehr schwer haben wird, diese und andere Erkenntnisse, die er hier vorgetragen hat, nun auch in seiner eigenen Koalition durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Vielleicht hat er es als Parteivorsitzender leichter!)

Warum, meine Damen und Herren? Nehmen Sie als Beispiel die Ausführungen, die die Redner der Koalition — insbesondere Herr Althammer — heute gemacht haben. Ich nenne deswegen Herrn Althammer, weil er nach Herrn Kollegen Schoettle gesprochen hat. Er mußte sich also nun mit den von uns entwickelten Vorstellungen auseinandersetzen.
Und was ist dabei, meine Damen und Herren, herausgekommen? Bisher hat man gesagt, in dieser Etatdebatte 1966 stellt sich die Gretchenfrage: Wie haltet Ihr es mit diesem Haushaltsvolumen? Nun, die Frage ist geklärt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat schon in der Debatte zum Jahresgutachten der Sachverständigen zum Ausdruck gebracht: Wir sind bereit, die Höhe des Haushaltvolumens zu respektieren. Wir haben allerdings darauf hingewiesen, daß konjunkturpolitische Gründe, die zu einer Abgrenzung dieses Haushaltsvolumens zwangen, nicht mehr, mindestens nicht mehr in dem Umfang vorhanden sind wie vor einigen Monaten. Das ging wohl auch aus der Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers hervor.
Nun haben wir Ihnen erklärt, daß nach unserer Meinung die Haushaltspolitik des Jahres 1966 realistisch sein muß, und zwar sowohl gegenüber eingegangenen Verpflichtungen als auch gegenüber Vorstellungen, die Prioritäten betreffen. Meine Damen und Herren, wenn man sich das, was da von Ihnen vorgetragen worden ist, ansieht, bleibt doch überhaupt nichts an Konzeption von Ihrer Seite übrig.
Beispiel: Erstens die Einnahmeseite. Sie sind der Auffassung, Steueränderungen kann es derzeit nicht geben, jedenfalls ganz sicherlich nicht mit Einwirkungen auf den Haushalt 1966. Zweitens sind Sie der Meinung, wenn im Zuge der Etatberatungen neue Steuerschätzungen, und zwar dann abschließend, erfolgen und diese Steuerschätzungen, was anzunehmen ist, höher ausfallen als die Etatansätze, sind diese Mehreinnahmen für den außerordentlichen Haushalt zu verwenden, um weniger Kapitalmarktmittel in Anspruch zu nehmen. Das bedeutet also, daß die beiden Möglichkeiten einer Manövrierfähigkeit über Einnahmen nicht mehr bestehen. Sie haben sie mit diesen Erklärungen blockiert. Dagegen ist wohl nichts zu sagen. Das steht fest und betrifft die Einnahmeseite.
Nun zur Ausgabenseite. Meine Damen und Herren, bei der Ausgabenseite — ich kann natürlich nur mit Beispielen auf die Lage hinweisen — können Sie doch folgendes nicht in Abrede stellen. Erstens
kommen zwangsläufig neue Ausgaben auf Sie zu. Denken Sie beispielsweise an die Verhandlungen für die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst. Es steht fest, daß hier Ausgabeerhöhungen unvermeidbar sind. Ich möchte von mir aus auch einmal ein offenes Wort zu der Frage der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sagen. Wenn Sie sich an die verschiedenen Feststellungen im Sachverständigengutachten, aber auch an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts erinnern, können Sie sich nicht der Verpflichtung entziehen, gegenüber den Bediensteten der öffentlichen Hand mindestens das zu tun, was sich an notwendigen Lohn- und Gehaltserhöhungen einfach aus der Preisentwicklung, aus dem Preisauftrieb der letzten Jahre ergibt.

(Beifall bei der SPD.)

Sie können doch nicht einfach den öffentlichen Dienst von dieser notwendigen Korrektur ausschließen. Sie können ihn nicht einfach davon ausschließen, mindestens am Produktivitätszuwachs teilzunehmen. Sie müssen sich hierzu im Jahre 1966 erklären. Wenn Sie aber auf der Einnahmeseite alles blockiert haben, dann frage ich Sie: Woher wollen Sie den nicht unwesentlichen Betrag nehmen, der hierfür im Jahre 1966 benötigt wird. Das ist das eine Beispiel.
Das zweite Beispiel ist die Kriegsopferversorgung. Ich habe mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß Herr Althammer zum Ausdruck gebracht hat: Hier muß etwas geschehen, hier muß schon bald etwas geschehen; wir haben das versprochen von seiten der Fraktionen, von seiten der Bundesregierung. Es war deutlich genug — Herr Kollege Althammer, ich habe Sie doch richtig verstanden? — so zum Ausdruck gebracht. Ich will jetzt gar nicht von Größenordnungen sprechen. Jedenfalls, vor den Bundestagswahlen hätte die kleinste Lösung 600 Millionen DM gekostet. Ich weiß nicht, ob Sie jetzt von vornherein auf die kleinste Lösung hinsteuern, aber 600 Millionen sind 600 Millionen, und mit den von Ihnen abgegebenen Erklärungen haben Sie die ganze Einnahmeseite blockiert. Woher wollen Sie, wenn Sie also für die Kriegsopferversorgung noch im Jahre 1966 eine Novellierung durchführen wollen, diese Beträge nehmen? Sie können uns also nicht vorwerfen, wir hätten kein klares Konzept. Denn wenn wir Ihre Erklärungen hier einmal aneinanderreihen und auf den Wahrheitsgehalt prüfen, bleibt einfach nichts mehr an vernünftiger Etatisierung auf der Einnahme- oder Ausgabeseite übrig.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, es geht weiter. Nun haben wir Ihnen eine unangenehme Überraschung bereitet. Ich gebe das zu. Es war vielleicht nicht ganz kollegial. Wir hätten Sie vorher verständigen sollen, daß wir in der heutigen Debatte zum Ausdruck bringen würden: Wir sehen bei diesem Haushalt noch die Notwendigkeit von Prioritäten. Sie haben gedacht, wenn die sozialdemokratische Bundestagsfraktion etwas über Prioritäten sagen wird, nehmen Sie wieder Ihre alte Platte und sagen: Woher nehmen? Diese Frage — woher nehmen? — stellt sich allerdings für jede Fraktion, für jeden Ab-



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
geordneten, der andere Prioritätsvorstellungen hat, als sie dem Etat zugrunde liegen, Nun kam die Überraschung. Wir haben erstens gesagt, w o wir Prioritäten sehen. Inzwischen hat es sich nämlich überall herumgesprochen — und das ist auch ein Kernstück des Gutachtens zur Finanzreform, zu dem die Bundesregierung nach den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers sehr positiv steht, wie heute unterstrichen wurde —, daß es auf eine Rangfolge hinsichtlich der Dringlichkeit der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Hand ankommt. Bund, Länder und Gemeinden müssen sich über eine solche Rangfolge einigen, verständigen. Und wenn das im großen Rahmen gilt, so gilt das auch für diesen Haushalt 1966. Wir wären allerdings in einer solchen finanzpolitischen Situation ebensowenig glaubwürdig wie Sie, wenn wir nicht hinzufügten: Wenn wir für die Wissenschaftsförderung die 530 Millionen statt der 350 Millionen haben möchten, also 180 Millionen mehr, dann können wir uns vorstellen, an welcher anderen Stelle des Haushalts Einsparungen erfolgen. Das muß man sagen, und man muß sich damit auseinandersetzen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die Auseinandersetzungen in unserer Fraktion wahrscheinlich mindestens so ernst sind wie in Ihren Fraktionen, vielleicht noch ernster; denn wir stellen ja nicht die Regierung. Ich bitte Sie, sich einmal ganz objektiv auch in unsere Lage hineinzuversetzen und zu verstehen, daß da einer sagt: Sollen wir päpstlicher sein als der Papst? Wenn man nachliest, was Sie, meine Damen und Herren, vorgetragen haben oder Herr Althammer, dann hat es mich gewundert, daß der Herr Bundeskanzler sich nicht zu Wort gemeldet, sondern Herrn Althammer zu seiner Rede noch gratuliert hat, der hier doch einfach erklärt: Alles, was bisher der Bundeswirtschaftsminister, der Bundesfinanzminister über den Abbau der Subventionen gesagt, was die beiden Herren an Artikeln geschrieben haben, was der Herr Bundeskanzler auch heute vormittag über den Abbau der Subventionen, insbesondere der Sparförderung, erklärt hat, ist undurchführbar; das ist nicht möglich. Für Herrn Althammer und für viele Kollegen der Koalition sind die Subventionen noch tabu. Das hat sich aus dieser Rede ergeben.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Kollege Althammer, Sie hätten diesen Teil Ihres Manuskripts nach den Erklärungen der SPD von heute vormittag streichen müssen. Sie hatten nicht damit gerechnet, daß wir offen bekennen: Wir können die Subventionen nicht mehr für tabu halten! Selbstverständlich denken wir nicht an die Subventionen, die da die Grenze von 29 Milliarden haben. — Bitte, Herr Pohle!

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0502516700
Wir haben schon mal gefragt, welche Subventionen abgebaut werden sollen. Da ist keine Antwort gegeben worden.

(Zuruf von der SPD: Da haben Sie wahrscheinlich gerade geschlafen!)


Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0502516800
Wir haben Ihnen, meine Damen und Herren, diese Grundsätze — —

(Abg. Dr. Stecker: Sie haben einfach gesagt, das sind keine Subventionen. So kann man's auch machen!)

— Nein, es ist ganz deutlich der Posten angesprochen worden, der im Finanzbericht mit rund 5,5 Milliarden bezeichnet ist und der sich auf vier Gebiete bezieht. Das ist klar. Wir haben sogar überlegt — ich spreche das hier offen aus —, ob die Möglichkeit besteht, mit einer globalen Kürzung einen Schritt weiterzukommen. Diese gründlichen Überlegungen haben zu dem Ergebnis geführt: Das geht nicht. Es ist ebensowenig sinnvoll wie das, was man mit globalen Kürzungen bei Ausgaben und sonstwie macht. Man muß das schon gezielt in Angriff nehmen. — Bitte schön?

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502516900
Eine Zwischenfrage.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0502517000
Herr Kollege Möller, der Herr Kollege Schoettle hat heute vormittag erklärt, er spreche sich dafür aus, daß eine zehnprozentige Globalkürzung dieser Subventionen in Erwägung gezogen werde. Wollen Sie damit das Gegenteil sagen?
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Nein. Ich habe soeben genau dargestellt, daß das in unserer Fraktion zunächst einmal der Ausgangspunkt für diese Stellungnahme gewesen ist, aber nicht mit der Verbindlichkeit, daß wir hier und jetzt sagen können: Wir werden einen solchen Antrag im Haushaltsausschuß oder in der zweiten oder dritten Beratung einbringen. Ich meine, Herr Althammer, wir kommen so nicht weiter. Wenn sie vernünftig wären, würden Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen, daß die Opposition zunächst die Erklärung abgibt, sie hält die Subventionen nicht für tabu. Wir sollten versuchen, einmal an einen Abbau der Subventionen heranzugehen. Das ist doch eigentlich eine Verständigungsgrundlage. Wenn Herr Althammer erklärt hat, das ist nicht möglich, die Subventionen sind tabu, dann müssen Sie das nicht uns in die Schuhe schieben, dann müssen Sie sich mit Herrn Althammer auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, warum haben wir nicht einen solchen mit letzter Verbindlichkeit ausgestatteten Vorschlag vorgelegt? Auch das möchte ich Ihnen sagen. Weil der Finanzbericht 1966 zwar einigen Kollegen dankenswerterweise schon vor einigen Tagen zugegangen ist. Aber Sie werden mir bestätigen können, daß doch fast alle Mitglieder des Hohen Hauses den Finanzbericht erst Anfang dieser Woche erhalten haben. Oder ist das nicht so? Wir können nur an Hand dieses Materials, nach sorgfältiger Prüfung des Finanzberichtes sagen, wo sich ein solcher Abbau vertreten läßt. Wir sind zu einer solchen gründlichen Durchforstung bereit. Wenn sich die Fraktionen des Hohen Hauses —



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
ohne Herrn Althammer — auf eine Kürzung der Subventionen um insgesamt 500 Millionen DM verständigen würden, hätten wir einen ersten sehr gewichtigen Schritt getan.

(Beifall bei der SPD.)

Es kommt mir dabei gar nicht auf den Betrag von 500 Millionen DM an; ich bin auch schon mit einem Betrag von 400 Millionen DM zufrieden, wenn wir überhaupt erst einmal anfangen und damit der Öffentlichkeit beweisen, daß es uns ernst ist,

(erneuter Beifall bei der SPD)

diese in der jetzigen Lage nicht mehr zu verantwortenden Tabus abzubauen. Alle unsere Freunde aus den verschiedenen Sektoren, auch unsere Freunde aus der Landwirtschaft, waren bereit, uns zu helfen. Wir sind der Auffassung, niemand darf in einer solchen Situation sagen: Abbau von Subventionen bei allen, nur nicht bei mir. Wenn wir in der Lage der Koalition oder der Regierung wären und unsere Opposition gäbe uns eine solche Erklärung ab, würden wir mit beiden Händen zugreifen und versuchen, im Laufe der Etatberatungen zu einer vernünftigen Verständigung zu kommen.
Wir haben auch von der Erdölindustrie gesprochen. Wie ist es mit der Erdölindustrie? Hier handelt es sich nur um e i n Kapitel aus dem großen Buch der Subventionen. Es geht um einen ganz konkreten Fall: Können wir die 1965 begonnenen Darlehensprogramme mit dem Planvermerk „Umwandlung der Darlehen in verlorene Zuschüsse ist möglich" in einer Größenordnung von 800 Millionen DM bis zum Jahre 1969 für Aufsuchung und Ausbeutung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelegener Erdöl- und Erdgaslagerstätten vertreten? 1965 wurden 90 Millionen DM von den 800 Millionen DM verbraucht. 1966 stehen 150 Millionen DM zur Verfügung. Es bleiben also noch 560 Millionen DM übrig. Man muß sich überlegen, ob bei dieser Finanzlage der ganze Betrag wirklich vertretbar ist. Kann man das machen, oder kann man nicht mindestens anders dosieren, als das in einer Zeit geschehen ist, wo diese finanzielle Entwicklung noch nicht so erkennbar war?

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0502517100
Das geht nicht; die Bundesregierung lehnt das ab. Vor einigen Tagen konnte man noch in den Zeitungen lesen, als Herr Mikat diesen Punkt angesprochen hatte, die Bundesregierung sei sich noch nicht schlüssig. Das hat den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg veranlaßt, gestern zu sagen, er würde eine solche Revision der Ausbildungszulage begrüßen, und das Land Baden-Württemberg würde im Bundesrat für eine solche Gesetzesänderung stimmen.

(Zuruf rechts: Bravo!)

Ich will nicht sagen, wir befinden uns in guter Gesellschaft mit denen, oder die anderen befinden sich bei uns in guter Gesellschaft. Wir haben die Ausbildungszulage angesprochen. Sofort, postwendend,

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502517200
tabu, tabu!
Wir haben - was Sie überrascht hat und vorauf wir Sie nicht vorbereitet haben — auch Vorschläge hinsichtlich von Verlagerungen im Haushalt gemacht. Wir haben gesagt, da könnten wir uns überlegen: Läßt sich etwas einsparen, damit wir bestimmte Vorstellungen über Prioritäten realisieren können? Das sagte ich vorhin: Ist das die Wissenschaftsförderung? Und ich wiederhole das, was Herr Kollege Schoettle sagte: Ist das der Steinkohlenbergbau? Meine Damen und Herren, wir wollen uns einmal bei der Energiedebatte an das erinnern, was heute hier im Hohen Hause zum Etat 1966 gesagt worden ist. Wer bei dieser Etatsdebatte nicht bereit ist, von vornherein eine nennenswerte Reserve für ein gezieltes Strukturförderungsprogramm des Steinkohlenbergbaus einzustellen, der meint es mit der ganzen Energiedebatte nicht ernst und sollte sie erst gar nicht führen.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn Sie sich einmal den Milliardenaufwand ansehen, der in den vergangenen Jahren für Subventionen ausgegeben worden ist, dann bleibt doch immer noch die Frage: Was ist erreicht? Das Furchtbare an der ganzen Situation ist doch diese Milliardenausgabe ohne die notwendige Zielsetzung, eine Ausgabe, die gemacht worden ist, ohne daß sie mit den Notwendigkeiten der Strukturverbesserung so verbunden worden wäre, daß sie sich hätte verantworten lassen.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Wir alle hier in diesem Hohen Hause würden sicher kein Wort über diese Milliarden verlieren, wenn gestern die Landwirtschaft hergekommen wäre und gesagt hätte: „Kinder — alles in Ordnung! Es hat zwar soundsoviel Milliarden gekostet" — ich will gar keine Zahl nennen —, „aber es hat sich gelohnt, wir sind ein erhebliches Stück weitergekommen." Wenn man aber genau zuhört — ich meine, wenn man die Spezialisten auf diesem Gebiet anhört —, hat man doch das niederdrückende Gefühl: wir sind noch in einer sehr prekären Situation, und es zeigt sich noch nicht das Morgenrot der wirklichen Lösung.

(Zuruf des Abg. Brese.)

— Das gilt nicht nur für die Landwirtschaft. Selbstverständlich gilt es beispielsweise auch für den Steinkohlenbergbau. Es ist doch ein Jammer und kein Ruhmesblatt für diese Bundesregierung, diesen Bundeskanzler und den früheren Bundeswirtschaftsminister, daß wir im Jahre 1966 noch kein Strukturprogramm für den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet haben.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Das ist doch die Wahrheit! Das hätten wir weiß Gott in den vergangenen Jahren der Hochkonjunktur und der Überbeschäftigung fertigbringen müssen: neben der sozialen Lösung der Frage auch eine strukturelle Zielsetzung im Steinkohlenbergbau, die



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
die Probleme ausgeschaltet hätte, die uns ganz schwer 1966 beschäftigen und in den folgenden Jahren beschäftigen werden. Meine Damen und Herren, Sie haben nichts vor. Sie haben die Einnahmeseite zugemacht; Sie haben nach den von Ihnen abgegebenen Erklärungen nichts mehr auf der Einnahmeseite verfügbar. Für Sie ist eine Hilfe für den Steinkohlenbergbau abgeschrieben, und Sie brauchen die Energiedebatte nicht mehr zu führen, weil diese finanzielle Hilfe dazugehört.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir haben noch einen dritten Punkt genannt. Wir haben auf Berlin verwiesen. Wir haben gesagt: im Berliner Haushalt fehlen nach dem derzeitigen Stand noch 54 Millionen DM. Dabei ist der Betrag, der bei der Entwicklung der Bezüge im öffentlichen Dienst noch auf den Berliner Haushalt zukommt, nicht einkalkuliert; ich will das nur der Vollständigkeit halber sagen. Ich hoffe, daß wir uns ohne große Debatte angesichts der Begründung, die auch der Herr Bundesfinanzminister in seiner Rede für die Berlin-Hilfe gegeben hat, in diesem Punkte sehr bald einigen werden. Aber ich muß sagen, auch dazu brauchen wir wieder Geld, eine Einnahmeseite, die wenigstens noch in einem kleinen Punkt manövrierfähig ist.
Das vierte war der kommunale Straßenbau. Ich darf noch einmal sagen, die Zahlen der Statistiken der letzten Jahre beweisen, daß der Anteil der Gemeinden und Gemeindeverbände am gesamten Steueraufkommen gesunken ist. Aber niemand kann behaupten„ daß die Aufgaben, die den Gemeinden und Gemeindeverbänden gestellt sind, in ihrer Bedeutung geringer geworden seien. Das wächst doch an Volumen und wächst doch auch an Kostenaufwand, und wir sollten uns bemühen, bei dieser vierten Priorität, für den kommunalen Straßenbau, wirklich eine entscheidende Hilfe zu geben.
Das letzte war unser Hinweis auf die finanzschwachen Länder. Die fünf finanzschwachen Länder — Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Saarland, Rheinland-Pfalz, und entschuldigen die Herren der CSU, auch Bayern, natürlich nur in der Finanzstatistik schwach — haben um 250 Millionen DM gerungen. Wer die Bestimmung des Grundgesetzes, daß die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik zu wahren ist, ernst nimmt, der kann doch nicht an der Tatsache vorbei, daß es ein nicht mehr tragbares Gefälle zwischen finanzstarken und finanzschwachen Ländern gibt, wie ein Gefälle zwischen finanzstarken und finanzschwachen insbesondere Landgemeinden vorhanden ist. Es wird das Ziel der Finanzreform sein, da zu helfen; aber bis zur Finanzreform, die nach dem Finanzbericht erst 1970 realisiert werden kann, können wir nicht warten, wir müssen die Dinge jetzt in Angriff nehmen. Ich würde also meinen, daß wir uns über diesen Punkt zu unterhalten haben. Lesen Sie bitte nach, im Finanzbericht wird Ihnen dargestellt, was die Steueränderungsgesetze der Jahre 1964 und 1965 gekostet haben, nämlich 4,5 Milliarden DM.

(Abg. Frau Kalinke: Wollen Sie jetzt Steuern erhöhen?)

— Das habe ich schon gesagt; wahrscheinlich waren Sie in dem Augenblick gerade draußen. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das jetzt nicht das rechte Mittel ist, habe sogar auf die Bedenken aufmerksam gemacht, die bestehen, wenn man infolge der prekären Finanzsituation das ganze Schwergewicht einfach auf die Gemeinden verlagert und da etwa nur der Ausweg der Gewerbesteuererhöhung bleibt, und habe hinzugefügt, daß das nach meiner Meinung auch eine Steuererhöhung sei, daß wir das in unsere Betrachtung einzubeziehen hätten.
Meine Damen und Herren, ich möchte wünschen, daß wir uns in dieser Frage deswegen verständigen, weil nicht nur die Finanzreform mit all den komplizierten Arbeiten auf uns wartet, sondern weil eine andere Frage ganz unmittelbar vor der Tür steht, nämlich die Frage: Wie sieht der Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ab 1. Januar 1967 aus? Das bedeutet, daß schon jetzt die Notwendigkeit zu einer Verständigung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden besteht und daß man nicht von vornherein einen unüberbrückbaren Gegensatz aufrichten darf. Meine Damen und Herren, von den fünf finanzschwachen Ländern ist die SPD nur in Niedersachsen an der Regierung beteiligt. Sie können daher nicht sagen, daß es etwa ein SPD-Interesse sei, sich dafür einzusetzen, daß das nach Möglichkeit in Ordnung gebracht wird. Ich kenne die Etats und muß sagen, wer sie genauso sorgfältig studiert, wie ich es getan habe, wird hier ein sehr ernstes finanzpolitisches Problem sehen, das uns zur Lösung aufgegeben ist.
Ich darf abschließen. Wir haben in dieser Debatte hoffentlich klargemacht, daß wir uns aus sehr naheliegenden Gründen etwa auf der Höhe des Haushaltsvolumens bewegen werden, das von der Regierung vorgeschlagen worden ist. Daß wir jeden Hinweis darauf, unter dieses Volumen zu gehen, für unrealistisch halten, füge ich persönlich hinzu. In demselben Umfang, in dem wir unter dieses Volumen gehen, würden wir weitere dringende Aufgaben des Bundes oder Gemeinschaftsaufgaben sträflich vernachlässigen. Das muß man einmal ebenso deutlich sehen wie die andere Meinung, man könne da ohne weiteres noch eine Milliarde streichen.

(Beifall bei der SPD.)

Zweitens. Wir glauben, daß es die Aufgabe einer Fraktion ist, die diese Regierung nicht zu stützen hat, zum Ausdruck zu bringen, daß sie selbst in einer so prekären finanziellen Lage eigene Vorstellungen über bestimmte Gebiete von besonderer Wichtigkeit zu entwickeln hat, daß sie versuchen muß, sich dabei durchzusetzen, und daß sie dabei auch Deckungsvorschläge zu machen hat. Wir haben den Wunsch, daß wir uns nicht nur über solche Prioritäten, sondern auch über die Verlagerungen in der Deckung verständigen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat am Schluß seiner Ausführungen gesagt:



Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Diese Zwangslage
— diese Zwangslage, in der wir uns finanzpolitisch befinden —
fordert von uns allen klare Entscheidungen.
Niemand wird uns unterstellen können, daß unsere
Konzeption über einen Mangel an Klarheit verfügt.
Der 5. Deutsche Bundestag,
— so sagt der Bundesfinanzminister —
wir alle, werden nicht zuletzt daran gemessen werden, wie wir uns dieser Aufgabe gestellt und wie wir diese Probleme gelöst haben.
Das ist ganz sicher richtig. Wir Sozialdemokraten haben den Wunsch, daß wir dann, wenn Sie von der Regierung und von der Koalition vielleicht nicht gemessen, wenn Sie gewogen werden, nicht sagen müssen wie zur Zeit: gewogen, aber zu leicht befunden.

(Anhaltender Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502517300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0502517400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dieser langen Spezialdarstellung von Herrn Kollegen Möller möchte ich noch einige kurze politische Anmerkungen zum Etat 1966 und im besonderen zur mittelfristigen Finanzvorausschau machen. Diese mittelfristige Finanzvorausschau hat bei den Ausführungen der Oppositionsredner im Mittelpunkt gestanden. Die Vorausschau basiert auf einem Wirtschaftswachstum von 3 1/2 %, Preissteigerungen ausgenommen. Die Zuwachsquoten bei den Steuereingängen sind in den letzten sechs bis sieben Jahren größer gewesen, als die Vorausschau sie für 1967 mit 3,7 Milliarden DM schätzt. Der Zuwachs an Steuern betrug 1961/62 4,8 Milliarden DM, 1962/63 2,8 Milliarden DM, 1964/65 4,5 Milliarden DM. Der Steuerzuwachs ist für 1965/66 auf 5,5 Milliarden DM geschätzt worden. Von den Finanzierungslücken, die in der Vorausschau angegeben werden und durchschnittlich zwischen 5 und 6 Milliarden DM betragen, sind von den Vorrednern 1,5 bis 2 Milliarden DM als Anleihebedarf und Anleihemöglichkeit unterstellt worden. Dann bleibt unter dem Strich eine echte Finanzierungslücke von 2 bis 3 Milliarden DM. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir durch eine genaue Überprüfung der großen Ausgabenblöcke diese Finanzierungslücke für 1967 und für spätere Jahre beseitigen müssen. Dazu bieten sich selbstverständlich die auch im Finanzbericht genannten Subventionen und die Steuerbegünstigungen geradezu an. Im ganzen enthält diese Aufstellung 29 Milliarden. Sie besteht je zur Hälfte aus Subventionen und aus Steuerbegünstigungen.
Die Subventionen beginnen mit der größten Position mit den beträchtlichen Zuschüssen an die Sozialversicherung. Bei der Landwirtschaft ist fast der ganze Etat genannt worden — 3,9 Milliarden —, für die Bahn sind es 2,8 Milliarden, und es endet beim Verkehr und beim Wohnungsbau mit je 500 Millionen.
Die Steuerbegünstigungen beginnen in ebenfalls gravierender Höhe mit 5,2 Milliarden für die gewerbliche Wirtschaft, dann folgen 2,1 Milliarden für den Wohnungsbau, und sie enden beim Verkehr mit 600 Millionen DM.
Wenn wir diese beiden großen Positionen, die Subventionen und die Steuerbegünstigungen, überprüfen wollen und wenn wir an diesen beiden Positionen abbauen wollen, dann müssen wir uns darüber im klaren sein, was ein solcher Abbau bedeutet: er wird in vielen Bereichen zu Preissteigerungen führen. Wenn Sie bei dem großen Verkehrsunternehmen die Zuschüsse verringern, dann wird es zu Tariferhöhungen kommen. Wenn Sie in der Agrarwirtschaft bedeutende Ausgleichshilfen abbauen, wird das zu höheren echten Preisen und damit zu Preisanhebungen bei Agrargütern und letztlich bei Lebensmitteln führen.
Über diesen Gedankenzusammenhang muß völlige Klarheit bestehen, wenn wir an die Aufgabe herangehen. Wir sind aber der Meinung, wir sollten es tun, und es sollte keine Position tabu sein. Wir halten allerdings das Verfahren, einen Teil herauszugreifen und bei diesem eine zehnprozentige Globalkürzung vorzunehmen, für ein allzu einfaches, ein allzu primitives Verfahren.

(Beifall bei der FDP.)

Der von Herrn Schoettle herausgegriffene Betrag von 51/2 Milliarden, der sogenannte engere Bereich der Subventionen, ist in dem Bericht ebenfalls in Einzelpositionen aufgeführt. Er beinhaltet 3,9 Milliarden der Landwirtschaft, 560 Millionen der gewerblichen Wirtschaft, 500 Millionen des Verkehrs und 530 Millionen des Wohnungswesens, zusammen 5,5 Milliarden DM. Wenn Sie also die zehnprozentige Kürzung an dieser Stelle vornehmen wollen, dann müssen Sie von vornherein wissen, daß Sie damit den wesentlichsten Posten, nämlich 390 Millionen DM, bei der Landwirtschaft wegnehmen.
Herr Schoettle hat auf die Milchausgleichsbeträge hingewiesen. Ich will hier ganz frei erklären: wir sind der Meinung, daß diese Ausgleichsbeträge dazu bestimmt sind, das Einkommen der Landwirtschaft zu verbessern, weil das über die Agrarpreise nicht möglich ist. Wir haben bei unserer Zielsetzung immer unterstellt, daß der Agrarfonds eines Tages diese Milchförderung übernehmen wird. Andernfalls werde Deutschland aus dem Agrarfonds keine wesentlichen Beträge zurückbekommen. Es ist eine politische Entscheidung, ob man das Leitbild der Agrarpolitik, den bäuerlichen Familienbetrieb, bejaht. Ist das der Fall, dann muß man auch diese Förderungsbeträge für die Milch anerkennen. Wenn man sie nicht will, verneint man damit den bäuerlichen Familienbetrieb als Leitbild der Agrarpolitik.
Dann sind dezidierte Vorschläge von Herrn Schoettle gemacht worden — und Herr Kollege Möller hat sie wiederholt —: Es sollten 180 Millionen DM für die Wissenschaft frei gemacht werden, es sollte eine bestimmte Reserve für die Kohle gehalten werden — die Zahl ist nicht genannt worden —, es sollten 54 Millionen DM für



Peters (Poppenbüll)


(bald einträte und uns Vorschläge machte. Ich darf noch einmal folgende Hauptpositionen nennen, die nach unserer Meinung einer Prüfung unterzogen werden müssen: die Zuschüsse an die Bahn, an die Post und an die Sozialversicherungen. Meine Damen und Herren, hierbei müssen wir von vornherein wissen, daß Kürzungen oder ein Stornieren an Bundeszuschüssen bei gleicher Rentenregelung selbstverständlich bedeuten würden, daß die Beiträge in der Sozialversicherung — Arbeitgeberund Arbeitnehmeranteil — erhöht werden müßten. Dann müßte man entscheiden, ob man das will oder nicht. Gleichzeitig muß der Bereich der Sparprämien und der Bausparprämien und müssen generell alle Steuervergünstigungen überprüft werden. Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß es bei der Überprüfung der Steuervergünstigungen eine große Rolle spielen wird, ob unsere Wirtschaft eine Streichung von Steuervergünstigungen im Verhältnis zur Konkurrenz des Auslandes verkraften kann. Genauso wichtig wie die Durchforstung von Subventionen und Steuervergünstigungen im Haushalt ist nach unserer Meinung eine Verhinderung neuer großer Ausgaben. Wir wissen, daß durch die EWG-Agrarfinanzierung eine beachtliche Ausgabe auf die Bundesrepublik zukommen wird. Wir sind der Meinung, daß der EWG-Agrarfonds kleingehalten werden muß, und zwar indem die Länder — die Bundesrepublik, Frankreich, Italien, Holland und Belgien an der Ausfuhr ihrer Agrarüberschüsse beteiligt werden und nicht nur der Agrarfonds diese Aufgabe durchführt. Zweitens sollte ein Teil des EWG-Agrarfonds, und zwar die Abteilung Ausrichtung, nach Möglichkeit wegfallen, damit nicht im wesentlichen die Bundesrepublik die agrarstrukturellen und die marktstrukturellen Maßnahmen in anderen Ländern finanziert. Dieser Bereich sollte in nationaler Kompetenz gehalten und weiter von den Ländern allein finanziert werden. Ein dritter Punkt. Wir sind nicht der Meinung, im Gegensatz zu Herrn Leicht, daß niedrige Agrarpreise in der EWG ein taugliches Mittel sind, um den Fonds kleinzuhalten. Der Fonds wird in erster Linie durch Überproduktion beansprucht. Und Überproduktion in der Agrarwirtschaft entsteht bekanntlich nicht durch zu hohe Preise, sondern es ist in der Regel umgekehrt: daß niedrige Preise zur Mengenproduktion anreizen. Was für die EWG-Agrarfinanzierung im besonderen gilt, gilt ganz allgemein für zusätzliche überplanmäßige Ausgaben im Haushalt 1966. Das gilt auch für die Verpflichtungen, die wir in den Bereichen der Entwicklungs-, Außenund Verteidigungspolitik eingehen könnten. Wir warnen vor weiteren überplanmäßigen Ausgaben in diesen Bereichen. Zum Schluß noch ein Wort zu der Kritik des Kollegen Schoettle am Beschluß des Haushaltsausschusses, zunächst die Sachtitel zu beraten und die Beratung der Personaltitel zurückzustellen. Wir sind zu diesem Beschluß gekommen — ich bekräftige ihn hier noch einmal —, weil wir den Haushalt möglichst schnell verabschieden wollen. Wir wollen den Behörden in den Ländern möglichst schnell die Summe an die Hand geben, die sie zur Förderung der Wissenschaft, zur Förderung der Agrarstruktur, für die Regionalprogramme und für den Straßenbau planen und verbrauchen können. Solange der Haushalt nicht verabschiedet ist, gilt bekanntlich die Regelung, daß 80 % des Vorjahresansatzes pro Monat verbraucht werden dürfen. Das sind gerade in den Bereichen der Wissenschaftsförderung, des Straßenbaus, der Agrarstruktur und der Regionalprogramme zum großen Teil weit geringere Beträge, als sie durch diesen Haushalt zur Verfügung gestellt werden. Um diese Maßnahmen zügig durchführen zu können, haben wir im Haushaltsausschuß beschlossen, zunächst die Sachtitel zu behandeln und dann nachher durch eine Ermächtigung des Plenums die Personaltitel zu beraten. Die Beamten werden dadurch keine Benachteiligung erfahren; denn alle Neueinstellungen und Stellenhebungen werden ohnehin mit gleichem Datum erfolgen. Das Wort hat Herr Windelen. Windelen CDU/CSU)


(Beifall bei den Regierungspaiteien.)

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502517500

(Sehr gut! in der Mitte.)

Es ist vielmehr eine Stunde schwerer Verantwortung für eine gesicherte Zukunft unseres Volkes. Hier gilt es auch nicht, Wohltaten zu verteilen, die der Bürger dann doch aus seiner eigenen Tasche bezahlen muß, sondern hier gilt es vielmehr, Grenzen zu ziehen zwischen dem, was wünschenswert ist — auch für uns wünschenswert wäre —, und dem, was möglich, vertretbar und tragbar ist.

(Zustimmung des Abg. Leicht.)

Es ist zu begrüßen, daß die heutige Debatte diesem Umstand doch sehr weitgehend Rechnung getragen hat. Soweit ich mich entsinne, handelt es sich um die erste Debatte zu einer ersten Lesung eines Haushaltsplans, wo — bis zu dieser Stunde — ausschließlich Fragen behandelt worden sind, die unmittelbar und mittelbar mit dem Haushalt zusammenhängen.

(Sehr wahr! in der Mitte.)




Windelen
Das ist gut so. Diese Debatte ist von allen Seiten des Hauses mit sehr großem Ernst und mit einem der Bedeutung der Materie angemessenen Verantwortungsbewußtsein geführt worden. Ich glaube, das kann man, zumindest was die Form anlangt, mit gutem Gewissen sagen. Das heißt natürlich nicht, daß man allen Feststellungen, die hier getroffen worden sind, zustimmt.
Herr Kollege Schoettle hat festgestellt, daß die Regierung das Bild der Finanzpolitik doch eigentlich recht düster gemalt habe. Nun, ich meine: sie hat es realistisch gemalt, und das ist auch ihre Aufgabe. Ich stelle die Frage: Was hätten Sie gesagt und was hätte unser Volk draußen gesagt, wenn wir hier ein rosig gefärbtes Bild gezeichnet hätten? Auch dafür ist hier nicht der Ort und nicht die Stunde.
Herr Schoettle, Herr Möller und zu einem früheren Zeitpunkt schon Herr Kollege Schiller haben erklärt, daß das Volumen des Entwurfs von 69,15 Milliarden DM konjunkturell im ganzen nicht zu beanstanden sei. Aber sie haben sich vorbehalten, einige Akzente anders zu setzen. Nun, genau das ist unser Handwerk, genau das ist unsere Aufgabe.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Schoettle hat davon gesprochen, daß es jetzt gelte, Luft herauszulassen, wo noch Luft sei. Nun, Sie werden uns an Ihrer Seite finden, wenn Sie uns auf solche Positionen im Haushalt hinweisen, wo noch Luft herauszulassen ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das haben wir in der Vergangenheit so gehalten, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Diese Debatte hat wohl ganz eindeutig gezeigt, daß sich das Parlament als Ganzes als Partner oder, wenn Sie wollen, auch als Kontrahent der Regierung versteht und daß keiner hier diesen Haushaltsentwurf als unabänderliches Evangelium zu betrachten bereit ist.
Sie haben angedeutet, Herr Kollege Schoettle und eben Herr Kollege Möller, wie Sie die Gewichte anders verteilt haben möchten. Herr Kollege Schoettle hat angedeutet, daß, wenn auch in einem begrenzten Rahmen, so doch in einer Größenordnung von vielleicht 800 Millionen DM noch Umschichtungen möglich sein müßten. Herr Kollege Möller war nur wenige Stunden später schon ein wenig skeptischer; ich würde sagen: realistischer. Er sagte, er würde sich freuen, wenn er 500 Millionen oder, wenn es gar nicht anders ginge, doch wenigstens noch 400 Millionen DM herausschneiden könnte.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Ich meinte Subventionen!)

— Nun, wir sind gar nicht so eng. Wir sind auch bereit, andere Positionen unter die Lupe zu nehmen, natürlich auch die Subventionen. Ich würde sagen, daß eine Zahl von 400 bis 500 Millionen DM etwas realistischer ist. Ich glaube, daß man über eine solche Größenordnung — und nur dazu möchte ich jetzt Stellung nehmen — sicher wird sprechen können, ohne Einzelheiten vorzugreifen.
Sie haben dann — und das ist sehr gut, das erleichtert die Diskussion — einige der Prioritäten angemeldet, die Sie stärker berücksichtigt wissen wollen. Sie haben die Wissenschaft genannt. Sie wissen — denn die Debatte hat gerade erst stattgefunden —, daß wir hier dem Grunde nach nicht weit auseinander sind. Sie haben die Steinkohle genannt; darüber wird in der nächsten Woche zu sprechen sein. Sie haben das Land Berlin erwähnt, Sie haben die Länderzuschüsse mit 250 Millionen DM genannt, und Sie haben die Verkehrsprobleme der Gemeinden angeschnitten. Es sind Zahlen angegeben worden. Die Zahl für die Wissenschaft ist bekannt, 180 Millionen DM, die Zahl für das Land Berlin — 54 Millionen DM — und die Anforderungen der Länder von 250 Millionen DM liegen ebenfalls auf dem Tisch. Allein diese drei Forderungen machen schon die Summe von 484 Millionen DM aus. Es bleibt also noch offen die Steinkohle, es bleibt noch offen der Verkehr, und es bleiben noch all die anderen Wünsche offen. Das heißt, auch Sie werden sehen müssen, daß auch die dringlichsten Notwendigkeiten nicht aus dem Haushalt, der jetzt vor uns liegt, erfüllt werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben dann — auch das ist nicht neu — den Vorschlag gemacht, wir sollten die Subventionen noch einmal sehr kritisch unter die Lupe nehmen. Als man dann Herrn Schoettle fragte: Ja, welche?, da sagte er, diese Antwort müßte eigentlich die Regierung geben; denn auch sie habe die Frage der Subventionen angeschnitten. Ich möchte dazu nur sagen: Die Regierung hat den Entwurf ihres Haushaltsplans vorgelegt. Das ist die Antwort der Regierung auf die Frage, was sie jetzt für notwendig, für erreichbar und für realisierbar hält. Wir haben Sie gefragt: Wo ist Ihre Alternative? Ich glaube,
daß Sie, Herr Kollege Möller, hier Herrn Kollegen Althammer etwas mißverstanden oder mißdeutet haben, als Sie sagten, wir hätten ja schon erklärt, bei den Subventionen sei nichts mehr zu durchforsten.
Ich glaube, wir müssen zwei Dinge unterscheiden. Einmal die Frage des Haushalts, der jetzt vor uns liegt; da haben Sie in dankenswerter Offenheit zugegeben, daß der Spielraum nicht allzu groß ist. Milliardenbeträge lassen sich da jedenfalls nicht gewinnen, und Sie haben Ihre Vorstellungen erheblich reduziert. Nun, genau das ist es, was der Kollege Althammer im Grunde auch gesagt hat. Ich darf das vielleicht der Klarheit wegen aus dem von ihm noch nicht korrigierten Protokoll zitieren. Er sagte:
Wer sich nämlich die Mühe macht, diesen Bereich der Subventionen in den Einzelheiten zu
durchleuchten, wird sehr schnell sehen, wie begrenzt in diesem Rahmen die . . . Streichungsmöglichkeiten sind.
Er hat nicht gesagt, daß es keine Möglichkeiten gebe; er hat gesagt, sie seien begrenzt, und darüber sind wir uns wohl einig.
Er sagte dann an einer anderen Stelle zum gleichen Thema:



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Was dann bleibt, sind auf der Seite der direkten Zuwendungen Leistungen an den wirtschaftlichen Bereich, unsere Leistungen an die deutsche Landwirtschaft, unsere Leistungen an den Kohlenbergbau, unsere Leistungen an die Erdölindustrie und an mittelständische Berufsgruppen — um nur die wesentlichsten Punkte zu nennen. Daß hier keine Milliardenbeträge zu streichen sind, ist jedem klar, der die Dinge genau im einzelnen verfolgt.
Und dann sagte er schließlich:
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, mit dieser Darlegung ist in etwa doch die Mystifikation angeblich riesiger Subventionen einigermaßen zerstört.
Auch darüber gibt es ja keine Meinungsverschiedenheiten. Es war, glaube ich, Herr Kollege Schoettle, der sich als erster gegen einen Block von etwa 30 Milliarden als Subventionen wandte — ich würde sagen, im Sinne dieser Betrachtung mit einigem Recht.
Der Herr Kollege Althammer führte weiter aus:
Es bleibt natürlich daneben noch der große Bereich der indirekten Zuwendungen, d. h. Steuervergünstigungen.
Hier sah er durchaus Möglichkeiten, und hier scheinen mir auch die größeren Chancen für die Zukunft zu liegen.
Inzwischen haben sich einige Kollegen — unter anderen auch Herr Kollege Peters — mit Einzelheiten Ihrer Vorschläge beschäftigt. Ich will deswegen nur noch weniges dazu sagen. Ich bin der Meinung, daß der Bereich der Subventionen in der Art, wie sie auch Herr Kollege Althammer abgesteckt hat, durchaus sehr kritisch durchleuchtet werden muß. Da sind wir durchaus auch mit der Regierung d'accord, und da werden Sie uns auf Ihrer Seite finden. Aber hier geht es um den Haushalt 1966, um die aktuelle Frage, wo wir das Geld für Wissenschaft, für den Steinkohlenbergbau, für Berlin, für die Länder, für den Verkehr usw. hernehmen, und ich glaube, da müssen wir erkennen, daß in der aktuellen Beratung dieses Haushaltes diese Milliardenbeträge jedenfalls aus den Subventionen nicht herauszuschneiden sind.

(Zustimmung in der Mitte.)

Sie werden sehr bald erkennen — und auch das haben Sie in dankenswerter Offenheit zugegeben—, daß es immer schwieriger wird, wenn man dann an die Einzelheiten geht, daß wir es uns alle zu leicht machen würden, wenn wir sagten: Jetzt gehen wir mit der Heckenschere dran und sagen: 10 % von jedem. Ich glaube, damit werden wir unserer Aufgabe hier nicht gerecht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. —Abg. Dr. Schäfer: Aber darangehen wollen wir!)

— Ja, aber nicht mit der Heckenschere, Herr Kollege. Sie haben gesagt, es würde dann auch in Ihrer Fraktion etwas heiter zugehen, wenn es an die Einzelheiten geht. Da sagen Sie gar nichts Neues, das ist bei uns nicht anders, und das spricht sich alles
sehr viel leichter aus, als man es realisiert. Sie haben uns dann gefragt: Ja, was ist denn nun über all die Jahre als Wirkung dieser Milliardensubventionen zu verzeichnen? Haben wir damit die Probleme gelöst? — Sie haben die Agrarsubventionen genannt — das ist ja dann immer das Erste.
Wir haben die Probleme sicher nicht gelöst. Aber ich glaube, wir werden doch der Betrachtung nicht gerecht, wenn wir uns nicht klarmachen, daß diese Subventionen in engem Zusammenhang mit der EWG gestanden haben und auch in Zukunft weiter stehen werden. Wir müssen sie auch in diesem Zusammenhang betrachten und werden sie nicht daraus lösen können.
Sie haben die Darlehen und Zuschüsse an die Mineralölwirtschaft genannt. Sie haben gesagt, hier sei doch ein Polster. Nun, Herr Kollege Möller, wir sind gar nicht so zimperlich. Auch in der Vergangenheit waren wir gar nicht zimperlich, und wir haben im vergangenen Haushaltsjahr die Zuwendungen, die wir für die Kohle brauchten, genau aus dieser Position herausgenommen. Sie sehen also, für uns gibt es da auch gar keine Tabus. Aber sehen Sie, es ist ja nichts leichter, als Ressentiments zu wekken, zu sagen: Hier ist eine riesige Industrie, und die will 01 im Ausland suchen. Dann wird sofort jeder bereit sein zu sagen: Nun weg mit diesen Subventionen. Ich glaube, wenn wir uns einmal ernsthaft über Einzelheiten unterhalten, werden Sie sich — wie Ihre Kollegen im Wirtschaftsausschuß — gewissen Notwendigkeiten nicht verschließen können. Sie werden auch zugeben, daß diese Subvention nicht leichtfertig in den Haushalt gekommen ist, sondern ihre Berechtigung gehabt hat. Ich meine, es ist ja nicht nur das Ausland, sondern auch die Nordsee, wo nach 01 gesucht wird.
Die Ausbildungsbeihilfen sind sehr kritisch behandelt worden. Nun, ich sage ganz offen: uns gefällt an diesem Gesetz auch nicht alles. Das kann man hier ruhig sagen. Sie wissen, daß wir sehr viel lieber ein richtiges Ausbildungsförderungsgesetz hier verabschiedet hätten, wenn nicht das Veto des Landes Hessen vorgelegen hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das Land Hessen hat uns erklärt, daß sie uns dann nach Karlsruhe schleifen würden. Da wir das nicht riskieren konnten und nicht riskieren wollten, ist es zu dieser, wie ich zugebe, zweitbesten Lösung gekommen. Aber daß wir auf diesem Gebiet etwas tun wollten und etwas tun mußten, darüber gab es doch keine Meinungsverschiedenheiten. Daß uns hier, und zwar nicht durch unsere Absichten und unsere Auffassungen, die Hände gebunden waren, das wissen Sie doch mindestens so gut wie ich. Ich meine deswegen, Sie sollten es sich nicht zu leicht machen.
Sie sollten es sich nicht leichter machen, als es ist. Sie werden sehr bald spüren, daß die Dinge so einfach nicht sind. Sehen Sie, Sie haben immer wieder sehr nachdrücklich die Wichtigkeit, die Rolle und die Verantwortung der Opposition betont. Herr Kollege Erler hat das bei der Regierungserklärung, bei der Behandlung des Haushaltssicherungsgeset-



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zes noch in unüberbietbarer Klarheit hier ausgeführt, als er sagte:
Wir werden uns in unserer Arbeit leiten lassen von dem, was wir für unser ganzes deutsches Volk für notwendig halten — also auch zum Wohle derer, die uns ihre Stimme noch nicht gegeben haben . . .
Aber in der gleichen Rede kam an anderer Stelle dann auch das andere wieder hoch, nämlich, daß die Regierung und ihre Mehrheit die Verantwortung trügen und daß die Opposition ja nicht imstande gewesen sei, uns bei der Durchführung unserer Finanzvorlagen zu hindern. Und dann kam die Frage aus der Koalition: „Haben Sie es denn versucht?" Da herrschte natürlich Schweigen, denn die Antwort hätte lauten müssen: Nein, wir haben damals noch Erhöhungsanträge gestellt.

(Abg. Hermsdorf; Das ist einfach eine Gemeinheit, was Sie sagen!)

— Das ist keine Gemeinheit, sondern es entspricht der geschichtlichen Wahrheit, Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502517600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0502517700
Bitte!

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502517800
Herr Kollege Windelen, sind Sie bereit, zuzugestehen, daß zu der Erhöhung, um die es hier geht, 41 Vorlagen der Regierungskoalition und nur zwei der Opposition beigetragen haben?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0502517900
Ich bin mit dieser Feststellung einverstanden, soweit es die Aufzählung anlangt, aber nicht, soweit es das Finanzvolumen betrifft, Herr Kollege, und genau darum geht es.
Ich darf fortfahren und sagen: Was Herbert Wehner in der gleichen Debatte zum gleichen Thema ausgeführt hat, Herr Kollege — —

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502518000
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0502518100
Sehr gern, natürlich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0502518200
Herr Kollege Windelen, erinnern Sie sich, daß auf einem Spezialgebiet, auf dem Sie auch sehr bewandert sind, nämlich im zivilen Bevölkerungsschutz, wo wir darauf hingewiesen haben, daß allein durch das Schutzbaugesetz Mehrausgaben gegenüber der Regierungsvorlage von mehreren Milliarden DM entstehen würden, diese Ausgaben durch den Einsatz der Opposition angemessen verringert worden sind?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0502518300
Ich würde sagen: unter dem Druck des Haushaltsausschusses.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut.)

Ich würde hinzufügen: nachdem zunächst in anderen Gesetzen des gleichen Pakets ganz erhebliche Erhöhungen durch Ihren Vorschlag durchgeführt worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502518400
Eine zweite Zwischenfrage.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0502518500
Herr Kollege, sind Ihnen die Regierungsvorlagen über den verstärkten Schutz überhaupt nicht bekannt und ist Ihnen klar, daß im Ausschuß entsprechende Verringerungen der Ansätze mit Hilfe des Kollegen Dorn und uns vorgenommen worden sind und daß wir die CDU haben überzeugen müssen?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0502518600
Das ist mir durchaus bekannt. Ich darf hinzufügen, daß das genau den Vorstellungen entsprach, die wir im Haushaltsausschuß entwickelt und auch unseren Kollegen im Innenausschuß mitgeteilt hatten.
Lassen Sie mich fortfahren und zu den Ausführungen zurückkommen, die Herr Kollege Wehner in der gleichen Debatte zum gleichen Thema hier gemacht hat. Er sagte:
... wir sind die von 13 Millionen Deutschen gewählten Volksvertreter und sind verantwortlich — wie auch Sie — dem ganzen Volk gegenüber, dem Grundgesetz gegenüber.
Ich fragte dann Herrn Wehner von meinem Platz D aus, ob das auch finanzpolitisch gelte. Da sagte er: „Sicher, sicher, darüber wäre sehr ernst ..." Er sprach im Konditional, und er brach dann an dieser Stelle ab. Dann kam die Sache — erinnern Sie sich? — mit dem Tisch, der auch Ihr Tisch ist. Und dann kam die Sache mit den Krümeln, die auf diesem Tisch seien.

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

Und wegen dieser Krümel fühlt man sich dann auf einmal nicht mehr verantwortlich für dieses Volk und für das Grundgesetz, nach dem man angetreten ist.

(Zuruf des Abg. Hermsdorf.)

— Nun, Herr Kollege Hermsdorf, so ist es doch, und das muß einmal festgehalten werden, daß hier nämlich auf zwei Ebenen debattiert wird.

(Abg. Hermsdorf: So ist es nicht!)

— Ich glaube, Herr Kollege, das können wir Ihnen nicht ersparen. Das war also die Abteilung „Verantwortung für das Ganze".
In der anderen Abteilung kommen dann immer wieder die Wünsche und Forderungen, die sich eben nicht ohne weiteres einordnen lassen in dieses Ganze. Dann kommt eben dieser ganze Katalog von Wünschen, von Forderungen oder von Hinweisen auf Unzulänglichkeiten, die das Regierungsprogramm enthalte, und dann wird aufgezählt — ich habe mir das einmal zusammengestellt, und zwar nur aus der Debatte zur Regierungserklärung —, was noch fehle bei Wissenschaft, bei Forschung, beim Städtebau, bei Raumordnung, im Nahverkehr,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 25. Sitzung, Bonn, Donnerstag, den 3. März 1966 1179
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in der Strukturpolitik, in der Gesundheitsvorsorge, in der Arbeitsmedizin, in der Bildung, in der Ausbildung, in der Sportförderung, in der Jugendpolitik, in der Zonenrandhilfe, im Verkehr, in der sozialen Sicherheit, im Lastenausgleich, in der Flüchtlingshilfe — Herr Präsident Schoettle hat das heute noch einmal sehr nachdrücklich betont —, bei den Kriegsopfern, bei der Eingliederung des vertriebenen Landvolks, bei der Pflege des kulturellen Heimaterbes für die Vertriebenen usw. Ich bekenne, daß dabei viele Dinge sind, die auch wir sehr gern realisieren möchten,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

über die wir uns sehr ernst unterhalten können, die man aber nicht einfach zusätzlich auf das ganze aufpfropfen kann.
Wir müssen auch einmal hören, was nur gelten soll, die Finanz- oder Haushaltsanarchie der Bundesregierung nach Möller oder weitere Milliarden-Ausgaben nach Erler.

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

Beides gleichzeitig geht halt nicht, und wir werden uns entscheiden müssen

(Beifall bei der CDU/CSU)

zwischen dem, was wünschenswert, und dem, was jetzt und heute realisierbar ist. Auch über das Morgen werden wir uns zu unterhalten haben, und wenn es darum geht, hier anzumelden, was morgen und übermorgen notwendig ist, dann werden wir uns auch verständigen können. Aber man sollte nicht wieder einmal den Eindruck erwecken — und das geschieht damit —, es sei auf das Versagen der Regierung und der Koalition zurückzuführen, daß das alles nicht schon morgen beginnt.
Sie haben heute — und das war eine gute Sache — gewisse Vorstellungen über Ihre Rangordnung entwickelt. Das war noch etwas vage, aber dafür habe ich Verständnis; wir sind in der ersten Lesung. Wir hoffen, daß das also in der zweiten Lesung etwas konkreter werden wird. Wir werden Sie daran erinnern. Wir werden uns freuen, wenn wir dann also auf diesem Wege einen Schritt weiter sind. Aber ich muß Sie hier noch einmal daran erinnern, daß Sie uns bei der Schaffung der Voraussetzungen wenigstens für diesen Haushalt, der für uns alle nicht recht befriedigend ist, nämlich bei der Verabschiedung des Haushaltsicherungsgesetzes, im Stich gelassen haben. Dieses Haushaltsicherungsgesetz war doch die Voraussetzung dafür, daß wir nun wenigstens diesen so unzureichenden Haushaltsplan vorgelegt bekommen haben. Und jetzt stellen Sie anschließend gleich wieder neue Forderungen oder, sagen wir, melden anschließend gleich wieder neue Wünsche an. Dieser Haushalt gibt also die Vorstellung der Bundesregierung zu der Rangordnung der Aufgaben im Rahmen der Möglichkeiten in diesem Jahre wieder. Er ist nun einmal jährlich, und solange das Grundgesetz eine längerfristige Haushaltsplanung nicht zuläßt, können wir uns eben nur über diesen Haushalt und über diesen Haushaltsentwurf der Bundesregierung unterhalten.
Ich stehe gar nicht an zu sagen, daß vieles für uns da nicht befriedigend ist, daß wir uns auch manches etwas anders vorgestellt haben und daß es wahrscheinlich bei uns in der Fraktion gleichermaßen heiter zugeht, wenn es über Positionen abzustimmen gilt, wie bei Ihnen. Aber wir stehen in der Verantwortung, und Sie haben uns ja sehr hart an unsere Verantwortung erinnert. Auch für uns sind eine Reihe von Wünschen übriggeblieben. Ich bekenne ganz offen, vieles davon deckt sich mit dem Wunschzettel von Herrn Kollegen Schoettle oder von Herrn Kollegen Erler. Wir -sehen aber eben vielleicht ein wenig deutlicher, daß das nicht alles gleichzeitig, daß das nicht alles auf einmal geht. Auch für uns ist jedoch der Entwurf der Regierung kein Tabu. Auch wir werden — das hat Herr Kollege Leicht in seiner Eingangsrede gesagt — nach Kräften alles durchforsten. Wir werden uns nach Kräften bemühen, einige Akzente anders zu setzen, und nach der Diskussion heute kann man schon sagen, daß wir uns in einigen Fragen durchaus begegnen werden. Ich glaube, das kann man begrüßen. Ich will hier keine Aufzählung bringen. Aber daß ,dabei die Wissenschaftsförderung an der ersten Stelle stehen wird, das ist hier schon von Herrn Kollegen Strauß sehr deutlich gesagt worden. Aber ich sage noch einmal, das geht halt nur durch Streichung an anderer Stelle. Die Wissenschaft ist vielleicht nicht der einzige Punkt, wo wir auch etwas zulegen werden. Aber wir möchten das, was darüber hinaus noch disponibel wird, dafür verwenden, um die Grenze des Haushalts noch ein wenig herabzudrücken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben keine Illusionen. Wir glauben nicht, daß das Milliardenbeträge sein könnten. Aber wir wären sehr stolz, wenn wir einige drängende Sachen etwas besser dotieren könnten und dann noch eine Mark unter die Grenze von 69 Milliarden kämen. Wir sind Realisten, aber das möchten wir doch versuchen. Wir teilen die Bedenken jener, die uns empfehlen, die Grenze des Bundeshaushalts nach Möglichkeit noch etwas tiefer zu setzen, wenn wir auch leider aus einer intimeren Kenntnis der Dinge den Optimismus dieser Leute nicht ganz teilen können.
Auch wir würden natürlich sehr viel lieber Wohltaten ausstreuen. Aber wir können es nicht um den Preis der Stabilität und um den Preis der Sicherheit unserer Ordnung. Dieser Haushalt mag in manchen Einzelpositionen unzulänglich und unbefriedigend sein. Welcher Haushalt wäre das schließlich nicht? Aber er ist doch mindestens der Versuch, eine Rangordnung für die Aufgaben dieses Jahres aufzustellen, ohne uns für die Rangordnung kommender Jahre zu präjudizieren. Er läßt sich sicherlich verbessern. Aber wo ist denn jetzt Ihre klare Alternative? Statt dessen bekamen wir einen ganzen Katalog von zusätzlichen, ich gebe zu, durchaus populären Forderungen, darunter auch diese eine von Herrn Erler, für die Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolkes und für die Pflege des kulturellen Heimaterbes der Vertriebenen mehr zu tun. Keiner täte das lieber als zum Beispiel ich.



Windelen
Aber während gleichzeitig in diesem Hause eine Erhöhung dieser Positionen gefordert wird, beantragt die gleiche SPD in Düsseldorf die Streichung dieser gleichen Positionen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Während Herr Erler also hier fordert, mehr für die Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolkes zu tun, während Herr Rehs über Land zieht und die Bundesregierung beschuldigt, daß sie zu wenig tue, beantragt die SPD in Düsseldorf die Streichung dieser Positionen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502518700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hermsdorf?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0502518800
Bitte sehr!

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502518900
Herr Kollege Windelen, halten Sie die Methode, Landtagsäußerungen und Bundestagsäußerungen dauernd gegeneinander aufzurechnen, für richtig? Würden Sie uns, wenn Sie das für richtig halten, die Freiheit geben, auch mal Landtagsäußerungen von Ihnen zu zitieren? Oder wäre es nicht vielleicht richtiger, wir unterhielten uns hier nur über das, was im Bundestag gesagt wird?

Heinrich Windelen (CDU):
Rede ID: ID0502519000
Herr Kollege Hermsdorf, Sie haben sich diese Freiheit immer dann genommen, wenn Sie sie für zweckmäßig und notwendig hielten,

(Beifall in der Mitte)

und Sie haben sich immer dann beklagt, wenn wir unsererseits von dieser Freiheit Gebrauch gemacht haben. Ich würde Ihnen sogar zustimmen. Ich habe den Fall nur wegen des engen haushaltsmäßigen Zusammenhangs der beiden Positionen erwähnt. Wenn das Land Nordrhein-Westfalen dem Antrag der SPD folgend diese Position gestrichen hätte, dann hätten wir — und das hätte uns eigentlich recht sein können— in unserem Haushalt die korrespondierende Position von etwa 30 Millionen DM gleichfalls streichen müssen, weil das eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Aber es geht hier nicht um eine Verquickung von Landes- und Bundespolitik, sondern hier ist der Bundeshaushalt ganz unmittelbar und direkt angesprochen.
Wir haben noch einmal gefragt, weil Herr Kollege Möller das Thema angeschnitten hat, warum Sie damals die Zustimmung zum Haushaltssicherungsgesetz verweigert haben, wenn Sie doch an der Grenze von 69,15 Milliarden DM — dafür war das Haushaltssicherungsgesetz die Voraussetzung — festhalten wollen. Herr Kollege Professor Schiller hatte uns damals eine Auskunft gegeben; die lautete so:
Wir können das gar nicht beurteilen, hier 2,9 Millarden DM von einem imaginären Budget abzuziehen, dessen Größenordnung zwar im Moment durch eine Zahl
— 69,15 Milliarden DM —
angegeben wird, dessen Relation zu den darauffolgenden Haushalten jedoch völlig im ungewissen ist. Da sagen wir: Bitte, tretet mal an mit der vierjährigen mittelfristigen Finanzplanung, dann wollen wir weitersehen.
Nun, Sie haben jetzt den Haushalt vorliegen, und jetzt kennen Sie die Zahlen der finanziellen Vorausschau für die nächsten vier Jahre. Was würden Sie nun sagen? War dieses Gesetz notwendig? Würden Sie wenigstens im nachhinein sagen, daß es notwendig und richtig war? Oder würden Sie auch jetzt noch sagen: nein, so kann man das nicht machen?
An anderer Stelle sagte Kollege Professor Schiller zum gleichen Thema:
Wenn Sie
— die Koalition oder die Regierung —
im Sommer für 1965 eine Kürzung von 3 oder 5 Milliarden DM eingereicht hätten, dann hätten Sie richtig gelegen.
Auf die Zwischenfrage, was die SPD dann wohl gesagt hätte, kam Ihre Antwort: „Die hätten Sie ja niederstimmen können." Daraufhin kam aus den Reihen der Koalition die Feststellung: „Herr Schiller, das werden wir uns gut merken."
Aber es gibt noch eine andere Version zum gleichen Gegenstand der Verhandlung, warum Sie damals die Zustimmung zum Haushaltssicherungsgestz nicht gegeben haben. Ihr stellvertretender Vorsitzender Herbert Wehner hat kürzlich dem „Spiegel" ein Interview gegeben. „Der Spiegel" fragte einiges und äußerte u. a. den Verdacht, die SPD wolle die Fragen, zu deren Lösung ihre Zustimmung nötig sei, benutzen, um in die Regierung zu kommen, ohne selber eigene Lösungen parat zu haben. Die Antwort von Wehner: Das sei nicht ganz zutreffend — man beachte die Feinheiten: „nicht ganz zutreffend" —, immerhin habe man seine Parteitagsbeschlüsse, und das sei schließlich auch schon etwas. Wehner sagte dann weiter:
Aber in einem Punkte möchte ich Ihnen recht geben: beim Haushaltssicherungsgesetz hat es bei uns unterschiedliche Meinungen gegeben.
Nun, was gilt also jetzt: Herr Möller oder Herr Professor Schiller oder Herr Wehner? Was gilt: Bundestagsprotokolle oder „Spiegel"? Was gilt jetzt: Verantwortung fürs Ganze oder ein bißchen Parteitaktik? Beides gleichzeitig kann nicht gut richtig sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Seit einiger Zeit haben die Demoskopen die Volkstümlichkeit des Sparens entdeckt, und seitdem sind nun alle fürs Sparen. Auch die Opposition ist jetzt für das Sparen, und so hat schon ihr Vorsitzender Willy Brandt in der Wahlillustrierten die Wahlwirksamkeit und Werbewirksamkeit des Sparens entdeckt. Er schreibt da:
Sparsamkeit ist zweifellos eine deutsche Tugend, aber wir werden dafür sorgen, daß nicht mehr am falschen Ende gespart wird.



Windelen
Und er schließt:
Es mag geschehen, was will: ich lasse mich durch nichts beirren — diese Politik werde ich durchsetzen.
Nun, unsere Frage: Wo ist denn das richtige Ende? Wo ist also die klare Rangordnung? Nicht nur vage Andeutungen, sondern die klare Alternative! Oder gibt es auch hier wieder — wie beim Haushaltssicherungsgesetz — unterschiedliche Meinungen bei Ihnen?
Wir haben Verständnis für Ihre Schwierigkeiten. Wir erwarten kein Verständnis für die unseren. Wir werden uns eben zu Beschlüssen durchringen müssen. Das wird bei Ihnen so schwierig sein wie bei uns,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

wobei halt der Unterschied ist, daß wir die letzte Verantwortung zu tragen haben

(Oh-Rufe bei der SPD) und uns ihr auch nicht entziehen werden.


(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Die SPD hat in der Vergangenheit praktisch allen ausgabewirksamen Gesetzen zugestimmt; sie hat — auch das sei hier noch einmal festgestellt —, teilweise erhebliche Erhöhungsanträge gestellt, die wir aus unserer Verantwortung für die finanzielle Ordnung ablehnen mußten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir sind deswegen im Land teilweise arg geprügelt worden. Aber das hat uns ein wenig härter gemacht.
Ich habe aber die Frage zu stellen: Woran lag es denn, daß Sie damals zustimmten und noch Erhöhungsanträge stellten? Haben Sie damals die Konsequenzen nicht ganz übersehen? Warum machen Sie uns dann heute Vorwürfe? Oder haben Sie sie erkannt, vielleicht sogar beabsichtigt? Wo bleibt aber dann die Verantwortung dem ganzen Volk und dem Grundgesetz gegenüber?

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Aber schließlich ist es in dieser Stunde müßig, Schuldige zu suchen. Jetzt gilt es vielmehr zu handeln. Wir werden uns unserer Verantwortung nicht entziehen. Wir hätten Sie lieber — auch damals beim Haushaltssicherungsgesetz schon — überzeugt und gewonnen. Wenn das nicht möglich ist, werden wir Sie entsprechend Ihrer Aufforderung, Herr Professor Schiller, eben „niederstimmen" müssen, so schmerzlich das für uns vielleicht sein mag. Wir möchten uns nicht wieder nachher Ihre Vorwürfe zuziehen, wir hätten das ja wissen müssen, und es sei schließlich Aufgabe der Regierung und der Mehrheit zu handeln. Ich füge hinzu: wahrscheinlich dann eben Aufgabe der Opposition, nachträglich zu kritisieren.
Wir würden Sie nicht gern „niederstimmen"; wir würden es sehr viel lieber sehen, wenn wir uns auf einer mittleren Linie finden könnten oder, wie Herr Präsident Schoettle vorschlug, der besseren Einsicht zum Durchbruch verhelfen könnten. Aber
Sie haben uns so hart und so nachdrücklich an die Verantwortung, die wir als Mehrheit tragen, erinnert; wir werden uns dieser Verantwortung nicht entziehen, so schwer sie auch sein mag.

(Lebhafter Beifall bei den RegierungsParteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502519100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0502519200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Diskussion des heutigen Tages aufmerksam verfolgt hat, wird gespürt haben, unter welch bedrückenden Aspekten in manchen Diskussionsbeiträgen manche Probleme in diesem Hause diskutiert wurden. Ich glaube, die heutige Zitierung von Äußerungen aus der Vergangenheit, ob aus diesem Hause oder aus anderen, aus Landesparlamenten, befreit uns nicht von der Aufgabe, uns jetzt in den nächsten Monaten in erster Linie um die Probleme zu kümmern, die in der Zukunft liegen. Es kommt darauf an — und diese Frage wird eines Tages die nach uns kommende Generation an uns stellen —, ob wir mit den Problemen der sich wandelnden Welt politisch in diesem Hause fertiggeworden sind oder nicht.
Bei einer solchen Art der Diskussion wird es notwendig sein, daß wir uns auch mit unserem Hause und der Tätigkeit der Abgeordneten in diesem Hause selbst befassen. Ich möchte an dieser Stelle gleich sagen, daß ich ursprünglich vorhatte, heute über bestimmte Probleme zu sprechen, die mit dem Neubau des Bundestagshauses und dem Bau eines neuen Regierungsviertels zusammenhängen. Aber zwei Umstände, die sich ergeben haben, einer heute morgen in diesem Hause und einer, der durch die Abwesenheit des Präsidenten dieses Hauses, Herrn Dr. Gerstenmaier, bedingt ist, veranlassen mich, in der ersten Lesung auf diese Rede und auf die Darlegung der Argumente, die ich vorzutragen habe, zu verzichten und erst in der zweiten Lesung auf die damit zusammenhängende Problematik einzugehen.
In der Fragestunde heute morgen hat der Bundesfinanzminister auf die Fragen der Kollegen Ruf und Dr. Mommer im Auftrage der Bundesregierung erklärt, er sei nicht bereit, bevor dieses Hohe Haus den Etat in dritter Lesung verabschiedet habe, dem Haushaltsausschuß eine Vorlage über Vorwegbewilligung der angeforderten -zig Millionen zu machen. Damit ist die Gefahr, die sich gestern noch abzeichnete, die auch in der Frage des Kollegen Dr. Mommer sichtbar wurde, beseitigt. Denn jetzt ist keine Gelegenheit mehr, entsprechend dem Wunsche des Kollegen Mommer und anderer in diesem Hause durch Vorwegbewilligung der Mittel für den Neubau des Deutschen Bundestages vor Beendigung der Etatberatung diese Gelder so einzuplanen, wie sich das bestimmte Mitglieder dieses Hauses vorgestellt haben.

(Abg. Dr. Mommer meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Herr Kollege Mommer, ich bin in zwei Minuten
fertig, Sie können dann gleich darauf eingehen. —



Dorn
Es ist also die Möglichkeit gegeben, in der zweiten Lesung des Haushaltsplans in aller Ausführlichkeit das Für und Wider der Notwendigkeit des Abgeordneten-Bürohauses oder anderer Möglichkeiten, wie ich sie aufzeigen werde, zu erörtern.
Da außerdem Herr Präsident Dr. Gerstenmaier, der ja der stärkste Befürworter der Baupläne ist, heute nicht hier ist, bin ich auch aus Gründen der Fairneß bereit, diese Diskussion dann mit Ihnen gemeinsam in der zweiten Lesung zu führen. Ich darf Ihnen im Namen meiner Fraktion schon jetzt ankündigen, daß ich in der zweiten Lesung eine Fülle von sachlichen und politischen Argumenten vortragen werde, die nach. unserer Auffassung eindeutig beweisen, daß dieser Mammutbau und die geplante Ausgabe von einigen hundert Millionen für die Folgebauten völlig überflüssig sind.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der CDU/CSU: Das war schön zum Fenster heraus geredet!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502519300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0502519400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Freund Windelen hat lobend erwähnt, daß sich die Debatte auf den Haushalt beschränkt hat und daß keine Ausweitungen vorgekommen sind. Ich gerate nun in die Gefahr, bei meinen Ausführungen zu einer Ausweitung zu kommen, und bitte dafür im voraus um Verständnis.
Meine Damen und Herren, in unserem Volke herrscht eine große Unruhe über die augenblickliche schleichende Geldentwertung. Es ist keine Inflation — wir Älteren haben ja zwei Inflationen hinter uns —, aber es ist doch ein Kaufkraftschwund. Wenn man an den Sparwillen unseres Volkes denkt, das 104 Milliarden DM gespart hat, so muß man sagen: Gerade dieser Sparwille des Volkes ist neben dem Fleiße eine der Hauptursachen für unser Wirtschaftswunder. Ich habe einmal in einer Zeitung gelesen — ich kann es Ihnen nicht beweisen —, daß 80% der Sparer ein Einkommen von weniger als 900 DM haben. Daraus können Sie ersehen, daß es eine große Schicht unseres Volkes ist, die mit Sorge dieser Entwicklung entgegensieht und die sich Gedanken macht: Was machen die in Bonn denn nun bei ihrer Haushaltsberatung? Wird von dort aus nun ein ruhender Pol in dieser turbulenten Welt entstehen?
In diesem Zusammenhang muß man feststellen, daß dieser Haushalt, obwohl wir im Kampf gegen die Opposition das Haushaltssicherungsgesetz verabschiedet haben, eine Ausweitung erfahren hat, und zwar keine geringe. Wenn man das Soll von 1965 zugrunde legt, sind es 5,2 Milliarden DM, die mehr angesetzt sind. Stellt man das Ist in Anrechnung, sind es immerhin 1,8 Milliarden DM und immer noch 5% Steigerung. Bei dem Soll-Vergleich würde eine Steigerung von 8 % herauskommen.
Bei dieser Ausweitung denke ich an unsere Konjunkturdebatte der vorvorigen Woche. Ich habe aufmerksam zugehört. Ich bin kein Volkswirtschaftler,
aber ich bin 43 Jahre Betriebsleiter in einem Betrieb, und zwar in einem bäuerlichen Betrieb, wo wir mit der ganzen Volkswirtschaft sehr konfrontiert werden. Ich habe aufmerksam zugehört und habe gesehen, wie die magische Zahl des Produktivitätszuwachses hier im Raum stand. Das Sachverständigengutachten hatte gesagt: 4 % Produktivitätszuwachs, und was darüber ist, ist eine Preissteigerungsrate. Ich muß Ihnen sagen: Das Volk und wir wollen keine weiteren Preissteigerungen. Deshalb kann ich gar nicht verstehen, daß wir uns bei all den Beschlüssen noch nicht an diese 4% gehalten haben. Legten .wir sie bei unserem Haushalt zugrunde, dann kämen wir zu Einsparungen und müßten auf einen Betrag von 68,2 Milliarden DM kommen. Was an mir liegt, so werde ich dazu beitragen, daß wir zu einer Reduzierung des Haushalts kommen.
Aber nun noch einmal zur Konjunkturdebatte! Herr Leber hat mittlerweile das Sachverständigengutachten in die richtige Relation gebracht. Er hat gesagt: Es ist ein Leuchtfeuer, nach dem er seinen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Auch dieser Tarifvertrag hat sich nicht an den Produktivitätszuwachs gehalten, genauso wie der Tarifvertrag der IG Metall. Es ist weiter grünes Licht gegeben für Lohnerhöhungen über den Produktivitätszuwachs hinaus. Wer zu Hause in irgendwelchen Organisationen tätig ist, der wird feststellen, daß Lohn- und Tarifkündigungen jetzt überall stattfinden. Damit will ich nicht sagen, daß diese Tarifkündigungen nicht stattfinden dürfen; denn es ist sehr viel Nachholbedarf da. Aber ich habe zu kritisieren, daß die Sparten der deutschen Wirtschaft, die in guter Konjunktur stehen und die es sich erlauben konnten, als Spitzenreiter vorangehen. Es ist ja wohl nicht zu bestreiten, daß diese Löhne auch in die Preise eingegangen sind und daß dann die Beamten und Angestellten und meine Berufskollegen, die Landarbeiter, im Schatten des Wirtschaftswunders stehen.
Nun wird hier immer wieder der Regierung die Schuld an den Preissteigerungen gegeben. Ich habe zufällig am Radio gehört, daß der SPD-Vorstand in Berlin festgestellt hat: Schuld an den Preissteigerungen ist die Bundesregierung. Aber ganz so einfach ist es doch nun nicht. Ich sage: Schuld an den Preissteigerungen sind die Tarifpartner.
Mit Genehmigung der Frau Präsidentin darf ich vorlesen, was Herr Menne hier in der vorigen Woche gesagt hat:
Ich bin glücklich darüber, wie die Löhne seit 1949 bis heute gestiegen sind, und ich hoffe, daß sie weiter steigen können.
Das ist kein guter Satz. Ich muß sagen, in seiner Sparte, in der Chemie, wird leider Gottes jeder Lohn abgesprochen. In dieser Sparte spielt der Lohn ja keine Rolle, — 10 % Lohnanteil an ihren Erzeugnissen. Das finde ich gerade so unerhört, daß man hier ohne Solidarität mit Hemdsärmelgewalt durchs Ziel geht.
Ich darf jetzt auch die andere Seite der Tarifpartner nicht schonen. Denn Herr Brenner hat uns heute mit einem Extrablatt bedacht. Ich habe es



Brese
hier zur Hand, und ich darf einen Satz daraus vorlesen. Er hat mich allerdings schockiert. Ich bin in meinem Leben immer Demokrat gewesen, aber wenn er sagt „Erfolg dank eigener Stärke", dann muß ich sagen: das sind Töne, die mir nicht gefallen, die haben wir schon einmal gehabt und die haben uns schon einmal in eine Katastrophe hineingebracht.
Wenn hier gesagt wird: „Schließlich ist es kein Pappenstiel, wenn wir die Arbeitgeber dazu zwingen konnten, uns genau die Forderungen zu bewilligen, die sie vor einem Monat noch scharf ablehnten", dann muß ich Ihnen sagen: das ist ein Übermut, für den ich kein Verständnis habe. Die IG-Metall gehört bisher noch zu den Spitzenreitern in der Konjunktur, und man will zu der 40-StundenWoche kommen. Ich spreche hier als Vertreter des Bauernstandes, aber auch als ein Vertreter des Mittelstandes, denn ich bin der Sohn eines Schmiedemeisters und kenne mich in den Verhältnissen im Mittelstand aus. Ich weiß, daß dieser Mittelstand in großer Sorge ist, wie er seine Betriebe weiterführen soll, wenn Großindustrie und Gewerkschaften zusammen in den Bezirken, wo sie es machen können, mit Ellbogenfreiheit durchs Ziel gehen.
Deshalb möchte ich einmal auf diese Verhältnisse eingehen und Ihnen sagen, daß wir hier alles tun sollten, um dem Volke draußen zu zeigen, daß wir bereit sind, maßzuhalten, und daß wir bereit sind, auch eine sparsame Wirtschaft zu betreiben und nicht so viel Staat zu machen, wie das in letzter Zeit üblich gewesen ist. Denn eines steht fest, im Volke ist schon sehr weit eine Staatsverdrossenheit festzustellen. Die sagen — ich sagte schon das Wort — „Was die da oben in Bonn wohl machen!" Wir stehen in der Sicht dieses Volkes, das seine Erfahrungen in der Vergangenheit gehabt hat.
Nun komme ich zum Haushalt. Sie werden mich fragen: Was haben Sie denn da für Vorschläge zu machen? Sehen Sie, ich wüßte einen Einnahmeposten, der keinem Menschen wehtun könnte, sondern der vielleicht — —

(Zurufe von der SPD.) — Ja, jetzt müssen Sie zuhören.


(Zurufe: Mikrophon!)

Ich sage es Ihnen allen. Wir sind ja souverän, und wir können als Abgeordnete — das nimmt uns keiner ab — entscheiden. Es muß die Mehrheit sein. Sie sind mir ja schon einmal gefolgt, bei dem Gesetzesparagraphen über die vierte frei werdende Stelle — wenn ich es einmal so sagen soll, es kommt mir gerade so in den Sinn —, da habe ich auch einmal eine Mehrheit bekommen für die Lex Brese. Hierfür eine Mehrheit zu bekommen, ist viel, viel leichter. Denn wenn man sich das Reklameunwesen in unserer Nation ansieht, dann muß man sagen, der Höchststand ist überschritten. Ich weiß nicht genau, wieviel Milliarden für Reklame ausgegeben werden. Aber ich kann mir denken, wenn man 25 % der Aufwendungen für Reklame nicht abzugsfähig macht, dann hätten wir sicher 1 Milliarde DM zur Hand. Das wäre eine Einnahme, die
keinem wehtäte, es sei denn den Illustrierten; das wäre aber ganz gut, damit die nicht zu übermütig werden.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502519500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0502519600
Herr Kollege Brese, darf ich Ihren Kürzungsvorschlag auch auf Wahlanzeigen des Bundeskanzlers beziehen?

(Heiterkeit.)


Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0502519700
Ach, wissen Sie, da kommen Sie auf diese alten Kamellen. Dann müßten ja auch Ihre Anzeigen hiervon betroffen werden.

(Heiterkeit und Beifall.)

Ich meine die Betriebe, die die Reklameausgaben von ihrem Betriebsgewinn absetzen können.

(Abg. Wehner: Die das also nicht aus anderer Leute Tasche zahlen wie in diesem Fall!)

— Nein, das geht nicht aus anderer Leute Tasche, sondern das ist eine wahre Einsparung.
Nun kann ich nicht umhin, auch auf unsere Bürokratie zu sprechen zu kommen. Es ist ein Lieblingsthema von mir. Auch da sollten wir nun endlich Schluß mit der weiteren Ausdehnung machen. Die Entwicklung, die wir bisher gehabt haben, sollte uns genügen. Wir hatten im Jahre 1950 — ich war schon damals im Haushaltsausschuß — einen Haushalt von 16 Milliarden DM, und wir haben auch damals große Aufgaben erfüllt. Damals hatten wir eine Arbeitslosigkeit ohnegleichen. Wir mußten für die Menschen sorgen, die aus ihrer Arbeitslosenversicherung ausgesteuert waren, und haben dafür 1 Milliarde DM aufgewandt. Es ist vielleicht gut, auch das einmal zu sagen. Auch in diesem Haushalt hatten wir also allerlei Not ausgleichen können. Damals hatten wir in unseren Ministerien 4716 Bedienstete. Heute sind wir mittlerweile auf 10 746 ohne Verteidigungsministerium gekommen. Ich bin der Meinung, daß da doch einmal eine Durchfors Lung vorgenommen werden sollte. Denn es gibt uralte Abteilungen oder Referate — ich kann jetzt nicht im einzelnen darauf eingehen —, die im Windschatten leben und wirklich eine ruhige Kugel schieben.

(Heiterkeit.)

Ich weiß, daß es das Gros unserer Beamten nicht leicht hat. Das sehe ich ja immer wieder bei unseren Beratungen im Haushaltsausschuß. Es sind dieselben Kräfte, mit denen wir konfrontiert werden. Daß diese Männer überlastet sind, möchte ich hier einmal feststellen.
Es ist auch so, im Laufe der 18 Jahre, die ich im Haushaltsausschuß bin, haben wir sehr viele neue Referate für neue Aufgaben eingerichtet. Aber noch nicht ein einziges Mal ist ein Referat aufgehoben worden, weil seine Aufgabe ausgelaufen ist.

(Allseitiger Beifall.)

Ich glaube also, daß eine Durchforstung sehr am Platze wäre, ohne daß ich damit die Arbeit unserer Beamten herabwürdigen wollte. Wir haben hier da-



Brese
mals den Ausschuß für die Vereinfachung der Verwaltung gehabt. Es ist leider Gottes nichts dabei herausgekommen.
Da ich nun einmal das Wort habe, möchte ich noch dieses sagen. Ich höre, daß auch bei unseren Diäten einige Änderungen vorgenommen werden sollen. Es ist ganz klar, das muß geschehen. Sie sollen dazu auch meine Meinung hören. Ich stehe auf dem Standpunkt, die Dinge wären sehr einfach zu lösen, indem wir die Diäten erhöhen, sie aber einkommensteuerpflichtig machen.

(Zustimmung in der Mitte.)

Das wäre etwas, dann könnten Sie einen Mann, der sonst nichts hat, besserstellen. Ich glaube, man sollte dieser Sache wirklich auf den Grund gehen.
Mit der Pension ist es genauso. Ich denke immer sehr einfach und unkompliziert: Wir garantieren jedem eine Altersversorgung von 900 DM im Monat, und wer sie schon hat, kriegt nichts; das ist selbstverständlich. Dann wäre die ganze Pensionsfrage ohne weiteres gelöst. Seien wir doch einmal ein bißchen solidarisch und versuchen wir einmal, die Dinge auf dieser Ebene zu ordnen! Sie glauben ja nicht, wie sehr wir im Blick unseres Volkes stehen. Wenn wir hier die Sparsamkeit propagieren, so braucht es sich dabei gar nicht um große Sachen zu handeln. Aber man muß draußen den guten Willen sehen, und wenn wir bei vielen verschiedenen Dingen den Anfang machten, würde das Volk auch Verständnis für unsere Maßnahmen haben.
Nun ein Wort zur Rentenversicherung. Für die dynamische Rente müssen wir in diesem Jahr 500 Millionen DM mehr aufwenden. Wir müssen statt 8 Milliarden DM jetzt 8,5 Milliarden DM aufbringen. Ich gönne es wirklich diesen Ärmsten der Armen; denn der kleine Mann ist ja bei der turbulenten Entwicklung, die wir zu verzeichnen haben, der Dumme.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Der kleine Angestellte, der kleine Arbeiter, der kleine Beamte — —

(Abg. Leicht: Der kleine Bauer!)

— Selbstverständlich auch der kleine Bauer.

(Heiterkeit.)

Er hat ja die ganzen Unkosten und Preissteigerungen zu tragen. Auf ihn fällt das ja zurück. Wir müssen in unseren Betrieben unrentabel arbeiten, und das liegt daran, daß wir hohe Unkosten haben, die sich dauernd steigern. Kein Mensch weiß, wohin die Reise gehen soll.

(Zuruf von der SPD: Was ist mit den großen Bauern?)

Wir haben neulich gehört, daß die Zuwachsrate 4 % betrage. Das war so eine magische Zahl, die maßgebend sein soll. Ich habe sie nicht für maßgebend gehalten; denn ich weiß, aus welchen Komponenten die Rechnung sich zusammensetzt: persönlicher Verbrauch, Investitionen, öffentliche Haushalte und Ausfuhr. Kein Mensch kann im voraus sagen, wieviel Prozent daraus erwachsen werden.
Deshalb habe ich diese Zahl nicht als magisch angesehen. Aber ich muß sagen, der Haushalt spielt eine sehr große Rolle, und daß wir in unseren öffentlichen Haushalten über unsere Verhältnisse gelebt haben, das ist doch wohl eine Binsenwahrheit. Man braucht sich nur die Entwicklungen des letzten Jahres anzusehen, nicht in den kleinen Landgemeinden, aber in den Städten,. in ,den größeren Gemeinden, in den Ländern, in den Kreisen und auch im Bund. Da wollte man alles auf einmal machen. Man ging an den Kreditmarkt und nahm ihn so stark in Anspruch, daß er einfach lahmgelegt wurde. Angesichts dieser Entwicklung muß man wirklich sagen, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Das kann ich mit einer Zahl beweisen. Die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden soll im letzten Jahr
10 Milliarden DM betragen haben. Das ist eine Zahl, die wirklich zu denken gibt. Und wer ist auch da wieder der Leidtragende, wenn der Kreditmarkt nicht mehr leistungsfähig ist? Nicht der Sparer, der wieder 17 % mehr an Sparguthaben zustande gebracht hat, sondern der Leidtragende ist der Mittelstand; das sind die Menschen, die Kredite brauchen, um weiter wirtschaften zu können. Ich kann mir nicht denken, daß die großen Konzerne bei ihren Gewinnen für diese Zeit nicht genügend Rücklagen haben. Aber der Mittelstand, der keine Rücklagen hat, der Bauernstand, der keine Rücklagen hat, ist durch die Kreditrestriktionen des Herrn Blessing am härtesten getroffen.
Man bietet jetzt Anleihen mit einem Disagio von
11 % an. Dazu muß ich Ihnen sagen: eine solche Auszahlung zu 89% haben wir früher in meiner Jugend als „Krawattenmacherei" bezeichnet.

(Heiterkeit.)

— Verstehen Sie dieses Wort? — Kein Mensch kann diese Konditionen eingehen. Wir sind bei Zinssätzen von 11% angelangt. Kreditrestriktionen sind sehr schön — aber! Ich leite eine große Genossenschaft, und mir tut es außerordentlich weh, daß wir unsere armen Schuldner belasten müssen. Durch eiserne Sparsamkeit haben wir in unserer Genossenschaft immer noch einen Zinssatz von 9 % halten können. Wenn aber die nächsten Lohn- und Gehaltserhöhungen bei uns im Genossenschaftswesen kommen, nämlich 8 %, dann müssen wir wieder ausweiten, und der Zinssatz erhöht sich: Deshalb trete ich für die Sparsamkeit ein.
Wie sollen sich die Dinge denn in den Dienstleistungsbetrieben entwickeln? Bahn und Post sind unsere Sorgenkinder. Dabei sind bei der Bahn die Tarife im Verhältnis zu früher schon gewaltig erhöht. Wenn man gewöhnlich auf den Bauern schimpft, schimpft man in diesem Jahr auf die Kartoffeln. Da will ich Ihnen mal sagen — lachen Sie nicht —, wie das sehr leicht geändert werden könnte und die ganze Spanne verschwinden könnte: wenn wir nämlich noch Eisenbahntarife hätten wie von 1931 bis 1933. Ich habe bei der Verwaltung der Deutschen Bundesbahn angerufen und habe festgestellt, daß es, wenn man damals einen Zentner Kartoffeln von der Lüneburger Heide — die sind ja besonders schmackhaft —

(Heiterkeit — Zurufe: Schleichwerbung!)




Brese
ins Ruhrgebiet schickte, 2,21 DM kostete. Wenn man aber heute einen Zentner schickt, dann kostet das 10,50 DM,

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

und die nächste Erhöhung steht bevor. Da ensteht die Spanne.
Sie schimpfen, wenn Sie von Ernährungspreisen sprechen, immer auf die Landwirtschaft, und es heißt immer gleich: Die Ernährung ist teurer geworden, der Bauer kriegt Subventionen. Die „Welt der Arbeit" schrieb sogar mal: Man müßte Bauer sein, ein herrlicher Zustand, da kriegt man das Geld so. Aber in Wirklichkeit ist es doch so, daß sich die Spanne erhöht hat. Übrigens, unser Haushalt, der Haushalt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ist 1966 in keiner Weise erhöht worden.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502519800
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0502519900
Herr Kollege Brese, wären Sie nicht bereit, sich noch einmal bei der Hauptverwaltung zu erkundigen, was tätsächlich die Fracht für einen Zentner Kartoffeln aus der Lüneburger Heide ins Ruhrgebiet kostet? Sie werden doch wohl keinem hier weismachen wollen, daß das 10 Mark und soundsoviel kostet.

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0502520000
Herr Brück, es tut mir leid, daß Sie als Beamter der Deutschen Bundesbahn das nicht wissen.

(Heiterkeit.)

Ich habe mich bei dem Sachbearbeiter für landwirtschaftliche Tarife erkundigt — so leicht gehe ich nun auch nicht hierher —, der hat mir das wiederholen müssen. Ich stelle Ihnen anheim, sich diese Auskunft ebenfalls zu holen. Er hat mir auch gesagt, das würde noch bedeutend teurer.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sicher Expreßgut! — Erster Klasse!)

— Meine Damen und Herren, ich sehe, die Stimmung ist aufgelockert. Aber das ist auch notwendig.

(Heiterkeit.)

Mich können Sie nicht aufregen, das kann ich Ihnen sagen. Dazu habe ich hier schon zu häufig im Fegefeuer gestanden.
Aber ich will zum Schluß kommen und Sie nicht unnötig strapazieren.

(Zurufe.)

— Nun ertragen Sie mich doch mal! Wir leben ja in einer formierten Gesellschaft und nicht in einer konformierten Gesellschaft,

(Heiterkeit)

und ich kämpfe dafür, daß es keine deformierte Gesellschaft wird; dazu möchte ich beitragen.
Ich will zum Schluß kommen. Herr Windelen, Sie haben zum Schluß gesagt, es sei jetzt bei der SPD allmählich populär geworden, von Sparen zu reden. Ich kenne viele Männer aus dieser Partei, die immer
schon auch schon vom Sparen gesprochen haben. Aber wir sollten jetzt wirklich einmal darangehen und dem Volke draußen zeigen, daß wir bereit sind zu sparen. Damit komme ich auf das Thema — das brauche ich nicht auszuweiten, das habe ich hier schon besprochen — Bundestagsneubau.

(Zurufe.)

Ich muß schon wirklich sagen, es ist doch das allerletzte. Dem Volk wollen Sie klarmachen, Sie wollten sparen, und hier will man ein 100-Millionen-Objekt hinstellen. Wenn Sie meine Meinung dazu hören wollen: es geht so sehr gut. Wir können alle arbeiten, wenn wir nur ernstlich arbeiten wollen.

(Beifall bei der FDP.)

Ich möchte schließen mit dem Appell, alles zu tun, daß wir unsere Währung stabil erhalten. Wer zwei Inflationen gesehen hat und erlebt hat, wie die Moral des Volkes dabei zugrunde gegangen ist, der ist gebrannt und sagt sich: Man muß alles tun, um den Menschen, die im Vertrauen auf den Staat gespart haben, ihre Sparguthaben zu erhalten. — Ich danke Ihnen, daß Sie mich angehört haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU. — Zurufe.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502520100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dichgans.

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0502520200
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Haushaltsdebatte drohte, eine interne Besprechung unter Fachleuten zu werden, aber der Kollege Brese hat erfreulicherweise wieder einen anderen Ton hineingebracht. Ich bin nicht in allen Punkten seiner Meinung, aber ich freue mich, daß die Dinge auch einmal von einem ganz anderen Aspekt aus betrachtet werden. Zu dem, was Herr Brese gesagt hat, möchte ich zweierlei anmerken.
Sie haben die gute alte Zeit beschworen, als der Zentner Kartoffeln noch 2,21 DM Fracht kostete. Ich möchte ebenfalls die gute alte Zeit beschwören, als ich vor 35 Jahren zum Assessor ernannt wurde. Ich habe vom ersten Tage meiner beruflichen Laufbahn an ein Einzelzimmer gehabt. Erst als ich 30 Jahre später in den Bundestag kam, fand ich hier Arbeitsbedingungen vor, wie ich sie noch niemals vorher gehabt hatte.

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD.)

Herr Brese, ich habe einen ganz bescheidenen Vorschlag. Wir wollen nur für uns Abgeordnete hier die Arbeitsbedingungen schaffen, wie ich sie in der sehr bescheidenen Zeit des Anfangs der 30er Jahre als Assessor gehabt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD.)

Was das Sparen angeht, Herr Brese, so bin ich völlig Ihrer Meinung. Aber ich würde sagen: dann für alle in gleichem Maße. Wenn wir hier für alle Ministerien einen gleichen Standard einführen — meinetwegen drei oder vier Ministerialräte in einem Zimmer — wollen wir uns auch als Abgeordnete fügen. Wenn wir aber dem jüngsten Regierungsrat das eigene Zimmer mit Vorzimmer konzedieren,



Dichgans
dann ist es, glaube ich, nicht zuviel verlangt, wenn wir solche Ansprüche auch für uns erheben.

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502520300
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0502520400
Aber gewiß.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0502520500
Herr Kollege Dr. Dichgans, ist Ihnen bei diesem Vergleich zwischen Ministerialrat und dem Abgeordneten nicht doch vielleicht entgangen, daß der Ministerialrat das ganze Jahr über in diesem Zimmer sitzen muß, während wir nur wenige Tage im Jahr —(Lebhafte Zurufe — Heiterkeit.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502520600
Herr Abgeordneter, darf ich Sie bitten, mit Ihrer Frage zu Ende zu kommen.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0502520700
Ich hoffe, Frau Präsidentin: — — während wir nur wenige Tage im Jahr dieses Zimmer benutzen, wenn wir die Zeit abziehen, die wir in den Ausschüssen, Fraktionen oder in diesem Plenum verbringen müssen?

Dr. Hans Dichgans (CDU):
Rede ID: ID0502520800
Herr Kollege Dorn, darauf will ich Ihnen gern antworten. Da ich früher Beamter gewesen bin, habe ich einen Vergleich aus eigener
Anschauung. Ich kann nur sagen, es gibt normalerweise keinen Ministerialrat, der einer solchen Nervenanspannung ausgesetzt ist wie der Abgeordnete,

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD)

von dem ständig vielerlei verlangt wird. Das erleben Sie doch ebenso wie ich. Man sitzt in seinem Zimmer, man wird telefonisch angerufen, man wird zu Besprechungen herausgebeten, und ich kann nicht anerkennen, daß die Arbeitsbedingungen eines Ministerialrats schutzbedürftiger sind als die unseren.

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD.)

Meine Damen und Herren, die Debatte zieht sich nun schon eine Reihe von Stunden hin, und da wird Sie vielleicht die Feststellung überraschen, daß wir die kürzesten Haushaltsdebatten der Welt haben. Wenn wir die Leistungen der vergangenen Jahre erreichen, werden wir auch diesmal wieder mit 69 Milliarden DM in drei Lesungen an vier Plenartagen fertig. Dieses Rekordtempo ist der äußere Ausdruck der Tatsache, daß die großen Entscheidungen nicht mehr in den Haushaltsdebatten fallen. Wir wollen hier in keiner Weise die Arbeiten unserer Kollegen im Haushaltsausschuß verkleinern. Ganz im Gegenteil, wir wollen Ihnen sehr dankbar dafür sein, daß sie sich einer so undankbaren Aufgabe unterziehen. Aber, wenn wir die Arbeiten am Ende betrachten, so ist das, was hier geändert wird, doch meist — darf ich sagen — Rankenwerk. Die großen Probleme werden nicht hier entschieden. Herr Kollege Leicht, ich möchte Sie nicht kränken, aber ich habe das Gefühl, die großen Entscheidungen
fallen in den Debatten über den Milchpfennig und die Kriegsopfer, in den Debatten über die Gehälter und über die Hilfe für die Wirtschaft. Und, meine Damen und Herren, das Haushaltssicherungsgesetz ist ein weiterer Schritt zur Aushöhlung des Kerns unserer Haushaltsdebatten. Sollen wir uns nun dieser Entwicklung fügen? Ich bin der Meinung: nein! Ich glaube, wir sollten im Gegenteil versuchen, diese Entwicklung umzukehren und dafür zu sorgen, daß die großen Finanzentscheidungen wieder in die Haushaltsdebatten zurückkehren.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Ich möchte an eine Bemerkung des Kollegen Schoettle anknüpfen, die mir sehr eingeleuchtet hat. Wir sollten nämlich mit dem anfangen, was wir zu verteilen haben. Hier sollte am Beginn ein Grundsatzbeschluß stehen, wie wir das Verfügbare verteilen, und zwar auf die großen Blöcke, indem wir sagen: von insgesamt soundsoviel Milliarden verteilen wir vorweg nach diesem Grundsatzbeschluß soviel Milliarden auf den sozialen Sektor, soviel Milliarden auf den Verkehr, soviel Milliarden auf andere Bereiche. Auf Grund dieser primären Beschlüsse gehen wir dann an die Feinarbeit. Ich bin der Meinung, daß das dann eine richtige Aufgabenverteilung zwischen Plenum und Ausschüssen wäre. Wenn sich nämlich die Ausschüsse um die Aufteilung ihrer Summen bemühen, dann haben sie die Frage der Prioritäten im eigenen Ausschuß; dann müssen sie entscheiden, was sie mit dem Geld in ihrem Bereich machen wollen, während es jetzt bei uns doch allgemeine Praxis ist, daß die Prioritäten immer für den eigenen Ausschuß zu Lasten der anderen beschlossen werden.

(Zuruf von der SPD: Theorie!)

— Nun, meine Damen und Herren, ich höre den Zwischenruf „Theorie", und selbstverständlich ist mir hier von den älteren Experten gesagt worden, das sei völlig unrealistisch.

(Abg. Leicht: Man müßte dann alle Gesetze aufheben, weil 90 % gebunden sind!)

— Herr Leicht, ich will der Konsequenz keineswegs ausweichen. Ich darf zunächst nur sagen, daß die Engländer das ja bekanntlich so machen,

(Abg. Leicht: Es immer schon gemacht haben!)

indem sie in jedem Jahr erneut die Bewilligungen beschließen.
Zu dem Argument, das sei unrealistisch, noch folgendes: Ich will jetzt nicht übertreiben und nach literarischen Vorbildern sagen: nur die Utopie ist es wert, daß man sich wirklich mit ihr beschäftigt. Ich will ganz nüchtern sagen: wenn wir uns nicht von der Routine lösen, wenn wir nicht den Mut haben, auch einmal das Unrealistische in Angriff zu nehmen, werden wir niemals weiterkommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Daß das schwierig ist, sehe ich. lm Ältestenrat liegen seit drei Monaten Anträge, die sich mit der Änderung der Geschäftsordnung befassen. Aber es ist bisher nicht möglich gewesen, sie herauszuholen.



Dichgans
Wir sind geduldige Leute, und ich hoffe, daß wir eines Tages hier doch noch zu einer Debatte über diese Frage kommen. Ich würde es überhaupt für sehr wünschenswert halten, wenn wir uns hier einmal stärker über die Technik unserer Arbeit unterhielten.
Meine Damen und Herren, die großen Entscheidungen fallen nicht hier. Sie fallen an anderen Tagen, sie fallen auch in anderen Ebenen. Aus der Rede des Herrn Bundesfinanzministers haben wir entnommen, daß uns die EWG im Jahre 1969 eine Rechnung über 2 Milliarden DM für die Agrarfinanzierung schicken wird, eine Rechnung, die dann nur noch Bestandteil unserer Buchhaltung ist, die wir nur zur Kenntnis nehmen können. Aber das ist ja nicht der einzige Fall. Wichtige Entscheidungen, wie z. B. die über den Anteil des Bundes an den Ertragsteuern, fallen praktisch im Vermittlungsausschuß. Wir müssen uns darüber klar sein, daß allgemein die Bundes- und Länderfinanzen immer stärker zusammenwachsen. Wir haben das hier neulich in der Bildungsdebatte beim Sektor Hochschule erlebt. Aber genauso ist es ja im Sektor Wohnungsbau, im Sektor Landwirtschaft und auch in der Beamtenbesoldung. Ob das die einzig mögliche Entwicklung war, weiß ich nicht. Ich habe vor einigen Jahren an dieser Stelle die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist, den Bundesanteil an den Ertragsteuern zu erhöhen und zugleich die Mittel, die daraus aufkommen, für die Übernahme von Aufgaben zu verwenden, die bisher bei den Ländern lagen.

(Abg. Dr. Schäfer: Das haben wir immer gesagt!)

Diese Frage hatten vorher auch einige Ministerpräsidenten formuliert. Aber heute fragt das kein Ministerpräsident mehr. Deshalb möchte ich hier auch nicht als föderalistischer Einzelkämpfer eine Position verteidigen, die die Kerntruppen des Föderalismus längst aufgegeben haben.
Meine Damen und Herren, die Integration der Aufgaben und Ausgaben zwischen Bund und Ländern ist eine Tatsache, eine Wirklichkeit, mit der wir uns abfinden müssen. Ich habe den Eindruck, daß die Rechtskonstruktion dieser Wirklichkeit noch nicht genügend gefolgt ist. Wir müssen, glaube ich, einen Mechanismus schaffen, der Sachentscheidung, Finanzierung und Kontrolle wieder stärker zusammenrückt.
Ich darf dafür ein Beispiel aus dem Bildungssektor vortragen, um Ihnen deutlich zu machen, was ich meine. Wenn in einer amerikanischen Universität ein Neubau beschlossen wird, so liegt dieser Beschluß bei dem Präsidenten und dem Verwaltungsrat, also den Leuten, die auch für das Geld sorgen müssen. Diese Kombination von Bewilligung und Geldbeschaffung zwingt zu eiserner Sparsamkeit. Wie liegt das bei uns? Wenn bei uns ein Universitätsinstitut erweitert wird, geht die Initiative von dem einzelnen Professor aus. Und bei den meisten Universitäten gilt es als nicht guter Ton, einem Kollegen in seine Wünsche hineinzureden. Der Raumbedarf wird also zunächst von dem Antragsteller bestimmt. Dann gerät das Projekt in die Hand der Architekten, die bekanntlich aus jedem
Bau ein Monument machen. Wenn Sie die majestätischen Eingangshallen, die riesigen Treppenhäuser, die Korridore von Landstraßenbreite sehen, erhalten Sie ein Gefühl dafür, daß bei uns manches vielleicht teurer gebaut wird, als unbedingt notwendig ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ein Drittes kommt hinzu. Jedermann, der mit diesen Dingen zu tun hat, weiß, daß es sehr viel leichter ist, Geld für große Projekte zu bekommen als für kleine.

(Heiterkeit.)

Ich habe konkrete Fälle, in denen ein Projekt völlig aussichtslos war, bis man sich entschloß, es auf den vier- oder fünffachen Betrag zu bringen. Plötzlich war es möglich, dieses Projekt zu finanzieren.

(Zuruf von der FDP: Dafür gibt es viele Beispiele!)

Nach Besprechungen mit vielen Fachleuten bin ich der Meinung, daß die Bildungsbauten in Deutschland im Mittel um ein Drittel zu teuer sind, wobei ein Sechstel auf übertriebenen Raumbedarf und ein Sechstel auf übertriebene Ausführung entfallen. Dafür habe ich klassische Zeugen. In einer Sitzung der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, in der einige von Ihnen anwesend waren, hat uns Herr Professor Speer neulich berichtet, daß die Forschungsgemeinschaft Institute mit einem Kubikmeterpreis von 150 DM baut, während eine Universität am gleichen Ort 220 DM für ähnliche Institute ausgegeben hat.
Ich darf jetzt noch einmal auf den Haushalt zurückkommen. Sie wissen, wir haben uns hier darüber gestritten, ob wir 370 Millionen DM oder 530 Millionen DM für die Wissenschaft zur Verfügung stellen sollten. Wenn es gelänge, die Überteuerung um ein Drittel abzubauen, könnten wir mit den 370 Millionen DM, die zur Verfügung stehen, nahezu das bauen, was bei den bisherigen Voranschlägen mit 530 Millionen DM gebaut werden sollte. Das würde dieses Problem vielleicht auf eine überraschende Weise lösen.
Meine Damen und Herren, es handelt sich also darum, die Entscheidungsmechanismen wieder so zu gestalten, daß die Sachentscheidung unmittelbar bei der Geldbewilligung liegt und die Bewilligung bei der Kontrolle. Unser derzeitiges System ist, wie ich Ihnen soeben vorgeführt habe, ein ganz anderes. In vielen Fällen sind wir für die Sachentscheidungen auf zwölf Parlamentsentscheidungen angewiesen. Das ist nicht nur sehr unpraktisch, sondern es hat auch den großen Nachteil, daß die Beteiligung von zwölf Stellen dazu führt, daß sich keiner so recht für das Ganze verantwortlich fühlt. Jeder meint, daß die Beschlüsse der übrigen elf die Entscheidung ja doch irgendwie präjudiziert haben, und so läßt man vieles laufen, was man sehr viel genauer ansähe, wenn man die alleinige Entscheidung hätte.
Meine Damen und Herren, was sollen wir tun? Ich habe mich gefreut, daß hier aus sehr prominentem Munde, auch vom Herrn Bundeskanzler und



Dichgans
vom Herrn Bundesfinanzminister, das Wort „Verfassungsreform" ausgesprochen worden ist. Erlauben Sie mir, dazu etwas konkreter zu werden. Wir haben ja hier eine ganze Reihe von Verfassungsreformen gehabt, die aber sämtlich auf ein bestimmtes Gesetz zugeschnitten waren, um kleine Schwierigkeiten auszuräumen. Es ist die Frage, ob wir nicht jetzt so weit sind, daß wir uns grundsätzlich überlegen sollten, wie das weitergehen soll. Ich glaube nicht, daß wir hier mit Bundesrahmengesetzen, mit der Übertragung der einen oder anderen Kompetenz von Ländern auf den Bund wesentlich weiterkommen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

Ich halte es für notwendig, daß die Kompetenz der Länder weitgehend erhalten bleibt. Wir sollten also nach neuen Formen der Zusammenarbeit suchen. Dafür gibt es ja Vorbilder. Wir haben Staatsverträge. Wenn aber die Staatsverträge nicht reichen, sollte man überlegen, ob man nicht die Verfassung unter diesem Gesichtspunkt noch einmal überprüfen sollte, um zu einer verfassungsmäßigen Zusammenarbeit von Bund und Ländern in neuen Formen zu kommen. Sie wissen, daß es so etwas ja bereits gibt, nämlich bei der Wahl des Bundespräsidenten, der von einem Mammutnarlament gewählt wird. Erschrecken Sie nicht! Ich will Ihnen nicht etwa vorschlagen, jetzt auf diese Bundesversammlung Gesetzgebungszuständigkeiten zu übertragen. Aber ich möchte hier einen Ansatzpunkt aufzeigen zur Schaffung von Gremien, die wirklich entscheidungsbefugt sind, die nicht nur unverantwortliche Ratschläge geben, deren Folgen sie nicht zu tragen haben, sondern die die Gesamtverantwortung tragen müssen.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, zum Schluß noch einmal kurz auf eine Äußerung des Kollegen Brese zurückzukommen. Er hat von den Beamten gesprochen. Er hat selbst gesagt, er möchte hier keineswegs die Leistungen der Beamten verkleinern. Ich habe das Bedürfnis, daß wir an dieser Stelle einmal etwas zum Lob unserer Ministerialbeamten sagen sollten.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Wir kennen sie alle aus den Ausschüssen, und es sind ganz ausgezeichnete Leute. Wir haben im Bundestag eine Praxis, die die Beamten etwas abwertet. Wenn wir nämlich eine schwierige Frage haben, dann beschließen wir regelmäßig, ein Gremium von Sachverständigen zu berufen, ein Gremium von Professoren, die uns hier einen Rat geben sollen. Wie läuft das in der Praxis ab? In der Praxis läuft das so ab, daß diese Sachverständigen zunächst den Sachverstand unserer Ministerialräte anzapfen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Was wir hinterher an Fakten bekommen, das ist praktisch nichts anderes als das, was in unseren Ministerien seit langem liegt. Nun tun diese Sachverständigen gelegentlich auch noch politische Entscheidungen hinzu. Aber ich überlege mir, ob diese
politischen Entscheidungen nicht eine Sache dieses Hohen Hauses wären.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich frage mich, ob wir nicht vielleicht häufiger den kürzesten Weg zu unseren Sachverständigen gehen sollten.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Hier spricht das alte Ministerialratsherz!)

Die vorzügliche Qualität der Arbeit unserer Sachverständigen haben wir — das möchte ich gerade dem Herrn Bundesfinanzminister sagen — insbesondere wieder bei dem neuen Finanzbericht gesehen. Ich finde, der Finanzbericht wird von Jahr zu Jahr besser, und das sollten wir dankbar anerkennen. Wir sollten das auch äußerlich zum Ausdruck bringen. Der Kern dieses Finanzberichts, Herr Finanzminister, scheint ja in der Tabelle auf Seite 97 zu liegen, die eigentlich bei jeder Rede hier erwähnt worden ist. Ich schlage vor, unseren Beifall zu dieser Darstellung dadurch auszudrücken, daß wir beschließen, die Tabelle auf Seite 97 an einer Tafel im Vorraum des Bundestags anzuschlagen.

(Heiterkeit. — Zuruf von der CDU/CSU: Und jeden Morgen eine Verbeugung davor zu machen!)

In dieser Tafel sollten wir jeden einzelnen Antrag, der bei uns eingeht, mit Namen nachtragen, und zwar mit der Belastung für jedes der fünf Jahre, die dargestellt sind. Wenn die Zeilen voll sind, übernehmen wir sie als Summe in eine Zeile „Unerledigte Anträge", um wieder Raum für weitere Anträge zu bekommen.

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, wenn wir das tun, dann konfrontieren wir uns täglich selbst mit der Realität des Geldes, und das sollte der Hauptsinn dieser Haushaltsdebatte sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502520900
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502521000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gestehe offen, daß der Kollege Dichgans es mir schwer gemacht hat, wieder auf die eigentliche Auseinandersetzung dieses Tages zurückzukommen. Ich verhehle nicht meinen Respekt vor den Gedanken, die er hier entwickelt hat, wie man aus dieser Schwierigkeit, in der wir uns befinden, herauskommen könnte, wie man die Dinge vereinfachen könnte und wie man uns hier mehr noch als bisher das Kontrollrecht, das Bewilligungsrecht usw. erhalten könnte. Es läßt sich aber nicht leugnen, daß wir eine Entwicklung, die wir in diesem Land seit vielen Jahren haben, nicht von heute auf morgen außer Kraft setzen können. Wir haben heute im Haushalt gesetzliche Bindungen in einem Umfang von 90%, die nicht einfach herauszukatapultieren sind. Nichtsdestoweniger meine ich, daß Beiträge, wie eben der Kollege Dichgans einen geliefert hat, auch wenn sie zunächst etwas



Hermsdorf
abseits der Praxis liegen, uns doch ab und zu vor Augen geführt werden sollten, damit wir auch für uns wieder einmal nachprüfen, ob es nicht noch andere Lösungen gibt.
Ich habe mich wegen des eigentlichen Gangs der Debatte zu Wort gemeldet und darf an den Beitrag des Kollegen Windelen anknüpfen. Herr Kollege Windelen, ich möchte Ihren Diskussionsbeitrag in zwei Hälften teilen. In der ersten Hälfte haben Sie sich bemüht, festzustellen, wo es gewisse Ansatzpunkte, zueinanderzukommen, gibt. In der zweiten Hälfte haben Sie den Versuch gemacht, die Opposition sozusagen mit Dingen zu belasten, die Sie zwar von Ihrer Sicht aus so sehen mögen, die wir aber nicht akzeptieren können. Darf ich vielleicht folgendes feststellen, Kollege Windelen.
Erstens läßt sich nicht bestreiten, daß die sozialdemokratischen Mitglieder dieses Hauses und insbesondere die sozialdemokratischen Mitglieder des Haushaltsausschusses bei jeder Haushaltsberatung nicht nur die Sache ernst genommen und nicht nur tatkräftig mitgearbeitet haben, sondern daß sie auch stets den Versuch gemacht haben, von ihrer politischen Sicht her Prioritäten zu setzen, die eben anders waren als die Ihren, weil wir eine andere Konzeption haben. Ich halte es geradezu für unerträglich, daß Jahr für Jahr bei den Haushaltsdebatten aus der Vergangenheit geschöpft und sozialdemokratische Anträge zusammenhanglos addiert werden, ohne daß man weiß, was hinter jedem einzelnen Antrag stand.

(Beifall bei der SPD.)

Sie, Herr Kollege Windelen und meine Damen und Herren von der Koalition, können uns doch nicht für so unrealistisch halten. Wenn wir in der Vergangenheit Anträge zur Schaffung bestimmter Prioritäten gestellt und Sie diese Anträge niedergestimmt haben, dann haben wir selbstverständlich das Volumen dieser Anträge abgeschrieben und wieder neu angefangen. Es ist doch geradezu eine Milchmädchenrechnung, alle Anträge zusammenzuaddieren. Das finde ich nicht ganz loyal; das ist aber gelinde gesagt.
Sie haben gesagt: Diesmal ist das anders. Ich will nicht sagen: diesmal ist das anders; so ist es gar nicht. Wir haben in der Vergangenheit nie eine solche Diskussion gehabt, wie sie jetzt durch die Schuld der Bundesregierung ausgelöst worden ist.
Wir befinden uns nämlich jetzt in einer Finanzmisere, die uns zwingt, eine solche Grenze einzuhalten; das haben wir früher nicht gehabt.

(Beifall bei der SPD.)

Das muß man auch sehen.
Da haben wir im Unterschied zu Ihnen gesagt — Kollege Schiller hat das hier in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht —: Das Volumen des Haushalts wird von uns akzeptiert. Wir gehen Ihren Weg nicht mit, jetzt noch Streichungsanträge einzureichen, sondern wir werden versuchen, innerhalb des Haushalts eine Umschichtung vorzunehmen.
Sie haben aber gesagt — und darauf komme ich jetzt noch einmal —, wir hätten Sie beim Haushaltssicherungsgesetz im Stich gelassen. Dazu muß ich sagen: Sie appellieren immer wieder an die Verantwortung der Opposition. Wir haben uns dieser Verantwortung nicht entzogen. Nur müssen Sie in der Praxis sehen, daß die Opposition nicht zu 10 % so informiert ist und sein kann wie Sie.

(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)

Was ist denn gewesen? Sie haben uns hier ein Haushaltssicherungsgesetz vorgelegt, ohne daß ein Abgeordneter der Opposition den Haushalt gekannt hat. Sie haben zu diesem Haushaltssicherungsgesetz in einer Nacht eine Reihe von Anträgen — vierzig oder fünfzig — beschlossen und uns am nächsten Tag damit konfrontiert, ohne daß wir den Haushalt kannten, ohne daß wir Ihre Absprachen mit dem Finanzministerium kannten. Herr Kollege Windelen, das müssen Sie doch zugeben, daß Sie hinsichtlich der Arbeitserleichterung in gar keiner Weise mit uns zu vergleichen sind. Wir müssen jede Sache einzeln herauspulen, und dann bekommen wir auf Fragen noch nicht einmal Antwort. Das ist die Situation der Opposition Ihnen gegenüber. Sie können also nicht sagen, wir hätten Sie im Stich gelassen. Wir können nicht zu irgend etwas ja sagen, wenn wir das Ganze nicht kennen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das nimmt Ihnen keiner ab!)

— Das nimmt uns keiner ab? Ich muß Ihnen ehrlich sagen: vielleicht ist das bei Ihnen so, daß man die Wahrheit nicht zur Kenntnis nimmt; aber es ist die Wahrheit, was ich hier gesagt habe, ob Sie sie mir abnehmen oder nicht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502521100
Herr Dr. Luda möchte eine Zwischenfrage stellen.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502521200
Bitte sehr!

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0502521300
Herr Kollege Hermsdorf, ist das, was Sie soeben vorgetragen haben, die Wahrheit, oder ist das die Wahrheit, was Herr Kollege Wehner bei einem „Spiegel"-Gespräch gesagt hat — ich darf wörtlich zitieren —:
Aber in einem Punkte möchte ich Ihnen recht geben: beim Haushaltssicherungsgesetz haben wir keine Gegenliste aufgestellt; da hat es bei uns unterschiedliche Meinungen gegeben.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)


Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502521400
Verzeihung! Ich finde es erstens, ich muß geradezu sagen, etwas belustigend, daß ausgerechnet Sie sich jetzt auf den „Spiegel" beziehen und den als Wahrheitsgehalt nehmen.

(Oh-Rufe bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Nein, Wehner, nicht den „Spiegel"!)

Aber das ist Ihre Sache.
Der zweite Punkt. Ich möchte einmal wissen, ob Sie in Ihrer Fraktion in der Diskussion über das



Hermsdorf
Haushaltssicherungsgesetz nicht auch unterschiedliche Auffassungen gehabt haben. Die verbindliche Meinung, die dann, nach einer Diskussion in der Fraktion, geäußert wird, wird hier vorgetragen, die steht zur Debatte und keine andere.
Weiter darf ich darauf hinweisen, Herr Windelen, daß ja — und insofern kommen wir uns wieder näher — eine Reihe von Forderungen, die früher von Ihnen und insbesondere vom Herrn Bundeskanzler als völlig unmöglich angesehen wurden — ich will nur einige Begriffe wie „volkswirtschaftliche Gesamtrechnung" oder „mittelfristige Planung" oder „Finanzvorausschau" nennen —, heute erfüllt sind. Das heißt, den sozialdemokratischen Forderungen ist nachgegeben worden, und wir können uns heute bei der Beratung des Etats ein anderes Bild machen, als das noch vor vier oder vor drei Jahren der Fall war.
Jetzt lassen Sie mich noch einmal über die Prioritäten sprechen. Meine Freunde Schoettle und Möller haben hier klargestellt: im Rahmen des Haushaltsvolumens möchten wir noch 180 Millionen DM für die Wissenschaftsförderung haben; wir möchten den Steinkohlenbergbau haben — wo augenblicklich noch keine Zahl diskutiert ist, das muß man erarbeiten —; wir möchten haben: Berlin; und wir möchten haben die kommunalpolitischen Verkehrsdinge.

(Zuruf von der CDU/CSU: Länderaufgabe!)

— Moment, Herr Windelen. Wir haben hier als
Deckungsvorschlag, auch das möchte ich noch einmal wiederholen, gesagt: Punkt 1 — das ist von
Herrn Althammer schon abgelehnt worden, ich bin sehr gespannt, wie das im Ausschuß gehen wird — in der Frage der deutschen Mineralölindustrie. Herr Althammer, Sie wollen mir einreden, daß die deutsche Mineralölindustrie die sozial schwächste sei. Da bin ich anderer Meinung. Außerdem frage ich Sie, ob es überhaupt eine deutsche Mineralölindustrie gibt oder ob da nicht überall ausländische Verflechtungen vorliegen. Außerdem haben wir — auch hier ist insofern Ihr Bericht nicht ganz korrekt gewesen — im Haushaltsausschuß eine Diskussion darüber gehabt, und ich habe mit denselben Worten, wie ich sie hier gebraucht habe, gegen den damaligen Vorschlag gestimmt, auch weil er in den Ausführungsbestimmungen alles andere als solide ist. Es sind nämlich im Grunde genommen verlorene Zuschüsse.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502521500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Althammer?

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0502521600
Herr Kollege Hermsdorf, würden Sie bitte so freundlich sein, zur Kenntnis zu nehmen, daß keine Rede davon sein kann, daß ich derartige Überprüfungen abgelehnt hätte.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502521700
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Hermsdorf. Ich möchte, bevor Sie fortfahren, einen Mißbrauch rügen. Nach den
Richtlinien für die Fragestunde sollen Fragen gestellt werden, und die Fragen sollen keine Feststellungen und keine Wertungen enthalten. Ihre Frage, Herr Kollege Althammer, war in Wirklichkeit eine Feststellung und keine Frage.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0502521800
Ich bin aber dem Herrn Kollegen Althammer für diese Feststellung sehr dankbar. Denn ich muß sagen, ich habe seine Ausführungen zu dieser Frage völlig anders verstanden. Wenn Sie das jetzt nicht mehr sagen, dann sind wir wieder ein Stück näher zusammen. Aber Sie dürfen versichert sein, daß ich es so verstanden habe.
Zweiter Punkt: Wir haben gesagt, wir sind der Auffassung, daß wir hinsichtlich der Verlagerung des ganzen Haushaltsdefizits von 1965 auf 1966 nach den Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung zu verfahren haben. Wir haben weiter unsere Auffassung in der Frage des Pennälergehaits dargelegt. Das war das, was wir konkret gesagt haben.
Wir haben dann noch etwas angedeutet, und hier hat Herr Kollege Windelen versucht, eine Verschiedenheit der Meinungen zwischen Herrn Schoettle und Herrn Möller zu entdecken, die gar nicht besteht. Herr Möller hat Sie geradezu inständig aufgefordert, bei den Subventionen 500 Millionen DM für eine Streichung zu finden, und Sie haben gesagt: ja, Herr Möller wolle jetzt schon nicht mehr 800 Millionen DM wie Herr Schoettle, sondern nur noch 400 Millionen DM usw. Erstens müssen Sie bei Herrn Kollegen Schoettle natürlich die 200 Millionen DM Deckungsvorschlag hinsichtlich .des Defizits zurechnen. Zweitens muß ich Ihnen sagen: Wenn ich an Meinungsäußerungen Ihrer Fraktionskollegen denke — ich will sie nicht mit Namen nennen —, die gesagt haben, es sei ein Kinderspiel, hier eine Milliarde zu streichen, und die damit durch die Lande gezogen sind, dann nimmt sich unser Beitrag geradezu bescheiden aus.
Ich würde Sie wirklich bitten, daß wir innerhalb des Haushalts einen Versuch in dieser Richtung machen. Darin sind Sie nämlich mit uns einig. Sie sagen ja auch, Sie wollen Prioritäten setzen. Sie sind sogar hinsichtlich der Wissenschaft schon ziemlich weit vorgeprellt. Herr Emde ist dann auch noch in der Frage des Pennälergehalts mit uns gegangen, und hinsichtlich des Steinkohlenbergbaus hat er auch einiges angedeutet. Sie sagen jetzt aber: ja, wir möchten aber das Gesamtvolumen des Haushalts noch senken und möchten, daß dann sozusagen weniger Kredit in Anspruch genommen wird. Das ist doch nur ein Beweis dafür, Herr Kollege Windelen, daß Sie genau wie wir sehen, daß es Streichungsmöglichkeiten in dieser Größenordnung geben wird, und diese Möglichkeiten werden wir auf jeden Fall in gemeinsamer Arbeit mit Ihnen herauszuarbeiten versuchen.
Lassen Sie mich als letztes ein Wort von der Verantwortung sagen. Sie haben hier die Dinge ein wenig verschoben zwischen der Verantwortung, die dieses Haus und jedes einzelne Mitglied dieses Hauses hat, und der Verantwortung, die die Regierung trägt. Jeder einzelne Abgeordnete, gleich, auf welcher Bank er sitzt, ist dem ganzen Volke ver-



Hermsdorf
pflichtet, und insofern haben wir alle eine Verantwortung. Für die Ausführungen der Gesetze ist die Regierung verantwortlich und nicht wir, die wir sie nicht tragen. Diese beiden Verantwortungen dürfen Sie nicht verwischen. Und wenn es dann zu solchen katastrophalen Lagen kommt, wie wir sie hier vor uns haben, und die Regierung hinsichtlich der Ausführung die Verantwortung trägt, dann muß ich sagen, eine mutige Regierung hätte mit dem Art. 113 mehr anfangen können, als ich von dieser Regierung erwarte, auch dann erwarte, wenn der Art. 113 geändert wird.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502521900
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502522000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hermsdorf hat sehr mannhafte Worte gesprochen und sich bitter über das Zusammenrechnen, alter sozialdemokratischer Anträge beschwert. Ich halte es auch nicht für richtig, nachzukarten und aus der Vergangenheit wahllos Dinge zusammenzustellen, die dann ein ganz anderes Bild ergeben. Ich habe also tiefes Verständnis für den Kummer von Herrn Hermsdorf.
Das macht die Opposition allerdings nicht von der Verantwortung frei, wenn sie im Einzelfall tatsächlich Dinge beantragt hat, die über die Linie hinausgehen. Das kann man ihr in der Kritik auch sagen. Es ist ganz natürlich, daß sich die Opposition unter Umständen etwas anderes vorstellt als die Regierungskoalition.
Aber, Herr Kollege Hermsdorf, Sie selber machen das — und haben es in dieser Debatte getan —, was Sie auf unserer Seite beklagen, z. B. bei Ihrem Schlußhinweis auf den Art. 113 des Grundgesetzes. Dieses Problem ist nun bis auf den letzten, aber auch den allerletzten Punkt in der politischen und in der juristischen Diskussion ausgekocht worden. Es hört sich schön an: Die Regierung hätte ihn anwenden müssen. Sie wissen ganz genau, Herr Hermsdorf, daß sie es nicht konnte, daß es unzweckmäßig war, daß dieser Art. 113 eine unvollständige Verfassungsnorm ist, die zu dem Zeitpunkt damals nicht angewendet werden konnte.

(Abg. Dr. Schäfer: Wenn Sie ihn nicht anwenden können, ist er noch lange nicht falsch!)

— Herr Schäfer, nun mal langsam mit den Pferden! Wir werden uns ja über den Art. 113 und die Geschäftsordnung noch sehr unterhalten, wenn es so weit ist. Ich hoffe, daß Sie dann Ihren Beitrag dazu leisten werden.
Ich jedenfalls - und das ist das, was ich Herrn Hermsdorf sagen möchte — habe dasselbe zu beklagen, was er beklagt hat, wenn ich z. B. darauf losgehe, daß Herr Schoettle hier den Vorwurf erhoben hat, die Finanzvorausschau hätte spätestens schon im Frühjahr 1965 vorgelegt werden müssen. Herr Schoettle, das Zahlenmaterial habe ich dem Parlament geliefert. Im Finanzbericht 1965 war die
erste Finanzvorschau für 1965 bis 1967 enthalten und hat sehr deutlich den geringen Umfang der disponiblen Finanzmasse im Bundeshaushalt erkennen lassen. Darauf habe ich in der Haushaltsrede 1965 am 13. Oktober 1964 sehr nachdrücklich hingewiesen. Ende 1964/Anfang 1965 habe ich ergänzend dazu die dem Parlament vorliegenden Gesetzentwürfe zahlenmäßig aufgegliedert und die Übersicht dem Haushaltsausschuß und den Fraktionen zur Verfügung gestellt, nachdem sie Herr Möller von mir sogar schon vorher erhalten hatte, wenn ich das richtig erinnere. Dann habe ich in den Ausschüssen, innerhalb und außerhalb des Parlaments immer wieder vor den Auswirkungen gewarnt. Herr Hermsdorf, Sie waren selber im Haushaltsausschuß dabei, Herr Dr. Möller war im Finanzausschuß dabei. Sie haben alle sehen können, wie die Dinge laufen würden. Sich dann hier hinzustellen, auf Art. 113 herumzureden und zu sagen, das hätte alles viel früher geschehen müssen, ist eine außerordentlich billige Sache, die ich genauso beklage, wie Herr Hermsdorf es umgekehrt beklagt.
Herr Schoettle und Herr Möller haben die Etataufstellung kritisiert und haben Darstellungen von mir vom 26. Februar 1965 und vom 2. März 1966 aus dem Zusammenhang gegenübergestellt. Auch das, meine Damen und Herren, halte ich im Sinne der Ausführungen von Herrn Hermsdorf nicht für sachlich richtig und gerechtfertigt. Denn sehen Sie einmal, der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 1965 war realistisch und solide. Ich habe nicht voraussehen können — und auch Herr Dr. Möller hat das nicht gewußt —, daß die Bundesbahn mit diesem Defizit hinzukam, daß die EWG-Anpassung Landwirtschaft kam, daß das Kindergeld kam.
Meine Damen und Herren, das Bestreben, einen Haushalt rechtzeitig, d. h. noch vor der Sommerpause, im Parlament einzubringen, bringt ganz zwangsläufig neben dem Vorteil dieser frühzeitigen Einbringung auch die Nachteile, daß man noch gut ein halbes Jahr länger vorausschätzen muß und daß inzwischen Dinge eintreten können, die man nicht voraussehen konnte, die weder die Regierung noch die Regierungskoalition noch die Opposition voraussehen kann. Ich finde es nur nicht gut, wenn dann hinterher mit dem Finger darauf gewiesen und gesagt wird, das sei ein Verschulden oder ein Versäumnis.
Herr Kollege Möller ist es gewesen, der hinsichtlich des Abschlusses 1965 die Zahl der Bundesbank — 62,7 — und die Zahl des Bundesfinanzministeriums — 65,8 — herausgestellt und gebeten hat, die Differenz aufzuklären. Herr Dr. Möller, die Zahlen der Bundesbank enthalten nicht die durchlaufenden Lastenausgleichsabgaben, sie enthalten nicht die Tilgung von Anleihen. Das kommt daher, daß die Bundesbank nach dem Kassenprinzip bucht, während wir von den haushaltsmäßigen Ausgaben ausgehen. Dann gibt es die zeitlichen Überschneidungen auf den Hinterlegungs- und Verwahrkonten, —Differenzen, Herr Dr. Möller, die jedes Jahr wiederkommen. Aber — nun darf ich bitten, in diesem Tatbestand nicht irgendein Versteckspielen oder Tarnungsmanöver zu sehen — in der Jahresrechnung, wie Sie selber ja auch gesagt haben, werden diese



Bundesminister Dr. Dahlgrün
Posten selbstverständlich im einzelnen voll nachgewiesen. Es sind also buchungstechnische Gründe in den ersten Wochen des Jahres, daß das etwas auseinandergeht. In der Jahresrechnung steht jede Zahl. Ich glaube, es hat niemand in Deutschland so gläserne Taschen wie der Bundesminister der Finanzen.
Nun, Herr Dr. Möller, haben Sie noch einmal auf die Haltung der SPD bei der Abstimmung über das Haushaltssicherungsgesetz Bezug genommen. Herr Schoettle hat das gleiche getan. Meine Damen und Herren, wir sollten aufhören, uns gegenseitig Vorwürfe zu machen. Es ist doch so, daß ohne die frühzeitige Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes der Haushaltsplan nicht aufzustellen war. Ich konnte an den Haushaltsplan erst herangehen, als ich wußte, in welcher Form das Haushaltssicherungsgesetz aus dem Parlament herauskam. Die gleichzeitige Vorlage von Haushaltsplan und Haushaltssicherungsgesetz war praktisch-technisch einfach nicht möglich, da das eine die Grundlage für das andere gewesen ist. Nehmen Sie das doch bitte endlich zur Kenntnis, damit wir uns nicht immer wieder mit dieser an sich historischen Tatsache auseinandersetzen müssen.
Herr Möller hat mit Recht — ich freue mich darüber — darauf aufmerksam gemacht, daß das Haushaltssicherungsgesetz von mir nur als ein erster Schritt bezeichnet worden ist. Sie können sicher sein: die Lage zwingt uns dazu, weitere Schritte folgen zu lassen. Die Bundesregierung wird entsprechende Vorschläge rechtzeitig vorlegen, um auch den Ausgleich 1967 sicherzustellen.
Herr Dr. Möller, nur ein Wort dazu. Sie haben in einer langen Zahlenreihe in bezug auf meine Angaben — Bundesausgaben, Beziehung zum Bruttosozialprodukt, 14 % — nachzuweisen versucht, daß ich da nicht genau gewesen sei. Ich habe selbstverständlich — vielleicht haben Sie es überhört — eine Durchschnittszahl genannt. Wenn ich Ihre Zahlen im Schnitt nehme, komme ich auch auf diesen Prozentsatz von 14 v. H.
Ein Hinweis von Herrn Kollegen Schoettle betraf die Einbringung des Haushalts nach einer Neuwahl noch durch die alte Regierung, um eine zeitgerechte Verabschiedung zu gewährleisten. Herr Kollege Schoettle, ich halte das für einen durchaus beachtenswerten Vorschlag, der allerdings den Bruch mit einer deutschen Tradition bedeutet. Bei der Aufstellung von Haushaltsplänen hat man in der Vergangenheit immer der aus der Wahl hervorgehenden neuen Regierung das Prä gelassen. Ich weiß nicht, — wenn ich vor der Wahl vom 19. September den Haushaltsplan 1966 eingebracht hätte, wäre ich voraussichtlich von der Opposition mit dem Hinweis gescholten worden, daß ich eine zukünftige Regierung hätte festlegen wollen. Persönlich bin ich der Meinung, Herr Kollege Schoettle, daß dieser Gedanke, das so durchzuführen, durchaus erwägenswert ist. Man sollte das einmal prüfen und einmal darüber verhandeln.
Eines möchte ich noch sagen. Ich glaube, Herr Kollege Leicht hat sich geirrt, als er davon sprach,
daß jemand — nämlich die Regierung — schuld
daran sei, daß der Etat erst am 3. März 1966 — —

(Abg. Leicht: Das habe ich gar nicht gesagt, Herr Minister!)

— Aha! Ich wollte nur das Folgende sagen — es ist ganz interessant —: Die Tradition, der aus der Wahl neu hervorgehenden Regierung die Aufstellung des ersten Haushaltsplans der Legislaturperiode zu überlassen, hat dazu geführt, daß trotz
— oder soll ich sagen: „wegen"? — des Haushaltssicherungsgesetzes der Haushalt dem Parlament wesentlich früher zugeleitet werden konnte als in früheren Jahren. 1958 kam der Haushalt erst am 16. April in die erste Lesung, 1962 am 13. März.

(Abg. Dr. Schäfer: Damals hatten wir noch ein anderes Haushaltsjahr!)

— Ja, Herr Schäfer, Sie meinen die Umstellung auf das Kalenderjahr. Das ist richtig. Immerhin finde
daß die Regierung am 4./5. Januar 1966 den Haushalt sehr frühzeitig nach der Wahl beschlossen hat, — wenn Sie das Haushaltssicherungsgesetz dazunehmen.
Herr Schoettle, was ich nicht verstanden habe — ich darf das einmal ganz offen sagen —, war Ihre Kritik an meiner positiven Erklärung in der Haushaltsrede zu Einschränkungen, die das Parlament im Eventualfall noch vornehmen könnte. Herr Kollege Schoettle, ich hätte besser gesagt: der Haushaltsausschuß. Denn Mitglieder des Haushaltsausschusses aus allen Fraktionen haben mir in den letzten Wochen erklärt, daß sie noch kürzen würden. Dazu habe ich gesagt: Schön: wenn ihr das fertigbekommt, würde ich es begrüßen. Ich habe in der Haushaltsrede, wie ich glaube, doch hinreichend klargemacht, daß andererseits Kürzungen nicht unbegrenzt möglich sind. Ich habe davon gesprochen, daß die Ansätze nicht bis an die Grenze der Zerreißprobe elastisch sind.
Neue Kürzungen dürfen die Vorhaben der Bundesregierung nicht gefährden. Wenn sich auf Grund neuer Erkenntnisse ohne Gefährdung dieser Vorhaben zusätzliche Kürzungen realisieren lassen, — warum nicht? Sie als Vorsitzender des Haushaltsausschusses werden bei Ihrer Arbeit schon irgend etwas in dieser Richtung fertigbekommen. Aus konjunkturpolitischen Gründen — das ist das Wichtige — sollten diese Einsparungen aber nicht für neue Ausgaben, sondern nur zu weiteren Senkung des Anleihebedarfs Verwendung finden.
Ich möchte ein paar Worte zu Ihrer Kritik, Herr Schoettle, an der Förderung der Verkehrswirtschaft sagen. Sie haben die EWG-Partner und ihre Verkehrseinrichtungen als Vorbild hingestellt. Angeblich wird dort der grenzüberschreitende Verkehr besser gefördert und ist die Verkehrswirtschaft weitgehender modernisiert. — Herr Kollege Schoettle, was die Bundesbahn betrifft, so muß ich Ihnen sagen: Wer häufiger die Eisenbahn in Europa benutzt, weiß ganz genau, daß die Deutsche Bundesbahn an Zuverlässigkeit und Komfort so leicht von keiner anderen Eisenbahn innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft übertroffen wird.

(Hört! Hört! bei der SPD.)




Bundesminister Dr. Dahlgrün
Der Binnenschiffahrt steht mit ihrem Wasserstraßennetz ebenfalls ein Verkehrsnetz zur Verfügung, das in keinem anderen Land der EWG so gut organisiert und so gut ausgestattet ist, wenn auch noch vieles daran zu tun ist. Was schließlich den Straßenbau anlangt, so wissen Sie letztlich doch alle, daß seit einer ganzen Reihe von Jahren in der Bundesrepublik jährlich mehr Mittel für den Straßenbau aufgewandt werden als in irgendeinem anderen Staat der Welt, ausgenommen der Vereinigten Staaten. Das sind Dinge, auf die wir stolz sein können, und ich glaube, es ist nicht schlecht, wenn man das einmal sagt.
Hinsichtlich der Ergänzungszuweisungen an finanzschwache Länder, Herr Kollege Schoettle, teile ich Ihre Auffassung nicht. Darüber wird schon morgen im Bundesrat debattiert werden. Ich werde bei dieser Gelegenheit das Notwendige zur Begründung des Standpunktes der Bundesregierung sagen.
Nun zu Ihrer Bemerkung, Herr Hermsdorf, Zahlen im Finanzbericht 1966 über das Ausmaß der Subventionen in Höhe von mehr als 29 Milliarden DM seien eine Irreführung der Öffentlichkeit. Herr Kollege Hermsdorf, so etwas sollten Sie auch nicht als Zwischenruf sagen; wir haben in diesem Finanzbericht eine katalogmäßige Aufstellung aller finanziellen Hilfen im Bundeshaushalt sowie der Steuer-und Zinsbegünstigungen gebracht, ohne daß damit irgendeine Wertung verbunden ist. Diese Aufstellung soll einen erschöpfenden Überblick über alle mittelbaren und unmittelbaren Hilfeleistungen geben. Es wird die gemeinsame Aufgabe von Bundesregierung und Parlament sein, auf Grund dieser umfassenden Übersicht zu prüfen, welche dieser Hilfen selbstverständlich sind und beibehalten werden müssen, welche gekürzt werden können und welche überhaupt entfallen können. Das hat mit der Höhe, mit der genannten Zahl gar nichts zu tun; denn die Subvention ist ja nicht von sich aus schlecht; sie ist nicht schlecht des Begriffes wegen. Hier handelt es sich um einen Katalog aller Leistungen des Staates, die in irgendeiner Form Hilfe bedeuten, und Sie sollten das nicht als „Irreführung der Öffentlichkeit" bezeichnen.
Nun haben Herr Kollege Schoettle und Herr Kollege Möller gesagt, man sollte die Subventionen global und linear um 10 % kürzen. Dieser Vorschlag ist schon einmal an anderer Stelle gemacht worden. Er ist dort allerdings mit einem Zusatz versehen worden. Ich möchte ausdrücklich sagen: Herr Schoettle und Herr Möller haben das nicht getan. Aber an anderer Stelle hieß es: 10% herunter von den Subventionen; dann hast du soundsoviel hundert Millionen frei, und wenn du das nicht tust -was so einfach ist —, dann willst du die Stabilität ja gar nicht. — Meine Damen und Herren, wenn so argumentiert .wird, bin ich dagegen. Sonst lehne ich den Gedanken solcher linearen Kürzung nicht von Grund auf ab; von der Höhe, die Herr Schoettle und Herr Möller vorgeschlagen haben, wollen wir einmal absehen. Man sollte wirklich darüber nachdenken, ob man dadurch nicht doch einen Zwang ausüben kann, sparsamer oder sorgfältiger zu sein, und ob man nicht weniger frei über 100 verfügt, wenn man 10 gekürzt bekommt. In manchen Dingen
wird das gar nicht gehen, aber wie gesagt: so ohne weiteres will ich den Gedanken nicht von der Hand weisen.
Das waren ein paar kleine Bemerkungen nach Notizen, die ich mir während der Debatte gemacht habe.
Zum Schluß noch ein Hinweis; am Ende der Debatte über das Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bin ich dazu nicht mehr gekommen, weil die Zeit nicht reichte. Daran liegt es vielleicht, daß jene Feststellung des Herrn Kollegen Schiller in jener Debatte, die ich jetzt ansprechen will, kaum Eingang in die Presse gefunden hat. Ich habe das sehr bedauert. Heute haben Herr Schoettle und Herr Möller die Feststellung von Herrn Kollegen Schiller von damals wiederholt, nämlich die Anerkennung des Ausgaberahmens von 69,15 Milliarden DM für den Etat durch die Opposition. Meine Damen und Herren, wenn die Opposition im englischen Unterhaus das Haushaltsvolumen der Regierung akzeptiert hätte, wäre das eine echte Sensation. Ich bedaure es sehr, daß diese Einstellung von Herrn Schiller, die Herr Schoettle und Herr Möller heute bekräftigt haben, nicht den Widerhall gefunden hat — ich glaube, es war in der vorigen Woche —, den sie verdient hätte. Die Zustimmung der Opposition zum Haushaltsvolumen zeigt doch, daß wir auf der richtigen Linie liegen und das Richtige getroffen haben. Wenn von seiten der Opposition dieses Zugeständnis gemacht wird, sollte es aber auch gesagt werden.
Im übrigen, meine Damen und Herren, darf ich allen Rednern der Debatte der ersten Lesung des Haushaltsplans 1966 noch einmal sehr herzlich für ihre faire und kritische Einstellung zu meinen Ausführungen auch bei dieser Gelegenheit danken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502522100
Ich schließe die Aussprache über die Tagesordnungspunkte 2 und 3. Das Haushaltsgesetz 1966 soll an den Haushaltsausschuß überwiesen werden, das ERP-Wirtschaftsplangesetz 1966 an den Ausschuß für das Bundesvermögen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß sowie den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe dann die Punkte 5 bis 11 der Tagesordnung auf:
5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Unterbringung von Rüböl aus inländischem Raps und Rübsen
— Drucksache V/320 —
6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel über die Rückzahlung der



Vizepräsident Dr. Dehler
Reichsmarkanlagen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Deutschland
— Drucksache V/330 —
7. Erste Beratung .des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. September 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Schiffahrt-und Luftfahrtunternehmen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache V/331 —8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 4. Februar 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Korea über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache V/332 —
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol
— Drucksache V/329 —
10. Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Architektengesetzes
— Drucksache V/306 -
11. Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
— Drucksache /307 —
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen folgende Überweisungen.
Der Gesetzentwurf Drucksache V/320 — Punkt 5 der Tagesordnung — soll an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sowie den Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache V/330 — Punkt 6 der Tagesordnung — soll an den Finanzausschuß und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache V/331 — Tagesordnungspunkt 7 — soll an den Finanzausschuß überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache V/332 — Tagesordnungspunkt 8 — soll an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und an den Auswärtigen Ausschuß sowie den Ausschuß für Entwicklungshilfe zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache V/329 — Tagesordnungspunkt 9 — soll an den Finanzausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache V/306 — Tagesordnungspunkt 10 — soll an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Der Gesetzentwurf Drucksache V/307 — Tagesordnungspunkt 11 — soll an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Innenausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Neunte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Angleichungszölle — 1. Neufestsetzung)
— Drucksachen V/243, V/315 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
b) Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Zwölfte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Waren der EGKS — 1. Halbjahr 1966)
— Drucksachen V/259, V/316 — Berichterstatter: Abgeordneter Junker
c) Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß)

über die von der Bundesregierung erlassene Siebente Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollaussetzungen 1966 — gewerbliche Waren — I. Teil)

über die von der Bundesregierung erlassene Vierzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 (Zollaussetzungen 1966 — gewerbliche Waren — III. Teil)

— Drucksachen V/261, V/260, V/317 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Das Haus hat hier von den Berichten des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen Kenntnis zu nehmen. Die Herren Berichterstatter, denen ich für ihre Berichte danke, wünschen nicht das Wort. Anträge liegen nicht vor. Ich empfehle dem Haus, von allen Berichten Kenntnis zu nehmen. Ich stelle fest, daß das der Fall ist.



Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe die Punkte 13, 14 und 15 der Tagesordnung auf:
13. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen (23. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Zustimmung zur unentgeltlichen Abtretung von Geschäftsanteilen an wirtschaftlichen Unternehmungen
hier : Beteiligungen an Flughafengesellschaften
— Drucksachen V/202, V/321 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Freiwald
14. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen (23. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Grundstückstausch mit dem Land Berlin
— Drucksachen V/25, V/322 — Berichterstatter: Abgeordneter Graaff
15. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen (23. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen
betr. Zustimmung des Bundesrates und des Deutschen Bundestages zur Überlassung junger Aktien der Deutschen Lufthansa AG an private Zeichner
— Drucksachen V/209, V/323 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Das Haus ist damit einverstanden, daß wir der Einfachheit halber über alle Berichte gemeinsam abstimmen. Ich komme also zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen V/321, V/322 und V/323. Wer zustimmen will, gebe bitte das
Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Anträge sind einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes auf der Karthause in Koblenz an die Gemeinnützige Deutsche Wohnungsbaugesellschaft mbH Berlin
— Drucksache V/336 —
Der Antrag soll an den Ausschuß für das Bundesvermögen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe schließlich Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Mertes und Genossen
betr. Einsicht in Gesetzentwürfe durch Abgeordnete
— Drucksache V/126 —
Das Wort wird nicht gewünscht. Es ist vorgesehen, den Antrag an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit stehen wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 4. März, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.