Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die heutige Sitzung.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksachen 11/880 und 11/896 —
Zuerst sind die Dringlichkeitsfragen der Kollegen Frau Fuchs , Koschnick und Heistermann aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung zu beantworten. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die dringliche Frage 1 der Abgeordneten Frau Fuchs auf:
Trifft es zu, daß die NATO beabsichtigt, einen ständigen Einsatzverband nach dem Vorbild der STANAVFORLAND für das Mittelmeer aufzustellen, an dem sich die Bundesrepublik Deutschland mit einer/m Fregatte/Zerstörer und einer Versorgungseinheit beteiligt?
Frau Kollegin Fuchs, bisher gibt es nur einen Abrufverband im Mittelmeer — NATO-Sprache: on call, also zeitweise — , an dem deutsche Einheiten nicht beteiligt sind. In der NATO wird aber seit längerer Zeit geprüft, ob dieser Verband umgewandelt werden soll in einen ständigen Einsatzverband. Diese Diskussionen laufen. Ob sich nach einer solchen Entscheidung die Deutschen beteiligen und wie sie sich beteiligen, wäre dann, Frau Kollegin — erst dann — , zu entscheiden.
Eine Zusatzfrage, Frau Fuchs.
Herr Staatssekretär, wäre in einem solchen Fall, den Sie heute sozusagen etwas in weite Ferne rücken, die Logistik der Bundesmarine darauf eingestellt, die Versorgung aller deutschen Einheiten in den bestehenden und dann, wie gesagt, zukünftigen Einsatzverbänden der NATO sicherzustellen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: In Verbindung mit der Logistik der anderen Marinen unserer Partner wird unsere Marine das schaffen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Fuchs.
Herr Staatssekretär, angesichts der gegenwärtigen Debatten, die wir um Kosten und Personal führen, werden Sie verstehen, daß es von besonderem Interesse wäre zu wissen, welche zusätzlichen Sach- und Personalkosten durch die Dislozierung der möglicherweise zukünftig zu stellenden Marineeinheiten in dem Einsatzverband der NATO entstünden.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Schwimmen würden diese Schiffe ohnehin; dann an einem anderen Ort. Das bringt ohnehin feste Kosten mit sich. Daß eine Verlegung zu einem dieser Einsatzverbände — wir haben ja einen im Atlantik und einen im Kanal — weitere Geldkosten mit sich brächte, wissen wir. Umsonst ist das nicht. Aber hier stellt sich die Frage — es kommen j a noch mehr dringliche Fragen — der Solidarität, des Zusammenstehens, des Lastenverteilens nicht nur auf andere. Vielmehr geht es darum zu prüfen, ob man in einer bestimmten Situation auch selbst irgendwelche Lasten übernimmt.
Diesen Fragen geht die Bundesregierung sehr ernsthaft nach. Wir haben uns dem zu stellen, auch wenn das dann Geld kostete.
Darf ich die Kollegen — teils auf der Regierungsbank, teils vor ihr stehend — bitten, sich woanders hinzubegeben, damit uns nicht das Blickfeld verstellt wird?
Jetzt hat Herr Abgeordneter Heistermann eine Zusatzfrage. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie denn eine Aussage darüber machen, was zugesagt worden ist, welche Leistungen die Bundesrepublik erbringen soll oder will?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß Sie meine Antwort gehört haben. Es gibt keinen — wie der Frage zugrunde liegt — ständigen Einsatzverband im Mittelmeer. Es laufen Diskussionen. Wenn diese in der NATO abgeschlossen sind, werden wir möglicherweise gebeten, uns auch zu beteiligen. Dann haben wir zu prüfen, ob und wie.
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1908 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie werden mir zustimmen, daß die Frage nicht lautet, ob es einen gibt, sondern daß sie lautet, ob beabsichtigt ist, einen aufzustellen. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie das mit Ja beantwortet. Es gibt ja auch Zusagen des Bundeskanzlers auf dem Gipfel in Venedig in Richtung der Übernahme von Aufgaben auf der Atlantikroute durch die Bundesmarine. Sind denn im Zusammenhang mit den Zusagen des Bundeskanzlers gegenüber den anderen Verbündeten schon irgendwelche Planungen oder Vorplanungen durchgeführt worden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, richtig ist, daß das zwei Paar Schuhe sind. Es steht die Zusage des Bundeskanzlers im Raum, weil sich die Amerikaner und inzwischen auch viele andere Alliierte direkt im Golf engagieren, daß wir nicht wegsehen, sondern innerhalb des Geltungsbereiches des NATO-Gebiets zeitweise eine entlastende Aufgabe übernehmen. Diese Zusage steht so klar wie die Aussage, daß wir selbst mit unseren Teilen der Marine nicht in den Golf gehen.
In Ihrer Frage wird nach dem ständigen Einsatzverband im Mittelmeer gefragt.
Den gibt es in den Überlegungen, in den Planungen, die möglicherweise zum Ergebnis haben, dies zu tun. Aber eine definitive Entscheidung in den NATO-Gremien oder gar entsprechende Hinweise von uns gibt es in diesem Zusammenhang nicht.
Dr. Lippelt als nächster, bitte schön.
Herr Staatssekretär, gibt es denn für diesen rein theoretischen, eventuell gar nicht eintretenden Fall in Ihren Planungsunterlagen schon einen Kostenvoranschlag?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Nein.
Ich rufe die dringliche Frage 2 der Abgeordneten Frau Fuchs auf:
Wenn ja, ist dieser ständige Einsatzverband als Ersatz für den von der 6. US-Flotte in den Persischen Golf verlegten Schiffe vorgesehen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, meine Antwort hierauf ist nein.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Frau Fuchs?
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jungmann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, da Sie auf diese Frage mit Nein geantwortet haben, frage ich Sie: Ist es denn richtig, daß Verbände der 6. US-Flotte zum Einsatz im Golf aus dem Mittelmeer abgezogen sind, und welche Überlegungen bestehen in der
NATO, um diese abgezogenen Einheiten zu ersetzen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Wir werden sie nicht ersetzen können. Das lag der Frage zugrunde, und deshalb war meine Antwort nein. Daß wir eine gewisse Entlastung militärisch-kräftemäßig schaffen können und daß wir ein bündnispolitisches Signal setzen werden, zusammenzustehen, auch in einer ungewohnten, aber zeitlich begrenzten Form einen Teil zu übernehmen, dies ist politisch damit beabsichtigt.
Zusatzfrage des Abgeordneten Heistermann.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung generell bereit ist, selbst wenn Schiffe der Amerikaner aus der Nordflanke zurückgezogen werden müssen, zeitweise zusätzliche Aufgaben zu übernehmen — wenn das gleiche Modell für den Mittelmeerraum gilt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in der Frage 2 wird gefragt, ob wir möglicherweise Schiffe von uns als Ersatz für die 6. US-Flotte ansehen. Ich sehe keinen Zusammenhang zu der Frage, die Sie jetzt stellen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Horn.
Herr Staatssekretär, auf welcher Ebene und mit welchem Ergebnis sind diese Fragen bisher behandelt worden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in den zuständigen militärischen Gremien der NATO wird darüber nachgedacht, ob es sich anbietet, in dieser Situation, entstanden durch die Vorkommnisse im Golf, eine dritte ständige Einsatzgruppe im Mittelmeer zu planen. Diese militärische Empfehlung liegt noch nicht vor. Sie kennen den Entscheidungsgang, wenn die Admirale etwas beschlossen haben: daß es dann zunächst auf die politische Ebene kommt. Dort ist dies noch nicht.
Ich rufe die dringliche Frage 3 des Abgeordneten Koschnick auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen oder dementieren, daß mit dem Abzug der beiden Schiffe für den ständigen Einsatzverband im Mittelmeer die Bundesmarine ihre bisherigen im Rahmen der NATO übernommenen Aufgaben nicht mehr vollständig erfüllen kann?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Koschnick, eine mögliche Beteiligung deutscher Schiffe würde — Sie sehen den Konjunktiv — die Aufgabenerfüllung der Marine in der NATO nicht beeinträchtigen. Entsandte Einheiten könnten jederzeit rechtzeitig in ihr eigentliches Operationsgebiet zurückgerufen werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Koschnick.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987 1909
Ich habe dies zwar nicht gesehen, aber gehört, Herr Präsident.
Das heißt, Sie erklären frank und frei, die Marine sei auch jetzt in der Lage, die notwendigen Aufgaben in der NATO zur Verteidigung der See-Ausgänge Ostsee, Nordsee und Nordmeer voll zu erfüllen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich erkläre — bei Ihren Worten bleibend — frank und frei, daß es die Eigentümlichkeit von modernen Schiffsverbänden, auch unserer Bundesmarine, ist, äußerst flexibel und mobil zu sein. Sie sind in der Lage, auch wenn sie irgendwo im Atlantik oder im Mittelmeer sein sollten, mit erheblicher Geschwindigkeit wieder im eigenen Operationsgebiet zu sein, wo wir sie bräuchten, um den notwendigen Aufgaben nachzukommen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Koschnick, bitte schön.
Ich akzeptiere, wenn Sie sagen, die Marine sei flexibel. Sie sind es auf der Hardthöhe wahrscheinlich auch. In dieser Frage ist mein Problem: Ist die politische Führung von vornherein involviert gewesen, oder ist es eine reine verteidigungspolitische Überlegung auf einer anderen Ebene gewesen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diesen Gegensatz sehe ich überhaupt nicht. Eigentümlichkeit der modernen Marine ist es, schnell verlegt werden zu können. Wenn es dann soweit ist — wir sprachen über den Gipfel von Venedig und unsere Bündnispflichten; das ist ja ein anderer Schuh als eine ständige Einsatzgruppe — , wären wir trotz der nur ausreichenden Kräfte, die wir haben — wir haben bei uns vor der Haustür, in der Ostsee, in der Nordsee, im Nordmeer und im östlichen Atlantik keine Verbände zuviel — , militärisch, militärpolitisch und politisch in der Lage, aus Bündnissolidarität ein begrenztes Kontingent auf Zeit auch in andere Räume innerhalb des NATO-Gebietes zu entsenden, weil wir sie ruckzuck wieder bei uns haben könnten.
Ohne weitere Forderungen an Schiff und Personal, ruckzuck?
Augenblick? Das wäre schon Kommentierung. Es waren schon zwei Fragen.
Jetzt kommt der Abgeordnete Jungmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir einmal erklären, wie das ruckzuck gehen soll, wenn der angenommene Verband in der Nähe Kretas steht und zu einem Einsatz in der Norwegensee angesichts der Bedrohungssituation an der Nordflanke benötigt wird, die ja der Oberbefehlshaber der NATO Europa und Atlantik und der Inspekteur der Marine als die größte Bedrohung auf See von der sowjetischen Nordmeerflotte bezeichnet hat? Ich möchte jetzt wissen, wie ruckzuck das geht: 48 Stunden, wie ja die Vorwarnzeit ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das will ich Ihnen sehr klar erklären. Die Erklärung ist ganz leicht. Wir leben im Jahre 1987 in einer politischen Landschaft, in der zwischen Ost und West, auch in dem von Ihnen angesprochenen Raum, trotz gewaltig überlegener militärischer Marinepräsenz glücklicherweise eine politische, auch sicherheitspolitische Situation herrscht, in der die Situation, über die Sie eben sprachen, höchst unwahrscheinlich, ich würde sogar sagen: ausgeschlossen ist. Ich würde, wenn sich diese Merkmale änderten, rechtzeitig im zeitlichen Vorlauf genügend Hinweise haben, um dort unten rechtzeitig zu sagen: Kehrt machen, hier hoch! Dann wissen Sie als ein sich in unserer Marine Auskennender, wie wenige Tage — in Stunden wäre das zu zählen — solche modernen Verbände da sind, wo ich sie brauche.
Frau Fuchs hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie etwas fragen, da Sie eine mir durchaus sympathische Komponente in die Bedrohungsanalyse einführten, indem Sie sagten: Politik spielt hier auch noch eine Rolle. Wären Sie bereit, das den Militärs mitzuteilen, die für die Politiker ständig Bedrohungsanalysen verfertigen, um ihre Waffensysteme, die sie zu brauchen meinen, durchzusetzen, die ausschließlich von „worst case"-Kriegsszenarien ausgehen und mit Politik in diesem Sinne nichts zu tun haben und die politische Komponente, wie Sie sie gerade vorgeführt haben — was ich begrüße — , überhaupt nicht einbeziehen?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Fuchs, wir gehen ein bißchen weg von der Frage.
Mich lockt das wie Sie. Ich weiß nicht, welche Militärs Sie meinen. Hohe deutsche
und alliierte Befehlshaber
im Kommando wissen heute, daß neben den militärischen geographische, wirtschaftliche und politische Faktoren eine ganz wichtige Rolle bei der Beurteilung der Situation, bei der Präsenz, bei der Ausbildung, Vorbereitung, Dislozierung usw. spielen. Ich würde mir wünschen, daß die Militärs und die Politiker im Osten ähnlich breit urteilten und solche Dinge, die jeder hier bei uns lesen kann, in ihre starke und uns kräftig überlegene militärische Präsenz einbeziehen.
— Sie wollten das so.
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1910 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Augenblick! Der Präsident muß erst einmal den Stenographen helfen. Denn dieses „worst case" und was dann kam, habe auch ich hier oben nicht verstanden, obwohl mein Englisch dafür eigentlich ausreichen sollte. Vielleicht helfen Sie nachher den Stenographen, es ein bißchen klarer zu hören.
Jetzt kommt eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Lippelt.
Herr Staatssekretär, sehe ich es richtig, daß die entlastenden Schiffe im Mittelmeer eine indirekte Beteiligung der deutschen Marine im Golfkonflikt darstellen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das sehen Sie nicht richtig.
Jetzt kommen wir zur dringlichen Frage 4 des Abgeordneten Koschnick:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die zur Zeit für den Bereich des Nordatlantiks, des Nordmeeres, der Nordsee und den englischen Kanal zur Verfügung stehenden maritimen Einsatzverbände angesichts der Bedrohungssituation gerade noch ausreichend sind, und wenn ja, wie will die NATO die Verteidigungsfähigkeit dieser Regionen sicherstellen, wenn Belgien, Großbritannien, die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland Einheiten aus diesem Bereich für den Einsatz im Golf bzw. für einen ständigen Einsatzverband im Mittelmeer abziehen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Koschnick, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die zur Verfügung stehenden Einsatzverbände der NATO in den angesprochenen Seegebieten ausreichen. Wir gehen davon aus, daß entsandte Einheiten bei Erkennen krisenhafter Entwicklungen — wir haben das eben schon ein bißchen vorweggenommen — rechtzeitig und jederzeit und innerhalb einer kurzen Zeit hierher zurückkehren können.
Zusatzfrage, Herr Koschnick.
Herr Staatssekretär, würden Sie es akzeptieren, daß nach Ihren vorherigen Ausführungen zu diesem Fall bei uns die Frage aufkommt, ob die Marine beabsichtigt, ihren Aufgabenbereich auszudehnen, nachdem sie bereits im Jahre 1980 im NATO-Konzept CONMAROPS den Wegfall der Beschränkung des Einsatzes der deutschen Marine außerhalb des 61. Grades Nord und der Linie Dover—Calais erreicht hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich akzeptiere die Frage, aber nicht das, was Sie mit ihrem Inhalt zugrunde legen.
Zusatzfrage, Herr Jungmann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, bei den hier in Rede stehenden NATO-Partnern handelt es sich ja nicht nur um die Bundesrepublik, sondern auch um die Niederlande, Belgien und Großbritannien. Ferner geht es um Teile von US-Einheiten aus dem Nordatlantik, die sich, wie wir alle wissen, nicht im Mittelmeer befinden, sondern die auf Grund nationaler Entscheidungen auf dem Marsch zum Persischen Golf sind bzw. sich zum größten Teil schon dort aufhalten. Sind Sie mit mir der Meinung, daß diese in dem von Ihnen angesprochenen Fall noch weniger ruckzuck zur Verfügung stünden als die zukünftigen Einsatzverbände im Mittelmeer?
Es geht hier also um zwei Situationen: Abzug von Einheiten auf Grund nationaler Entscheidungen in den Golf und eine NATO-Entscheidung, eventuell einen Verband im Mittelmeer aufzustellen. Wie beurteilen Sie diesen Sachverhalt im Zusammenhang mit der vorhin von Ihnen selbst dargestellten Bedrohungsanalyse?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die Bedrohungsanalyse — ich greife gleich die letzte Frage aus Ihrer Kette auf — hat sich nicht geändert. Die Notwendigkeit, Marinestreitkräfte in den genannten Bereichen hier bei uns — ich habe sie aufgezählt — zu haben, besteht uneingeschränkt weiter.
Aber wir können den Kopf nicht in den Sand stekken, Herr Kollege Jungmann. Die Situation im Golf erfordert bestimmte Maßnahmen. Hier beteiligen wir uns direkt vor Ort nicht. Andere tun dies, auch für Deutschland, auch für uns. Hier schaffen wir wegen dieser Situation innerhalb des Bündnisses — die da unten tragen dabei nicht ungefährliche Lasten — eine gewisse Entlastung. Wir hoffen, daß diese Lasten nur für eine bestimmte Zeit getragen werden müssen.
Ich hoffe, wir sind uns bei allem Unterschied in mancher Frage einig, daß alles getan werden muß, um zu einer Normalisierung der Situation im Golf zu kommen, damit dort wieder eine freie, ungehinderte Schiffahrt gewährleistet wird, an der auch wir Interesse haben. Wenn dies geschehen ist, dann ist die Frage, über die wir jetzt diskutieren, müßig.
Zusatzfrage, Herr Heistermann.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, der UNO ein Kontingent zur Verfügung zu stellen, um Friedensaufgaben innerhalb des Golf-Bereichs zu erfüllen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Diese Überlegungen gibt es in konkreter Form nicht.
Herr Heistermann, jetzt kommt Ihre Dringlichkeitsfrage 5:
Hat die Bundesregierung neue Erkenntnisse, nach denen die Bedrohungsanalyse des Bundesministers der Verteidigung für diese Region revidiert werden muß?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Meine Antwort ist — Sie werden es erahnen — nein.
Eine Zusatzfrage, Herr Heistermann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wenn die Antwort nein lautet, möchte ich von Ihnen wissen, wie unsere Marine ihren Auftrag, den sie über die NATO übertragen bekommen hat, nämlich die Seeausgänge und die Nordflanke zu verteidigen, sicherstellen soll,
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987 1911
Heistermannwenn es zu einem Abzug von Kreuzern, Versorgungsschiffen und/oder Zerstörern käme?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Diese Sicherstellung — ich muß mich wiederholen — erfolgt dann durch eine Abstellung auf Zeit, mit der ausdrücklichen Möglichkeit, ja, Notwendigkeit, diese Schiffe, falls erforderlich, umgehend zurückzubeordern.
Zweite Zusatzfrage, Herr Heistermann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, hat die Marine denn bereits Planungen angestellt, neue Schiffe sozusagen als Ersatz für Schiffe zu bekommen, die dann für andere Aufgaben verwendet werden sollen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Diese Schiffe werden nicht auf Dauer abgezogen, sondern müssen im Marineverband — in der Ostsee, in der Nordsee, im Nordmeerbereich — ihren Auftrag erfüllen. Sie würden gerufen, wenn dies dort auf Grund einer Änderung der Lage erforderlich ist.
Keine weitere Zusatzfrage von Herrn Heistermann. Dann eine Zusatzfrage von Herrn Jungmann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie haben die Bedrohungsanalyse an der Nordflanke als unverändert dargestellt. Würden Sie mir zustimmen, daß die Situation am Golf, wie Sie es einleitend schon dargestellt haben, nicht primär durch die Entsendung von militärischen Einheiten, also Kriegsschiffen, zu lösen ist, daß sich die Bundesregierung vielmehr innerhalb der UNO für eine UNO-weite Lösung und für ein absolutes Waffenembargo gegen die beiden kriegführenden Nationen, das auch in der Bundesrepublik Deutschland zu beachten wäre, einsetzen müßte?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß wir uns darin einig sind, daß neben den Fragen, die unsere marine-, militär-, sicherheits- und allianzpolitischen Interessen berühren — politisch von jedem in der Welt in jede Richtung alles getan werden muß, damit dieser Konflikt — und auch andere, die es zur Zeit in der Welt gibt — beigelegt wird und daß keine neuen entstehen.
Das waren die Dringlichkeitsfragen. Wir bleiben beim gleichen Geschäftsbereich, Herr Staatssekretär. Ich bitte Sie, die Frage 20 des Abgeordneten Kolbow zu beantworten.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß der Inspekteur des Heeres am 12. September 1987 die Weisung des Kommandierenden Generals des II. Korps in Ulm vom 29. Juni 1987 aufgehoben hat, Soldaten einen gleich langen Freizeitausgleich zu gewähren, die an Wochenenden oder an Feiertagen Dienst tun müssen, und welche Maßnahmen hält die Bundesregierung in der Bundeswehr für angebracht, bei der Dienstplanung rationeller mit der Zeit der Soldaten in den Einheiten umzugehen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolbow, die Bundesregierung hält die getroffene Maßnahme des Inspekteurs des Heeres deshalb für gerechtfertigt, weil wir es für unangebracht halten, in diesem komplexen und komplizierten Zusammenhang irgendwelche schematischen zentralen Regelungen zu erlassen. Unsere Kompanien und Einheiten haben derart unterschiedliche Aufträge, daß man mit einer pauschalen Regelung hier die Bewegungsfreiheit der einzelnen Vorgesetzten auf dieser unteren Ebene der Chefs in einer Form einengen würde, die sie unbeweglich machen, den von uns angestrebten Freizeitausgleich, wo immer möglich, in beweglicher Form herzustellen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Es ist eine große Anzahl von Maßnahmen ja bereits eingeleitet: Weisungen, Erlasse und Vorschriften und vieles andere. Dies geschieht immer mit dem Ziel, Dienstzeiten zu straffen und zusammenzufassen, Aufgaben zu verringern, überhöhte Belastungen durch Freistellungen auszugleichen. Überall dort erst, wo dies nicht möglich ist, sollen dann besondere und ungewöhnlich hohe individuelle Belastungen durch finanzielle Anerkennung ausgeglichen werden, soweit dies geht. Ich glaube, wir sollten besser „anerkannt werden" sagen, denn ein Ausgleich ist es nicht.
Herr Kolbow zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist dann die Auffassung falsch, daß der in die Öffentlichkeit gelangte Streit zweier hoher militärischer Repräsentanten der Bundeswehr seine Ursache in den bisher mangelnden Vorgaben der politischen Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ihr Eindruck, Herr Kollege, ist falsch. Ich gehe auch davon aus, daß Sie ihn persönlich gar nicht haben und teilen. Ich gebe allerdings zu, daß ich mir gewünscht hätte, daß auf dieser hohen militärischen Ebene vorher ein bißchen mehr Verbindung aufgenommen worden wäre, damit ein solcher Vorgang des Aufhebens nicht erforderlich gewesen wäre.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kolbow.
Im Interesse auch des betroffenen militärischen Führers, dessen Weisung korrigiert worden ist, Herr Staatssekretär, möchte ich Sie fragen, ob vom Inspekteur des Heeres — in diesem Fall vom früheren Inspekteur des Heeres — Kontaktfehler begangen worden sind.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das sehe ich nicht. Ich sagte schon, ich hätte mir gewünscht, daß hier die Verbindung in dieser Richtung ein bißchen enger gewesen wäre, damit ein solcher Vorgang nicht passiert wäre. Im übrigen zeigt das, daß die Bundeswehr in der Lage ist, auf allen Ebenen beweglich zu reagieren, wenn dies nötig ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Heistermann.
Herr Staatssekretär, um einen Begriff von Ihnen aufzuwärmen: War das eine Ruckzuck-Entscheidung des KGs, oder konnte der KG eine so weitreichende Anordnung aus der Sicht des BMVg treffen?
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1912 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Was heißt denn für den Laien „KG "?
Kommandierender General.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Wir gehen davon aus, daß in allen Ebenen der Bundeswehr — da müssen wir noch ein bißchen üben; manches ist da eingeschlafen, und Sie werden wissen, in welcher Zeit — die Verantwortung so gegeben ist, daß man bestimmte Entscheidungen in einer ziemlich großen Bandbreite treffen darf. Wir wollen, daß möglichst viel an Entscheidungsbefugnissen delegiert wird, gekoppelt allerdings mit Verantwortung.
Wir kommen zur Frage 21 des Abgeordneten Kolbow.
Wann und mit welchem Inhalt ist die vom Heeresinspekteur angekündigte Neuregelung des Dienstzeitausgleichs auf individueller Basis zu erwarten?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolbow, Sie fragen hier auch nach zweierlei, einmal nach dem Wann und dann nach dem Wie. Zunächst zum Wann. Hier ist die Ressortabstimmung zwischen den in Frage kommenden Ministerien abgeschlossen. Die Verbände sind im Augenblick, wie vorgeschrieben, angeschrieben. Sie haben bis zum 26. Oktober — also bis zu einem kurz vor uns liegenden Datum — Zeit zur Abgabe der Stellungnahme. Dann kennen Sie den üblichen Gang, daß wir dies im Kabinett einbringen werden und daß es dann den Weg durch die Ausschüsse und das Parlament nehmen wird. Wir hoffen dann auf eine möglichst frühzeitige Inkraftsetzung. Das kann im Februar oder im März sein; das hängt ein bißchen von uns und von der Tagesordnung hier ab.
Zum Inhalt: Es ist geplant, daß künftig Wehrpflichtige 6 DM am Tag steuerfrei und Zeit- und Berufssoldaten 15 DM am Tag steuerpflichtig — das ist das Instrument auch bisher in ähnlicher Form gewesen — dann erhalten, wenn sie für mehr geleisteten Dienst keinen Freizeitausgleich haben bekommen können. Das ist die Prämisse, um die finanzielle Anerkennung für mehr geleistete Stunden zu gewähren. Erst wenn der Freizeitausgleich nicht geht, soll dieses Geld gezahlt werden, und zwar dann, wenn mindestens dreimal im Monat mehr als 12 Stunden an einem Tag zusammenhängend Dienst geleistet wurde oder mehr als 12 bis 24 Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Ich bin sicher, daß wir Einzelheiten noch in dem zuständigen Ausschuß beraten.
Zusatzfrage, Herr Kolbow.
Herr Staatssekretär, haben Sie Kontakte zum Bundeswehrverband in dieser Frage im jetzigen Stadium? Wenn ja, glauben Sie, daß davon die Bestrebungen, Verfassungsklage wegen des Dienstzeitausgleichs einzulegen, berührt werden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Kontakte haben wir. Ich greife tunlichst den Ergebnissen dieser Gespräche nicht vor.
Herr Heistermann, bitte schön.
Herr Staatssekretär, würde die Bundesregierung einer gesetzlichen Dienstzeitregelung für alle Soldaten im Grundsatz zustimmen, und wäre die Bundesregierung bereit, eine parlamentarische Initiative in dieser Sache zu akzeptieren und zu unterstützen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben oft darauf hingewiesen, daß der Auftrag unserer Bundeswehr, für uns alle die Sicherheit zu erhalten und den Krieg zu verhindern, in den 40 Stunden leider nicht zu erfüllen ist. Wir müssen an dem Instrument festhalten, allerdings in sorgsamem Umgang mit dem hohen Gut der Zeit unserer Soldaten, dessen Wert wir uns alle — auch die militärischen Führer — bewußt sind, von der dienstlichen Regelung einer bestimmten Zeit abzusehen und einen Ausgleich auf die Art zu schaffen, die ich eben erläutert habe.
Herr Penner, Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Kollege Würzbach, hat der Finanzminister in dieser Frage schon sein Wort geredet? Welchen finanziellen Umfang haben denn die vorgeschlagenen Maßnahmen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe über die Abstimmung zwischen den Ressorts schon gesprochen. Der finanzielle Umfang wird nach unseren Berechnungen etwa bei dem bleiben, was wir dafür heute bereits im Haushalt angesetzt haben und vorher hatten.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs, da die Fragen 22 und 23 der Abgeordneten Stiegler und Gansel auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen auf. Ich glaube, es besteht unter den Fragestellern Einverständnis, daß die Fragen des Abgeordneten Bernrath vorgezogen werden sollen.
Ich rufe also zunächst die Frage 51 des Abgeordneten Bernrath auf:
Wann ist zuletzt der Präsident einer Oberpostdirektion gegen
seinen Willen versetzt worden, und aus welchem Anlaß?
Ich bitte den Staatssekretär Rawe um Beantwortung.
Herr Präsident, wenn der Kollege Bernrath einverstanden ist, würde ich sehr gern wegen des Sachzusammenhangs die Frage 52 gleich mit beantworten.
Er ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 52 des Abgeordneten Bernrath auf:
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987 1913
Vizepräsident WestphalWas hat den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen veranlaßt, den Präsidenten der Oberpostdirektion München mitten in der Aufklärung einer Betrugs- und Korruptionsaffäre abzulösen und mit einem Sonderauftrag zum Fernmeldetechnischen Zentralamt nach Darmstadt zu schicken?Rawe, Parl. Staatssekretär: Die Präsidenten der Oberpostdirektionen haben im Rahmen der angestrebten Mobilität von herausgehobenen Führungskräften, Herr Kollege Bernrath, wiederholt die Leitung anderer Mittelbehörden übernommen bzw. sind mit der Wahrnehmung anderer Aufgaben betraut worden. Es ist Ihnen nicht unbekannt, daß sich der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen immer um das Einvernehmen der betroffenen Beamten bemüht hat. Die Notwendigkeit von Versetzungen gegen den Willen betroffener Beamter hat sich bisher nicht ergeben.Ich darf allerdings darauf hinweisen, daß im übrigen für Präsidenten von Oberpostdirektionen das gleiche Recht gilt wie für alle Beamten des Bundes. Danach können Beamte aus dienstlichen Gründen auch gegen ihren Willen versetzt werden, wie es in § 26 des Bundesbeamtengesetzes heißt. Sie wissen, daß lediglich die Voraussetzung erfüllt sein muß, daß sie in ein Amt mit demselben Grundgehalt und einer gleichwertigen Laufbahn versetzt werden.Der Präsident der Oberpostdirektion München ist — das darf ich hier zur Klarstellung sagen — nicht, wie fälschlicherweise in der Öffentlichkeit berichtet worden ist, versetzt worden, sondern mit Wirkung vom 16. September 1987 für voraussichtlich sechs Monate zur Erledigung eines bedeutsamen Sonderauftrags auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung zum Fernmeldetechnischen Zentralamt nach Darmstadt abgeordnet worden. Den rechtlichen Unterschied brauche ich Ihnen sicherlich nicht zu erklären, Herr Kollege.Ursächlich waren neben der besonderen Bedeutung des Sonderauftrags die im Bereich der Oberpostdirektion München aufgetretenen innerdienstlichen Spannungen. Die Untersuchung der bei der Oberpostdirektion München aufgekommenen Verdachtsmomente um Vergabeunregelmäßigkeiten im Hochbau wird durch die Abordnung des Präsidenten der Oberpostdirektion München nicht berührt.
Eine Zusatzfrage, Herr Bernrath!
Herr Staatssekretär, Sie weisen ausdrücklich darauf hin, daß er einen bedeutsamen Sonderauftrag hat wahrnehmen müssen, und schließen Ihre Feststellung daran an, daß für die Übertragung dieses Auftrages aber wohl Unregelmäßigkeiten und Unstimmigkeiten in der Direktion in München ursächlich waren. Ich schließe daran zunächst die Frage an: Welche konkreten Unstimmigkeiten und welche konkreten Fehlentscheidungen werden durch Ihr Ministerium dem Präsidenten der OPD in München im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Baufirma Kunze GmbH und im Zusammenhang mit anderen behaupteten innerbetrieblichen Problemen eigentlich vorgeworfen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es zwei Gründe gibt, nämlich zum einen den dienstlichen Sonderauftrag und zum anderen die Spannungen innerhalb der Oberpostdirektion in München. Die Verdachtsmomente, die Sie für ein Fehlverhalten nach der einen oder anderen Seite hineininterpretieren wollen, möchte ich so nicht akzeptieren. Ich möchte aber auch wegen der in München laufenden Verfahren und auch wegen des Verwaltungsstreitverfahrens, das der Betroffene selbst eingeleitet hat, im gegenwärtigen Zeitpunkt keine weiteren Auskünfte dazu erteilen. Ich bitte einfach um Verständnis dafür. Sie wissen, daß wir in der zweiten Instanz das Eilverfahren gewonnen haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Ich muß noch einmal nachfragen, Herr Staatssekretär. Sie selbst haben mir das Stichwort geliefert, indem Sie gesagt haben: Ursächlich waren zum einen der Sonderauftrag und zum anderen das, was Ihnen wohl an innerbetrieblichen Spannungen berichtet worden ist. Ich frage anders herum: Wenn beides eine Rolle spielte, gab es dann für diesen bedeutsamen Auftrag keinen geeigneten Mann beim Fernmeldetechnischen Zentralamt oder in anderen Bereichen der Post? Welche persönlichen individuellen Voraussetzungen hat eigentlich der Herr Präsident Meier für diesen bedeutsamen Auftrag im Bereich der Informationsverarbeitung auf Grund seiner allgemeinen Berufserfahrung, auf Grund seiner speziellen Ausbildung oder auf Grund welchen Anlasses sonst?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Daß er auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit die Erfahrungen hat, ist unstreitig. Herr Kollege Bernrath, ich sage noch einmal — ich bitte um Verständnis — : Ich habe nicht die Absicht, zu den Einzelheiten, die jetzt in dem Verwaltungsstreitverfahren noch anhängig sind, hier Stellung zu nehmen. Ich könnte beispielsweise aus der ersten Gerichtsentscheidung zitieren. Ich halte das weder im Interesse des Verfahrens noch im Interesse des Betroffenen für klug.
Sie haben weitere Zusatzfragen. Bitte schön, Herr Bernrath.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, daß ein Beamter im Rahmen des Direktionsrechtes versetzt oder abgeordnet werden kann, daß man das aber im allgemeinen nicht gegen seinen Willen tut. Im Ausnahmefalle tut man das natürlich; der Ausnahmefall müßte dann aber begründet sein. Wenn Sie zur Person von Herrn Meier wegen des noch anstehenden Rechtsstreites hier nicht mehr konkret Stellung nehmen wollen, frage ich Sie: Warum haben Sie, wenn Sie eine so weitreichende Maßnahme gegen Herrn Präsidenten Meier getroffen haben, nicht beispielsweise auch die Beteiligten oder Urheber der Spannungen abgelöst, obwohl Sie andere Beamte der Verwaltung dispensiert oder auch entlassen haben? In diesem Zusammenhang frage ich auch, ob es überhaupt richtig ist, diese Leute während der laufenden Untersuchungen in ihrem Verantwortungsbereich zu belassen. Müßten Sie nicht auch hier nachprüfen lassen, wer ursächlich verantwortlich ist und welche
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1914 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
BernrathMaßnahmen notwendig sind, um aus diesen Abhängigkeiten wieder herauszukommen?Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, ich bitte sehr um Nachsicht. Ich habe versucht, diese Frage mit sehr viel Behutsamkeit zu behandeln. Wenn Sie es aber so genau wissen wollen, dann sage ich zunächst einmal dies: Aus Ihrer früheren Tätigkeit kennen Sie die Persönlicheitsstruktur des Betroffenen sehr genau. Ich rate Ihnen, sich mit dem Personalrat, der für diese Direktion zuständig ist, zu unterhalten. Dann werden Sie über die Ursachen der Spannungen sehr schnell genügend Auskünfte haben. Ich denke, das genügt. Ich möchte jetzt im Interesse des Verfahrens und des Betroffenen keine weiteren Auskünfte geben.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Paterna.
Herr Staatssekretär, ich respektiere, daß Sie nicht in ein schwebendes Verfahren eingreifen wollen. Ich bitte Sie aber, den Auftrag, der dort von Präsident Meier erfüllt werden soll, so genau zu beschreiben, daß klar wird, daß weder im Postministerium noch im Fernmeldetechnischen Zentralamt noch im Posttechnischen Zentralamt irgend jemand anderes in der Lage gewesen wäre, diesen bedeutsamen Auftrag zu erfüllen.
Herr Kollege, Sie hätten Ihren Beitrag mit einem Fragezeichen beenden müssen.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, ich habe ja sehr viel Verständnis dafür, daß Sie immer wieder darauf abstellen wollen; aber ich habe Ihnen ausdrücklich gesagt — ich bekenne mich dazu — : es gab die Notwendigkeit des Sonderauftrages, aber es gab auch die Notwendigkeit, dafür zu sorgen, daß in der Oberpostdirektion München wieder Ruhe und Ordnung einkehren, wenn Sie es denn so genau wissen wollen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Paterna.
Dann möchte ich noch gerne wissen, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses nun für diese sechs Monate nach Darmstadt abgeordnet sind und was mit den dienstlichen Obliegenheiten dieser abgeordneten Mitarbeiter hier in Bonn für die Zeit ihrer Tätigkeit in Darmstadt denn eigentlich passiert.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, Sie wissen aus der Kenntnis des Hauses sehr gut, daß wir häufig Sonderaufträge vergeben müssen und daß die Aufgaben dann in der Zwischenzeit von anderen Mitarbeitern wahrgenommen werden müssen.
Im übrigen fällt mir ein, daß ich zu Ihrer vorigen Frage noch nachtragen muß: Ich bin selbstverständlich gerne bereit, Ihnen Einsicht zu geben in den Sonderauftrag, den der Präsident Meier in Darmstadt zu erfüllen hat, damit Sie wirklich vollständig unterrichtet sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Penner.
Herr Staatssekretär, trifft es denn zu, daß der Präsident der Oberpostdirektion München in der angesprochenen Betrugs- und Korruptionsaffäre besonders engagiert ist und war, und, wenn ja, wäre es nicht sinnvoll gewesen, ihn gerade deswegen in München zu belassen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Penner, die Fragen werden nachher noch einmal aufgerufen, aber ich will schon jetzt gerne vorgreifend darauf antworten. Erstens war das Verfahren abgeschlossen; schon bevor er abgeordnet wurde, sind die entsprechenden Ermittlungsberichte an die Staatsanwaltschaft gegangen. Im übrigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München dazu ausdrücklich festgestellt, daß das persönliche Interesse eines Präsidenten ja nicht darin bestehen kann, einen bestimmten Auftrag zu erfüllen. Den Untersuchungsauftrag hat er ja auch vorher nicht erfüllt, sondern dafür war — wie Sie wissen — eine Arbeitsgruppe eingesetzt.
Sie können noch eine Zusatzfrage stellen, Herr Penner. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, wer hat denn diese Arbeitsgruppe eingesetzt?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Die Arbeitsgruppe hat der Präsident eingesetzt. Aber das bedeutet doch nicht, daß er noch dableiben muß, wenn die Arbeitsgruppe ihre Arbeit beendet hat.
Ich rufe nun die Frage 49 des Abgeordneten Börnsen auf:
Wie hoch ist nach Kenntnis des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen der Schaden, der der Deutschen Bundespost im Bereich der Oberpostdirektion München selbst sowie den Baufirmen entstanden ist, die um ihre ihnen rechtmäßig zustehenden Aufträge gebracht worden sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich hoffe, daß auch der Kollege Börnsen damit einverstanden ist, daß ich beide Fragen gemeinsam beantworte.
Er nickt intensiv.Ich rufe auch noch Frage 50 des Abgeordneten Börnsen auf:Warum hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen entgegen dem Vorschlag des Präsidenten der Oberpostdirektion München nicht die gesamte Firma K., sondern nur die Münchener Niederlassung dieser Firma von der Vergabe weiterer Bauaufträge ausgeschlossen?Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Börnsen, die Deutsche Bundespost macht gegenüber einer Baufirma Rückforderungsansprüche aus Abrechnungsverfahren geltend, die teilweise bereits rechtshängig sind. Die Rückforderungsansprüche belaufen sich auf etwa 1,3 Millionen DM. Sie werden von der
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987 1915
Parl. Staatssekretär RaweFirma bestritten; wie sie letztendlich zugesprochen werden, kann ich Ihnen heute auch nicht sagen.Zu der Frage, ob ein weiterer Schaden für die Deutsche Bundespost entstanden ist, kann ich nur sagen: Das wird sich erst ergeben, wenn die übrigen Untersuchungen abgeschlossen sind, an denen sich ja auch der Rechnungshof beteiligt.Ihre andere Frage beantworte ich wie folgt: Gemäß § 8 der Verdingungsordnung für Bauleistungen können Firmen von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden, die nachweislich schwere Verfehlungen begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellen. Liegen nur Verdachtsmomente für Verfehlungen vor, so ist wegen der schwerwiegenden Folgen, die bis zur Existenzgefährdung eines Unternehmens gehen können, an die Verhängung einer Auftragssperre ein sehr strenger Maßstab anzulegen. Sind im Bundesgebiet mehrere Filialen einer Firma unabhängig voneinander tätig, so kann jedenfalls nur die Filiale von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden, gegen die Verdachtsmomente — ich betone: Verdachtsmomente — für eine schwere Verfehlung gegeben sind.Ein Verdacht auf unzulässige Beeinflussung des Wettbewerbs und auf Abrechnung nicht erbrachter Leistungen richtete sich ausschließlich gegen Angehörige der Münchner Niederlassung der Firma. Gegenüber dieser Filiale jedoch ist eine bundesweite Auftragssperre verhängt worden. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, daß der Hauptverwaltung oder anderen Niederlassungen die betreffenden Vorgänge bei der Niederlassung in München bekannt gewesen sind. Nach den strengen Richtlinien, die wir nun einmal zugrunde legen müssen, bestand deswegen kein ausreichender Rechtsgrund, eine bundesweite Auftragssperre gegen sämtliche Niederlassungen der Firma zu erlassen.
Zusatzfrage, Herr Börnsen.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß dadurch, daß diese Zulassungssperre auf die Filiale in München beschränkt wurde, die Firma Kunz diesen Ausschluß ohne weiteres hätte — und hat — umgehen können, indem bei Ausschreibungen auch in München eine andere Niederlassung eingeschaltet wird?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann das nicht ausschließen. Nur müssen wir uns nach Recht und Gesetz bewegen. Da müssen eben schwerwiegende Verdachtsmomente auch gegen die anderen Niederlassungen vorliegen. Solange ich diese nicht habe, kann ich nicht anders handeln. Die Rechtsprechung ist da sehr eindeutig.
Weitere Zusatzfrage, Herr Börnsen.
Ich darf noch einmal nachfragen. Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß innerhalb der Firma Kunz GmbH über die rechtswidrigen Praktiken, die an Bestechung, an Korruption grenzen, die in München offensichtlich nachweisbar sind, bei den anderen Niederlassungen keine Informationen vorlagen und es keinen Austausch gab?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie sind mir nicht böse, daß es dabei nicht auf meine Meinung ankommt, sondern darauf, ob ich nachweisbare Verdachtsmomente vorzeigen kann.
Sie können weiterfragen. Bitte schön, Herr Börnsen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir denn sagen, welche Aufträge an andere Niederlassungen der Firma Kunz seitens der Bundespost ergangen sind, seitdem die Ausschlußverfügung in München erlassen wurde?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht sagen, Herr Kollege Börnsen, aber es gilt für uns als selbstverständlich, daß ich Ihnen das jederzeit gerne nachreiche.
Sie haben noch eine weitere Frage, Herr Börnsen. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob die anderen Oberpostdirektionen im Bundesgebiet die Vergabepraktiken und die Abwicklung der Verfahren im Zusammenhang mit anderen Niederlassungen der Firma Kunz auf Grund der Ereignisse in München überprüft haben?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Davon gehe ich aus.
Jetzt kommt eine Zusatzfrage des Abgeordneten Paterna.
Herr Staatssekretär, Sie hatten gerade dem Kollegen Börnsen auf dessen dritte Frage gesagt, Sie könnten die Frage nicht aus dem Stegreif beantworten. Ist es denn richtig, daß das Postministerium am Montag alle OPDen per Telefax — mit dem Datum 14.00 Uhr Montag — mit genau dieser Frage angefragt hat, und haben Sie bis heute keine Antwort auf diese Anfragen bekommen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Sie sind offensichtlich besser unterrichtet als ich. Ich muß allerdings zugeben: Ich war auch, wie Sie wissen, durch Krankheit ein bißchen behindert. Ich kenne diese Telefax-Anfrage nicht.
Aber da Sie in Begleitung Sachkundiger sind, wäre es vielleicht möglich, hier einmal festzustellen, ob meine Information richtig ist und ob es irgendwo eine schriftliche Unterlage gibt, die die Antwort auf die doch sehr präzise Frage jetzt ermöglicht.Rawe, Parl. Staatssekretär: Verzeihen Sie, Herr Kollege Paterna, ich bin auch gar nicht dazu bereit, das zu tun, und ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich habe Ihnen vorhin sehr deutlich gemacht, daß es darauf ankommen muß, ob ich gegen eine konkrete Filiale konkrete Verdachtsmomente vorzeigen kann. So-
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1916 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Parl. Staatssekretär Rawelange ich das nicht kann, kann ich — auch wenn esIhnen nicht schmeckt — nicht handeln. Tut mir leid.
Zusatzfrage des Abgeordneten Bindig.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, daß Sie davon ausgehen, daß sich die anderen Oberpostdirektionen die Aufträge der Firma K. jetzt besonders sorgfältig ansehen werden. Sind Sie bereit, dies nicht nur so anzugehen, daß Sie sagen, daß Sie davon ausgehen, sondern so, daß sie Sie sich auf diesem Gebiet sachkundig machen, wie das faktisch geschieht, und mir dann schriftlich mitteilen, wie das Ergebnis ausgesehen hat?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Sachkundig brauche ich mich in der Sache nicht zu machen. Nur stelle ich mich zunächst einmal vor die Mitarbeiter unseres Unternehmens. Wenn wir eine solche Sperre bundesweit aussprechen, dann haben unsere Mitarbeiter die Angewohnheit, diese auch zu beachten. Wenn Sie konkret Anlaß haben, das zu bezweifeln, dann teilen Sie es mir bitte mit. Ich bin gerne bereit, dem dann nachzugehen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Emmerlich.
Herr Staatssekretär, liegen die Tatbestände, die den Ausschluß von der Vergabe zur Folge hatten, nur bei denjenigen vor, die in der Münchener Filiale der Firma K. Verantwortung trugen, oder sind diese Tatbestände nicht in gleicher Weise in bezug auf die Firmenleitung der Firma K. insgesamt gegeben? Welche Folgen hätte das für den Ausschluß von der Vergabe?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Emmerlich, nehmen Sie es mir nicht übel: Ich habe jetzt mehrfach darauf hingewiesen, daß uns nur Verdachtsmomente gegen die Filiale in München bekannt waren.
Wir kommen zur Frage 53 des Abgeordneten Paterna.
Welche dienstlichen Maßnahmen wurden im Zuge der Aufdeckung der Betrugs- und Korruptionsaffäre vom Präsidenten der Oberpostdirektion München angeregt bzw. eingeleitet?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, der Präsident der Oberpostdirektion München hat im Rahmen der Untersuchungen der Unregelmäßigkeiten im Hochbau eine Reihe der in der Frage genannten Maßnahmen angeregt bzw. eingeleitet. Auch hier verbietet sich mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen, Einzelheiten hierzu mitzuteilen. Ich darf aber ausdrücklich hinzufügen, daß die Deutsche Bundespost alle erforderlichen dienstlichen Maßnahmen in dieser Sache mit Nachdruck fortführt.
Zusatzfrage, Herr Paterna.
Herr Staatssekretär, einmal allgemein gefragt: Hätte es nicht nahegelegen, den Leiter der Abteilung Hochbau und/oder seinen Stellvertreter zu suspendieren oder vorübergehend mit anderen Aufgaben zu betrauen, wenn in seinem Verantwortungsbereich so massive Fehlleistungen vorgekommen sind, für die die Vorgesetzten dieser inzwischen suspendierten Beamten doch Verantwortung tragen, sonst würden sie ja wohl nicht höher bezahlt als dieselben.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, ich bitte zunächst um Nachsicht, wenn ich mit Nachdruck die hier jetzt von mehreren Kollegen verwandte Terminologie „Korruptions- und Betrugsaffäre" zurückweise. Hier sind Verfahren noch in gar keiner Weise entschieden. Ich möchte nicht, daß wir in dieser Weise Vorverurteilungen von Betroffenen vornehmen, die durch gar nichts zu rechtfertigen sind.
Was im übrigen die von Ihnen gestellte Frage betrifft, so denke ich, werden Sie es der Unternehmensleitung der Deutschen Bundespost überlassen müssen, welche geeigneten Maßnahmen sie zu treffen hat; denn diese Maßnahmen sind ja, wie ich vorhin schon ausgeführt habe, im Eilverfahren vor dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof nachgeprüft und als richtig anerkannt worden. Dabei hat auch die von Ihnen — das wissen Sie aus der Begründung des Beschlusses — hier jetzt aufgeworfene Frage durchaus eine Rolle gespielt.
Zusatzfrage, Herr Paterna.
Herr Staatssekretär, ist es denn richtig, daß sich der Leiter der Abteilung Hochbau ein Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen von einer Baufirma hat bauen lassen, für die er bei Auftragserteilungen selber zuständig gewesen ist? Wenn das so ist, halten Sie dann einen solchen Beamten für in der Lage, seine Aufgaben unabhängig und pflichtgemäß wahrzunehmen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, Sie übernehmen jetzt eine Behauptung, die in dem Verwaltungsverfahren vorgetragen worden ist, die in keiner Weise bewiesen ist. Deswegen nehme ich dazu keine Stellung.
Gibt es zu dieser Frage jemanden, der eine Zusatzfrage stellen möchte? — Zunächst Herr Bernrath.
Herr Staatssekretär, es geht nicht um die Feststellung, hier habe Korruption vorgelegen, sondern es geht darum, daß der Vorwurf erhoben wird, es sei Korruption zu vermuten. Solche Vorwürfe werden bei uns natürlich untersucht. Ähnliche Vorwürfe hat es in den 70er Jahren gegen einen hochangesehenen Präsidenten einer Oberpostdirektion gegeben.
Herr Kollege, Sie müssen fragen!
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987 1917
Ich frage Sie, ob — wie damals — nicht derjenige, der den Vorwurf macht, abgelöst wird, sondern untersucht wird — in einem solchen Falle beispielsweise durch einen anderen Präsidenten — , welche Substanz diese Vorwürfe haben und welche Maßnahmen dann disziplinarisch erforderlich sind, wenn man die Substanz ermittelt hat.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, Sie haben diese Terminologie erneut übernommen. Nach dem bislang Bekannten ist sie durch nichts zu rechtfertigen. Ich weiß noch nicht — und Sie wissen es auch noch nicht — , was die Staatsanwaltschaft aus den vorgelegten Untersuchungsergebnissen macht. Solange ich das nicht weiß, bin ich ungern bereit, eine solche Terminologie zu übernehmen. Ich denke, dafür haben Sie Verständnis.
Daran, daß Unregelmäßigkeiten mit dem notwendigen Nachdruck untersucht werden müssen, kann es doch überhaupt keinen Zweifel geben. Um das hier einmal sehr deutlich zu sagen: Entgegen vielen anderen Behauptungen in der Öffentlichkeit, auch in einer Pressekonferenz, die von Ihrer Partei in München wahrgenommen worden ist, ist überhaupt nicht zu beanstanden, was immer wieder versucht wird, nämlich daß der Präsident an seiner Aufgabe, bestimmte Dinge aufzuklären, durch irgend jemanden gehindert worden ist. Im Gegenteil, er ist von der Leitung des Hauses nachdrücklich unterstützt worden. Das weiß er, und das bestreitet er auch nicht.
Zusatzfrage des Abgeordneten Börnsen.
Herr Staatssekretär, ich bin gerne bereit, Ihre Korrektur hinzunehmen und spreche von einer Affäre und nicht von einer Korruptionsaffäre. — Herr Staatssekretär, stimmen Sie nach dem, was Sie zuletzt sagten, mit mir darin überein, daß das Verhalten des Präsidenten der Oberpostdirektion München, Herrn Meier bei seinem sehr energischen Vorgehen zur Aufdeckung der Hintergründe dieser Affäre und der „Unregelmäßigkeiten" ohne Einschränkung begrüßt und unterstützt werden kann?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Nicht in allen Fällen.
Ich rufe Frage 54 des Abgeordneten Paterna auf:
Trifft es zu, daß die Arbeitsgruppe Hochbau der Oberpostdirektion München, die die Betrugs- und Korruptionsaffäre untersucht, ihre Untersuchungen betreffend die privaten Geschäfte des Leiters der Hochbauabteilung einstellen mußte, und wenn ja, auf wessen Weisung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die jetzt mehrfach zitierte Arbeitsgruppe Hochbau der Oberpostdirektion München private Geschäfte von Angehörigen der Oberpostdirektion München untersucht hat.
Zusatzfrage, Herr Paterna.
Herr Staatssekretär, wären Sie nach meinem Hinweis, daß zumindest der Verdacht besteht — ich drücke mich einmal vorsichtig aus — , daß sich der Leiter der Abteilung Hochbau einen nennenswerten Komplex von Eigentumswohnungen von einer Firma hat bauen lassen, an die er selbst auch Aufträge im Namen der Oberpostdirektion München vergeben hat, bereit, diesem Verdacht einmal nachzugehen und, falls das noch nicht geschehen sein sollte, das Untersuchungsverfahren gegebenenfalls auf diesen Komplex auszudehnen?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, das ist ganz selbstverständlich. Wenn uns solche Verdachtsmomente — auch wenn sie vielleicht unbegründet sind — in diesem Verwaltungsverfahren bekanntgeworden sind, dann können Sie sicher davon ausgehen, daß wir verwaltungsseitig auch solche Vorgänge prüfen, und das ist in der Tat auch eingeleitet worden.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Paterna.
Herr Staatssekretär, sind im Laufe der Untersuchungen — ich entnehme Ihren Antworten, daß das BPM intensiv daran beteiligt gewesen ist — Tatsachen bekanntgeworden, die darauf schließen lassen, daß es Beraterverträge von namhaften Landes- oder Bundespolitikern im Auftrage der Firma Kunz geben könnte, und, wenn das so wäre, könnte es dann nicht sein, daß hier entweder aus wirtschaftlichen oder parteipolitischen Interessen der Mantel des Schweigens über mögliche weitere Details gebreitet werden sollte?
Rawe, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, der Bundesregierung sind solche Verdachtsmomente nicht bekannt. Wenn Sie und andere Parteifreunde von Ihnen aber solche Verdachte äußern, dann wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie die auch konkretisieren würden, denn dann könnte man dem nachgehen. Einen solchen Verdacht in dieser Form nur auszusprechen, halte ich für einen ziemlich unmöglichen Vorgang.
Zusatzfrage des Abgeordneten Penner.
Herr Staatssekretär, ist es denn nicht eine besondere Delikatesse, daß ein Vorgang, der im Rahmen dieser Fragestunde unter dem Kürzel „Korruptions- und Betrugsaffäre" öffentlich behandelt wird, mit dem Willen der Post zu einem Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft führt und daß derjenige, der diese Ermittlungsverfahren besonders intensiv betrieben hat, von seiner Funktion als Präsident der Oberpostdirektion München abgelöst wird und andere wichtige Aufgaben im Rahmen der Post wahrnimmt, während diejenigen, auf die sich der Vorwurf des Ermittlungsverfahrens konzentriert, weiterhin in Amt und Würden sind?Rawe, Parl. Staatssekretär: Das ist Ihre Version, Herr Kollege Penner.
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1918 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Parl. Staatssekretär Rawe— Warten Sie es doch einmal ab. Auch ich habe Ihnen ganz ordentlich zugehört.
Das ist Ihre Version der Dinge. Ich habe Ihnen vorhin schon sehr deutlich gesagt, daß die Unterstellung, daß hier gegen den Herrn Präsidenten der Oberpostdirektion München vorgegangen würde, weil er dort irgend etwas aufgedeckt hätte, das möglicherweise zu vertuschen sei, mit seiner Abordnung überhaupt nichts zu tun hatte. Ich habe auch dem Kollegen Bernrath ausdrücklich gesagt: Wenn er die tieferen Gründe, die ich hier nicht alle vortragen will, weil das Verfahren noch schwebt, gerne kennenlernen möchte, sollte er sich einmal eingehend mit dem Personalrat dieser Direktion unterhalten. Dann würden sicherlich diese Fragen in diesem Hohen Hause nicht mehr gestellt werden.
Ich bedaure, daß ich das in dieser Deutlichkeit sagen muß. Ich sage noch einmal: Im Interesse des Betroffenen und des Verfahrens wäre es mir lieber gewesen, wir hätten uns darüber anders unterhalten können.
— Bitte schön, mit Vergnügen.
Ich sehe keine weitere Meldung zu einer Zusatzfrage. Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss zur Verfügung.
Wir haben nur die Frage 1; sie stammt vom Abgeordneten Dr. Pick:
Welche Auswirkungen hat die geplante Veräußerung des Aktienpakets des Bundes an der Volkswagenwerk AG auf die finanzielle Situation der Stiftung Volkswagenwerk?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Dr. Pick, die geplante Veräußerung hat keine Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Stiftung Volkswagenwerk. Auf Grund der Bestimmungen der Stiftungsurkunde und der Stiftungssatzung bleibt die Stiftung finanziell so gestellt, als hielte der Bund weiterhin die VW-Aktien, die dem Dividendenanspruch der Stiftung unterliegen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß die VW-Stiftung auch in den künftigen Jahren ihrem forschungspolitischen Auftrag nachkommen kann?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Das können Sie, Herr Kollege, aus meiner Antwort voll und ganz entnehmen.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Wie wird sich die Einnahme- und Ausgabesituation der Stiftung nach Ihrer Einschätzung in den nächsten Jahren entwickeln? Ich wäre damit einverstanden — wenn Sie es nicht aus der Hand sagen können — , daß die Beantwortung schriftlich geschieht.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Doch, das kann ich Ihnen sagen, Herr Kollege. Das richtet sich danach, wie der Dividendenanspruch sein wird, der sich aus den Aktien der VW-AG ohnehin ergibt. Im Zusammenhang damit liegt doch der Dividendenanspruch, den die Stiftung hat, bei rund 160,9 Millionen DM. Dieser Betrag wird der Stiftung dann vom Bund jeweils überwiesen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, Ihr Geschäftsbereich ist bereits abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Die Abgeordnete Frau Bulmahn hat um schriftliche Beantwortung ihrer Frage 2 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Riedl steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Menzel auf:
Kann die Bundesregierung die in der „Wirtschaftswoche" vom 4. September 1987 in dem Artikel „Öffentliche Aufträge — Bayern sahnt ab" gemachten Angaben und die Zahlentabelle bestätigen, aus denen man schließen kann, daß der Bund bei der Vergabe von Bundesmitteln und öffentlichen Aufträgen die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg bevorzugt behandelt, während der gesamte Norden und Nordrhein-Westfalen offensichtlich benachteiligt werden?
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen 4 und 5 gemeinsam beantworten?
Es kommt darauf an, ob Herr Menzel einverstanden ist. — Er ist es.
Dann rufe ich ebenfalls die Frage 5 des Abgeordneten Menzel auf:
Welche Kriterien veranlassen die Bundesregierung, den Löwenanteil aller Staatsaufträge nach Bayern und Baden-Württemberg zu vergeben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Danke schön, Herr Abgeordneter Menzel.
Herr Abgeordneter Menzel, Sie fragen nach den Kriterien, nach denen öffentliche Aufträge vergeben werden. Hierzu ist aus der Sicht der Bundesregierung folgendes festzustellen:
Erstens. Öffentliche Aufträge werden grundsätzlich an das wirtschaftlichste Angebot vergeben, d. h. an das Angebot, das sich unter Berücksichtigung aller Umstände als das wirtschaftlichste erweist. Der niedrigste Preis allein ist dabei nicht ausschlaggebend.
Parl. Staatssekretär Dr. Riedl
Zweitens. Priorität hat bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die öffentliche Ausschreibung, wie es die im Jahre 1984 mit Kabinettsbeschluß verabschiedete sogenannte Verdingungsordnung für Leistungen Teil A — man nennt sie auch abgekürzt VOL A — in ihrem Regelwerk verbindlich festlegt.
Drittens. Für das Zonenrandgebiet gilt ergänzend, daß Unternehmen, auch Handelsunternehmen, aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bevorzugt berücksichtigt werden, indem ihnen Mehrpreise von 0,5% bis 6 %, bezogen auf das wirtschaftlichste Angebot, gewährt werden. Von diesen Vergünstigungen partizipieren neben allen anderen Unternehmen im Zonenrandgebiet selbstverständlich auch die von Ihnen zitierten Unternehmen des Freistaates Bayern.
Viertens. Die Unternehmen sollten sich zur Wahrung ihrer Chancen für öffentliche Aufträge vermehrt die Unterstützung der Landesauftrags- bzw. Auftragsberatungsstellen zunutze machen, wie es die neue VOL Teil A vorsieht.
Fünftens. Daß sich tatsächlich gelegentlich Unternehmen aus Bayern und Baden-Württemberg verstärkt um Bundesaufträge, insbesondere aus den Hochtechnologiebereichen, bewerben und auch den Zuschlag erhalten, liegt an den unterschiedlichen wirtschaftlichen Strukturen der einzelnen Bundesländer und der unterschiedlichen Kostenlage der Unternehmen.
Sechtens. Ihre Frage nach der Richtigkeit aller in der Zeitschrift „Wirtschaftswoche" vom 4. September 1987 aufgeführten Zahlen kann seitens des Bundeswirtschaftsministeriums kurzfristig leider nicht beantwortet werden. Allerdings liegt uns eine mündliche Bestätigung der Deutschen Bundespost über die regionale Verteilung ihrer Aufträge vor, die die Zahlen der Tabelle auf Seite 17 der „Wirtschaftswoche" bestätigt. Die Bundesregierung ist gern bereit, Herr Abgeordneter, Sie über die Richtigkeit der dort abgedruckten Zahlen so bald wie möglich schriftlich zu unterrichten. Geben Sie uns bitte noch etwas Zeit; wir bemühen uns um schnelle Beantwortung.
Ich darf noch auf Ihre Frage nach einer etwaigen ungerechten Verteilung der Bundesmittel antworten. Die Ausgaben des Bundes sind zum größten Teil regional kaum zuzuordnen. Die Aussagefähigkeit der regionalen Verteilung ist beschränkt und zweifelhaft. Als Beispiel möchte ich auf die Buchungsproblematik hinweisen, die dadurch entsteht, daß Unterschiede zwischen dem Sitzland des Unternehmens und dem des begünstigten Betriebes bestehen. Unter diesen allgemeinen Vorbehalten läßt sich zur regionalen Aufteilung der Ausgaben des Bundes in einigen wichtigen Bereichen im Norden, also Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg, Bremen — mit rund 20 % der Bundesbevölkerung — , und im Süden mit Bayern, Baden-Württemberg — mit rund 33 % der Bundesbevölkerung — festhalten, daß sich auch für die regionale Verteilung auf Nord und Süd derjenigen Bundesausgaben, für die eine solche Aufteilung möglich ist, keine generelle Aussage machen läßt. Vielmehr stehen Ausgabenbereichen, in denen der Norden eindeutig überproportional partizipiert, z. B. bei der Werftenhilfe, der Ergänzungszuweisung, dem Wohngeld, der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", andere gegenüber, in denen er unterproportional teilhat, z. B. bei der Fund-E-Förderung oder bei den Hilfen für Existenzgründer, soweit ich das aus dem Bereich des Bundeswirtschaftsministeriums so beurteilen kann.
Vielen Dank.
Nun kommt ein Feuerwerk von Zusatzfragen.
Es war interessant, daß Sie Wohngeld mit öffentlichen Aufträgen vergleichen. Herr Staatssekretär, wären Sie in der Lage, auch die anderen Kriterien zu benennen, die Sie heranziehen, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, wenn es nicht nur der Preis ist.
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Das kommt auf den Einzelfall an, Herr Abgeordneter. Ich bin sehr gern bereit, wenn Sie mir Einzelbeispiele nennen, diese gemeinsam mit Ihnen zu besprechen. Ich bin im Augenblick mangels konkreter Unterlagen außerstande, Ihnen Ihre Frage so zu beantworten, wie Sie sie gestellt haben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, auch wenn man berücksichtigt, daß es natürlich durch den Sitz des Unternehmens bestimmte Ungleichmäßigkeiten geben kann und nicht genau festzustellen ist, wohin ein Auftrag letztlich geht, frage ich Sie: Finden Sie es nicht verwunderlich, daß z. B. die Bundespost bei einem bayerischen Anteil von 19 % der Erwerbstätigen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen 32,5 % ihrer Aufträge nach Bayern vergeben hat, während Nordrhein-Westfalen bei einem Anteil von 25 %, fast 26 % der Erwerbstätigen nur 11,7 % erhält? Ich könnte diese Liste fortsetzen. Ist das nicht so offensichtlich, daß Ihre Begründung, daß man das nicht genau ermitteln könne, etwas dünn ist?Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, zunächst: Ich habe ja nur gesagt: in der kurzen Zeit. Sie hatten mir ja zugestimmt, daß wir noch etwas Zeit von Ihnen zugestanden bekommen, um Ihre Fragen zu beantworten.Aber zum konkreten Teil Ihrer Frage: Ich finde das gar nicht verwunderlich, wenn man z. B. weiß, daß der Schwerpunkt der deutschen Fernmeldeindustrie, die ja die Aufträge der Deutschen Bundespost erhält, im Freistaat Bayern zu Haus ist. Ich sage Ihnen aber ein umgekehrtes Beispiel, das Ihnen sicherlich gefallen wird: Von zehn Arbeitsplätzen für die Fertigung des Airbusses sind acht in Norddeutschland und zwei im Süden. Es kommt also immer darauf an, wo die jeweiligen Industriestandorte sind.Aus der Tatsache, daß sich nun einmal im Bereich der Elektroindustrie — ich will hier ja keine Schleichwerbung machen — in München die Firma Siemens befindet und in Nürnberg große Elektrofirmen ansässig sind, mögen Sie erkennen, daß der Süden bei der Bundespost zwangsläufig höhere Auftragszahlen hat. Das ist ja auch zu Zeiten passiert, wo der für die Deut-
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1920 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Parl. Staatssekretär Dr. Riedlsche Bundespost zuständige Minister nicht aus Bayern kam. Hätten Sie Ihre Frage auf Bundespostminister früherer Zeiten bezogen wie Richard Stücklen und Werner Dollinger, die aus Bayern kommen, hätte ich das noch eher verstanden. Aber so gesehen können Sie dem jetzigen Postminister deswegen keine Vorhaltungen machen.
Eine Zusatzfrage.
Ich hätte die Frage genausogut auf Forschung oder sonst etwas erweitern können.
Aber, Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung nicht für ihre Pflicht, bei der Vergabe von Aufträgen insbesondere die Regionen — in bezug auf das Zonenrandgebiet haben Sie es ja schon dargestellt — zu berücksichtigen, die durch Strukturveränderungen und hohe Arbeitslosenzahlen besondere Probleme haben?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Das täte die Bundesregierung natürlich gerne. Aber wenn in bestimmten Regionen keine Unternehmer für Hochtechnologie sind, die diese Aufträge bedienen könnten, kann die Bundesregierung die Aufträge ja nicht an landwirtschaftliche Betriebe vergeben. Ich bitte also wirklich um Nachsicht, wenn ich sage, daß die Standortvorteile des Südens, die in bestimmten Bereichen entstanden sind, aber auch die Standortvorteile des Nordens, die es z. B. im Bereich der Luftfahrtindustrie im Raum Bremen und Hamburg gibt, zu entsprechenden — im Volumen von Ihnen ganz richtig dargestellten — Auftragsvergaben führen.
Aber ich weiß ja, was Sie in Wirklichkeit zum Ausdruck bringen wollen. Sie wollen in Wirklichkeit zum Ausdruck bringen, daß es einen bestimmten politischen Druck gibt, Aufträge in eine bestimmte Region der Bundesrepublik zu vergeben. Das kann ich — ich bin selbst auch lange genug im Haushaltsausschuß gewesen, und wir haben die Dinge ja auch überprüft — sowohl aus der Sicht eines Abgeordneten als auch aus der Sicht der Bundesregierung mit absoluter Sicherheit verneinen. Wenn es so wäre, hätte der Bundesrechnungshof ja bei jeder Auftragsüberprüfung Anlaß zu Beanstandungen.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Menzel.
Da es meine letzte Zusatzfrage ist und das zu Ihrer Antwort paßt: Finden Sie nicht, daß das, was Sie gesagt haben, im direkten Widerspruch steht zu der scharfen Intervention durch den bayerischen Ministerpräsidenten vor der letzten bayerischen Landtagswahl bezüglich der Wehraufträge?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Daß in Bayern ein besonders tüchtiger Ministerpräsident regiert, geben Sie ja durch die Fragestellung zu. Ich hoffe, daß er noch viele Jahre die Möglichkeit hat, der bayerischen Industrie mit entsprechender Hilfe zur Seite zu stehen.
Jetzt hat der Abgeordnete Dr. Abelein eine Zusatzfrage.
Gibt es einen Katalog mit genauen Kriterien darüber, was unter „wirtschaftlichstem Angebot" zu verstehen ist?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das ist in einer Strichliste so gar nicht abzuhandeln. Zum Beispiel sind auch die Lebensdauer eines Gerätes, die Wartungskosten eines Gerätes in die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Angebotes einzubeziehen. In aller Regel liegen allerdings niedrigstes Preisangebot und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit gar nicht so sehr auseinander; denn letztlich ist ja auch der angebotene Preis ein wesentliches Kriterium für die Wirtschaftlichkeit.
Die Regierung prüft bei der Öffnung von Angeboten nicht, sondern das ist in der Regel eine Angelegenheit der einzelnen Behörden. Was mir an Auftragsvergaben zugänglich ist, differiert, soweit man die Angebote und die Preise vergleichen kann, zwischen Preisangabe und Wirtschaftlichkeit nicht sehr stark.
Herr Abgeordneter, wenn Sie Beispiele haben, wo Sie der Auffassung sind, daß ein Angebot mit angeblich günstigster Wirtschaftlichkeit zum Zuge kam, die vielleicht doch nicht vorliegen könnte, sind wir seitens des Bundeswirtschaftsministeriums gern bereit, diesen Fällen nachzugehen.
Spielen bei dieser Vergabeprüfung auch Gesichtspunkte des Arbeitsmarktes und der Struktur der Anbieter eine Rolle?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Die Präferenzregelung der Zonenrandförderung, die ich Ihnen genannt habe, ist ein solcher Gesichtspunkt.
Wenn ich Ihnen das kurz schildern darf: Ich hatte neulich Arger bei uns im Wirtschaftsministerium in einer Grundsatzfrage. Ich bin der Auffassung, daß bei Auftragsvergaben an die Schuhindustrie und an die Textilindustrie, die mit außerordentlich großen Problemen zu kämpfen haben und für die es immer wieder Aufträge von der Bundeswehr gibt, dann das wirtschaftlichste Angebot vorliegt — auch wenn es preislich höher ist — , wenn es sich um einen Anbieter aus dem Zonenrandgebiet und nicht aus Hongkong oder Südkorea handelt. Im Bundeswirtschaftsministerium gibt es eine sehr begründete und von mir auch beachtete Auffassung, daß dieses Kriterium nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung so zugrunde zu legen ist, wie ich das gern sähe. Ich würde in diesem Fall dafür plädieren, daß ein Angebot über 100 000 Paar Turnschuhe aus Pirmasens oder aus einem strukturschwachen Zonenrandgebiet aus Niedersachsen, auch wenn es preislich höher liegt, zum Zug kommen sollte, wenn die Preisdifferenz nicht so eklatant groß ist, daß man über die Wirtschaftlichkeit wirklich nicht mehr diskutieren kann.
Wenn Sie mich dabei im Parlament unterstützen, bin ich Ihnen außerordentlich dankbar.
Es ist sehr schwer, von hier aus zu unterbrechen, aber auch Regierungsvertreter sind gehalten, kurze Antworten auf kurze Fragen zu geben.
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987 1921
Vizepräsident WestphalDaß Herr Abelein kurze Fragen gestellt hat, muß man ihm wohl bestätigen.
Jetzt kommt Frau Steinhauer dran, um eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, mit der Antwort von soeben haben Sie zugegeben, daß z. B. das Kriterium Zonenrandgebiet, auch hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik, bei der Vergabe eine Rolle spielt. Die Bundesregierung hat ja die Aufgabe, Raumordnung und Strukturpolitik zu betreiben.
Nachdem Sie vorhin ein Unternehmen nannten, das in Süddeutschland ansässig ist, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, das das gleiche Unternehmen auch Hightech für die Post in einem Gebiet mit hoher Arbeitslosigkeit herstellt, und könnten Sie sich vorstellen, daß auch dorthin einmal Aufträge vergeben werden?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Das würde ich mir sogar wünschen.
— Nordrhein-Westfalen ist auch Deutschland. Darüber können wir reden, gnädige Frau.
Jetzt hätte Frau Steinhauer, wenn sie wollte, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben gesagt, daß die Auftragsvergabe nicht auf Druck von Abgeordneten geschehe. Ich freue mich, wenn ich das höre. Ist es aber nicht so wie in anderen Bereichen, daß z. B. Modellversuche zu Beschäftigungsinitiativen auf Druck von einigen Abgeordneten erfolgen, die einem Kollegen in der Antwort sogar namentlich genannt wurden?
Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär: Ich schließe das nicht aus, ich bin jetzt aber im Einzelfall überfragt. Ich kenne diese Initiative nicht. Aber daß wir tüchtige Abgeordnete haben, will ich nicht bezweifeln.
(Frau Steinhauer : Die sind nicht zufällig immer in einer Partei?)
Wir sind jetzt am Ende des Geschäftsbereichs. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Geldern steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Ich weiß nicht, ob bei Ihnen gelandet ist, daß auch die Frage 10 von Herrn Dr. Kunz schriftlich beantwortet werden soll. Dies gilt auch für die Frage 11 des Abgeordneten Austermann. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 12 der Frau Abgeordneten Garbe:
Hält die Bundesregierung die in der Fernsehsendung „Monitor" vom 1. September 1987 gezeigten Zustände bei Lebendviehtransporten durch die Bundesrepublik Deutschland mit der Verordnung zum Schutz von Tieren beim grenzüberschreitenden Transport vereinbar, und ist der Bundesregierung bekannt, welcher Prozentsatz der Tiere solche Transporte bis zum Bestimmungsort lebend übersteht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Kollegin Garbe, die Verordnung zum Schutz von Tieren beim grenzüberschreitenden Transport schreibt dem beamteten Tierarzt vor, beim Verbringen von Tieren in den Geltungsbereich dieser Verordnung durch Besichtigung der Sendung zu prüfen, ob die Tierschutzbestimmungen eingehalten sind und ob eine gültige Transportbescheinigung mitgeführt wird. Stellt der Tierarzt während des grenzüberschreitenden Transports Mängel fest, die bei den Tieren vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden hervorrufen könnten, so hat er unverzüglich die zum Schutz der Tiere notwendigen Maßnahmen anzuordnen.
Jetzt noch zur Rechtslage. Der internationale Tiertransport ist in der Bundesrepublik Deutschland durch das Gesetz zum Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport und eine entsprechende Verordnung geregelt. Mit Erlaß dieser Rechtsvorschriften haben Bundestag und Bundesregierung das Notwendige getan, um die Voraussetzungen für eine wirksame Überwachung internationaler Tiertransporte zu schaffen. Die Durchführung dieser tierschutzrechtlichen Vorschriften obliegt den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Beanstandungen werden der obersten Veterinärbehörde des Versandlandes mitgeteilt mit der Aufforderung, die Mängel unverzüglich abzustellen. Tierschutzwidrige Handlungen im Ausland entziehen sich natürlich einer direkten Einflußnahme durch die Bundesregierung. Die Bundesregierung hat aber die EG-Kommission erst vor kurzem gebeten, die Problematik der Schlachttiertransporte in den Bestimmungsländern, soweit sie der Gemeinschaft angehören, zur Sprache zu bringen.
Zusatzfrage, Frau Garbe.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, warum sich dann die Tierärzte, die sich mit den Tiertransporten befassen, beklagen, daß sie zuwenig Einfluß in puncto Ost-West-Handel hätten, um Tierquälereien abzustellen?Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Garbe, Klagen „der" Tierärzte,
wie Sie das gerade so allgemein und pauschal gesagt haben, sind mir nicht bekannt. Es mag sein, daß bei einzelnen Landesbehörden personelle Engpässe sind. Es wäre Aufgabe der Länder, das zu einer ordnungsgemäßen Durchführung der Verordnung abzustellen. Aber ich habe keine Kenntnis darüber, daß es eine allgemeine Klage „der" Tierärzte in Deutschland gebe, sie könnten dieser Aufgabe nicht gerecht werden.
Metadaten/Kopzeile:
1922 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Meine zweite Frage ist: Wie können Sie sich überhaupt vorstellen, daß diese Tierquälereien passieren, wie es in dem „Monitor"-Film dargestellt wurde? Ich muß noch dazu sagen, daß die Tierärzte — ich sage jetzt wieder: die Tierärzte — , die mir das gesagt haben, diesen Film noch als harmlos bezeichnet haben.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Garbe, Sie sprechen jetzt wieder von nicht näher genannten Tierärzten. Deswegen kann ich dazu schlecht Stellung nehmen. Aber zu der „Monitor"-Sendung kann ich durchaus die eine oder andere Bemerkung machen, wenn es den Rahmen hier nicht sprengt.
Es waren zum Teil Aufnahmen, die nicht da gemacht worden sind, wo sie vorgaben gemacht worden zu sein, nämlich an Grenzen der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben natürlich keinen Überblick darüber, was in irgendeinem Land der Erde alles an tierschutzwidrigen Zuständen vorhanden sein könnte.
Ich kann nur sagen, daß die Rechtslage bei uns — auch das ist in der „Monitor"-Sendung und in vielen Reaktionen danach bezweifelt worden — für ein vernünftiges Handeln insbesondere der zuständigen Landesbehörden ausreichend ist und daß die Landesbehörden hier keine generellen Engpässe derart aufzuweisen haben, daß sie personell etwa nicht in der Lage wären, dies zu kontrollieren, von Einzelfällen, die immer vorkommen können und die ich mit Ihnen gerne abgestellt sehen würde, abgesehen.
Ich habe eine Zusatzfrage des Abgeordneten Carstensen .
Herr Staatssekretär, nach welchem Tierschutzrecht richten sich Transporte auf Schiffen und Genehmigungen, nach dem des Exportlandes oder nach dem der Bundesrepublik?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, das kommt ganz darauf an. Unsere Rechtsordnung sieht vor — ich habe die Gesetze und Verordnungen vorhin genannt — , daß nicht nur Transporte in die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch solche, die durch unser Land führen, also Transittransporte, die ein anderes Ausgangs- und ein anderes Bestimmungsland haben, von unseren Tierärzten überwacht werden.
Zusatzfrage des Abgeordneten Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, ich habe mir sagen lassen, daß es bei Tiertransporten z. B. von Polen gen Süden über die Tschechoslowakei und durch Österreich Vorrichtungen gibt, wo ein Tränken der Tiere und auch ein Füttern mit Rohfasern möglich ist. Frage: Hat die Bundesregierung Einfluß genommen, daß auch Tiere, die durch unser Gebiet kommen, eine solche Möglichkeit erhalten? Es muß noch keine Tierquälerei sein, aber wenn ein Tier nicht getränkt wird, ist das ein riesiges Problem. Gibt es diesbezüglich Aktivitäten der Bundesregierung?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Oostergetelo, die gibt es. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir durch nationales Gesetz dem internationalen Übereinkommen von 1968 über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport beigetreten sind. Es gibt einen ganzen Katalog — ich kann ihn jetzt nicht im einzelnen vortragen, aber ich kann ihn Ihnen im Anschluß an die Fragestunde gern überreichen — über Untersuchungen auf Transportfähigkeit, Ausschluß von kranken Tieren, Ruhepausen, Transportmittel, Fütterung und Tränken, notwendige Begleitung. der Transporte usw., der Gegenstand der rechtlichen Regelung und damit für die Überwachung solcher Transporte in der Bundesrepublik Deutschland verbindlich ist.
Zusatzfrage, Herr Eigen.
Herr Staatssekretär, schon 1980 ging es im Petitionsausschuß — damals habe ich die Sache bearbeitet, deswegen weiß ich es so genau — um die Frage der Lebendtransporte von Polen nach Frankreich über Deutschland. Der Petitionsausschuß hat seinerzeit im Zusammenhang mit Pferdetransporten beschlossen, eine Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu geben, nämlich darauf hinzuwirken, daß die europäische Übereinkunft so geändert wird, daß ein Lebendtransport von Tieren, die geschlachtet werden sollen, nicht mehr stattfinden darf. Die moderne Technik der Kühltransporte erlaubt es ja, auf den Lebendtransport ganz zu verzichten, egal, ob es sich dabei um Tatbestände der Tierquälerei handelt oder nicht. Wie weit sind die Bemühungen in bezug auf die europäische Übereinkunft gediehen, den Lebendtransport von Polen nach Frankreich überhaupt einzustellen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, die von Ihnen gewünschte Rechtslage, daß überhaupt kein Lebendtransport von zum Schlachten bestimmten Tieren mehr stattfinden darf, gibt es bisher nicht. Der grenzüberschreitende Transport von Schlachttieren hat bisher nicht unterbunden werden können. Wir sind auch nicht in der Lage, dies aus eigener Kraft zu gestalten; denn daran wären viele in Ost und West zu beteiligen. Wir sind ein Land, das schon aus geographischen Gründen oftmals als Transitland in Anspruch genommen wird. Um so wichtiger ist es aber, meine ich, daß — solange solche Transporte in Zukunft noch durchgeführt werden — jedenfalls während der Transporte, soweit sie das Bundesgebiet berühren, streng darauf geachtet wird, daß die bestehenden Vorschriften angewandt und die Tiere tierschutzgerecht transportiert werden.
Jetzt rufe ich die Frage 13 der Abgeordneten Frau Garbe auf:Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die ersichtliche Quälerei der Tiere bei Lebendviehtransporten durch die Bundesrepublik Deutschland zu verringern bzw. zu unterbinden?Bitte schön, Herr Staatssekretär.Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Präsident, ich habe Frau Garbe zwar nicht besonders dazu
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Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987 1923
Parl. Staatssekretär Dr. von Geldernbefragt, stelle aber fest, daß ich die Frage 13 im Grunde bereits im Zusammenhang mit der Frage 12 beantwortet habe. Beide Fragen stehen doch in einem sehr engen Zusammenhang.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß noch etwas Positives dabei herauskommt.
Dann gebe ich Frau Garbe die Möglichkeit, noch zwei Zusatzfragen zu stellen. Bitte schön.
Eine Frage habe ich noch: Sind Sie schon in der EG vorstellig geworden, um zu erreichen, daß diese Mißstände abgestellt werden?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Garbe, ich hatte bei der Beantwortung Ihrer anderen Frage schon gesagt, daß wir erst kürzlich die Kommission erneut aufgefordert haben, die Problematik der Schlachttiertransporte in den Bestimmungsländern zur Sprache zu bringen. Ich hatte die Antwort vorhin auf die EG-Länder eingeschränkt. Ich kann es auch erweitern: Die Kommission ist von uns in der Weise angesprochen worden, daß sie generell bei allen Bestimmungsländern, wenn vorher ein Transport durch Gemeinschaftsgebiet erforderlich ist, vorstellig werden soll.
Keine weitere Zusatzfrage von Frau Garbe. Dann hat Herr Oostergetelo das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich hatte vorhin gefragt, ob entsprechend Einfluß genommen worden ist. Sowohl an der Grenze zwischen der Tschechoslowakei und Österreich als auch an der österreichisch-italienischen Grenze gibt es technische Einrichtungen, Tiere zu tränken. Diese technischen Einrichtungen gibt es meines Wissens für Pferdetransporte durch die DDR und die Bundesrepublik nach Frankreich jedoch nicht, so daß entsprechende Vorschriften Theorie bleiben. Ist die Bundesregierung bereit, darauf Einfluß zu nehmen, daß diese technischen Möglichkeiten überhaupt erst geschaffen werden?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Oostergetelo, ich habe mich bei der Vorbereitung dieser Fragestunde intensiv darum bemüht, auch technische Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Dabei ist mir nicht bekannt geworden, daß es hier, soweit es die Bundesrepublik Deutschland betrifft, Probleme technischer Art gibt. Aber ich bin gern bereit, Ihrem Hinweis nachzugehen, ob man über die vorhandenen Einrichtungen hinaus noch Verbesserungen vornehmen kann.
Noch eine Zusatzfrage des Abgeordneten Eigen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Frage schriftlich beantworten — im Rahmen der Fragestunde ist das sicherlich nicht möglich —, wie weit die Bundesregierung in bezug auf den Vollzug des Beschlusses des Petitionsausschusses mit ihren Bemühungen gekommen ist, in der Weise Einfluß auf die europäische Übereinkunft zu nehmen, daß auf Lebendtransporte ganz verzichtet wird?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege Eigen, das sage ich gerne zu. Ich hatte Ihnen ja eben schon gesagt, daß wir da bisher nicht erfolgreich gewesen sind. Aber die Chronologie seit dieser Entscheidung des Petitionsausschusses und des Deutschen Bundestages werde ich Ihnen gerne schriftlich darlegen.
Die beiden Fragen 14 und 15 des Abgeordneten Jungmann sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Wir kommen zur Frage 16 des Abgeordneten Eigen:
Wie weit ist es mit dem Vollzug der Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage vom 18. August 1987 wegen der riesigen neuerlichen Wettbewerbsverzerrung im Schweinemarkt im Bereich Qualifizierung durch die niederländische Regierung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, mit Schreiben vom 11. August dieses Jahres an die EG-Kommission hat die Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, daß sie die Auffassung der Kommission teilt, daß die Beteiligung des niederländischen Staates an den Kosten der apparativen Klassifizierung von Schweinehälften Beihilfen darstellt, die nach Art. 92 Abs. 1 des EG-Vertrages mit dem gemeinsamen Markt nicht vereinbar sind. Die EG-Kommission hat noch keine abschließende Entscheidung in dieser Angelegenheit getroffen. Die Bundesregierung vertritt unverändert den Standpunkt, daß diese vom niederländischen Staat gewährten Beihilfen nicht vertragskonform sind und daher abgestellt werden müssen.
Eine Zusatzfrage, Herr Eigen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die Bundesregierung noch, um sicherzustellen, daß eine solche Wettbewerbsverzerrung nicht weiter geschieht? Es handelt sich hier um eine massive Bevorzugung der niederländischen Landwirtschaft gegenüber der deutschen Landwirtschaft. Es werden nicht nur die Geräte kostenlos zur Verfügung gestellt, sondern auch noch die Kosten der Klassifizierung zur Hälfte vom Staat getragen, so daß hier ein Zuschuß von etwa 3 DM pro Schwein gewährt wird. Wenn bei der jetzigen Preismisere ein Landwirt nicht einmal 3 DM verdient, dann weiß man, welche Bedeutung eine solche Wettbewerbsverzerrung haben kann.Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, ich sehe mit Ihnen die Notwendigkeit, daß diese Maßnahme der niederländischen Regierung abgestellt wird, weil sie eine Wettbewerbsverzerrung darstellt. Ich kann Ihnen allgemein über unsere rechtlichen Möglichkeiten sagen, daß wir außer dem bereits beschrittenen Weg, nämlich die Kommission aufzufordern, in diesem Sinne gegenüber dem Mitglieds-
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1924 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 29. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. Oktober 1987
Parl. Staatssekretär Dr. von Geldernland Niederlande tätig zu werden, zweitens natürlich die Möglichkeit haben, das Thema in den Ministerrat zu bringen, wenn der erste Weg sich als nicht erfolgreich oder auch nicht kurzfristig erfolgreich erweisen sollte, und daß wir drittens schließlich die Möglichkeit haben, gegen die Kommission selbst im Wege eines rechtlichen Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof vorzugehen. Das ist aber dann die äußerste Möglichkeit, die ja auch keinen kurzfristigen Erfolg bringt. Die Kommission ist am Zuge. Sie hat dieselbe Auffassung wie wir. Sie hat nur noch nicht das Entscheidende, nämlich die Aufforderung an die niederländische Regierung, getan. Wir drängen sie, dies zu tun.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Eigen.
Da die niederländische Schweinelieferung nach Deutschland den Wettbewerb in Deutschland entscheidend beeinflußt — etwa 80 % aller Schweine, die importiert werden, kommen aus den Niederlanden — , frage ich Sie: Hat die Bundesregierung auch darüber nachgedacht, ein gleiches zu tun wie die Niederlande, um von daher gesehen die Wettbewerbsgleichheit wiederherzustellen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, Sie wissen aus der Vergangenheit, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, Rechtsverstöße anderer dadurch zu kompensieren, daß sie eigene Rechtsverstöße hinzufügt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Carstensen.
Herr Staatssekretär, wie lange, rechnen Sie, wird es dauern, bis diese Wettbewerbsverzerrung aufgehoben wird, und gibt es für Sie nicht auch rechtlich einwandfreie Maßnahmen, um in der Zwischenzeit den deutschen Bauern hier zu helfen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Carstensen, wenn Ihre Frage jetzt ganz allgemein zu verstehen wäre, dann könnte ich darüber jetzt längere Ausführungen machen, die den Rahmen dieser Fragestunde weit sprengen würden. Ich sehe jedenfalls den richtigen Ansatz darin — wir haben diesen Weg beschritten — , dafür zu sorgen, daß diese Wettbewerbsverzerrung möglichst schnell abgestellt wird.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Oostergetelo.
Herr Staatssekretär, da in der deutschen Politik das Problem der holländischen Produktion immer so bemüht wird, frage ich Sie: Könnte es sein, daß es auch Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der Holländer gibt,
z. B. im Steuerrecht, und wie erklären Sie sich eigentlich, daß die Holländer Pachtbetriebe bis zur Grenze der DDR und bis nach Süddeutschland haben und daß sich kein Deutscher bemüht, in Holland Pachtbetriebe aufzumachen?
Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Oostergetelo, auch das ist eine Frage, die, wenn man sie ausreichend beantworten wollte, eine längere Antwort erfordern würde, als hier in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich wäre. Ich möchte Ihnen aber zusammenfassend sagen, daß wir nicht darauf hinarbeiten, Wettbewerbsverzerrungen in einer Art Wettlauf gegeneinander auszuspielen, sondern uns um möglichst harmonisierte und von Wettbewerbsverzerrungen freie Verhältnisse innerhalb der gemeinsamen Agrarpolitik in der Europäischen Gemeinschaft bemühen.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke dem Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung brauche ich nicht aufzurufen, weil die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Reimann und die Frage 19 des Abgeordneten Schreiner auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Im übrigen ist unsere Zeit abgelaufen. Es tut mir sehr leid für diejenigen, die gewartet haben. Aber ich habe keine Zeit mehr zur Verfügung, den nächsten Bereich aufzurufen; er ist morgen an der Reihe.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 8. Oktober 1987, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.