Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen folgende amtliche Mitteilungen zu machen.Der Ältestenrat empfiehlt, für die Einreichung von Fragen während der Sommerpause abweichend von der Geschäftsordnung folgende Regelung zu treffen:Jedes Mitglied des Hauses ist berechtigt, in den Monaten Juli und August 1973 je vier Fragen einzureichen. Die Fragen für den Monat Juli müssen spätestens bis Dienstag, den 31. Juli, 11 Uhr, die Fragen für August bis Freitag, den 31. August, 11 Uhr, im Parlamentssekretariat eingehen. Fragen, die in den Monaten Juli und August eingereicht werden, werden von der Bundesregierung schriftlich beantwortet. Die Fragen, die im September gestellt werden, werden gemäß den Richtlinien für die Fragestunde beantwortet. Sperrfrist für die Einreichung von Fragen für die Fragestunden der ersten Plenarsitzungen nach der Sommerpause ist gemäß Nr. 9 der Richtlinien für die Fragestunde Freitag, der 7. September, 11 Uhr.Ich frage, ob das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 15. Juni 1973 darum gebeten, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften in der Fassung der Beschlüsse des Innenausschusses — Drucksache 7/719 — dem Ausschuß nachträglich auch nach § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.Die Fraktion der CDU/CSU hat am 14. Juni 1973 für den Abgeordneten Dr. Carstens , der seinen Sitz als Stellvertreter in der Beratenden Versammlung des Europarates aufgibt, den Abgeordneten Dr. Barzel benannt.Ist das Haus damit einverstanden, daß der Abgeordnete Dr. Barzel als Stellvertreter in die Beratende Versammlung des Europarates gewählt wird?— Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Juni 1973 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Steueränderungsgesetz 1973Gesetz zur Reform des GrundsteuerrechtsFünfzehntes Gesetz zur Änderung des ZollgesetzesGesetz zu dem Übereinkommen Nr. 135 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1971 über Schutz und Erleichterungen für Arbeitnehmervertreter im BetriebGesetz zu dem Übereinkommen Nr. 129 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1969 über die Arbeitsaufsicht in der LandwirtschaftGesetz zu dem Übereinkommen Nr. 115 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1960 über den Schutz der Arbeitnehmer vor ionisierenden StrahlenGesetz zur Änderung des Gesetzes über die FinanzstatistikDrittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den zivilen ErsatzdienstGesetz über die Mindestanforderungen an Unterkünfte für ArbeitnehmerZweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes
Geflügelfleischhygienegesetz
Gesetz zur Änderung des FleischbeschaugesetzesGesetz zur Änderung des Gesetzes über forstwirtschaftliche ZusammenschlüsseGesetz zur Änderung des EichgesetzesGesetz zur Änderung des Gesetzes über Einheiten im MeßwesenGesetz zu dem Übereinkommen Nr. 136 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1971 über den Schutz vor den durch Benzol verursachten VergiftungsgefahrenDer Bundesrat hat in der gleichen Sitzung beschlossen, hinsichtlich der folgenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:Zweites Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern
Gesetz über das Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Reform des StrafrechtsSeine Schreiben werden als Drucksachen 7/801, 7/802 verteilt.In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, dem Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und des Gesetzes über das Branntweinmonopol gemäß Artikel 105 Abs. 3 GG nicht zuzustimmen; er ist der Ansicht, daß das Gesetz seiner Zustimmung bedarf. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/803 verteilt.Ich rufe Punkt II der Tagesordnung auf:Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1973
— Drucksachen 7/250, 7/599 —
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2454 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Vizepräsident Dr. JaegerAnträge und Berichte des Haushaltsausschusses
Ich rufe zuerst auf:Einzelplan 01Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 7/721 —Berichterstatter: Abgeordneter SimonWünscht der Berichterstatter das Wort? — Wird das Wort in der Debatte gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Dann lasse ich abstimmen. Wer dem Einzelplan des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; der Einzelplan 01 ist einstimmig angenommen.Ich rufe nun vereinbarungsgemäß auf: Einzelplan 03Bundesrat— Drucksache 7/723 —Berichterstatter:Abgeordneter Schmitz
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird in der Debatte das Wort gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.Wer dem Einzelplan des Bundesrates zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf: Einzelplan 04Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes— Drucksache 7/724 —Berichterstatter:Abgeordneter Esters Abgeordneter BaierDer Berichterstatter Abgeordneter Esters hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratung über den Einzelplan 04 in zweiter Lesung kann in diesem Jahre sicherlich unter wesentlich günstigeren Umständen für die Koalition vonstatten gehen als im Jahre 1972. Deshalb kann in diesem Jahr der Berichterstatter mit der gebotenen Sachlichkeit auch einige Erläuterungen zu dem vorliegenden Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 7/724 geben. Ich habe in dieser Eigenschaft darzustellen, welche Veränderungen dieser Einzelplan im Laufe der Detailberatungen im Haushaltsausschuß gegenüber der Regierungsvorlage erfahren hat, welche Probleme angesprochen wurden und bei welchen Kapiteln und Positionen Kontroversen zwischen der Koalition und der Opposition nicht auszuschließen waren.Die Kap. 01 und 02 sind insgesamt um den Betrag von 3 184 700 DM gekürzt worden, so daß sich für diese beiden Kapitel ein neuer Ansatz von 27 585 600 DM ergibt. Von diesen Kürzungen entfallen 3 Millionen DM auf den Ansatz für den Neubau des Bundeskanzleramts und 184 700 DM auf die Verwaltungsausgaben.Koalition und Opposition konnten im Ausschuß in der Frage des Neubaubeginns für das Bundeskanzleramt kein Einvernehmen herstellen. Während die Opposition aus — wie sie sagte — stabilitätspolitischen Gründen für eine erneute Verschiebung des Baubeginns plädierte und damit den in der Regierungsvorlage ausgebrachten Ansatz in Höhe von 7 Millionen DM insgesamt streichen wollte, ging die Koalition davon aus, daß nach, wie sie meinte, überzeugender Darstellung durch das Bundeskanzleramt ein Ansatz von 4 Millionen DM für 1973 erforderlich sei.Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu dem Gesamtkomplex.Der Komplex „Neubau Bundeskanzleramt" hat im Haushaltsausschuß in den letzten Jahren schon oft zur Beratung angestanden. Die Notwendigkeit eines Neubaus für das Bundeskanzleramt sollte in diesem Hause nicht umstritten sein. Nicht erst unter dieser Bundesregierung hat sich nämlich herausgestellt, daß der Gebäudekomplex des Palais Schaumburg den räumlichen und organisatorischen Anforderungen, die an eine Regierungszentrale zu stellen sind, seit langem nicht mehr genügt. Als die sozialliberale Koalition im Jahre 1969 die Regierung übernahm, lagen bereits Planskizzen und Studien für eine Erweiterung des Bundeskanzleramts vor. Diese waren im Auftrage des damaligen Chefs des Bundeskanzleramts, Herrn Professor Dr. Carstens, erarbeitet worden.Mit Rücksicht auf die bevorstehenden Bundestagswahlen wurden diese Pläne jedoch im Kabinett nicht mehr beraten. Das sollte erst nach der Wahl geschehen. Dazu ist es dann, wie Sie wissen, nicht mehr gekommen. Die sozialliberale Bundesregierung fand bei ihrem Amtsantritt diese Pläne vor. Sie hat sie eingehend geprüft, jedoch in der damals vorliegenden Form nicht weiterverfolgt. Sie war zu der Erkenntnis gekommen, daß die vorgesehenen An- und Erweiterungsbauten die alte Gebäudestruktur nicht ändern, sondern den bisherigen Unzulänglichkeiten nur weitere hinzufügen würden. Nicht zuletzt aus Kostengründen entschloß sich die Bundesregierung, einen Neubau zu errichten, und wählte als Standort die Görreswiese — einmal wegen der Nähe zum Parlament, zum anderen, weil dieser Standort es dem Bundeskanzler ermöglicht, die mit dem Palais Schaumburg als Sitz des Regierungschefs gewachsene Tradition fortzusetzen und das Palais weiterhin für Repräsentationszwecke zu nutzen.In keiner Phase ist die Planung des neuen Gebäudes vom Bundeskanzleramt als eine „geheime Kommandosache" behandelt worden. Sie ist vielmehr in aller Öffentlichkeit und unter intensiver Beteiligung aller interessierten Stellen erfolgt. Den
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EstersMitgliedern des Deutschen Bundestages, insbesondere denen des Haushaltsausschusses, wurde wiederholt Gelegenheit gegeben, sich über den Stand der Neubauplanungen zu unterrichten. Die Kollegen wurden darüber hinaus über ihre Fraktionsvorsitzenden im Mai 1971 eingeladen, die preisgekrönten Entwürfe des Architektenwettbewerbs im Planungspavillon im Bundeskanzleramt zu besichtigen.Der Haushaltsausschuß hat sich seit 1969 in zahlreichen Sitzungen mit dem Neubauvorhaben befaßt. Ich möchte noch einmal deutlich herausstellen, daß die Notwendigkeit des Neubaus zu keiner Zeit in Frage gestellt wurde. In seiner Sitzung am 27. Januar 1972 hat der Haushaltsausschuß die Finanzvorlage „Bau" zur Kenntnis genommen und für 1972 bereits einen Ansatz von 4 Millionen DM und eine Verpflichtungsermächtigung für 1973 von 18 Millionen DM ausgebracht. Der für den Herbst 1972 vorgesehene Baubeginn mußte verschoben werden, weil der Haushalt 1972 aus den Ihnen bekannten Gründen nicht rechtzeitig verabschiedet werden konnte.Anfang des Jahres 1973 wurden die Planungsarbeiten wieder aufgenommen. Sie sind inzwischen so weit zum Abschluß gekommen, daß die Rohbauarbeiten noch im Laufe dieses Sommers ausgeschrieben werden können. Mit der Bauausführung soll dann im Spätherbst begonnen werden.Für die Bauarbeiten, die noch in diesem Jahr durchgeführt werden sollen, sind nach der vom Haushaltsausschuß gebilligten Vorlage Haushaltsmittel in Höhe von rund 4 Millionen DM erforderlich. Die Ausführungsplanung, insbesondere die Kostenschätzung, ist von der Bundesbaudirektion nach Abstimmung mit den Bundesressorts und nach Überprüfung durch das Bundesfinanzministerium erstellt worden. Der Haushaltsausschuß hat deshalb beschlossen, diese Mittel einschließlich der erforderlichen Verpflichtungsermächtigung bereitzustellen, damit der Neubau des Bundeskanzleramtes nach einjähriger Verzögerung noch in diesem Jahre endlich in Angriff genommen werden kann.Bei Kap. 04 01 hat der Haushaltsausschuß eine generelle Regelung für die Büros ehemaliger Bundeskanzler getroffen. Wir glauben, dem Parlament eine faire und adäquate Regelung vorschlagen zu können. Den ehemaligen Bundeskanzlern sollen für die Zeit ihrer Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag ein persönlicher Referent nach A 16/B 3, eine Sekretärin und ein Kraftfahrer zur Verfügung stehen. Diese Regelung jedoch, so wurde im Haushaltsausschuß deutlich, soll nicht für Extremfälle gelten. Die in diesem Falle hierfür vorgesehenen Planstellen finden Sie im Kap. 04 01.
Der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt kommt nach Auffassung der Koalition eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Es trifft sicherlich zu, daß der Tit. 42712 in der Vergangenheit zu einer indirekten Personalverstärkung durch die Einstellung von Honorarkräften führte, was auf Anregung des Bundesrechnungshofs schon einmal dazuführte, daß das Parlament wegen erworbener Rechte ehemaliger Honorarkräfte neue Stellen in der Planungsabteilung ausbringen mußte.Um dem vorzubeugen, hat der Haushaltsausschuß die Zweckbestimmung für diesen Titel geändert. Das Bundeskanzleramt hat zugesagt, in Zukunft nicht den über einen längeren Zeitraum hinweg eingestellten Honorarkräften, sondern der zeitweiligen Beratung durch wissenschaftliche Sachverständige den Vorrang zu geben.Die Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes hat in hohem Maße ressortübergreifende Koordinierungsaufgaben wahrzunehmen. Diese Aufgaben sind nach Auffassung der Koalition kostengünstiger zu erfüllen, indem man sich den wissenschaftlichen Sachverstand außerhalb der Bundesverwaltung auf Zeit dienstbar macht als durch die Schaffung neuer Stellen. Aus diesen Gründen werden Kürzungsanträge der Opposition, die in zweiter Lesung hier wiederkehren, abgelehnt.Ähnliches gilt für den Tit. 526 14 — Kosten für Gutachten und Forschungsaufträge —.Das Kap. 04 03 — Presse- und Informationsamt der Bundesregierung ist im Haushaltsausschuß gegenüber der Regierungsvorlage um 1 029 000 DM erhöht worden, so daß der neue Ansatz 149 330 700 DM beträgt. Verständlicherweise hat die Koalition hier einem Antrag der Opposition, den Titel „Öffentlichkeitsarbeit Inland" empfindlich zu kürzen, nicht folgen können. Man darf aber, glaube ich, doch wohl sagen, daß sich dieser Titel mit einem Ansatz von 11,6 Millionen DM sehr bescheiden ausnimmt.Die Kollegen der Opposition werden sicherlich auch Verständnis dafür aufbringen können — im Haushaltsausschuß war es jedenfalls so , daß wir ihrem im Haushaltsausschuß gestellten und hier wiederholten Antrag, den Titel zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens fast zu halbieren, beim besten Willen nicht zu folgen in der Lage waren.
Dieser Titel, Reptilienfonds genannt, wies in früheren Jahren einmal erheblich höhere Ansätze aus, und zwar ohne Kontrolle durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes.
Auf Vorschlag des zuständigen Unterausschusses ist Kap. 04 04 — Bundesnachrichtendienst — um 5 Millionen DM gekürzt worden. Der neue Ansatz beträgt nun 94,5 Millionen DM.Nach Verabschiedung des Grundvertrages mit der DDR hat der Haushaltsausschuß Kap. 04 05 — Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR -- auf Vorschlag des Berichterstatters und auf Empfehlung der Bundesregierung neu ausgebracht. Mit Ausnahme der Stelle für den Leiter nach B 11 sind jedoch alle anderen Planstellen und die stellenabhängigen Ansätze qualifiziert gesperrt worden. Ein Antrag der Koalitionsfraktionen auf Um-
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Esterswandlung der qualifizierten in eine einfache Sperre liegt Ihnen vor. Wir werden darauf zurückkommen müssen.In Art. 8 des Grundvertrages haben die Bundes-. republik Deutschland und die DDR vereinbart, am Sitz der jeweiligen Regierung eine Ständige Vertretung zu errichten. Nachdem die beiden Staaten in Deutschland jahrelang nebeneinanderhergelebt haben, praktisch ohne Kontakte zueinander zu haben, sind jetzt Voraussetzungen dafür geschaffen worden, daß die für eine Zusammenarbeit notwendigen ständigen Verbindungen aufgenommen und belebt werden können. Die Bundesregierung ist nicht mehr wie in den vergangenen Jahren darauf angewiesen, daß von Fall zu Fall das Zusammentreffen von Delegationen vereinbart werden muß. Es wird möglich sein, an Ort und Stelle über die Ständigen Vertretungen in allen Fragen jederzeit in Verbindung zu treten. Art. 8 des Grundvertrages spricht bewußt von Ständigen Vertretungen. Damit wird deutlich gemacht, daß es sich bei diesen Vertretungen nicht um diplomatische Missionen handelt, wie sie in ausländischen Staaten unterhalten werden. Die Beziehungen der Bundesrepublik zur DDR unterscheiden sich von den Beziehungen zu auswärtigen Staaten und haben einen besonderen Charakter.Die Größe der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin wird durch ihre Aufgaben bestimmt. Da es sich um die Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten handelt, hat die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland besonders vielfältige und vielschichtige Aufgaben zu erfüllen. Es liegt auf der Hand, daß die Aufgaben angesichts des in den vergangenen Jahren verhärteten Verhältnisses besonders schwierig sein werden. Das auf die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland und das Bundeskanzleramt zukommende Maß an Arbeit und Verantwortung erfordert die in der Drucksache 7/724, dem Antrag zu Einzelplan 04, vorgesehene Personalausstattung. Das bedeutet, daß die Ständige Vertretung mit 62 Beamten, 15 Angestellten und 13 Arbeitern ausgestattet sein soll. Das Bundeskanzleramt selbst als Betreuungsstelle soll zusätzlich 13 Beamten- und 2 Angestelltenstellen erhalten. Da der Grundvertrag selbst nichts darüber sagt, wann die Ständigen Vertretungen eingerichtet werden sollen, ist bei den Beratungen im Haushaltsausschuß vorgesehen worden, die hierfür erforderlichen Stellen und Ausgaben vorerst qualifiziert zu sperren, also die Inanspruchnahme der Stellen und Ausgaben an die Einwilligungen des Ausschusses zu binden. Die Gesamtausgaben für dieses im Ausschuß neu ausgebrachte Kap. 04 05 belaufen sich nach dem Antrag auf 2 953 200 DM.Ich bitte die Kollegen, dem Einzelplan 04 in der vom Haushaltsausschuß vorgelegten Fassung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht sonst jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann, meine Damen und Herren, eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Carstens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einem alten parlamentarischen Brauch folgend benutze ich die Gelegenheit der Behandlung des Etats des Bundeskanzlers zu einigen kritischen Bemerkungen über die Teile der Gesamtpolitik dieser Regierung, die mir einer solchen kritischen Betrachtung bedürftig erscheinen.
Bevor ich das aber tue, möchte ich mit allem Nachdruck zum Ausdruck bringen, wie sehr meine Fraktion es bedauert, daß diese Haushaltsberatung unter einem so starken Zeitdruck durchgeführt werden muß.
Weder in den Ausschüssen noch im Plenum hat genügend Zeit zur Verfügung gestanden, um die Sachfragen, die mit der Haushaltsdebatte, mit der Haushaltsplanung verbunden sind, ausreichend diskutieren zu können. Das ist um so bedauerlicher, als das Haushaltsrecht nach wie vor eines der wichtigsten Rechte, wenn nicht das wichtigste Recht des Parlaments überhaupt ist.
Wir haben die Frau Präsidentin gebeten, im Hinblick auf diesen nach unserer Auffassung bedauerlichen Zustand bereit zu sein, den Empfang, den sie morgen abend geben wird, um zwei Stunden zu verschieben.
Zu unserer Freude hat sich die Frau Präsidentin damit einverstanden erklärt,
so daß wir wenigstens zwei Stunden zusätzlicher Zeit für die Debatte gewinnen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?
Herr Kollege Carstens, ist Ihnen bekannt, daß die Koalitionsfraktionen im Ältestenrat ausdrücklich erklärt haben, daß für die Haushaltsberatungen der Opposition jede Zeit zur Verfügung gestellt wird, die sie nur haben möchte?
Herr Kollege Mertes, meine Kritik bezieht sich nicht nur darauf, daß die Plenardebatte zeitlich begrenzt ist, sondern sie bezieht sich insbesondere darauf, daß die Beratungen in den Ausschüssen und vor allem im Haushaltsausschuß unter einem außerordentlichen Zeitdruck durchgeführt werden mußten.
Meine Danken und Herren! Die Bundesregierung ist mit dem Anspruch angetreten, mehr soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, eine Politik zugunsten der Arbeitnehmer und der sozial Schwachen zu betreiben. Der Bundeskanzler hat es in der Regierungserklärung noch für diese Legislaturperiode als die
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Dr. Carstens
drängendste Aufgabe bezeichnet, mehr Preisstabilität zu gewinnen. Statt dessen erleben wir immer stärkere Preissteigerungen; und dafür trägt diese Regierung die Verantwortung.
Diese Inflation, meine Damen und Herren, ist die brutalste und unsozialste Besteuerung des kleinen Mannes, die es überhaupt gibt.
Sie begünstigt den Sachbesitzer. Am stärksten gewinnt, wer Sachbesitz mit Schulden erwerben oder vergrößern kann. Verlierer ist der kleine Sparer. Seine Zinsen sind niedriger als die Preissteigerungen; sie gleichen nicht entfernt den Kaufkraftverlust seiner Sparguthaben aus.
Der Bundeskanzler versucht, diese Folgen mit der Bemerkung zu verharmlosen, allen gehe es besser. Tatsächlich aber müssen in diesem Jahr viele Arbeitnehmer mit Reallohneinbußen rechnen, da selbst Bruttolohnerhöhungen von 8, 9 oder sogar 10 % nicht ausreichen, den Kaufkraftverlust auszugleichen.
Denn die Lohnerhöhungen werden nicht nur durch Preissteigerungen — wie wir wissen —, sondern auch durch höhere Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung und durch höhere Steuern aufgezehrt.In der Regierungserklärung von 1969 versprach der Bundeskanzler Steuersenkungen. Statt dessen, meine Damen und Herren, hat seine Regierung seitdem bereits dreimal die Steuern kräftig durch Gesetze erhöht. Dazu kommen die heimlichen Steuererhöhungen, die allein 1973 bei den Arbeitnehmern in der Lohnsteuer 4,5 Milliarden DM betragen werden.Die Bundesregierung sah bereits 1969 eine Notwendigkeit, die Lohnsteuerpflichtigen zu entlasten. Aber das ist nicht geschehen. Statt dessen ist die Steuerbelastung der Gehälter, Löhne und Pensionen seit 1969 im Durchschnitt um 35 % gestiegen.
Entspricht es den Vorstellungen des Bundeskanzlers — so möchte ich fragen — von mehr sozialer Gerechtigkeit, wenn die Beiträge zur sozialen Rentenversicherung ab 1. Januar 1973 erhöht werden, nämlich von i 7 auf 18 %, und wenn diese Beitragserhöhung zum größten Teil dazu dient, die gesetzlichen Staatszuschüsse an die Rentenversicherung zu kürzen?
Faktisch und praktisch finanzieren also die Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit diesen erhöhten Beiträgen nicht verbesserte Rentenleistungen, sondern die Ausgaben des Bundes.Der Bürger wird in diesem Inflationsprozeß vierfach zur Kasse gebeten: durch die Inflationsverluste, die er erleidet, durch gesetzliche Steuererhöhungen, durch heimliche Steuererhöhungen und durch steigende Sozialversicherungsbeiträge. Die Inflationführt zu einer akuten Bedrohung unserer marktwirtschaftlichen und unserer gesamten politischen Ordnung.Eine Volkswirtschaft und eine Gesellschaft, die jährlich 8 % oder womöglich sogar mehr Inflation hinnehmen müssen, können nicht mehr nach denselben Prinzipien funktionieren wie eine Wirtschaft mit stabilem Geldwert.
Die ersten Rufe nach Preisstopp und Lohnstopp werden daher laut. Das alles ist die Folge einer verheerenden, von der Bundesregierung durch ihre Untätigkeit mitverursachten Inflation.
Der Bundeskanzler hat Vollbeschäftigung garantiert, als Überbeschäftigung herrschte. Er und die Mitglieder seiner Regierung haben die falsche Alternative Arbeitslosigkeit oder Inflation aufgestellt. Sie haben damit den Anschein erweckt, als ob Inflation notwendig sei, um die Vollbeschäftigung zu erhalten. Sie haben unsere Warnungen, daß Inflation auf Dauer auch bei uns nicht nur zu unsozialen Verteuerungen, zum Verfall' des Wertes unserer Ersparnisse, sondern auch zu Arbeitslosigkeit führen könne, als Panikmache verketzert.Jetzt sagt der Bundeswirtschaftsminister, daß Risiken für die Vollbeschäftigung nicht mehr auszuschließen seien, im Klartext: daß Arbeitslosigkeit eine ernst zu nehmende Gefahr ist, wenn es mit der Inflation so weitergeht. Der Bundeskanzler selbst hat sich dazu noch nicht geäußert. Wird er jetzt auch seinen Wirtschaftsminister wegen der Übernahme der Warnungen der CDU/CSU der Panikmache bezichtigen, oder wird er endlich zugeben, daß seine Alternative Arbeitslosigkeit oder Inflation der Versuch einer Irreführung der deutschen Bevölkerung war?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wischnewski?
Bitte schön!
Herr Professor Carstens, ist Ihnen bekannt, daß die von Ihnen kritisierte Erhöhung der Versicherungsbeiträge im Jahre 1969 in der Zeit der Großen Koalition beschlossen worden ist, als Sie Chef des Bundeskanzleramts waren?
Herr Kollege Wischnewski, ich habe kritisiert — und ich wäre Ihnen doch sehr dankbar, wenn Sie meiner Argumentation zu folgen versuchen würden —,
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2458 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Dr. Carstens
daß diese erhöhte Beitragsleistung im Effekt zu einer Entlastung des Bundeshaushalts benutzt wurde und nicht den Rentenempfängern zugute kam.
Meine Damen und Herren, für die Betroffenen ist es auch kein Trost, daß im Ausland die Preise steigen. Die früheren Versuche der Bundesregierung, nur dem Ausland die Verantwortung für die Inflation im Inland zuzuschieben, haben sich als falsch erwiesen. Mit ihrem eigenen Stabilitätsprogramm vom Mai dieses Jahres hat die Bundesregierung ja selbst zu erkennen gegeben, daß es innenpolitischer Maßnahmen bedarf und schon vorher bedurft hätte, um diese Inflation unter Kontrolle zu bringen.
Die CDU/CSU hat in 20jähriger Regierungszeit bewiesen, daß trotz erheblicher ausländischer Preissteigerungen eine relative Preisstabilität in der Bundesrepublik Deutschland erreichbar ist.
— Warten Sie nur ab, Herr Kollege Mattick, freuen Sie sich nicht zu früh. Ich beschränke mich nicht darauf, die vergangenen 20 Jahre zu zitieren, sondern ich werde Ihnen jetzt eine Meldung von heute vorlesen;
denn heute veröffentlicht dpa ein Interview des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Herrn Klasen, in dem es heißt:Der Bundesbankpräsident wandte sich gegen das vielfach gebrauchte Argument, daß sich die Bundesrepublik in einem internationalen Gleichschritt der Geldentwertung befinde, aus dem sie sich nicht aus eigener Kraft lösen könne. Zwar gebe es gegenwärtig einen gewissen Gleichklang der Inflation, aber starke Teuerungsraten im Ausland sind nach Klasens Ansicht keine Entschuldigung für die eigene Preisentwicklung.
Im Gegenteil,— so sagt Klasen —wenn wir die Dinge bei uns wieder in Ordnung bringen, bekommen wir Einfluß auf die Außenwelt, um dann in gemeinsamen Aktionen etwas gegen die Inflation zu unternehmen.
Und das, meine Damen und Herren, hätte die Politik dieser Regierung vor drei Jahren sein müssen.
Die Bundesregierung fordert in ihrem Stabilitätsprogramm: Alle müssen den Gürtel enger schnallen. Das ist ein gutes Wort, und sicher werden ihm viele gern zustimmen. Aber diese Forderung richtet die Bundesregierung mehr an andere als an sich selbst.
Die Bundesregierung hat erklärt, 1 Milliarde DM von den im Februar geplanten Gesamtausgaben des Bundes streichen zu wollen. Sie hat aber den Antrag der Opposition abgelehnt, diese Kürzung im Haushaltsplan selbst zu verankern, verbindlich festzulegen.Die Bundesregierung hat erklärt, sie werde aus Stabilitätsgründen im Jahre 1973 keine neuen Beamtenstellen beantragen; eine Ausnahme sollte der Sektor der inneren Sicherheit bilden. Darüber hinaus wollte die Bundesregierung 2000 Beamtenstellen streichen. Tatsächlich aber hat die Bundesregierung selbst seit dem Monat Januar schon die Bewilligung von 1200 neuen Beamtenstellen beim Haushaltsausschuß beantragt,
unter denen keine für den ausgenommenen Bereich innere Sicherheit bestimmt war.
Einige dieser Stellen, das will ich gern zugeben, waren unabweisbar, so die Stellen, die hier vorhin erwähnt wurden, für die Vertretung in Ost-Berlin und auch für die Botschaft in Peking. Aber die hierfür bewilligten unabweisbaren Stellen machen noch nicht ein Zehntel der bisherigen Gesamtstellenforderung von fast 1200 Stellen aus.
Auch der Repräsentationsfonds des Bundeskanzlers -- das sei am Rande vermerkt — wurde kräftig erhöht. Er ist heute um 70 % höher als 1969. Das ist eine Tatsache, die ich rechnerisch belegen kann, meine verehrten Herren, wenn Sie das wünschen.
Nun hat der Kollege Esters vorhin auf den Bauetat des Bundeskanzleramts hingewiesen und die Freundlichkeit gehabt, mich zu zitieren — wie ich überhaupt feststelle, daß, wenn die Regierung in besonderer Verlegenheit ist, sie mich als den früheren Chef des Bundeskanzleramts zitiert —.
Es trifft zu, Herr Kollege Esters, daß in der Zeit, als ich diese Funktion innehatte, Pläne für eine Erweiterung des Bundeskanzleramtes entworfen worden sind. Nach meiner Schätzung -- ich habe die genauen Zahlen nicht im Kopf, aber wir werden das ja gemeinsam nachprüfen können — betrug der Aufwand nach den damaligen Plänen etwa ein Zehntel des Aufwandes, den Sie jetzt betreiben wollen.
Das allerdings — wenn Sie mir eine kleine Abschweifung gestatten — hängt nicht nur mit der größeren Sparsamkeit zusammen, die die CDU/CSU-Opposition zweifellos vor der Regierungskoalition auszeichnet, sondern das hängt vor allem auch mit dem Verständnis des damaligen Bundeskanzlers über die Funktion und Arbeitsweise des Bundeskanzleramts zusammen.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2459
Dr. Carstens
Der damalige Bundeskanzler war nämlich der Meinung — ich glaube das war eine zutreffende Meinung —, daß das Bundeskanzleramt nicht eine Art Superministerium über der gesamten Regierung sein sollte,
sondern daß das Kollegialitätsprinzip in unsererBundesregierung einen guten Sinn hat und daß manaus dem Grunde die Zuständigkeiten der Ressortsfür die großen gesellschafts- und staatspolitischenAufgaben nicht beschneiden sollte, indem manihnen ein überdimensional großes Bundeskanzleramt gegenüberstellt oder — wenn Sie so wollen —draufstülpt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Groß?
Bitte schön!
Herr Professor Carstens, ist Ihnen erinnerlich, da Sie von Sparsamkeit auf dem Personalsektor sprechen, daß Ihre Fraktion im Innenausschuß Anträge gestellt hat, die, wenn die Koalition sie angenommen hätte, Mehrausgaben von mindestens 1,3 Milliarden DM im Jahr erfordert hätten?
Dr. Carstens Fehmarn) : Aber Herr Kollege, ich komme in meinen späteren Ausführungen auf diesen Punkt zurück.
Wir sprechen jetzt von Stellenanforderungen. Ich denke, wir müssen die Dinge doch in einer gewissen Logik abwickeln.
Ich habe ja durchaus Verständnis dafür, daß Sie das Bedürfnis haben, andere Themen zu diskutieren. Aber im Augenblick sprechen wir über Stellenanforderungen.
Die Bundesregierung hat ausdrücklich versprochen, eine solide Finanzpolitik zu betreiben. Tatsächlich aber werden von Jahr zu Jahr mehr Ausgaben am Bundeshaushalt vorbei geleistet und durch Schattenhaushalte finanziert. Der von der Bundesregierung selbst eingesetzte Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der als ein Gremium angesehener Persönlichkeiten der Wissenschaft seine Worte zu wägen pflegt, hat die Finanzplanung der Bundesregierung kürzlich als Skandal bezeichnet.
Ich muß Ihnen sagen, daß ist eine Kritik, die vor
Ihnen noch keiner Bundesregierung widerfahren ist.
Ich möchte glauben, daß es in der gesamten westlichen freien Welt — von den anderen Staaten will ich in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen —keinen Parallelfall dafür gibt, daß das von der Regierung selbst eingesetzte Gremium zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die Maßnahmen der Regierung als Skandal bezeichnet.
Herr Abgeordneter Dr. Carstens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Sperling?
Bitte schön!
Herr Kollege Carstens, können Sie sich erinnern, daß Ihr früherer Chef im Bundeskanzleramt das Fehlen einer Finanzplanung noch viel härter kritisiert hat?
Ich kann mich daran nicht erinnern, Herr Kollege Sperling.
Aber selbst wenn ich mich daran erinnern könnte, würde das die Behauptung, die ich soeben aufgestellt habe, in gar keiner Weise entkräften.
Herr Abgeordneter Carstens, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Spitzmüller?
Ich würde gern, Herr Kollege; ich bin ja zu jeder Art von Kooperation bereit. Aber Sie werden verstehen, daß ich von Zeit zu Zeit einige Sätze aus meiner Rede weiter vortragen möchte.Von einer langfristigen Planung, meine verehrten Damen und Herren, vor allen Dingen von einer langfristigen Setzung von Prioritäten in der Finanzpolitik kann nach unserer Auffassung ohnehin keine Rede sein. Ich möchte das an einem — wie mir allerdings scheint: sehr eindrucksvollen — Beispiel etwas erläutern, nämlich am Beispiel des Straßenbaues. Noch vor einem Jahr erklärte die Bundesregierung, das vorhandene Geld reiche nicht aus, um das Straßennetz so, wie es notwendig sei, auszubauen, und dies wurde im vergangenen Jahr zur Begründung für die Erhöhung der Steuern auf Benzin und Dieselkraftstoff angeführt. In diesem Jahr nun hören und sehen wir zu unserem Erstaunen, daß die im Haushalt festgelegten Mittel für den Bundesfernstraßenbau gekürzt sind. Meine Damen und Herren, man kann das eine tun, man kann das andere tun, aber man kann schwerlich innerhalb eines Jahres beides gleichzeitig tun.
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60 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Dr. Carstens
Die Bundesregierung hat umfassende innere Reformen versprochen. Sie hat schon vor vier Jahren erklärt, daß an der Spitze der Reformen Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung stehen sollten — sicherlich gute, begrüßenswerte, unterstützungswerte Ziele. Aber die versprochenen Reformen müßten sich doch vor allem in vermehrten öffentlichen Investitionen niederschlagen.
Es sind die Investitionen für Schulen, Krankenhäuser, Sportstätten, reinere Luft und sauberes Wasser, in denen unsere Reformpolitik letztlich ihren Niederschlag finden muß.Aber entgegen diesen Versprechungen, die auch noch mit der These von der Beseitigung der öffentlichen Armut und von der Verbesserung der Lebensqualität ständig wiederholt werden, sinkt der Anteil der Investitionen am Gesamthaushalt von Jahr zu Jahr. Statt mehr neue Schulen werden weniger neue Schulen, Straßen usw. gebaut — und das, obwohl die Ansätze des Bundeshaushalts ständig weiter steigen. Dies ist eine weitere Folge der verheerenden Inflation, unter der unser Land leidet.Diese Bundesregierung — man kommt um diese Feststellung nicht herum — führt keine solide Politik,
keine solide Finanz- und Währungspolitik und keine solide Außenpolitik. Was auf außenpolitischem Gebiet dem deutschen Volk während der letzten drei Jahre an falschen Informationen vorgesetzt wurde, spottet jeder Beschreibung.
Als der damalige Staatssekretär Bahr Anfang 1970 in Moskau verhandelte, wurde erklärt, er führe „unverbindliche Sondierungsgespräche". Als gerüchteweise bekannt wurde, daß zwischen der deutschen und sowjetischen Delegation ein Papier ausgetauscht worden sei, wurde dies zunächst bestritten. Als das Papier im Mai 1970 veröffentlicht wurde, ließ die Bundesregierung erklären, es sei ein „unverbindliches Papier"; die eigentlichen Verhandlungen würden erst später beginnen. Als aber die eigentlichen Verhandlungen begannen, stellte sich heraus, daß die sowjetische Seite das Mai-Papier als verbindliche Festlegung ansah und auf seiner wörtlichen Übernahme in den Text des Moskauer Vertrages bestand.Übrigens: Wenn man die Erklärungen der Bundesregierung über die damalige Moskau-Reise von Herrn Bahr mit den Erklärungen der SPD-Fraktion zum Fall Wienand vergleicht, dann fällt einem eine außerordentliche Parallelität auf.
Auch im Falle des Kollegen Wienand begann es damit, daß gesagt wurde, Herr Wienand habe mit so vielen Menschen gesprochen, daß es möglich sei, daß er auch einmal mit Herrn Steiner gesprochen habe. Als dann präzise Nachrichten über Zeitpunkt und Ort der Gespräche bekannt wurden, hieß es, daß sich die beiden Herren in der Tat dreimalunterhalten hätten, aber von Geld sei keine Rede gewesen. Dann folgten, wie wir wissen, die präzisen Behauptungen der Herrn Steiner und Baeuchle, die sagten, von Geld sei in der Tat die Rede gewesen,
und zwar sei von Geld sogar in einer sehr massiven Form die Rede gewesen; denn Geld sei von einer Hand in die andere gegangen und gezahlt worden.
So, meine Damen und Herren, stehen wir heute vor der konkreten und, wie ich glaube, ernsten Frage, ob der Bundeskanzler die Fortexistenz seiner Regierung im April 1972 ausländischen Nachrichtendiensten und Bestechungsoperationen enger politischer Vertrauter verdankt.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen hier einige Beispiele von Manipulierung von Aussagen und von Manipulierung der Wahrheitspflicht vorgetragen, die sehr besorgt stimmen müssen. Hier wird nach dem Motto verfahren: Nie mehr zugeben, als man unbedingt zugeben muß, und alles andere rücksichtslos bestreiten!
Meine Damen und Herren, diese Art von unwahrhaftigen Aussagen geht an den Nerv der Demokratie,
denn sie zerstört das Vertrauen, auf dem letztlich jede zwischenmenschliche Ordnung beruht.
— Meine Damen und Herren, Sie machen hier Zurufe. Lassen Sie mich das eine sagen: In jedem Land wird es Skandale geben, und jedes Land muß auf seine Weise mit seinen Skandalen fertig werden. Aber das mindeste, was man in einer Demokratie verlangen muß, ist, daß, wenn dringender Verdacht für einen Skandal besteht, alles, aber auch alles geschieht, um den Sachverhalt aufzudecken.
Meine Damen und Herren, ich könnte Beispiele für unklare und zweideutige Äußerungen — —
— Meine verehrten Damen und Herren, wenn Sie alle gleichzeitig sprechen, kann ich keinen von Ihnen verstehen.
Herr Abgeordneter Carstens, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Engelhard?
Herr Professor Carstens, bin ich richtig orientiert, daß Sie noch nicht zum Be-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2461
Engelhardrichterstatter des Untersuchungsausschusses bestellt worden sind?
Herr Kollege Engelhard, ich habe nichts gesagt, was das Ergebnis des Untersuchungsausschusses vorwegnehmen würde,
sondern ich habe mir erlaubt, die Erklärungen, die der Kollege Wienand oder/und die SPD-Fraktion nacheinander abgegeben haben, eine nach der anderen vorzutragen. Ich habe daraus allerdings den Schluß gezogen — und ich wiederhole diesen Schluß —: Alles bestreiten, bis man es zugeben muß!
Meine Damen und Herren! Es ist, ganz allgemein gesagt, die Unklarheit und Zweideutigkeit in den Aussagen der Regierung, die an dieser Stelle — anläßlich der Beratung des Etats des Bundeskanzlers — nach unserer Auffassung einmal ganz deutlich angesprochen werden muß. Ich möchte an einige Debatten aus dem außenpolitischen Bereich erinnern, die in den letzten Monaten vor diesem Hohen Hause stattgefunden haben:Um den Vorwurf zu entkräften, daß sie — die Bundesregierung — die Interessen Berlins nicht ausreichend gewahrt habe, griff die Bundesregierung zu der abenteuerlichen Ausflucht, sie habe kein Rechtgehabt, mit der Sowjetunion über Berlin zu verhandeln, obwohl die Bundesregierung natürlich weiß, daß sie seit 1954 nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, Berlin in alle Verträge einzubeziehen, soweit nicht die drei Westmächte im Einzelfall widersprechen.
Bei einer Diskussion über den Grundvertrag mußte sich dieses Haus anhören, wie der zuständige Bundesminister erklärte, daß das Viermächteabkommen von 1971 auf diesen Grundvertrag nicht anwendbar sei; denn es betreffe nur die Beziehungen zum Ausland, und die DDR sei für uns kein Ausland. Im nächsten Atemzug aber mußte der gleiche Bundesminister zugeben, daß das Abkommen von 1971 die Einbeziehung aller völkerrechtlichen Vereinbarungen der Bundesrepublik und die Erstreckung dieser Vereinbarungen auf Berlin vorsieht und daß zu den völkerrechtlichen Vereinbarungen auch die Verträge zwischen der Bundesrepublik und der DDR gehören.Nun darf ich in den Kreis meiner Betrachtungen auch die letzten Äußerungen zum Thema Grundvertrag einbeziehen, die auf der anderen Seite — in Ost-Berlin — mit unserem künftigen Vertragspartner gefallen sind. Von unserem künftigen Vertragspartner spreche ich; denn er wird unser Vertragspartner sein, sobald der Grundvertag in Kraft getreten ist. — Die Bundesregierung hat uns hier gesagt, der Grundvertrag sei ein Modus vivendi, der nichts endgültig regele; Herr Honecker hat erklärt, der Vertrag schaffe endgültige Zustände. Die Bundesregierung sagt, eine Änderung der Grenzen sei im gegenseitigen Einverständnis möglich; Herr Honecker und Herr Winzer erklären, gerade diese Möglichkeit schließe der Grundvertrag aus. Die Bundesregierung erklärt, die DDR sei für uns kein Ausland; Herr Honecker bezeichnet dies als eine Pflichtübung irreführender Behauptungen.
Meine Damen und Herren! Unbeirrt durch dieses groteske Spiel und ohne Rücksicht auf das in Karlsruhe anhängige Verfahren verspielt die Bundesregierung auch noch die letzte Chance für eine Klarstellung der strittigen Punkte und setzt den Grundvertrag in Kraft.Aber, meine Damen und Herren, Zweideutigkeit ist nicht nur für große Bereiche unserer Außen- und Deutschlandpolitik kennzeichnend; sie bestimmt auch wichtige Teile unserer Innenpolitik. Verbal läßt es die Bundesregierung nicht an Beteuerungen fehlen, daß sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staates eintrete. Aber da, wo es darauf ankommt, in der tagespolitischen Auseinandersetzung klar Stellung zu beziehen, vermissen wir eindeutige Aussagen des Bundeskanzlers.
Gegen die hessischen Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Gesellschaftskunde — das ist hier schon mehrfach angeklungen — —
— Ich kann mir vorstellen daß es Ihnen unangenehm ist, wenn ich das sage;
aber die Richlinien sind nun einmal erlassen, und wir wissen, daß schwere politische und verfassungsrechtliche Bedenken gegen sie bestehen. Tausende hessischer Eltern müssen zusehen, wie ihre Kinder in den Schulen gegen ihre eigenen Eltern beeinflußt werden, wie Klassenkampf- und Klassenhaßgefühle in den Kindern geweckt werden
und wie ihr Denken systematisch im Sinne einer kommunistisch-soziologischen Ideologie verformt wird.
— Meine Damen und Herren, ich verstehe ja, daß man lacht. Mir ist auch manchmal zum Lachen zumute. Ich muß Ihnen aber sagen: Sie sehen die Dinge nicht ganz richtig. Sie erkennen nicht mit der genügenden Deutlichkeit
— und wenn Sie es erkennen, sprechen Sie es zumindest nicht aus —, daß hier der Versuch gemacht wird, die Axt an die Grundlagen unserer freiheitlichen Existenz zu legen.
Ein anderes Beispiel. Verantwortliche Politiker aller demokratischen Parteien in unserem Lande ha-
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Dr. Carstens
ben erkannt, daß unserer freiheitlichen Ordnung durch eine Unterwanderung ihrer Institutionen Gefahr droht.
— Warten Sie ab, ich komme gleich zu konkreten Beispielen.Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder haben Übereinstimmung darüber erzielt, daß Männer und Frauen, die sich die Beseitigung dieser freiheitlichen Ordnung zum Ziel gesetzt haben und dies durch ihre Zugehörigkeit zu Organisationen zu erkennen geben, die eben dieses Ziel verfolgen, nicht zum öffentlichen Dienst, nicht zum Staatsdienst zugelassen werden sollen. Alsbald wurde von linken Gruppen in unserem Land gegen diese Vereinbarung Sturm gelaufen, und zwar mit der dialektisch verblüffenden Begründung, dadurch würden ihre Grundrechte und Grundfreiheiten verletzt. Wir erleben in unserem Lande also das Schauspiel — übrigens nicht zum erstenmal —, daß diejenigen, die die freiheitliche Ordnung beseitigen wollen, sich zunächst einmal auf die freiheitlichen Grundsätze berufen. Aber dies ist nicht der Sinn unseres Grundgesetzes. Durch die Erfahrungen des Weimarer Staates belehrt, haben die Väter unserer Verfassung ausdrücklich vorgesehen, daß gegenüber den Feinden unserer Ordnung Grundrechte eingeschränkt werden können.Ich zitiere einen Satz aus der Rede des designierten Rektors einer der norddeutschen Universitäten; er hat vor einigen Monaten erklärt:Die Universität lebt heute unter einer Wolke der Furcht, hinter der man die Sonne der Freiheit nicht mehr sehen kann.
Dies sind die ernsten Tatbestände, vor denen wir stehen. Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie auf, in dieser Auseinandersetzung klar, eindeutig und entschieden Stellung zu beziehen, und zwar hier vor diesem Hohen Hause.
Ich habe ja gar nichts dagegen, wenn wir die These aufstellen, daß wir diese Gruppen mit politischen Mitteln bekämpfen müssen. Dazu bin ich bereit. Dazu sind wir alle bereit. Aber wir müssen die politischen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, dann auch einsetzen.
Das tun wir jedoch nicht, wenn wir die Frage, ob Angehörige der extremen freiheitsfeindlichen Organisationen in den Staatsdienst kommen können, offenlassen. Sie muß im Interesse unseres Landes, im Interesse unserer freiheitlichen Ordnung mit aller Entschiedenheit beantwortet und verneint werden.
Meine verehrten Damen und Herren, ich kann diese Rede heute am 18. Juni 1973 nicht abschließen, ohne mit einem Wort der Tatsache zu gedenken, daß gestern, am 17. Juni, die 20jährige Wiederkehr des Volksaufstandes in Ost-Berlin und in anderenStädten von vielen in unserem Lande feierlich begangen und daß ihrer gedacht wurde. Ich habe mir aus diesem Anlaß das Protokoll der Debatte vor diesem Hohen Hause noch einmal angesehen, die am 1. Juli 1953, unmittelbar nach dem Ereignis, stattfand. Ich habe die Rede des Herrn Kollegen Wehner noch einmal gelesen, in der er die Einbringung eines Gesetzentwurfes durch die SPD-Fraktion ankündigte, dessen § 1 lautete: „Der 17. Juni ist der deutsche Nationalfeiertag." Mit diesem ,Vorschlag ging die SPD über den Antrag der damaligen Bundesregierung hinaus, durch den der 17. Juni zum nationalen Gedenktag und zum gesetzlichen Feiertag erhoben wurde. Heute hört man, daß die Bundesregierung und auch die Koalitionsfraktionen erwägen, den 17. Juni als gesetzlichen Feiertag wieder abzuschaffen. Da wird gesagt, die Verhältnisse hätten sich geändert, die Wiedervereinigung sei hoffnungslos geworden; der eine oder andere möchte auch auf Empfindlichkeiten in der DDR und bei der dortigen Regierung Rücksicht nehmen.Aber meine verehrten Damen und Herren — Herr Bundeskanzler, ich wende mich an Sie, ich wende mich an alle Mitglieder Ihrer Regierung, und ich wende mich an alle Damen und Herren, an alle Kollegen dieses Hohen Hauses —, ich möchte Sie doch herzlich und ernst bitten zu überlegen, ob Sie diesen Schritt tun wollen, und ich möchte Sie fragen, ob wir nicht Veranlassung haben, den 17. Juni als einen kostbaren Schatz unserer Geschichte zu bewahren, nicht im Sinne einer permanenten Anklage, auch nicht im Sinne einer sich jährlich wiederholenden Totenklage, sondern weil dieser 17. Juni nach unserem damaligen allseitigen Verständnis und, wie ich glauben möchte, nach unserem heute auch noch weitgehend übereinstimmenden Verständnis etwas symbolisiert, was in unserer neueren Geschichte höchst selten geschehen ist.Unter der schwarzrotgoldenen Fahne sind Taus-sende von Menschen, darunter die meisten Arbeiter, für die Einheit unseres Landes, für Recht und Gerechtigkeit und für Freiheit ausgezogen, und mehrere hundert von ihnen haben dieses ihr Bekenntnis mit dem Tode besiegelt.Meine Damen und Herren, kein Volk verträgt es, wenn seine Geschichte alle 20 Jahre neu geschrieben wird.
Wir haben 1949 nach den entsetzlichen Erfahrungen des Krieges und des mit ihm verbundenen Elends und der Gewaltherrschaft einen neuen Anfang gemacht. Wir alle, die wir im Laufe der Jahre den Eid auf das Grundgesetz in der einen oder anderen Funktion geschworen haben, haben uns damit verpflichtet, für Einheit, für Recht und für Freiheit mit unserer ganzen Kraft zu kämpfen. In diesem uns alle einenden Sinne haben wir den 17. Juni vor 20 Jahren zum nationalen Gedenktag und zum gesetzlichen Feiertag erhoben. Lassen Sie uns daran nicht rütteln! Lassen Sie uns die Dinge, in denen wir miteinander in der Sache, so glaube ich, nach wie vor übereinstimmen, auch in der äußeren Form erhalten, damit wir den nach uns folgenden Gene-
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Dr. Carstens
rationen Zeichen setzen, Ziele setzen, vor denen sie und wir bestehen können!
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kritische Betrachtung meines verehrten Vorredners verdient es, unverzüglich beantwortet zu werden, bzw. sie verdient es, daß mit ihrer Beantwortung begonnen wird.
Was Herr Kollege Carstens zu dem Bedauern seiner Fraktion über die Tatsache gesagt hat, daß diese Haushaltsberatungen unter einem so starken Zeitdruck haben geführt werden müssen, werden, nehme ich an, die Kollegen aller Fraktionen im Haushaltsausschuß auf ihre Weise empfunden haben. Sie werden dabei dennoch nicht vergessen haben, daß erst am 19. November der Bundestag neu gewählt, dann — in gehöriger Folge — die Regierung gebildet und dann der Haushaltsplan eingebracht wurde. Hinsichtlich dessen, was dann zu folgen hat, scheiden sich offenbar, verehrter Herr Kollege, die Gleise des Verständnisses. Uns lag daran, eine Situation zu schaffen, in der vor der Sommerpause der Haushalt verabschiedet werden kann. Sie selbst haben dem nicht so erwidert, daß Sie heute mit Fug und Recht sagen könnten, das hätte man lieber erst im Herbst machen sollen. So sind die Tatsachen. Ich nehme an, daß die Kollegen aus dem Haushaltsausschuß — und wahrscheinlich nicht nur die der SPD angehörigen — Ihnen dazu noch einiges Sachdienliches sagen werden.
Nun haben Sie die Regierung angenommen und gesagt, sie sei angetreten, eine Politik zugunsten der sozial Schwachen führen zu wollen. Ich wäre sehr dafür, daß die Bundesregierung, wenn wir nach der Sommerpause hier wieder zusammentreten, einen übersichtlichen Tätigkeitsbericht über das, was bisher gemacht worden ist, vorlegt, der in einer Ausgabe des Bulletins oder in anderer Weise zu veröffentlichen, d. h. zur öffentlichen Kenntnis zu bringen wäre, einen Bericht über die getroffenen Entscheidungen, die z. B. mit dem von Ihnen hier angezogenen Grundlagenvertrag und Verhandlungen anderer Art über Beziehungen zu anderen Staaten zusammenhängen, sowie über verabschiedete Gesetzentwürfe mit den entsprechenden Erläuterungen, über bereits eingebrachte Entwürfe, die sich in der Ausschußberatung befinden, und schließlich über Entwürfe, von denen versichert werden kann, daß sie in absehbarer Zeit vorgelegt werden können. Dann werden Sie finden — auch Sie, verehrter Herr Kollege —, daß da sehr viel drinsteckt, was dem sozial Schwachen zugute kommt.
Beim entsprechenden Einzelplan 11 werden wir wahrscheinlich nicht erleben, daß Sie bestreiten werden, daß dort etwas für die sozial Schwachen getan worden ist — und nicht nur für die unmittelbar sozial Schwachen.
Dann haben Sie allerdings — das ist Ihnen unbenommen; das ist nicht völlig neu — gesagt, statt mehr Preisstabilität herbeizuführen, sei durch Preissteigerung die brutalste und unsozialste Besteuerung des „kleinen Mannes" verursacht worden.
Wir haben uns hier schon oft über Inflation ausgesprochen. Sowohl die Ausgangspositionen als auch die Begriffsbestimmungen sind dabei sehr verschieden gewesen.
Herr Abgeordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Ja.
Bitte sehr!
Herr Kollege Wehner, soll diese Übersicht auch diejenigen Punkte enthalten, bei denen seit dem November des letzten Jahres nachweislich eine soziale Demontage stattgefunden hat?
— Z. J3. beim Vierten Rentenänderungsgesetz!
Ich nehme nicht an, sehr verehrter Herr Kollege, daß es unsere Regierung nötig hat, Ihre polemischen Begriffe zu übernehmen, wenn es sich um die Darlegung ihrer Tätigkeit und der Tätigkeit der Mehrheit in diesem Hause handelt.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, möchte ich ein paar Bemerkungen zur Preisstabilität und jener brutalsten und unsozialsten Besteuerung des „kleinen Mannes" machen. Sie haben noch gar nicht die letzte Stufe der Leiter der Polemik erklommen. Die konnte man in einer ganz ideologisch gegossenen Arbeit in einem Organ, dem Sie sicher viel verdanken
— es erscheint in dem Verlag, in dem auch die „Volksausgaben" erscheinen; in diesem Fall war es aber die „Welt" —, finden, wo gesagt wurde, das sei von uns sogar geplant, das sei die kalte Sozialisierung, indem wir vorher alle diejenigen, die etwas hätten, und auch diejenigen, die nicht viel hätten, enteigneten. Sie müssen einmal mit Ihren eigenen Begriffen und denen, die Ihnen zugesteckt werden, zurechtkommen.
Aber, meine Damen und Herren: Sie waren doch mit uns zusammen daran beteiligt, daß wir hier im Februar jene Stabilitätsmaßnahmen beraten und be-
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Wehnerschlossen haben. Sie wissen noch, daß schließlich erweiterte Stabilitätsmaßnahmen, die nun endlich nach Überwindung vieler Hürden am 1. Juli in Kraft treten können, d. h. beginnen können zu wirken, von Ihnen nicht besonders gefördert, sondern — leider — eher aufgehalten worden sind.Auch sind sie durch Sie nicht zweckdienlich ergänzt worden; das ist nicht zu bestreiten.
Nun sagen Sie, daß sich am Beispiel der Rentenversicherung deutlich zeige, hier würden Mittel der Sozialversicherung für Ausgaben des Bundes und ihre Finanzierung verwendet. Eine klare Rechnung widerlegt das. Ich bin überzeugt, daß das im Zusammenhang mit dem entsprechenden Einzelplan geschehen wird. Ich will im einzelnen jetzt nicht darauf eingehen.Ich möchte aber hier — Sie haben das schon durch eine Zwischenfrage meines Kollegen Hans-Jürgen Wischnewski gehört — darauf hinweisen, daß der Beschluß zur Beitragserhöhung ein Beschluß war, den Sie und wir zusammen in jener Periode gefaßt haben, als Herr Kurt Georg Kiesinger Bundeskanzler und Herr Katzer Arbeits- und Sozialminister war.
Damals wurde uns graphisch dargestellt, daß vor uns ein riesiger Rentenberg stehe. Das könnte man alles wiederholen; das könnte man, da man heute inzwischen sehr mit Hilfe des Fernsehens und ähnlichen Medien Fragen zu erläutern versucht, einmal wiedergeben.
— Ja, sicher. Ich werde Ihnen am Schluß verraten, warum. Und dann werden Sie sagen: Es war auch wieder Taktik.
Ich kann der ersten Etat-Rede des neu gewählten Vorsitzenden der CDU/CSU — mit allem Respekt — nicht anders die Ehre erweisen,
als ihr zu folgen und zu ihr meine Bemerkungen zu machen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke?
Ja.
Herr Kollege Wehner, ist Ihnen entgangen, daß Herr Professor Carstens die Kürzung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherungsträger gemeint hat und im Zusammenhang damit die Erhöhung der 18 % und nicht die Tatsache der 18 % als solche?
Es ist wunderbar, daß Sie Ihren Vorsitzenden auf diese Weise erläutern helfen, der das natürlich im Detail nicht so genau erläutern kann wie Sie. Ich bin froh, daß Sie jetzt eine solche Solidarität haben.
— Natürlich war das die Verbindung. Der Herr Kollege Carstens hat ja bei dieser seiner ersten Attacke, als es sich — —
— Ich bitte Sie, Sie haben schon zweimal Zwischenfragen gestellt. Sie können noch ein halbes Dutzend weiterer Zwischenfragen stellen. Nur versuchen Sie nicht, mich in eine Situation zu bringen, von der dann Ihre Leute sagen: Der Franke hat erzielt, daß der Wehner weniger schwach war als in der Zeit, als er sich mit dem Herrn Carstens auseinandergesetzt hat.
Nein, Herr Carstens hat ja eine ganze Liste, und die ist ihm unbenommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
dies ist ein Pseudomittel. Niemand hat das deutlicher gesagt als die Herren der Regierung.Sie haben behauptet, der Bundeskanzler und seine Regierung hätten eine falsche Alternative — Arbeitslosigkeit oder Inflation — aufgestellt. Wir hatten eine Rezession, von der nicht wir, sondern Herren aus Ihren Reihen und sogar Herren aus der Spitze zu reden begannen, daß es eine gewollte Rezession gewesen sei. Die war 1966.
— Ja, sicher, da kommt vielleicht noch mehr von 1966. — Dann werden wir doch wohl Grund gehabt haben, das zu tun, was wir 1966 getan haben, als wir in eine Regierung mit einer zweifellos ungeliebten Partnerin, der CDU/CSU, gegangen sind, weil wir nicht wollten, daß aus der ersten wirklich ernsthaften Rezession, die sich in Windeseile ausbreitete, eine veritable Wirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit würde.
Sie sagen, von der Regierung sei der Versuch der Irreführung der deutschen Bevölkerung ge-
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Wehnermacht worden. Verehrter Kollege Carstens, ich gebe Ihnen das mit Ihrer Behauptung zurück, die Sie auf die Frage des Kollegen Wischnewski zur Finanzierung des Bundeshaushalts aufgestellt haben. Sie werden dann nachlesen: das war eine schwache, das war eine ausweichende, aber das war zugleich eine — und da liegt offenbar die Besonderheit in Ihrer Aufgabe — für die Sozialdemokraten verletzende Behauptung. Das ist das Kunststück.
Herr Abgeordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Bismarck?
Ja.
Bitte sehr!
Herr Kollege Wehner, ist Ihnen nicht bekannt, daß Sie eben mit der erneuten Wiederholung der Ente von der gewollten Rezession einem früheren Mitglied dieses Hauses erneut entgegen mehrfacher Richtigstellung schweres Unrecht zugefügt haben?
Ich habe kein Mitglied dieses Hauses genannt. Ich habe von Persönlichkeiten aus Ihrer Spitze gesprochen, und es betrifft nicht nur ein Mitglied dieses Hauses, sondern einige.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU, so wurde gesagt, habe bewiesen, daß sie trotz ausländischer Preisteigerungen hier Stabilität gehalten habe. Ich hoffe, sehr verehrter Herr Kollege Carstens und auch meine anderen Kollegen, daß Sie nicht vielleicht auch noch die Statistik als einen Versuch der Irreführung unseres Volkes bezeichnen werden, wenn diese Statistik einmal zeigt, daß Sie da ein wenig an den Tatsachen herumpoliert haben.
In diesem Herbst steht z. B. eine bittere Notwendigkeit bevor. Es ist die Notwendigkeit der Überprüfung der Agrarpreispolitik in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Da nimmt heute gerne jeder bei den Preissteigerungen, die dort im System liegen — und das ist ein System, das wir alle zusammen zu tragen und auch zu verbessern haben, wie sich im Herbst zeigen wird —, die Zahlen, die ihm passen. Nur dürfen Sie und werden Sie doch wohl nicht bestreiten, daß wir unsere Stabilitätspolitik nicht völlig autark machen können, genausowenig wie wir unsere Sicherheitspolitik, Verteidigung, völlig autark machen können. Oder soll das auch in Frage gestellt werden? Hier gibt es ja gewisse Beziehungen.Da Sie nicht gerne aus dem Jahre 1966 etwas hören: Der Herr Kollege Kiesinger wird dieses etwas vergilbte Exemplar wiedererkennen, es ist die Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966,
in der es damals hieß:Unsere nächstliegende Sorge ist, den Haushalt 1967 auszugleichen. Dies muß rasch geschehen. Das Finanzplanungsgesetz, das Steueränderungsgesetz 1966 und das Ergänzungshaushaltsgesetz 1967 reichen nicht aus, um die Deckungslücken des Haushalts voll zu beseitigen. Trotz der drei Gesetze müssen wir 1967 mit einer Deckungslücke von rund 3,3 Milliarden DM rechnen. Die Regierung wird in dieser Höhe alsbald neue Ausgleichsvorschläge vorlegen.In den kommenden Jahren bietet die Finanzlage des Bundes ein noch düstereres Bild. Im Jahresdurchschnitt drohen Deckungslücken, die etwa so groß sind wie das gesamte Haushaltsvolumen eines der finanzstärksten Länder der Bundesrepublik, und dies trotz der vom Hohen Hause inzwischen verabschiedeten drei Gesetze.Das, meine Damen und Herren, war die Ausgangsbilanz eines von der CDU/CSU zusammen mit uns gewählten Bundeskanzlers, der einen von der CDU/CSU vorher gestellten Bundeskanzler abzulösen hatte. —Wie kam es zu dieser Entwicklung?— So hieß es in dieser Erklärung, und da gab es eine Begründung: —Es fehlte an der mittelfristigen Vorausschau. Hätten wir schon rechtzeitig die schlichten Finanzprognosen, wie wir sie heute aufstellen, erarbeitet, so wäre diese Entwicklung vermieden worden.Aber die in der Hochkonjunktur anschwellenden Staatseinnahmen, eine überalterte Haushaltspraxis, die verwirrende Vielfalt der öffentlichen Aufgaben, aber auch zu große Nachgiebigkeit gegenüber Interessengruppen und Überschätzung unserer Möglichkeiten haben dazu verführt, Jahr für Jahr neue fortlaufende Ausgaben und fortwirkende Einnahmeverminderungen zu beschließen, ohne ihre Folgen für die Zukunft genügend zu bedenken.
— Ich weiß, daß das nicht gerade angenehm ist und daß der Kurztext, nämlich den Sozialdemokraten anzuhängen, daß die CDU/CSU immer Stabilität gehalten hätte, natürlich besser in die Schlagzeilen paßt als mein Klartext. Aber es ist ein Klartext, den die CDU/CSU — jedenfalls die, die damals mit uns, den Sozialdemokraten, in der Regierung war — wahrscheinlich heute noch verantwortet und verantworten wird.
Weiter heißt es in der Regierungserklärung von 1966:Noch 1965 wurden die Bundeshaushalte durch Einnahmeverzichte und Ausgabeerhöhungen zusätzlich mit insgesamt 7,2 Milliarden DM belastet. Die beiden Steueränderungsgesetze führten für Bund und Länder zu Einnahmeverlusten
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Wehnerin Höhe von 3,1 Milliarden DM; zusätzliche Ausgaben in Höhe von 6 Milliarden DM wurden beschlossen. Hinzu kommt, daß sich 1965 erstmals die 1964 beschlossene Übernahme des Kindergeldes auf den Bundeshaushalt mit einem vollen Jahresbetrag von rund 2,8 Milliarden DM auswirkte. Die Unzulänglichkeit des Art. 113 des Grundgesetzes und auch die unbegründete Furcht vor der Ungunst der Wähler haben eine Korrektur dieser Entscheidungen vor den Bundestagswahlen verhindert. Auch nach den Wahlen gelang es nicht, — —Das alles sind Begründungen für eine Lage, die vorgefunden worden ist, nachdem nur CDU/CSU-Bundeskanzler regiert hatten.
Nun haben Sie sich, Herr Kollege Carstens, auf ein Gebiet begeben, auf dem Sie sicher noch einiges erfahren und nicht so einfach davonkommen werden, wie Sie es in der Antwort auf eine Zwischenfrage versucht haben, weil Sie nämlich konkret gefragt worden sind, ob Ihnen bekannt sei, wie die Vertreter Ihrer Fraktion Stellenforderungen gestellt hätten. Da sind Sie elegant, wie Sie auch sein können, ausgewichen; aber es wird Ihnen ja beantwortet werden.Wenn Sie hier schon behaupten, es sind Stellen bewilligt worden, die nicht zum Bereich der inneren Sicherheit gehören, werden die Gründe — Sie haben ja selber einige genannt, z. B. für die Ständige Vertretung und für das, was damit zusammenhängt --- eben noch einmal aufgeführt werden.Sie haben behauptet, es gäbe im ganzen westlichen Teil der Welt keinen Parallelfall, insofern nämlich, daß von einem Gremium, das von der Regierung selbst berufen worden sei -- Sie meinten den Sachverständigenrat —, die Maßnahmen der Regierung als ein Skandal bezeichnet worden sind.Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zusammenhang mit den Stabilitätsmaßnahmen hat man hier in demselben Haus auch die Antwort auf das, was in dem Sachverständigengutachten und dem, was dazu erklärt worden ist, behauptet oder gewertet wurde, gegeben. Ich will das weder wiederholen noch will ich hier einer Diskussion vorgreifen, die man ja wohl bei den Einzelplänen, von denen Sie gesagt haben, Sie wollten sie am Dienstag, nachdem alle anderen erledigt sind, noch besonders aufnehmen, führen wird. Sie können dann auch diese Rosine, die Sie vorweg schon herausgepickt haben, wieder mit hinzufügen.Sie haben dann als Beispiel den Straßenbau genannt, von dem noch vor einem Jahr gesagt worden sei, daß das Geld nicht ausreiche, um genügend Straßen zu bauen, und hinzugefügt, daß andererseits in diesem Jahr die Mittel gekürzt worden seien. Wir haben hier gehört — das ist natürlich streitig —, daß Nahverkehrsnotwendigkeiten begründet worden sind. Wir werden das beim Einzelplan 12, den Sie ja auch als einen der Einzelpläne ausgesucht haben, über die noch besonders zu reden sein werde, sachverständig miteinander austragen und ausstreiten.Sie haben dann aber allgemein erklärt, diese Bundesregierung führe keine solide Politik, weder eine solide Finanzpolitik
noch eine solide Währungspolitik.
— Sie haben das schon einmal viel kräftiger beklatscht, nämlich als es Ihr eigener Vorsitzender sagte. Ich wollte es nur noch einmal in Erinnerung bringen.
Er wird sich freuen, daß er noch einen Nachtusch bekommen hat.
Später sieht das dann alles anders aus. So vergeht der Ruhm der Welt, meine Damen und Herren.
Sie haben dann über die Außenpolitik gesprochen. Wissen Sie, was Sie zur Währungs- und Finanzpolitik gesagt haben — das waren jene Punkte, auf die ich jetzt hingewiesen habe —, war wenig überzeugend. Ich bin der Meinung, es wird so dünn gewesen sein, daß es nicht trägt, daß es auch Ihre eigene Fraktion nicht trägt, wenn sie diese Etatdebatte wirklich mit der Bravour, die einer parlamentarischen Opposition zusteht, durchstehen will.Sie haben zur Außenpolitik gesagt, sehr verehrter Herr, das spotte jeder Beschreibung.
Das klingt etwas zu salopp, als daß ich es Ihnen als ernstgemeint abnehmen möchte.
Was Sie dazu gesagt haben, verehrter Herr Kollege, war ein dünner Aufguß. Sie haben — das war Mode, das wird wieder Mode und ist immer wieder mal Mode; man schneidert es ein wenig um — mit Herrn Bahr begonnen. Das scheint Gründe zu haben. Sie haben damals — ich zitiere Sie nicht als Chef des Bundeskanzleramts —, als Sie nicht als Abgeordneter zu fungieren hatten, schon manchmal einiges getan, das, wenn man es nun in einer Kette sieht, zu der Annahme verleiten könnte, als ob Sie etwas Besonderes gegen den Herrn hätten. Dann sollten Sie das aber austragen oder einen Untersuchungsausschuß darüber einsetzen lassen.
Oder wollen Sie noch einmal die Situation des vorjährigen Frühjahrs mit den Ostverträgen haben, die ja für Sie nicht besonders rühmlich abschloß, nachdem hier gesagt worden war: Wenn Sie am 10. Mai oder überhaupt diese Woche abstimmen lassen, dann wird die CDU/CSU geschlossen mit Nein stim-
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Wehnermen? Dann kam der 17. Mai, und hier wissen Sie ja, wie Sie abgestimmt haben.
Die Erklärungen, die von der Regierungsseite zu den Ostverträgen im Laufe der Zeit abgegeben worden sind, haben Sie mit Erklärungen verglichen, die mein Fraktionskollege Karl Wienand abgegeben habe. Sie finden darin eine außerordentliche Parallelität. Sehr verehrter Herr Kollege Carstens, wollen Sie einen Untersuchungsausschuß über Außenpolitik, oder möchten Sie dem in der vorigen Woche eingesetzten Untersuchungsausschuß soviel wie möglich vorwegnehmen, bevor dieser Untersuchungsausschuß zu Beweisergebnissen kommen kann?
Sie haben heute die Frage an den Bundeskanzler gerichtet, ob die Fortexistenz seiner Bundesregierung im April 1972 ausländischen Nachrichtendiensten und/oder Bestechungsaktionen Vertrauter zu verdanken sei.
Ich stelle Ihnen die Gegenfrage, ob die Wählerinnen und Wähler vorn 19. November 1972 durch ausländische Dienste oder durch Bestechung zu ihrer Stimmenabgabe für die Mehrheit von Sozialdemokraten und von Freien Demokraten gedrängt worden sind.
Meine Damen und Herren, Sie müssen es sich selbst überlegen, wie weit Sie gehen wollen, ohne in Konflikt mit allem zu geraten,
was in einer parlamentarischen Demokratie zu den Grundlagen des Miteinander-Streitens gehört.
Sie haben dann hier erklärt, nachdem Sie sozusagen einige Spitzen in dieser Weise haben erkennen lassen — nicht gerade sehr elegant —, das mindeste was man verlangen müsse, sei, es müsse alles geschehen, um aufzuklären. Mein sehr verehrter Herr Kollege Carstens, was Sie tun, macht mir den Eindruck, daß Sie vorwegnehmen wollen, was Sie möglicherweise nicht halten können. Das ist die Situation.
Wenn Sie gesagt haben, Sie hätten sich erlaubt. Erklärungen Karl Wienands oder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu vergleichen mit dem, worüber eben geredet worden ist, nämlich alles zu bestreiten, bis etwas zugegeben werden muß.
— Ich weiß, das haben Sie ja schon in sämtlichen Tonarten und bei sämtlichen Medien gespielt.
— Wir haben seit Freitag einen Untersuchungsausschuß. Herr Wohlrabe, wenn Sie dort etwas zu sagen haben, werden Sie dort gewiß zu der Geltung kommen, die Ihnen gebührt.
Nun zu der sachlichen Seite des außenpolitischen oder deutschlandpolitischen Teils der Ausführungen des Herrn Kollegen Carstens und seiner Feststellung, es sei eine abenteuerliche Ausflucht der Bundesregierung, sie habe kein Recht gehabt, mit der Sowjetunion über Berlin zu verhandeln. Sie haben dann so getan, als hätte sie dieses Recht seit den 50er Jahren gehabt.
Ich habe ja auch die Dinge begleitet, und ich muß Ihnen sagen, als am 12. Juni des Jahres 1964 ein Vertrag zwischen den Regierungen von Moskau und Berlin abgeschlossen worden war, durch den alle — buchstäblich alle Zugangs- und Ausgangsrechte, Berlin (West) angehend, in der unmittelbaren Gewalt der DDR zu liegen schienen, da waren nicht Sie es, die sich geäußert haben, da war es nicht die damalige Bundesregierung, sondern da haben Sie Gründe angeführt — Sie müssen sich mit diesen Gründen auseinandersetzen, müssen in dieser Richtung dann denselben Vorwurf machen, den Sie uns jetzt glauben andrehen zu können —, und da haben Sie gesagt, das sei eine Sache der Alliierten. Hier sitzen ja noch Kollegen wie der Herr Schröder, der sich noch erinnern wird an Zeiten, in denen gesagt wurde, wenn die das und das zur Behinderung und zur Erschwerung machen, ja wenn sie auch nur Visa verlangen, dann wird geschossen, und zwar von den Alliierten. Und darüber haben wir viele Jahre reden müssen, weil ich das für einen Irrtum hielt in der Auslegung der Verbindlichkeiten, der westlichen Verpflichtungen.Ich muß Ihnen sagen, selbst bei Erschwerungen im Verkehr mit Berlin hat man gesagt, die Alliierten allein sollen sich äußern und Maßnahmen ergreifen. Ich habe als Mitglied des Kabinetts damals einmal eine Unterstützung in dieser Frage — auch sonst -- beim damaligen Bundeskanzler gefunden, als ich dafür eintrat daß in einer Frage von Verkehrsbehinderungen w i r uns äußern, während die Zuständigen erklärt haben, das dürften wir nicht, das müßten wir den Alliierten überlassen.Gehen Sie auch einmal ein wenig in sich, meine Damen und Herren. Es handelt sich ja um eine Politik, die Sie nicht völlig allein getragen haben, von der wir ein gutes Stück — auch wenn wir Opposition waren mit getragen haben und mit
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2468 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Wehnerverantworten, jedenfalls die, die verantwortlich denken und handeln.Dann kommen Sie zu Honecker- und WinzerInterpretationen und machen der Bundesregierung den Vorwurf, sie verscherze die Chance der Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und setze einfach in Kraft. Lassen Sie uns erst einmal abwarten, wie das in Karlsruhe geht. Ich nehme an, Sie können Karlsruhe ebensowenig vorgreifen wie manchen anderen Entscheidungen.Nur, hier hat niemand je bestritten, daß die Definitionen und die Interpretationen, die die von Ihnen genannten Sprecher der anderen Seite im anderen Teil Deutschlands dem Vertrag und der deutschen Frage geben, von uns nicht angenommen werden. Wenn das so ist — das sind nicht unsere! , dann warne ich Sie auch noch einmal, den Brief zur deutschen Einheit auf die Weise, wie Sie das tun, zu etwas zu zertreten, das am Ende nichts mehr wert sein könnte.
Hier geht es um gegensätzliche Ziele in der Deutschlandpolitik. Wir haben, was in unserer Verfassung darüber steht: daß das ganze deutsche Volk aufgefordert bleibe, Einheit und Freiheit zu vollenden. Die anderen haben in ihrer Verfassung: eine mögliche staatliche Einheit Deutschlands nur unter der Voraussetzung, daß das, was sie sozialistisch nennen, dieses erfüllt. Das sind nicht zusammenpassende, gegensätzliche Auffassungen. Aber hier auf der Erde müssen wir versuchen, die Dinge auszuhandeln, in denen es dennoch ein übereinstimmendes Interesse geben kann, um zum Wohle der Menschen im getrennten Deutschland sehr langwierig, häufig auch langfristig, Verbesserungen zustande zu bringen.
Herr Abgeordneter Wehner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger ?
Ja.
Herr Kollege Wehner, ist Ihnen noch erinnerlich, daß Sie es waren — der uns heute den Vorwurf macht, den Brief zur deutschen Einheit in seinem Wert herabzumindern —, der die gemeinsame Entschließung zum Moskauer Vertrag vom Mai vergangenen Jahres durch seine eigenen Äußerungen stark entwertet und herabgemindert hat?
Schönen Dank für die Frage. Sie gibt mir Gelegenheit, Sie zu bitten, noch einmal nachzulesen, was ich damals gesagt habe. Dann hätten Sie die Frage etwas anders gestellt, als Sie sie jetzt gestellt haben.
Sie haben erklärt, Herr Dr. Carstens, Sie vermißten in vielen Fällen eine klare Aussage, und habendann plötzlich die hessischen Rahmenrichtlinien genommen. Sie haben dabei deftig in diese Quetschkommode mit „kommunistisch, sozialistisch" gegriffen. Wissen Sie, das wird Ihnen nicht gelingen; jedenfalls nicht besser als einem Meister dieser Musik, etwa 1953 — da war eine andere Zeit — mit dem Fall Schroth/Scharley. Studieren Sie, wie der Fall damals gemacht worden ist!
Ich verstehe gut, daß Sie zu zeigen haben, daß Sie — auch wenn der Herr Strauß nicht anwesend ist — das tun, was sonst er tun würde, und ich verstehe auch gut — natürlich nach dem, was ich über Ihres neuen Parteivorsitzenden Kohl Rede in Berlin gelesen habe —, daß das nun eben rascheln muß. Nur sage ich Ihnen: So ist das nicht mehr, und die 50er Jahre können Sie nicht wieder zurückzaubern. Das wäre seltsam.Wenn Sie über öffentlichen Dienst und den Erlaß der Ministerpräsidenten reden, dann müßten Sie sich auch die Frage stellen lassen, ob Sie die Ministerpräsidenten der CDU/CSU-regierten Länder rügen wollten. Ich nehme an, auch hier schwebt etwas. Zwischen den Ministerpräsidenten und dem Bundeskanzler war ja verabredet, daß von jedem Land durch den Innenminister ein Erfahrungsbericht gegeben werde, geprüft werde. Ich bin dafür, diesen Erfahrungsbericht wirklich gründlich zu prüfen.
— Die unkorrigierten Protokolle von Hannover stelle ich Ihnen gern zur Verfügung. Ich war der Vorsitzende der Antragskommission, ich stelle Ihnen auch gern diese Sachen zur Verfügung. Sie werden sie eine Weile zu lesen haben und werden finden, daß sich das lohnt, nicht weil Sie meine Überzeugung annehmen, sondern weil Sie dann sagen: Wenn wir dem ans Leder wollen, müssen wir schon andere Sachen haben.
Sie, Herr Kollege Carstens, waren so liebenswürdig, an meine Rede zu erinnern, die ich sehr kurz nach jenem 17. Juni 1953 im Bundestag gehalten habe. Falls Sie wirklich nicht nur die Auszüge gelesen haben — aber ich nehme an, Sie haben das ganze Protokoll gelesen, um ganz im Bilde zu sein; ich habe es auch in meiner Tasche; keine Angst, ich zitiere nicht daraus —, werden Sie sogar gemerkt haben, daß ich damals — was nicht immer ganz ohne zu fragen: Na, was wollte der damit? entgegenzunehmen war — eine gewisse Anerkennung des damaligen Bundeskanzlers Adenauer dafür bekam, als er sagte, in meiner Rede hätte er bei allen Gegensätzen doch mindestens ein Mitfühlen mit den Menschen, die dort auf die Straßen gegangen waren, usw. usw. erlebt.Damals sei die SPD, so sagen Sie, über das hinausgegangen, was die damalige Bundesregierung wollte. Ich weiß nicht genau, was die damalige Bundesregierung wirklich wollte. Aber ich habe an den Ausschußberatungen teilgenommen, und ich habe unseren Antrag damals hier vertreten. Ich habe von der Begründung und auch von der Rede
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Wehnernichts zurückzunehmen. Nur: Kürzlich habe ich mir erlaubt, in einer schriftlichen Arbeit zu bemerken, daß hei allem Streit über die Lage und über die deutschland- und außenpolitische Entwicklung Sie und wir in einem Punkt, was den 17. Juni betrifft, 20 Jahre danach, doch noch etwas gemeinsam haben, nämlich das ehrende Gedenken an die Opfer des Standrechts. Das habe ich geschrieben.Nun sagten Sie, die Bundesregierung erwäge heute völlig anderes. Gucken Sie doch bitte mal nach, wie das damals war. Ich habe im Kabinett 1967, als gerade noch Zeit war, Feiertagsdinge des laufenden Jahres anzubringen, erklärt, daß ich zusammen mit dem damaligen Herrn Bundestagspräsidenten Dr. Gerstenmaier und einigen Damen und Herren, die das mit ihm und mir zusammen auf sich nehmen wollten, einiges an der Art, wie der 17. Juni inzwischen begangen wurde, ändern möchte.Der damalige Bundeskanzler hat erklärt, das wolle er selbst tun. Ich habe gesagt: Ist in Ordnung, ich habe mich dem mit Respekt zu beugen. Der damalige Bundeskanzler hat es nicht geschafft. Wir haben am 17. Juni des ersten Jahres der Regierung Kiesinger/Brandt eine Rede von ihm hören können, die sich heute noch lesen läßt. Er ist mir manchmal ein wenig gram, daß ich so oft gewisse Stellen aus ihr zitiere, und er denkt: Was will der eigentlich damit? Ich war der letzte Minister, der, noch „Minister für gesamtdeutsche Fragen" hieß, und ich hatte damals in den Ausschüssen die Kabinettsvorlage zu vertreten. Ich bin damit baden gegangen, weil keine Seite dies damals unterstützen wollte: weder diejenigen, die im Kabinett ihre Leute hatten, noch die Opposition, die zwar einen eigenen Entwurf eingebracht hatte, die aber zugleich genießen wollte, daß die Regierung eins auf den Latz bekam. Das war so, und so ist das häufig. Die wollten beides zugleich haben.Wenn Sie, Herr Carstens, diese Sache dramatisch qualifizieren wollen, indem Sie sagen, daß damit ein kostbarer Schatz der deutschen Geschichte sozusagen verschleudert werde, statt ihn zu bewahren, dann lassen Sie uns anfangen bei Herrn Gerstenmaier, bei Herrn Kiesinger, bei mir und bei vielen anderen, die sich Gedanken darüber gemacht haben, wie sich an diesem Gedenktag, der er bleiben wird, weil sich weder die Geschichte noch der Kalender ändern lassen, hinsichtlich des besonderen Charakters einiges verbessern ließe.
— Das ist das wahre Thema, Herr Stücklen; in diesem Punkt hatten wir keine Differenz. Sie wird jetzt gesucht. Man hat nicht genügend andere sachliche Differenzen, und so suchen Sie diese.In einer gemeinsamen Sitzung am 16. Juni mit dem Präsidium des Kuratoriums Unteilbares Deutschland, zu der Sie leider nicht erscheinen konnten, Herr Kollege Carstens, während die anderen Fraktionsvorsitzenden anwesend waren — von Ihrer Fraktion waren sehr respektable Herren dabei, aber Sie konnten nicht da sein —, haben wir über diese Seite der Sache gesprochen und uns vorgenommen, weiter zu sprechen. Herr von Hassel hat an den Rittersturz 1958 und daran erinnert, wie er, der damalige Ministerpräsident von SchleswigHolstein, CDU — wohl unbestreitbar, sonst würden wir ihm zu nahe treten —, und der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin Brandt, SPD auch unbestreitbar —, in dieser Frage schon damals einer Meinung gewesen seien. Aber tragen Sie das bitte unter sich aus; das können Sie dort viel kameradschaftlicher, als wenn Sie mit uns etwas austragen wollen und müssen, von dem Sie meinen: Das muß denen angehängt werden! Natürlich verträgt es kein Volk, wenn seine Geschichte fortgesetzt neu geschrieben wird. Nur, so allein ließe ich den Satz, Herr Carstens, nicht gern stehen. Ich will ihn nicht ergänzen; nur wird mancher fragen, wann Sie denn bestimmte Daten unserer Geschichte anders werten wollten als in den 20 Jahren zuvor usw., und das würden Sie, wenn es zur Kreide käme, wahrscheinlich kaum bestreiten wollen.
Das sage ich, nachdem Sie mit diesem Erinnerungstag geschlossen haben, nur, damit Sie wissen, wozu auch die Vertreter Ihrer Fraktion im Kuratorium Unteilbares Deutschland zusammen mit uns eine Erklärung abgegeben haben. Sie lautet:Der 17. Juni jährt sich zum zwanzigsten Mal. Er ist ein ebenso unübersehbares wie tragisches Ereignis der deutschen Geschichte. Die Welt war durch ihn zutiefst beeindruckt. Der 17. Juni ist zu einem Tag geworden, an dem Menschen sich Rechenschaft ablegen müssen über das, was Freiheit bedeutet. Deutsche erhoben sich waffenlos gegen Macht und Gewalt. Friedlich bestanden sie auf Menschenwürde, auf Selbstbestimmung und Einheit. Dennoch wurde die Spaltung Deutschlands ständig verschärft. Mauer und Minenstreifen kamen schließlich hinzu.Die Teilung Deutschlands ist gegen den Willen der Deutschen, aber nicht ohne deutsche Schuld zustande gekommen. Das System der Mächte, das sich als Antwort auf den unmenschlichen Nationalsozialismus schließlich ergeben hat, wird die Grundstruktur des europäischen Kontinents für eine überschaubare Zukunft bleiben. Gegenwärtig leben wir Deutsche in zwei völlig gegensätzlichen gesellschaftlichen und politischen Ordnungen. Gerade deshalb müssen wir auf die Sicherung des Friedens und den Abbau der Spannungen hinarbeiten.Es ist Aufgabe der vor uns liegenden Zeit, das Bewußtsein der Einheit der Nation zu erhalten. Gemeinsame Geschichte, Sprache und Kultur sind unauslöschliche Bestandteile dieser Einheit der Nation. Die durch jahrelange Trennung verschütteten menschlichen Beziehungen gilt es Schritt für Schritt neu zu beleben.Bis in diese Tage ist um die Politik der Verträge und um die Verträge selbst leidenschaftlich gerungen worden. Nachdem die Verträge gültig geworden sind, gelten sie für die Befürworter wie für die Kritiker. Alle Parteien sind sich darüber einig. Auf dieser Basis muß nun-
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2470 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Wehnermehr versucht werden, das Beste für alle Deutschen aus der neuen Situation zu machen. Niemand sollte sich Illusionen hingeben. Jedoch darf sich auch niemand von der Schwere der Aufgabe zu Resignation verleiten lassen. Eine Sprache und Politik der bloßen Gegensätze würde nicht weiterführen. Es ist Aufgabe der kommenden Monate und Jahre, Annäherung für die Menschen in beiden Richtungen Stück für Stück in die Wege zu bringen. Die Bundesrepublik muß weiterhin bereit und bemüht sein, menschliche Begegnung und sachliche Zusammenarbeit im Verhältnis zur DDR so einfach und normal werden zu lassen wie nur irgend möglich. Die DDR bleibt aufgefordert, dasselbe zu tun und Selbstisolierung abzubauen.Das Bemühen um eine Zusammenführung der Deutschen wird um so glaubwürdiger und erfolgreicher sein, je entschiedener die Deutschen selbst politisch und persönlich am Abbau von Spannungen in Deutschland, in Europa und in der Welt mitarbeiten. Alle politisch Verantwortlichen, alle politisch handelnden Kräfte in der Bundesrepublik sollten sich diesen Aufgaben in Gemeinsamkeit des Willens und der konkreten Arbeit zuwenden. Die deutsche Wirklichkeit ist so kompliziert, daß Meinungsverschiedenheiten unvermeidlich sind darüber, was jeweils am besten zu tun sei. Aber in der Art, wie sie ausgetragen und wie gemeinsame Aussagen und Bemühungen versucht werden, kann der deutsche Wille überzeugender zum Ausdruck kommen als durch wohlklingende Formeln.Einheit der Nation und Freiheit, Bewußtsein menschlicher Zusammengehörigkeit, Verwirklichung der gemeinsamen Kultur, Festhalten an der Selbstbestimmung, dies ist eine bleibende Herausforderung an uns alle insbesondere auch als ein Vermächtnis des 17. Juni. Das Schicksal der deutschen Demokratie ist mit der nationalen Bewährung verbunden.Ich danke auch an dieser Stelle noch einmal den drei Kollegen aus den drei Fraktionen, die sich der Mühe unterzogen haben, inmitten allen Streitens zu einer solchen Erklärung zu kommen, die dann auch die Billigung aller anderen gefunden hat. Es waren Herr Bundesminister Franke, Herr Dr. Gradl und Herr Flach. Ich danke ihnen. Weil Sie zum 17. Juni diese Töne gegriffen haben, habe ich mir erlaubt, das, was das Kuratorium Unteilbares Deutschland mit seinem Präsidium und dem Bundeskanzler am 16. Juni erörtert hat, wenigstens in Gestalt dieser Erklärung am Schluß meiner Rede als auch meine Auffassung darzutun. Ich danke Ihnen allen für Ihre Geduld.
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wehner, Sie haben mich einige Male zitiert, vor allem lange und ausführlich aus meiner damaligen Regierungserklärung. Es vergeht zwar, wie Sie sagten, der Welt Ruhm, aber gewisse historische Fakten sollten wir doch bestehen lassen. Die historischen Fakten sind die: Ich war damals Bundeskanzler der größten Koalition, die wir in diesem Hause gebildet hatten. Sie umfaßte die übergroße Mehrheit dieses Hauses, und was ich in jener Regierungserklärung sagte, war nicht etwa eine Kritik an meinem Vorgänger oder meinen Vorgängern, sondern das war eine Kritik — —
Ja, lesen Sie nach, dann werden Sie es finden. Da hinten sitzen einige, die mit ihrem Studium der neuesten Geschichte unseres Parlaments offenbar noch nicht so weit gekommen sind.
Das war ein Appell des Kanzlers der Großen Koalition — der übergroßen Mehrheit dieses Hauses — an uns alle, in dem ich Ihnen in Erinnerung rief, daß wir alle zusammen in der Vergangenheit Fehler begangen hatten, die wir nun gemeinsam nicht wiederholen sollten. So war damals die Lage.Das festzustellen ist wichtig, weil immer wieder — auch im Zusammenhang mit der langen, schwelenden Krise — der Eindruck erweckt wird, als habe der neue Bundeskanzler, der der CDU angehörte, mit dieser Krise nicht eine lange, schwelende Krise unserer parlamentarischen Demokratie, sondern etwa seiner eigenen Partei gemeint. Auch das ist ganz klar zum Ausdruck gekommen. Erlauben Sie mir, das einmal zu sagen. Ich habe lange genug dazu geschwiegen.Da Sie auch unsere Auseinandersetzungen und unsere Übereinstimmungen in der Frage des 17. Juni damals erwähnt haben, Herr Kollege Wehner, darf ich Ihnen folgendes sagen: Mir war an diesem 17. Juni nur eines unerträglich, daß nämlich dieser nationale Trauertag — es war doch so, daß das Gefühl der Trauer an diesem Tage überwog — zu einer Art Frühlings- und Sommerfest mit Ausflügen und Picknicks draußen im Grünen geworden war, statt dem Zweck zu dienen, dem er dienen sollte.
Ich wollte damals eine Lösung herbeiführen, die diesen unerträglichen Zustand beseitigte; aber Sie wissen genau, daß es eine ganze Reihe Schwierigkeiten gab, die wir nicht überwinden konnten. Zum Beispiel hatten sich die Gewerkschaften auf den Standpunkt gestellt, daß dieser nationale Feiertag inzwischen zu einem Besitzstand der Werktätigen geworden sei und daß man den Tag deswegen nicht mehr zu einem Arbeitstag machen könne. Das ist einer der Hauptgründe, an denen damals der Versuch scheiterte, dem Tag einen anderen Charakter zu geben.Wogegen ich mich heute wehre, meine Damen und Herren, das ist das Argument, daß nach der neuen Ostpolitik dieser Regierung und nach dem Grundvertrag für einen solchen nationalen Gedenktag nun etwa kein Platz mehr sei. Das ist eine ganz falsche Argumentation.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2471
Dr. h. c. KiesingerDaß wir an einem solchen Tag nicht Haß und Feindschaft predigen, ist ganz selbstverständlich; aber mit diesem Tag sollen und wollen wir uns auch in Zukunft an das Wichtigste, das wir hoffentlich alle noch gemeinsam erstreben, nämlich die Einheit der deutschen Nation, die einmal auch wieder eine staatliche Einheit werden soll, soweit es in unseren Kräften liegt, erinnern. Das war auch der Inhalt meiner damaligen Rede zum 17. Juni, zu der ich auch heute noch — Herr Kollege Wehner Satz um Satz stehe.
Meine Damen und Herren! Die Fortsetzung der Diskussion bis 13 Uhr hat keinen Sinn mehr. Ich schlage Ihnen vor, daß wir gleich in die Fragestunde eintreten.
Fragestunde
— Drucksachen 7/769, 7/800 —
Wir kommen zunächst zu den Dringlichkeitsfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten von Alten-Nordheim auf:
Wie will die Bundesregierung erreichen, daß der Kreditbedarf für die Erntefinanzierung angesichts der besonderen Kreditmarktlage gedeckt wird?
Bitte, Herr Bundesminister Ertl!
Herr Kollege, die Bundesregierung hat — ergänzend zu ihrer Beantwortung der Fragen des Kollegen Eigen — Ihnen nicht mehr zu berichten, als daß sich die Bundesregierung mit der Bundesbank zusammen bemüht, eine Lösung zu finden, daß aber die Bundesbank in dieser Frage autonom zu entscheiden hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim.
Herr Bundesminister, können Sie mir auf Grund der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen wenigstens angeben, welches Kreditvolumen — Bundesbank, freier Kreditmarkt — erforderlich ist, um die Erntefinanzierung sicherzustellen?
Nein, ich kann Ihnen nur die Zahlen angeben, die wir im letzten Jahr zur Verfügung hatten. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, welches Volumen unbedingt notwendig ist, weil das Kreditvolumen von zwei Faktoren abhängig ist, die ich im Augenblick nicht beurteilen und bewerten kann. Ich kann das Erntevolumen nicht quantifizieren; ich kann es nur schätzen. Ich kann nicht quantifizieren, wieviel auf den Markt kommt. Darüber hinaus ist, wie Sie wissen, der Staat verpflichtet, nicht verwertbare Produktion gegebenenfalls zum Interventionspreis zu übernehmen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist es richtig, daß das Kreditvolumen der Einfuhr- und Vorratsstelle überwiegend durch die Buttereinlagerung in Anspruch genommen wird und daß unter Umständen die Gefahr besteht, daß dadurch die Einfuhr- und Vorratsstelle für die Getreidefinanzierung zahlungsunfähig wird?
Ich kann diese Frage im Augenblick nicht beantworten. Das müßte ich prüfen lassen.
Wir kommen zur zweiten Dringlichkeitsfrage des Abgeordneten von Alten-Nordheim:
Welche Maßnahmen will sie ergreifen, um zu verhindern, daß weitere Wettbewerbsbenachteiligungen für die deutsche Landwirtschaft entstehen und infolge erhöhter Erntefinanzierungskosten der Preisauftrieb auch in die Grundnahrungsmittel getragen wird?
Verehrter Herr Kollege, es ist eine sehr problematische Frage, inwieweit Wettbewerbsunterschiede auftauchen. Ich betone noch einmal: Durch die Regelungen der EWG-Agrarmarktordnungen ist die EWG verpflichtet, jede Menge zum Interventionspreis anzunehmen. Diese Finanzierung sichert der Ausgleichsfonds, d. h. es gibt eine Teilgarantie im Rahmen der EWG.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege von Alten-Nordheim.
Herr Bundesminister, können Sie darüber Auskunft geben, ob vorgesehen ist, die Intervention B in der Form, wie sie der Raiffeisen-Verband vorgeschlagen hat, wieder einzuführen?
Das ist zugegebenermaßen ein Vorschlag, den man prüfen kann. Daß er aber sinnvoll ist, kann man, so glaube ich, im Augenblick nicht unbedingt sagen. Ich weiß, daß die Wirtschaft diesen Vorschlag für den Fall macht, daß das Kreditvolumen nicht erhöht wird. Es ist ja auch nicht so, daß die Bundesbank keinen Kredit gibt, sondern sie hat im Augenblick ein sehr beschränktes Kreditvolumen zur Verfügung gestellt, so daß zumindest für den Anfang der Ernte eine Kreditvolumen vorhanden sein wird. Über den Vorschlag wird in meinem Hause verhandelt. Außerdem kann die Bundesregierung diese Intervention B von sich aus gar nicht beschließen. Sie müßte einen Beschluß des Ministerrats herbeiführen.
Eine zweite Zusatzfrage.
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2472 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Herr Minister, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß der Preisauftrieb durch eine verstärkte Übernahme der Ernte durch die EVSt auch auf die Grundnahrungsmittel ausgeweitet wird, weil die EVSt gehalten ist, anderthalb Rechnungseinheiten auf den Grundbetrag bei Auslagerung wieder zuzuschlagen?
Das werden wir bei allen Überlegungen, die in meinem Hause angestellt werden, und auch in den Gesprächen mit der Bundesbank sehr wohl verwerten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.
Herr Bundesminister, finden Sie es nicht eigenartig, daß Sie hier Herrn von Alten-Nordheim die Auskunft geben, daß die Aussagen des Staatssekretärs Logemann zu meinen Anfragen in der vorigen Woche mit den Ihren übereinstimmen, wenn Herr Logemann in der vorigen Woche gesagt hat, daß die Bundesregierung in dieser Woche bekanntgeben könne, welche zusätzlichen Maßnahmen sie für die Erntefinanzierung durchführen werde?
Zum zweiten stimmt Ihre Aussage in bezug auf den Interventionspreis nicht mit den Aussagen von Staatssekretär Logemann überein, der in der vorigen Woche sagte, daß es das Ziel der Agrarpolitik der Bundesregierung sei, den Richtpreis und nicht den Interventionspreis für die Landwirte zu erlangen.
Herr Kollege Eigen, ich finde Ihre Frage nicht eigenartig. Meine Antwort wird klar sein. Ich glaube, ich habe sehr deutlich gesagt, daß wir mit der Bundesbank darüber sprechen. Zum Beispiel hat ein hoher Beamter meines Hauses am Freitag ein Gespräch mit Vertretern der Bundesbank gehabt, und ich finde es merkwürdig, daß Sie am Montag um 13 Uhr fragen, welche Entscheidung wir getroffen haben. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: in dieser Frage entscheidet die Bundesbank vollkommen autonom. Herr Kollege Eigen, ich habe fast das Gefühl, als wenn Sie sagen wollten: Der Staat muß in der Wirtschaft ununterbrochen befehlen. Ich bin der Meinung, daß unsere Grundprinzipien eigentlich anderer Art sind. Wir sind der Meinung, daß der Staat auf diesem wichtigen Sektor im Interesse von Verbrauchern und Erzeugern eine subsidiäre Funktion wahrnimmt. Deshalb garantiert er den Interventionspreis. Der Richtpreis, der sehr wünschenswert ist — hier stimme ich wiederum mit meinem Kollegen Logemann sehr wohl überein —, ist durch die Marktpartner zu erreichen oder anzustreben. Das ist jedoch nicht immer der Fall, sondern das hängt z. B. davon ab, ob es Obstüberschüsse gibt oder nicht. Da sind die Marktpartner vom Produzenten bis zur verarbeitenden Hand alle gemeinsam gefordert, und der Staat ist erst in zweiter bzw. in dritter Linie gefordert. Der Staat
kann nur die Versorgung übernehmen und verhindern, daß es zu einem Preissturz kommt. Mehr kann der Staat nicht tun.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Bundesminister, ist es nicht etwas sehr einfach, die ganze Verantwortung für die Erntefinanzierung der Deutschen Bundesbank zu überlassen? Hat hier nicht der Bundesernährungsminister auch eine gewisse Verpflichtung, damit die Ernteaufnahme finanziert werden kann?
Herr Kollege Niegel, ich -muß Ihnen leider sagen: dann kennen Sie den Sachverhalt nicht. Ich muß Sie hier aufklärenderweise berichtigen. Die Erntefinanzierung ist eine Frage des Kreditvolumens. Das ist ein Bestandteil der autonomen Politik der Bundesbank, wobei ich mit der Bundesbank verhandle und ihr die Schwierigkeiten an diesem Markt darlegen kann. Mehr aber kann ich nicht und will ich auch gar nicht, weil ich glaube, die Opposition würde dann sagen, ,daß nun die Bundesregierung auch der Bundesbank bereits befehlen will. Dann würden Sie sagen: Das ist aber eine schöne staatsdirigistische Politik.
Herr Kollege Niegel, zum zweiten Punkt. Ihnen ist der Tatbestand wohl unbekannt; aber ich wiederhole es gern zu Ihrer Information, daß die Bundesregierung nur im Bereich der EWG-Agrarmarktordnung für Getreide in der Lage ist, die volle Intervention zu übernehmen und damit den Interventionspreis zu sichern, und zwar aus Mitteln der EWG zu dem beschlossenen Interventionspreis.Ich darf ein weiteres sagen. Die Läger sind leer. Das ist also kein Problem der vollen Läger, sondern es gibt ein Problem ,der leeren Läger, und ich meine, wenn die Marktpartner mit spuren, könnte man sogar versuchen, eine Lösung zu finden. Trotz allem gebe ich zu, daß das bisherige Angebot der Bundesbank auch nach meiner Auffassung zu gering ist. Deshalb verhandeln wird mit ihr; aber wir befehlen nicht, Herr Kollege Niegel, sondern wir verhandeln, wie es die rechtsstaatlichen Normen notwendig machen und ermöglichen.Wir wollen auch die Stabilitätspolitik nicht außer acht lassen. Gerade hat Ihr Herr Vorsitzender ein so großes Plädoyer für die Stabilitätspolitik gegeben. Zu der Stabilitätspolitik gehört auch die restriktive Kreditpolitik der Bundesbank. Deshalb kann ich an die Bundesbank erst herantreten, wenn die Ernte so nahegekommen ist, daß ich mit gutem Grund sagen kann, es könnte zu Schwierigkeiten kommen. Deshalb werden die Gespräche im Augenblick geführt. Ich glaube, daraus sehen Sie, daß wir uns im Dialog befinden.Vizepräsident 'Frau Funcke: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2473
Herr Minister, da sich diese Dringlichen Fragen nicht zuletzt aus der Antwort Ihres Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann von der vorigen Woche ergeben haben und da dies die letzte Parlamentswoche ist, darf ich Sie fragen, ob Sie dann wenigstens bereit sind, 'die Ergebnisse der Beratungen und Verhandlungen mit der Bundesbank nach Eintritt der parlamentarischen Sommerpause den interessierten Kollegen mitzuteilen.
Wir werden das nicht nur Ihnen mitteilen — das ist sogar unsere Pflicht, Herr Kollege, und ich würde mich einem solchen Wunsch nie entziehen , sondern wir werden es der deutschen Öffentlichkeit mitteilen. Ich nehme an, die betroffenen Kreise werden das mit Interesse zur Kenntnis nehmen, so oder so. Es ist doch selbstverständlich, daß wir das veröffentlichen. Aber ich sage noch einmal: Die Gespräche laufen, und welches Ergebnis sie zuwege bringen, werden wir unter Abwägung aller Gesichtspunkte sehen müssen wie der Notwendigkeit, möglicherweise doch ein größeres Kontingent zu finden, der Notwendigkeiten der Versorgung der Wirtschaft und auch der Notwendigkeit, in unseren Verhandlungen die Stabilitätspolitik der Bundesregierung und der Bundesbank ein klein wenig zu berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gallus.
Herr Minister, können Sie mir bestätigen, daß die Bundesregierung bisher alles unternommen hat und auch in Zukunft unternehmen wird, um die Erntefinanzierung zu sichern, daß man aber in der öffentlichen Diskussion andererseits schon seit Wochen zu der Auffassung kommen mußte, interessierte Kreise außerhalb der Landwirtschaft wollten diese Kredite am liebsten schon Anfang Mai haben?
Das ist ein Problem, das für das Verhalten der Bundesbank aus der Kenntnis gewisser Vorgänge sicherlich eine Rolle spielt. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Auf jeden Fall kann ich über die Erntefinanzierung nur dann glaubwürdig verhandeln, wenn ich sagen kann: in zehn Tagen geht es los. Hätte ich im Mai darüber verhandelt, hätte die Bundesbank gesagt: Herr Minister, bitte gedulden Sie sich ein klein wenig, denn noch haben wir ja keine Ernte. Ich meine auch, man sollte nicht unbedingt alles dramatisieren zu einem Zeitpunkt, zu dem dazu noch kein Anlaß besteht.
Aber ich verstehe auch Ihre Sorge. Das war die letzte Fragestunde, und die Opposition muß sich hier rühren. Ich habe dafür volles Verständnis. Ich war selber lange genug in der Opposition.
Keine weitere Zusatzfrage.
Damit sind die Dringlichkeitsfragen beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold anwesend.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Wohlrabe auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 2. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. — Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf zur Verfügung.
Die Frage 13 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 14 des Abgeordneten Peiter auf:
Wieviel Bankinstitute gibt es in der Bundesrepublik Deutschland, die nicht einem Garantieverband angeschlossen sind?
Herr Kollege Peiter, die Kreditinstitute, bei denen das breite Sparerpublikum seine Konten unterhält, namentlich die Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken, gehören alle einem Einlagensicherungsfonds an. Dasselbe gilt für die ganz überwiegende Zahl der anderen Banken.Abseits stehen diejenigen Kreditinstitute, die keine Spareinlagen entgegennehmen, sowie rechtlich unselbständige Zweigstellen ausländischer Banken, die in der Regel keine Geschäftsbeziehungen zum breiten Publikum unterhalten.Läßt man diese beiden Gruppen außer Betracht, so gibt es nach den Unterlagen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen 50 meist kleinere Geschäfts- und Teilzahlungsbanken, die noch keiner Einlagensicherungseinrichtung angehören. Das ist etwas über ein halbes Prozent der rund 7170 Kreditinstitute, die Ende 1972 in der Bundesrepublik tätig waren. Größtenteils handelt es sich dabei um Sonderfälle mit besonderer Geschäftsstruktur und einem geschlossenen Kundenkreis.24 dieser 50 Institute gehören dem Genossenschaftssektor an. Auf Grund ihrer besonderen Mitgliederstruktur und auf Grund ihrer Anlagepolitik ist ein Risiko hier weitgehend ausgeschlossen. Vier von ihnen haben deshalb den Anschluß an die Sicherungseinrichtungen der Genossenschaftsverbände grundsätzlich abgelehnt; sie sind jedoch Mitglieder der Verbände und deren Prüfungsverbände. Bei den übrigen 20 Instituten sollen Aufnahmeverhandlungen wiederaufgenommen werden. Sie werden voraussichtlich Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.Auch die verbliebenen 26 Außenseiter unter den Privat- und Teilzahlungsbanken sind bis auf zwei durchweg keine besonders problematischen Fälle. Fast alle diese Außenseiter nehmen nur in geringem Umfang Einlagen auf Spar-, Lohn- und Gehaltsoder Rentenkonten entgegen. Gleichwohl bleibt das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen bemüht, die Institute für den Anschluß an einen Sicherungsfonds
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2474 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Parl. Staatssekretär Hermsdorfzu gewinnen. In den beiden genannten problematischen Fällen ist die Aufnahme bei einem Sicherungsfonds beantragt worden, so daß hier eine baldige Lösung zu erwarten ist.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 15 des Abgeordneten Höcherl wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Milz auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die stabilitätspolitische Entscheidung, wonach unter anderem für Fertighäuser, die vor dem 9. Mai 1973 durch Kaufvertrag erworben wurden und für die der Antrag auf Baugenehmigung aber zu einem späteren Zeitpunkt gestellt wird, die Steuervergünstigungen nach § 7 b EStG in Anspruch genommen werden können, eine Benachteiligung aller Bauwilligen darstellt, die vor dem 9. Mai 1973 mit der Planung begonnen haben bzw. einen Architektenvertrag abgeschlossen haben und eine Baugenehmigung aus den verschiedensten Gründen nicht beantragen konnten, und wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, dies zu ändern, zumal den erwähnten Bauwilligen teilweise sehr hohe finanzielle Nachteile entstehen würden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht in der in § 1 Abs. 3 der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen vorgesehenen Regelung, daß für den Ausschluß der erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes beim herkömmlichen Bau die Antragstellung auf Baugenehmigung, beim Fertighausbau 'der Abschluß des Kaufvertrages maßgebend ist, keine unvertretbare Benachteiligung des herkömmlichen Baus.
Durch die Sonderregelung für Fertighäuser soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß beim Fertighausbau in aller Regel schon erhebliche Zeit vor Beantragung der Baugenehmigung durch Abschluß des Kaufvertrages für Käufer und Verkäufer rechtsverbindliche Verpflichtungen geschaffen werden, aus denen sich der Käufer nicht ohne erhebliche Nachteile lösen kann.
Es ist zwar richtig, daß dem Bauherrn auch beim herkömmlichen Bau vor Beantragung der Baugenehmigung Kosten entstehen können, z. B. für die Ausarbeitung der Baupläne. Die mit 'diesen Kosten finanzierten Leistungen behalten jedoch im allgemeinen auch bei einer zeitlichen Verschiebung des Bauvorhabens für den Bauherrn ihren Wert, so daß sich die in diesen Fällen eintretenden finanziellen Nachteile in der Regel in erträglichen Grenzen halten.
Die Bundesregierung beabsichtigt daher nicht, eine generelle Maßnahme zur Beseitigung solcher Nachteile vorzuschlagen, zumal jede Ausnahmeregelung die konjunkturelle Wirkung der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen abschwächen und damit die Bemühungen um die Wiederherstellung der Stabilität beeinträchtigen wird.
In echten Härtefällen sind die Landesfinanzbehörden unter der Voraussetzung des § 131 der Abgabenordnung zu Billigkeitsmaßnahmen befugt.
Abschließend möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, daß Bundestag und Bundesrat der Dritten Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen einstimmig zugestimmt haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung also bereit, diesen eindeutigen Nachteil für einen großen Teil der Bevölkerung, der sich nicht des Fertigbaus bedient, hinzunehmen und ihn geradezu in ihre Politik aufzunehmen?
Ich habe hier auf den HärteParagraphen verwiesen. Ansonsten hält die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, beinhaltet diese Feststellung gleichzeitig, daß neben der Benachteiligung eines Teiles der Bevölkerung auch eine Benachteiligung der Bauwirtschaft, die sich nicht mit dem Fertigbau befaßt, gegeben ist, und nimmt die Bundesregierung auch dies in Kauf?
Nein, dies beinhaltet meine Erklärung nicht. Sie beinhaltet nur, daß man Stabilitätspolitik nicht nach dem Grundsatz machen kann: Wasch mir den Pelz, mach mich nicht naß!
Keine Zusatzfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Grüner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Schedl auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein auf:
Trifft es zu, daß durch die Maßnahmen der Bundesregierung zur Konjunkturdämpfung — einseitige Belastung der privaten Investitionen insbesondere durch die 11%ige Investitionssteuer und die 25%ige Kürzung der Investitionszulagen für wirtschaftsschwache Regionen — der Abstand zwischen den wirtschaftsschwachen und den wirtschaftsstarken Räumen, z. B. zwischen dem Aktionsraum „Nordeifel-Grenzraum Aachen" und der Rheinschiene, noch vergrößert wird, und wie will die Bundesregierung insbesondere für die Zukunft vermeiden, daß die notwendigerweise auf Dauer angelegten Strukturmaßnahmen kurzfristigen konjunkturellen Überlegungen zum Opfer fallen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Wie ich bereits in der Fragestunde des Bundestages am 7. Juni 1973 in Beantwortung mehrerer Fragen ausgeführt habe, erfordert die Bekämpfung des Preisauftriebs einschneidende und
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2475
Parl. Staatssekretär Grünerschnell wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dabei ist auch ein Beitrag der Regionalpolitik unerläßlich.Um das stabilitätspolitische Ziel einer Tendenzwende in der Preisentwicklung zu erreichen, dürfen die globalen Steuerungsmaßnahmen nicht durch regionale oder sektorale Ausnahmeregelungen kompliziert, geschwächt oder verzögert werden. Die Gesamtentwicklung der Fördergebiete, auch die des Aktionsraums Nordeifel—Grenzraum Aachen, wird aber nach Ansicht der Bundesregierung durch das Stabilitätsprogramm insgesamt nicht über Gebühr strapaziert.Die Bundesregierung wird ihre regionale Strukturpolitik zusammen mit den Ländern auch weiterhin intensiv und gezielt fortsetzen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, geben Sie zu, daß durch die von Ihnen angeführten Maßnahmen eine Doppelbelastung gerade der wirtschaftlich schwachen Räume erfolgt, einmal insofern, als diese Räume ihrer Struktur nach schwach sind, benachteiligt sind, und zum zweiten zusätzlich durch die von Ihnen angeführten Konjunkturmaßnahmen?
In dieser Allgemeinheit kann man die Frage, die Sie stellen, Herr Kollege, nicht bejahen. Es muß berücksichtigt werden, daß etwa die regionale Strukturpolitik, die die Bundesregierung gemeinsam mit den Landesregierungen betreibt, nicht etwa eingestellt, sondern fortgesetzt wird und daß die Erschwerungen, die im Augenblick zu verzeichnen sind, lediglich in einer Strekkung der Mittel bestehen und nicht etwa einer generellen Aussetzung. Auch das bisher bestehende Präferenzgefälle der strukturschwachen Gebiete zu den konjunkturell begünstigteren Ballungsgebieten bleibt erhalten.
Noch eine Zusatzfrage? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Milz.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, für das Aktionsprogramm Nordeifel-Grenzraum Aachen die Beträge einzusetzen, die im Aktionsprogramm Eifel—Hunsrück schon seit Zeiten der Großen Koalition selbstverständlich sind?
Herr Kollege, die Bundesregierung ist nicht in der Lage, in Einzelprogramme einzugreifen. Sie ist darauf verpflichtet, solche Maßnahmen gemeinsam und in Abstimmung mit den Landesregierungen zu treffen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein auf:
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2476 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
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daß die Opposition überhaupt nicht, bei der Beratung des Haushalts im Haushaltsausschuß nicht um ein Jota, nicht um einen Deut in ihrer Entfaltungsmöglichkeit beeinträchtigt gewesen ist. Dem Fleiß wären keine Grenzen gesetzt gewesen. Die Mitglieder der Koalitionsparteien im Haushaltsausschuß hätten auch gern noch einige Stunden oder noch mehr Beratungszeit aufgewendet, wenn dies seitens der Opposition für erforderlich gehalten worden wäre.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schröder?
Aber sicher, gern.
Herr Kollege Kirst, ist Ihnen nicht mehr in Erinnerung, daß selbst der Sprecher der SPD-Gruppe im Haushaltsausschuß zum Ausdruck gebracht hatte, daß die diesjährigen Beratungen unter einem außergewöhnlichen Zeitdruck gestanden hätten, und daß er sich ausdrücklich bei den Abgeordneten der Opposition dafür bedankt hat, daß sie dem Rechnung getragen hätten?
Herr Kollege Dr. Schröder, darin liegt überhaupt kein Widerspruch. Worauf es hier politisch ankommt, ist, ob durch die Zeitbegrenzung irgendwie die Entfaltungsmöglichkeit der parlamentarischen Kontrolle, die in erster Linie die Opposition, darüber hinaus aber auch die Koalitionsparteien ausüben — ich komme darauf noch zurück —, be-
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Kirsteinträchtigt worden ist. Das ist nicht der Fall. Allerdings sage ich das Folgende betont — da könnten wir uns vielleicht einigen, Herr Kollege Schröder und die Kollegen aus der SPD —: Der Haushaltsausschuß war nicht in der Lage, „Dienst nach Vorschrift" zu leisten. Wir haben an Plenartagen wie üblich gearbeitet; das ist ja gar kein Vorzug, denn es entgeht einem hier vieles. Wir haben insbesondere — das muß anerkannt werden — die gesamte Osterpause und die eine sitzungsfreie Woche dazu verwendet, die nötigen Unterausschußsitzungen und Berichterstatterbesprechungen durchzuführen. Das sollte hier noch einmal gemeinsam festgestellt werden.Nun wird sicherlich die Opposition aus dem Haushaltsausschuß bestätigen müssen, daß sich die Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuß nicht einfach als Notar der Regierung oder der Verwaltung empfunden haben. Ich glaube, wir dürfen für uns in Anspruch nehmen, daß nach unserem Verständnis des Parlamentarismus die Doppelrolle der Regierungsparteien, selbstverständlich — wenn man so will — Schutztruppe der eigenen Regierung zu sein, aber zugleich auch Teil des gemeinsamen, der Regierung gegenüberstehenden und insbesondere die Verwaltung — hier muß man nämlich noch einmal unterscheiden zwischen Regierung und Verwaltung — kontrollierenden Parlaments zu sein, für uns nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern praktizierte Politik ist. Ich meine, manche Ministerien haben dies in den vergangenen Wochen und Monaten schmerzlich erfahren.Gewiß haben wir nicht die Absicht, den Sitzungssaal des Haushaltsausschusses drüben im Zimmer 2501 sozusagen zum Vorhof der Hölle zu machen. Aber jeder, der dort etwas von uns will, muß wissen, daß er für das, was er erreichen will, bestens gerüstet sein muß. Ich will hier gar keine Namen nennen. Aber wer z. B. mehr Stellen will, der muß wissen, ob die Stellen, die er hat, zur Zeit besetzt sind oder nicht. Sonst sollte er das Fahrgeld — ganz gleich, ob für öffentliche Verkehrsmittel oder die Ausgaben für Benzin — zum Hochhaus sparen.
Insoweit herrscht hier im Haushaltsausschuß sicher Übereinstimmung, auch aus der Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler, dessen Geld wir hier ja treuhänderisch für ihn zu verwalten und umzusetzen haben.Da es in einer Haushaltsdebatte irgendwann einmal üblich ist, lassen Sie mich an dieser Stelle Dank an den Steuerzahler aussprechen, der uns in die Lage versetzt, diese Ausgaben zu beschließen.
Meine Damen und Herren, wenn ich jetzt abstrakt sage, daß der Haushalt das Fundament der Politik jeder Regierung ist, so ist konkret der Haushalt 1973 — daran können auch die Ausführungen des Kollegen Carstens nichts ändern — ein solides Fundament einer soliden Politik einer soliden Regierung. Man muß doch einmal in diesem Zusammenhang an die Opposition die Frage richten dürfen: Wo ist das vom soeben von mir schon vermißtenKollegen Strauß — und von anderen, aber von ihm insbesondere —
— sehr schön, Herr Kollege Stücklen — so beharrlich herbeigeredete Finanzchaos?
Wo ist das? Man kann diese Frage nur stellen; beantworten kann man sie nicht.
Ich möchte jetzt in einer sehr gewagten Parallele einmal sagen, daß diese Opposition wahrscheinlich auf das von ihr prophezeite Finanzchaos dieser Regierung so lange warten muß, wie die Kommunisten auf den von ihnen seit Jahrzehnten prophezeiten Zusammenbruch unseres Wirtschaftssystems.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich diese allgemeine politische Bemerkung hier einfügen: Das ist ja nur ein Teilaspekt dessen, was uns die Opposition und ihr nahestehende Kreise im vergangenen Jahr als mögliche Folgen eines Wahlerfolgs dieser Koalition vorhergesagt haben. Denn ich glaube, die Hauptaufgabe der Opposition wird es gar nicht sein, 1976 neue Persönlichkeiten vorzuführen, sondern nachzuweisen, was denn aus ihren Prophezeiungen des vergangenen Jahresgeworden ist, die doch in Variationen auf einen ich drücke es einmal überspitz aus — „Untergang des Abendlandes" für den Fall hinausliefen, daß die Wähler am 19. November so entscheiden würden, wie sie entschieden haben. Wir alle wissen, daß das, was Sie uns hier prophezeit haben, nicht eintritt.
Da liegt, glaube ich, eine ganz besondere Aufgabefür Sie, Ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.
Das soll jedoch nicht unsere Sorge sein.
Zurück, meine Damen und Herren, zum Haushalt! Wer die Zahlen nüchtern betrachtet, wird feststellen, daß es sich hier, wie soeben schon ausgedrückt, um einen absolut solide finanzierten Haushalt handelt.
Er ist solide finanziert, weil er praktisch ohne Steuererhöhungen finanziert wird. Denn auch die Erhöhung der Mineralölsteuer dient, wenn man die Zahlen genau betrachtet, nicht der Haushaltsfinanzierung. Die stillzulegenden 700 Millionen DM — Geld ist immer eine vertretbare Ware — kommen zwar nicht an den Tankstellen ein, entsprechen aber der in dieser Größenordnung erwarteten Mehreinnahme aus der Erhöhung um 5 Pf.
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2486 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
KirstHerr Kollege Carstens hat vorhin von drei Steuererhöhungen gesprochen, die seit 1969 durchgeführt worden sind — ich darf ihn nur daran erinnern —: mit der einen meinte er sicherlich die Mineralölsteuererhöhung, bei den anderen zweien hatte er wohl die Steuererhöhungen im Auge, die wir im vergangenen Jahr durchführen mußten, um den Ländern ab 1. Januar 1972 — ich habe es wiederholt gesagt, aber man muß es immer wiederholen — einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer zugestehen zu können.
Für die Solidität dieser Haushaltspolitik und damit der gesamten Politik spricht auch die mehr als bescheidene — anders kann ich es nicht formulieren — Kreditaufnahme, die dieser Haushalt vorsieht. Ich will meine grundsätzlichen Ausführungen zur Kreditpolitik aus früheren Debatten bei der zweiten Lesung hier nicht wiederholen. Nur so viel: Es müßte übereinstimmende Meinung sein, daß der finanzpolitische Kreditspielraum durch diesen Haushalt in keiner Weise ausgenutzt wird. Wenn man sieht, daß bei einem Volumen von 120 Milliarden DM 2 Milliarden Kredite aufgenommen werden, daß bei einem Volumen von 120 Milliarden DM etwa 4 Milliarden DM für den Schuldendienst nötig sind, dann ist das, glaube ich, ein finanzpolitischer Status, um den uns manche, die Haushalte aufzustellen haben, beneiden.
Daran ändern auch die sogenannten Schattenhaushalte, die, glaube ich, vorhin schon erwähnt worden sind, überhaupt nichts.Lassen Sie mich zum Thema Schattenhaushalte noch folgendes sagen. Es ist konjunkturpolitisch natürlich so und so irrelevant, wie man etwas verbucht. Entscheidend ist die Größenordnung der Nachfrage nach Gütern oder nach Kapital. Daran ändert sich durch das Problem der Schattenhaushalte nichts.Wenn man den Vorstellungen der Opposition gefolgt wäre und all das, was Schattenhaushalt ist oder sein soll, eingerechnet hätte — es ist einmal durchgerechnet worden —, dann hätten wir für den Haushalt 1973 — verglichen mit dem Haushalt 1972 — eine um 0,5 % geringere Steigerungsrate; das muß man einmal dabei berücksichtigen. Wenn ich die Rechnung der Opposition nachvollziehe, dann komme ich statt auf 120,2 Milliarden DM auf 125,5 Milliarden DM Volumen. Davon macht, wenn ich alles rechne — selbst da, wo es vielleicht unwahrscheinlich ist, daß es realisiert wird, wie bei der Bildungsanleihe —, der Kreditanteil nur einen Betrag von 7 Milliarden DM aus. Aber auch das sind noch weniger als 6 % und das ist finanzpolitisch absolut noch vertretbar. Wir sind aber nach wie vor bereit, dieses Problem zu lösen. Das ist im Haushaltsausschuß gesagt worden. Es setzt allerdings voraus, daß dann eine entsprechende Versachlichung der Debatte über die Zuwachsraten erfolgt.Nun muß ich zunächst einmal ein paar Worte zur Abgrenzung zur Stabilitätspolitik sagen, und dann kann ich es dem Kollegen Carstens nicht ersparen, in diesem Zusammenhang auf einige seiner Bemerkungen einzugehen. Ich meine, es ist erforderlich, die Abgrenzung zur Stabilitätspolitik insbesondere deshalb vorzunehmen, weil der zeitliche Zusammenhang gegeben ist: Fast zur gleichen Zeit, da dieser Haushalt in zweiter und dritter Lesung beschlossen und schließlich, nachdem er noch den Bundesrat passiert hat, in Kraft treten wird, werden die Belastungen aus dem Stabilitätsprogramm der Bundesregierung vom Mai oder Februar dieses Jahres für den Bürger sichtbar. Der Bürger muß wissen, daß die Opfer, die ihm dort sicherlich abverlangt werden, Opfer für Stabilität sind — ich werde das auch gleich noch etwas erläutern — und daß sie mit dem Haushalt absolut nichts zu tun haben. Das muß man einmal ganz deutlich abgrenzen und klarmachen, daß dies alles für den Haushalt überhaupt nicht erforderlich wäre. Deshalb ist es auch z. B. haushaltsrechtlich und politisch richtig, daß wir entgegen den Vorstellungen der Opposition — das wird uns im Laufe der Tage wieder begegnen — die Stabilitätsanleihe, die Investitionssteuer und die Stabilitätsabgabe als Leertitel, als durchlaufende Posten betrachten.Der Kollege Carstens hat in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen gemacht — ich will sonst auf seine Ausführungen nicht weiter eingehen —, zu denen ich unabhängig davon, daß sicher im Laufe des Tages oder morgen von allen Seiten noch vertiefte stabilitätspolitische Betrachtungen erfolgen werden, doch unmittelbar etwas sagen möchte. Er hat sich unterschiedlich geäußert, wenn ich dem richtig gefolgt bin. Er hat seine anfängliche Formulierung, die als eine alleinige Haftbarmachung, wenn ich es einmal so formulieren darf, der Regierung für die Verschlechterung des Geldwertes ausgelegt werden konnte, in einer späteren Phase seiner Ausführungen, etwa fünf bis zehn Minuten später, in eine Mitverantwortung abgeschwächt. Das sollten wir zunächst einmal festhalten; hier ist eine unterschiedliche Aussage von Ihnen erfolgt. Zwar können wir uns auch auf der Basis der zweiten Ausführung nicht treffen; sie entspricht aber doch jedenfalls weit eher den Realitäten als die erste.
— Herr Kollege Carstens, es kommt nur auf die Größenordnung der Verantwortung an, und da bin ich unverändert der Meinung, daß in den letzten dreieinhalb Jahren von Ihnen — nicht von Ihnen persönlich; Sie können das erst von jetzt ab tun —, von der Opposition, aus kurzsichtigen parteitaktischen Überlegungen die wahren Verantwortungsverhältnisse, die Verantwortungsgrößen für das wirtschaftliche Geschehen in unserer Wirtschaftsordnung verzerrt dargestellt worden sind — um es einmal sehr vorsichtig zu formulieren.
Wir haben durch diese ständige Überbetonung der Rolle und der Möglichkeiten des Staates in dem von uns gemeinsam aufgebauten Wirtschaftssystem,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2487
Kirstdas ja jetzt gerade ein rundes Jubiläum feiert, wie wir alle wissen und vielleicht hier noch gewahr werden, die Rolle des Staates in diesem Wirtschaftssystem absolut überschätzt und mißdeutet. Manches, was hier von Ihnen ich meine wiederum nicht Sie persönlich —, von Ihrer Seite in den letzten dreieinhalb Jahren in der bei jeder passenden und oft unpassenden Gelegenheit geführten Stabilitätsdebatte gesagt worden ist, mußte ja in der Konsequenz als der Ruf genau nach dem umgedeutet werden, was Sie erfreulicherweise heute mit uns gemeinsam, wie ich glaube, abgelehnt haben, nämlich Lohn- und Preisstopp. Aber das dauernde Rufen nach dem Staat mußte so verstanden werden.Es ist ja auch nicht so, daß diese Regierung in den vergangenen Jahren untätig geblieben ist. Ich will Ihnen gar nicht alle Stationen der verschiedenen Programme und Maßnahmen der Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode aufzählen. Aber eines werden Sie nicht abstreiten: daß, was immer die Regierung an stabilitätspolitischen Maßnahmen hier eingebracht hat, mindestens bis zum Ende dieser vergangenen Legislaturperiode das höchste Maß der Äußerung der Opposition eine Enthaltung gewesen ist,
wie damals beim Konjunkturzuschlag,
so daß ich wiederholt hier die Rolle der Opposition etwas scherzhaft als „stabilitätspolitischer Suppenkasper" abgestempelt habe.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Aber herzlich gern!
Herr Kollege Kirst, ich frage Sie: Ist Ihnen entgangen, daß heute vormittag Herr Kollege Wehner ausdrücklich auf die Zustimmung der Opposition zu den Stabilitätsmaßnahmen hingewiesen und sie wiederum für sich in Anspruch genommen hat?
Herr Kollege Althammer, ich kann nur fragen: Ist Ihnen entgangen, daß ich ausdrücklich formuliert hatte „bis Ende der vergangenen Legislaturperiode" ? Wir sind uns also völlig einig.
— Doch, das haben Sie hier auch getan.
Nun haben Sie in diesem Zusammenhang, wenn ich es hart formulieren darf, Herr Professor Carstens, einen Beweis für die Art unwahrhaftiger Zitate erbracht. Sie haben den Sachverständigenrat zitiert und durch dieses Zitat hier den Eindruck erwecken wollen — das läßt sich ja sicher aus dem Stenogramm nachlesen —, daß der Sachverständigenrat die Finanzpolitik der Bundesregierung als „Skandal" bezeichnet hat.
Was hat denn der Sachverständigenrat nun wirklich gesagt? Ich kann es Ihnen nicht ersparen — es sind etwa zwölf Zeilen —, das einmal hier vorzulesen. Dann klingt das doch ganz anders als das, was Sie hier gesagt haben.
Es heißt nämlich — ich zitiere jetzt mit Genehmigung wörtlich aus dem Sondergutachten des Sachverständigenrates vom 9. Mai, Drucksache 7/530 —
— ja natürlich, das Wort „Skandal" ist auch hier rot unterstrichen, Herr Althammer —:
Betreibt der Finanzplanungsrat eine ernst zu nehmende Koordinierungsarbeit, wie es seine gesetzliche Aufgabe ist, war also seine Empfehlung vom September 1972 fundiert, dann müßte ein erheblicher Teil des erwähnten Betrages von fast 9 Mrd. DM finanzpolitisch disponibel gewesen sein oder ist es noch. Verhält es sich nicht so, war also die genannte Empfehlung von vornherein unrealistisch und ebenso die entsprechende Aufforderung des Bundes an die Länder im Jahreswirtschaftsbericht, dann beruhte die öffentlich erklärte Stabilitätspolitik hinsichtlich des öffentlichen Finanzgebahrens monatelang auf einer Illusion, und man müßte wohl hinnehmen, daß die Öffentlichkeit den Stand der Finanzplanung in diesem Lande, insbesondere deren Koordinationsformen, als einen Skandal betrachtet.
Herr Carstens, es geht also nicht um die Politik des Bundes, es geht um die Politik aller Gebietskörperschaften, und es ist wiederholt nachgewiesen worden, daß, wenn überhaupt, die größeren Sünder in den letzten Jahren unentwegt in den Reihen der Länder und der Gemeinden und nicht beim Bund gewesen sind. Darauf kommt es nämlich an.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger?
Herr Kollege Dr. Marx, Herr Jenninger hat um eine Zwischenfrage gebeten.
Herr Kollege Kirst, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß der Fraktionsvorsitzende, Professor Carstens, der heute wörtlich gesagt hat: ... hat die Finanzplanung Ihrer
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2488 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Dr. JenningerRegierung als Skandal bezeichnet." Dies hat er wörtlich gesagt.
Herr Kollege Jenninger, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das wiederholen. Der Bundeskanzler oder die Regierung, die Sie ansprechen
beinahe hätte ich gesagt: wir —, diese Regierung regiert die Bundesrepublik Deutschland, Gott sei Dank, aber sie regiert nicht alle Länder und sie regiert nicht alle Gemeinden.
Sicherlich, ich meine, darin sind wir uns einig, daß nicht immer die Regierung, die hier regiert, überall in allen Ländern und Gemeinden regiert. Das ist, glaube ich, eine gemeinsame Erfahrung, die wir aus schmerzlicher Vergangenheit gewonnen haben und die wir gemeinsam behalten wollten.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jenninger, Herr Kollege?
Herr Kollege Kirst, wollen Sie ernsthaft eine gewisse Führungsfunktion und auch nach der Verfassung eine gewisse Verantwortung des Bundes für die finanzielle Gesamtplanung von Bund, Ländern und Gemeinden bestreiten?
: Sehr gut!)
Ich würde hier weniger von einer Führungsfunktion als von der Notwendigkeit von Seelenmassage reden; denn zwingen können wir niemanden.
— Es ist sicherlich nur ein Hilfsmittel. Aber Sie müssen einmal die verfassungsmäßigen Verhältnisse sehen.
Herr Professor Carstens, Sie haben einen alten Hut aus der Wahlkampagne der Opposition wieder hervorgezaubert, nämlich die Behauptung — es ist nicht mehr als eine Behauptung , daß die D-Mark in den Jahren, in denen die CDU die Regierungschefs stellte, immer die stabilste Währung in der Welt gewesen sei. Dem ist leider nicht so. Richtig ist natürlich, daß weltweit die Geldentwertungsraten in den ersten 20, 25 Jahren nach dem zweiten Weltkrieg in den vergleichbaren Ländern, um die es ging und immer noch geht, niedriger waren als jetzt. Darüber kann kein Zweifel bestehen. Es gab einmal eine sehr gute Statistik; ich habe sie im Augenblick zwar nicht zur Hand; aber Sie werden mir wohl glauben, was ich sage. Man kann nur Vergleichbares miteinander vergleichen. Wir können die Bundesrepublik in dieser Frage nicht mit südamerikanischen Republiken vergleichen. Wir können sie auch nicht mit Entwicklungsländern oder mit sozialistischen Ländern, sondern nur mit vergleichbaren Ländern vergleichen. Dazu gehören die Partner in der EWG und darüber hinaus, dazu gehören ferner die USA und Japan. Es handelt sich um etwa 20 Länder.Wenn Sie deren Entwicklung von 1951 bis 1969 einmal nachlesen, werden Sie feststellen, daß die Bundesrepublik nur ein einziges Mal in diesen 20 Jahren das war in den Jahren 1966/67 — die niedrigste Geldentwertungsrate zu verzeichnen hatte, daß sie unter diesen 20 Ländern auch in den sicherlich goldenen Zeiten der Geldwertstabilität weltweit oder relativ bis auf den 13. Rang herabgesunken ist und daß sie in dieser Statistik in den Jahren 1970/71 — wie Sie wissen, fand der Regierungswechsel 1969 statt — in bezug auf die Erhaltung des Geldwertes sogar wieder nach vorn bzw. nach oben gerückt ist. Ich will nicht verschweigen, daß sie 1972 wieder etwas zurückgefallen ist. Ich will damit nur sagen: man sollte hier nicht falsche Behauptungen aufstellen, die nicht zu beweisen sind. Man sollte auch nicht die Augen vor den internationalen Verflechtungen verschließen, von denen wir uns nicht lösen können. Ich will mich aber nicht weiter in das Handwerk der Stabilitätspolitiker, die sicherlich noch in genügender Zahl das Wort ergreifen werden, einmischen.Nur noch eine letzte Bemerkung, Herr Kollege Carstens, zu den Stellen. Das, was Sie dazu gesagt haben, war auch nicht richtig. Sie bahen von 1 200 Stellen gesprochen und gesagt, 10 % davon seien für Peking und Ost-Berlin bestimmt. Dafür sind aber zusammen 180 Stellen vorgesehen.
— Deshalb mein Zwischenruf! Ich gehe aber etwas weiter. Es gibt darunter noch andere, die ebenfalls unabweisbar sind, z. B. etwa 100 für die Bundeswehrhochschule. Wenn diese ab 1. Oktober ihren Betrieb aufnehmen soll, muß man auch diese Stellen bewilligen.Ich will damit aber jetzt keine Debatte provozieren oder einer Debatte darüber vorgreifen. Ich möchte jedoch im Anschluß an das, was ich vorhin gesagt habe, in der Generaldebatte noch eine Feststellung in diesem Zusammenhang treffen, weil mir dies erforderlich erscheint. Stabilität, worüber wir hier so viel reden, ist mehr als Geldwertstabilität. Geldwertstabilität ist viel, aber sie ist nicht alles, und sie ist kein isolierter Wert. Das müssen wir einmal sehr deutlich sehen. Denn zum Begriff der Stabilität gehört die politische, die soziale und die wirtschaftliche Stabilität. Die Geldwertstabilität ist, wie gesagt, eines der vier Ziele. Es kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß dieses Land mit der einen Ausnahme der Geldwertstabilität in allen Bereichen, die ich soeben kurz umrissen habe, eine sicherlich beneidenswerte und uns auch von anderen geneidete Stabilität besitzt. Das sollten wir bei allen berechtigten Debatten über den Mangel an Geldwertstabilität nicht vergessen.
Im übrigen — das war ein Mangel der vergangenenLegislaturperiode, das lassen Sie mich nun als Ge-
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Kirstnugtuung hinzufügen — haben wir ja dank des Votums der Wähler vorn 19. November 1972 auch stabile Mehrheitsverhältnisse hier in diesem Hause für diese Regierung,
was der Entscheidung über diesen Einzelplan des Bundeskanzlers die Dramatik oder den Nervenkitzel nimmt, den wir in den letzten Jahren immer dabei empfinden mußten.Ein Wort noch zum Ergebnis der Ausschußberatungen. Der Saldo von 154 Millionen DM weniger — das ist ein gutes Promille des Haushaltsvolumens- mag für den, der die Dinge oberflächlich sehen muß, sehr enttäuschend sein. Ich sage das ganz betont, weil wiederholter Bestandteil aller Meldungen von gestern und heute in der Presse und im Rundfunk über die Haushaltsberatungen eben dieses so mager anmutende Ergebnis einer Kürzung von nur rund 100 Millionen DM gewesen ist. Aber man muß zunächst einmal sehen, daß dies ja nur der Saldo unserer vielmonatigen Bemühungen im Ausschuß gewesen ist, wenn Sie so wollen, die Spitze des Eisbergs der sehr vielfältigen Änderungen im Ausschuß. Aber daran müssen auch noch drei Bemerkungen geknüpft werden.Erstens. Bereits die Bundesregierung hatte im Prinzip strengste Maßstäbe bei der Aufstellung des Haushalts angelegt, und das beschränkte insofern die Möglichkeiten des Haushaltsausschusses. Zweitens. Die von der Verabschiedung des Haushalts im Kabinett bis jetzt etatreif gewordenen Risiken konnten bereits im Rahmen dieser Haushaltsausschußberatung abgedeckt werden. Ich darf ein Beispiel nennen: rund 200 Millionen DM für Kokskohle. Sicher wäre das Ergebnis stolzer gewesen, wenn wir gesagt hätten, das lassen wir einmal eben noch weg, wir tun so, als wüßten wir es nicht. Dann hätten wir heute nicht dauernd gehört, wir haben nur 100 Millionen DM gekürzt, dann hätten wir 300 Millionen DM gekürzt, aber das wäre nicht im Sinne der Haushaltswahrheit gewesen; deshalb haben wir dies also sozusagen gleich mit verarztet.Wir haben, glaube ich, bei diesen Beratungen auch wiederum die Grenzen der Beeinflußbarkeit des Haushalts überhaupt gesehen bzw. das Ausmaß der Zementierung. Es wird insbesondere deutlich und sichtbar, wenn man sich noch einmal die Zahlen für die drei Riesen unter den einzelnen Etats vor Augen stellt: 26,4 Milliarden DM für die Verteidigung. Wir wissen alle, daß daran nichts zu ändern ist, und wir wollen daran auch nichts ändern. Das werden die Verteidigungspolitiker besser, als wir es hier im Augenblick können, uns auch noch darlegen, aber man sollte es auch aus dieser Sicht einmal betonen. 22,6 Milliarden DM für Arbeit und Sozialordnung, insbesondere die gesetzlichen Verpflichtungen, und 16,5 Milliarden DM für Verkehr.Diese drei Etats zusammen geben mit 65,5 Milliarden DM schon fast 55 % des gesamten Haushaltsvolumens wieder. Unter dem, was dann kommt, ist, wenn ich vorn Einzelplan 60 absehe, kein Haushalt, der alleine größer wäre als 5 Milliarden DM. Hier und anderswo ist die Zementierung weitgehend — auch das sollten wir sehen — das Werk aller politischen Kräfte in der unterschiedlichen Wirkung, in ihrem unterschiedlichen Beitrag in den letzten 20, 25 Jahren ihrer Politik in diesem Haus und in diesem Lande.Diese Einengung des Spielraums wird natürlich auch immer gerne gesehen als die Einengung des Spielraums finanzwirksamer Reformen, aber, meine Damen und Herren, um es noch einmal zu betonen: das bedeutet nicht die Einengung der Reformpolitik überhaupt. Ich glaube, die These, die ich hier seit nunmehr drei Jahren vertreten habe, die sich gegen die fatale Gleichung wendet: Geldausgeben gleich Reform und Reform gleich Geldausgeben, hat sich gerade in der Praxis der letzten Wochen und Monate bestätigt. Wir haben drüben im Haushaltsausschuß finanzpolitische Beratungen durchgeführt, während hier in diesem Hause sehr viel an praktischer Reformarbeit -- sei es in zweiter und dritter Lesung vorige Woche im Kartellbereich, sei es in erster Lesung in anderen Bereichen — geschehen ist.Meine Damen und Herren, alle diese Feststellungen sollen nicht — auch uns selbst nicht — darüber hinwegtäuschen, daß es noch viele ungelöste Aufgaben für uns im Bereich der Politik zunächst für den Rest dieser Legislaturperiode und darüber hinaus gibt. Wir sind uns dabei als Freie Demokraten auch bewußt, daß in einigen wichtigen Fragen hier noch ein gewisses Maß an Übereinstimmung mit unserem Partner zu erzielen ist. Ich meine aber, daß diese mehr transitorische Betrachtung vielleicht besser bei der Dritten Lesung, die dann zum nächsten Haushalt überleitet, angestellt werden kann. Ich werde nach Möglichkeit auf diese Probleme dann dort zurückkommen.lch darf abschließend zu diesem Etat erklären, daß die Fraktion der FDP dem Haushalt des Bundeskanzlers zustimmt und diese Zustimmung als Ausdruck des Vertrauens in eine Politik betrachtet, für die sie selbst 1969 entscheidend die Weichen gestellt hat, eine Politik, die es ohne die FDP nicht gegeben hätte und nicht geben würde.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu einigen Themen Stellung nehmen, auf die sich gegenwärtig viel Interesse konzentriert. Aber zunächst ein paar Worte zum Haushalt selbst.Niemand — auch der neue Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU nicht — wird heute noch ernsthaft bestreiten wollen, daß der Bundeshaushalt solide finanziert ist. Da mag man behaupten, was man will!
Herr Stoltenberg im Norden und Herr Strauß im Süden — gegenwärtig noch ein bißchen weiter südlich als sonst
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2490 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Bundeskanzler Brandtmüßten sich eigentlich mit uns bei allem, was uns sonst trennt, darüber freuen, daß die von ihnen vorausgesagte Finanzkrise — sogar von Finanzchaos war die Rede — nicht eingetreten ist, und das ist gut, nicht nur für die Regierung, sondern für dieses Land, meine Damen und Herren.
Eines sollten wir hier alle miteinander wissen, und wir sollten es auch sagen: Herr Kollege Carstens, konstruktive Kritik kann beim Haushalt nicht darin bestehen, daß man einerseits das zu hohe Volumen beklagt und zum andern darüber jammert, daß die Ausgaben auf diesem oder jenem oder einem dritten Gebiet zu gering angesetzt seien. Heute hörten wir wieder, für Investitionen werde zuwenig ausgegeben. Wo sonst wollen Sie denn streichen, Herr Carstens? Das müssen Sie hier doch einmal sagen!
Ich will in aller Offenheit hinzufügen: Die öffentlichen Haushalte müssen natürlich ihren Beitrag zur Konjunkturpolitik leisten, aber man sollte ihnen nicht mehr abverlangen, als sie zu geben vermögen, sonst würde daraus eine Haushaltspolitik gegen die Interessen der Bevölkerung. Darauf können wir uns nicht einlassen, meine Damen und Herren.
Außerdem hat es gar keinen Sinn, von den für den Konjunkturablauf entscheidenderen Faktoren abzulenken; ich komme darauf gleich noch zu sprechen.Nun zu den aktuellen Themen, auf die sich nicht nur viel Interesse, sondern auch viel Polemik konzentriert. In diesen Tagen erreichten mich — und sicher nicht nur mich, sondern alle hier in diesem Hause — viele Fragen, was es mit den — man muß den Plural verwenden — Verfahren auf sich habe, die die bayerische Staatsregierung in Karlsruhe angestrengt hat. Das wird von dieser Stelle aus und in diesem Augenblick kaum zu beantworten sein. Jedenfalls durfte und darf man dem Bundesverfassungsgericht nicht anlasten, was andere zu verantworten haben. Im übrigen sind wir nach 15 Uhr etwas weiter, was unseren Informationsstand zu diesem wichtigen Gegenstand angeht.Die Bundesregierung hat in Karlsruhe dargelegt, daß sie eine Verzögerung des Grundlagenvertrags mit der DDR für abwegig und für abträglich hält. Dieser Vertrag — das hat übrigens vor wenigen Tagen auch die NATO-Konferenz in Kopenhagen hervorgehoben — und der Beitritt zu den Vereinten Nationen sind logische, konsequente Elemente jener Politik, die — so, wie wir es auffassen und immer wieder dargelegt haben — dem gesicherten Frieden dienen.
— Das, was Sie geklärt haben wollen, Herr Kollege Stücklen, ist in Karlsruhe gut aufgehoben; das ist gar kein Zweifel.Niemand bei uns im Regierungslager täuscht sich, was die politische Seite der Sache angeht, über die Mühsal und über die Langwierigkeit des Prozesses der Entkrampfung im Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten. Aber ich sage hier auch mit allem Bedacht, meine Damen und Herren: Die Regelung der Beziehungen und damit der Grundlagenvertrag war und ist eine deutsche Chance, ob es Herrn Winzer in Ost-Berlin paßt oder nicht,
eine Chance für die Bewahrung der nationalen Existenz — nein, der nationalen Substanz, muß man bescheidener ansetzen —, für die Begegnung der Menschen miteinander, für das Überwinden der in den 20 Jahren nach dem 17. Juni 1953 — gestern haben wir wieder dieses Tages gedacht — gewachsenen Entfremdung, wie wir doch zugeben müssen, für eine Ächtung der Friedlosigkeit auch und gerade auch auf deutschem Boden und damit für einen Zustand ohne die Gewaltsamkeit an der Grenze.Ich habe mich über das gewundert, was Herr Kollege Carstens in diesem Zusammenhang über Berlin und die Pflicht zur Mitvertretung Berlins gesagt hat.
Herr Kollege Carstens, wir müssen uns doch die Frage stellen, und diese Frage stellen sich die Menschen draußen mit Recht: Steht es heute um den Zusammenhang zwischen West-Berlin und uns hier im deutschen Westen, steht es um den Zugang dorthin, steht es um die Entwicklungschancen der Berliner Industrie, steht es um die Besuchsmöglichkeiten von dort aus heute besser oder schlechter als damals, als andere regiert haben? Das ist doch die Lage!
Es steht natürlich unvergleichlich viel besser als damals.
Mit den Russen über Berlin reden — jawohl. Ich habe bei meinem ersten Besuch in Moskau mit Herrn Kossygin gesprochen und man hat mir gesagt: Jawohl, wenn wir zu einer solchen Art von Regelung unserer Beziehungen kommen, werden wir auch über Fragen reden können, über die bis dahin nicht geredet wurde. Wir konnten auch dann nicht — Herr Kollege Carstens, das wissen Sie besser als mancher in diesem Hause — über Fragen reden, die sich die drei Mächte aus Gründen vorbehalten haben, von denen auch Sie im Laufe der Jahre immer gesagt haben, es gebe dafür einen guten Grund und es liege somit in unserem Interesse. Es ist von anderen Bundeskanzlern unter sehr viel schwierigeren Umständen über Berlin gesprochen worden; ich mache
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Bundeskanzler Brandtihnen daraus keinen Vorwurf. Ein Bundeskanzler hat im August 1961 — ich will jetzt nicht nachträglich Steine auf ihn werfen — mit dem damaligen sowjetischen Botschafter gesprochen. Und was haben wir darüber gelesen? Er habe darüber gesprochen, daß der Bau der Mauer das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion nicht trüben sollte. Mein Vorgänger im Amt des Bundeskanzlers hat mühsam reden müssen, damit sich nicht aus seinem Parteitag in Berlin Ende 1968 und damit nicht aus der Bundesversammlung Anfang 1969 sich schwerwiegende außenpolitische Komplikationen und solche für Berlin ergeben würden.
— Jetzt reizen Sie mich nicht! Denn sonst müßte ich sagen, was in diesen Unterhaltungen zu dem „nicht mehr hingehen" gesagt worden ist.
Herr Kollege Carstens, Sie haben sich aus gegebenem Anlaß — das muß ich zugestehen — auch zum 17. Juni geäußert. Ich habe auch dem hohen Pathos mit Respekt gelauscht,
zu dem Sie dieser Gedenktag angeregt hat. Meine Damen und Herren, ich muß auch nach dem, was Herr Kollege Kiesinger hier vor der Fragestunde gesägt hat, doch noch einmal daran erinnern: Es hat sich für mich überhaupt nichts an der Fragestellung geändert, ob es richtig ist, den Gedenktag, an dem zu rühren ich nicht die Absicht hatte und habe, beizubehalten. Wir haben darüber, worauf Herr Kollege Wehner hingewiesen hat, am Sonnabend im Präsidium des Kuratoriums Unteilbares Deutschland mit mehreren Ihrer Herren gesprochen. Wir haben gesagt: Das Gespräch wird weiter geführt, und keiner ist auf etwas festgelegt. Aber man hat doch niemand etwas unterstellt, wenn er dort noch einmal die Auffassung vertrat, die wir damals gemeinsam vertreten haben. Die Vorlage wurde am 3. April 1968 durch den Kollegen Höcherl unterzeichnet, nicht weil es sich etwa um eine Sache seines Ressorts gehandelt hätte, sondern weil er damals als dienstältester Minister für den Bundeskanzler unterzeichnet hat. Es war eine Vorlage zu der Frage, ob es nicht richtig sei, den Gedenktag bestehen zu lassen, aber den staatlichen Feiertag nicht an diesem, sondern möglicherweise an einem anderen, noch zu vereinbarenden Tag abzuhalten.Gerade wenn darüber früher und noch vor zwei Tagen so sachlich und leidenschaftslos gesprochen worden ist, dann sollten wir nicht hier im Plenum des Bundestages Fronten aufreißen, wo es bei allem, was umstritten ist, auch einmal möglich wäre, etwas gemeinsam zu erörtern.
— Aber Sie haben eben leider nicht alles erfahren. Die Verbindung vom Sonnabend bis heute hat nicht geplappt, Herr Kollege Carstens; sonst hätte dieser Teil der Rode nicht so gehalten werden können.
Ich war, wenn Sie diesen Hinweis auch noch erlauben, dem Geschehen in Berlin damals noch etwas näher als mancher andere. Ich bilde mir darauf gar nichts ein. Wir rücken jenen Tag nicht ins Zwielicht und erst recht nicht die Opfer jenes Tages. Wir sehen es in ,der Tat nicht im Zwielicht eines Pathos, das nichts kostet.Für uns heißt der Auftrag des 17. Juni: geduldig, hartnäckig das Mehr an Menschlichkeit zu schaffen und es anderen abzuringen, wo es geht, für das damals viele unserer Landsleute mit, wie ich zugebe, größeren Hoffnungen auf die Straße gegangen sind.
Ich fände, es wäre nicht schlecht, wenn wir uns — ich sage es noch einmal — bei allem, was sonst umstritten bleibt, auf den Respekt vor jener gemeinsamen Erklärung einigen könnten, die Vertreter unserer Parteien zum gestrigen 17. Juni vereinbart und herausgegeben haben. Was sind denn solche Texte sonst noch wert — will man uns damit hinters Licht führen? -- wenn am Tage danach diese ganz andere Sprache geführt wird, wie wir sie dazu gehört hatten?
Eine zweite Gruppe von Fragen bezieht sich auf jene deprimierenden Gerüchte, Verleumdungen, Vermutungen, Anschuldigungen, die man die Affären aus der vorigen Legislaturperiode nennt.
Ich begrüße es sehr, daß ein Untersuchungsausschuß dieses Hauses so rasch und so energisch wie möglich die Tatsachen ans Licht bringt, was und wem immer sie über das längst Bekannte hinaus betreffen sollten.
Die Dinge können nicht in dieser Debatte, sondern nur im Untersuchungsausschuß erörtert werden. Jeder weiß, daß ich erklärt habe, gern dazu beizutragen, was ich beitragen kann.
Allerdings warne ich davor, daß sich das Gespräch zwischen den Fraktionen dieses Hauses und den verantwortlichen demokratischen Kräften dieses Landes in ein böses Knäuel gegenseitiger Verdächtigungen verstrickt.
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2492 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Bundeskanzler Brandt-- Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu, sondern will meine Auffassung im Zusammenhang darlegen.
— Ach regen Sie sich ab, Herr Kollege!
Wo das Ansehen des Parlaments durch das Verhalten einzelner Schaden genommen hat, muß das durch volle Aufklärung und durch die geeigneten Maßnahmen wieder in Ordnung gebracht werden.
Auch der demokratische Staat — nein, gerade der demokratische Staat , der Autorität nur mit Zurückhaltung ausübt, braucht den Respekt seiner Bürger.
Nun möchte ich darauf hinweisen, daß dazu allerdings gehört,
Vermutungen über die Haltung einzelner bei der geheimen Wahl haben schon damals die Phantasie in Anspruch genommen.
Fest steht nur, daß sieben der neun Fraktionswechsler dadurch ausgezeichnet worden sind, daß sie über Landeslisten der CDU/CSU in diesem Bundestag sitzen.
— Nein, ich fahre jetzt fort.
Meine Damen und Herren, ich möchte folgendes außerdem noch hinzufügen.
Meiner Meinung nach dürfen einer gewissen Art von Hinterhofjournalismus nicht quasi staatsanwaltschaftliche Funktionen zugestanden werden.
— Nein, ich antworte jetzt Herrn Kollegen Carstens.
Herr Kollege Carstens, Sie haben den Geschmack gehabt,
davon zu sprechen, daß bei der geheimen Wahl im vergangenen Jahr ausländische Nachrichtendienste im Spiel gewesen seien.
Nachdem Sie es für richtig gehalten haben, dies in die Debatte zu bringen, möchte ich dazu zweierlei feststellen.
Erstens. Wenn es so sein sollte, daß das Mitglied des vorigen Bundestages, an das Sie denken,
im Dienst einer fremden Macht gestanden hat,
— das ist übrigens etwas, was anderen in diesem Hause auch schon passiert ist —, so ändert das trotzdem nichts daran, daß dieser Mann nicht durch uns, sondern durch die CDU in den vorigen Bundestag gebracht worden ist.
Zweitens. Wenn Ihre Vermutungen über den Mann und das, was er sagt, zutreffen, wieso nehmen Sie ihn dann als Wahrheitszeugen für sich in Anspruch?
Meine Damen und Herren, alle anderen Themen werden jedoch dies ist meine dritte Bemerkung
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Bundeskanzler Brandtzu diesem Komplex — von den Sorgen um die Preisentwicklung in den Schatten gestellt. Dies ist unsere bitterste Sorge.
— Ich habe hier dem Führer der Opposition geantwortet und lasse mich von meiner systematischen Antwort nicht abbringen. Ich denke nicht daran, mich davon abbringen zu lassen.
Dies ist — ich wiederhole es — auch die bittersteSorge der Bundesregierung. Lassen Sie mich mit gleichem Nachdruck hinzufügen: Wir haben eine große Anstrengung unternommen,
um in den vor uns liegenden Monaten — vielleicht bis zum Jahresende, bis zur Jahreswende — eine Wende der Tendenz zu erzwingen. Die — wenn auch leider etwas verspätete — Verabschiedung des Stabilitätsprogramms läßt keinen Zweifel mehr daran zu, daß Bundesregierung und Bundestag einen scharfen Gegenkurs steuern. Ich gehen davon aus, daß wir diesen Kurs halten werden. Wenn die Opposition schon im Februar mitgezogen hätte, hätte sie sich noch verdienter gemacht, als es jetzt festgestellt werden kann.
Daß der größere Teil des Stabilitätsprogramms erst im Mai nachgeschoben werden konnte, ergibt sich für jeden Kundigen aus der Notwendigkeit, in der Zeit zwischen Februar und Mai wichtige währungspolitische Vereinbarungen zu treffen, ohne die die Maßnahmen vom Mai ins Leere gegangen wären.
Über die Schwierigkeiten sollte sich niemand täuschen. Es ist für mich auch kein Trost, daß wir uns im Sog eines weltweiten Stromes befinden, der z. B. die Vereinigten Staaten von Amerika brutaler trifft als uns in der Bundesrepublik Deutschland.
Die Zusammenhänge sind allen deutlich. Sie wissen auch, daß wir uns von diesen Zusammenhängen nicht zu lösen vermögen. Dennoch ist es unsere Pflicht, die nationalen Möglichkeiten — da gibt es für mich keinen Gegensatz — der Konjunktursteuerung ganz zu nutzen, und genau das tun wir mit dem Stabilitätsprogramm, nachdem die währungspolitische Absicherung geschaffen wurde. Die Beschlüsse sind gefaßt; sie werden ihre Wirkungen zeigen. Sie haben allerdings einen gefährlichen Feind. Damit meine ich den Appell an die Angst; durch diesen Appell dürfen wir uns nicht beirren lassen.Unsere Bürger haben sich auch von gelegentlichen Wellen der Hysterie nicht anstecken lassen. Auf dieKonjunkturlage komme ich gleich mit ein paar Sätzen zurück; aber ich möchte sehr darum bitten, daß es bei dieser im ganzen ruhigen und sachlichen Beurteilung der Lage durch unsere Mitbürger bleibt. Berechtigte Sorgen darf man nicht bagatellisieren; aber steriler Aufgeregtheit darf man auch nicht nachgeben.
Nun möchte ich darauf hinweisen dürfen, daß ich auf den Tag genau vor fünf Monaten hier die Regierungserklärung nach der Neuwahl vorgelegt habe. Ein knappes halbes Jahr bietet kaum die Zäsur, an der man eine erste Bilanz aufmachen könnte; aber die Beratung des Haushalts ist doch der natürliche Anlaß, eine kurze Übersicht zu versuchen. Sie wird dann durch den schriftlichen Rechenschaftsbericht zu ergänzen sein, für den Herr Kollege Wehner angeregt hat, ihn im Herbst vorzulegen. Ich greife diese Anregung gern auf. Wenn man aber eine erste Zwischenübersicht gibt, dann kann nicht allein die Opposition die Themen dieser Zwischenübersicht bestimmen,
sondern dann muß die Mehrheit auch die Themen bestimmen können, und das will ich durch ein paar Beispiele tun.Schon jetzt läßt sich absehen, daß diese Legislaturperiode in starkem Maße durch solche Vorhaben geprägt sein wird, die darauf abzielen, das tägliche Leben unserer Bürger nicht zuletzt im Bereich des Berufslebens menschlicher zu machen. Hier geht es unmittelbarer, als es manchem bewußt ist, um mehr Qualität des Lebens.
Die Vorlage für das Gesetz über Betriebsärzte und Sicherheits-Ingenieure — um ein Beispiel zu nennen — hat bei der ersten Lesung im Mai vorigen Jahres nicht allzu viele Mitglieder des Hauses in den Plenarsaal gelockt. Durch den Unfallverhütungsbericht, der im Mai dieses Jahres vorgelegt wurde und der zur Zeit zur Diskussion steht, gewinnt das soeben erwähnte Gesetz reale Bezüge, die jede Gleichgültigkeit verscheuchen sollten. Man rechnet mit etwa 2,5 Millionen Arbeitsunfällen pro Jahr, die etwa 7 000 Todesopfer fordern. Das ist eine schokkierende Zahl, denn sie hat katastrophenähnliche Dimensionen. Das gilt ebenso für die mehr als 19 000 Opfer von Verkehrsunfällen — eine bittere Zahl, die durch das verschärfte Verbot von Alkohol am Steuer hoffentlich drastisch gesenkt werden kann.Die materiellen Schäden der Arbeitsunfälle beliefen sich im vorletzten Jahr auf 5 Milliarden DM. Wir müssen aus menschlichen und materiellen Gründen große Anstrengungen unternehmen, um unsere Arbeitswelt sicherer werden zu lassen.
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2494 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Bundeskanzler Brandt— Ich habe soeben einen Zuruf gehört, auf den ich hier gern eingehen will, nämlich worüber hier geredet werde. Hier wird geredet über das Leben der Menschen in diesem Lande.
Für diejenigen, die es interessieren sollte, kann ich dem Hohen Hause auch Mitteilung davon machen, daß das Bundesverfassungsgericht den Bayern-Antrag abgelehnt hat.
Meine Damen und Herren, ich nenne ein anderes Beispiel aus dem Alltag der Berufswelt; denn wenigen dürfte deutlich gewesen sein, daß noch immer viele Tausende von Heimarbeitern unter sozialen Bedingungen gelebt haben, die dieser Zeit nicht mehr würdig sind.
Unser Gesetzentwurf zu diesem Problem sichert den Heimarbeitern das Recht auf Tarifverträge und das Recht auf eine Mindestregelung für den Urlaub.Ich sehe von hier hinüber ins Feld der Gesundheitssicherung. Der erste Erfahrungsbericht über die Früherkennung von Krankheiten wurde dem Bundestag Anfang April zugeleitet. Aus ihm geht hervor, daß die Gelegenheit für Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krebs
und der Vorsorgeuntersuchung von Kindern längst nicht in dem Maße genutzt wird, wie wir dies erwartet haben und wie es vernünftig und notwendig wäre. Die Scheu vor der Vorsorgeuntersuchung zeigt nicht nur einen Mangel an Information an, sondern verrät auch, wie sehr man es hier mit verborgenen Ängsten zu tun hat. Ich möchte eine eindringliche Mahnung, eine herzliche Bitte an unsere Bürger richten: Um ihrer selbst und um ihrer Familien willen sollten sie wirklich die Lebenschancen nutzen, für die ihnen die Gemeinschaft ihre Hilfe bietet.
Im Krankenhauswesen kann das Gesetz zur Verbesserung von Leistungen der Versicherung, das am 21. Mai von den Fraktionen der SPD und FDP eingebracht wurde, viele unserer Bürger von bitterer Sorge befreien. In diesen Zusammenhang gehört auch die Ergänzung des Gesetzes zur Krankenhausfinanzierung.Darüber hinaus erwähne ich unseren Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtengesetzes, der am 23. März neu eingebracht wurde. Ende des gleichen Monats, also ebenfalls im März, hat der Bundesarbeitsminister eine erste Zwischenbilanz des Aktionsprogramms zur Förderung der Rehabilitation behinderter Bürger vorgelegt.Das Gesetz — um dies eben abzurunden — über die 16. Rentenanpassung mit seinen Zusätzen ist am 8. Juni verkündet worden. Die Steigerung der Bezüge um 11,35 % für die betroffenen 10,5 MillionenRentner — 9,1 % bei den Unfallrenten — ist besonder zu begrüßen.
— Ich komme darauf. — Eine Konjunkturdämpfung ist natürlich von dieser Seite her nicht zu erreichen. Ich sage dies, verehrter Kollege, um ohne alle Umschweife und ohne die auch hier mögliche Popularitätshascherei darauf hinzuweisen, daß auf weiteren Gebieten vorgezogene Verbesserungen leider jetzt nicht möglich sind.Wir haben dem Bundesrat deshalb am 25. Mai den Entwurf eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz zugeleitet, der eine Anhebung der Renten um etwa 11,4 % vom 1. Januar an vorsieht.
Dieses und anderes sind nicht Leistungen eines abstrakten Staates oder gar eines abstrakten Phänomens, das man Staat nennt.Es ist notwendig, uns immer wieder daran zu erinnern — und die Bürger mit uns —, was heutzutage „Staat machen" heißt: nämlich daß sich die organisierte Gemeinschaft der Bürger für die vielen einzelnen in den Dienst nimmt. Mir ist es gleichgültig, meine Damen und Herren, ob die Worte vom „Dienst" modisch geschätzt werden oder nicht. Es braucht außerdem keine preußische Übertreibung, um zu begreifen, daß eine Bereitschaft zum Dienst — heute würden viele statt dessen lieber Solidarität sagen — weithin die Qualität einer Gesellschaft bestimmt.Wenn ich dies gesagt habe, dann füge ich in aller Offenheit hinzu: das, was sich eine kleine Gruppe von öffentlich Bediensteten in diesen Tagen und Wochen auf unseren Flugplätzen geleistet hat, ist das Gegenteil der Haltung, über die ich hier spreche.
Ich denke nicht daran, hier etwa alle Beteiligten aus einer Berufsgruppe in einen Sack zu stecken und sie zu verdammen, wo es sich vielmehr um eine kritische Auseinandersetzung mit denjenigen handelt, die sie in eine meiner Meinung nach unmögliche Situation hineingeführt haben. Aber ich stimme jenem Kommentator zu, der sagt, daß sich der demokratische Staat diese Art von kollektivem Größenwahn nicht gefallen lassen kann.
Es wäre gut, Herr Kollege Carstens, wenn in solchen Fragen — bei all den Konsequenzen, die sich daraus ableiten — die Regierung auch auf die Unterstützung der Opposition zählen könnte.
Um noch ein anderes Gebiet zu erwähnen: Bildung und Ausbildung und nicht zuletzt die Förderung der
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2495
Bundeskanzler BrandtBerufsbildung sind Gemeinschaftsaufgaben ersten Ranges. Der Bericht über die Arbeitsförderung, den die Bundesregierung am 23. März den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet hat, zeigt erste Erfolge der Förderung, die wir durch den Bund eingeleitet haben. Dieser Bericht enthält auch alternative Modelle für die Finanzierung — kommentarlos, wie sie verlangt wurden.Am vergangenen Freitag hat nun die Kommission des Bundes und der Länder den Bildungsgesamtplan und das Bildungsbudget mit einem allseitigen Aufatmen, wie ich wohl hinzufügen darf, verabschiedet. Dabei ist bei allen Unzulänglichkeiten, die ich nicht übersehe, in der Tat ein zentrales Feld der Reformarbeit für einen langen Zeitraum, nämlich bis 1985, für Bund, Länder und Gemeinden wenigstens umrissen. Die Hauptverantwortung tragen die Länder in der Sache und finanziell. Es bedurfte hier aber einer zusammenfassenden organischen Mitwirkung des Bundes, nach der vorhin in anderem Zusammenhang gerufen wurde. Ich hoffe, daß Gesamtplan und Bildungsbudget bald gemeinsam mit den Regierungschefs der Länder beraten und gebilligt werden. Das ist nun keineswegs das Ende der gemeinsamen Anstrengungen, meine Damen und Herren, sondern erst ein Anfang. Zugleich geht es — da mache ich niemandem etwas vor — um den Befähigungsnachweis unseres bundesstaatlichen Systems auf diesem entscheidend wichtigen Gebiet.
Ich versage es mir, auf weitere Gebiete einzugehen. Ich hätte gerne etwas darüber gesagt — ich spare es mir bis zu einer anderen Gelegenheit auf —, was in den fünf Monaten, auch auf das öffentliche Interesse bezogen, in bezug auf die Millionen ausländischer Arbeitnehmer in unserer Mitte geschehen ist, was sich an neuem Bewußtsein und an sachverständiger Vorbereitung entwickelt, wo es um das schwierige Problem unserer Energieversorgung geht. Dies sind zwei ganz zentrale Probleme unserer Ökonomie und unserer sozialen Struktur, ja, auch der außenpolitischen Behauptung.Ich will jedoch, wie ich es angekündigt hatte, zum Stabilitätsprogramm doch noch einige mir — auch nach dem, was heute früh gesagt wurde notwendig erscheinende Bemerkungen machen. Es wurde mit einem eindrucksvollen Maß an Nüchternheit und gutem Willen aufgenommen. Ich begrüße die gute Einsicht, mit der zumal die Führung der Gewerkschaften unseren Notwendigkeiten begegnet und ihnen entspricht, sowie — ich hebe auch das ganz besonders hervor — die klare Zustimmung durch den Präsidenten des Bundesverbandes der Industrie, Herrn Präsidenten Sohl. Ich darf Ihnen versichern, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, durch einen Lohn- und Preisstopp eine Art Kirchhofsfrieden zu schaffen, denn darum würde es sich handeln. Dieses Mittel taugt nichts oder wenig, wie wir an den gegebenen Beispielen beobachtet haben. Es ist eher eine Flucht aus den Realitäten, die uns doch wieder einholen würden. Nein, wir folgen hier keinen fragwürdigen Experimenten. Lassen Sie mich aber ohne Umschweife hinzufügen, wenn wir es jetzt an wirtschaftlicher Einsicht mangeln lassen, bezahlen wir unter Umständen später auch durch die Bedrohung von Arbeitsplätzen. Genau dies hat der Bundeswirtschaftsminister gesagt, und genau hierin stimmt die Bundesregierung überein. Der Hinweis auf die Gefahren ändert auf der anderen Seite überhaupt nichts daran, daß ein Manipulieren etwa mit der Sicherheit der Arbeitsplätze nicht zum Instrumentenkasten unserer Bundesregierung gehört.
Es muß nun überhängige Nachfrage reduziert werden. Dieses Wort richtet sich nicht nur an eine Adresse, sondern, und zwar über einen längeren Zeitraum hinweg, an alle.Herr Kollege Kirst hat vor mir zu Recht darauf hingewiesen, daß Reformen durchaus nicht nur eine Sache von Geldausgeben sind. Das schon zu Beginn dieser Legislaturperiode verabschiedete, obgleich über frühere Perioden hinweggeschleppte Kartellrecht, die Novelle zum Kartellgesetz, ist ein gutes Beispiel dafür, paßt aber auch zusätzlich in unsere stabilitätspolitischen Bemühungen hinein. Wenn ich das sage, gilt das natürlich als eine anerkennende Würdigung an die Adresses aller, denn die Novelle ist ja schließlich einstimmig von diesem Hause verabschiedet worden. Dieses Gesetz muß, kann jedenfalls zur Verschärfung der Konkurrenz beitragen und damit hoffentlich möglichst bald auch für eine vernünftige Konjunktursteuerung eingesetzt werden. Die vorbeugende Funktionskontrolle der Großunternehmen wird erst in langen Fristen wirksam, doch die verschärfte Mißbrauchsaufsicht kann einen unmittelbaren Effekt haben und durch die klarere Beschreibung der Kriterien gegen den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Macht einschreiten.Ich will aber auch, weil ich dazu viele besorgte Briefe bekommen habe, auf folgendes hinweisen. Der schärferen Kontrolle auf den ebengenannten Gebieten stehen Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen gegenüber. Das ist nicht nur gerecht, sondern dies dient vor allem einer gesunden inneren Balance unseres gesamtwirtschaftlichen Organismus. Dem Verbraucher sagen wir es einfacher: Jedem einzelnen Bürger sollte die Aufhebung der Preisbindung zweiter Hand spürbare Vorteile verschaffen. Diese Maßnahme kann mehr als jede andere einer genaueren Kalkulation dienen.Die Vorschriften über die Auszeichnung von Preisen wiederum sind ein unmittelbarer Appell an die Vernunft beim Einkaufen. Es gilt zu beweisen, daß wir auch insofern ein wirtschaftlich vernünftig denkendes Volk sind. Das gilt im kleinen, das gilt im großen.Wirtschaftliche Vernunft rät den Unternehmen, ihre Investitionsprogramme sorgsam zu prüfen. Es gibt lebhafte Zweifel an der Vernünftigkeit einer Entwicklung, die es zuließ, daß in einem permanenten Strom Arbeitskraft einseitig zum Kapital transportiert wurde statt auch das Kapital in größerem Maße zur Arbeitskraft.
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2496 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Bundeskanzler BrandtDer erste Weg, der seine Vorzüge hat, bedeutet die aVerpflanzung von Menschen, damit oft auchihre Entwurzelung. Er bedeutet eine Belastung der Infrastruktur. Er kostet Geld durch den Ausbau von Arbeitsplätzen und die Notwendigkeiten der Ansiedlung, Geld, das wiederum Geld unter die Leute bringt.Der zweite Weg, der des Kapitalexports und der Kooperation, sollte verstärkt begangen werden. Unsere Lage würde für lange Frist günstiger, wenn die Unternehmen sich zu einem sorgsam bedachten Programm der Investitionen im Ausland entschließen würden.Konjunktursteuerung ist im übrigen nicht — darauf wurde eben hingewiesen, und ich unterstreiche, was Herr Kollege Kirst dazu sagte — durch eine einseitige Anstregung des Bundes möglich; sie verlangt das Zusammenwirken aller öffentlichen Hände.Ich will nicht ungerecht sein und verallgemeinern, aber es gibt Gemeinden und es gibt auch Länder, in denen sich die Grundgedanken eines gemeinsamen stabilitätspolitischen Vorgehens erst langsam, allzu langsam durchsetzen. Ich weiß es im übrigen zu würdigen, daß die Länder im Bundesrat nach einigem Hin und Her doch der Verantwortung gerecht wurden, die sie mittragen müssen. Auch hier geht es natürlich um das Funktionieren des bundesstaatlichen Systems.Zur auswärtigen Politik brauche ich heute wirklich nur wenige Sätze sagen nach dem, was Herr Kollege Carstens dazu angemerkt hat. Wir haben das Wort Kontinuität groß geschrieben und uns im übrigen genau an das gehalten, was wir in zwei Regierungsprogrammen vor aller Öffentlichkeit dargelegt haben.
Der Bundesaußenminister und ich haben in diesen Monaten wichtige Reisen unternommen, und wir hatten willkommenen Besuch aus nah und fern.Zur Europäischen Gemeinschaft wurde heute nicht mehr wie in den vergangenen drei Monaten angemerkt, daß wir Abstinenz betrieben. Wir werden noch in dieser Woche den Besuch von Präsident Pompidou haben und dabei dasselbe sagen, was wir bei unserem jüngsten Gespräch mit Premierminister Heath und anderen gesagt haben, nämlich folgendes:Erstens. Der Übergang zur zweiten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion muß vorbereitet werden, auch wenn diese Phase mehr eine konsolidierende sein müßte, als man es zunächst geplant hatte.Zweitens. Die Beschlüsse der Pariser Gipfelkonferenz vom Oktober vergangenen Jahres müssen durchgeführt werden. Das gilt nicht zuletzt für koordinierte stabilitätspolitische Maßnahmen in den Ländern der Gemeinschaft, ein Gebiet, von dem keiner bestreiten kann, daß die Deutschen wieder einmal anderen vorangegangen sind. Das kann auch die Opposition nicht bestreiten.
Drittens. In diesem Zusammenhang soll nirgends ein Zweifel bestehen können, daß diese Bundesrepublik und ihre Regierung jeden Tag wie bisher bereit sind, nationale Zuständigkeiten in die Hände gemeinsamer europäischer Organe übergehen zu lassen.
Ich erwähnte schon: der Kollege Scheel und der Kollege Leber haben jeder in seinem Bereich wichtige und erfolgreiche Beratungen im Atlantischen Bündnis hinter sich. Nun steht die Abzeichnung des Vertrages mit der CSSR bevor. Der rumänische Staatschef Ceaucescu kommt in der nächsten Woche in die Bundesrepublik, um den Besuch Präsident Heinemanns zu erwidern und um mit uns über die Weiterentwicklung der trotz unterschiedlicher politischer Ordnungen erfolgreich begonnenen Zusammenarbeit zu beraten.Inzwischen steht fest, daß die Konferenz der Außenminister über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in der ersten Juli-Hälfte in Helsinki stattfinden wird. In Wien wird etwas später — und gewiß sehr viel länger über die Probleme möglicher ausgewogener Truppenreduktion beraten werden. Im übrigen zeigen die erneuten Beratungen zwischen Nixon und Breschnew und sich daran anschließend zwischen Breschnew und Pompidou, wie gut wir beraten waren, uns nicht in ein weltpolitisches Abseits zu begeben.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir jetzt noch einige Bemerkungen zu jenem Israel-Besuch, von dem ich heute vor einer Woche zurückkehrte. Ich zögere nicht, hier zu wiederholen, daß ich diese Reise zu den entscheidenden Erfahrungen meines politischen Lebens zähle. Zur Bewertung möchte ich folgendes feststellen.Erstens. Die Tatsache, daß Israel den amtierenden Bundeskanzler empfangen hat, daß es ihn überdies in so freundlicher Weise aufnahm, drückte ein Vertrauen in die demokratische Staatlichkeit eines erneuerten Deutschland aus, das ich mit Ihnen über alle Parteigrenzen hinweg als eine ernste Pflicht betrachten möchte.
Zweitens. Mir wurde durch die Begegnung mit der Realität Israels von neuem deutlich, daß unsere beiden Völker neben den weiterwirkenden Schatten leben müssen. Es wurde freilich mit gleicher Klarheit sichtbar, daß uns gerade die Ehrfurcht von der Macht der Geschichte erlaubt, einander in neuer Freiheit zu begegnen.Drittens. Diese Einsicht prägte die Formel von den normalen diplomatischen Beziehungen mit einem besonderen Charakter, und zwar einem solchen, der sich nicht vom Hintergrund der Geschichte lösen läßt. Diplomatische Beziehungen haben — wenn ich das so gefühllos sagen darf — normal zu sein. Zugleich läßt sich das Spezifische im Verhältnis zwischen — nein: im Verhältnis ,der Deutschen zu Israel und den Juden durch keine Macht der Welt auslöschen. Wenn die Premier-
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Bundeskanzler Brandtministerin den bewundernswerten Mut hatte, unserem deutschen Volk auf diesem Hintergrund die Freundschaft Israels anzubieten, so hoffe ich, viele Mitglieder dieses Hauses empfinden mit mir, daß sich hier ein Ereignis von geistiger und moralischer Dramatik vollzogen hat.
Viertens. Zur ausgewogenen Nahostpolitik unserer Regierung gehört die Bereitschaft, zum Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn beizutragen. So hat es der Bundesaußenminister kürzlich in drei arabischen Hauptstädten dargelegt und erörtert. Aber wir können — ich sagte es wieder und wieder — nicht die Aufgaben eines Vermittlers übernehmen; denn wir überschätzten damit unsere Kraft. Aber unsere guten Dienste, zum Beispiel für die Methodik von Friedensbemühungen, zur Verfügung zu stellen, sofern dies gewünscht wird, daran braucht es nicht zu fehlen. Dies setzt voraus, daß wir zuhören können, daß wir jedes Wort ernst nehmen, das zum Frieden hinführen kann. Daß Israel den Frieden will und zu Kompromissen bereit ist, dies wurde uns mit großer Eindringlichkeit gesagt.Fünftens. Selbstverständlich gibt es Möglichkeiten, die guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten, über die ich spreche, auszubauen; dies gilt auch für die Europäische Gemeinschaft. Dort werden wir uns für eine gerechte und realistische Mittelmeerpolitik zu verwenden haben, weiterhin zu verwenden haben für eine Politik, die sich nicht inder Wiederholung substanzleerer Formeln erschöpft. Es darf nicht der kleinste gemeinsame Nenner sein, mit dem die Gemeinschaft der Friedlosigkeit in dieser Nachbarregion begegnet. Die Gemeinschaft muß fähig sein, ihre Interessen zu definieren, einen Willen zu bilden und nach ihm zu handeln.Schließlich bitte ich um Ihr Verständnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich diesen Augenblick nutze, um vor dem Deutschen Bundestag mit der Adresse an die Premierminister Golda Meir und ihren Außenminister Abba Eban zu sagen, wie dankbar ich für die Tage in Israel bin. Nichts von dem, was uns an Freundschaft begegnete, war selbstverständlich. Alles, was wir zu beeinflussen vermögen, soll die Lehren der Vergangenheit beherzigen und dem organisierten, dem gesicherten Frieden zugute kommen.
Wir fahren in der Aussprache fort. — Das Wort hat der Abgeordnete Schröder .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Herrn Bundeskanzlers veranlaßt mich, noch einmal den roten Faden aus den Ausführungen meines Fraktionsvorsitzenden wieder aufzunehmen und weiter zu präzisieren; denn, Herr Kollege Kirst, wir führen hier eine Haushaltsdebattemit politischer Bilanz, und wir zählen keine Erbsen.Wie keine Bundesregierung zuvor, ist die Regierung Brandt mit besonderem moralischem Pathos — wir haben es eben wieder erlebt — angetreten.
Der Bundeskanzler formulierte das in seiner Regierungserklärung mit den bemerkenswerten Worten: „Politik ist im Kern immer das Produkt geistiger und moralischer Entscheidungen".
Eine angesehene Tageszeitung faßt das in diesen Tagen mit den Worten zusammen:Viele in unserem Lande glaubten an den endgültigen Einzug von Anstand und Redlichkeit in die Bonner Politik, wenn die SPD erst einmal an der Macht sei.Die der Bundesregierung sehr verbundene Zeitschrift „Die Zeit" kommentierte diesen moralischen Aspekt in der Politik der Bundesregierung mit den Sätzen:Die sozialliberale Koalition, die bisher auf hohem Kothurn moralischer Rechtschaffenheit wandelte, ist ins Stolpern geraten. Auch sie erlebt. eine Art Watergate, und das ist für sie besonders schmerzhaft und peinlich, weil keine Regierung in Bonn bisher mit so hohem Anspruch aufgetreten ist.Und weiter:Die SPD zelebrierte ihre Politik mit fast abgründiger Moralität.Es gilt, meine Damen und Herren, den moralischen Anspruch dieser Bundesregierung und insbesondere ihres Kanzlers einmal unter die Lupe zu nehmen. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen tun.Herr Kollege Wehner, ich fange dabei mit dem Punkt an, den mein Fraktionsvorsitzender Professor Carstens hier heute morgen bereits angesprochen hat, denn eines habe ich von Ihnen gelernt, nämlich wie man durch häufige Wiederholung Bewußtseinsbildung betreibt. Meine Damen und Herren, wenn ich es wiederhole, dann deshalb, weil wir es hier und in diesen Tagen und Wochen mit dem wohl extremsten Beispiel doppelbödiger Moral zu tun haben.
War es schon merkwürdig genug, von Korruption zu sprechen, ohne Namen zu nennen, so wurden Hofpresse und Kanzler nicht müde, unterschwellig die Opposition zu verdächtigen.
Die Wahrheit, meine Damen und Herren, brauchte lange, um das Tageslicht zu erblicken. Und siehe da: Nicht die Opposition, kein Abgeordneter, der aus freier Gewissensentscheidung in den letzten Wochen der vergangenen Legislaturperiode die Par-
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2498 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Schröder
teien der Koalition verlassen hat, korrumpierte oder wurde korrumpiert.
Wieder einmal steckt einer der wichtigsten Männer der SPD-Fraktion tief in dem Verdacht, Korruption begonnen zu haben, und der Herr Bundeskanzler spricht als Mitglied der SPD-Fraktion diesem Mann ausdrücklich sein Vertrauen aus!Herr Bundeskanzler, was soll in diesem Zusammenhang eigentlich der Hinweis auf den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß? Was die deutsche Offentlichkeit und dieses Haus interessiert, ist doch die Frage, ob Sie etwas von diesen Dingen gewußt haben oder nicht.
Sie hätten sich Ihre Ausflüchte hier und heute in einer sehr unschönen Form sparen können,
wenn Sie ganz klar und unmißverständlich erklärt hätten: „Meine Damen und Herren, lassen Sie den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß in Ruhe arbeiten, aber ich habe mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun!"Meine Damen und Herren, was soll in diesem Zusammenhang der Hinweis auf Fraktionswechsler? Ich habe persönlichen Respekt vor Männern und Frauen, die aus Gewissensentscheidung es nicht mehr verantworten können, ihren Fraktionen weiter anzugehören, und in Offenheit ihre bisherigen Parteien verlassen und den Schritt zur parlamentarischen Opposition vollziehen. Ich habe aber, Herr Bundeskanzler, Verachtung, wenn es sich herausstellen sollte, daß hinter dem Rücken einer Fraktion der Versuch gemacht worden ist, ein charakterlich labiles Element aufzukaufen!
Herr Bundeskanzler, was ist es für eine merkwürdige doppelbödige Moral, wenn auf der einen Seite einem tief in Verdacht Geratenen eine Vertrauenskundgebung erbracht wird und auf der anderen Seite einem ehemaligen Mitglied dieses Hauses, das sich bemüht, mit dazu beizutragen, ein wenig Licht in diese dunkle Affäre hineinzubringen, ein Parteiordnungs- oder Parteiausschlußverfahren angekündigt und vorbereitet wird?
Herr Abgeordneter Schröder, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Groß?
Jawohl!
Herr Kollege Schröder, sind Sie bereit, dieses Wohlwollen und diese wohlwollende Betrachtung bis zum Beweise der Schuld, das Sie im Falle der Überwechsler, wie Sie sie nannten, von
den Koalitionsparteien zur Opposition haben walten lassen, auch auf die auszudehnen, die in dem anderen Falle von Ihnen zitiert werden?
Meine Damen und Herren! Es wird Ihnen nicht gelingen, hier Ungleiches gleich zu machen. Es ist für jedermann offensichtlich gewesen, was sich in den letzten Monaten der vergangenen Legislaturperiode auf der einen Seite mit dem Übertritt von ehemaligen Angehörigen Ihrer Fraktion vollzogen hat, und wir haben erst jetzt — erst jetzt! — feststellen können, was auf der anderen Seite, wenn es sich als richtig herausstellen sollte, an ruch- und fragwürdigen Methoden angewandt wurde, um die Mehrheit in diesem Hause zu behalten.
Wenn sich der Herr Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Wehner, dann heute morgen hier hinstellt und meint, diese ganzen Dinge dadurch ein wenig relativieren zu können, indem er auf das Votum der Wähler vom 19. November 1972 verweist, kann ich auch hier nur sagen: Welch eine Ausflucht! Genauso wie ich Ihnen freimütig die persönliche Fragestellung bekenne: Wie wäre wohl beispielsweise das Wahlergebnis in den Vereinigten Staaten im November vergangenen Jahres ausgefallen,, wenn Watergate vor diesem Wahltermin bekanntgeworden wäre?, genauso frage ich: Wie wäre wohl das Wahlergebnis am 19. November 1972 ausgefallen, wenn die deutschen Wähler gewußt hätten, was sich in diesem Hause abgespielt haben könnte?
Der Herr Bundeskanzler wählte in seiner ersten Regierungserklärung die wohlklingenden Sätze: „Wir wollen mehr Demokratie wagen." Und er fügte hinzu: „Die strikte Beachtung der Formen parlamentarischer Demokratie ist selbstverständlich." Wie die Realisierung der wohlklingenden Vorsätze dann aussah, machte Herr Bahr in seiner Rede vor diesem Hohen Hause am 24. Januar dieses Jahres deutlich, indem er die Wahrheit an politischen Mehrheitsverhältnissen orientierte und davon sprach, wenn möglich in der Demokratie und in der Politik die Wahrheit zu sagen.In einem bemerkenswerten Kontrast zu den parlamentarischen Spielregeln, von denen der Bundeskanzler sprach, stand sodann die berühmt-berüchtigte Aussage: Mit der DDR zu reden ist eine Pflicht des Grundgesetzes; es ist aber keine Pflicht des Grundgesetzes, mit jedem Abgeordneten zu reden.In die Kategorie parlamentarischer Spielregeln unter hohem moralischem Anspruch gehört auch jener zwielichtige Vorgang, als der seinerzeitige Chef des Bundeskanzleramtes, Herr Ehmke, einen höchst fragwürdigen Zeugen auf Kosten der Bundesrepublik Deutschland nach Bonn einfliegen ließ, um angebliches Belastungsmaterial gegen ein Mitglied dieses Hohen Hauses zu sammeln, das man monatelang verdächtigt hatte, anderen pflichtwidrig Geheimprotokolle zugespielt zu haben.
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Schröder
Wieweit schön gefärbte Programmsätze und Wirklichkeit auseinanderklaffen, macht ein weiteres Beispiel deutlich. Der Bundeskanzler spricht in seinen beiden Regierungserklärungen davon, ein Volk der guten Nachbarn sein zu wollen und daß der Wille zur guten Nachbarschaft in der Konkurrenz geistiger Kräfte und bei allen realen Konflikten spürbar bleiben müsse.
Dieser Wille ist jedoch bei einigen führenden Politikern dieser Koalition offensichtlich etwas einseitig linkslastig ausgeprägt. Kommt ein Staatschef eines Landes, das zum nichtkommunistischen Lager gehört, so gehört es zum guten Stil dieser Regierung, Mißstände, die in diesem Lande herrschen, öffentlich anzuprangern und den Besucher wissen zu lassen, daß sein Besuch nicht gern gesehen sei und daß es Besucher gebe, die man lieber gehen als kommen sehe.Kommt jedoch ein Besucher aus einem östlichen Staat,
der in seinem Lande ebenfalls Hunderttausende von politischen Gefangenen eingesperrt hat, so wird alles getan, diesem Mann hier einen ungetrübten Aufenthalt zu bereiten, und der Stellvertreter des Bundeskanzlers im Parteivorstand der SPD findet es nicht unschicklich, diesen Herrn öffentlich in seine Arme zu schließen. Plakate der Jungen Union, die da lauten: „Freiheit für politische Häftlinge", durften nicht aufgestellt werden, DKP-Plakate, die da lauten: „Willkommen Breschnew", zieren noch heute die Bonner Straßen.
Die Junge Union in Nürnberg wird daran gehindert, die schändliche Abreißung eines Symbols deutscher Geschichte, nämlich der Berliner Mauer, zu verhindern; Hausbesetzungen linker Gruppen werden am laufenden Band toleriert.
Ich muß da meinem Parteifreund Lummer schon zustimmen, wenn er in der Bundesrepublik eine bemerkenswerte Entwicklung verzeichnet, die immer mehr die Etablierung einer doppelten Moral erkennen läßt.
Einen bemerkenswerten Beitrag für gute Nachbarschaft, Frieden und Toleranz im Innern lieferte der Bundeskanzler auch anläßlich seines Staatsbesuchs in Jugoslawien, wo er einem Teil der CDU/CSU-Wähler unterstellte, nicht für eine Politik des Friedens einzutreten.Herr Bundeskanzler, wenn Sie in diesem Zusammenhang wieder einmal vom 17. Juni gesprochen und sich dabei kritisch mit den Ausführungen meines Fraktionsvorsitzenden auseinandergesetzt haben und sie damit abtun zu können meinten, daß Sie auf eine gemeinsame Erklärung Bezug nahmen, die am Vortag oder am Tage dieses Geschehnisses herausgegeben wurde, dann muß ich auch hier wieder darauf hinweisen: Es ist etwas anderes, auf dereinen Seite eine gemeinsame Würdigung eines geschichtlichen Vorgangs herbeizuführen und sich auf der anderen Seite Gedanken darüber zu machen, in welcher Weise wir zukünftig diesen gesetzlichen Feiertag handhaben wollen und wie wir uns in Zukunft zu diesem geschichtlichen Ereignis bekennen.
Meine Damen und Herren, besonders hoher moralischer Anspruch klang auch aus den Worten des Kanzlers in der ersten Regierungserklärung, wo es hieß:Wir haben so wenig Bedarf an blinder Zustimmung, wie unser Volk Bedarf hat an gespreizter Würde und hoheitsvoller Distanz. Wir suchen keine Bewunderer. Wir brauchen Menschen, die kritisch mitdenken, mitentscheiden und mitverantworten. Das Selbstbewußtsein dieser Regierung wird sich als Toleranz zu erkennen geben.Aber was passierte im Umgang mit der Presse in den zurückliegenden Jahren dieser Regierung tatsächlich? Lassen Sie mich nur drei Stichworte in Ihre Erinnerung zurückrufen. Es gibt jenen berühmten Ausspruch des Bundeskanzlers über die Schreibtischtäter, zum anderen jene berühmt-berüchtigte Nacht-und-Nebel-Aktion gegen die „Quick" und schließlich die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen unbequeme Journalisten in diesem Lande.Von einem merkwürdigen Zwiespalt nach der Devise „einerseits und andererseits" sind so manche politischen Handlungen dieser Regierung gekennzeichnet. So unterschreibt der Bundeskanzler einerseits — mein Fraktionsvorsitzender hat darauf heute morgen schon hingewiesen — gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder einen Erlaß, der darauf hinwirken soll, daß extremistische und verfassungsfeindliche Kräfte keinen Eingang in den Staatsdienst finden, stimmt aber andererseits als Vorsitzender der SPD einem Beschluß zu, der faktisch auf die Aushöhlung eben dieses gemeinsamen Beschlusses mit den Ministerpräsidenten der Länder hinausläuft.
Ebenso zwiespältig ist das Verhalten und Agieren dieser Bundesregierung gegenüber den Fluglotsen. Einerseits läßt sie den Bundesinnenminister in einer Fernsehsendung im Oktober letzten Jahres die Bereitschaft erklären, den Fluglotsen eine Erschwerniszulage von 250 DM notfalls auch ohne Parlamentsbeschluß zu gewähren, und auf der anderen Seite hat sie wochen- und monatelang nichts getan, um das Problem zu lösen, und uns in den übelsten Fluglotsenstreik seit Jahren hineingetrieben.Einerseits spricht diese Regierung ständig von sozialer Gerechtigkeit und läßt vor der Bundestagswahl ein Reformwerk beschließen, das sie sich selber auch noch als eigene Errungenschaft an den politischen Hut steckt, andererseits vergehen nur wenige Wochen, bis sie wesentliche Kernstücke dieser Rentenreform wieder zurücknimmt, nämlich die Flexibilität der Altersgrenze und die Rentenniveausicherungsklausel. Damit wurden Millionen von Rentnern
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von Ihnen, Herr Bundeskanzler, an der Nase herumgeführt.
Einerseits spricht die Regierung davon, den alten Menschen helfen zu wollen. Andererseits läßt sie es zu, daß der Zuwachs der Realeinkommen der Rentner von Jahr zu Jahr sinkt. Betrug im Jahre 1969 die Steigerung des Realeinkommens der Rentner noch 4,7 %, so sank sie im Jahre 1970 bereits auf 2,5 % und im Jahre 1972 auf 0,3 %. Die Rentner, die ihre Altersversorgung auf privaten Ersparnissen aufgebaut haben, müssen sogar einen realen Rückgang ihrer Einkommen hinnehmen. Die Kaufkraft einer solchen Rente, die z. B. 1969 noch 500 DM betragen hatte, lag im September 1972 nur noch bei 412,50 DM. Da muß ich, Herr Bundeskanzler, meinem Freunde und Fraktionskollegen Heinz Franke recht geben, wenn er von sozialer Demontage spricht.
Auch auf dem Gebiet der Stabilitätspolitik ist das Verhalten dieser Regierung von eigentümlichen Widersprüchlichkeiten. Alle Ihre Versprechungen, Herr Bundeskanzler, sind ins Leere gegangen. Einerseits haben Sie im April 1970 erklärt, daß es bei einer Preissteigerungsrate von 4 % ernst würde. Sie haben damals angekündigt vor noch nicht einmal drei Jahren, meine Damen und Herren! —, diese Preissteigerungsrate auf 2 % senken zu wollen. Und was haben Sie andererseits getan? Allzu-lange haben Sie und Ihr Finanzminister Helmut Schmidt gezögert und die Öffentlichkeit mit Verharmlosungen beschwichtigt. Einmal waren es die anderen — unsere guten Nachbarn —, die uns die Inflation bescherten, und dagegen konnte man angeblich nichts tun. Dann war es wieder nicht so schlimm: Im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn lagen wir noch in einem guten Mittelfeld. Schließlich gipfelte die Unfähigkeit dieser Regierung in der Aussage von Herrn Schmidt, daß dieser Regierung 5 % Inflation lieber seien als 5 % Arbeitslosigkeit.
Herr Bundeskanzler, wenn Sie im Zusammenhang mit der Stabilitätspolitik meinem Fraktionsvorsitzenden die Frage vorlegen, wo er denn eigentlich streichen wolle, dann kann ich nur sagen: Auch hier gehen Sie völlig am Thema vorbei; denn es geht nicht um das Streichen, sondern es geht um das Strecken, und es geht um die konjunkturgerechte Steuerung des Bundeshaushalts.
Nein, Herr Bundeskanzler, gerade die Stabilitätspolitik ist ein typisches Beispiel für Augenwischerei.Ein weiteres Beispiel für politische Aussagen, die ich nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen vermag, ist die Vermögensbildungspolitik dieser Bundesregierung. Einerseits verkündet der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung, die Vermögensbildung in breiten Schichten, vor allem in Arbeitnehmerhand, sei völlig unzureichend. Sie müsse kräftig verstärkt werden. Andererseits beschließt der SPD-Parteitag unter dem Stichwort Vermögensbildung die Schaffung von anonymen Fonds, zu denen der einzelne Arbeitnehmer weder einen direkten Zugang hat noch aus denen er persönliche Erträgnisse ziehen kann. Ich muß meinem Kollegen Pieroth zustimmen, wenn er das schlicht als Etikettenschwindel bezeichnet.
Was ist das für ein Eigentum und für ein Vermögen, über das andere verfügen und dessen Erträge für andere Zwecke Verwendung finden und nicht dem Eigentümer, dem Vermögensinhaber, selbst zufließen?
Dies, meine Damen und Herren, ist der kardinale — Herr Kollege Haehser —, der unüberbrückbare Gegensatz; denn die CDU/CSU will zur Erweiterung des persönlichen Freiheitsraums die individuelle Beteiligung aller Unselbständigen am Produktivkapital der Wirtschaft durch Gesetz mit der Freiheit der Wahl der Anlagewerte durch den Arbeitnehmer und der freien Verfügbarkeit über die Anlagewerte nach Ablauf der prämienbegünstigten Sperrfristen.Die Politik dieser Bundesregierung, meine Damen und Herren, ist nicht nur durch einen hohen moralischen Anspruch und ein häufig entgegengesetztes Verhalten gekennzeichnet; sie ist auch nicht nur durch Widersprüchlichkeiten des Einerseits und Andererseits ausgezeichnet, sondern sie hat auch einen politischen Erwartungshorizont geweckt, der durch die Wirklichkeit einfach nicht erfüllt werden kann.Lassen Sie mich einige Beispiele dafür nennen. Herr Professor Carstens hat heute morgen in seinen Ausführungen auf das Beispiel der Bildungs- und Wissenschaftspolitik bereits verwiesen, als Sie in Ihrer ersten Regierungserklärung jenen hehren Ausspruch von der höchsten Priorität gesellschaftspolitischer Reformen geprägt hatten, die es zu verwirklichen gelte. Ich brauche das nicht zu wiederholen.Ein anderes markantes Beispiel, von dem Sie auch sehr viel reden, ist die Entwicklungshilfe. Der Bundeskanzler erklärte in seiner Regierungserklärung noch:Die Bundesregierung wird sich bemühen, das in dem Bericht der Pearson-Kommission vorgesehene Ziel für die öffentlichen Leistungen an der Entwicklungshilfe durch eine Steigerungsrate von durchschnittlich i 1 % im Jahr zu erreichen.Demgegenüber ist festzustellen, daß die deutsche Entwicklungshilfe an einem absoluten Tiefpunkt angelangt ist. Die Bundesregierung mag dies entschuldigen und auf mannigfache Weise begründen, bestreiten kann sie es nicht. Die öffentliche Hilfe der Bundesrepublik ist 1972 mit knapp 2,6 Milliarden DM auf 0,3 % des Bruttosozialprodukts gesunken, hat also den niedrigsten Stand seit vielen Jahren erreicht. Die „Frankfurter Allgemeine" hat dies zu Recht mit den Worten kommentiert:Die internationale Enttäuschung über dieses Ergebnis ist um so größer, als gerade die Regie-
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rung Brandt mit ihren Versprechungen weltweit große Erwartungen geweckt hatte.Ein weiteres Beispiel für großartige, um nicht zu sagen: geradezu gigantische politische Versprechungen ist das in diesen Tagen von Minister Lauritzen vorgelegte Verkehrsprogramm der Bundesregierung, das wieder einmal dadurch gekennzeichnet ist, daß keine Finanzierungs- und Zeitangaben mitgeliefert werden. Ich kann hier nur den Worten einer großen Tageszeitung zustimmen:Sosehr dem Minister in einzelnen Punkten und auch in der Prioritätenfolge zuzustimmen ist, das Gesamtprogramm umgibt dennoch ein Hauch von Unglaubwürdigkeit, denn überall dort, wo der Minister Bezug zur finanziellen Realität herstellen müßte, verliert sich sein Konzept in visionären Fernvorstellungen.Herr Bundeskanzler, eine der für mich besorgniserregendsten Widersprüchlichkeiten liegt in Ihrer Deutschland- und Ostpolitik. Herr Professor Carstens ist heute morgen ausführlich darauf eingegangen, aber ich muß diese seine Ausführungen doch noch um eine Fragestellung erweitern.
Ich muß hier nämlich schlicht und einfach fragen: Macht die Bundesregierung sich selber etwas vor, oder hat sie uns etwas vorgemacht, um die Zustimmung dieses Hauses und einer breiten Offentlichkeit zu diesem Vertrag zu erheischen? Hierzu wäre eigentlich ein Wort von Ihnen angebracht. Aber wir haben uns ja daran gewöhnt, daß der Bundeskanzler schweigt, wenn er eigentlich reden müßte, und daß er redet, wenn es besser wäre, zu schweigen.
Meine Damen und Herren, mit dem Hinweis von eben, unabhängig davon, ob es Herrn Winzer passe oder nicht, würden wir unsere Politik weiterverfolgen, ist doch dieses Problem nicht aus der Welt geschafft. Wie wollen Sie denn den deutschen Wagen in eine gemeinsame Richtung bekommen, wenn der eine Fahrer hü und der andere Fahrer hott sagt? Herr Bundeskanzler, an diesem Zwiespalt — das müssen Sie doch selber erkennen— kann Ihre ganze Politik eines Tages noch scheitern. Sie sprechen im übrigen immer wieder davon, was sich in den zurückliegenden Jahren — insbesondere im Hinblick auf menschliche Beziehungen alles verbessert hat. Wir sind nicht so vermessen, hier zu erklären, daß sich nichts verbessert hat. Herr Bundeskanzler, Sie verschweigen hier aber doch wiederum, welchen hohen politischen Preis Sie für diese Verbesserungen gezahlt haben.
Meine Damen und Herren, wozu bringe ich diese Beispiele? Was will ich damit zum Ausdruck bringen? Ich will der Politik der Bundesregierung keineswegs moralische Aspekte absprechen.
— Herr Haehser, ich weiß, daß Sie das Debattierenin diesem Hause nicht mehr so sehr schätzen, aberSie werden sich daran gewöhnen müssen, daß meine Fraktion in Zukunft noch ausführlicher debattiert als in der Vergangenheit.
Ich gehe auch nicht so weit wie die Ihnen sehr verbundene „Zeit", die in der letzten Woche schrieb:Vom moralischen Hochglanz der deutschen Sozialdemokratie ist nicht viel übriggeblieben. Der Lack ist ab.Meine Damen und Herren, ich wollte mit diesen Beispielen nur einmal das exaltierte moralische Getue, die moralische Selbsterhöhung dieser Regierung und des Bundeskanzlers auf das Maß des Tatsächlichen und Erträglichen herabschrauben.
Ich wollte einmal deutlich machen, daß es auf die Dauer nicht angeht, politische Versprechungen abzugeben und damit Erwartungen zu wecken, die, weil die finanziellen Realisierungsmöglichkeiten einfach nicht da sind, nicht erfüllt werden können; denn beides ist auf die Dauer für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit unseres parlamentarischen Systems nicht erträglich.
Das Wort hat der Abgeordnete Flach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer die Art und Weise und den Stil betrachtet, mit dem die Opposition versucht, diese wichtige Haushaltsdebatte hier zu führen, der könnte schon jetzt von einem Anflug von Barzel-Nostalgie befallen werden.
Wir haben zwar auch am damaligen Oppositionsführer einiges auszusetzen gehabt, aber er hat doch wenigstens den Versuch gemacht, hier das Konzept einer Alternative der Opposition zur Regierungspolitik aufzuzeigen. Dieser Versuch ist nicht immer geglückt, aber er hat ihn hier wenigstens unternommen, während wir jetzt davor stehen, daß hier einige aphoristische Randbemerkungen und einige aktuelle Bemerkungen zu dem einen oder anderen Problem gemacht werden und im übrigen nichts anderes als viel Vergangenheitsbewältigung, die uns alle hier in diesem Hause nicht weiterführt.
Ich werde mich hüten, hier auf irgendwelche Einzelheiten einzugehen, die so ausgelegt werden könnten, als wollte man in ein schwebendes Untersuchungsverfahren eingreifen.
Wir haben hier alle gemeinsam in diesem Hauseentsprechende Maßnahmen getroffen, und wir alle
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Flachzusammen werden froh sein, wenn wir am Ende gut aus dieser Geschichte herauskommen.
Dieses ist kein Thema, um pharisäerhaft aufzublähen und nach der einen oder anderen Seite Sebstgerechtigkeit zu üben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reddemann?
Ja.
Herr Kollege Flach, darf ich aus Ihren Eingangssätzen entnehmen, daß die neue Taktik der Koalition lautet: zurückgetretener Oppositionsführer gleich guter Oppositionsführer?
Herr Kollege Reddemann, Sie haben eine solche Palette ehemaliger Vorsitzender in diesem Hause, daß allein der Respekt gebietet, sie hier ehrenhaft zu erwähnen.
Im übrigen wollen wir uns wenigstens darin üben, auch im Umgang mit Vorsitzenden, selbst wenn sie anderen Parteien angehören, gewisse christliche Umgangsformen zu pflegen.
Aber davon abgesehen, möchte ich nicht zu diesen Einzelheiten Stellung nehmen, die hier immer wieder hochgebracht werden. Ich möchte diese ganzen Vorgänge nur noch einmal in den politischen Zusammenhang der dramatischen Auseinandersetzungen des letzten Jahres stellen. Der politische Zusammenhang ist doch der, daß hier versucht worden ist, parlamentarische Mehrheitsverhältnisse ohne Wählerentscheid zu verändern,
und daß alles unternommen werden mußte, um die
Entscheidung da hinzuspielen, wo sie hingehörte,
nämlich in die Hände des Volkes und des Wählers.
Der Wähler hat am 19. November entschieden. Aus diesem Wählerauftrag ist eine klare Mehrheit hervorgegangen, und Sie sollten diese Tatsache nicht durch den Versuch einer christlich-demokratischen Dolchstoßlegende zu vernebeln versuchen!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erhard?
Ja.
Herr Kollege Flach, halten Sie es für möglich, daß man mit Propaganda oder auch mit Verschweigen Wähler täuschen kann?
Selbstverständlich halte ich das für möglich; denn ich habe in sehr vielen Wahlkämpfen gegen Ihre Argumente ankämpfen müssen und diese Erfahrung gemacht.
Allerdings kann man sie nicht immer erfolgreich täuschen, Wir sollten diese Dinge jetzt den Organen überlassen, die wir selber damit betraut haben,
und sie nicht zum Gegenstand der parteipolitischen Kontroversen in diesem Hause machen.
Das gilt ebenso für ein zweites Thema, nämlich für die Frage des 17. Juni. Wir haben hier — das ist schon zum Ausdruck gekommen — den Versuch unternommen, doch wenigstens die Reste von Gemeinsamkeit, die in diesem Hause noch vorhanden sind, durch eine gemeinsame Erklärung des Präsidiums des Kuratoriums Unteilbares Deutschland zusammenzuhalten. Sie sollten diese Reste von Gemeinsamkeit nicht wieder zerstören, indem Sie diese Frage zum Gegenstand parteipolitischer Kontroversen in diesem Hause hochspielen.
— Selbstverständlich können Sie an mich appellieren.
Aber ich darf Sie, wenn Sie diese Fragen hier vorbringen, doch bitten, das in Kenntnis der Dinge zu tun, die wir gemeinsam vereinbart haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Ja, gern.
Herr Kollege Flach, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß die Gemeinsamkeit zwischen allen Parteien in dieser Frage vor allem dadurch gestört worden ist, daß es die beiden Koalitionsparteien in diesem Jahre durchgängig in der ganzen Bundesrepublik abgelehnt haben, ge-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2503
Jäger
meinsam mit uns im Kuratorium diesen 17. Juni zubegehen und seiner 20. Wiederkehr zu gedenken?
Herr Kollege Jäger, ich glaube, Sie gehören dem Präsidium des Kuratoriums nicht an. So ist es nicht gelaufen. Wir haben durchaus den Versuch gemacht, Gemeinsamkeit herzustellen. Wir haben das ja auch — mindestens auf Bundesebene — erreicht, nämlich durch die Sitzung am 16. Juni. Ich verstehe nicht, warum Sie jetzt hinterher diese gemeinsamen Ergebnisse immer wieder herunterspielen oder in Frage stellen wollen. Denn gerade wenn Sie das wollen, was Sie hier politisch immer wieder zum Ausdruck bringen, eine Interpretation dieser Deutschlandpolitik in einem Sinne, der auch vielen Grundlagen entspricht, die Sie haben, sollten Sie die Reste von Gemeinsamkeit halten und nicht zerstören. Es hat doch keinen Zweck, diese Frage emotional hochzuspielen und hier einem Feiertag nachzutrauern, der den Ereignissen, aus denen heraus er entstanden ist, nicht gerecht geworden ist.
Ich persönlich habe den 17. Juni 1953 in Berlin miterlebt, auch einige Stunden in Ost-Berlin. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: ich habe es immer als außerordentlich schmerzlich empfunden, daß ein solcher Tag in der Bundesrepublik mit den Jahren nichts anderes geworden ist als ein Ausflugsfeiertag und am Ende ein Stück sozialer Besitzstand der Gewerkschaften. Das ist diesem Tag und den Menschen dort nicht gerecht geworden. Aus diesem Grunde wurden ja schon frühzeitig Überlegungen in allen Parteien angestellt, ob man nicht eine andere Form finden kann. Ein entsprechender Gesetzentwurf trägt auch die Unterschrift Ihres Fraktionskollegen Höcherl.
Da es so ist und da diese Auffassung durch alle Parteien hindurchgeht, sollten wir das Thema nicht zum Anlaß nehmen, bei einer Debatte über den Bundeskanzleretat auf diese Art und Weise Reste von Gemeinsamkeit, die wir noch haben und die wir ausbauen sollten, wieder zu gefährden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller ?
Herr Kollege Flach, ist Ihnen nicht bekannt, daß der 17. Juni auf Antrag der SPD gesetzlicher Feiertag geworden und daß das seinerzeit von den Kollegen Wehner und Brandt begründet worden ist?
Das ist mir bekannt. Herr Kollege Wehner hat sich hier auch ganz klar dazu und zu seiner Begründung bekannt. Aber was damals aus einer bestimmten Situation heraus geschehen ist, muß doch nicht auf die Dauer richtig bleiben. Wir wollen uns doch darüber im klaren sein, daß dies kein Tag zum Feiern ist. Wir Deutschen insgesamt sind noch nicht in einer Situation, in der wir mit Fug und Recht sagen könnten: Hier haben wir einen nationalen Feiertag, der auch wirklich populär sein und den man feiern kann. Das könnte nur der Tag sein, an dem wir unsere nationale Identität insgesamt wiedergefunden haben werden.
Herr Kollege Flach, könnte nicht in einigen Jahren, wenn wir das Gesetz jetzt ändern, auch diese Änderung wieder nicht für alle Zeiten gültig sein?
Das habe ich jetzt nicht verstanden.
Sie haben gesagt, dies sei aus der seinerzeitigen Situation entstanden und heute nicht mehr gültig. Kann nicht auch eine Änderung, wie sie heute verlangt wird, in einigen Jahren für eine Partei wieder nicht mehr gültig sein?
Alle unsere Entscheidungen, Herr Kollege, sind den Änderungen der Zeit unterworfen. Aber ich glaubte — und nur das wollte ich damit sagen —, daß man eine solche Frage, die quer durch alle Parteien eine Rolle spielt, über die es verschiedene Meinungen in allen Parteien gibt — auch bei Ihnen gibt es Kollegen, die der Auffassung sind, daß die Art, in der der Feiertag in den letzten Jahren begangen worden ist, nicht ganz dem Gedenken dieses Tages entspricht —,
nicht zum Gegenstand eines fraktions- und parteipolitischen Streits in einer solchen Haushaltsdebatte machen sollte.
da diese Stoffe hier in dieser Weise immer wieder hochgebracht werden, muß ich davon ausgehen, daß Ihnen der Stoff für eine umfassende Haushaltskritik und Kritik der Politik des Bundeskanzlers leider ausgegangen ist, meine Damen und Herren.
Ich habe dafür Verständnis, da Sie Ihre eigene Ordnung erst kürzlich wiedergefunden haben und erst die notwendige Koordinierung zwischen dem neuen Parteivorsitzenden, dem neuen Fraktionsvorsitzenden, dem wichtigen Politiker Franz Josef Strauß und demjenigen, der einmal Ihr Kanzlerkandidat sein wird, vornehmen müssen.
Das heißt, Sie bieten im Augenblick weder sachlich noch personell eine klare Alternative zu der Politik der sozialliberalen Koalition.
Da es so ist, haben wir — von allen anderen Fragen wie auch von manchen Einzelfragen, die auch bei uns in der Diskussion sind, abgesehen — geradezu die Pflicht, diese Koalition im Interesse einer stabilen, modernen und an der Zukunft ausgerichteten Regierungsführung in diesem Lande erfolgreich fortzusetzen.
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2504 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
In der Beratung des Einzelplanes 04 fahren wir zunächst mit der Begründung der Anträge auf den Drucksachen 7/804, 7/805, 7/806 und 7/807 fort.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Baier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nach diesem flachen Nachhutgefecht, das nichts Neues brachte, zum Einzelplan zurückkehren.
Auch im Einzelplan 04 — Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — können wir an den Detailmängeln feststellen, inwieweit Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen. Lassen Sie mich eingangs einige Feststellungen treffen.Seit Bestehen der Regierung Brandt ist das Bundeskanzleramt nicht zur Ruhe gekommen. Es begann mit der Planungseuphorie des damaligen Bundesministers Ehmke und seiner großzügigen Personalpolitik. Ein Gutachten des Bundesrechnungshofes hatte bereits damals ein negatives Leistungsurteil über den damaligen Chef Ehmke erbracht. Denn weitab von allen Grundsätzen der Sparsamkeit bestand seine Reformtätigkeit im wesentlichen darin, daß er das Volumen des Etats des Bundeskanzleramts in drei Jahren um 100 % erhöhte und gleichzeitig den Personalbestand um 61 % vermehrte.Diese teuren Blütenträume des großen Reformators Ehmke haben bekanntlich keine Früchte getragen. Nach seinem ruhmlosen Abgang kam Herr Staatssekretär Grabert.
— Lieber Herr Haehser, Sie werden es mir überlassen, in welcher Weise ich zu meinen Anträgen spreche. Auch wenn es Ihnen nicht lieb ist, werde ich Ihre Taktik, die schon öfter gerügt wurde, nicht zur Kenntnis nehmen. Wir wird hier das sagen, was richtig ist, und nicht danach fragen, ob es Ihnen paßt.
Wer da meinte, daß es nun unter dem neuen Kanzleramts-Chef besser würde, wurde leider enttäuscht. Dies muß zweifellos am neuen, nicht sonderlich harmonischen Führungsstil des gegenwürtigen Chefs im Bundeskanzleramt liegen. Selbst die „Süddeutsche Zeitung" hat in diesen Tagen — sie ist bekanntlich nicht der CDU nahestehend — darauf hingewiesen, daß ein lässiger Führungsstil Pannen und Improvisationen begünstigt. Von mangelhafter Koordination und Kooperation und von Unterlassungssünden und Nachlässigkeiten im Bundeskanzleramt ist die Rede.Lassen Sie mich zum Kap. 04 01 einiges sagen. Ich räume gerne ein, daß es bei den Haushaltsberatungen 1973 möglich war, eine bessere Kontrolle des Einzelplans 04 im Haushaltsausschußdurchzuführen. Dies drückt sich auch in verschiedenen Kürzungsvorschlägen aus, die wir gemeinsam beschlossen haben. Aber, lieber Kollege Esters, Ihr Mannesmut vor Königsthronen hat sich offensichtlich für Sie schlecht gelohnt. Wir wissen, daß Sie dafür ganz gehörig in die Zange genommen worden sind, daß Sie so tapfer diese Kontrolle mit uns vornehmen wollten.Einige heiße Probleme im Haushalt des Bundeskanzlers wurden von den Koalitionsparteien nicht angefaßt. Die entsprechenden Anträge wiederholen wir heute hier im Plenum, und wir hoffen auf Ihr Verständnis, meine verehrten Kollegen, daß Sie dem zustimmen. Wenn der Bundeskanzler heute fragte, wo gestrichen werden solle: Herr Bundeskanzler, fangen wir einmal bei Ihrem Haushalt an. Da gibt es einige Möglichkeiten.Ich denke an die Verfügungsmittel, die Ihnen zur Verfügung stehen, und wir haben einen Antrag gestellt, daß die Verfügungsmittel für Ihren außergewöhnlichen Aufwand von 310 000 DM um 60 000 DM wieder auf 250 000 DM herabgesetzt werden sollen. Ich darf daran erinnern, meine Damen und Herren, daß dieser Verfügungstitel im Jahre 1969 170 000 DM enthielt. Er wurde erst auf 290 000 DM und jetzt auf 310 000 DM erhöht und hat damit fast eine Verdoppelung erreicht. Dies scheint uns mit den gebotenen Grundsätzen der Sparsamkeit nicht zu vereinbaren. Wir meinen, eine Viertelmillion für den außergewöhnlichen Aufwand des Bundeskanzlers müßte ausreichen.Ebenso ist es mit dem Geheimtitel des Bundeskanzlers zur Verfügung für allgemeine Zwecke. Auch hier hat es eine Erhöhung um 100 000 DM gegeben. Wir beantragen, daß dieser Titel, für den Sie sich 350 000 DM bewilligt haben, um 100 000 DM gekürzt und damit wieder auf eine Viertelmillion zurückgeführt wird.Ein drittes. Mit unserem Antrag auf Drucksache 7/804 betreffend Honorare, Gutachten und Forschungsaufträge bezwecken wir die Kürzung des Ansatzes von 600 000 DM für wissenschaftliche Sachverständige und Honorarkräfte um 300 000 DM und die Herabsetzung des Ansatzes „Kosten für Gutachten und Forschungsaufträge" von 800 000 DM auf 500 000 DM. Damit stünden dem Bundeskanzleramt, das neben einem großen fachkundigen Beamtenapparat noch über viele Institutionen wie die Stiftung Wissenschaft und Politik mit mehr als 100 Bediensteten verfügt, noch 800 000 DM für Beratungszwecke zur Verfügung.Man hat es in der Vergangenheit im Bundeskanzleramt unter dem findigen Herrn Ehmke verstanden, mit erheblichen finanziellen Mitteln für Honorare und Gutachten einen Teil der Mitarbeiter zu finanzieren, und hat mit der Einstellung von Honorarvertragskräften im Grunde weitere zusätzliche Planstellen geschaffen. Wir begrüßen, daß diese Beanstandung auch des Bundesrechnungshofes offensichtlich einen gewissen Erfolg zeigte, denn es gab nach dem letzten Stand nur noch sechs Honorarverträge mit einer Laufzeit für das Jahr 1973. Wenn diese mit je 50 000 DM honoriert werden, reicht der von uns vorgesehene Ansatz von 300 000 DM aus.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2505
BaierDas gleiche gilt für die Gutachten und für die Forschungsaufträge, wofür wir eine halbe Million Mark zubilligen würden. Aber nach den Vorstellungen des Bundeskanzleramtes sollen allein für seine Analysen der technologischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialpsychologischen Entwicklungen 275 000 DM, für Gutachten zur Europa- und Reformpolitik im Kanzleramt 250 000 DM und vieles mehr ausgegeben werden.Meine Damen und Herren, bei aller Notwendigkeit derartiger Analysen, wobei sich die Frage erhebt, wer sie nachher liest und wer sie verarbeitet, muß noch einmal mit allem Ernst gefragt werden, ob nicht die zur Verfügung stehenden Mittel und die Institutionen dafür ausreichen und welche Begründung es gibt, um diese noch einmal zu vermehren.Nun lassen Sie mich zu einem dritten Antrag, der heute früh vom Kollegen Esters bereits angesprochen wurde, Stellung nehmen: Neubau Bundeskanzleramt. Seit Jahren ist dieses Projekt in der Planung und des öfteren hin- und hergeplant worden. Wir erinnern uns an verschiedene Pläne, wo es um Ruheräume, um Massageräume und um vieles andere ging, das dort eingerichtet werden sollte.Die Notwendigkeit des Neubaus wird nun im wesentlichen mit der Unterbringung des großen Personalapparates des Bundeskanzleramtes begründet. Wir und auch andere fachkundige Stellen haben immer darauf hingewiesen, daß dieser Personalapparat in dieser Größe nicht erforderlich sei.Wir sprechen uns nun, nachdem dies gegen unseren Willen geschehen ist, nicht grundsätzlich gegen den Neubau des Bundeskanzleramtes aus. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob dieser Neubau des Bundeskanzleramtes mit einem Kostenaufwand von über 100 Millionen DM erstellt werden soll und inwieweit dieses Bauvorhaben mit diesem Volumen stabilitätspolitisch in die gegenwärtige Landschaft hineinpaßt.Die Bundesregierung verlangte gerade in den letzten Wochen von den Bürgern unseres Staates ein spürbares Opfer zur Wiederherbeiführung von Stabilität und zur Einschränkung der Inflation. Wir haben gemeinsam den § 7 b ausgesetzt, um den Wohnungsbau einzuschränken. Meine Damen und Herren, mit der Bewilligung des Baues dieses Kanzleramtes werden Baumittel in einem Volumen frei, mit denen wir gleichzeitig tausend Wohnungen hätten erstellen können.
Wir meinen, wer von den anderen etwas fordert, sollte selbst mit gutem Beispiel vorangehen.
Das sollte sich im öffentlichen Haushalt bei den angeschnittenen Verfügungsmitteln des Bundeskanzlers als auch beim Neubau des Bundeskanzleramtes niederschlagen.Deshalb bitten wir, diesen Anträgen stattzugeben, und aus diesem Grunde beantragen wir beim Neubau Kanzleramt die Streichung des Ansatzes für 1973 sowie der Verpflichtungsermächtigung und dieAusbringung eines Leertitels. Wir bitten um Ihre Zustimmung, um damit zu dokumentieren, daß die Stabilitätsopfer auf dem Baumarkt nicht den Privatbauherren allein abverlangt werden sollen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß zu einem anderen Kapitel des Einzelplans 04 eine Anmerkung machen. Es handelt sich um das Kapitel 04 04, Bundesnachrichtendienst. Ich darf namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der gebotenen Weise einiges feststellen.Seit Herbst 1969, dem Amtsantritt der Regierung Brandt, macht der Bundesnachrichtendienst häufig, ja, allzu häufig Schlagzeilen. Dies ist bedauerlich; denn das geräuschlose Arbeiten eines Nachrichtendienstes ist stets ein Zeichen der guten Qualität. Die Diskussion und die Veröffentlichungen haben jedoch ihre Ursache weniger im Nachrichtendienst selbst als in seiner Dienstaufsicht. Wir stellen dazu folgendes fest.Erstens. Die Fraktion der CDU/CSU ist von der staatspolitischen Bedeutung der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes überzeugt. Dafür gibt es viele Gründe, z. B. auch der Beitrag des BND zur Klärung der Absichten der Sowjetunion und ihrer Bundesgenossen. Die Gefahr der Überlagerung der Wirklichkeit durch den Wunsch in solchen Fragen zeigt die Heftigkeit der öffentlichen Diskussion etwa über die jüngste Studie des Pentagon zum Stärkeverhältnis zwischen Ost und West. Diese Gefahr zu mindern, indem das Gewicht der Tatsachen gemehrt wird, ist Aufgabe des Nachrichtendienstes.Zweitens. Diese Aufgabe ist nur in dem Maße befriedigend zu lösen, in dem der Auslandsnachrichtendienst frei von parteipolitischen Einflüssen bleibt. Niemals wurden unter den von der CDU/CSU geführten Regierungen leitende Stellen im BND mit Herren besetzt, deren parteipolitische Verdienste ihre Erfahrungen im Auslandsnachrichtendienst übertrafen. Aber leider unterliegen Personalentscheidungen der gegenwärtigen Bundesregierung gerade beim BND parteipolitischen Gesichtspunkten in offensichtlich starkem Maße. Die Folgen wiegen schwer, weil im Nachrichtendienst das Personal noch wichtiger ist als die Organisation, deren Verbesserung während der letzten Jahre auch meine Fraktion anerkennt.Drittens. Im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten ist die Opposition weiterhin bereit, die Regierung in der Förderung des BND zu unterstützen. Voraussetzung ist jedoch die wirksame politische Kontrolle durch das Parlament. Auch darin hat die Amtsführung dieser Regierung ein Weniger gebraucht. Als Beispiele nenne ich die bisher erst einmal erfolgte Einberufung des Vertrauensmännergremiums, die Einstellung der Führungsorientierung sowie die Verweigerung eines Lageberichts vor dem Unterausschuß des Haushaltsausschusses. Die Regierungskoalition sollte auf das Argument notwendiger Geheimhaltung zur Begründung der Einschränkung parlamentarischer Kontrolle besser verzichten; denn von allen westlichen Auslandsnachrichtendiensten ist bekannt, daß nur noch ein kleiner Bereich nachrichtendienstlicher Tätigkeit der notwendigen strengen Geheimhaltung bedarf.
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2506 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
BaierViertens. Aber nicht nur zur Milderung parteipolitischer Einflüsse bestehen wir auf wirksamerer politischer Kontrolle des BND, sondern auch zur Kontrolle seiner Effizienz. Beim politischen und militärischen Nachrichtendienst müssen die Grundlagen zur Beurteilung des Verhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag mindestens ebenso im Bereich der Politik gefunden werden wie im Bereich der Rechnungslegung.Ich stelle zum Schluß fest: Die Opposition ist bereit, diese staatspolitische Beurteilung der Effizienz des BND einzusetzen — auch zum Nutzen des BND. Deshalb fordern wir die Regierung auf, die dafür notwendigen Grundlagen zugänglich zu machen.
Zur Begründung des Änderungsantrages auf Drucksache 7/807 hat der Abgeordnete Haase das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen einige Bemerkungen zu unserem Änderungsantrag auf Drucksache 7/807, der sich mit dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung beschäftigt, vortragen. In der letzten Zeit mehren sich Nachrichten über die Absicht, personalpolitisch im Bundespresseamt schärfere parteipolitische Akzente zu setzen. Ich hoffe, daß sich diese Informationen letztlich als unzutreffend erweisen. Das Amt wäre gut beraten, an einer an sachlichen Gegebenheiten orientierten Personalpolitik festzuhalten. Aus meiner Sicht unterschied sich dieses Amt von anderen Ressorts bisher dieserhalb sehr wohltuend, und ich hoffe, daß auch unter der Verantwortung des Herrn von Wechmar dieser sachgerechte Kurs weiter gesteuert wird und es der Opposition erspart bleibt, auch diesen Sektor in ihre Kritik einbeziehen zu müssen.
Was die Informationspolitik des Presseamtes anbetrifft, möchte ich darauf verzichten, eine Debatte über die aktuelle Situation zu entfachen. Über das Verhältnis Regierung—Presse hat mein Kollege Schröder dankenswerterweise das Nötige vorgetragen. Es seien mir nur einige Bemerkungen zu einer Angelegenheit erlaubt, die bereits einmal Gegenstand der Erörterungen im Haus war, und zwar anläßlich der vorletzten Haushaltsdebatte. Ich hatte in den letzen Jahren mehrfach den Umstand beklagt, daß das Amt immer wieder den Versuch unternahm, statt Informationen zu verbreiten gezielte Werbung — gelegentlich bis zur Grenze parteipolitischer Propaganda — zu betreiben.
— Wie zutreffend diese Kritik war, hat sich gerade in diesen Tagen durch Prüfungsbemerkungen des Bundesrechnungshofes herausgestellt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Sicher werden sich einige Damen und Herren hier im Hause jener Illustrierten erinnern, die das Presseamt in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium Anfang 1971 mit dem Titel „Der Bundesminister der Verteidigung" in einer Auflage von 50 000 Stück herausbrachte.
Ich sehe, die Herren erinnern sich. Der Steuerzahler hatte für dieses Werk 100 000 DM aufzubringen. Diese Illustrierte stellte, wie bereits dargetan, den Bundesverteidigungsminister im politischen und privaten Bereich heraus. Demgegenüber traten leider Beiträge zur Information der Öffentlichkeit über Bedeutung, Aufgaben und Zielsetzung der Bundeswehr weit in den Hintergrund. Die Schrift wurde auch, wie uns bekanntgeworden ist, im wesentlichen bei wehrpolitischen Tagungen der Koalitionsparteien verteilt. Da aber nach den Erläuterungen im Haushaltsplan die betreffenden Etatansätze nur bestimmt sind, zur Vertiefung und ständigen Aufrechterhaltung einer inneren Verteidigungsbereitschaft der deutschen Öffentlichkeit und zur Förderung des Verständnisses für den deutschen Verteidigungsbeitrag beizutragen, kam der Rechnungshof — wie zuvor die Opposition — zur Ansicht, daß die Finanzierung der Informationsschrift mit den Zweckbestimmungen des Haushaltsansatzes nicht vereinbar gewesen sei.Zur Stellungnahme des Ministeriums, es sei eine unmögliche Sache, wenn jährlich über 200 000 Wehrpflichtige durch Eidesleistung einem Dienstherren unterstellt würden, ohne denjenigen zu kennen, der letztlich als oberster Dienstherr Befehle erteile, und das Vertrauen der Bundeswehr in ihre Führung setze Kenntnisse über die politische Einstellung und den privaten Bereich des Ministers voraus, wenn der Gehorsam in einem demokratischen Staat nicht entstellt werden sollte, erklärte der Rechnungshof — und ich möchte es Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich zur Kenntnis bringen, da diese Prüfungsbemerkungen für viele ähnlich gelagerte Fälle des parteipolitischen Personenkults, und zwar des vom Steuerzahler finanzierten, Bedeutung haben —Die Wehrpflichtigen werden wie alle Angehörigen der Bundeswehr nicht auf die Person des Bundesministers der Verteidigung vereidigt, der zudem im Verteidigungsfall nicht Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt ist, sie werden vielmehr verpflichtet, der Bundesrepublik zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Daher müßte in einer Publikation zur Unterrichtung der Wehrpflichtigen über Fragen der Verteidigung das Schwergewicht auf die Sachinformation gelegt werden. Die Person des Bundesministers hätte demgegenüber in den Hintergrund zu treten. Der Bundesrechnungshof verkennt nicht, daß die Wehrpflichtigen Vertrauen in die Führungsspitze der Bundeswehr nur haben können, wenn sie auch eine Vorstellung von der Person ihres obersten Dienstvorgesetzten haben. Da in einer parlamentarischen Demokratie dieser Vorgesetzte als Minister jederzeit in seinem Amt abgelöst werden kann, kommt ihm jedoch bei Würdigung der Bundeswehr insgesamt nicht die Bedeutung zu, die ihm in der Informationsvor-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2507
Haase
schrift beigemessen wird. Schon deren Titel läßt erkennen, daß nicht so sehr die Bundeswehr als vielmehr die Person des Ministers dargestellt werden sollte.Meine Damen und Herren, dieser Feststellung des Bundesrechnungshofes ist wohl kaum etwas hinzuzufügen, und ich würde es sehr begrüßen, wenn sowohl das Presseamt als auch die anderen Ressort, die in eigener Zuständigkeit Werbung betreiben, diese Bemerkungen des Rechnungshofes beherzigen würden.
Herr Abgeordneter, würden Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kulawig zulassen?
Herr Kollege Kulawig, bitte sehr!
Herr Kollege Haase, würden Sie dem Hause mitteilen, daß in den gleichen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes ein Film bemängelt wurde, der über die Person des früheren Bundesfinanzministers Dr. Franz Josef Strauß gedreht wurde und in dem darauf hingewiesen wurde, daß der Wert der Einsatzfähigkeit dieses Filmes ganz entscheidend darunter gelitten hat, daß er sich zu sehr auf die Person von Herrn Dr. Strauß bezog?
Herr Kulawig, wir sind ja allzumal Sünder. Nur müssen Sie berücksichtigen, daß es gegenwärtig bei dieser Bemerkung um den Haushalt 1971, also um Ihr Brot geht.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole noch einmal: Die Mittel, die hier ausgewiesen sind, stehen zur Sachinformation zur Verfügung, nicht aber zur parteipolitischen Werbung oder zur Verherrlichung eines Spitzenpolitikers der gegenwärtig in der Regierungsverantwortung befindlichen Koalitionsparteien.
Darf ich nun noch kurz zur Begründung unseres Änderungsantrags Drucksache 7/807 kommen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat dankenswerterweise in ihrem Entwurf zum Bundeshaushalt die Mittelansätze, um die es hier geht, bereits etwas herabgesetzt. Trotzdem sind wir der Ansicht, daß weitere Abstriche notwendig und gerechtfertigt sind, und zwar aus mehreren Gründen.
Der Bundeskanzler hatte die Freundlichkeit, vorhin wieder einmal zu fragen, wo denn gestrichen werden sollte. Bitte, Herr Bundeskanzler, hier ist eine weitere Möglichkeit, daß Sie in Ihrem Hause ein brillantes Stabilitätsopfer in der Größenordnung von einigen Millionen DM erbringen können!
In diesem Jahr sind doch keine Wahlen, meine Damen und Herren, so daß auch von Ihrer Seite der
Bedarf an zusätzlichen Informationsinitiativen gar nicht gegeben ist. Zum anderen würde es dem Presseamt wohl anstehen, von sich aus noch einen besonderen Stabilisierungsbeitrag zum Bundesetat zu leisten.
Wir bitten, unsere Kürzungsanträge, bei Tit. 531 01 den Ansatz um 1 Million DM zu reduzieren und bei Tit. 531 03 um 3 Millionen DM zu reduzieren, annehmen zu wollen.
Meine Damen und Herren, bevor ich weiter das Wort erteile, zur Geschäftslage folgendes: Ich habe zu diesem Einzelplan noch zwei Wortmeldungen. Diese werden uns vielleicht zehn oder fünfzehn Minuten beschäftigen. Es ist inzwischen zu diesem Einzelplan 04 namentliche Abstimmung beantragt worden. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß man sich rechtzeitig darauf einstellt. Wir werden frühzeitig klingeln lassen.
Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Esters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Haase, Sie haben wohl vergessen, daß die Prüfungsbemerkungen, die Sie zitierten, in dem Prüfungsbericht für das Jahr 1970 enthalten sind. Sie müssen doch dabei sehen, daß Sie hier die Maßstäbe gesetzt haben, die wir noch nicht ganz abgebaut haben.
In seiner Zwischenfrage hat Herr Kollege Kulawig schon darauf hingewiesen, daß diese einzelne Maßnahme, bei der es um den Bundesminister der Verteidigung ging, einen Betrag von 90 000 DM ausmachte. Bei der anderen Maßnahme, die in den Anschlußbemerkungen des Bundesrechnungshofes aufgeführt ist, wo es um den damaligen Bundesminister der Finanzen ging, was noch schlimmer zu bewerten wäre, Herr Kollege Haase, ging es um die Gesamtsumme von 130 000 DM.Nun möchte ich zu den einzelnen Anträgen kurze Bemerkungen machen. Im wesentlichen kann ich mich auf das beziehen, was ich heute morgen als Berichterstatter bereits ausgeführt habe. Herr Kollege Baier, wir haben sicherlich in diesem Jahr eine intensive Beratung des Einzelplans 04 vorgenommen, auch wenn wir unter dem entsprechenden zeitlichen Druck standen. Sie sprachen davon, daß ich hier von irgend jemandem arg in die Zange genommen worden sei. Sie sehen: Aus der ganzen Zangenbewegung bin ich ziemlich gut wieder herausgekommen.Wir haben die Anträge, die hier vorgelegt worden sind, bereits alle im Haushaltsausschuß gehabt. Ich habe darüber auch schon heute morgen einiges berichtet. Wir gehen davon aus, daß die Kürzungsvorschläge in Drucksache 7/804 vom Parlament abgelehnt werden sollten, weil wir das Bundeskanzleramt in den Stand setzen wollen, die erforderlichen Koordinierungsaufgaben im Planungsbereich durchführen zu können.
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2508 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
EstersIch bin allerdings der Meinung, Herr Kollege Baier, daß wir bezüglich der Ansätze bei beiden Titeln nunmehr eine Größenordnung erreicht haben, bei der es Steigerungsraten in Zukunft nicht mehr geben sollte.
— Sie dürfen mich daran erinnern. Sie werden dann feststellen, daß ich zu dem stehe, was ich hier gesagt habe.Zu den Anträgen auf Drucksache 7/806: Hier geht es darum, die Verfügungsmittel des Bundeskanzlers— das ist eine ganz legitime Angelegenheit — auf eine bestimmte Höhe herabführen zu wollen. Sie werden Verständnis dafür haben, daß sich die Koalitionsfraktionen diesem Antrag ebenfalls nicht anschließen können.
Zu den Anträgen auf Drucksache 7/807 möchte ich sagen, daß die Opposition hier im Plenum offensichtlich doch eingesehen hat, daß dem Bundeskanzler zur Förderung des Informationswesens 1 Million DM mehr bereitgestellt werden sollten, als es der Antrag im Haushaltsausschuß vorsah. Herr Kollege Dr. Althammer, wir gehen davon aus, daß beide Anträge abgelehnt werden. Ich habe schon heute morgen darauf hingewiesen, daß es für uns verständlich ist, daß die Opposition den Titel „Öffentlichkeitsarbeit Inland", der jetzt ein Volumen von 11,65 Millionen DM hat, was wir als bescheiden ansehen, ablehnen möchte.Ich habe heute morgen darauf hingewiesen, daß wir nach Verabschiedung des Grundlagenvertrags mit der DDR im Einzelplan 04 die entsprechenden Stellen für die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin ausgebracht und qualifiziert gesperrt haben. Nach Auffassung der Koalitionsfraktionen ist jedoch nunmehr, erst recht nach der soeben mitgeteilten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, der Zeitpunkt gekommen, da diese qualifizierte Sperre in eine einfache Sperre umgewandelt werden sollte, damit die Bundesregierung unverzüglich in die Lage versetzt wird, die Vorbereitungen für die Errichtung der ständigen Vertretung in der DDR zu treffen und mit dem Aufbau noch in der Sommerpause des Deutschen Bundestages zu beginnen.An der baldigen Einrichtung der ständigen Vertretung nach Inkrafttreten des Grundvertrags besteht für die Bundesrepublik Deutschland ein dringendes Interesse. Die Beibehaltung der qualifizierten Sperre machte die Bundesregierung insoweit funktionsunfähig, als sie daran gebunden wäre, mit der Stellenetatisierung bis zum Wiederzusammentritt des Deutschen Bundestages zu warten.Wir haben diese Stellen seinerzeit qualifiziert gesperrt und gehen jetzt bei dem Antrag auf Umwandlung, dem ich zuzustimmen bitte, davon aus, daß das für den Bundeskanzler und den Bundesfinanzminister keine Aufforderung zum Tanz ist,wonach in den nächsten Wochen unbedingt bereitsalle verfügbaren Stellen besetzt werden müßten.
Das Wort hat der Abgeordnete Althammer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur unsere Stellungnahme zu dem Antrag der SPD und FDP kurz darlegen. Im Haushaltsausschuß haben wir davon abgesehen, die Stellen, die die Regierung für unsere Vertretung in der DDR verlangt hat, im einzelnen zu beraten. Wir haben deshalb davon abgesehen, weil die Koaltionsparteien erklärt haben, durch die qualifizierte Sperre habe der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages noch die Möglichkeit, über die Notwendigkeit der einzelnen Stellen zu befinden. Das war das Ergebnis der Beratungen.
Jetzt kommt der Antrag, das Plenum möge die Sperre aufheben. Das hat zur Konsequenz, daß das Parlament über die Notwendigkeit der Einzelheiten überhaupt nicht mehr befinden kann, sondern die Regierung einen Freibrief erhält, so-und-so viele Stellen zu bewilligen.
Ein solches Verfahren halten wir nicht für richtig.
Wir sind der Auffassung, daß es angesichts der Problematik, die in der Bewilligung dieser Stellen steckt, vertretbar gewesen wäre, daß der Haushaltsausschuß zu diesem Punkt zu einer Sitzung zusammengekommen wäre und wir nicht gezwungen wären, hier ohne Einzelberatung eine solche Bewilligung einfach pauschal vorzunehmen. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. Im übrigen lehnen wie nach den Begründungen, die gegeben worden sind, den Einzelplan des Bundeskanzlers ab.
Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auslassungen des Kollegen Althammer veranlassen mich, eine Erklärung für die Regierung hinsichtlich der Aufhebung der qualifizierten Sperre im Haushalt abzugeben. Herr Althammer, Sie wissen genausogut wie ich, unter welchem Zeitdruck wir gestanden haben,
und weshalb wir daß nicht noch einmal in den Haushaltsausschuß bringen konnten.
Ich erkläre für die Bundesregierung verbindlich, daß sie bei Wegfall der qualifizierten Sperre dem Haushaltsausschuß bezüglich jeder einzelnen Stelle zur Verfügung stehen wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2509
Vizepräsident von HasselWir kommen zunächst zur Abstimmung über die einzelnen Änderungsanträge. Ich darf Sie bitten, die Anträge zur Hand zu nehmen.Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/804 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und FDP abgelehnt worden.Wir stimmen nunmehr über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/805 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit gleichem Stimmenverhältnis abgelehnt.Dann stimmen wir über den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache 7/806 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/807. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt. —Nun stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP auf Drucksache 7/813 ab. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan des Bundeskanzlers — Einzelplan 04. Die Fraktion der SPD hat namentliche Abstimmung beantragt.ich mache auf folgendes aufmerksam: Wir haben drei verschiedene Tische, für die Ja-Karten auf der Linken des Hauses, für die Nein-Karten auf der Rechten des Hauses und für die Enthaltungen in der Mitte. Ich darf die Schriftführer bitten, die Arbeit zu übernehmen. Wir treten in die Abstimmung ein. —Ich schließe die Abstimmung.Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Wir lassen die Auszählung draußen separat vornehmen und fahren in der Tagesordnung fort. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß wir heute noch etwa 20 Einzelpläne zu behandeln gedachten. Ganz werden wir das sicher nicht schaffen.Ich rufe nunmehr auf:Einzelplan 02Deutscher Bundestag— Drucksache 7/772 —Berichterstatter: Abgeordneter WohlrabeIch erteile dem Herrn Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte alsBerichterstatter für den Einzelplan 02 folgendes vortragen. In diesen Tagen über den Etat des Deutschen Bundestages, also über unser Haus selbst, einen Bericht zu geben, gewinnt an Bedeutung, da über das deutsche Parlament und seine Arbeit gerade jetzt viel gesprochen wird. Ich möchte deshalb als Berichterstatter für den Etat des Deutschen Bundestages auf einige Probleme unserer Arbeit hinweisen, die nicht nur uns selbst bewegen, sondern vor allem das Interesse einer breiten Öffentlichkeit finden.Der Einzelplan 02 ist aufgerufen, also jener Einzelplan mit den Ausgaben, die der deutsche Steuerzahler für dieses Parlament, für seine Abgeordneten — also uns selbst --, für die Verwaltung und für die vielfachen Funktionen dieses Hauses zu finanzieren hat.Meine Damen und Herren, zunächst eine Berner-kung zum Etatumfang. Die Frage lautet: Was kostet den Steuerzahler der Deutsche Bundestag? Unser Haushalt überschreitet in diesem Jahr knapp die 200-Millionen-DM-Grenze. Diese Zahl ist, wenn man sie isoliert betrachtet, eindrucksvoll. Aber wer denkt schon daran, daß der Deutsche Bundestag 518 Abgeordnete hat, die die politische Arbeit für mehr als 60 Millionen Bürger unseres Landes leisten? Wer denkt schon daran, daß diese parlamentarische Arbeit den einzelnen Bürger pro Jahr nicht einmal 3,35 DM kostet? Meine Damen und Herren, dies ist eine Größenordnung — ich lege deshalb so besonderen Wert auf diese Feststellung, weil draußen oft ganz andere Vorstellungen existieren —, die vertretbar ist. Von spektakulärem Aufwand, wie er uns oft vorgeworfen wird, kann hier guten Gewissens nicht gesprochen werden. Im übrigen meine ich, daß allen Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland unser politisches System, die parlamentarische Demokratie, und die parlamentarische Arbeit diesen Einsatz wert sein sollte.
Die Frage ist: wie setzt sich dieser Betrag nun zusammen? Wo liegen die Schwerpunkte des Haushalts des Deutschen Bundestages? Zunächst darf ich feststellen, daß auch der Etat des Deutschen Bundestages dem hier kürzlich beschlossenen Stabilitätsprogramm unterworfen wird. Der Deutsche Bundestag wird — wie auch die Ressorts der Bundesregierung — anteilmäßig Personal einsparen. Im Rahmen des 2. Stabilitätsprogramms der Bundesregierung wird der Deutsche Bundestag darüber hinaus Einsparungen um 5 v. H. vornehmen, soweit dem nicht rechtliche und internationale Verpflichtungen entgegenstehen.
Der Haushaltsausschuß hat einvernehmlich den beantragten Zuschuß für die Fraktionen des Deutschen Bundestages um 1,5 Millionen DM gesenkt, um auch hier im Rahmen unserer gemeinsamen Anstrengung einen weiteren Beitrag zur Wiedererlangung der Stabilität zu leisten. Die Zuweisungen an die Fraktionen betragen somit insgesamt
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2510 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Wohlrabe22,2 Millionen DM. Das Parlament kann nur dann seine Kontrollfunktion ausüben, wenn den Fraktionen die dafür notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ich meine, wenn man einmal die Mittel der Bundesregierung, also unseres Gegenübers, und unsere eigenen Mittel betrachtet, dann erkennt man noch eine große Diskrepanz zwischen Legislative und Exekutive, die es für alle Fraktionen erschwert, die Kontrollfunktion wahrzunehmen.
Natürlich ließen sich in einigen Teilbereichen Ausgabenerhöhungen nicht vermeiden. Diese Mehrkosten fallen überwiegend in den Personalbereich, zu dem ich einige nähere Erläuterungen vortragen möchte.Der Personalhaushalt des Deutschen Bundestages zeichnet sich dadurch aus, daß trotz zusätzlicher Aufgaben und trotz einer Intensivierung der Arbeit keine neuen Stellen gefordert wurden. Lediglich für den Aufstieg in den gehobenen und in den mittleren Dienst sind insgesamt fünf Aufstiegsstellen neu eingesetzt worden, damit qualifizierten und bewährten Mitarbeitern der Verwaltung der Aufstieg durch die Laufbahnausbildung außerhalb des Hauses ermöglicht werden kann. Das ist insbesondere deshalb erforderlich, weil von den insgesamt 1 600 Beschäftigten allein 1 100 — ich bitte, nur einmal die Zahlen zu sehen —, das sind rund 68 %, auf den mittleren und einfachen Dienst entfallen. Nicht unerwähnt darf hier bleiben, daß von den genannten 1 100 Bediensteten allein 560, also mehr als die Hälfte, zum einfachen Dienst gehören,. Dieser starke Anteil des Personals im einfachen Dienst verdient unsere besondere Förderung.Die vorgeschlagenen Hebungen einiger Planstellen und Stellen sind durch die veränderten Aufgabenstrukturen dieser Dienstposten notwendig geworden; Sie sind aus zwingenden beamten- und tarifrechtlichen Gründen unumgänglich. Der Stellenschlüssel, der hier in diesem Hause auch immer wieder eine besondere Beachtung erfährt, wurde nicht ausgeschöpft. Er liegt sogar weit unter dem vieler Ressorts der Bundesregierung.Wenn die Arbeit im Bundestag besprochen wird, muß auch das Thema unserer eigenen Mitarbeiter, das sicher alle hier in diesem Hause sehr stark interessiert, angesprochen werden. Bekanntlich wurden 1969 erstmals Mitarbeiter für die Arbeit der Abgeordneten, für unsere Unterstützung, für unsere parlamentarische Arbeit zur Verfügung gestellt. Unsere Mitarbeiter haben uns — wir sollten diesen Dank an diesem Tage einmal besonders aussprechen — sicher sehr stark bei unserer Arbeit entlasten können.
Der erstattungsfähige Betrag für die Beschäftigung von Mitarbeitern wird in diesem Jahr auf Veranlassung von Ältestenrat und Haushaltsausschuß pro Monat und Abgeordneten um 270 DM erhöht. Außerdem wird erstmals die Möglichkeit geschaffen, den Assistenten in besonderen Härtefällen Unterstützung zu gewähren. Die Erhöhung des Höchstbetrages und die Unterstützung sollen weitgehendein Ausgleich dafür sein, daß unsere Mitarbeiterdafürnicht dem öffentlichen Dienst angehören und nicht die Vergünstigungen erhalten, die dort üblich sind. Ich denke z. B. nur an Beihilfen während der Krankheit, bei Geburts- oder Todesfällen.Ein besonders schwieriger Punkt, der uns alle betrifft, ist die Frage der Diäten. Die Öffentlichkeit widmet diesem Punkt immer wieder ihre besondere Beachtung. Aber auch die Bezahlung der Pauschalen für die Abgeordneten im Deutschen Bundestag ist hier zu nennen. In letzter Zeit ist gerade auch die Frage der Besteuerung der Diäten immer wieder angesprochen worden. Es ist bei diesen Positionen, die uns unmittelbar berühren, auch die Frage aufgeworfen worden, ob wir hier in irgendeiner Weise etwas zu verschweigen hätten. Ich erkläre hier heute mit aller Deutlichkeit: Wir haben nicht die Absicht, irgend etwas zu verschweigen, weil wir glauben, daß zur Parlamentsarbeit auch die Kosten der Abgeordneten gehören, die im übrigen das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen brauchen und die auch in diesem Etat für jedermann, der sich dafür interessiert, nachlesbar und erkennbar sind.
Neben der üblichen Aufwandsentschädigung, die 33 1/3 % des Amtsgehalts eines Bundesministers ausmacht, stehen den Mitgliedern unseres Hauses Pauschalvergütungen zur Verfügung. Hierzu möchte ich eine kurze Bemerkung machen, auch weil uns viele Kollegen immer wieder darauf angesprochen haben.Zunächst einmal die Unkostenpauschale oder Unkostenerstattung. Der deutschen Offentlichkeit, meine Damen und Herren, ist oft nicht bekannt, daß der einzelne Abgeordnete die Kosten für sein Büro hier in Bonn und für sein Büro im Wahlkreis mit allem, was dazugehört, selber zu tragen hat. Hier haben sich ganz erhebliche Kostensteigerungen ergeben. Ich denke nur an die Postgebühren, insbesondere an das Porto, das heute ein Vielfaches von dem des Jahres 1970 ausmacht, und die Portopreise sollen ja alsbald noch steigen. Trotzdem, meine Damen und Herren, ist der Betrag der Kostenerstattung von 1 200 DM monatlich, der 1970 festgesetzt wurde, nicht erhöht worden.Das Zweite ist die Reisekostenpauschale. Sie soll insbesondere die entstehenden Fahrkosten im Wahlkreis und bei den vielfältigen Veranstaltungen, die die Mitglieder des Deutschen Bundestages wahrzunehmen haben, decken. Trotz u. a. erheblicher Erhöhung der Benzinpreise ist auch hier der Ansatz von monatlich 900 DM seit dem 1. Januar 1970 in Kraft. Er ist konstant geblieben und wird auch dieses Mal nicht erhöht.Die Tagegeldpauschale ist der dritte Punkt. Sie dient als Tage- und Übernachtungsgeld, da fast alle Mitglieder des Bundestages nicht in Bonn zu Hause sind. Die Tagegeldpauschale ist somit auch ein notwendiger Ausgleich für die Mehrkosten, die bei zwei Wohnsitzen entstehen. Ich möchte daran erinnern, daß diese Pauschale letztmalig — man höre bitte einmal genau hin — am 1. Januar 1964 festgesetzt wurde. Sie beträgt seitdem 1 000 DM im Monat
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2511
Wohlrabeund ist seit neun Jahren nicht erhöht worden, auchdiesmal nicht — trotz erheblicher Preissteigerungen.Dies alles sage ich nicht, urn etwa Mitleid für die finanzielle Lage des einzelnen Abgeordneten erheischen zu wollen. Ich weise als Berichterstatter nur darauf hin und teile dies auch der Öffentlichkeit mit, weil allzuoft der Eindruck verbreitet wird, wir seien nicht bereit, stabilitätsgerechtes Verhalten an den Tag zu legen. Man kann sicher ohne Übertreibung sagen, daß nicht nur der Deutsche Bundestag insgesamt, sondern insbesondere auch seine Mitglieder mit den Finanzbeschlüssen eine zurückhaltende, sparsame und stabilitätskonforme Haltung einnehmen.
In der Öffentlichkeit wird in letzter Zeit die Steuerfreiheit unserer Diäten diskutiert und häufig kritisiert, zumal das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluß die Auffassung vertreten hat, daß die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten in Bund und Ländern mehr und mehr den Charakter einer Besoldung oder eines Gehalts angenommen habe.Bereits im Jahre 1968 hat es hier eine sehr intensive, aber auch kontroverse Diskussion darüber gegeben. So vertrat z. B. damals der damalige Vizepräsident des Deutschen Bundestages, unser ehemaliger Kollege Erwin Schoettle, die Auffassung, die Diäten seien kein Gehalt und kein Lohn, sondern echte Aufwandsentschädigungen und deshalb kraft Gesetzes steuerfrei.Zur gleichen Zeit vertrat das Mitglied des Haushaltsausschusses, unser Kollege Windelen, die Meinung, das Steuerprinzip beruhe auf dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit. Eine Besteuerung der Grunddiäten brächte den Vorteil, die Leistungen nach sozialen Gesichtspunkten zu differenzieren: Abgeordnete mit geringem oder keinem sonstigen Einkommen würden nur gering, Abgeordnete mit hohem sonstigen Einkommen dagegen hoch besteuert. Hinzu komme auch die Besteuerung der Diäten im Ausland. Entsprechende Anträge sind damals ebenfalls gestellt worden.Ich nenne diese beiden Meinungsäußerungen nur, um aufzuzeigen, wie schwierig dieser Gesamtkomplex ist. Trotzdem muß möglichst bald eine befriedigende Lösung gefunden werden. Daß in allen Fraktionen grundsätzlich Bereitschaft für eine Diätenbesteuerung besteht, ist deshalb besonders hervorzuheben.Die Präsidentin des Deutschen Bundestages und die Fraktionsvorsitzenden haben gemeinsam veranlaßt, daß eine Kommission des Ältestenrates Vorschläge erarbeitet, die eine Lösung der Versteuerung der Abgeordnetendiäten herbeiführen sollen.Zu unseren Arbeitsbedingungen im Hause gehört natürlich — wie immer auch an diesem Tage ein kurzes Wort.Die Arbeitsbedingungen der Mitglieder des Deutschen Bundestages sind auch heute noch nicht zureichend, meine Damen und Herren.
Ältestenrat und Haushaltsausschuß haben sich wiederholt damit befaßt. Die Unterbringung der Abgeordneten, ihrer Mitarbeiter, der Mitarbeiter der Fraktionen und schließlich auch der Angehörigen der Verwaltung weisen erhebliche Mängel aus.
Auch der Bau des Neuen Hochhauses im Jahre 1969 hat die Raumsorgen nicht voll beheben können.
Noch heute steht für einen Abgeordneten und seine Mitarbeiter gemeinsam nur ein Raum von 18 qm Größe zur Verfügung. Die starke Belegung des Neuen Hochhauses ist allein aus feuerpolizeilichen Gründen nicht zu verantworten. Entsprechende Gutachten zeigen, daß es bei einem Brand keine Möglichkeit gibt, die Sicherheit aller Mitarbeiter und Abgeordneter im Hause zu garantieren. Deshalb wurden aus brandschutztechnischer Sicht Maßnahmen erforderlich. Diese konnten nur durch die Anmietung des Hauses im Tulpenfeld bewerkstelligt werden, das bisher vom innerdeutschen Ministerium und vom Wissenschaftsministerium benutzt wird.Wir können hier, meine Damen und Herren — ich möchte diese Bitte für Sie alle äußern —, nur die Bitte an die Raumkommission weitergeben, daß die Mehrzahl der Räume den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern und nicht der Verwaltung zufließt.
Zur Erhöhung der Sicherheit werden im Laufe des Haushaltsjahres außerdem im Neuen Hochhaus einige bauliche Maßnahmen notwendig sein. Die Kosten dafür belaufen sich auf 2,3 Millionen DM; sie sind unabwendbar.Persönlich möchte ich noch einen Satz anfügen, den auch der Kollege Franke, mein Vorgänger, im vorigen Jahr benutzt hat und der hier hergehört: daß bei vorheriger Planung sicher manches von den Mehrkosten, die heute in erheblichem Maße auftreten, nicht mehr notwendig wäre, wenn sie damals berücksichtigt worden wären.
Lassen Sie mich an dieser Stelle einen Punkt ansprechen, der, soweit ich die Protokolle habe zurücklesen können, hier seit langem nicht zur Debatte stand: die Küchenverhältnisse.
Ich möchte die Meinung äußern, daß die Küchenverhältnisse im Deutschen Bundestag sehr mißlich sind.
Ich meine auch, daß wir Abgeordnete, unsere Mitarbeiter, die Journalisten und die Besucher ein Anrecht darauf haben, schmackhaftes, preiswertes Essen zu erhalten. Das ist wichtig; wer gut arbeiten soll, muß auch einigermaßen essen können.
Meine Damen und Herren, die vielen Klagen beweisen, daß dies zur Zeit nicht der Fall ist. Die Verwaltung wurde deshalb vom Haushaltsausschuß beauftragt, bis zur nächsten Etatberatung gutachtlich
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WohlrabeAlternativen vorzulegen und auch einen Plan über die Einführung eines Regiebetriebes oder die anderweitige Verpachtung zu erarbeiten.Von besonderer Bedeutung für unsere Arbeit im Deutschen Bundestag ist das Presse- und Informationszentrum, das bekanntlich 1970 mit seiner Arbeit begann. Diese Arbeit findet in der breiten Offentlichkeit und in Fachkreisen verstärkte Beachtung. Die durchgeführten und eingeleiteten Maßnahmen gehen von einem erheblichen Nachholbedarf aus, denn das Interesse an unserer Arbeit wird zum Glück immer größer. Nicht nur die Mitglieder des Hauses, vielmehr auch der Journalist, der Wissenschaftler, aber auch Schüler und überhaupt der interessierte Staatsbürger begrüßen heute das gezielte Informationsangebot über das Parlament und unsere Arbeit. Das Presse- und Informationszentrum des Deutschen Bundestages steht jedem Bürger draußen im Lande zur Verfügung und hält für die Information des Bürgers Informationsmaterial, Faltblätter, Materndienste, Film- und Tonbildschauen sowie viele andere Informationsmöglichkeiten zur Verfügung. Noch manche Lücke wird es zu schließen gelten. In diesem Jahr werden bereits vorbereitende Maßnahmen getroffen, um die Offentlichkeit 1974 mit dem Anlaß „25 Jahre Deutscher Bundestag" zu konfrontieren als einem Ereignis, das die längste freiheitlich-demokratische parlamentarische Zeitspanne in der deutschen Geschichte ausmacht und vor allen Dingen dokumentiert.Auch der Besucherdienst des Deutschen Bundestages ist stark intensiviert worden. Jährlich werden mehr als 300 000 Besucher gezählt. Für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit stehen in diesem Haushaltsjahr 3,2 Millionen DM zur Verfügung.Neue Mittel sieht der Haushalt für die Mikroverfilmung des Pressearchivs des Deutschen Bundestages vor. Hierfür sind 150 000 DM eingestellt.Darüber hinaus sollte überlegt werden — lassen Sie mich diesen Vorschlag machen —, ob den im Bundestag vertretenen Parteien in kommender Zeit Mittel zur Verfügung gestellt werden können, mit denen die Archivarbeit der Parteien besonders gefördert werden kann, deren Bedeutung unstreitig zunehmend größer wird. Ich denke hierbei z. B. an die Aufzeichnung der Erfahrung und des Wissens derjenigen Kollegen, die dem Bundestag über eine lange Zeit angehört haben und die nunmehr zunehmend nicht mehr in der parlamentarischen Arbeit stehen.Wenn der Bundestag bei seiner Beratung des Haushaltsplans seine eigenen Angelegenheiten und Probleme erörtert, bedarf ein Thema einer besonderen Hervorhebung: Der Bundestag in Bonn ist auch für den Reichstag in Berlin zuständig, nicht nur haushaltstechnisch, weil Mittel für den Reichstag im Einzelplan des Bundestages ausgewiesen sind, sondern vor allem auch politisch, weil der Bundestag mit seinen Organen Präsidium und Ältestenrat darüber zu befinden hat, wie dieses Symbol parlamentarischer Geschichte und parlamentarischer Arbeit — dieses Haus ist schließlich dem deutschenVolk gewidmet — seinem Sinngehalt entsprechendgenutzt werden kann.
Eine erste Entscheidung darüber ist bereits gefallen. Ich freue mich, daß die Präsidentin mit dein Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin zu der Auffassung gelangt ist, daß der Reichstag für das Abgeordnetenhaus und den Senat von Berlin nicht weiter in Betracht gezogen werden kann. Es obliegt jetzt dem Präsidium, entsprechend seinem grundsätzlichen Beschluß vom Januar dieses Jahres abschließend zu befinden, welche Verwendung der Reichstag in Berlin im Rahmen unserer parlamentarischen Arbeit finden soll. Nur so werden wir erreichen, meine Damen und Herren, daß dieses bedeutende Haus deutscher Parlamentsgeschichte an der Spree in Berlin mit neuem Leben erfüllt und nicht entwertet wird.Inzwischen hat die Bundestagsverwaltung in einem Überlassungsvertrag mit der Finanzverwaltung das Reichstagsgebäude voll in ihre Nutzung übernommen. Der Reichstag ist damit nach einer 15jährigen Bauzeit mit einem Kostenaufwand von 110 Millionen DM wiederhergestellt und steht für die parlamentarische Arbeit zur Verfügung. Ich danke dem Präsidium dafür, daß es die Übernahmemodalitäten so zügig abwickeln ließ und inzwischen den Fraktionen für ihre Sitzungen im Reichstagsgebäude eine feste Anzahl von Räumen zugewiesen hat.In diesem Zusammenhang erscheint mir besonders erwähnenswert, daß der Reichstag in den letzten Monaten in ständig steigendem Maße von interessierten Bürgern besucht und besichtigt wird. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres haben sich über 25 000 Besucher im Reichstag im Rahmen der dort gezeigten Ausstellung über hundert Jahre parlamentarischer Geschichte orientieren können.Aus Anlaß des 25. Jahrestages der Verabschiedung des Grundgesetzes und zur Feier des 25jährigen Bestehens der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1974 wird die dort gezeigte Ausstellung „Fragen an die Deutsche Geschichte" weiterentwickelt und die deutsche Geschichte bis zur Gegenwart dargestellt. Dafür haben wir schon jetzt die nötigen Haushaltsmittel im Einzelplan des Bundestages bereitgestellt. Durch die besondere Lage des Reichstages im geteilten Deutschland und die in seinen Räumen gezeigte Ausstellung ist der Reichstag ein besonderer Kristallisationspunkt deutscher Vergangenheit und deutscher Gegenwart. Unter diesem Gesichtspunkt, meine Damen und Herren, sollte auch die weitere Nutzung des Reichstages gesehen werden.Als Berliner Abgeordneter möchte ich eine Bitte vortragen: Berlin wird sich sehr freuen, wenn möglichst viele Gremien des Deutschen Bundestages häufig — und mehr als in der Vergangenheitim Reichstag tagten, um immer wieder zu bekunden, daß die parlamentarische Arbeit nicht nur in Bonn, sondern auch in Berlin stattfindet.
Am Ende dieses Berichtes bleibt mir nur noch eines, was ich in Ihrer Namen sagen möchte. Ich
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Wohlrabesage den Mitarbeitern der Verwaltung Dank, insbesondere den Mitarbeitern, die bei der Aufstellung dieses Einzelplans und bei der Vorbereitung dieses Berichtes mitgewirkt haben. Ich bedanke mich bei allen, die ihre Arbeit für uns so tüchtig leisten und hoffe, daß wir auch in Zukunft diese Unterstützung erfahren werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Bevor wir in die Aussprache eintreten, meine Damen und Herren, gebe ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über Einzelplan 04 — Drucksache 7/724 — bekannt. An der Abstimmung haben sich 402 Damen und Herren des Hauses und 20 Berliner Kolleginnen und Kollegen beteiligt. Davon haben 230 Abgeordnete und 13 Berliner Kollegen mit Ja, und mit Nein 172 und 7 Berliner Kollegen gestimmt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 402 und 20 Berliner Abgeordnete; davonJa: 230 und 13 Berliner AbgeordneteNein: 172 und 7 Berliner AbgeordneteJaSPDAhlersAmlingAnbuhlDr. ApelArendt AugsteinBaackBäuerleBarcheBahrDr. Bardens BatzDr. BayerlBecker
Dr. Beermann Behrendt BerkhanBiermann BlankDr. Böhme BörnerFrau von Bothmer BredlBrückBuchstaller Büchler
Dr. von Bülow BuschfortDr. BußmannColletConradiCoppikDr. von Dohnanyi DürrEckerland Dr. Ehmke Dr. EhrenbergFrau Eilers Dr. Emmerlich EngholmDr. Eppler EstersEwenDr. FarthmannFiebigDr. FischerFlämigFrau Dr. Focke Franke FrehseeFriedrichGansel GeigerGerstl Gertzen GlombigGnädingerGrobecker GrunenbergDr. HaackHaarHaase HaehserDr. Haenschke HalfmeierHansen Hauck Dr. HauffHenke HermsdorfHerold HöhmannHofmannDr. HoltzHornFrau HuberHuonkerImmerJahn Jaschke JaunichDr. Jens JunghansJunker Kaffka Kater KernKonradKratzDr. KreutzmannKrockertKulawigLambinus LangeLattmannDr. LauritzenLeberLempLendersFrau Dr. LepsiusLöbbertLutzMahneMarschall Matthöfer Frau MeermannDr. Meinecke Meinicke (Oberhausen) MetzgerMöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Müller
Müller Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-EmmertNagelNeumann Dr. Nölling Dr.-Ing. OettingOffergeld FreiherrOstmau von der Leye PeiterPenskyPolkehnRapp
Rappe RavensReiserFrau Renger ReuschenbachFrau Dr. Riedel-Martiny RohdeRosenthal SanderSaxowskiDr. Schachtschabel Schäfer
Dr. Schäfer SchefflerScheuFrau SchimschokSchinzel Schirmer SchlagaSchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Schmidt (Würgendorf)Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. SchmudeSchonhofen Schreiber Schulte
SchwabeDr. SchweitzerSeibertSimonSimpfendörferDr. Slotta Dr. SperlingSpilleckeStaak
Dr. Stienen SuckSundFrau Dr. Timm Tönjes UrbaniakVahlbergVitDr. Vogel VogelsangWaltematheWaltherDr. Weber WehnerWendtDr. WernitzWestphalDr. WichertWienandWilhelmWischnewskiDr. de WithWittmann WolfWolframWrede Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch ZeitlerBerliner AbgeordneteDr. Arndt BühlingDr. DübberEgertHeyenLöfflerMattickDr. SchellenbergFrau SchleiSchwedler SieglerschmidtWurcheFDPBaumDr. BögerEngelhardErtlFlachFrau FunckeGallus GeldnerGenscherGraaff GroßGrünerDr. HirschHölscherHoffie JunoKirstDr. Graf Lambsdorff LogemannDr. Dr. h. c. Maihofer Mertes MischnickMöllemannMoerschÖllesch RonneburgerScheelSchmidt Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. WendigWurbs ZywietzBerliner Abgeordneter Hoppe
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Nein CDU/CSUvon Alten-NordheimDr. AlthammerDr. ArnoldBaierDr. Becher
Frau BenedixBenzBerger BewerungeBiecheleBiehleDr. von BismarckDr. BlümBlumenfeldvon BockelbergBöhm
Braun BreidbachBremer Bremm Burger Carstens
Dr. Carstens
Dr. CzajaDammvan DeldenDr. DollingerDreyer EigenEilers EngelsbergerEntrupErhard ErnestiEyFerrangFreiherr von FircksFranke
Dr. FranzDr. FrerichsDr. FrühDr. FuchsGeisenhoferGerlach
Gerster
GierensteinDr. GölterDr. GötzHaase
Dr. HäfeleHärzschelDr. HammansHandlosvon HasselHauser Dr. Hauser (Sasbach)Dr. HeckHöcherl HöslDr. HornhuesHorstmeierDr. HupkaDr. JaegerJäger
Dr. JenningerDr. JobstJosten Katzer KiepDr. h. c. KiesingerDr. Klein
Dr. Köhler
Dr. Köhler KrampeDr. KraskeDr. KreileKroll-SchlüterDr. Kunz
LampersbachLenzerLinkLöherDr. LudaDr. MarxMaucherDr. Mertes MickDr. MikatDr. MiltnerMilzMöller
Müller Dr. Müller-HermannMursch Frau Dr. Neumeister NiegelNordlohneDr.-Ing. Oldenstädt PfeffermannPfeiferPicardPierothPohlmannDr. PrasslerDr. ProbstRainerRaweReddemannFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RitgenDr. RitzRöhnerRommerskirchenRoserSauer Sauter (Epfendorf) Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinDr. SchäubleSchedlFrau SchleicherSchmitt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Luneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Schulte
Dr. Schulze-Vorberg Seiters
SickSolkeSpilkerSprangerDr. SprungDr. StavenhagenFrau StommelStücklenSussetde TerraThürkTillmannDr. TodenhöferFrau TüblerDr. UnlandVeharFrau Verhülsdonk Vogel VogtVolmerDr. Waffenschmidt Wagner Dr. Wagner (Trier) Dr. WaigelDr. WallmannDr. WarnkeWawrzikWeber Frau Dr. WexFrau Will-FeldWindelenWissebachDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von Wrangel Dr. WulffZeyerZieglerDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteFrau Berger Dr. GradlKunz
Müller
Frau Pieser StraßmeirWohlrabeDamit, meine Damen und Herren, ist der Einzelplan 04 angenommen.
Wir treten jetzt in die Einzelaussprache zu Einzelplan 02 ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wohlrabe hat soeben umfassend den Einzelplan 02 erläutert und die Diskussionen wiedergegeben, die im Ausschuß über diesen Haushalt stattgefunden haben. Ich gestehe, daß ich mich wegen der Eigenschaft, in der ich sonst dort oben sitze, ein wenig zwiespältig fühle, wenn ich jetzt hier unten stehe. Manchmal mag es so klingen, als ob der Präsident hier spräche; aber ich meine, daß es auch einmal erlaubt ist, als Abgeordnete aus dieser Sicht zu sprechen, und hoffe, daß es im Einverständnis mit dem Hause geschieht.Wir sind uns alle bewußt, daß gerade dieser Haushaltssplan in besonderem Maße das Interesse der Öffentlichkeit findet und daß dieser Haushaltsplan im besonderen auch der Kritik der Offentlichkeit ausgesetzt ist. Das ist um so verständlicher, meine Damen und Herren, als natürlich wir — der Bürger verlangt das von uns — mit den Steuergeldern ganz besonders pfleglich umgehen sollten. Aber ich meine aus den Ausführungen des Berichterstatters entnehmen zu dürfen, daß wir das in der Tat auch getan haben. Manchmal scheint es mir sogar so, als ob wir im Interesse der Sache etwas zu sparsam sind.
Ich kann mich aber auch bei der öffentlichen Diskussion des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß das Verhältnis des Bürgers zu seinem Parlament noch kein ganz selbstverständliches ist. Auf der anderen Seite habe ich wiederum den Eindruck, daß uns Abgeordneten manchmal das notwendige Selbstbewußtsein fehlt, das die Voraussetzung für die Erfüllung unserer Aufgabe ist. So habe ich in meiner langjährigen Abgeordnetentätigkeit feststellen können, daß manche Bemühungen, manche Notwendigkeiten deshalb nicht zum Tragen gekommen sind, weil wir vermeintliche Kritik schon vorweggenommen und notwendige Dinge, die sich natürlich auch finanziell auswirken, nicht durchgesetzt haben.Auch dieser Haushaltsplan verbessert die Arbeitsmöglichkeiten der Abgeordneten, sei es in personeller oder in räumlicher Hinsicht, nicht in wünschenswerter Weise. Dazu hat der Berichterstatter
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Frau Rengerausführlich Stellung genommen. Ich muß Ihnen sagen, daß es noch längere Zeit dauern wird, bis wir in die wünschenswerte Lage versetzt sein werden, unsere Arbeit wirklich so durchführen zu können, daß wir unserer Kontrollfunktion voll gerecht werden und unseren Aufgabenbereich, den sich jeder selbst gesetzt hat, voll bewältigen können.
Ein Parlament, meine Damen und Herren, kostet nun einmal Geld, und ich frage mich manchmal, ob wir nicht vielleicht doch ein bißchen mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten könnten. Ich frage mich, warum in der Bevölkerung — ich muß hier sehr vorsichtig sein, damit ich nicht gleich wieder Briefe bekomme; aber vielleicht bekomme ich sie trotzdem — zwar selten darüber gesprochen wird, daß große Versicherungsbauten, Verwaltungsbauten, Verbandshäuser usw. errichtet werden, daß aber alles, was das Parlament betrifft, unter eine starke Kritik gerät und man manchmal zu wenig Verständnis für seine großen Aufgaben hat.
Ich behaupte, daß eine falsch verstandene Zurückhaltung des Bundestages bei der Erledigung seiner Aufgaben sogar einer Art von Pflichtverletzung gleichkommen kann. Ein Parlament muß seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen wahrnehmen, und dazu braucht es eben eine materielle und auch eine institutionelle Basis, die wir uns jeweils zu schaffen haben.Allerdings ist es offensichtlich unser eigenes Versäumnis, wenn es uns immer noch nicht ganz gelungen ist, unseren eigenen Status als Abgeordnete zu verdeutlichen. Das ist mir besonders im Zusammenhang mit der Diskussion in der Öffentlichkeit über die Besteuerung der Abgeordnetendiäten deutlich geworden. Hierzu hat auch Herr Kollege Wohlrabe ausführlich Stellung genommen. Aber lassen Sie mich noch folgendes hinzufügen:Abgesehen davon, daß wir dieses Problem bis zur Beratung des nächsten Bundeshaushalts lösen wollen und so schnell wie irgend möglich gewisse Grundsatzentscheidungen treffen müssen, erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß gerade diese Frage eine klare Definition der Stellung des Abgeordneten voraussetzt. Es ist üblich geworden, den Abgeordneten als Berufspolitiker zu sehen. Für viele Abgeordnete trifft das auch für die Zeit einer Legislaturperiode voll zu, aber eben nur für diese Zeit, meine Damen und Herren. Der Abgeordnete selbst trägt das volle politische und materielle Risiko für sein Verhalten. Das Mandat ist unabhängig von Laufbahn- und Beförderungsrichtlinien. Es muß prinzipiell jedem offenstehen, und zwar ungeachtet seiner Ausbildung und seiner bisherigen Tätigkeit. Es muß durch die Art und die Höhe der Entschädigung Unabhängigkeit und Freiheit im Sinne von Art. 38 des Grundgesetzes ermöglichen.
Der Abgeordnete ist eben kein Staats- oder Parteifunktionär, und wir sollten ihn nicht dazu machen.
Diese Gesichtspunkte, der Anspruch des Abgeordneten auf angemessene Gegenleistung und auf Erstattung seiner recht erheblichen Unkosten, sind zu berücksichtigen und mit der steuerrechtlichen Systematik in Einklang zu bringen. Dies bedarf noch einer eingehenden Diskussion, und wir sollten nicht Schnelligkeit höher werten als ein sorgfältiges Durchdenken des Themas.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hirsch?
Aber gerne.
Frau Präsidentin, sind Sie nicht der Auffassung, daß die Höhe der Diäten unabhängig von der Frage ihrer Besteuerung zu beurteilen ist?
Verehrter Herr Kollege, Sie haben ja freundlicherweise dem Ausschuß, der sich bald damit beschäftigen wird — morgen werden wir zusammenkommen —, einen Entwurf der Diätenbesteuerung vorgelegt. Ich glaube, daß hier ein Zusammenhang besteht. Wenn wir das Abgeordnetenmandat als Beruf ansehen, dann sind daraus ganz bestimmte Konsequenzen steuerrechtlicher Art abzuleiten. Deswegen meine Ausführungen zu diesem Thema. Ich meine, wir sollten ganz sorgfältig die eventuellen Konsequenzen erörtern; ich spreche hier von der Leibholzschen Auffassung. Wenn wir diese Dinge diskutieren, müssen wir wissen, welche steuerrechtlichen Konsequenzen möglich sind und welche nicht. Nur aus diesem Grunde meine Bemerkungen zu diesem Thema. Es wäre deshalb begrüßenswert, wenn wir uns sehr sorgfältig über den Status des Abgeordneten unterhielten.Erlauben Sie mir nur eine Bemerkung zu der Anmerkung des Herrn Berichterstatters über den Reichstag. Ich bin der Meinung, daß wir in den Fraktionen dieses Hauses uns demnächst einmal zusammensetzen sollten, um über die Möglichkeit der Verwendung zu sprechen. Ich darf meine Auffassung noch einmal sagen. Dieses Reichstagsgebäude muß in der Tat für sinnvolle Aufgaben genutzt werden. Wie diese ausssehen, sollten wir gemeinsam hier erörtern.Erlauben Sie mir noch einige wenige Sätze zur Parlamentsreform, die ja mit Recht in unseren Überlegungen einen großen Raum einnimmt. Uns wird immer wieder empfohlen, erst einmal ein geschlossenes Parlamentsmodell zu erarbeiten, das dann durch entsprechende Einzelreformen gleichsam in einem Anlauf zu verwirklichen ist. Meine Damen und Herren, so kann man es sicherlich nicht sehen. Ich glaube, das geht so nicht. Die Festlegung auf ein solches, zwangsweise statisches Modell müßte sich bald als eine Fessel erweisen, die notwendige Entwicklungen verhindert oder sogar das Parlament arbeitsunfähig macht. Wir müssen uns politischen und gesellschaftlichen Veränderungen jederzeit anpassen können, und aus diesem Grunde bleibt diese Aufgabe eine ständige Aufgabe des Parlaments, und
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2516 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Frau Rengerich bitte noch einmal sehr herzlich, daß wir uns alle sehr nachdrücklich an der Losung dieser Fragen beteiligen. Einige unserer Kollegen sind in dieser Hinsicht sehr fleißig, und ich glaube, daß uns der Kollege Collet wiederum eine gute Anregung gegeben hat, deren Realisierung Sie bald zu spüren bekommen werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige kurze Bemerkungen machen, die vielleicht im Zusammenhang mit dem ganzen großen Haushalt nicht so bedeutsam erscheinen. Aber ich möchte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, hier einmal über das zu sprechen, was ich so gern sagen möchte und was ich dort oben nicht sagen darf. Wir haben uns in unserer Geschäftsordnung selbst Regeln gegeben, die wir auch einhalten sollten. Bei vielen Reden liegt die Würze in der Kürze — ich werde mich beeilen. Wenn wir unser großes Arbeitspensum bewältigen und auch möglichst vielen Kollegen in Rede und Gegenrede Gelegenheit geben wollen, ihren Standpunkt im Plenum zu vertreten, sollten wir die 15-Minuten-Rede wirklich zur Regel werden lassen
und gemäß § 39 der Geschäftsordnung die dort vorgesehene Ausnahme auch wirklich eine Ausnahme sein lassen.Die Bereitschaft zur Einhaltung solcher Regeln ist doch immer auch ein Ausdruck der Achtung vor dem Recht des anderen oder der anderen Fraktion, so unwesentlich dies vielleicht im einzelnen erscheinen mag. Das trifft auch solche Dinge wie die Tatsache, daß der Berichterstatter eben der Berichterstatter ist — wie wir es eben gehört haben — und daß Erklärungen Erklärungen bleiben und nicht zu Diskussionsreden ausgeweitet werden.Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle sollten uns bemühen, im Interesse des Bürgers, dem wir ein Mittler sein sollen, ein Mittler zwischen der Politik in diesem Haus und den Interessen des Bürgers, hier auch einen Stil zu verwirklichen, der uns allen draußen die nötige Achtung verschafft.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Collet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf vielleicht zunächst bemerken, daß ich nicht im Auftrag meiner Fraktion spreche, daß ich aber doch davon ausgehe, daß das, was ich zu sagen beabsichtige, nicht im Widerspruch zu den Vorstellungen der Mehrheit der Kollegen meiner Fraktion, aber auch nicht im Widerspruch zu den Vorstellungen der Kollegen anderer Fraktionen steht.Ich habe bei der Lesung des Einzelplans 02 im Jahre 1971 erwähnt, daß wir das Jahr 1969 sehr gut abgeschlossen haben und daß wir uns dort endlich durchgerungen hatten, eine Anzahl von Reformen für den Deutschen Bundestag durchzuführen. Das war im Sande steckengeblieben, vielleicht auch bedingt durch die besonderen Verhältnisse des 6. Deutschen Bundestages und seiner damaligen Mehrheiten. Aber ich meine, daß wir jetzt die Möglichkeit haben, das wieder aufzugreifen was wir 1969 zwar unfertig, aber doch mit gewissen Teilerfolgen hinterlassen haben.Ich darf zunächst die Frage der Rechte des Petitionsausschusses ansprechen. Auch das gehört ja zum Einzelplan 02. Zum drittenmal haben wir nun eine diesbezügliche Vorlage in erster Lesung behandelt. Ich darf doch hoffen, daß wir jetzt und nicht erst zum Ende der Legislaturperiode dazu kommen werden, endlich die Rechte des Petitionsausschusses durch Gesetz in dritter Lesung zu erweitern.Ich sage das mit besonderem Blick auf Rheinland-Pfalz und möchte bei dieser Gelegenheit hier meiner Kritik Ausdruck geben. Dort ist man im Augenblick dabei, in der Gesetzgebung einen Ombudsmann zu schaffen, und man ist sehr stolz darauf. Das ist keine einseitige Kritik; auch meine Parteifreunde dort haben in dieser Richtung gearbeitet.
Ich darf Ihnen sagen, daß ich das für falsch halte, und darf das begründen.Man hat sich hierbei immer auf schwedische Beispiele bezogen. Es gibt dort keinen Stadtrechtsausschuß, keinen Kreisrechtsausschuß, kein Verwaltungsgericht in der Form, wie wir es hier haben. Dort haben wir einfach eine andere Situation. Ich meine, wir sollten uns als Abgeordnete nicht vor unseren Pflichten drücken wollen. Was will ich damit sagen? Neben den Fragen der Gesetzgebung, der Regierungsbildung und der Kontrolle der Regierung müssen wir die Anlaufstelle der Bürger im Lande sein. Gerade dann und solange es noch viele gibt, 'die lieber zum sogenannten Neutralen gehen, ist es falsch, wenn wir eine weitere Behörde schaffen wollen. Hier ist es meiner Meinung nach richtig, wenn gesagt wird — das kann ich aus eigenen leidvollen Erfahrungen bestätigen —, daß wir das nicht schaffen können. Dann müssen wir die Arbeitsbedingungen so gestalten, daß wir diese Aufgabe, Petitionsbehörde, also Anlaufstelle der Bürger zu sein, selber voll wahrnehmen können.
Ich wäre froh, wenn sich in allen Parteien noch welche fänden, die in Gesprächen mit ihren jeweiligen Parteifreunden in Rheinland-Pfalz dieses Problem noch einmal zur Diskussion stellen wollten.Nun darf ich die Gelegenheit nutzen und mich zunächst bei der verehrten Frau Präsidentin bedanken, daß das, was ich 1971 von dieser Stelle aus angeregt habe, in den nächsten Tagen Wirklichkeit wird. Um was handelt es sich? Ich hatte damals angeregt, daß wir dieses neue Hilfsmittel erarbeiten, an dem ich mitbeteiligt war. Ich darf mich bedanken bei den Herren der Wissenschaftlichen Dienste, insbesondere auch des Archivs und der Arbeitsgruppe EDV. Meine Damen und Herren, Sie werden eine Loseblattsammlung bekommen — der Brief ist un-
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Colletterwegs; die letzten Besprechungen haben stattgefunden —, mit Kurzangaben für jedes Gesetz: seinen Titel, die Kurzbezeichnung; wer es eingebracht hat; ob es zustimmungsbedürftig ist; einige Schlagwörter; vier bis fünf Zeilen Inhalt; den Gang der Gesetzgebung, Angaben darüber, wo es jetzt liegt, ob im Bundesrat oder im Ausschuß. Sie können auf Grund einer einfachen Suchmethode sofort jedes Gesetz finden, die Drucksachennummer und den jetzigen Stand, wo es sich befindet. Es wird Ihnen also nicht mehr passieren, daß Sie vor der Frage stehen: Haben wir das schon verabschiedet, war das erst im Ausschuß, wie sieht das aus? Das wird Ihnen also zugehen. Ich darf mich dafür bedanken, daß das nun verwirklicht wird.Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur Frage des Vorblatts. Ich hatte dieses Problem in wenigen Worten schon einmal angesprochen, nachdem ich 1967/68 dieses Vorblatt angeregt hatte. Herr Präsident von Hassel, bei dem ich mich 1971 dafür bedankt hatte, hat es dann eingeführt. Ich habe trotzdem eine Kritik anzubringen. Es wäre notwendig, daß der Text nicht nur von dem zuständigen Fachmann im Ausschuß verfaßt wird, sondern ein weiterer Beamter des Hauses, der nicht betriebsblind ist, sollte den Text des Vorblattes noch einmal daraufhin überprüfen, ob ihn derjenige versteht, der nicht in diesem Ausschuß mitarbeitet. Es ist nicht jedes Vorblatt immer verständlich.Beides führt, wie ich meine, dazu, daß wir uns manchen Arbeitsgang sparen können und Zeit gewinnen, die wir dringend für andere Arbeit brauchen.Ich darf mich dafür bedanken, daß die Frau Präsidentin angeregt hat, die Redezeit in Zukunft etwas besser zu handhaben. Ich glaube, dafür haben wir alle miteinander quer durch die Fraktionen 1969 gekämpft. Wir alle sind diejenigen, die ihre eigenen Beschlüsse nicht einhalten und meinen, daß man unbedingt diese Zeit überschreiten muß.In diesen Zusammenhang gehört auch ein weiterer Beschluß, der immer wieder übersehen wird, nämlich der Beschluß des Ableseverbots. Wenn wir das Interesse des Bürgers am Parlament fördern wollen, dürfen wir nicht mit vorgefertigten Reden, die wir schon der Verbandspresse gegeben haben, damit die sie abdrucken kann, hierherkommen, sondern wir müssen einander zuhören und dann antworten.
Ich darf Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, abschließend bitten, daß wir miteinander dazu beitragen ich möchte es wiederholen, unsere guten Ansätze von 1969 fortzusetzen, damit wir am Ende dieser Legislaturperiode sagen können: Wir haben einiges für uns und damit auch für das Verhältnis Bürger und Parlament geleistet.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe ,die allgemeine Aussprache.
Änderungsanträge sind nicht gestellt.
Wer dem Einzelplan 02 in der vorgelegten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 05
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 7/725 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Bußmann
Ich frage zunächst den Herrn Berichterstatter, Herrn Dr. Bußmann, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter will den schriftlichen Bericht nicht ergänzen.
Ich danke ihm und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Picard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich das, was der Herr Kollege Hermsdorf ausgeführt hat, mit dem verbinde, was der amtierende Präsident vor einer halben Stunde gesagt hat, so scheint es mir, daß unsere Beratungszeit sehr knapp bemessen ist. Ich will diese Mahnung wirklich beherzigen und nur wenige Bemerkungen zum Einzelplan 05 machen.Ich möchte vorausschicken, daß es im Grunde bedauerlich ist, daß wir auch nicht einmal innerhalb eines Jahres, nämlich bei der Beratung des Haushaltsplanes, in die Situation kommen, weniger über Außenpolitik zu debattieren — das kann man bei diesem Plan sowieso nur teilweise, da erhebliche Teile der Außenpolitik im Bundeskanzleramt gemacht werden — als vielmehr über die Organisation und die Struktur des Auswärtigen Dienstes. Ich meine, es ist wirklich Zeit, daß die Bundesregierung diesem Hause einen Bericht darüber vorlegt, wie weit sie inzwischen bezüglich der Ausführung der im Bericht der Kommission für die Reform des Auswärtigen Dienstes gemachten Vorschläge gekommen ist. Diese Reformkommission hat in ihrem Bericht gesagt, sie erwarte, daß die Bundesregierung einen Bericht darüber vorlege, welche Konsequenzen sie aus diesem Reformbericht zu ziehen gedenke. Da der Reformbericht im März 1971 vorgelegt worden ist, hatten wir inzwischen mehr als zwei Jahre Zeit, darüber nachzudenken. Ich befinde mich in meiner Auffassung gar nicht allein, sondern, ich glaube, überall im Hause wird der Bericht von einem erheblichen Teil derjenigen, die ihn gelesen haben, für gut und der Beachtung wert gefunden. Ich möchte also anregen, daß uns die Bundesregierung in nächster Zeit, nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag, einmal darüber berichtet, welche Konsequenzen sie aus dem Reformbericht gezogen hat oder noch zu ziehen gedenkt. Ich sage das auch deshalb, weil man in der Gestaltung des Haushaltsplans 05 davon bisher kaum Ansätze zu verspüren vermag.Lassen Sie mich dazu aber wenigstens drei Bernerkungen machen.
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PicardErstens werden in diesem Reformbericht sehr nachdrücklich eine Auflösung kleiner oder Kleinstvertretungen und eine Zusammenfassung zu größeren Vertretungen, unter Umständen für mehrere Staaten oder Regionen, angeregt. Das wird mit einer notwendigen Konzentrierung und der besseren Qualität des Personals in einer größeren Vertretung begründet. Wir halten sehr viel davon, mußten jedoch bei den Haushaltsberatungen eigentlich mit einigem Erstaunen feststellen Kollege Bußmann hat darauf dankenswerterweise aufmerksam gemacht —, daß trotz dieser Empfehlung noch der Versuch gemacht worden ist, Kleinstvertretungen neu zu bauen.Eine zweite Empfehlung des Reformberichts scheint mir sehr wichtig und der Verfolgung wert zu sein, nämlich eine Verstärkung des mittleren und des gehobenen Dienstes. In diesem Zusammenhang erwähne ich das Konsulargesetz, das nach jahrelangen Beratungen inzwischen als Entwurf vorliegt. Es wäre zu wünschen, daß dieser Entwurf rasch beraten und verabschiedet wird und wir schon beim Haushalt 1974 weitere Konsequenzen für den Einzelplan 05 absehen können.Eine dritte Bemerkung zu den Baumaßnahmen im Ausland, soweit sie Vertretungen betreffen. Mir scheint es besser zu sein, eigene Dienstgebäude für die Vertretungen zu errichten, als Gebäude anzumieten. In einigen Fällen mußten wir feststellen, daß die Miete weniger Jahre zur Erstellung eines eigenen Dienstgebäudes ausgereicht hätte. Ich glaube, dies wäre aus rein praktischen Erwägungen besser, als die Methode des Anmietens in extenso weiter zu praktizieren.Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zur auswärtigen Kulturpolitik machen. Mir scheint auch bei Durchsicht des diesjährigen Haushaltsplans die auswärtige Kulturpolitik in ihrer Bedeutung von der Regierung wiederum unterschätzt worden zu sein. Das kann man nicht nur aus der Steigerungsrate ersehen, die kaum ausreicht, die Kostensteigerungen aufzufangen, und nichts für die Entfaltung weiterer Tätigkeit hergibt, die wir, wie mir scheint, bitter nötig hätten.Auch hierzu gibt es inzwischen wenigstens einen Zwischenbericht der Enquetekommission. Von Jahr zu Jahr haben wir eigentlich den Eindruck, als ob wir von den ersten Gedanken des Herrn Dahrendorf, als er noch Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen war und sich insbesondere der auswärtigen Kulturpolitik widmen wollte, über das Peisert-Gutachten wie über Überlegungen im eigenen Hause bis zu dem jetzigen Bericht der Enquetekommission immer wieder vertröstet werden. Man sagt, man müsse abwarten, bis ein endgültiges Ergebnis vorliege.Mir scheint in dem Zwischenbericht der Enquetekommission eine Fülle bemerkenswerter und der Beachtung würdiger Anregungen enthalten zu sein.Eine davon möchte ich herausgreifen und an den Anfang stellen. Es ist die Feststellung, daß der Leiter der Abteilung für auswärtige Kulturpolitik im Auswärtigen Amt tunlichst ein Staatssekretär sein sollte. Das wird damit begründet, daß ein Staatssekretär als Leiter dieser außerordentlich wichtigen Abteilung als Gesprächspartner mit anderen Ressorts vielleicht doch ein größeres Durchsetzungsvermögen hätte. Wenn man nämlich bedenkt, daß sich im Bundeshaushalt bei etwa zehn verschiedenen Ressorts Ansätze finden, die mit Aktivitäten in der auswärtigen Kulturpolitik zu tun haben, und dazu die Fülle verschiedener Mittlerorganisationen hinzurechnet, dann wird offensichtlich, daß eine wesentliche Aufgabe der auswärtigen Kulturpolitik im eigenen Hause die Koordination und die Konzentration sein muß.Niemand in diesem Hause hat je Außenpolitik anders verstanden als Politik zur Sicherung des Friedens. Gerade weil das so ist, kommt der auswärtigen Kulturpolitik eine ganz besonders hohe Bedeutung zu, die ihr aber im Rahmen der Außenpolitik dieser Regierung — man muß sich daran erinnern, daß der Außenminister seit sechs Jahren von der SPD oder der FDP gestellt wird — offenbar nicht beigemessen wird. Wie, meine Damen und Herren, sollten wir denn im Ausland besser deutlich machen können, daß für uns Außenpolitik Friedenspolitik ist, als gerade in dem, was wir in der auswärtigen Kulturpolitik tun?Daraus müßte eine verstärkte, gezielte Tätigkeit resultieren, insbesondere weil man in vielen Ländern einen besonderen Bedarf, ein steigendes Interesse, eine steigende Nachfrage feststellen kann, insbesondere nach mehr Austausch von jungen Menschen, von Studenten, von Wissenschaftlern, von Künstlern.Wir möchten deshalb die Regierung ermutigen, im Haushalt des Jahres 1974 die Aktivitäten der auswärtigen Kulturpolitik insbesondere in zwei Regionen zu verstärken:Einmal in den Vereinigten Staaten. Hier könnte man überlegen — ich meine, das sollte man ernsthaft tun —, wie man einen Teil der Mittel, die wir an dort heimische Institutionen geben, reduziert und auf eigene Institutionen verlagert. Es wäre sicher für uns von großem Vorteil und käme dem Interesse in den amerikanischen Staaten entgegen, wenn wir an mehreren Plätzen, an denen sie noch nicht vorhanden sind, funktionierende Büros des GoetheInstituts einrichteten. Ein besonderes Augenmerk könnte durch diese Büros dem notwendigen Teacher-Training gewidmet werden.Ein zweiter Schwerpunkt — so scheint mir — ist notwendigerweise das Gebiet der Ostblockländer. Hier möchten wir anregen, daß schon vorhandene oder überlegte und auf uns zukommende Interessen dortiger und hiesiger Universitäten und Universitätsinstitute dadurch befriedigt werden, daß wir in den Haushalt 1974 einen Betrag für Universitätspartnerschaften einsetzen. Nach meinen Überlegungen würde ein Betrag bis etwa an eine Million DM den Bedarf für mehrere Jahre decken.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir eine weitere Anregung. Mir scheint es notwendig, nicht zu warten, bis wir irgendwelche abschließenden Bemerkungen oder Fest-
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Picardstellungen der Enquete-Kommission vor uns haben, sondern jetzt schon zu beginnen, soweit auswärtige Kulturpolitik nicht kontrovers ist — und sie ist es im Grunde ja nicht —, eine mehrjährige, gezieltere Planung vorzunehmen, damit wir Aktivitäten auf längere Zeit entwickeln können. Man kann in der auswärtigen Kulturpolitik nicht von Jahr zu Jahr planen und durchführen, sondern man muß eine längerfristige Planung haben. Hier möchten wir die Kulturabteilung sehr nachdrücklich in ihrem Bemühen unterstützen, die dort schon vorliegenden Planungen zu verstärken.Lassen Sie mich noch eine weitere Verstärkung der Aktivität im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik ansprechen. So notwendig, meine Damen und Herren, repräsentative Gastspiele in großen Städten des Auslandes durch die Berliner Philharmoniker oder das Stuttgarter Balett oder herausragende Orchester oder Bühnen in der Bundesrepublik sind — das allein reicht nicht, sondern wir müssen hier die Breite der Menschen in fremden Ländern erreichen, und dazu sollten wir kleinere Ensembles qualifizierter Orchester und Chöre sowie Dichterlesungen in vermehrter Zahl anbieten. Wir sollten auch nicht vergessen, daß die Darstellung des täglichen Lebens in der Bundesrepublik eine außerordentlich interessante und wichtige Aufgabe ist.Meine Damen und Herren, Außenpolitik mag kontrovers geführt werden müssen. Auswärtige Kulturpolitik sollten wir tunlichst gemeinsam machen. Ich bin dankbar, daß das bisher gelungen ist, und ich möchte hoffen, daß das auch für die Zukunft so bleiben wird. Unsere Mitarbeit — das wissen Sie — ist eine Gewähr dafür, daß das so bleiben kann.Lassen Sie mich zum Schluß zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/808 Stellung nehmen. Mir scheint es ein Kuriosum zu sein, daß wir in der Bundesregierung ein Ministerium vorfinden, daß dem Außenminister, aber in seiner Eigenschaft als Stellvertreter des Bundeskanzlers, ein Sonderminister zugeordnet worden ist. Trotz allem meinem Bemühen konnte ich keinen Aufgabenkatalog für das Ministerium finden. Mir scheint, daß das eine Folge der Koalitionsarithmetik ist und nichts anderes, der Koalitionsarithmetik einer Regierung, die mit dem Versprechen der Einsparung, der Konzentration, der Reduzierung von Ministerien Wahlkampf gemacht hat. So wie wir heute mehrmals beklagen mußten, daß der schimmernde Mantel der moralischen Integrität sehr bald fadenscheinig geworden ist,
so ist auch dieses Versprechen eigentlich schon mit der Regierungsbildung als ein frommes, aber nicht wahrhaftig erzähltes Märchen deutlich geworden.
Der Beschauer der Bonner Szene, der sich daran erinnert, was vor der Wahl so lauthals als Besserung gelobt wurde, und die Realität heute sieht, ist doch enttäuscht und wendet sich ab.
— Nein, das ist so, Herr Kollege Haehser. Sie wären viel weniger bedrückt und traurig über Ihre eigene Präsentation in diesem Parlament, wenn Sie nicht so genau wüßten, daß ich in dem Punkt recht habe. Darunter leiden Sie doch, wir ja nicht. Aber wir wollen Ihnen, Herr Kollege Haehser, und der Koalition Gelegenheit geben, dieses ramponierte Ansehen so ein kleines bißchen wiederherzustellen. Wir geben Ihnen die Chance, die Streichung dieses Ministeriums mit uns zu vollziehen.
Meine Damen und Herren, damit ist zugleich der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/808 begründet.
Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Bußmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Picard hat zu Anfang seiner Ausführungen Anregungen gegeben und Fragestellungen aufgeworfen, die wohl vom ganzen Haus getragen werden, weil sie in sich schlüssig und sinnvoll waren. Natürlich müssen wir uns alle darum bemühen, den Bericht zur Reform des auswärtigen Dienstes dadurch mit Leben zu erfüllen, daß er bei uns ständig mitbehandelt und indem die Regierung ständig darauf hingewiesen wird, daß es gilt, hier zügig voranzugehen. Wir haben als Parlament hier allerdings auch unsere eigene Verpflichtung.Zum guten Teil hängt die Erfüllung des Reformberichtes davon ab, daß unsere Gesetzgebung damit Zug um Zug einhergeht. Ich meine insbesondere das Konsulargesetz. Solange das Konsulargesetz nicht verabschiedet ist, können viele Aufgaben, die heute in unseren auswärtigen Vertretungen von den Beamten des höheren Dienstes wahrgenommen werden, nicht von denen des mittleren und gehobenen Dienstes wahrgenommen werden, weil ihnen einfach die dazugehörigen Rechte fehlen. Wir müssen ihnen diese Rechte übertragen.Dann sollte auch die Reorganisation der Botschaften beginnen, von der Herr Picard ebenfalls gesprochen hat. Ich glaube, die Reorganisation hätte dem auswärtigen Dienst — auch im Hinblick auf eine größere Spezialisierung etwa im Regional- und Gruppenbotschaften — außerordentlich gut hinsichtlich seiner Qualifikation, aber auch hinsichtlich seiner Erhaltung als eigenständige und wichtige Institution der Regierungspolitik. Sonst nämlich, Herr Minister, läuft der auswärtige Dienst wahrscheinlich Gefahr, daß immer mehr Spezialbeamte, Spezialinstitutionen neben dem Auswärtigen Dienst und innerhalb seines Aufgabenbereiches tätig werden als Entwicklungsattachés, als Wissenschaftsattachés, als Landwirtschaftsattachés, von allen möglichen Häusern abgeordnet und zum Teil mit Aufgabenstellungen betraut, die eigentlich in den großen Bereich der auswärtigen Vertretungen fielen. Ich fände diese Aufsplitterung nicht mehr gut. Deshalb sollten wir gemeinsam versuchen, eine Richtung einzuschlagen- die einen qualifizierten aus-
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Dr. Bußmannwärtigen Dienst sichert und gleichzeitig dafür sorgt, daß der auswärtige Dienst uns in jeder Hinsicht im Ausland sinnvoll vertritt.Mir mag noch die Bemerkung gestattet sein, daß für den auswärtigen Dienst natürlich auch die Maxime der Bescheidenheit zu gelten hat. Es ist durchaus nicht angebracht, daß viele Leiter von Auslandsvertretungen auf dem Standpunkt stehen: Wenn die Bundesrepublik im Ausland repräsentiert werde, dann müsse die Residenz den drei- oder vierfachen Umfang haben wie das Haus des Bundeskanzlers oder zumindest wie das Haus des Bundesaußenministers, möglichst aber wie das Palais Schaumburg. Stilvolle Bescheidenheit täte hier manchmal gut. Vielleicht ist auch hier das Plenum der richtige Ort, um daran zu erinnern. Aber in diesen Fragen sind wir nicht strittig.Strittig sind wir in diesem Hause in jenem letzten Teil der Ausführungen des Kollegen Picard, in dem er den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Änderung des Einzelplans 05, soweit hier Kap. 05 05 betroffen ist, begründet hat. Ich darf daran erinnern, daß der Herr Bundeskanzler bei der Regierungsbildung zur Intensivierung der Zusammenarbeit bei ressortübergreifenden Aufgaben Bundesminister für besondere Aufgaben in sein Kabinett berufen hat. Im Anschluß daran hat er Professor Maihofer im Laufe dieses Frühjahrs damit beauftragt, sich mit der Koordinierung der ressortübergreifenden Fragen der Vermögensbildung zu beschäftigen und ihn in diesem Zusammenhang in einem am 25. Mai 1973 neugebildeten Kabinettsausschuß als beauftragten Vorsitzenden ernannt. Hier ist die Aufgabe des Ministeriums Maihofer und dieses Ministers umrissen. Man kann ruhig nachdenklich fragen: ist das alles sinnvoll? Die Frage ist selbstverständlich erlaubt. Wenn man diese Frage stellt, sollte man sich allerdings auch zurückerinnern. Dann soll man sich ruhig zurückerinnern und Namen aufwerfen wie Schäfer, Waldemar Kraft und in anderem Zusammenhang Namen wie der ehemaligen Kollegen Tillmanns und Krone. Auch hier haben bestimmte Erwägungen eine Rolle gespielt. Insbesondere wenn wir den Namen ,des ehemaligen Ministers Krone hier in die Debatte werfen, wissen wir, daß auch der Minister Krone eine ressortübergreifende Aufgabe zugeteilt bekam, nämlich Vorsitzender des Bundesverteidigungsrates zu sein.
Er hat diese Aufgabe wahrgenommen. Ich glaube, im Grunde genommen hat sich das damals gar nicht schlecht bewährt. Noch viel besser hätte sich das damals bewährt, wenn sich Altbundeskanzler Konrad Adenauer immer an die Ratschläge dieses erfahrenen Mannes gehalten hätte. Dann wären wir wahrscheinlich nicht in jenes Dilemma gekommen, das von 1965 bis 1967 die deutsche Politik bestimmt hat. Hier hat man sich nicht in ausreichendem Maße an den fachlichen Rat und an die Gedankenarbeit eines nicht ressortgebundenen Ministers gehalten. Wir möchten das tun, und gerade die Kompliziertheit der Aufgabe der Vermögensbildung macht es nach unserer Meinung durchaus sinnvoll, hier einenMinister einzusetzen, der diese besondere Aufgabe wahrnimmt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Mertes.
Ja, bitte.
Herr Kollege, wollen Sie damit sagen, daß der Bundesminister für besondere Aufgaben auf den Rat und die Weisungen des Bundesministers des Auswärtigen hören soll?
Der Rat, der in dem Gebiet, wo dieser Minister mit seinem Sachverstand zuständig sein wird, von diesem Minister erteilt wird, wird sicherlich von großem Wert für die ganze Regierung sein.
Wir wissen selbst — das ist heute morgen hier auch angesprochen worden —, daß es eine ganze Menge Probleme gerade auf diesem Gebiet innerhalb der Koalition gibt, wo die Meinungen nicht voll übereinstimmen.
In dem Sinne begrüße ich das im Grunde genommen ebenso, wie Sie das hier getan haben.
Deshalb möchte ich darum bitten, dem Antrag der CDU/CSU auf Streichung des Kap. 05 05 nicht zu folgen, sondern es bei dem vom Haushaltsausschuß vorgelegten Antrag zu belassen und den Einzelplan 05 in unveränderter Form zu verabschieden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bangemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie gut muß eigentlich die auswärtige Politik sein, die dieser Minister betreibt, wenn die einzige Kritik, die die Opposition daran übt, sich auf die Reform des Auswärtigen Dienstes und die auswärtige Kulturpolitik bezieht?! Das ist eine Frage, die Sie sich ja wohl gefallen lassen müssen. Denn im Prinzip ist natürlich die Aussage
— gestatten Sie, Herr Kollege, daß ich vielleicht die ersten zehn Sätze zu Ende bringe, bevor Sie eine Zwischenfrage stellen —, die auswärtige Politik sei von dem Einverständnis des ganzen Hauses getragen, sie sei Politik zur Sicherung des Friedens, genau das, was eben nicht ausreicht für eine Oppositionshaltung. Sie müssen dann eben entweder sagen, Sie folgen unter diesem Grundsatz auch dem, was die Regierungsparteien an einzelnen konkreten Maßnahmen vorschlagen — dann ist das gehaltvoll
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Dr. Bangemannund kann akzeptiert werden —, oder, wenn Sie das nicht tun — und Sie tun es ja offenbar nicht, denn Sie benutzen ja alles Denkbare und Mögliche, um diese Politik zu diskutieren —, dann müssen Sie eben konkrete Alternativen vorlegen und dürfen sich nicht damit begnügen, einfach zu sagen: wir sind mit euch gemeinsam für den Frieden. Das ist keine Opposition und dient nicht dem, was wir hier diskutieren müssen.
Herr Abgeordneter Dr. Bangemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Picard?
Obwohl ich erst beim fünften Satz bin, bitte sehr.
Ich weiß nicht, Sie zählen besser, Herr Kollege. Lassen wir es beim fünften Satz! Ich bin dankbar für die Möglichkeit einer Zwischenfrage. Sollte Ihnen entgangen sein, Herr Kollege Bangemann, daß ich unterschieden habe zwischen der Außenpolitik und der auswärtigen Kulturpolitik? Sollte Ihnen zweitens entgangen sein, daß ich gesagt habe, — —
Herr Kollege Picard, ich muß ihnen zu meinem Bedauern sagen: Sie haben nur eine Zwischenfrage. Sie haben die Möglichkeit, dann wieder an das Mikrophon zu gehen.
Herr Kollege, ich habe mit großer Aufmerksamkeit das verfolgt, was Sie gesagt haben. Ich bin allerdings nicht ganz sicher, ob Sie mit der gleichen Aufmerksamkeit auch die Politik verfolgt haben, die im Auswärtigen Amt betrieben worden ist.
Denn sonst hätte Ihnen nicht entgehen können, daß dieses Ministerium nicht seit sechs Jahren von einem FDP-Mann geleitet wird. Das hätte Ihnen auffallen müssen. Das ist offenbar ein Zeichen dafür, daß Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Kultur konzentriert haben, was ich Ihnen überhaupt nicht übelnehme. Ich finde es immer sehr gut, wenn man sich auf Kultur konzentriert. Aber das ist eben nicht der ganze Bereich der Außenpolitik.
Wir müssen davon ausgehen, meine Damen und Herren, daß die Politik, die die Bundesregierung im Bereich des Auswärtigen Amtes durch den Minister des Auswärtigen betrieben hat, im Grunde genommen eine Politik gewesen ist, die die Bundesrepublik zu einem Ansehen gebracht hat, das sie nie zuvor besessen hat,
und zwar nicht auf Grund einer Pression, nicht auf
Grund des Aufrechterhaltens irgendwelcher Positionen, die Befreundeten und Nachbarn immer im Sinne einer Pression entgegengehalten werden, sondern im Sinne einer ruhigen, beispielhaften Politik der Vernunft, die dadurch nun tatsächlich Politik zur Sicherung des Friedens geworden ist.
Wir haben es nicht nötig, uns zum Lehrmeister irgendwelcher Leute zu machen.
— Nein, ich habe ja gerade gesagt, daß wir das nicht nötig haben und daß wir das auch nicht machen wollen. Nehmen Sie mir das bitte einstweilen einmal ab! Was Sie aber, wenn Sie die Presse verfolgen, und zwar gerade die Presse des Auslandes vielleicht sehen können, ist, daß zunehmend das Gewicht der Bundesrepublik durch diese Politik stärker geworden ist, ohne daß wir darum noch große Worte machen müssen. Das ist ein politisches Faktum geworden. Das zeigt sich auch ganz klar an der Rede des Kollegen Picard. Ich will noch einmal wiederholen: Ich habe sehr viel übrig für die Reform des Auswärtigen Dienstes und auch für die Kultur, insbesondere für Dichterlesungen. Aber wenn man das als Inhalt der oppositionellen Kritik an dieser Politik formuliert, scheint mir das natürlich etwas wenig zu sein.
Herr Kollege Dr. Bangemann, Herr Kollege Althammer erinnert sich, daß Sie ihm zugesagt hatten, er könne nach zehn Sätzen eine Frage stellen. — Bitte sehr!
Herr Kollege Bangemann, ist Ihnen nicht bekannt, daß im Ältestenrat eine gewisse Abstimmung über die Behandlung der Etats stattgefunden hat und daß wir beim Etat des Auswärtigen Amtes von einer Grundsatzdebatte der Außenpolitik absehen wollten, so daß Sie diese Dinge jedenfalls nicht der Opposition anlasten können!
Das ist ihre Sache, — —
— Das ist nicht unfair.
Herr Abgeordneter Dr. Bangemann, gestatten Sie zunächst eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling?
Herr Kollege Bangemann, könnten Sie Herrn Kollegen Althammer darauf
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Dr. Sperlinghinweisen, daß der Ältestenrat der Opposition nie etwas aufdrückt?
Herr Kollege, ich hatte den Satz angefangen, daß es selbstverständlich Sache der Opposition ist, sich das auszusuchen, wo sie glaubt, daß die Regierung Schwächen hat. Ich stelle fest, daß Sie in der Art und Weise, wie Sie den Einzelplan hier behandeln, dokumentieren, daß die Politik des Auswärtigen, die dieser Minister betrieben hat, keine Schwächen hat.
Herr Abgeordneter Dr. Bangemann, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes? — Bitte!
Herr Kollege Dr. Bangemann,. wären Sie bereit, dem Kollegen Althammer mitzuteilen, daß eine solche Vereinbarung, wie er sie darstellt, im Ältestenrat nicht getroffen worden ist?
Herr Mertes, Sie haben ihm das selbst mitgeteilt. Ich möchte Sie bitten, Herr Althammer, jetzt nicht in eine Kontroverse darüber einzutreten,
was im Ältestenrat vereinbart worden ist. — Ich rede hier so, wie Sie mir hier gerade vorgetragen haben, was Inhalt Ihrer Kritik ist.
Herr Abgeordneter Bangemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Nein, Herr Althammer, ich darf jetzt wirklich weitergehen.Lassen Sie mich noch etwas zu der Frage sagen, die in Ihrem Änderungsantrag auf Drucksache 7/808 angesprochen worden ist und die hier auch — das ist ja nun wohl keine Verabredung im Ältestenrat — in einer ungeheuer eindrucksvollen Weise begründet worden ist. Ich habe noch nie mit einer derartigen Spannung auf die Begründung eines Antrags gewartet wie diesmal. Denn die Streichung eines ganzen Haushalts, von dem ein Minister betroffen wird, ist ja nun wohl offenbar keine kleine Sache. Ich habe das nicht so aufgefaßt, daß Sie mit diesemAntrag den Ernst aufgeben wollen, den man jedem Oppositionsantrag zumessen sollte.
Als Begründung hat der Herr Kollege Picard ausgeführt, daß er erstens keinen Aufgabenkatalog für dieses Ministerium habe feststellen können und daß zweitens die Einrichtung dieses Ministeriums den Stabilitätsgrundsätzen, die sich die Regierung selber gegeben habe, eklatant widerspreche.
Das waren die beiden einzigen Begründungen, die dazu abgegeben worden sind.
Diese Begründungen, meine Damen und Herren, sprechen für sich. Im Lichte dieser Begründungen erscheint dieser Antrag im Grunde genommen als nicht ernsthaft. Man sollte über ihn hinweggehen und sagen, daß die Art und Weise, wie die Opposition hier mit einem Minister verfährt, seiner Würde und seinen Aufgaben gar nicht gerecht wird.
Ich will es aber nicht so machen, sondern ich will mich einmal mit dem auseinandersetzen, was Sie hier vorgetragen haben.Erstens. Sie haben keinen Aufgabenkatalog feststellen können. Der Kollege Bußmann hat schon darauf hingewiesen, daß Herr Maihofer Vorsitzender des Kabinettsausschusses für Vermögensbildung ist. Nun mögen Sie sagen: Diese Aufgabe reicht uns nicht aus. Aber das ist jedenfalls unter der Begründung, Sie hätten überhaupt keinen Aufgabenkatalog feststellen können, nicht haltbar.Zweitens. Wenn Sie nicht erkennen können oder offenbar nicht erkennen wollen — das scheint mir das Bedenkliche an der Sache zu sein —, welche Aufgaben an innergesellschaftlicher Reformpolitik vor uns liegen und wie diese Aufgaben gerade auf dem Gebiet der Vermögensbildung in diesen vier Jahren auf eine Lösung drängen, dann bleibt alles das, was Sie jetzt als neuerdings sich gebende Reformpartei gesagt haben, für mich eine leere Versprechung. Wenn Sie nicht sehen können, daß in der Vermögensbildung ein Problem vorliegt, das erstens von der Sache her über Ministerien hinausreicht, weil es eben den Bereich verschiedener Ministerien berührt, und das zweitens von einer gesellschaftspolitisch derart eminenten Bedeutung ist, daß man dafür sehr wohl einen politisch Verantwortlichen benennen und einsetzen muß, der diese Dinge vorantreibt, dann, meine Damen und Herren von der Opposition — es tut mir leid —, haben Sie die Bedeutung dieses Punktes für die gesellschaftlichen Reformen nicht erkannt.
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Dr. Bangemann— Nein, das kann der Arbeitsminister eben nicht machen. Sehen Sie, es ist erschütternd, was Sie da im Grunde genommen an gesellschaftspolitischer Blindheit jetzt auch durch ihre nachträglichen Begründungen dokumentieren.
Wenn Sie nicht sehen, daß das Problem der Vermögensbildung über den Bereich des Arbeitsministers hinausreicht,
dann tut es mir nun wirklich leid. Sehen Sie denn nicht, daß in der Konzentration des Eigentums an Produktionsmitteln nicht nur ein sozialpolitisches oder ein arbeitspolitisches Problem vorliegt, sondern daß das ein Problem der gesellschaftspolitischen Grundordnung unserer Gesellschaft ist?!
Wenn es das ist, dann ist das ein Gebiet, für das man einen politisch Verantwortlichen braucht. Ich will Ihnen sogar noch mehr sagen.
Herr Abgeordneter Bangemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gerster?
Einen Augenblick bitte, Herr Präsident. — Mir persönlich wäre die Einrichtung eines gesellschaftspolitischen Ministeriums der Bedeutungsschwere dieses Problems noch angemessener. Wenn Sie einen solchen Antrag mit Ihrem Streichungsantrag verbinden, werden Sie der Bedeutung und der Weite der Aufgaben gerecht, die Herr Maihofer jetzt erfüllen muß.
Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege, darf ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß diese Regierung für jedes Reformvorhaben, das über ein Kabinett hinausgeht, einen Sonderminister schaffen will?
Meine Ausführungen dürfen Sie so nicht verstehen. Ich weiß auch gar nicht, warum Sie das so verstehen wollen. Ich spreche hier von einer Aufgabe, die in einer besonderen Weise über mehrere Kabinettsbereiche hinausreicht. Nehmen wir z. B. die Frage der Mitbestimmung.
Die Frage der Mitbestimmung ist sicherlich eineFrage, die viel zentraler im Arbeitsbereich desMinisters für Arbeit und Sozialordnung liegt alsbeispielsweise die Frage der Vermögensbildung. Deswegen erscheint es mir nicht sinnvoll, für diese Aufgabe nun eine neue Konzeption zu erarbeiten, die die Ministerien übersteigt. Das braucht nicht zu sein. Aber das ist doch kein Argument. Sie wollen streichen, und dann müssen Sie begründen, warum Sie streichen wollen.
Die Begründung, Sie könnten keine Aufgaben sehen, spricht für sich selbst, sie spricht gegen Sie. Die zweite Begründung mit der Stabilität ist im Grunde genommen so witzlos, daß man darauf nicht eingehen sollte.Ich meine also, daß dieser Änderungsantrag abzulehnen ist. Es tut mir fast leid, daß man darauf überhaupt eingehen muß; denn — ich will es noch einmal wiederholen — mit diesem Änderungsantrag haben Sie im Grunde genommen nur eines getan: Sie haben deutlich gezeigt, wie wenig Verständnis Sie für diese gesellschaftspolitische Aufgabe haben und wie wenig Sie im Grunde genommen bereit sind, hier in konkrete Maßnahmen einzutreten.
— Das ist wieder die Argumentation, die Sie immer vorbringen.
— Sehen Sie, Sie sagen allgemein: Wir sind für den Fortschritt. Ich kann mich noch daran erinnern, daß ich den Kollegen Mikat hier in der Debatte, die wir vor drei Monaten geführt haben, gefragt habe, ob er denn der Meinung sei, daß das von Ihnen vorgeschlagene Mitbestimmungsmodell fortschrittlich ist, worauf er im Brustton der Überzeugung mit Ja geantwortet hat. Ich werde ihn natürlich auch einmal fragen, wenn Sie in Hamburg möglicherweise, was ich nicht weiß, ein anderes Modell beschlossen haben, ob Sie dann sagen werden: Wir befinden uns nunmehr an der Spitze des Fortschritts. Das will ich dann einmal sehen.
Wo sind denn Ihre konkreten Vorschläge zum gesellschaftspolitischen Fortschritt? Was wollen Sie denn dem Herrn Maihofer vorwerfen? Ich habe mit Herrn Maihofer in der FDP zusammen mit einigen anderen ein konkretes Programm zum gesellschaftspolitischen Fortschritt erarbeitet.
Deswegen wissen wir alle ganz genau, daß die Schwierigkeiten erst dort anfangen, wo Sie Zahlen nennen müssen, wo Sie sagen müssen, was Sie z. B. machen wollen, um Mitbestimmung einzuführen, wo Sie sagen müssen, wie ein konkretes Vermögensbildungsprogramm aussehen soll, das nicht darauf hinausläuft, daß über den Lohnanteil einfach umgeschichtet wird,
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2524 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Dr. Bangemannsondern das eine Konzentration des Eigentums an Produktionsmitteln aufhebt. Das haben Sie alles nicht gesagt. Sie sagen überhaupt keine Einzelheiten. Sie leben überall von den hehren Grundsätzen.
In der Deutschlandpolitik beschwören Sie die Einheit der Nation und wollen die Einheit der Nation nicht verlassen; was Sie aber konkret machen wollen, um diese Einheit durchzuhalten angesichts der Dinge, die wir vor uns haben, sagen Sie natürlich nicht. Sie sagen in der Gesellschaftspolitik nichts über das Problem der Vermögensumverteilung. Da haben Sie nichts Konkretes vorgelegt!
— Ja, verehrter Kollege, wenn Ihre Fraktionskasse das nicht hergeben sollte, bin ich bereit, Ihnen die Freiburger Thesen zu schenken, dann können Sie das nachlesen.
Meine Damen und Herren, der Burgbacher-Plan ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Sie — —
— Ja, selbstverständlich. Sehen Sie, das unterscheidet mich von Ihnen, ich lese sogar das, was Sie ausarbeiten.
Meine Damen und Herren, auf welchem Prinzip beruht der Burgbacher Plan?
Das ist ganz einfach: Sie machen produktives Vermögen, indem Sie einen Lohnanteil zur Bildung von Vermögen im Bereich des Produktivvermögens festlegen. Das ist der Kern des Burgbacher-Plans. Sehe ich das richtig? Wenn das so ist, meine Damen und Herren, dann machen Sie etwas, was im Grunde genommen Augenwischerei ist; ich will noch etwas Schlimmeres sagen: was im Grunde genommen eine Täuschung, ein Etikettenschwindel ist. Sie lassen nämlich die Leute ihre Vermögensbildung selbst bezahlen.
Sie machen überhaupt nichts!
Ich rede hier die ganze Zeit von Herrn Maihofer. Wenn Sie das noch nicht gemerkt haben, tut es mir wirklich leid.
Meine Damen und Herren, ich bitte freundlichst, dem Redner zuzuhören. Der Herr Kollege hat eine Zwischenfrage an Herrn Kollegen Bangemann. — Bitte!
Könnten Sie vielleicht dem Plenum erklären, was der weite Horizont der gesellschaftspolitischen Aufgaben, die Sie dem werten Kollegen Maihofer andichten wollten, mit dem Auswärtigen Amt zu tun hat?
Wenn wir diese Aufgaben nicht nur theoretisch bewältigen wollen, was zunächst einmal die Vorstufe für ein politisches'Handeln ist und diese Aufgabe haben wir gelöst —, dann müssen wir diese Aufgaben in politische Wirklichkeit umsetzen.
Diese politische Wirklichkeit werden Sie dann erreichen können, wenn Sie jemanden haben, der sich als verantwortlicher Politiker dafür einsetzt, und das tut Herr Maihofer.
Ich werde mit Ihrer Genehmigung, meine Damen und Herren, noch einiges sagen, das über das hinausreicht, was Sie zur auswärtigen Kulturpolitik, zur Reform des Auswärtigen Dienstes und zur Begründung Ihres Änderungsantrages vorgebracht haben ,und zwar betrifft das die europäische Politik.Wir haben in der Europapolitik im Augenblick eine Situation vor uns, die von einer doppelten Aufgabe geprägt ist.
Einmal müssen wir versuchen, das, was sich an europäischer Politik bis jetzt allein unter dem Gesichtspunkt der Integration vollzogen hat, gesellschaftspolitisch anzureichern. Wir müssen also europäische Politik zur Gesellschaftspolitik machen.Gesellschaftspolitik vollzieht sich im europäischen Rahmen bis jetzt nur in Randbereichen. Einer dieser Randbereiche ist beispielsweise das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft. Es ist ganz erstaunlich, in welcher Abwesenheit der öffentlichen politischen Diskussion bei uns sich dort ein Meinungsbildungsprozeß vollzieht, der mit unserem eigenen Meinungsbildungsprozeß über die Frage der Mitbestimmung einen unmittelbaren Zusammenhang hat, und dennoch kommt diese Frage nicht in unsere politische Diskussion.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2525
Dr. BangemannIch möchte dazu ganz klar sagen: Wir müssen sehen, daß ein Fortschritt in der europäischen Integration heute noch bei der Verschiedenheit der gesellschaftlichen Systeme und des gesellschaftlichen Fortschritts innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten bedeuten muß, daß unter dem Gesichtspunkt der europäischen Solidarität unsere eigenen Vorstellungen nicht in jedem Fall Maßstab dieser europäischen Lösungen sein können.Ich will das ganz konkret sagen. Wenn wir z. B. in der Mitbestimmung eine Paritätenlösung gesetzlich verankern, dann wird das bedeuten, daß wir in diesem Punkt dem denkbaren Modell der Europäischen Aktiengesellschaft in dieser Frage voraus sind; denn eine Paritätenlösung in der Europäischen Aktiengesellschaft wird unter den vorwaltenden politischen Umständen nicht erreichbar sein. Das heißt, daß wir hier eine klare Entscheidung zwischen Prioritäten fällen müssen. Wir dürfen im Interesse einer europäischen Solidarität das Maß an gesellschaftspolitischem Fortschritt, das wir erreicht haben, nicht zum Maßstab der europäischen Politik machen. Wenn wir das tun, werden wir sehr wahrscheinlich weder diese Solidarität noch den gemeinsamen Fortschritt erreichen, noch tun wir uns selbst damit etwas zugute, wenn wir diese gesellschaftspolitischen Fortschritte bei uns in dieser Weise behindern. Das ist der eine Gesichtspunkt.Der andere Gesichtspunkt ist der, daß die institutionelle Frage der Europapolitik ernsthaft aufgerollt werden muß. Hier darf ich als Angehöriger einer der Regierungsparteien eine kritische Anmerkung machen, die ich bereits im Auswärtigen Ausschuß als Anregung gegeben habe und die dort aufgenommen worden ist. Ich meine die Institution des Ministerrates der Europäischen Gemeinschaft.Sie wissen, meine Damen und Herren, daß der Ministerrat das entscheidende Gremium dieser Europäischen Gemeinschaft ist, daß das Parlament trotz aller Beteuerungen, die wir bisher gehört haben, nicht den Rahmen an Kompetenz, an Verantwortung bekommen hat, der ihm eigentlich gebührt und der auch im Interesse einer europäischen Einigung notwendig wäre.Die Kommission ist eine sehr effektiv arbeitende, aber eben doch auch eine nicht oder nur unzureichend parlamentarisch kontrollierte Behörde. Die eigentlichen Entscheidungen werden im Ministerrat gefällt, einem Gremium, das weder vom Europäischen Parlament noch von den nationalen Parlamenten zureichend kontrolliert wird.Ich bin der Meinung, daß es diesem Parlament gut anstehen würde, das, was unsere Minister in diesem Ministerrat an politischen Lösungen vorschlagen, hier unter diese parlamentarische Mitverantwortung zu bringen. Ich glaube, das wäre ein wesentlicher Schritt zu einem demokratischen Europa.Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP beantragt, den Antrag des Haushaltsausschusses zum Einzelplan 05 anzunehmen und den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 7/808 abzulehnen, wobei ich hinzufügen möchte, daß mich nicht die Ehrfurcht und der Ernst, womit ich dieOpposition zu behandeln pflege, veranlaßt haben, hierzu überhaupt etwas zu sagen. Denn diesen Antrag ernst zu nehmen, fällt nach ihrer eigenen Begründung außerordentlich schwer.
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wiewohl ich gern wollte, teile ich nicht den Optimismus meines Freundes Bangemann, der meinte, aus der Tatsache, daß die Opposition heute keine Generaldebatte über die Außenpolitik eröffnet hat, sei zu schließen, daß sie sich nunmehr der Außenpolitik der Bundesregierung angeschlossen habe, obwohl ihr das jetzt möglicherweise als Partei und in der Öffentlichkeit gut täte.
Aber das ist offenbar noch nicht so weit.
— Ich will das nur zur Klarstellung sagen; soweit ist es noch nicht.Ich möchte eine solche Debatte auch jetzt nicht eröffnen. Nur will ich nicht den Eindruck erwecken, als ob ich mich der Hoffnung hingäbe, wir wären uns in allen außenpolitischen Fragen einig, obwohl man sagen kann, daß wir uns jetzt in mehr und mehr Fragen einigen könnten. Ich glaube, das können wir gemeinsam feststellen, nachdem einiges hinter uns liegt.Ich will jetzt nur einige wenige Bemerkungen zu zwei Punkten machen. Punkt eins ist die auswärtige Kulturpolitik. Ich bin mit Herrn Picard darüber einig, daß es hierüber keine divergierenden Auffassungen gibt, und wenn, dann nur in Nuancen. Ich danke ihm dafür, daß er der Regierung empfohlen hat, der auswärtigen Kulturpolitik nicht nur besondere Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch für ein Budgetvolumen zu sorgen, das ihrer Bedeutung entspricht.Lassen Sie mich einmal ganz nüchtern sagen, unter welchen Schwierigkeiten wir hier leiden. Wir befinden uns in einer Periode der Haushaltspolitik, in der nach dem Willen aller Parlamentarier an die Spitze der Überlegungen Sparsamkeit auf allen Gebieten gesetzt worden ist. Es ist selbstverständlich, daß sich alle Ressorts diesem übergeordneten Gedanken in irgendeiner Form anpassen müssen. Das heißt: jeder verantwortliche Minister wird sich selbst die Frage stellen, was er dazu beitragen kann. Wenn er sich diese Frage nicht stellt, wird er zumindest von seinen Kollegen und ganz bestimmt von dem Finanzminister nachdrücklich darauf hingewiesen, daß er einen Beitrag zu leisten hat.
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2526 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Bundesminister ScheelHier gerät der Außenminister jetzt in eine furchtbar schwierige Lage. Was soll er denn für einen Beitrag leisten, wo er einen Haushalt hat, der nahezu ausschließlich aus Ausgaben besteht, die man überhaupt nicht ändern kann, nämlich aus Personalausgaben und damit eng verbundenen Sachausgaben?
— Darauf komme ich nachher.Dies ist, so meine ich, die Schwierigkeit, das Dilemma, in dem wir stehen. Der einzige große Posten im Haushalt des Auswärtigen Amts ist eben die auswärtige Kulturpolitik; und deswegen nimmt sie in Perioden der sparsamen Haushaltsführung, ja, der restriktiven Haushaltsführung nicht im gleichen Umfang am Zuwachs teil, wie wir es ihr, und zwar alle, wünschen möchten. Ich werde auch in Zukunft darauf achten, daß dem Wunsch der Enquete-Kommission in diesem Bereich allgemein und auch im einzelnen entsprochen wird.Der nächste Punkt betrifft das, was uns die Reformkommission an Strukturänderungen im Auswärtigen Dienst und im Auswärtigen Amt empfohlen hat. Ich muß sagen, Herr Picard, Sie haben den Eindruck erweckt, als ob wir dem Bericht bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Dies ist nicht richtig. Wir haben zwar nicht dem Plenum einen Bericht vorgelegt über das, was wir von den Vorschlägen der Reformkommission, der ich ja früher einmal über mehrere Jahre angehört habe, schon verwirklicht haben; aber Sie wissen ganzgenau, daß der Prozentsatz der verwirklichten Vorschläge außerordentlich hoch ist. Ich bin aber gern bereit, Ihrem Vorschlag folgend, in Kürze einen Bericht vorzulegen, in dem das auch dokumentiert wird.Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf den Minister für besondere Aufgaben beim Stellvertreter des Bundeskanzlers. Mit der Bezeichnung „beim Stellvertreter des Bundeskanzlers" ist natürlich schon etwas gesagt, nämlich daß es nicht ein Minister ist, der in irgendeiner Beziehung zum Auswärtigen Amt stünde. Das war Bemerkung Nr. 1. —Bemerkung Nr. 2: Herr Picard, als diese Bundesregierung gebildet wurde, hat sie sehr wohl organisatorisch Sparsamkeit walten lassen; denn sie hat erheblich weniger Bundesminister, als die Regierungen vor 1969 hatten. Wir wollen das, was wir damals in der Regierungserklärung 1969 schon gesagt haben, auch halten, und wir werden es halten.Aber, meine Damen und Herren, nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in allen Ländern vergleichbarer demokratischer Ordnung gibt es — und ich glaube, aus gutem Grund politisch verantwortliche Mitglieder einer Regierung, die besondere Aufgaben haben, entweder für die Dauer einer Legislaturperiode oder während einer Legislaturperiode wechselnd, Minister also, die eine sogenannte Querschnittsaufgabe wahrnehmen. Gerade am Beispiel der Vermögensbildung kann man besonders gut exemplifizieren, wie notwendig ein solcher Minister ist. Wir kommen am Ende nicht aus ohne die sachverständige Mitwirkung der Beamten mehrerer Ministerien. Hier ist eben der Arbeits- und Sozialminister genannt worden; ohne dessen sachverständige Mitwirkung werden wir nicht auskommen. Aber mit seiner sachverständigen Mitwirkung allein kommen wir nicht zum Ziel. Das weiß jeder, der diese Materie übersehen kann.
Aus diesem Grunde ist es notwendig, eine politisch verantwortliche Persönlichkeit für diese oder auch für andere wichtige Aufgaben zu benennen, die die notwendige sachliche Mitarbeit verschiedener Ressorts zunächst einmal in Gang bringt, sie dann auch koordiniert, reif macht, möchte ich sagen, für eine Kabinettsvorlage. Das ist eine Aufgabe, die dem in Rede stehenden Minister Prof. Maihofer übertragen ist. Wir wissen nicht, ob im Laufe der Legislaturperiode andere wichtige Aufgaben von ihm gelöst werden können.
Daß er nun Minister für besondere Aufgaben beim Stellvertreter des Bundeskanzlers ist, hat sehr praktische Bedeutung. Das ist nämlich auch wieder ein Ausdruck unseres Willens zur Sparsamkeit. Ich bin noch in Regierungen gewesen, in denen andere Strukturen üblich waren. Da war es so, daß Minister für besondere Aufgaben ein ganzes eigenes Ministerium mit allen allgemeinen Diensten hatten, die dann einfach entstehen müssen. Wir haben aus einer schlichten Überlegung in beiden Fällen es so gehalten. Dadurch konnten wir vermeiden, daß diese Bundesminister alle die allgemeinen Dienste brauchen, die normalerweise ein Minister nötig hat, wenn er ganz selbständig auch in der Administration arbeiten muß. Das ist also ein praktischer Gesichtspunkt, für den jeder von Ihnen Verständnis haben sollte und auch Verständnis aufbringen wird. Daß ich dafür plädiere, diesen meinen Parteifreund Prof. Maihofer in dem Haushaltsplan mit seinen vollen Bezügen bestehen zu lassen, versteht sich von selbst.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Picard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lediglich der sehr verehrte Herr Kollege Bangemann hat mich veranlaßt, hier noch eine Bemerkung zu machen. Ich möchte — was sicher selten vorkommt — das unterstreichen, was der Herr Bundesaußenminister gesagt hat: Aus dem Verzicht der Opposition, bei Einzelplan 05 eine grundsätzliche außenpolitische Debatte zu führen, kann nicht geschlossen werden, daß wir nun plötzlich von heute auf morgen mit der Außenpolitik, die hier geführt wird, zumal sie nur zur Hälfte in diesem Ministerium stattfindet, einverstanden wären.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2527
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 7/808. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Meine Damen und Herren, der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05. Wer dem Einzelplan 05 in der vorgelegten Fassung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf: Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern
— Drucksache 7/726 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl
Abgeordneter Möller
Abgeordneter Haehser
Ich erteile zunächst dem Herrn Abgeordneten Dr. Riedl als einem der Herren Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter für den Einzelplan 06 möchte ich hier folgendes vortragen.Der Einzelplan 06 schließt nach den Beratungen im Haushaltsausschuß mit 1,786 Milliarden DM ab. Unter Berücksichtigung der Umsetzungen auf Grund der Neuorganisation der Bundesregierung und der Aufstockung des Plafonds der zivilen Verteidigung ergibt sich nach den Beratungen im Haushaltsausschuß eine Nettoverkürzung von 1,3 Millionen DM gegenüber dem ursprünglichen Regierungsansatz. Die Steigerungsrate des Einzelplanes gegenüber dem Vorjahr beträgt 16,8 % und liegt damit erheblich über der allgemeinen Steigerungsrate des Gesamthaushaltes. Diese höhere Steigerungsquote gegenüber 1972 ist insbesondere durch das Schwerpunktpogramm Innere Sicherheit und als Folge der Neuorganisation der Bundesregierung verursacht. So hat der Haushaltsausschuß den in der Regierungsvorlage vorgesehenen 872 neuen Stellen für den Bereich Innere Sicherheit zugestimmt, wobei allein 502 Stellen auf den Bundesgrenzschutz und 186 Stellen auf das Bundeskriminalamt entfallen. Des weiteren hat der Haushaltsausschuß 155 neue Stellen für das Umweltbundesamt bewilligt, von denen 15 Stellen gesperrt sind.Bevor ich zu einigen wenigen Schwerpunkten dieses Einzelplans Anmerkungen mache, gestatten Sie mir bitte den Hinweis, daß offensichtlich zum erstenmal seit 1949 der Innenausschuß des DeutschenBundestages keine Gelegenheit genommen hat, den Ressorthaushalt zu beraten.
Ich stelle dies mit großem Bedauern fest, weil dadurch ein ganz wesentliches Kontrollrecht dieses Hohen Hauses gegenüber der Regierung nicht wahrgenommen wurde.Nun einige Anmerkungen zunächst zum Bereich des Sports. Der Haushaltsausschuß unterstreicht mit der Zustimmung zu den Sportausgaben im Einzelplan 06 in Höhe von 110,4 Millionen DM seine Bemühungen um eine Fortsetzung der bisherigen Sportförderung des Bundes. Die Aufwendungen für zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports bei Tit. 684 61, dem eigentlichen Arbeitstitel der Sportförderung, belaufen sich auf 23,8 Millionen DM. Nominal beträgt die Steigerung gegenüber 1972 zwar nur 271 0000 DM, tatsächlich jedoch beträgt die Steigerung 2,297 Millionen DM, weil die im Vorjahr enthaltenen Entsendungkosten für die Olympiamannschaften nach Sapporo und München diesmal entfallen. Dieser an sich zufriedenstellenden Steigerungsrate stehen allerdings im Vergleich der Sportförderungsmittel des Bundes aller Ressorts in den Haushaltsjahren 1972 und 1973 nur ganz geringfügige Steigerungen gegenüber, was bei den allgemein bekannten Kostensteigerungen zu einer tatsächlichen Einschränkung der Leistungen des Bundes für den Sport führen muß. Hier wiederum ist weitgehend der Breitensport betroffen.Schmerzlich für uns alle hier in diesem Hause ist die Tatsache, daß die Bundesförderung des Sportstättenbaus nach dem Goldenen Plan auf Grund der verfassungsrechtlichen Neuordnung der Finanzierungskompetenzen zwischen Bund und Ländern vom Jahre 1969 im Auslaufen begriffen ist. Immerhin — ich möchte damit einmal die Bedeutung dieses Goldenen Plans anskizzieren — konnten bisher mit Hilfe des Bundes über diesen Plan rund 6000 Sportstätten errichtet und finanziert werden. Der Bund wird nach 1973 mit 3,5 Millionen DM die letzte Rate aus dem Goldenen Plan nur noch im Jahre 1974 leisten können; vom Jahre 1975 an gibt es keine Finanzierung aus dem Goldenen Plan mehr.Im Ergebnis darf der Sportstättenbau in unserem Lande auch in Zukunft keine Not leiden. Die Länder sind durch die Finanzierungskompetenz aufgerufen, in die sich auftuende Finanzierungslücke voll einzuspringen. Daß sie dazu aber nur zum Teil in der Lage sind, beweisen endlose Wartelisten und Antragssperren, die von den zuständigen Länderministerien aufgestellt bzw. verhängt werden mußten. Nicht unsere großen Bundesleistungszentren, auch nicht die Landesleistungszentren oder die Großvereine sind vom Auslaufen des Goldenen Planes benachteiligt, sondern die unzähligen kleinen Vereine und hier wiederum insbesondere die kleineren Vereine in den Großstädten und Ballungsgebieten, die heute vielfach noch in miserablen Sportstättenverhältnissen leben müssen.
Diese Erfahrungen dürfen wir nicht hinnehmen, sondern wir müssen — dazu ist der Sportausschuß die-
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Dr. Riedl
ses Hauses aufgerufen — möglichst bald nach vernünftigen Ersatzlösungen für den Goldenen Plan suchen.Dazu müssen auch die Überlegungen gehören, die Glücksspirale des Fernsehens zu einer Dauereinrichlung zur Förderung des Sports zu machen.Demgegenüber wird der Bund weiterhin seine Verpflichtungen zum Sportstättenbau im Zonenrandgebiet nach dem Zonenrandförderungsgesetz erfüllen. 1973 werden hier 16 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden können.Unverändert wird sich der Bund weiter um den Ausbau der Bundesleistungszentren und der Landesleistungszentren mit Bundesbenutzung bemühen. Dennoch ist mit großer Aufmerksamkeit festzustellen, daß in manchen Sportarten die Spitzenleistungen nachgelassen haben, obwohl der Bund mit optimalen Leistungszentren ideale Trainingsverhältnisse geschaffen hat. Der Bau von Leistungszentren und der Leistungsgrad unserer Spitzensportler stehen offensichtlich nicht immer in gleich aufsteigendem Verhältnis, was aber im einzelnen, insbesondere auch durch unseren Sportausschuß und durch die zuständigen Verbände, noch gründlich untersucht werden muß.Für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft konnten nach längerer Durststrecke 1973 erstmals sechs neue Stellen bewilligt werden, die schwerpunktmäßig im wissenschaftlichen Bereich eingesetzt werden sollen. Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft wird damit aus einer schwierigen Phase des Aufbaus herauskommen. Mit dieser Hilfe des Haushaltsausschusses, aber auch sicher mit der Hilfe dieses Parlaments, wird eine Verbesserung der wissenschaftlichen Koordinierungsfunktion auf dem Gebiet der Sportwissenschaft erfolgen können. Wir hoffen nur, daß der Sport davon auch unverzüglich Gebrauch macht und daß nicht — ähnlich wie bei der sportmedizinischen Betreuung — von mangelndem Interesse an den angebotenen Möglichkeiten die Rede sein wird. Trotz dieser gezielten Verbesserungen im Personalbereich wird das Bundesinstitut erst bei entsprechender materieller Ausstattung in der Lage sein können, seinem Auftrag voll gerecht zu werden.Ein Wort zur Abwicklung der Kosten der Olympiade 1973 in München. Die Abwicklungsarbeiten dazu sind in vollem Gange. Es ist zur Zeit — ich betone: zur Zeit — festzustellen, daß die dem Parlament genannte Abschlußzahl von 1,972 Milliarden DM nicht überschritten werden wird. Entsprechende und wiederholt abgegebene Erklärungen der Verantwortlichen des Organisationskomitees gegenüber dem Haushaltsausschuß liegen vor. Wir hören aber, daß beispielsweise ein mangelhafter Korrosionsschutz an den Außenanlagen des Zeltdaches sowie Verfärbungen im Zeltdach in der Schwimm- und Sporthalle sowie die ungeklärte Architektenvertragssituation hier noch Änderungen herbeiführen können. Ich bin aber sicher, daß dieses Hohe Haus auch heute mit aller Entschiedenheit feststellt, daß es kein Verständnis aufbringen wird, wenn die endgültig genannte Kostensumme von 1,972 Milliarden DM wider Erwarten überschritten werden sollte.
Die Bundesregierung möge deshalb alles unternehmen, die Abschlußarbeiten in München zügig zu Ende zu führen, um dann den angekündigten Abschlußbericht dem Parlament zuleiten zu können. Zu einem allerdings scheint berechtigte Hoffnung schon heute zu bestehen: daß ein derartig langer Abwicklungszeitraum, wie er bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin gedauert hat — es waren nahezu 20 Jahre —, diesmal nicht entstehen wird.Nun ein kurzes Wort zu einem sehr heiklen Thema, nämlich der Bundesfinanzierung anläßlich der Fußballweltmeisterschaft 1974. Im Bundeshaushalt sind zur Finanzierung der Stadionbauten aus Anlaß dieser Fußballweltmeisterschaft als Finanzierungshilfe 50 Millionen DM, verteilt über mehrere Jahre, eingesetzt, die auf die sieben Austragungsstädte Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover und Stuttgart nach Absprache im Sportausschuß des Deutschen Bundestages verteilt werden. Die beiden weiteren Austragungsstädte München und Berlin werden an diesen 50 Millionen DM nicht beteiligt. Da offensichtlich bei einigen Städten noch erhebliche Fehlbeträge bestehen bzw., genauer gesagt, die Endbelastung relativ hoch liegt — es sind Gelsenkirchen, Dortmund und Düsseldorf —, haben sich die Berichterstatter, mein Kollege Walther und ich, dahin verständigt, daß der Gesamtanteil des Bundes an dieser Finanzierung vom Haushaltsausschuß erst dann endgültig festgelegt werden wird, wenn das Einspielergebnis der Glücksspirale 1974 vorliegt.Angesichts der draußen leider Gottes immer wieder vorherrschenden falschen Meinung über die Verwendung dieser Gelder möchte ich hier eines sagen. Diese 50 Millionen DM, meine Damen und Herren, fließen nicht in die Taschen der ohnehin hoch bezahlten Fußball-Profis, sondern dienen allein der Bezuschussung des Ausbaus bzw. der Erneuerung der Fußballstadien. Das muß gerade im Zusammenhang mit der an diesem Wochenende geäußerten Kritik in der Öffentlichkeit einmal gesagt werden.
Denn Bundesregierung und Bundestag haben diesen Bundeszuschuß stets als eine notwendige Maßnahme zur Verbesserung der Struktur der Großstadien in unserem Land angesehen, die entweder sehr veraltet waren oder sich in einem nicht mehr ausreichenden Sicherheitszustand befanden. Meine Damen und Herren, ich möchte die öffentliche Meinung hören, wenn bei uns einmal ein Unglück passiert, wie es vor einigen Jahren in Glasgow auf Grund völlig unzureichender Stadionverhältnisse passiert ist. Ich möchte hören, was dann für ein Gezeter und Geschrei losgehen würde, insbesondere auch über die Verantwortlichen im Bundestag und in der Bundesregierung.Außerdem muß man wissen, daß es in bestimmtenBallungsräumen — hier denke ich insbesondere andas Ruhrgebiet — überhaupt kein entsprechendesGroßstadion gab.
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Dr. Riedl
Die Fußballweltmeisterschaft bot deshalb zu all diesen Maßnahmen den gegebenen Anlaß. Der Nutzen aus diesen Investitionen wird über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren von Aktiven und Zuschauern im breitesten Maße gezogen werden können. Es muß daher — ich komme nochmals auf diese Kritiken zurück — sehr verwundern, daß ausgerechnet auf dem Deutschen Turnfest in Stuttgart Kritik geübt wurde, obwohl dieses Turnfest ohne die Renovierung des Neckarstadions in Stuttgart eben aus diesen Mitteln überhaupt nicht hätte abgehalten werden können.Sorgen -- damit komme ich zum Schluß meiner kurzen Bemerkungen über den Sport bereiten verschiedentliche Beanstandungen des Bundesrechnungshofs zur Verwendung der Bundesmittel für den Sport. Diese Beanstandungen sind in der Tat sehr ernst zu nehmen. Es muß alles versucht werden, Anlässe hierzu für die Zukunft auszuräumen. Hier ergeht ein deutlicher Ruf an die Vertreter des Sports, sich noch mehr als bisher mit dem Staat um einen reibungslosen Ablauf der gemeinsamen Förderungsmaßnahmen zu bemühen. Das Parlament muß verständigerweise auf der strikten Handhabung der alle bindenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen bestehen. Der Staat hilft hierbei, indem er bereits jetzt den Verbänden zur Verbesserung ihrer Verwaltungsstruktur hauptamtliche Verwaltungskräfte finanziert. Er wird diese Hilfen im Rahmen des Möglichen verstärken.Nun, meine Damen und Herren, mache ich vom Sport einen kurzen, aber hoffentlich verständlichen Sprung in den Bereich von Kultur und Wissenschaft. Dafür betragen im Einzelplan 06 für 1973 die Gesamtausgaben 100,8 Millionen DM, wovon allein auf die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 31,1 Millionen DM entfallen. Die Deutsche Bibliothek erhält 11,2 Millionen DM und der Arbeitskreis selbständiger kultureller Einrichtungen 2,154 Millionen DM. Diese Zahlen nenne ich nur als Vergleich.Ein Bereich davon ist in besonderer Weise problematisch geworden, nämlich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Hierzu gestatten Sie einige Anmerkungen. Der Finanzbedarf dieser Stiftung wird nach dem Stiftungsgesetz zu 9/19 vom Bund und zu 10/19 von den beteiligten Ländern aufgebracht. Bisher haben sich nur das Land Berlin und das Land Nordrhein-Westfalen — und mit geringen Festbeträgen Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg -- an der Finanzierung dieser Stiftung beteiligt. Der Länderanteil wurde bis auf den Festbetrag von Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg -- je zur Hälfte von Berlin und Nordrhein-Westfalen getragen. Seit 1972 sieht sich Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf seine finanziellen Belastungen für landeseigene Kultureinrichtungen außerstande, zu den steigenden Personal- und Sachkosten der Stiftung mehr als einen Festbetrag in Höhe von 12,5 Millionen DM zu leisten. Allein durch die Minderleistung Nordrhein-Westfalens entsteht bei der Stiftung im Jahre 1973 eine Finanzierungslücke von 4,4 Millionen DM, die die Stiftung durch entsprechende Einschränkung ihrer Aktivitäten erwirtschaften muß.Dieses Finanzierungslücke wird in den Folgejahren zwangsläufig weiter wachsen und die Arbeit der Stiftung ernsthaft gefährden, wenn es nicht gelingt, die Finanzierung der Stiftung für die Zukunft auf eine neue, breite Basis zu stellen. Die Bundesregierung ist deshalb bestrebt — so hat sie uns in den Haushaltsberatungen versichert —, eine Beteiligung aller Länder an der Aufbringung des auf die Länder entfallenden Finanzierungsanteils zu erreichen. Diese auch den Intentionen des Stiftungsgesetzes besser gerecht werdende Lösung würde zugleich auch die finanzielle Belastung jedes einzelnen Landes in vertretbaren Grenzen halten.Der Haushaltsausschuß hat dieser Problematik seine Aufmerksamkeit gewidmet und die Bundesregierung aufgefordert, ihm bis zum 1. Oktober 1973 über den Erfolg ihrer Bemühungen zur Lösung des Finanzierungsproblems der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu berichten.Meine Damen und Herren, zum Schluß dieses kurzen, stichwortartigen Berichtes will ich noch etwas über eine demnächst auf uns zukommende Aufgabe sagen. Kunst- und Kulturpflege haben bisher an der Dynamik staatlicher Förderung nicht teilgenommen. Sie sind vielmehr in ihrer Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung eindeutig unterbewertet worden. Es ist deshalb unerläßlich, die Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Verantwortung zur Wahrung und Förderung deutscher Kultur in geeigneter Weise zu verstärken.Die Gesamtausgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden für Kunst- und Kulturpflege betrugen — leider kann ich Ihnen keine neueren Zahlenliefern im Jahre 1970 2,1 Milliarden DM. Dies war nicht mehr als 0,3 % des Bruttosozialprodukts. Demgegenüber beträgt der Anteil der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft zur Zeit 4,5 % des Bruttosozialprodukts. Nach den Vorstellungen der BundLänder-Kommission für Bildungsplanung soll er bis 1985 auf etwa 8 % gesteigert werden. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Ausgaben im Bereich Bildung und Wissenschaft in besonderem Maße steigen müssen und werden, kann die Kulturpflege nicht der Stagnation ausgeliefert werden. Dies ist um so weniger denkbar, als hier schon mit verhältnismäßig geringeren Aufwendungen sehr viel erreicht werden könnte.Im Gegensatz zur Bundesrepublik verfügen andere Länder je nach ihrer staatlichen Eigenart über Stiftungen oder ähnliche Einrichtungen, die sich der Kulturpflege widmen, so z. B. die Schweiz über die Stiftung „Pro Helvetia'', die USA über die „National Foundation on the Arts and the Hummanities" und Großbritannien über die Stiftung „Arts Council of Great Britain".Stiftungen wie etwa die Volkswagenstiftung oder Einrichtungen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft widmen sich nahezu ausschließlich der Förderung der Wissenschaft. Auch hier hat die Frage eines Beitrages zur Kulturförderung bisher allzusehr im Hintergrund gestanden. Der Bund, insbesondere das Bundesinnenministerium, finanziert seit Jahren wertvolle Einrichtungen, ohne daß bisher
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Dr. Riedl
eine ihrer Bedeutung angemessene Förderung möglich war. Diese Einzelförderung war trotz der anerkennenswerten Aufbauleistung unzulänglich, weil ein übergeordneter Zusammenhang und eine entsprechende Zusammenfassung dem Bundesfinanzminister und dem Haushaltsausschuß nicht deutlich gemacht werden konnten.Ein Gegenbeispiel dafür ist lediglich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Hier ist durch die Zusammenfassung der noch vorhandenen Einrichtungen eine beachtenswerte Aufbauleistung gelungen.Mit der in der Regierungserklärung angekündigten und von allen drei Fraktionen dieses Hauses erwünschten Deutschen Nationalstiftung soll in unserem Staat dem Bereich der Kultur und Kulturpflege endlich der Rang eingeräumt werden, der in der bisherigen Entwicklung nicht richtig gesehen und akzentuiert war. Der Bund muß das Seine im Rahmen seiner Zuständigkeit beitragen, die Länder das Ihre im Rahmen der ihnen vom Grundgesetz eingeräumten Kompetenzen. Die Nationalstiftung darf nun aber keineswegs als Instrument zur Finanzierungsverlagerung — etwa auf den Bund — gesehen werden. Sie muß vielmehr den Impuls geben, daß beide Träger der Staatsaufgaben ihre Zuständigkeit weiter aktivieren. Der Nationalstiftung muß in diesem gemeinsamen Bemühen integrierende Bedeutung zukommen. In überregionalen Bereichen der Kultur und solchen, die das Staatsganze repräsentieren, müssen von ihr neue Impulse ausgehen, die von allen Trägern des staatlichen und nichtstaatlichen Bereiches getragen werden, denen Verantwortung im Kulturbereich nach unserer gesellschaftlichen Ordnung zukommt. Vermehrten Anstrengungen des Staates müssen solche des privaten Mäzenatentums folgen. Unser Kulturleben setzt große Erwartungen in diese Einrichtung. Das Parlament wird gewiß die Bundesregierung unterstützen, diese Erwartungen im Rahmen des Möglichen zu erfüllen. Das Parlament erwartet seinerseits von der Bundesregierung aber endlich Vorschläge, wenn sie ihre zur Zeit laufenden Überlegungen zur Nationalstiftung abgeschlossen hat. Leider hat die Bundesregierung die Chance nicht wahrgenommen, durch einen ersten Haushaltsansatz — und sei es nur ein Leertitel — sowie eine Ergänzung der mittelfristigen Finanzplanung die Diskussion darüber im Haushaltsausschuß in Gang zu setzen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit wäre in wenigen Worten zum ersten Teil der Berichterstattung über den Einzelplan 06 Auskunft gegeben. Über den anderen Teil „Innere Sicherheit" wird mein Kollege Möller noch berichten. Ich darf mich bei dieser Gelegenheit — das ist mehr als eine Routineübung — bei den Spitzen des Hauses, vor allen Dingen aber auch bei den Mitarbeitern von Herrn Minister Genscher sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Die Bereitschaft, den Haushaltsberichterstattern auch etwas delikate Dinge sofort zur Verfügung zu stellen, war eine der erfreulichsten Tatsachen dieserZusammenarbeit. Ich hoffe, daß dies in Zukunft so bleiben wird.
Meine Damen und Herren, ich danke dem Berichterstatter.
Bevor ich dem zweiten Berichterstatter das Wort gebe, muß ich auf einen Zwischenfall von heute nachmittag zurückkommen. Während der Rede des Bundeskanzlers sind eine Reihe von Zwischenrufen gefallen. Dabei hat der Kollege Seiters dem Bundeskanzler zugerufen: „Sie sind ein Verleumder!"
Eine ähnliche sinngemäße Äußerung hat er an zweiter Stelle wiederholt.
Meine Herren und Damen, das Präsidium hat in der allgemeinen Unruhe diesen Zwischenruf nicht hören können. Aber nachdem das Protokoll diese Formulierung eindeutig ausweist, erteile ich dem Kollegen Seiters einen Ordnungsruf.
Nunmehr erteile ich dem Herrn Abgeordneten Möller zur Berichterstattung das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir als weiterer Berichterstatter zum Einzelplan 06 einige zusätzliche erklärende Bemerkungen zu dem allgemeinen Komplex derjenigen Kapitel abzugeben, die sich hauptsächlich mit dem Bereich der Inneren Sicherheit verbinden lassen. Ich glaube, Herr Kollege Haehser, daß die haushaltsmäßige Behandlung gerade dieses Themenkomplexes auch heute zu dieser späten Abendstunde das Interesse des Hohen Hauses finden sollte, da zumindest das Thema der „Inneren Sicherheit" in den letzten Jahren immer im Interesse der breiten Öffentlichkeit gestanden hat.Meine Damen und Herren, die Anstrengungen aller im Parlament vertretenen Parteien zur Verbesserung der „Inneren Sicherheit" in der Bundesrepublik für die Bereiche, für die der Bund zuständig ist, fanden ihren vorläufigen Etappenschlußpunkt in der Verabschiedung des BGS-Gesetzes vom August 1972 und in der Novellierung des BKA-Gesetzes vom Mai dieses Jahres. Gleichzeitig wurde im Juni 1972 ein Sicherheitsprogramm zwischen Bund und Ländern verabschiedet, daß eine entsprechende Aufgabenverteilung und damit auch haushaltsmäßige Folgen für den Bereich der Bereitschaftspolizeien nach sich ziehen mußte.Die Folgelasten all dieser Maßnahmen mußten in den Haushaltsberatungen zu Recht zu einer Ausnahmesituation im Rahmen der allgemeinen stabilitätspolitischen Bemühungen führen, da wir im Haushaltsausschuß nicht bereit waren, die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung bzw. zur Aufrechterhaltung der „Inneren Sicherheit" an den materiellen Voraussetzungen scheitern zu lassen.
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Möller
In den Haushaltsberatungen wurde unterstrichen und deutlich gemacht, daß die Ausgabenentwicklung in dem Bereich der „Inneren Sicherheit" nicht anti-oder prozyklisch verlaufen und betrieben werden kann, sondern nur kontinuierlich und dem Anstieg der Aufgaben entsprechend. Diese grundsätzliche Einstellung spiegelt sich nun in dem Ihnen vorgelegten Zahlenmaterial wider. Die Kapitel des Haushaltes 1973 für den Bereich „Innere Sicherheit" erfahren eine Steigerungsrate, die sich nahtlos in die bisherige gradlinige Entwicklung einpaßt.Die Ausgaben für die Bereiche Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt, Bundesgrenzschutz sowie Bereitschaftspolizeien der Länder und andere kleinere Posten steigern sich von 1972 mit 645 Millionen DM zu 1973 auf 831 Millionen DM und damit um nominal 186 Millionen DM oder um eine Prozentsteigerung von 28,9.Ich erwähne bewußt eine nominale Steigerungsrate, da wir für ,die echte Beurteilung der Effektivität der aufgebrachten zusätzlichen Haushaltsmittel leider auch hier einen Inflationsverlust von durchschnittlich 14 % in Rechnung stellen mußten.
Fast 30 Millionen DM gehen somit der zusätzlichen Steigerung von 1972 auf 1973 im Bereich der inneren Sicherheit verloren. Rechnen wir sogar den Gesamteffektivitätsverlust, den die augenblicklichen Inflationsraten all unseren Bemühungen zur Verstärkung der inneren Sicherheit beifügen, so kommen wir —auf das Gesamtvolumen bezogen — auf sage und schreibe 120 Millionen DM Substanzverlust; eine Tatsache, die uns allerdings quer durch alle Parteien im Haushaltsausschuß natürlich auch bewog, die Ausgabenentwicklung dieser Bereiche eben unter einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten als die vieler anderer Einzelpläne.Ebenfalls entgegen der allgemeinen Absicht der Regierung, die sich in allen übrigen Bereichen größter Zurückhaltung bei neuen Stellenbewilligungen auferlegte, mußten wir — wenn auch natürlich unter der notwendigen kritischen Überprüfung — den Sicherheitsbereich um 872 neue Stellen für 1973 verstärken, um damit die erweiterten und neuen Aufgaben innerhalb der von mir soeben angeschnittenen Institutionen erfüllen zu können.Gestatten Sie mir nun einige detaillierte Bemerkungen zu einigen wenigen Einzelbereichen. Vielleicht darf ich etwas außerhalb des Sicherheitsbereiches ein Sonderthema noch einmal kurz erwähnen. Im Bereich des Kapitels Bundesarchiv gab es innerhalb des Haushaltsausschusses nach den Beratungen um die Errichtung einer Gedenkstätte für die Entwicklung der deutschen Freiheitsgeschichte seit 1844 ein Mehrheits- und ein Minderheitsvotum, das sich an der Frage entzündete, ob im Rahmen dieser neu einzurichtenden Gedenkstätte lediglich die Entwicklung der Freiheitsgeschichte in Deutschland bis zum 20. Juli 1944 darzustellen sei oder ob auch, wie das das Minderheitsvotum der CDU/CSU-Mitglieder war, die Freiheitsgeschichte in Deutschland auf jeden Fall einschließlich des 17. Juni 1953 in der Gedenkstätte darzustellen sei.
— Bitte schön, Herr Kollege Haehser.
Herr Kollege Möller, ist Ihnen entgangen, daß es in dieser Frage überhaupt keine unterschiedlichen Auffassungen gab, sondern wir lediglich zur Kenntnis genommen haben, daß das, was jetzt eingerichtet wird, das vorige Jahrhundert betrifft, und daß das, was danach kommt, späteren Verhandlungen obliegt.
Herr Kollege Haehser, dann erscheint es mir allerdings etwas verwunderlich, warum die Mitglieder Ihrer Fraktion im Haushaltsausschuß einen zweiten Antrag gestellt haben, eine Sperre, die wir gerade für diesen Punkt ausgesprochen hatten, weil wir nämlich nicht bereit waren, diesen Plänen unter der ursprünglich vorgelegten Konzeption zuzustimmen, wieder aufzuheben.
Verzeihen Sie, Herr Kollege, ich höre eben, wir sind noch in der Berichterstattung. Eigentlich sind Zwischenfragen gar nicht zugelassen.
Gnädige Frau, ich habe eine Frage gestellt, weil hier eine Verwischung zwischen Berichterstattung und Rede vorgekommen ist.
Verzeihen Sie, Herr Kollege, das müßte ich feststellen. Daß keine Zwischenfragen gestattet sind, ist eben bei dem Wechsel übersehen worden. — Ich bitte fortzufahren, Herr Kollege.
Herr Kollege Haehser, ich glaube wirklich nicht, daß hier eine Verwischung vorgekommen ist, sondern ich glaube, daß ich meinen Erinnerungen und dem Protokoll gemäß die Vorgänge im Haushaltsausschuß in dieser Angelegenheit deutlich angeschnitten habe. Aber vielleicht haben wir nachher Gelegenheit, noch einmal über das Thema zu diskutieren. Ich darf vielleicht erst einmal fortfahren.Im Bereich des Bundesamtes für Zivilen Bevölkerungsschutz möchte ich auf folgendes hinweisen, meine Damen und Herren. Unsere besondere Aufmerksamkeit innerhalb dieses Bereiches haben bei der Haushaltsfestsetzung jene Maßnahmen gefunden, die ihre Auswirkungen erstens nicht nur im Verteidigungsfalle, sondern auch im allgemeinen friedlichen Katastrophenschutzdienst erfahren und die zweitens dazu geeignet sind, den vielen tausend freiwilligen Helfern draußen im Lande ihren Dienst an unserer Gesellschaft und für unsere Gesellschaft wenigstens etwas leichter zu gestalten. Aus diesem Grunde ist der Mittelansatz für den Neu- und Ausbau der Unterkunftsräume für die freiwilligen Hel-
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Möller
fer des Technischen Hilfswerks im Haushaltsausschuß entsprechend deutlich um mehr als 33 % erhöht worden. Zumal wenn man draußen feststellen mußte, daß diese freiwilligen Helfer des Technischen Hilfswerks zum Teil in Unterkünften hausten, die man — mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Frau Präsidentin — fast als Hühnerstall bezeichnen mußte, war es nur folgerichtig, daß dieser Zustand durch die Bewilligung der zusätzlichen Mittel im Haushaltsausschuß langsam wird behoben werden können. Meines Erachtens und dem Erachten des Ausschusses nach muß Qualität des Lebens auch ihren Niederschlag in der Qualität der Anerkennung der freiwilligen Helfer finden, die ihren Dienst an dieser Gesellschaft leisten.
Gleichzeitig wurde durch die Erweiterung des Hubschrauberversuchsmodells durch drei weitere Einheiten auf jetzt sechs Hubschraubereinheiten die Tätigkeit des Zivilen Bevölkerungsschutzes weiterhin eben auch für diesen friedlichen Katastrophenschutzdienst verstärkt.Meine Damen und Herren, leider war es dem Haushaltsausschuß nicht möglich, im Bereich der zivilen Verteidigung die angestrebte Relation der Mittel für die zivile Verteidigung zu den Mitteln der militärischen Verteidigung herzustellen. Ja, wir mußten auf Grund der augenblicklichen Haushaltslage sogar eine weitere Verschlechterung der Situation hinnehmen.Im Bereich des Bundeskriminalamts stand der Haushaltsausschuß vor der Notwendigkeit, dem erweiterten Aufgabenbereich auch durch die personelle Ergänzung dieses Amtes durch insgesamt 186 Stellen Rechnung zu tragen, gleichzeitig auch durch eine entsprechende Verbesserung der technischen Ausrüstung. Die Zunahme der Gewaltkriminalität, der Rauschgiftverbrechen sowie der Massendelikte und Serienstraftaten erforderte innerhalb des BKA, daß erstens die Ermittlungstätigkeit intensiviert wird, zweitens der Schutz- und Begleitdienst erheblich verstärkt werden, drittens die Leistungsfähigkeit der Gutachter- und Auskunftsdienste — hier ist die Kriminaltechnik und Kriminalwissenschaft gemeint — erhöht wird, viertens das Bundeskriminalamt auf dem Gebiet der Technik in die Lage versetzt wurde, mit der Entwicklung Schritt zu halten, und fünftens die erforderlichen Baumaßnahmen für die Unterbringung von Personal und Gerät entsprechend sichergestellt werden. Insgesamt ergab sich somit ein Haushaltsansatz für das BKA für 1973 von 119,4 Millionen DM gegenüber 75,9 im Jahre 1972, eine prozentuale Steigerung um 57,3 % und eine nominale Steigerung um 43,5 Millionen DM.Zum Bereich der Bereitschaftspolizeien der Länder, meine Damen und Herren, lassen Sie mich daran erinnern, daß der Bund für die Länderbereitschaftspolizeien die notwendigen Ausrüstungen zur Verfügung stellen muß. Gemäß dem im Juni vorgelegten Bund/Länder-Programm erhöhen sich die Haushaltsansätze für die Bereitschaftspolizeien im Bundesetat um 17,4 Millionen DM auf 28,1 Millionen DM oder prozentual um mehr als 150 %.Zum Abschluß meiner Detailausführungen, meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz noch einmal auf den Bereich des Bundesgrenzschutzes als einer der Hauptstützen der „Inneren Sicherheit" eingehen. Bedingt durch das BGS-Gesetz vom August 1972 und den damit erweiterten Aufgabenbereich des Bundesgrenzschutzes auch als Polizeieinheit, wurden die Mittel 1973 um 107,7 Millionen DM auf 604,8 Millionen DM erhöht, was einer prozentualen Steigerung von 21,7 % entspricht. Diese Anhebung wurde im wesentlichen durch die allgemeinen Besoldungs-und Tarifverbesserungen, durch die Erhöhung des Grenzschutzsoldes und die Aufstockung der Durchschnittsstärke von 19 500 auf 20 000 Mann durch die Bewilligung von insgesamt 502 neuen Planstellen für den BGS verursacht, die sich schwerpunktmäßig auf die Bereiche Luftsicherheit, Grenzschutzabteilung Bonn, Grenzschutzfliegergruppe und Grenzschutzeinzeldienst verteilen.Weiterhin sind diese Ausgabensteigerungen natürlich durch die Mehrkosten bei der Bewirtschaftung der Unterkünfte, des Betriebs des Fahrzeugsparks sowie durch die zusätzlichen Ausgaben für Auslandsdienstreisen verursacht worden, die auf Grund des Einsatzes des BGS im Rahmen der Luftsicherheit geleistet werden müssen.Und noch eins, meine Damen und Herren. Ich glaube, daß die vom Haushaltsausschuß festgesetzten Mittelansätze eindeutig, den vom Gesetzgeber gewünschten Umstrukturierungsprozeß in Richtung auf Kompetenzerweiterung als zusätzliche Polizeieinheit untermauern und damit deutlich jedem untauglichen Versuch widersprechen, den Bundesgrenzschutz durch pauschale Angriffe in seiner Existenz ins Abseits zu stellen.
Wenn ich, meine Damen und Herren, anfangs ausführte, daß gerade der Bereich „Innere Sicherheit" im Rahmen des Einzelplans 06 im Gegensatz zum allgemeinen Versuch der stabilitätspolitischen Bemühungen behandelt wurde oder wir im Haushaltsausschuß diesen Bereich etwas mit Samthandschuhen angefaßt haben, so gestatten Sie mir vielleicht dennoch einige kritische Schlußbemerkungen aus der Sicht des Haushaltsausschusses und des Berichterstatters.Erstens. Sie wissen, daß im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung vom Haushaltsausschuß in den letzten Jahren erhebliche Mittel für alle Häuser bewilligt worden sind und daß hieraus im Rahmen des Datenverbundes das Innenministerium für eine entsprechende Koordinierung und die damit verbundene optimale Ausnutzung dieser Mittel verantwortlich ist.Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß dieses Problem schon in etlichen Haushaltsberatungen eine entscheidende Rolle gespielt hat. Diese Erfolgsbilanz steht noch aus, obwohl ihr Ergebnis oder Nichtergebnis erhebliche Auswirkungen auch auf die zukünftigen Entscheidungen des Haushaltsausschusses haben wird.Zweitens. Welche exakte Konzeption mit welchen finanziellen Auswirkungen und damit auch mit wel-
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chen zusätzlichen Möglichkeiten der Auslastung bereits bewilligter Mittel wird vom Innenministerium entwickelt, urn den Bundesgrenzschutz in Kürze als bewegliche Eingreifreserve den Ländern bei Spitzenbelastungen zur Verfügung zu stellen?Drittens. Welche kurzfristig zu realisierenden Vorstellungen hat das Innenministerium, um den Beamten innerhalb des BGS die besoldungsmäßige und laufbahnmäßige Gleichstellung mit den LänderPolizeien zu gewährleisten? Ich denke hier unter anderem an die Diskussion über den möglichen Wegfall der Besoldungsgruppen A 1 bis A 4. Wann ist für den Haushaltsausschuß mit einer solchen Maßnahme zu rechnen, die zwangsläufig finanzielle Auswirkungen für uns mit sich bringen wird?Viertens. Welche exakt kurzfristig zu realisierenden Vorstellungen wird es geben, um den Bereich der Abwehr äußerer Gefahren im Luftverkehr sicherzustellen? Auch hier taucht zwangsläufig die Frage nach dem Ausmaß der finanziellen Auswirkungen auf.Fünftens. Wann und wie — lassen Sie mich damit dann zum Schluß kommen — wird eine Fortschreibung der Gesamtkonzeption zum Bereich der „Inneren Sicherheit" vorgelegt?Nach Ansicht des Haushaltsausschusses, wie auch nach meiner Ansicht ist es absolut nicht damit getan, für das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesgrenzschutz, die Bereitschaftspolizeien, das Bundesamt für den zivilen Bevölkerungsschutz eine nicht integrierte, jeweils einzeln dastehende Rohkonzeption zu entwickeln und vom Haushaltsausschuß zu verlangen, die entsprechenden Mittel bereitzustellen, ohne hier die Fortschreibung der Gesamtkonzeption zu beachten.Diese fünf Bereiche, meine Damen und Herren, werden einige der Probleme sein, mit denen sich der Haushaltsausschuß in der nächsten Etatberatung für das Jahr 1974 befassen muß.Wir haben versucht, meine Damen und Herren, in dem Ansatz der einzelnen Kapitel und Titel des Haushaltes 1973 zum Bereich der „Inneren Sicherheit" der Notwendigkeit Rechnung zu tragen und gleichzeitig den Gedanken des optimalen Mitteleinsatzes zu folgen. Ich darf wiederholen: Der Bereich der „Inneren Sicherheit" wurde in den Beratungen des Haushaltsausschusses glücklicherweise nicht zum Experimentierfeld verzweifelter Stabilitätsbemühungen gemacht, weil ohne die „Innere Sicherheit" auch im weitesten Sinne des Wortes eine Politik der Stabilität in unserem Land unserer Ansicht nach nicht betrieben werden kann.
Weitere Wortmeldungen zur Berichterstattung liegen nicht vor. Ich eröffne die Aussprache. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Kollege, ich darf Sie einen Moment um Geduld bitten.
Herr Kollege Seiters, Sie wollten noch eine Erklärung abgeben. Bitte, Sie haben das Wort zu
einer persönlichen Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat in seiner Rede am heutigen Nachmittag unter Hinweis auf die Fraktionswechsel in der vergangenen Legislaturperiode seinen unbewiesenen schwerwiegenden Vorwurf der Korruption wiederholt. Für meinen Zwischenruf: „Sie sind ein Verleumder!" ist mir ein Ordnungsruf erteilt worden.
Ich möchte folgendes erklären: Wer hier wie der Bundeskanzler — ganz offensichtlich, um von der Affäre Wienand abzulenken — seine bisherigen unbewiesenen schweren Anschuldigungen gegen Abgeordnete dieses Hauses wiederholt, muß sich gefallen lassen, daß ich ihm auch künftig vorwerfe, Kollegen dieses Hauses mit falschen Behauptungen zu verdächtigen.
Das Wort in der Aussprache, bitte, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat bei Vorlage ihres Haushaltsentwurfs an Hand der darin enthaltenen Zahlen deutlich gemacht, wo sie trotz aller notwendigen Stabilitätsbemühungen Prioritäten der Regierungspolitik in diesem Jahre sieht. Einige dieser Prioritäten finden wir in diesem Einzelplan wieder. Zwar nicht nach der Höhe des Mittelansatzes, aber wegen der Bedeutung der Sache muß an erster Stelle der hier anzusprechenden Prioritäten der Umweltschutz stehen.Umweltschutz, zu Recht als ein wesentlicher Bestandteil dessen zu nennen, was wir uns in der politischen Diskussion dieser Tage als Verbesserung der Qualität des Lebens zu bezeichnen angewöhnt haben, gehört zu jenen Problemen dieser Gesellschaft, deren immer stärker werdender Druck Folge einer Politik ist, die vorausschauende Planung immer als Teufelswerk sozialistischer Systemveränderer angesehen hat. Manche Probleme des Umweltschutzes würde es in diesem Umfang gar nicht geben, wenn unsere früheren Warnungen und Forderungen ernst genommen worden wären.Folgerichtig hat es deshalb auch in den Jahren, in denen andere die Politik zu verantworten hatten, kaum Mittelansätze für den Umweltschutz im Bundeshaushalt gegeben. Erst der Druck einer immer inhumaner werdenden Umwelt hat viele zum Umdenken veranlaßt. Trotzdem mußte erst diese Regierung kommen, um ernsthaftes Handeln zu initiieren.Meine Damen und Herren, noch 1969 waren im Haushaltsplan des Bundesinnenministers für diesen Zweck nur 6,1 Millionen DM ausgewiesen. Die heutige Regierung hat unverzüglich ein Umweltprogramm entwickelt, das der Bundestag im übrigen
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2534 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Waltherzustimmend zur Kenntnis genommen hat. Aus den Mittelansätzen dieses Jahres wird deutlich, wie ernst die Regierung die Verwirklichung des Umweltprogramms nimmt. Allein in diesem Einzelplan steigen die Ansätze auf über 106 Millionen DM. Das ist gegenüber dem Soll von 1972 eine Steigerung von über 30 %, gegenüber den tatsächlichen Ist-Ausgaben sogar eine Verdoppelung. Zusammen mit den bei anderen Einzelplänen veranschlagten Beträgen und den aus dem ERP-Sondervermögen zur Verfügung zu stellenden Beträgen stehen deshalb im Jahre 1973 über 450 Millionen DM bereit. Sie wollen dabei bedenken, daß der Bund in Finanzierungsfragen im wesentlichen nur die Zuständigkeit für die Entwicklungsforschung hat und sich im übrigen wie z. B. beim Programm zur Sanierung von Rhein und Bodensee mit Spitzenfinanzierungen beteiligt. Die Ankündigungen des Sofortprogramms sind im wesentlichen verwirklicht, die Finanzkompetenzen des Bundes weitgehend abgedeckt.Aber ich darf mir in diesem Zusammenhang noch eine andere Bemerkung erlauben. Herr Professor Carstens hat heute morgen mit einem Halbsatz gesagt, die Regierung gebe zuwenig Geld für sauberes Wasser aus. Ich darf mir deshalb an dieser Stelle den Hinweis erlauben, daß man, ehe man eine solche Forderung aufstellt, sich zunächst einmal über Kompetenzen klar werden und sich darüber informieren sollte.Ich gebe den guten Rat: Wenn die Opposition will, daß der Bund mehr über sauberes Wasser zu sagen hat, dann möge sie dafür sorgen, daß die Mehrheit des Bundesrates ihren Widerstand gegen die entsprechende Grundgesetzänderung und gegen die Vierte Wasserrechtsnovelle aufgibt.
Meine Damen und Herren, das Umweltbundesamt, welches in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen soll — wir hoffen jedenfalls sehr, daß dies geschieht —, wird mit dazu beitragen, die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu schaffen. Ich möchte den Minister ausdrücklich ermuntern, dieses Amt zügig aufzubauen, damit wir im Parlament ohne vermeidbare Verzögerung jene Maßnahme beschließen können, die den Schutz der Bürger unseres Landes vor den Folgen einer falschen Wachstumsideologie sicherstellen helfen.Im übrigen, Herr Minister: Der Aufbau des Amtes sollte nicht durch die sicherlich begreifliche Konkurrenz einer Reihe von Städten um den Sitz beeinträchtigt werden.Nicht oft genug, meine Damen und Herren, kann bei diesem Thema auf das Verursacherprinzip bei der Verteilung der Lasten hingewiesen werden. Nur wenn denen, die die Umwelt verseuchen, die Kosten dafür angelastet werden, werden wir erreichen, daß auch auf diesem Gebiet die Qualität des Lebens etwas mit der Qualität des Wachstums zu tun hat.
Meine Damen und Herren, in diesem Einzelplan gibt es noch eine andere Priorität, über die Herr Kollege Möller hier schon — ich meine, unter freier Auslegung des Begriffs Berichterstattung — berichtet hat.Die Zahlen beweisen, daß es der Regierung auch auf diesem Gebiet ernst ist und sie es nicht bei schönen Erklärungen belassen hat. Dieser Bereich — das ist hier dargelegt worden — gehört zu den ganz wenigen, bei denen es keine Stellenverminderung, sondern -vermehrungen gibt und bei denen es auch keine Kürzungen nach den 2000er-Beschlüssen geben soll.Der Gesamtbereich der inneren Sicherheit hat eine Zuwachsrate von fast 30 % zu verzeichnen. Die Gesamtaufwendungen des Bundes steigen auf über 830 Millionen DM.Nun hat Herr Kollege Möller hier längere Ausführungen zum Bundesgrenzschutz gemacht. Die Zeit reicht nicht aus, um darauf einzugehen, zumindest nicht auf den Teil, von dem ich meine, daß er nicht unbedingt Teil der Berichterstattung war. Ich will nur soviel sagen: Alle Parteien dieses Hauses haben sich zum Bundesgrenzschutz als einer Polizei des Bundes bekannt. Ich möchte den Innenminister bitten, darüber zu wachen, daß der Polizeicharakter des Bundesgrenzschutzes weder verwischt noch verwässert wird.Die innere Sicherheit, meine Damen und Herren, hat im letzten Wahlkampf eine besondere Rolle gespielt. Sie war Teil einer Verunsicherungskampagne, mit der unseren Bürgern eingeredet werden sollte, daß die Koalition die Sicherheit der Menschen in unserem Lande nicht gewährleistet. Deshalb wird es nicht uninteressant sein, die Zahlen dieses Haushaltsplans mit den Zahlen des Jahres 1969 zu vergleichen, in dem bekanntlich ein anderer Minister für diese Fragen zuständig war. Damals standen für die Bereiche der inneren Sicherheit rund 400 Millionen DM zu Verfügung. Wir haben nach vier Jahren eine Zahl, die mehr als das Doppelte bedeutet.Allein beim Bundeskriminalamt, für das 1969 nur rund 22 Millionen DM ausgegeben wurden, steigt in diesem Jahr die Ausgabe auf fast 120 Millionen DM. Die Zahl der Mitarbeiter, die früher kaum eine Vermehrung erfahren hat, ist von 1969 bis heute von 933 auf fast 2100 angestiegen.Der Ausbau des Amtes zu einem modernen Amt der Verbrechensbekämpfung ist durch gesetzgeberische Maßnahmen und insbesondere durch Mittelbereitstellung weit vorangeschritten. Vor 1969 — meine Damen und Herren, dies festzustellen, daran liegt mir — war dieses Amt bestenfalls eine kriminalistische Abteilung des Statistischen Bundesamtes; und das ist noch eine sehr höfliche Umschreibung.Mit diesem Haushalt schaffen wir im übrigen auch die finanzielle Voraussetzung dafür, daß sich alle Landeskriminalämter an das Datensystem des Bundeskriminalamtes anschließen können. Wir würden es sher begrüßen, wenn die Kooperationswilligkeit der Länder auch auf diesem Gebiet ein Höchstmaß erreichen könnte. Hier hat es bisher noch manche Mängel gegeben. Je größer die Kooperationswillig-
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Waltherkeit der Länderpolizeien, um so besser die Möglichkeiten des Amtes. Das kann um so mehr erwartet werden, als, wie der Kollege Möller schon dargelegt hat, der Bund in diesem Haushalt seine Mittel, mit denen er die Beschaffungen der Bereitschaftspolizeien der Länder finanziert, ganz enorm aufstockt.Meine Damen und Herren, ich habe die Steigerungsraten für den Bereich der inneren Sicherheit angerissen. Sie liegen weit über dem Haushaltsdurchschnitt. Solche Steigerungsraten, meine ich, sind in der Zukunft weder möglich noch nötig. Die Versäumnisse der Vergangenheit sind durch diese Anstrengungen zu einem großen Teil ausgeglichen, und alle Wahlkampfgrusicals werden auch durch diesen Haushalt ad absurdum geführt. Regierung und Koalition stehen für die innere Sicherheit ihrer Bürger ein.Einen anderen Problemkreis, zu dem der Kollege Riedl längere Ausführungen gemacht hat, will ich nur kurz streifen. Das Bundesinnenministerium nimmt im Rahmen der Bundesregierung zu einem großen Teil die gesamtstaatliche Verantwortung für die Förderung von Kunst und Kultur wahr. Dies kann aber nach der grundgesetzlichen Ordnung unseres Staates nur zu einem geringeren Teil Aufgabe des Bundes sein. Gleichwohl steigen auch hier die Ausgabenansätze gegenüber dem Vorjahr um rund 10 %. Ein wesentlicher Teil der auf über 100 Millionen DM angesetzten Beträge entfällt, wie hier dargelegt wurde, auf die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" mit über 31 Millionen DM. Aus der Weigerung der Länder, die Ausgabenzuwächse für die Finanzierung dieser Stiftung mitzutragen, resultiert eine akute Finanzkrise. Ich unterstütze hier den Appell des Haushaltsausschusses zur Zusammenarbeit. Die Länder, meine ich, können aus ihrer Verpflichtung nicht entlassen werden. Dieses bedeutende Zeichen deutscher Kultur darf nach meiner Überzeugung nicht durch mangelnde Bereitwilligkeit der Länder Not leiden.In diesem Zusammenhang, wenn auch nicht als Vorgriff auf die zukünftige Konzeption, sollte die in der Regierungserklärung angesprochene Deutsche Nationalstiftung gesehen werden. Sie kann sicherlich den Rahmen für ein umfassendes gesamtstaatliches Konzept der Kunst- und Kulturpflege abgeben, wobei ich besonderen Wert darauf lege, daß auch die Pflege des ostdeutschen kulturellen Erbes den ihr gebührenden Rang einnehmen kann.
Meine Damen und Herren, ich unterstütze es, daß die Nationalstiftung nicht als Instrument einseitiger Finanzierungsverlagerung benutzt werden darf. Kunst und Kultur sind ohne das Engagement der Bürger zum Scheitern verurteilt. Ich möchte deshalb die Regierung ganz herzlich bitten, die Arbeiten zur Erstellung eines Konzepts für die Nationalstiftung beschleunigt voranzutreiben und die Ergebnisse baldmöglichst diesem Hohen Hause vorzulegen.Nun noch ein Wort zu dem, was zu einer Kontroverse über die Berichterstattung des Kollegen Möller geführt hat, nämlich zum Rastatter Museum. Ichbitte um Nachsicht, daß ich hier den Berichterstatter korrigieren muß. Das, was hier dargelegt worden ist, war falsch; es hat im Ausschuß kein Mehrheits- und kein Minderheitsvotum, sondern in allen Fragen eine einstimmige Abstimmung gegeben. Es hat bei der ersten Beratung, Herr Kollege Möller, mehrere Diskussionsbeiträge sowie mehrere Anfragen gegeben, die vom Ministerium nicht eindeutig geklärt worden waren. Es sind mehrere Bedenken geäußert worden, die ebenfalls nicht eindeutig geklärt wurden. Daraufhin waren wir alle der Meinung, daß diese Frage noch einmal angesprochen werden müßte, und haben zunächst die Ausgabenansätze gesperrt. Als das Ministerium schließlich mit einer beschlußreifen Vorlage kam, haben wir nach kurzer Diskussion ebenso einstimmig die Sperre dieses Ansatzes aufgehoben. Dies muß um der Wahrheit willen gesagt werden. Wenn ich mir hier noch eine Anmerkung erlauben darf, so möchte ich darauf hinweisen, daß eine der Schwierigkeiten war, daß der hochverehrte Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses dieses Museum lieber in Hambach als in Rastatt gesehen hätte.Meine sehr verehrten Damen und Herren, über die Sportförderung hat der Kollege Dr. Riedl ausführlich gesprochen. Ich will es deshalb kurz machen. Ich schließe mich manchen seiner Schlußfolgerungen an. Dennoch eine kurze Bemerkung: Allen falschen Gerüchten auch in diesem Hause zum Trotz wendet der Bund für den Sport auch in diesem Jahr erheblich mehr auf, wenn man die einmalig bedingten Ausgaben des Vorjahres für die Olympischen Spiele unberücksichtigt läßt. Persönlich will ich gerne anmerken, daß ich glücklich darüber wäre, wenn der Bund nicht nur wie bisher den Spitzensport, sondern zumindest teilweise auch den Breitensport zu fördern in der Lage wäre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Einzelplan setzt Schwerpunkte, wie wir meinen, an den richtigen Stellen und auch in der richtigen Abgewogenheit. Deshalb stimmt meine Fraktion ihm vorbehaltlos zu.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06 in der Fassung des Ausschusses. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum Einzelplan 07:
Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz— Drucksache 7/727 —Berichterstatter: Abgeordneter Simon
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2536 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Präsident Frau RengerHerr Berichterstatter, wünschen Sie das Wort? — Das ist nicht Her Fall. Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Einzelplan 07 in der Fassung des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen nunmehr zum Einzelplan 11:Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung— Drucksache 7/731 —Berichterstatter: Abgeordneter KrampeWünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Krampe, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der zur Diskussion stehende Einzelplan 11 zeichnet sich im Jahre 1973 — ähnlich wie im Jahre 1972 — dadurch aus, daß er nach dem Wollen der Bundesregierung maßgeblich dazu beiträgt, den Haushalt in 1973, d. h. den Gesamthaushalt, mit zu finanzieren. Beträgt die Zuwachsrate des Gesamthaushalts 1973 schätzungsweise 9,6 % — diese Zahl ist eher zu niedrig als zu hoch —, so wird der Zuwachs des Haushalts des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung mit 4,6 % veranschlagt und könnte — ich sage: könnte — für den unbefangenen Leser dieses Einzelplans sogar ein positives Bild bringen.
Positiv könnte zum Beispiel gewertet werden der Zuschuß, erstmalig in den Etat eingesetzt, an die „Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst", um die Situation der notleidenden Künstler — in etwa jedenfalls — zu mildern, damit sie eigenständige Versorgungseinrichtungen ins Leben rufen können. Positiv könnte gewertet werden im Bereich der Rehabilitation der geplante Bau des „Hauses für Behinderte" hier in Bonn. Positiv konnte gewertet werden der jetzt mögliche Neubau des Dienstgebäudes für die in Dortmund beheimatete „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung" und damit eine Konzentration der Arbeiten auf diesem Gebiet.Positiv gewertet werden könnte auch die Erhöhung der Zuschüsse für die „Betreuungsmaßnahmen zugunsten ausländischer Arbeitnehmer". An dieser Stelle ist ein Wort an die freien Wohlfahrtsorganisationen angebracht, die sich dankenswerterweise wie in der Vergangenheit, augenblicklich und in der Zukunft gerade dieser schwierigen Aufgabe für den ausländischen Arbeitnehmer und seine Familienangehörigen annehmen.Aber hier ist auch der Hinweis erlaubt und angebracht, daß entweder die Berichterstatter in diesen von mir eben als positiv zu bezeichnenden Dingen initiativ wurden oder das fortgeführt wurde, was seit Jahren geplant war und von dem damaligen Bundesarbeitsminister Hans Katzer eingeleitet wurde, oder was die Berichterstatter als Anregung der Regierung, z. B. im Hinblick auf den Bau des Hauses für Behinderte, in die Beratung und Verabschiedung des Einzelplans 11 in den Haushaltsausschuß mit einbrachten. Das alles soll gewürdigt werden, auch die weitere, unter Katzer eingeleitete Förderung des Baues von Rehabilitationseinrichtungen — in den vergangenen Jahren von seiten der Berichterstatter immer entsprechend höher angesetzt —, der weitere Ausbau des zivilen Ersatzdienstes, der zunächst mehr Gerechtigkeit verspricht — wir haben davon heute morgen gehört — und von dem wir hoffen, daß die Bundesregierung baldmöglichst das Instrumentarium dieses zivilen Ersatzdienstes nutzt.Aber es sind nicht nur leuchtende Zeichen und Zahlen im Einzelplan 11 zu sehen. Überschattet wird das alles durch zwei schwerwiegende Tatsachen, die in gebotener Kürze hier angesprochen werden müssen.Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ist, wenn auch in bescheidener Form, eine Aussage über die politische Zielsetzung, über politische Ziele im gesellschafts- und sozialpolitischen Bereich dieser Bundesregierung. So wird dann im Verfolg dieser Zielsetzung frisch, fromm, fröhlich, frei geschrieben, daß die Arbeiter-Rentenversicherung 1973 auf den Bundeszuschuß von 1,05 Milliarden DM, die Angestelltenversicherung gar auf 1,450 Milliarden DM verzichten muß, die Rentenversicherung insgesamt im Jahre 1973 also 2,5 Milliarden DM auf dem Altar des Vaterlandes zur Sicherung des Defizits des Haushalts opfern muß. Zur Abrundung sei in Erinnerung gerufen, daß bereits 1972 die Rentenversicherungsträger dem Bund mit 1 Milliarde DM — den Rentenversicherungsträgern damals in Bundesschatzverschreibung gegeben — unter die Arme gegriffen haben.Nun wird sicherlich als Antwort auf diese Kritik gesagt werden, ein solches Verfahren sei nicht neu. Das sei zugegeben. Dazu aber zwei Bemerkungen:Die Rückzahlung der zu stundenden Rentenversicherungszuschüsse soll 1981 erfolgen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich die Geldentwertungsrate bis 1981 weiter so entwickelt, wie sie sich im Jahre 1973 entwickelt hat, dann wird diese Bundesregierung den Betrag mit der linken Hand zahlen können. Wir wollen hoffen und wünschen, daß sie dann nicht mehr im Amt ist.Eine zweite Bemerkung. Erstmalig werden für gestundete Bundeszuschüsse, die den Rentenversicherungsträgern zustehen, keine Zinsen bezahlt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nennt in der Ausgabe der „Welt der Arbeit" vom 16. März dieses Jahres dafür die stolze Zahl von zwei bis drei Milliarden DM an Zinsverlusten, das heißt Vermögensverlusten der Versicherungsträger, bei einer damals noch angenommenen 8 %igen Verzinsung. Die Forderung des DGB-Organs, der Bund dürfe sich nicht drücken, wird gestützt durch die Erklärungen der übrigen Gewerkschaften, aber auch durch den Ver-
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Krampeband deutscher Versicherungsträger, der noch unter dem 4. Mai 1973 in einer Eingabe an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und an den Haushaltsausschuß darauf hinwies, daß die Begründung für die Aufschiebung der Leistungen des Bundes nicht stichhaltig sei. Demnach — um das Wort aus der „Welt der Arbeit" noch einmal aufzugreifen — gilt: Die Regierung und die Koalitionsfraktionen drücken sich in dieser Frage. Das muß hier deutlich und klar festgestellt und festgehalten werden.
Herr Kollege, gestatten Sie einen Moment! Darf ich das Haus bitten, etwas ruhiger zu sein. Der Redner hat es sehr schwer, gegen Ihre Gespräche anzukommen.
Schönen Dank, Frau Präsidentin!
Aus der Haltung der Mehrheit dieses Hauses aber lassen sich viele Fragen zu den eben erwähnten Sachbereichen ablesen und ableiten. Da ist die Frage nach der Sicherheit der Rentenfinanzierung. Diese Frage ist zu stellen und in diesem Zusammenhang auch die Frage nach den sonstigen Leistungen der Rentenversicherung, die Frage nach den Leistungen im Bereich der vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen wie auch der bislang an die Versicherten gewährten Beträge und Mittel für den Eigenheim- und Eigentumswohnungsbau, der irgendwie dann zu kurz
kommen wird.
Wir haben alle in diesem Hohen Hause anläßlich der Rentendebatte im September des vergangenen Jahres die finanzielle Solidität der Rentenversicherung herausgestellt. Inzwischen fanden Bundestagswahlen statt, und es wurden zum Teil die in der damaligen September-Sitzung in dritter Lesung gemeinsam beschlossenen Gesetze geändert. Gleichzeitig wurde aber — ungefähr in diesem Zeitraum — bekannt, daß die Bundeszuschüsse in Höhe von 2,5 Milliarden DM in Richtung Rentenversicherungsträger seitens des Bundes gestundet würden und nicht verzinst werden sollen. Die Frage an den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung lautet: Ist zwischen den Gesetzesänderungen und der Stundung der Bundeszuschüsse ein innerer Zusammenhang zu sehen, oder dient die Stundung und Nichtverzinsung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherungsträger allein der Deckung von Haushaltslücken im Jahre 1973 und in den folgenden Jahren?
Unsere Meinung dazu: Das Kernstück des Systems unserer sozialen Sicherheit ist die Rentenversicherung. Die Rentenversicherung und ihre Vermögenswerte, angelegt auf kommende Belastungen, dürfen nicht zum Finanzierungsreservoir des Bundeshaushalts werden und der Bundesregierung jederzeit zur Deckung von Haushaltslücken dienen und von ihr in Anspruch genommen werden.
Andernfalls ist nämlich die Frage nach der Solidität
des Wollens im Bereich der Alterssicherung nicht
nur von Millionen Rentnern, sondern auch von den Abgeordneten dieses Hohen Hauses heute und immer wieder in den kommenden Wochen und Monaten zu stellen.
Diese und ähnliche Fragen bewegen nicht nur uns, sondern die Millionen Versicherten und Beitragszahler, die dann, wenn ihr Versicherungsfall eintritt, analog gleiche Leistungen aus der Sozialversicherung erwarten wie diejenigen, die sie heute erhalten und für die sie Beiträge leisten. Das sagt einfach das Solidaritätsprinzip der Generationen aus.
Es ist auch noch ein Wort zu einem zweiten sehr langen Schatten, der über dem Einzelplan 11 liegt, zu sagen. Ich spreche hiermit das Kapitel ,,Kriegsopferversorgung und gleichartige Leistungen" an. Der innere Zusammenhang der Leistungsverbesserung bzw. der Leistungsanpassung zwischen der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung liegt auf der Hand, ist von diesem Hohen Hause gewollt und immer wieder auch von den Koalitionsfraktionen mit getragen worden.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, alle schönen Reden in dieser Sache haben keinen Sinn, wenn nicht die praktische Hilfe folgt. Wie viele in diesem Volk leiden besonders die Kriegsopfer unter den vom Vorsitzenden der CDU/CSU-
Fraktion angesprochenen vierfachen Belastungen, die von der Bundesregierung allein zu verantworten sind. Politiker und Kriegsopfer sowie die Organisationen der Kriegsopfer fordern immer wieder „gleiches Recht auch für die Kriegsopfer". Wegen der Nichterfüllung dieser Forderungen bereits im Jahre 1972 haben Kriegsopfer in diesem Jahr 1972 einen Stabilitätsbeitrag in Höhe von insgesamt 270 Millionen DM geleistet. Das wurde sehr deutlich auf den Kriegsopfertagungen hier in Bonn.
Es ist unzumutbar, den Kriegsopfern seitens der Bundesregierung mehr als anderen weitere Stabilitätsmaßnahmen aufzubürden. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, unter Abänderung der von ihr gesetzten Prioritäten ähnlich, wie es 1966 unter der Regierung Kiesinger/Katzer geschah, praktische Hilfe zu verwirklichen. Mein Kollege Geisenhofer ist gern bereit, weitere Ausführungen zu diesem Fragenkomplex zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo Licht ist, ist auch Schatten. Im Einzelplan 11 überwiegt der Schatten. Es ist unredlich, Mehreinnahmen der Rentenversicherung, durch erhöhte Beiträge hervorgerufen, indirekt zur Deckung von Haushaltslücken zu nutzen. Es ist auch kein Zeichen von sozialem Fortschritt, wenn Kriegsopfern soziale Gerechtigkeit vorenthalten wird.
Der Schatten überwiegt also. Wir lehnen deshalb den Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Grobecker.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung ist Ausdruck des Bemühens, unsere Gesellschaft sozialer und gerechter zu gestalten. Dafür gibt es auch im Haushaltsjahr 1973 eine Reihe Beispiele.Mit besonderem Nachdruck nimmt sich diese Koalition der Eingliederung der Behinderten in Beruf und Gesellschaft an. In der Verfolgung dieses Ziels sind die Haushaltsmittel für die Förderung von Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation in den vergangenen Jahren ständig erhöht worden. Auch für das Jahr 1973 ist wiederum eine Erhöhung vorgesehen, nämlich um 6 auf 45 Millionen DM. Seit 1970 sind für diesen Zweck fast 100 Millionen DM aufgewendet worden. Der Schwerpunkt des Programms liegt zur Zeit bei den Berufsförderungswerken für behinderte Erwachsene. In Zukunft müssen in verstärktem Maße aber auch Berufsbildungswerke für behinderte Jugendliche gebaut werden. Diese Förderungsmaßnahmen sind jedoch nur ein Teil eines umfassenden Aktionsprogramms der Bundesregierung für diejenigen unserer Mitbürger, die trotz Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung im Schatten stehen. Das hat uns in den letzten Monaten hier ja wiederholt beschäftigt.Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Humanisierung des Arbeitslebens. Wir müssen die Arbeit sicherer machen und verhüten, daß der Mensch von der technischen Entwicklung überrollt wird. Ein Schritt auf diesem Wege sind die Arbeiten, die mit der Einrichtung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung in Dortmund eingeleitet worden sind. Wir müssen uns aber auch verstärkt den Arbeitswissenschaften zuwenden, um die Arbeitsplätze menschengerechter zu gestalten.Auf Grund des neuen Betriebsverfassungsgesetzes haben die Betriebsräte und der einzelne Arbeitnehmer Einfluß auf die Gestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitsmethoden gewonnen. Wir betreten hier ein Gebiet, das in der Vergangenheit stark vernachlässigt worden ist. Wir begrüßen deshalb sehr, daß erstmals im Haushalt 1973 besondere Forschungsmittel für diesen Bereich vorgesehen sind.Auch das verstärkte Bemühen um die Eingliederung der ausländischen Arbeitnehmer — der Bundesminister hat erst vor einigen Tagen ein Programm vorgelegt — findet im Haushalt durch die Erhöhung der hierfür vorgesehenen Mittel um 30 % seinen Ausdruck. Die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer ist bei einem befriedigenden Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik unerläßlich. Sie wirft aber zahlreiche gesellschaftliche Probleme auf. Mit Bundesmitteln werden in erster Linie die Betreuung durch die vorhandenen Organisationen, die Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse, Maßnahmen der beruflichen Bildung und die Bereitstellung angemessenen Wohnraums gefördert.Vom Bund alleine, meine Damen und Herren, sind diese Probleme der Eingliederung jedoch nicht zu lösen. Hier wird es insbesondere auch verstärkter Bemühungen der Länder, der Gemeinden und — das soll nicht unerwähnt bleiben — der Arbeitgeber bedürfen. Dabei sollte sich die Ausländerbeschäftigung nicht nur nach der Arbeitsmarktsituation, sondern auch nach den Möglichkeiten der sozialen Infrastruktur ausrichten.Meine Damen und Herren, die größten Ausgabeposten dieses Haushalts, des Einzelplans 11, sind jedoch die Zuschüsse zu der Sozialversicherung mit über 13 Milliarden DM und die Ausgaben für die Kriegsopfer mit 9 Milliarden DM.Nun hat es Herr Kollege Krampe vorhin für richtig gehalten, obschon es bereits in der ersten Lesung deutlich angesprochen worden ist, noch einmal auf das Problem der Verschiebung von 2,5 Milliarden DM zurückzukommen. Meine Damen und Herren, worum geht es dabei denn tatsächlich? Nach der Reichsversicherungsordnung leistet der Bund Zuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung. Das bleibt auch so. Diese Zuschüsse steigen mit den dynamisierten Renten entsprechend der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Seit 1957 haben sich die Zuschüsse bis heute von 3,5 auf 10,8 Milliarden DM im Jahr erhöht. Hinzu kommen 4,6 Milliarden DM als Defizitausgleich für die Knappschaftsrente.
— Es gibt keinen Zweifel, verehrter Herr Kollege, daß über die Bundeszuschüsse eine enge Verflechtung zum Bundeshaushalt und zu den Haushalten der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Das hat bereits in der Vergangenheit zu einer — da drücke ich mich ganz zurückhaltend aus — Modifizierung der Zahlung eines Teiles der Bundeszuschüsse in Form von Schuldbuchforderungen geführt. Es kam sogar zu einer echten Kürzung der Bundeszuschüsse zu einem Zeitpunkt, meine Damen und Herren, zu dem Herr Katzer Sozialminister war und Herr Strauß Finanzminister. Die Bundeszuschüsse wurden in den folgenden Jahren um insgesamt 4 Milliarden DM gekürzt. Außerdem hat man zu dieser Zeit gerade die Schwächsten, nämlich die Rentner, zusätzlich mit einem Krankenversicherungsbeitrag belastet. Wir haben diese Ungerechtigkeit beseitigt und das Geld zurückgezahlt.Meine Damen und Herren! Auch unter Berücksichtigung der Einführung der flexiblen Altersgrenze und der anderen durch die zweite Rentenreform beschlossenen Maßnahmen ist die Finanzsituation die Rentenversicherung zur Zeit außerordentlich günstig. So liegen für das Jahr 1973 die Einnahmen um 6 Milliarden DM über den Ausgaben.
Die Überschüsse, die praktisch durch die Bundeszuschüsse finanziert werden, werden von den Rentenversicherungsträgern für die Rentenzahlung nicht benötigt, sondern lediglich in Vermögenswerten angelegt. Bei dieser günstigen Finanzsituation der Träger der Rentenversicherung — das ist alles schon in der ersten Lesung vom Herrn Finanzminister gesagt worden — ist es sicherlich gerechtfertigt, die Zahlung eines Teilbetrages der Bundeszuschüsse in Höhe von 2,5 Milliarden DM bis zum Jahre 1981
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Grobeckeraufzuschieben. Da die Finanzsituation der Rentenversicherung der Angestellten wesentlich besser als die der Rentenversicherung der Arbeiter ist, soll die Rentenversicherung der Angestellten in erster Linie von dem Zahlungsaufschub mit rund 1,4 Milliarden DM betroffen werden. Durch den durch das Dritte Rentenversicherungsgesetz vorgesehenen Finanzausgleich sind die Finanzen der beiden Zweige der Rentenversicherung ohnehin als Einheit anzusehen. Die Sicherheit der Rentenfinanzierung wird hierdurch auch längerfristig nicht gefährdet. 1981 stehen die gestundeten Beträge wieder voll zur Verfügung.
Die Versicherungsträger werden lediglich — Herr Kollege — durch einen Zinsverlust von etwa 1,3 Milliarden bis 1,5 Milliarden DM betroffen, der nach meiner Auffassung im Hinblick auf die Höhe ihrer Gesamtausgaben vertretbar ist.Nun will ich, verehrter Herr Kollege Krampe, nicht verhehlen — ich habe das auch im Haushaltsausschuß gesagt —, daß, obwohl dies die Situation ist und wir dies durchaus tragen können — ich wiederhole, was ich im Ausschuß gesagt habe, auch an die Adresse des Herrn Finanzministers, der leider jetzt nicht da ist, was ich bedaure —, daß wir, die Koalitionsfraktionen, allerdings nicht der Auffassung sind, daß damit ein Präjudiz für die folgenden Jahre geschaffen werden kann und daß es im nächsten Jahre wieder so gemacht werden könnte, sondern daß wir das nicht hinnehmen werden.Meine Damen und Herren! In den Ansätzen für die Kriegsopferversorgung ist mit einem Gesamtbetrag von 550 Millionen DM die Erhöhung der Kriegsopferrenten um 9,5 % vorgesehen. Außerdem sind die Mittel für die Kriegsopferfürsorge um etwa 200 Millionen DM erhöht worden. Herr Krampe, natürlich besteht in diesem Bereich dadurch ein Problem, daß die Anpassung der Kriegsopferrenten nicht auf den 1. Juli vorgezogen wird. Es muß aber deutlich gesagt werden, daß ein Zusammenhang mit dem Vorziehen der Sozialversicherungsrenten nicht gegeben ist. Die Vorziehung der Sozialversicherungsrenten, meine Damen und Herren, steht mit der 1958 von Ihnen unterlassenen Anpassung in Verbindung.
Zum anderen weisen die Kriegsopferrenten in dem Zeitraum seit 1970 — schließlich waren wir da schon an der Regierung, Herr Kollege Krampe — mit 42 % für die Beschädigten und sogar 53 % für die Witwen die größten Steigerungsraten seit dem Kriege auf.
So verständlich der Wunsch der Kriegsopfer nach einer eben solchen Vorziehung der Anpassung ist, so fehlt doch auf der anderen Seite hierfür eine Deckungsmöglichkeit im Haushalt. Herr Krampe, Sie sind im Gegensatz zu vielen Sozialpolitikern beider Fraktionen Haushaltsmann. Auch die Opposition hat bei ihrem entsprechenden Antrag kein Konzept zur Deckung eingebracht.Meine Damen und Herren! Die Maßnahmen, für die wir in diesem Haushalt die finanzielle Grundlage schaffen, sind Teil eines Gesamtkonzepts der sozialliberalen Koalition, des Konzepts, unsere Gesellschaft sozialer und gerechter zu gestalten. Mit diesem ersten Haushalt der 7. Legislaturperiode wird deutlich fortgesetzt, was der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Arendt, in der letzten Legislaturperiode begonnen hat. Es hat mit diesem Minister in der letzten Legislaturperiode also außerordentlich gut geklappt.Ich möchte einige Maßnahmen noch einmal in Erinnerung rufen, damit wir den Anschluß an die neue Legislaturperiode bekommen. Ich erinnere an die Neuordnung der Betriebsverfassung, an die Dynamisierung der Kriegsopferrenten, an die Rentenreform mit der Einführung der flexiblen Altersgrenze, die Rente nach Mindesteinkommen und die Öffnung der Rentenversicherung für alle Bürger, den Zuschuß für Arbeitnehmer zum Krankenversicherungsbeitrag, die eigenständige Krankenversicherung und Verbesserung der Altershilfe für Landwirte, die gesetzliche Unfallversicherung für Kinder in Kindergärten und Schulen sowie für Studenten, die sozialgerechte Ausstattung der Vermögensbildung und die Erhöhung des Begünstigungsrahmens auf 624 DM und letztlich die gesetzliche Regelung für Leiharbeiter. Das ist nur ein Ausschnitt. Wir wollen aber bei diesen Erfolgen nicht stehenbleiben. Die bereits in den ersten vier Monaten der neuen Legislaturperiode aus dem Arbeitsministerium vorgelegten Entwürfe zeigen dies ganz deutlich.
Sie sind hier im Einzelplan 11 verankert. Auch hier nur eine kleine Auswahl der Gesetzesinitiativen, die wir schon in diesem Frühjahr auf den Tisch des Hauses bekommen haben oder die wir noch bekommen werden: das Gesetz über die Betriebsärzte und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, das Gesetz über die Mindestanforderungen an Unterkünfte für Arbeitnehmer, das Gesetz zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts, das Vierte Rentenversicherungs-Änderungsgesetz, das Gesetz über die sechzehnte Rentenanpassung, die sozialversicherungsrechtliche Regelung im Eherechtsreformgesetz, das Gesetz zur Änderung des Selbstverwaltungsgesetzes und das Gesetz zur Neugestaltung des zivilen Ersatzdienstes. Das sind alles Maßnahmen und Initiativen, die hier im Einzelplan 11 für 1973 ihren Niederschlag finden. Ich finde, daß dies ein eindrucksvoller Katalog ist. Wir hoffen sehr, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung auf diese Weise die Legislaturperiode fortsetzt. Das ist der Grund, weshalb wir dem Einzelplan 11 unsere Zustimmung geben werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geisenhofer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rah-
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2540 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Geisenhofermen der zweiten Lesung des Einzelplans 11 nehme ich namens der CDU/CSU-Fraktion zum Bereich der Kriegsopferversorgung Stellung. Obwohl die Dynamisierung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes 1970 von allen Parteien beschlossen wurde, enthält der Einzelplan 11 für das Haushaltsjahr 1973 keine finanziellen Mittel, um die Renten der Kriegs- und Wehrdienstopfer zum 1. Juli dieses Jahres um 11,35 % anzuheben.
Das ist um so bedauerlicher, als die Anhebung der Renten der Kriegs- und Wehrdienstopfer schon zum 1. Juli 1972 bei den Beratungen des Fünfzehnten Rentenanpassungsgesetzes zur Diskussion gestanden hat. Diese Renten können aber wegen der ungeklärten Haushaltslage im vergangenen Jahr nicht angehoben werden. Der sozialpolitische Sprecher der SPD, Herr Professor Schellenberg, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Hans Katzer, erklärten damals übereinstimmend, daß man die 1972 unterlassene Anpassung nachholen werde, sobald dies die Haushaltslage zulasse. Niemand aber hat unter der Dynamisierung etwas anderes verstanden als die Anpassung der Kriegsopferrenten zum gleichen Zeitpunkt und in gleicher Höhe wie die Anpassung der Sozialrenten.Meine sehr verehrten Damen und Herren, alle Parteien stehen den Kriegsopfern gegenüber im Wort. Das muß ganz klar gesagt werden. Die CDU/CSU hat nun die notwendigen Konsequenzen gezogen und bereits am 14. März dieses Jahres den Entwurf eines Fünften Anpassungsgesetzes im Bundestag eingebracht.
Dieser Gesetzentwurf sieht vor, die Renten der Kriegs- und Wehrdienstopfer zum 1. Juli dieses Jahres um 11,35 % zu erhöhen, analog den Sozialversicherungsrenten.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf wurde dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung bereits vor zehn Wochen überwiesen. Wir müssen aber mit Bedauern feststellen, daß eine Beratung des CDU/CSU-Gesetzentwurfes noch vor der Sommerpause von der Ausschußmehrheit nicht gewollt wurde. Jetzt wird auch verständlich, warum der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung im vergangenen Jahr kein Wort zur Verbesserung der Kriegsopferrenten gesagt hat.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nölling?
Bitte schön!
Herr Kollege Geisenhofer, wollen Sie dem Hohen Haus erklären, warum Ihre Fraktion im zuständigen Ausschuß bisher keinen Antrag auf Behandlung dieses Gesetzentwurfes gestellt hat?
Ich darf Ihnen sagen, daß es eine selbstverständliche Pflicht des Ausschußvorsitzenden gewesen wäre, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen.
Außerdem haben unsere Kollegen im Ausschuß immer wieder kritisiert, daß das nicht geschehen sei. Ich sagte, es wird jetzt auch verständlich, warum auch der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung keine Ausführungen zur Anhebung der Kriegsopferrenten gemacht hat. Dies hat bei den Kriegsopfern bittere Enttäuschung herbeigeführt, und diese Enttäuschung ist auch bei der Protestkundgebung des VdK Deutschland am 8. Mai in Bad Godesberg und bei der Tagung des Reichsbundes in Berlin sowie beim Schwerbeschädigtenkongreß in Bonn zum Ausdruck gekommen.
Seit wenigen Tagen liegt nun dem Bundesrat der Entwurf eines Fünften Anpassungsgesetzes der Bundesregierung vor, wie dies der Herr Bundeskanzler heute auch in seinen Ausführungen angedeutet hat. Demzufolge sollen die Kriegsopferrenten erst am 1. Juli 1974 erhöht werden. Das bedeutet die Nichteinhaltung eines Versprechens, das bedeutet die Nichtanwendung der zeitgerechten Dynamisierung, das bedeutet die Abkopplung der Kriegsopferrenten von der Erhöhung der Sozialrenten und somit eine erhebliche Benachteiligung der Kriegs- und Wehrdienstopfer.
Nicht weniger als 2,4 Millionen Kriegs- und Wehrdienstopfer erwarten vom Deutschen Bundestag endlich Gerechtigkeit. Die große Zahl beweist, daß die Kriegsopferversorgung kein Problem der Vergangenheit, sondern eine große Aufgabe der Gegenwart und Zukunft ist; denn von der gerechten Lösung dieser Frage hängt weitestgehend auch die Wehrbereitschaft der jungen Soldaten der deutschen Bundeswehr mit ab.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Jawohl; bitte, Herr Professor Schellenberg!
Herr Kollege Geisenhofer, Sie wollten einen Antrag zur Deckung Ihres Anliegens stellen. Wo ist Ihr Antrag?
Herr Professor Schellenberg, ich werde Ihnen noch sagen, wo Deckung zu finden ist; warten Sie geduldig ab! Herr Professor Schellenberg und meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem von der Regierungskoalition, natürlich kann man fragen: Paßt diese Forderung der CDU/CSU in die Stabilitätslandschaft unserer Tage? Aber wir stellen diesen Gesetzentwurf nicht, um die Stabilität zu erschüttern, sondern wir stellen diesen Antrag, um den Kriegs- und Wehrdienstopfern, die die Leidtragenden der Inflationspolitik
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Geisenhofergeworden sind, endlich entgegenzukommen und ihnen zu helfen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte, Herr Professor Schellenberg!
Herr Kollege Geisenhofer, haben Sie heute zur zweiten Lesung einen diesbezüglichen Antrag gestellt? Ich vermisse ihn!
Herr Professor Schellenberg, Sie sind Sozialexperte. Sie müssen wissen, daß ein Gesetzentwurf, der 10 Wochen im Ausschuß ist, mehr gilt als ein Antrag, der hier zur Diskussion gestellt wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Frau Präsidentin, ja, wenn das nicht von meiner Redezeit abgezogen wird.
Das wird selbstverständlich nicht geschehen.
Herr Kollege Geisenhofer, ist es nicht so, daß Sie heute abend zwar so reden dürfen, aber Ihre Haushaltsexperten sich auch darüber im klaren sind, daß keine Deckung vorhanden ist?
Herr Kollege Schmidt , ich habe schon auf die Frage des Herrn Professor Schellenberg gesagt, ich werde auf die Deckung noch zu sprechen kommen.
Im übrigen — das muß sehr ernst genommen werden — haben die Kriegsopfer im Jahre 1972 bereits ein halbes Jahr Nichtanpassung ihrer Rente verloren. Sie sind damit als die einzige Schicht in unserem Volk die Leidtragenden, und sie haben das größte Stabilitätsopfer bereits gebracht. Wenn nun die Kriegsopferrenten im Jahr 1973 wieder nicht angepaßt werden, verlieren die Kriegsopfer ein zweites halbes Jahr Nichtanpassung. Ich meine, das ist eines Sozialstaates unwürdig. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, so darf man mit den Kriegsopfern nicht umgehen,
die Freiheit, Gesundheit und Berufschancen für uns alle opfern mußten.
Beim ersten Kriegsopferanpassungsgesetz 1970 ist durch die SPD und FDP für die drei Bezugsjahre 1968 bis 1970 nur eine Anpassung von 16 % beschlossen worden, obgleich sich die Sozialrenten im gleichen Zeitraum wesentlich höher entwickelt haben. Ich darf daran erinnern, daß die CDU/CSU-Fraktion damals einen Anpassungssatz von 22 % vorgeschlagen hat, um die Ausgangsbasis gerechter zu gestalten. Dadurch, daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD und FDP, diesen Antrag auf Erhöhung abgelehnt bzw. ihm nicht zugestimmt haben, sind die Kriegsopfer gegenüber den Sozialversicherungsrentnern weiter ins Hintertreffen geraten.
Mit Recht haben damals unsere Kollegen Maucher und Burger in der Debatte gesagt: Der Rückstand wurde dynamisiert.
Und da erklärt der Herr Bundeskanzler im Deutschen Bundestag am 6. April 1973 bei der Haushaltsdebatte:
Wir haben durch die Dynamisierung der Kriegsopferrenten diesen Kreis von Mitbürgern, die in 20jähriger CDU-Vorherrschaft immer zu den Benachteiligten gehörten, in die allgemeine Einkommensentwicklung hineingeführt, sie an sie herangeführt.
Man muß um der Wahrheit willen dem Herrn Bundeskanzler auch sagen, daß, seit diese Bundesregierung am Werke ist, die Kriegsopfer leider nicht mehr voll an der Einkommensentwicklung teilnehmen.
Man muß um der Wahrheit willen auch sagen,
daß die Dynamisierung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes von allen Parteien mitgetragen worden ist und nicht allein von der SPD. Es ist die Schuld der SPD, die Dynamisierung nicht zeitgerecht vorgenommen zu haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Ich darf bitten, wegen der Kürze der Zeit jetzt davon Abstand zu nehmen. Ich habe schon vier Zwischenfragen beantwortet.
— Bitte, Herr Geiger!
Herr Geisenhofer, wollen Sie dem Hause nicht mitteilen, daß die Kriegsopferrenten seit der Regierung Brandt/Scheel um über 50 % erhöht worden sind, während eine solche Erhöhung
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Geigerin vielen Jahren CDU/CSU-Regierung nicht stattfand?
Herr Geiger, ich darf Ihnen sagen, daß 1950, zu Beginn der Kriegsopferversorgung, der Anteil der Kriegsopferversorgung am Sozialprodukt 2 % betrug, während dieser Anteil jetzt unter 1 % gesunken ist. Das spricht für sich.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Frau Präsidentin, jetzt bitte nicht mehr.
Wir alle sind für Stabilitätspolitik, auch wir wollen keine Ausweitung des jetzigen Haushaltes von 120 Milliarden DM; ja wir sind sogar für Einsparungen.
Aber wir müssen innerhalb des Haushaltes Prioritäten setzen,
und zwar Prioritäten zugunsten der Kriegsopfer. Ich werde konkretisieren. Sie von der SPD haben in Ihrer Oppositionszeit eine Anzahl von Anträgen gestellt, ohne Deckungsvorschläge aufzuzeigen. Sie sollen aber jetzt einen Deckungsvorschlag zur Kenntnis nehmen. Die Deckung ist zu finden bei Einzelplan 60 Kap. 60 02 Tit. 972 01 betreffend „globale Minderausgabe bei den Personalausgaben". Dort hat die CDU/CSU beantragt, 450 Millionen DM zu kürzen.
— Sie können lachen. Sie verlangen von mir einen Deckungsvorschlag. Ich nenne Ihnen einen; dann lachen Sie!
Ich frage die sozial eingestellten SPD- und FDP-
Kollegen jetzt einmal ganz ernstlich: Wo sind Sie jetzt, wenn es um die Anhebung der Kriegsopferrenten geht? Wir von der CDU/CSU haben in der Vergangenheit immer mutige Frauen und Männer gehabt, die aufgestanden sind und die auch innerhalb der CDU/CSU Gerechtigkeit für die Kriegsopfer gefordert haben. Ich frage Sie: Wo sind sie? Ich denke an die Frau Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Dr. Maria Probst, die „Maria, Hilf!" der Kriegsopfer. Sie wurde für die Interessen der Kriegsopfer zur Rebellin hier im Hohen Hause und auch in der Union.
Unser ehemaliger Arbeitsminister Hans Katzer, meine Damen und Herren, hat es am 14. Dezember 1966 — ich habe die Debatte nachgelesen — fertiggebracht, daß aus einem Bundeshaushalt, der damals 80 Milliarden DM betragen hat, ein Betrag —
obwohl der Haushalt auch um Milliarden-Beträge gekürzt werden mußte — von 880 Millionen DM zugunsten der Kriegsopfer bereitgestellt werden konnte. Dies geschah im Einvernehmen aller Parteien, weil überall der gute Wille vorhanden war.
Jetzt, wo der Haushalt 120 Milliarden DM umfaßt und wo nicht 880 Millionen DM, sondern 390 Millionen DM benötigt werden, müßte es bei gutem Willen aller Abgeordneten erst recht möglich sein, die Kriegsopferrenten anzuheben.
Der gleichzeitigen Anpassung der Kriegsopferrenten und Sozialrenten messen wir von der CDU/CSU Priorität bei, obwohl wir wissen, daß noch viele strukturelle Verbesserungen notwendig sind, z. B. die Beseitigung der Kürzung der Witwenrenten beim Schadensausgleich, wenn der Ehemann fiktiv das 65. Lebensjahr erreicht. Diese Härte und viele andere können wir jetzt nicht regeln; wir müssen diese Härten in einem späteren Neuordnungsgesetz beseitigen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, herzlich und dringend es ist wirklich ein ernstes Anliegen —, dafür zu sorgen, daß die Renten der Kriegs-
und Wehrdienstopfer endlich zum 1. Juli 1973 um 11,35 % angepaßt werden können. Herr Professor Schellenberg, sehen Sie zu, daß dieser Gesetzentwurf nun endlich im Ausschuß zur Behandlung, und zwar zu positiver Behandlung kommt
und dann notfalls auch rückwirkend zum 1. Juli 1973 als Gesetz in Kraft tritt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Franke .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt in dem Einzelplan 11 noch einen Punkt auf den dankenswerterweise Herr Kollege Krampe soeben schon hingewiesen hat —, der unsere Zustimmung nicht findet.
Er befindet sich im Tit. 11 13: Kürzung der Zuschüsse zu den Rentenversicherungsträgern.Wer einmal nachliest, meine Damen und Herren, wie in den früheren Jahrern um diese Position gerungen wurde — Sie waren damals noch in der Opposition —, muß sich über die Geisteshaltung und über die politische Haltung wundern, die Sie heute in dieser Frage einnehmen,
obwohl die Qualität der Entschlüsse und Beschlüsse, die Sie heute hier gefaßt haben, mit den damaligen gar nicht zu vergleichen ist.
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Franke
Zwar waren die Summen damals niedriger — dasVolumen war auch geringer —, doch wurden die Leistungen, meine Damen und Herren, die den Rentenversicherungen in Form von Schuldverschreibungen an die Hand gegeben worden waren, verzinst. Damit entstand den Rentenversicherungsträgern nicht ein einziger Pfennig an Einnahmeverlusten bzw. an Einnahmeausfall für die kommenden Jahre, während hier bei Ihnen, meine Damen und Herren, bei den 2,5 Milliarden DM — so ist es in § 21 des Haushaltsgesetzes zu lesen — bis zum Jahre 1981 ein Zinsverlust von etwa 1,25 Milliarden DM entsteht und bei der „Vielleicht-Verlängerung" dieser Nichtausgabe bis zum Auslaufen des 15. oder 16. „Rentenanpassungszeitraumes" laut Sachverständigenbericht ein Verlust rechnerisch — von etwa 3,5 Milliarden DM anfällt.Das, meine Damen und Herren ist der Grund, weshalb wir Ihre Entscheidung so heftig kritisieren. Wir befinden uns hier in Gesellschaft mit einer ganzen Reihe von Sachverständigen. Es gibt überhaupt keinen Sachverständigen, der sich in dieser Frage mit uns nicht einig wäre und nicht eindeutig gegen diese Ihre Einstellung und gegen diesen Ihren Beschluß Stellung genommen hätte.Ich darf noch darauf verweisen, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund oder die Sachverständigen eine Liquiditätsenge für das Jahr 1981 prognostiziert und gesagt haben, daß die Liquiditätsenge im Jahre 1981 dazu führen muß, entweder mit Leistungsverschlechterungen zu beginnen oder Einnahmeerhöhungen vorzunehmen, d. h. über den Beitragssatz von 18 °/o hinauszugehen. Darum werden wir von der Christlich Demokratischen Union unsere Hand zu dieser sozialen Demontage nicht reichen.
Meine Damen und Herren, weil wir dies nicht mitmachen wollen, lehnen wir — früher ist das einmalanders gehandhabt worden — den Einzelplan 11 ab.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Arendt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle sozialpolitischen Debatten in der Vergangenheit — und das gilt auch für die Aussprachen über den Haushalt — haben ganz eindeutig gezeigt, daß diese sozialliberale Koalition und die Bundesregierung auf dem Felde der Sozial- und Gesellschaftspolitik im Interesse der Menschen in unserem Lande sehr viel getan haben, um mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen.
Ich brauche die Einzelheiten gar nicht aufzuführen. Das haben meine Vorredner getan. Das hat auch der Bundeskanzler in seinen Ausführungen heute Nachmittag ausführlich dargestellt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Bitte!
Herr Kollege Arendt, meinen Sie bei der Herstellung der sozialen Gerechtigkeit auch das Vierte Rentenänderungsgesetz, —
Genau das meine ich!
— wo Sie die flexible Altersgrenze gekürzt und verschlechtert haben, und die Änderung des Rentenniveausicherungsgesetzes, welches künftig zu einer Verschlechterung der Rentnereinnahmen führen wird?
Herr Franke, damit Sie das genau sehen und richtig verstehen: Das meine ich auch. Wir haben Ihre mit einer Stimme im Grunde genommen auf den Kopf gestellte sozialpolitische Absicht wieder richtiggestellt.
Das ist die Ausgangssituation.
Schauen Sie sich einmal die Reaktion im Lande an, dann werden Sie feststellen, daß die Versicherten geradezu heilfroh sind, daß diese Mehrheit im Bundestag diese sozialpolitische Maßnahme durchgeführt hat.
— Entschuldigen Sie, ich brauche die Einzelheiten
nicht aufzuführen. Sie wissen das ganz genau. Herr Härzschel, es ist doch auch ein bißchen Neid bei Ihnen, wenn ich mir vorstelle, wie schwer Sie es in Ihrer Fraktion haben.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Bundesminister?
Bitte!
Herr Kollege Arendt, sagten Sie eben: ''... mit einer Stimme verabschiedetes Rentengesetz"?
In der zweiten Lesung.
Darf ich darauf aufmerksam machen, daß Sie sich in Millionenauf-
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Franke
lage in einer Druckschrift, ich sage, in einer Wahlkampfschrift gebrüstet haben, daß das nur gegen eine Stimmenthaltung hier durchgesetzt worden ist. Das heißt, Sie haben dem zugestimmt —
Bitte, Zwischenfragen, Herr Kollege! Keine Feststellung, bitte!
Meine Damen und Herren, ich brauche das gar nicht im einzelnen darzulegen.
— Das wissen Sie doch. Das fängt bei der Krankenversicherung an und hört beim Betriebsverfassungsgesetz auf.
Jetzt will ich nur noch eines zu dem Herrn Geisenhofer sagen. Der ist so stolz darauf, daß mein Amtsvorgänger, wie er gesagt hat, 880 Millionen DM für die Kriegsopfer zur Verfügung gestellt hat. Wissen Sie, das haben Sie auch auf dem Kriegsopferkongreß gesagt. Die Wahrheit ist aber, daß dieser Betrag, der noch nicht einmal eingestellt war -- ich könnte Ihnen den Briefwechsel zwischen dem damaligen Arbeitsminister und dem Finanzminister vorlegen — für drei Jahre galt.
Jetzt will ich Ihnen sagen, was in der Zeit der sozialliberalen Koalition von 1969 bis heute für die Kriegsopfer geschehen ist.
Ich habe einmal addiert, und es sind 5,9 Milliarden DM Leistungsverbesserungen für die Kriegsopfer eingetreten.
Und ich sage Ihnen noch etwas — und das wissen Sie ganz genau —: Von den fünf Anpassungsgesetzen im Kriegsopferbereich könnten wir mindestens vier Gesetze als Neuordnungsgesetze bezeichnen, weil nicht nur eine Anpassung der Leistungen erfolgt ist, sondern weil wir auch grundsätzliche strukturelle Verbesserungen durchgeführt haben. Die Leistungen dieser sozialliberalen Koalition und der Bundesregierung
auf dem Feld der Sozial- und Gesellschaftspolitik können sich sehen lassen. Auch die ersten sechs Monate dieser 7. Legislaturperiode zeigen doch ganz deutlich, daß wir das, was wir 1969 begonnen haben, konsequent und folgerichtig fortführen werden.
Ich kann Ihnen eines versprechen: Wir werden auch in dem Rest dieser Legislaturperiode so weitermachen, wie wir begonnen haben. Wir werden Schritt für Schritt die berechtigten Vorstellungen
der Menschen in unserem Lande in die soziale Wirklichkeit umsetzen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Maucher.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man soeben die Rede des Arbeitsministers gehört hat, könnte man meinen, daß vorher nichts und jetzt alles geschehen sei.Herr Arbeitsminister, Sie wissen ganz genau, daß damals im Jahre 1966 dieses Gesetz auch mit den Stimmen der Sozialdemokraten durchgesetzt worden ist. Ich muß es hier im Hause feststellen: Die Sozialdemokratie hat ihren eigenen Entwurf auf die Seite gelegt und einheitlich mit der CDU/CSU gestimmt. Das ist der Tatbestand. Sie können heute und hier nicht etwas kritisieren, was Sie selber mitgemacht haben.
Zweitens muß ich noch eine Feststellung treffen,weil Sie die strukturellen Änderungen so groß herausstellen. Dann will ich die letzten herausstellen,als Sie die Beihilfen für die Witwen, deren Männer nicht an den Folgen gestorben sind, mit 50 und 60 % groß herausgestellt haben. Wir stellen heute fest, daß von 100 betroffenen Fällen eventuell zwei bis drei in Betracht kommen. Das heißt man optische Täuschung, falsche Propaganda. So sieht das Bild aus und nicht anders. Und so geht man mit den Kriegsopfern um!
Das darf ich hier sagen; das kenne ich aus all den Jahren.Herr Kollege Geiger vielleicht ist er noch imSaal —, Sie würden besser daran tun, keinen Antrag und keine Frage zu stellen. Wenn man eine Frage stellt, muß man sich mit der Frage auch befassen. Wie können Sie auf 55 % kommen? Das mil den 42 % ist eine falsche Darstellung; darin sind nämlich die drei Jahre — rückwärts gezählt mitenthalten. Sie müssen nicht mit vier Jahren, sondern mit sieben Jahren rechnen. Sie können gut Prozentrechnen, wahrscheinlich, wenn es in Ihre eigene Tasche geht, noch besser.
Meine Damen und Herren, ich möchte das ganzklar und deutlich sagen: so kann man mit denKriegsopfern nicht umgehen!
Lesen Sie Ihre Reden seit dem Jahre 1950 nach und stellen Sie fest, was Sie gesagt haben.Nun lassen Sie mich eine Feststellung treffen. Im Jahre 1950 betrug der Anteil der Kriegsopferversorgung am Bundeshaushalt ein Siebtel, heute
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Maucherein Siebzehntel. Wie können Sie denn sagen, Sie würden mehr tun?
Man muß doch die Zahlen ins rechte Verhältnis bringen. Fragen Sie einmal die Kriegsopfer, was sie 1966 für ihre Rente kaufen konnten und was sie heute dafür kaufen können. Berücksichtigen Sie bei Ihrer Rechnung die Teuerung!
Ich sage abschließend eines kurz und klar: Was jetzt geschieht, ist ein Unrecht gegenüber den Kriegsopfern. Man kann sparen, man kann hart sein. Aber wenn man sozial ungerecht ist, dann ist es gegenüber den Betroffenen nicht vertretbar; und das ist hier der Fall.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Glombig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin lange genug in diesem Hause, um feststellen zu können, daß man in der Tat mit den Kriegsopfern nicht so umgehen kann, wie Sie es hier versuchen.
Was die geschichtliche Entwicklung in der Kriegsopferversorgung angeht, so ist sie für die CDU/CSU, die heutige Opposition, kein Ruhmesblatt.
Das muß man bei dieser Gelegenheit einmal in aller Deutlichkeit feststellen. Sie versuchen bei diesem Manöver, indem Sie einen Antrag zur vorgezogenen Rentenanpassung stellen, nur, den Kriegsopfern Sand in die Augen zu streuen. Sie haben bis heute keinen seriösen Deckungsvorschlag gemacht.
Oder ist etwa das, was uns der Kollege Geisenhofer vorgetragen hat, ein seriöser Deckungsvorschlag? Das glauben Sie doch wohl selber nicht. Und wenn er seriös wäre und von der Opposition getragen würde, müßte er doch eigentlich schwarz auf weiß vorliegen. Er ist aber nirgendwo nachzulesen. Insofern kann man also wirklich nicht davon ausgehen, daß Sie es mit diesem Antrag ernst meinen.
Zum anderen steht auch fest, daß ein ernsthafter Versuch, Ihren Antrag auf die Tagesordnung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu setzen, überhaupt nicht unternommen worden ist, und zwar in Kenntnis der Tatsache, daß die Haushaltsexperten der Opposition genau wußten, daß ein solcher Antrag überhaupt nicht realisierbar ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Althammer?
Bitte schön!
Herr Kollege, darf ich Sie, weil Sie soeben bemängelt haben, daß schwarz auf weiß nichts vorliege, fragen, ob Sie die vorliegende Drucksache 7/831 kennen, in der genau der von Ihnen geforderte Deckungsvorschlag enthalten ist.
Gut, wenn er vorliegt, nehme ich alles zurück.
Ich habe diesen Antrag in der Tat bis jetzt nicht gesehen, obwohl ich soeben noch einmal in meinen Unterlagen nachgesehen habe.
— Dann habe ich wohl gerade gefehlt. — Bitte schön, Herr Kollege!
Würden Sie die Damen und Herren von der Opposition vielleicht darauf hinweisen, daß kein Antrag vorliegt, diese Dekkungssumme im Einzelplan 11 zu verankern.
Das kann ich jetzt nicht nachprüfen. Aber darauf brauche ich sicherlich auch nicht im einzelnen einzugehen, weil ich der Meinung bin, daß das, was hier beantragt worden ist, nicht ernst gemeint war.
Meine Damen und Herren, es geht hier um den Gesetzentwurf, den die Opposition eingebracht hat. Lassen Sie mich dazu einmal ein paar Worte sagen. Wenn man den Entwurf eines Fünften Gesetze über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, insbesondere aber die dazu gegebene Begründung, liest, muß man sich in der Tat fragen, warum es 13 Jahre gedauert hat, bis auch die Dynamisierung der Leistungen in der Kriegsopferversorgung eingeführt werden konnte. Sie tun nämlich immer so, als wären Sie mit von der Partie gewesen, als wenn Sie ebenfalls für die Dynamisierung der Kriegsopferrenten gewesen wären. Sie können sich doch hoffentlich noch genau an die Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in Berlin erinnern, als wir im Grunde genommen gegen Ihren Widerstand die Dynamisierung durchgesetzt haben.
Sie wollten damals noch den Finanzminister nach Berlin zitieren, um ihn zu fragen,
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Glombigob das, was wir mit der Dynamisierung erreichen Wollten überhaupt realisierbar sei.
Wir haben inzwischen gehandelt, meine Damen und Herren, und zwar gegen Ihren Widerstand. Wir haben fast 20 Jahre lang für die Dynamisierung dieser Renten gekämpft. Das entspricht den Tatsachen.
In der Begründung zu diesem Gesetzentwurf heißt es, daß es mit den Grundsätzen eines Rechts- und Sozialstaates nicht vereinbar wäre, wenn nicht auch für die Kriegsopfer Leistungsverbesserungen, die denen der Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, geschaffen würden. Hier muß ich immer wieder die Opposition fragen, und diese Frage müssen Sie sich auch immer wieder gefallen lassen, meine Damen und Herren, warum Sie nicht in der Zeit, als Sie die Regierungsverantwortung trugen und in der Sie vor allem den Bundesarbeitsminister stellten, zuletzt in Gestalt des sehr verehrten Kollegen Katzer, der heute nicht anwesend ist, die einer solchen Auffassung entsprechende Konsequenz gezogen haben. Ich bin überzeugt, wäre Herr Katzer heute noch Bundesarbeitsminister,
hätten die Kriegsopfer auch heute noch nicht die Dynamisierung der Kriegsopferleistungen.
Ich glaube, daß diese Behauptung durch die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers eindeutig belegt ist. Oder hat man in den Reihen der Opposition schon vergessen — aber vielleicht erinnert man sich auch nur ungern daran —, daß gerade in dieser Zeit die Kriegsopferversorgung wirklich mit den Grundsätzen eines Rechts- oder Sozialstaates nicht vereinbar war? Wir oft mußten in dieser Zeit, an die ich Sie immer wieder erinnern muß, die Kriegsopfer auf die Straße gehen, meine Damen und Herren von der Opposition, um auch nur ein Mindestmaß ihrer Rechte gegen den Widerstand damaliger CDU/CSU-Regierungen zu erkämpfen? Sie haben gehört, daß wir seit 1969 auf Grund der Dynamisierung ein Mehr in der Kriegsopferversorgung von über 5 Milliarden DM hier beschlossen haben — im Gegensatz zu den sehr bescheidenen materiellen Entwicklungen in der Kriegsopferversorgung, die vor dieser Zeit liegen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Glombig, ist Ihnen nicht bekannt, daß das Anpassungsgesetz zu
einem großen Teil noch unter der Führung des Arbeitsministers Katzer ausgearbeitet wurde
und mit Verbänden Gespräche geführt wurden? Glombig : Ja, das ist mir bekannt.
Und ist Ihnen nicht bekannt, daß die allgemeine Bemessungsgrundlage schon 346 DM über der Grund- und Ausgleichsrente liegt, während es bei der Anpassung 180 DM waren und im Jahre 1960 die Beträge gleich waren? Bezeichnen Sie das als Fortschritt?
Aber Ihnen sollte auch bekannt sein, Herr Kollege Maucher, daß in diesem Gesetzentwurf von einer Dynamisierung der Renten nicht die Rede war, sondern nur von einer größeren Berichtspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag. Von einer Dynamisierung war in diesem Gesetzentwurf jedenfalls nicht die Rede.
Meine Damen und Herren, ich möchte nur der Ordnung halber feststellen: Ein Antrag zu diesem Einzelplan liegt mir nicht vor. Damit hier kein Irrtum entsteht.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11 in der Ausschußfassung. Wer dieser Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen.Ich rufe auf: Einzelplan 13Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen— Drucksache 7/733 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. JenningerHat der Herr Berichterstatter den Wunsch zu sprechen? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort in der Aussprache gewünscht? —
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 13 in der Ausschußfassung. Wer dieser Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Hand-
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Präsident Frau Rengerzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsparteien angenommen.Meine Damen und Herren, ich rufe auf: Einzelplan 14Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung— Drucksachen 7/734, 7/792 —Berichterstatter:Abgeordneter Hauser Abgeordneter Haase (Kassel)Abgeordneter HaehserHaben die Herren Berichterstatter die Absicht zu sprechen? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verteidigungsausgaben stellen 1973 neben dem großen Bereich der sozialen Sicherung den größten Ausgabenblock des Haushaltes im ganzen dar. Für unsere Verteidigung werden im Jahre 1973 mehr als 26 Milliarden DM aufgewendet. Wir alle wüßten sicher auch eine ganze Reihe von Fragen und Aufgaben zu nennen, die man mit soviel Geld in unserem Lande lösen könnte. Die Aufwendungen für unsere Verteidigung legen daher nah, den Bürgern im Lande draußen auch offen zu sagen, warum es notwendig ist, eine so hohe Summe für unsere Verteidigung aufzuwenden.Der Verteidigungshaushalt 1973 ist aus mindestens fünf Gründen von besonderer Bedeutung.Erstens. Derjenige Abschnitt unserer auf Ausgleich und Entspannung gezielten Politik, der durch den Abschluß bilateraler Gewaltverzichtsverträge gekennzeichnet ist, ist so gut wie beendet. Wir stehen am Vorabend des Übergangs zur multilateralen Phase der Entspannungspolitik, die durch zwölf Buchstaben bezeichnet ist: KSZE, MBFR und SALT 2.Zweitens. Das Viermächteabkommen über Berlin hat nicht nur einen der krisenanfälligsten und für den Weltfrieden gefährlichsten Punkte in der Ost-West-Beziehung sicherer gemacht, sondern bringt auch den Menschen unmittelbaren und spürbaren. Fortschritt.Drittens. Die beiden Weltmächte haben sich angeschickt, den Übergang von der quantitativen zur qualitativen Begrenzung der nuklearstrategischen Rüstung zu versuchen.Viertens. Die Partner im Atlantischen Bündnis beginnen, über Funktion und Aufgaben, auch über Aussehen und Inhalt des Bündnisses in der vor uns liegenden Periode nachzudenken. Dabei wird den Vereinigten Staaten besondere Bedeutung zukommen, die im Begriff sind, ihre Verantwortung für Frieden und Stabilität und für Wohlstand in der Welt neu zu definieren. Es geht darum, wie dieseVerantwortung angemessen und zumutbar anders als in den Nachkriegsjahren mehr auch auf die Schultern aller Beteiligten gegründet und gestützt werden kann.Fünftens. Die Bundesrepublik Deutschland hat begonnen, sich von ihrer Wehrstruktur zu lösen, die von Beginn an bis jetzt gehalten hat. Sie ist bis jetzt mit dieser Wehrstruktur ausgekommen, aber dieser Haushalt wird vermutlich der letzte sein, der sich auf die bestehende Wehrstruktur gründet.Ich möchte in diesem Zusammenhang auf etwas aufmerksam machen. Wir brauchen eine neue Wehrstruktur, und wir wollen an der Entspannung in der Welt mitarbeiten. Wir wollen und müssen alles tun, um den Frieden besserer und sicherer zu machen. Das bedeutet aber nicht zugleich, daß der Friede billiger wird. Ich kann das dem Hohen Hause nicht anders sagen.
Zu dieser Wirklichkeit und unserem Sinn dafür gehört selbstverständlich auch, daß wir die ständige quantitative und qualitative Verbesserung der militärischen Kraft des Warschauer Pakts in Osteuropa nicht übersehen. Der Bundeskanzler hat seiner Sorge in dieser Frage anläßlich seiner Regierungserklärung am 18. Januar hier Ausdruck gegeben. Ich kann dem Hohen Hause nicht mitteilen, daß die Sorge in der Zwischenzeit geringer geworden ist.
Der Warschauer Pakt hält allein in Polen, in der DDR und in der Tschechoslowakei mehr als 860 000 Soldaten und rund 20 000 Kampfpanzer in Bereitschaft.
Hinzu kommen 350 000 Mann und 8000 Kampfpanzer in den drei westlichen Militärbezirken der Sowjetunion. Demgegenüber stehen auf der Seite des Westens in Europa an einsatzbereiten Streitkräften 28 Divisionen mit 725 000 Mann und 6600 Kampfpanzern. Wir haben allein in der DDR 1100 Kampfpanzer der Sowjetunion mehr, als alle versammelten Streitkräfte der Verbündeten in Westeuropa haben.
Bei den Luftstreitkräften dominiert der Warschauer Pakt in Mitteleuropa mit 4400 Kampfflugzeugen, wobei die Jagdfliegerverbände in den Westbezirken der Sowjetunion nicht mit einbezogen sind. Die NATO besitzt in Nordwesteuropa alles in allem 1200 Kampfflugzeuge. Qualitative Verbesserungen sind bei der Luftrüstung im Osten mit quantitativen Verstärkungen Hand in Hand gegangen. Trotz der Kräftekonzentration an der sowjetischchinesischen Grenze wurden die taktischen Kampffliegerverbände in Europa um fast 10 % vermehrt.Schließlich sind die Seestreitkräfte des Warschauer Paktes in der Ostsee den NATO-Verbänden im Verhältnis 3,5 : 1 überlegen.
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2548 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Bundesminister LeberWährend in westlichen Ländern mit dem Gedanken gespielt wird — ich weiß, daß das auch in unserem Lande so ist —, die Rüstungsanstrengungen zu verringern, ist im Warschauer Pakt die gegenläufige Tendenz erkennbar.
Wir leisten in diesem Jahr etwa ein Drittel dessen, was in der Sowjetunion für Rüstungszwecke — bezogen auf das Sozialprodukt — dem einzelnen Bürger zugemutet wird.
Seit 1966 wurde den sowjetischen Verbänden in der DDR, in Polen, in der Tschechoslowakei und in Ungarn folgendes moderne Großgerät zugeführt. Ich muß diese Zahlen einmal nennen, weil sonst gesagt wird: das stimmt nicht!
Es sind zugeführt worden — die Erkenntnisse darüber sind authentisch —: 3500 Kampfpanzer, fast 1000 Schützenpanzer, weit über 1000 Haubitzen, rund 500 Mehrfachraketenwerfer. Das ältere Material dient dazu, in Arsenalen gehortet und bereitgehalten zu werden, und das Personal für die Auffüllung dieser Verbände, für die das Material da ist, kann auf kürzestem Wege durch die Luft herangebracht werden. Es sind darin also präsente Einheiten zu sehen.Dies alles gehört zur Wirklichkeit, die man zwar nicht dramatisieren soll und darf, die man aber auch nicht durch Studien einfach ändern kann, auch nicht durch eine soeben in den Vereinigten Staaten von Amerika angestellte Studie, die an den Börsen der Verteidigungspolitik in der Welt gegenwärtig zu Schleichhandelspreisen gehandelt wird.
Wir sollten politisch nicht auf etwas setzen, für das es keine politische Deckung gibt. Auch dies führt zur Verwirrung.
Ich möchte an dieser Stellle aber auch ein besonderes Wort zu einer anderen Variante desselben Themas sagen. Wir sind uns gewiß einig — zumindest in diesem Hause —, daß die Spannung in Europa nicht nur durch den Abbau von Rüstungen und Truppen vermindert werden kann. Ich frage mich deshalb, warum die Regierung der DDR es unternimmt, in einer Zeit, in der wir uns in Europa aufmachen, den Abbau von Spannungen zu versuchen, das psychologische und geistige Klima weiter schwer zu belasten.
Ich nenne als Beispiel dafür die Tatsache, daß in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres die Nationale Volksarmee Pflichtlektüren verordnet bekommen hat, in denen in unwürdigster Form die Erziehung zum Haß auf den Feind gepredigt wird.
Der junge Soldat aus Magdeburg wird in dieser Lektüre angehalten und dazu erzogen, seinen Vetter in Hannover als seinen Feind zu hassen.
Ich weise auf diese Tatsache hin, weil auch solche Vorgänge zum Thema Spannung oder Entspannung gehören
und weil wir es unseren Gesprächspartnern im Osten nicht schenken dürfen, über etwas hinwegzusehen, was die Kluft zwischen Friedensreden und dem Unfrieden, der in die Herzen junger Menschen gesät wird, ausmacht. Das wollte ich hier deutlich sagen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Natürlich.
Ich habe heute morgen in der Fragestunde nach dem Feindbild gefragt, nach dem die ostzonalen Wehrmachtsangehörigen erzogen werden. Ich bin mir sehr sicher, daß Ihr Staatssekretär in etwa geantwortet hat — —
Ich bitte, eine Frage zu stellen.
Ich bin gerade dabei, Frau Präsidentin. Ihr Staatssekretär — —
Herr Kollege, ich habe Ihnen schon einmal gesagt: So geht es nicht; Sie müssen eine Frage stellen.
Ist Ihnen bekannt, daß Ihr Staatssekretär 'darauf geantwortet hat, er erkenne hier eine Besserung in bezug auf die Äußerungen von SED-Funktionären und auch in bezug auf das Militärwesen? Er bezog sich dabei auch auf verschiedene Zeitschriften.
Was haben Sie denn gefragt?
Ob sich das Feindbild gebessert habe.
Natürlich ist einiges anders geworden; das geben wir zu. Wir nehmen uns aber auch das Recht, zu sagen, was schlechter geworden ist. Das, was ich eben gesagt habe, ist schlechter geworden.Unsere Streitkräfte dienen nach der Weisung unserer Verfassung ausschließlich unserer Verteidigung. Hier in unserem Lande wird niemand ausgebildet oder ausgerüstet, andere Länder zu erobern
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Bundesminister Leberoder zu bedrohen. Hier wird kein Soldat dazu erzogen, in irgend jemand auf der Welt einen Feind zu sehen, den er hassen soll.
Die Landstreitkräfte des Warschauer Pakts, die gleichermaßen für konventionelle und atomare Gefechtsführung gegliedert, ausgerüstet und ausgebildet sind, sind der ,sowjetischen Militärdoktrin entsprechend nach strategischen, operativen und politischen Gesichtspunkten disloziert. Vor allem bei den Landstreitkräften weisen Modernisierung, personeller und materieller Zuwachs und die Änderung in der Gliederung auf das Bestreben hin, die konventionelle Komponente ihrer Kampfkraft in Europa zu verstärken. Unsere Schlußfolgerung aus dieser Lage kann nur lauten: Diesem in Ost- und Mitteleuropa stationierten Militärpotential der Weltmacht Sowjetunion gegenüber können wir nur durch die vereinten Bemühungen aller Partner des atlantischen Bündnisses ein ausreichendes, zumindest ein noch hinreichendes militärisches Gegengewicht entgegenstellen und unseren Frieden auf diese Weise sichern. Kein Land im Westen kann das heute mehr für sich allein. Die Mitwirkung der Vereinigten Staaten von Amerika an dieser gemeinsamen Sicherung unserer freiheitlichen Lebensart bleibt also auch in der Zukunft das Rückgrat der Sicherheit und der Freiheit für uns in Westeuropa.
Wir wollen MBFR und KSZE, wir wollen Entspannung. Es wird aber auch darauf ankommen, daß wir trotz der Ungeduld, die bei uns aufkommen und dazu führen kann, daß wir auf halbem Weg knieweich werden, weil es Prozesse sind, die über viele Jahre dauern werden, uns nicht selber die Chance aus der Hand nehmen, diese international betriebenen Versuche und Bemühungen zu einem tatsächlichen Erfolg zu führen. Ich bin sicher, daß wir alle viel Stehvermögen nötig haben werden, diesen Grundsatz durchzuhalten; denn es wird viele Jahre dauern, bis es zu Erfolgen kommt, die sich in Mitteleuropa in Truppenstärken abzeichnen.Meine Damen und Herren, es gäbe zu diesen Themen noch viel zu sagen, und es gäbe noch vieles, was der Verteidigungsminister bei dieser Gelegenheit zu berichten hätte. Aber ich weiß, daß die Stunde fortgeschritten ist.Ich möchte, bevor ich schließe, allen Damen und Herren, die mitgeholfen haben, diesen Haushalt zu erarbeiten und auf den Stand zu bringen, der heute beschlossen werden kann, sehr herzlich danken. Ich möchte um Ihre Zustimmung bitten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wörner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion stimmt dem Verteidigungshaushalt zu.
Ich glaube, daß diese Feststellung nach dieser Rede des Bundesverteidigungsministers niemand mehr überraschen wird. Ich möchte nicht versäumen, Ihnen, Herr Minister, für dieses klare und, ich möchte auch sagen: mutige Wort hier auch namens meiner Fraktion ausdrücklich Dank zu sagen.
Das einzige, was uns nach dieser Rede im Grunde genommen bleibt, ist der Wunsch, daß Sie diese Rede draußen als Pflichtlektüre verteilen mögen, vor allen Dingen an die Mitglieder Ihrer Partei und auch an einige der Kollegen, die sich in diesem Saal befinden.
Denn keiner von uns — ich habe Anlaß dazu, das festzustellen — konnte übersehen, Herr Matthöfer, daß bei einigen. Feststellungen des Bundesverteidigungsministers auf der Seite der SPD dieses Hauses nur Betroffenheit herrschte, sich aber keine einzige Hand rührte. Ich glaube, das ist charakteristisch für den Zustand dieser Partei in Fragen der Verteidigung.
Meine Damen und Herren, die Sicherheitspolitik durchläuft national wie international eine kritische Phase. Die NATO zeigt unübersehbar Risse, und das angesichts wachsender militärischer Macht des Warschauer Pakts, die uns soeben eindrucksvoll dargestellt wurde. Zur gleichen Zeit — auch das muß ausgesprochen werden — läßt die Verteidigungsbereitschaft bei uns wie bei anderen Staaten der Allianz nach. Hoffnungen auf Entspannung laufen der Wirklichkeit weit voraus, und es wird immer schwieriger, der Bevölkerung die erforderlichen Lasten abzuverlangen. Verteidigung ist nicht mehr populär, und gerade darum haben wir von der CDU/ CSU uns entschlossen, diesen Haushalt demonstrativ mitzuverantworten. Wir halten angesichts dieser internationalen und nationalen Lage die Grundübereinstimmung in sicherheitspolitischen Fragen für eine so wichtige staatspolitische Aufgabe, daß wir sie nicht ohne Not preisgeben werden. Das sollen Sie wissen, Herr Minister.Nie — ich sage das ausdrücklich — waren die Verteidigung und auch die Bundeswehr wichtiger als gerade in diesem welthistorischen Moment des Umbruchs und des Wandels, in dem die echten Chancen zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen Ost und West davon abhängen, daß die Sowjetunion unsere Bereitschaft zur Entspannung nicht mit Schwäche und nicht mit Unentschlossenheit verwechselt.
Ich will auch nicht verschweigen, Herr Minister — darf ich es noch einmal sagen —, daß unsere Zustimmung durch klare Aussagen und ein mannhaftes Auftreten des Verteidigungsministers in Fragen der Sicherheitspolitik erleichtert wurde.Freilich — darauf möchte ich mich jetzt angesichtsder Zeit beschränken — kann und soll unsere Zustimmung eine Sorge nicht wegwischen, und es ist mehr als eine Pflichtübung der Opposition, wenn ich das anfüge. Mit diesem Haushalt setzt sich — und
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Dr. Wörnerzwar unabhängig vom guten oder schlechten Willen der Regierung eine gefährliche Tendenz fort, die auf die Dauer, wenn sie sich in derselben Weise fortsetzt, zur finanziellen Auszehrung der Bundeswehr führen muß. Sie selbst haben im Verteidigungsausschuß festgestellt, daß der Haushalt 1973 der relativ niedrigste seit Jahren ist, und das Entscheidende ist, daß die Aufwendungen für Beschaffung und für Forschung und Entwicklung realnimmt man die Preissteigerungsraten hinzu — zurückgehen, und das bei steigenden Kosten der jeweiligen Waffensysteme. In diesen Bereichen der Ausrüstung, Ausstattung und im Bereich der Forschung und Entwicklung fallen die Entscheidungen über die künftige Ausrüstung und damit über die künftige Modernität der Bundeswehr.Ich darf Sie selbst noch einmal zitieren, weil das auch die Offentlichkeit wissen soll. Sie sagten, dieser Haushalt reiche nicht aus, um wesentliche neue Schritte zu tun, auch nicht im Bereich der Infrastruktur, auch nicht im Bereich der sozialen Fürsorge; was geplant, versprochen und zugesagt und vielerorts gefordert werde, könne mit diesem Haushalt nicht vollends erfüllt werden. Wenn also bei der Beschaffung, wenn bei neuen Vorhaben im Bereich der Infrastruktur und wenn bei Entwicklung und Forschung praktisch nichts Neues in Angriff genommen werden kann, dann bedeutet das nichts anderes — auch darüber muß, vor allen Dingen im Hinblick auf künftige Haushalte, Klarheit zwischen uns bestehen —, als das die Bundeswehr angefangen hat, von der Substanz zu leben, und das bedeutet, daß zur Gefahr des schwindenden Verteidigungswillens in unserer Gesellschaft auch eine abnehmende finanzielle und materielle Basis der Verteidigung tritt. Darin sehen wir die eigentliche Gefahr für die Verteidigung des Bündnisses allgemein, aber auch der Bundesrepublik Deutschland in den kommenden Jahren.Lassen Sie mich eines zum Vergleich sagen: Die Sowjetunion hat nirgendwo in ihrem Verteidigungsbereich die Ausgaben stärker gesteigert als im Sektor der Forschung und Entwicklung. Ein Drittel des sowjetischen Verteidigungsetats wird von diesem Etatposten in Anspruch genommen. Jeder mag sich ausrechnen, wohin der faktische Rückgang dieser Ausgaben nicht nur bei uns, sondern fast allgemein im Westen und die Steigerung dieses Postens in der Sowjetunion führen müssen, was das Kräftegleichgewicht in Europa in den kommenden Jahren anlangt. Jeder mag sich diese Frage selbst beantworten. Dieser Haushalt reicht zwar zur Not aus, um die unumgänglichen rechtlichen und sonstigen Verpflichtungen abzudecken, aber — lassen Sie mich das ganz klar sagen, damit draußen kein Mißverständnis entsteht -- er reicht nicht aus, um die Bundeswehr langfristig modern zu halten.Meine Damen und Herren, angesichts dieser Lage haben wir wenig Verständnis für Versuche aus den Reihen der Koalition, speziell aus den Reihen der SPD, den Bundeswehretat noch weiter zu kürzen. Es ist schon bezeichnend, wenn das Ministerium im Haushaltsausschuß in einer Linie mit der Opposition gegen Kürzungsvorschläge beispielsweise imBereich der Bundeswehrhochschule oder auch bei der Reservistenarbeit steht oder wenn die Opposition bei der Schlußabstimmung im Verteidigungsausschuß zustimmt, drei SPD-Abgeordnete sich aber der Stimme enthalten, ohne uns im Ausschuß eine Begründung zu liefern.
Die Begründung können wir hinterher dann einer einschlägigen Tageszeitung entnehmen. Das ist nicht die Art, wie wir uns die Auseinandersetzung in diesem Bundestag wünschen.
Das ist auch der Grund dafür, daß wir hier namentliche Abstimmung beantragen. Wir wollen einmal sehen, ob es so weitergeht, und ob man zu dem steht, was man draußen sagt.
Herr Minister, wenn Sie — nicht heute, aber im Verteidigungsausschuß und auch schon in der Öffentlichkeit — sagten, dieser Haushalt enthalte daß notwendige Minimum zur Erfüllung unserer Aufgaben und zur Erfüllung unserer Pflichten dem Bündnis gegenüber, so ist das, wie ich meine, nur die halbe Wahrheit. Das gilt eben nur, wenn Sie die Auswirkungen für dieses Jahr sehen. Es gilt nicht, wenn Sie die Auswirkungen langfristig sehen, denn die Eingriffe, die Sie vornehmen müssen, die Streckungen und die Streichungen, die zweitbesten Lösungen werden ihre Folgen erst in einigen Jahren zeigen. Es wird dann außergewöhnlich schwierig sein, eine solche Entwicklung mit neuen Beschlüssen wieder zu korrigieren.Ich glaube, es wird nicht mehr lange dauern, bis der Punkt gekommen ist, an dem eine weitere Streichung und Streckung nur noch um den Preis der Kampfkraft der Bundeswehr und damit der Glaubwürdigkeit unserer Abschreckung im Bündnis zu haben sein wird. Denn, um es mit den Worten eines Ihrer Sachverständigen zu sagen, die Folgen dieser Restplanung im investiven Bereich sind Überalterung von Waffensystemen und Gerät über die militärisch vertretbare Grenze hinaus, unwirtschaftlich hohe Ausgaben für Materialerhaltung und kumulierender Rüstungsbedarf.Ich möchte folgendes Fazit ziehen. Mit dem Haushaltsplan 1973 und der mittelfristigen Finanzplanung läßt sich der gegenwärtige moderne Ausrüstungsstand der Bundeswehr auf die Dauer nicht aufrechterhalten. Wenn wir das feststellen, messen wir diesen Etat nicht etwa an den Wünschen der Militärs, die gelegentlich das Wünschenswerte über das Notwendige stellen. Wir messen diesen Etat an dem, was unerläßlich notwendig ist, wenn man die Rüstungsanstrengungen des Warschauer Pakts sieht.Ich wollte jetzt einiges darüber sagen, was zu geschehen habe. Insbesondere wollte ich die Beschleunigung der Wehrstrukturreform fordern. Ich möchte mir das ersparen.Herr Minister, am Schluß möchte ich eines anfügen. Alle Vorschläge zur Rationalisierung, alle Vorschläge zur Standardisierung im Bündnis, alle Vor-
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Dr. Wörnerschläge zur Arbeitsteilung im Bündnis dürfen über eines nicht hinwegtäuschen: Ohne eine angemessene Erhöhung des Verteidigungsetats in den kommenden Jahren ist eine effektive Verteidigung nicht aufrechtzuerhalten. Nicht nur der Frieden, sondern auch der Schutz unserer freiheitlichen Rechtsordnung hat seinen Preis.
Die nach unten zeigende Tendenz darf sich nicht fortsetzen. Der Verteidigungshaushalt muß am Wachstum der öffentlichen Ausgaben teilhaben, wie das die Wehrstrukturkommission gefordert hat. Wir hoffen, daß es Ihnen gelingt, sich in der Regierung mit diesen Ihren Forderungen gerade angesichts der internationalen Lage durchzusetzen. Wir haben aus konjunkturellen Gründen bewußt darauf verzichtet, in dieser Lage einen Antrag auf Erhöhung zu stellen. Wir waren der Meinung, daß der Wehrsold im Rahmen des Etats angehoben werden sollte. Das ist abgelehnt worden.Aber lassen Sie mich klar sagen: wenn der Bundeshaushalt für Verteidigung das nächste Mal nicht spürbar angehoben wird, kommt das dem Zwang zur einseitigen Abrüstung gleich. Das aber kann keiner wollen, der an beidseitiger kontrollierter und ausgewogener Abrüstung interessiert ist. Der Erfolg der MBFR-Verhandlungen, den wir alle wünschen, hängt ganz entscheidend davon ab, daß wir an unserer Entschlossenheit im Westen und der Bundesrepublik keinen Zweifel aufkommen lassen, unseren politischen Handlungsspielraum und unsere freie Gesellschaftsordnung auch unter Opfern gegen jeden militärischen oder politischen Druck zu schützen.
Dafür -- um damit zu schließen — darf ich Ihnen schon heute die Unterstützung der CDU/CSU zusagen. Ich glaube, mehr kann man von einer Opposition nicht erwarten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bußmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat es für richtig gehalten, sich heute in der späten Debatte über die innere Verfassung meiner Partei in Fragen der Verteidigungspolitik auszulassen.
Herr Wörner hat immer seine besondere Optik gehabt; aber zu der Optik, die in Zahlen und Fakten nachweisbar ist, gehört nun einmal folgendes. Diese Sozialdemokratische Partei hat, seit sie mit dem liberalen Koalitionspartner in der Regierungsverantwortung ist, Verteidigungshaushalte um Zuwachsraten erhöht, wie sie in der Vergangenheit kaum je dagewesen sind.
Das muß man auch einmal sagen.
Sie wissen ganz genau, daß es im Jahr 1971 14,4 % und im nächsten Jahr über 11 % waren. Dem steht gegenüber, daß Sie in Ihrer Verantwortung und auf Ihre Kasse schauend in den Jahren von 1964 bis 1969 den Verteidigungshaushalt zwischen 18,8 und mageren 19,3 Milliarden DM im Jahre 1969 stagnieren ließen.
— Das war Ihre Bilanz, Herr Marx! In jener Zeit sind nämlich jene Schwachstellen der Bundeswehr aufgetreten, bei deren Reparatur man sich heute Mühe gibt. Wir wollen sie so reparieren, daß die Voraussetzungen geschaffen werden, von denen der Minister gesprochen hat, als er von einer Strukturreform dieser Bundeswehr sprach.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Haben Sie gegen den Haushalt des Jahres 1969 gestimmt, weil er zu niedrig oder weil er zu hoch war?
Natürlich haben wir diese Verteidigungshaushalte genauso mitgetragen, wie Sie heute diesen Verteidigungshaushalt mittragen. Aber heute stehen Sie ja hier und klagen an; jedenfalls reden Sie mit klagendem Unterton darüber, daß hier nicht genug getan wird. Immerhin wird — wenn Sie rechnen können, lesen Sie es einmal nach! — in diesem Jahr dieser Etat wiederum um etwa 8,9 % erhöht, wenn Sie die Beträge des Einzelplans 60 mitnehmen. Wenn Sie richtig rechnen und dazu den Einzelplan 60 mit den Personalzurechnungskosten nehmen, die fällig werden, wird die Zuwachsrate wiederum so um 10,5 % liegen. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß demgegenüber die Tatsache steht, daß von 1964 bis 1969 praktisch die totale Stagnation war. — Bitte sehr!
Herr Kollege Dr. Bußmann, ist Ihnen bekannt, daß die Erhöhung doch kaum mehr ist als die Inflationsrate, die Rate jener Inflation, die erst eingetreten ist, seit wir eine Regierung Brandt haben?
Lieber Herr Kollege Jaeger, ich will Ihnen einmal etwas sagen. Sie sind schon lange nicht mehr im Verteidigungsausschuß und haben sich mit diesen Fragen offenbar nicht beschäftigt. Wenn Sie es getan hätten, wüßten Sie, daß die Hauptkostensteigerungen im Verteidigungshaushalt nie durch normale Preissteigerungen bedingt waren, sondern durch Kostenexplosionen, die sich
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Dr. Bußmannvor allen Dingen im technischen Bereich ergaben. Dadurch die exorbitanten Steigerungen.
— Da lachen alles kluge Leute, die sich niemals mit den Fakten dort beschäftigt haben. Soll ich Ihnen einmal die einzelnen Projekte nennen, die wir in den letzten Jahren beschlossen haben und die zur Zeit in der Bundeswehr eingeführt werden? Soll ich Ihnen nachweisen, welche Kostensteigerungen sich im Bereich des technischen Gerätes ergeben? Soll ich Ihnen nachweisen, um welche Prozentsätze Jahr für Jahr die Unterhaltungskosten zum guten Teil dadurch steigen, daß komplizierteres Gerät höhere fachliche Qualifikation bei denjenigen erfordert, die dieses Gerät warten?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Bockelberg? Bitte!
Herr Kollege, habe ich soeben richtig verstanden, daß Sie gesagt haben: realiter hat sich der Wehrhaushalt nicht erhöht?
Ich habe hier im einzelnen ausgeführt, daß sich der Verteidigungshaushalt in den letzten Jahren Jahr für Jahr um mehr als 10 % erhöht hat.
— Natürlich sind in dieser Erhöhung auch Preissteigerungsraten.
Aber nehmen Sie demgegenüber die negative Tendenz der Vorjahre! Dann haben Sie in Ihrer Fraktion auf jeden Fall das Recht verloren, sich hier auf das hohe Roß zu setzen oder auf das Podium zu stellen und daran Kritik zu üben. Das ist eine Tatsache. Bei Ihnen war die Steigerungsrate einfach null.
Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen. In jenen Jahren, da keine Steigerung, sondern lediglich Stagnation war, entstanden auch jene Schwachstellen, die wir immer als Personalstrukturmängel bezeichnet haben. In jenen Jahren war es so, daß das Hauptdefizit bei den Unteroffizieren, ihrem Nachwuchs und beim Offiziersnachwuchs lag. Schauen Sie sich einmal die Bilanz von drei Jahren sozialdemokratischer Verteidigungspolitik an! Schauen Sie sich einmal an, wie heute die Lage bei den Unteroffizieren und wie die Nachwuchslage bei den Unteroffizieren ist! Schauen Sie sich an, wie die Nachwuchslage bei den Offizieren ist bzw. die tatsächliche Personallage! Hier haben sich ganz wesentliche Verbesserungen ergeben auf Grund von Maßnahmen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden und zu denen Sie unter Ihren Verteidigungsministern vorher leider nicht in der Lage waren.
Nichtsdestoweniger sehen auch wir die Probleme, die dann zum Teil vom Kollegen Wörner angesprochen wurden. Wir wissen, daß international die Investitionskosten in einem überproportionalen Maße zurückbleiben und die Personalkosten in allen westlichen Ländern überproportional ansteigen.
Dieses Phänomen haben nicht nur wir hinzunehmen. Das haben auch nicht nur die Länder mit Inflationsraten hinzunehmen. Es ist ein allgemeines Phänomen, zum guten Teil dadurch begründet, daß Waffensystem für Waffensystem in der Ablösung um 200 bis 300 % teurer wird, weil es auch um vieles leistungsfähiger wird und kompliziertere Technik erfordert. In dieser Kostenschere befinden sich alle Nationen dieser Welt einschließlich derjenigen, die im Osten Aufrüstung betreiben. In dieser Situation sind auch wir. Deshalb haben wir z. B. im Haushaltsausschuß einen Beitrag zu leisten versucht. Wir haben dort aus den bestehenden Titeln immerhin 370 Millionen DM gestrichen und diese 370 Millionen DM zu insgesamt 255 Millionen DM im Investitionstitel des normalen Haushalts umverlagert.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Augenblick! — Das brachte wenigstens eine geringfügige Verbesserung. Ja, bitte!
Bitte schön, Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Bußmann, meinen Sie nicht, daß Sie dem Haus einen großen Gefallen erwiesen, wenn Sie jetzt zum Schluß kämen, oder müssen Sie noch weiterreden, damit Ihre Jungsozialisten mehr Zeit zur Beratung haben?
Herr Kollege, das ist keine Zwischenfrage; dazu haben Sie nicht das Wort erhalten.
Ihre Frage ist bestenfalls
in die Kategorie „Geschmacksfragen" einzuordnen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Bußmann, wolltedie CDU den Haushalt nicht ausführlich diskutieren?
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Ich nehme an, daß es so ist.
Aber dennoch will ich die Kollegen nicht allzu lange aufhalten. Nur: Einige Ausführungen des Kollegen Wörner erforderten hier natürlich eine Richtigstellung, jedenfalls in der historischen Perspektive. Auch bedarf es einer Richtigstellung dessen, was in bezug auf die Verhandlungen im Haushaltsausschuß gesagt wurde.
Wir haben im Haushaltsausschuß umverlagert und sind zu einer Nettokürzung von 125 Millionen DM gekommen. Diese 125 Millionen DM werden gleichzeitig durch die Währungsgewinne aufgewogen, die durch Wechselkursänderungen entstanden sind, so daß im wirklichen Netto-Soll das gleiche Ergebnis wie im Haushaltsvoranschlag herausgekommen ist. Das war das Ergebnis, allerdings mit dem Unterschied: der Haushaltsausschuß hat sich wirklich intensiv mit diesen Problemen befaßt.
Wir haben insgesamt etwa 410 Positionen im einzelnen verändert und uns alle Mühe gegeben: in Berichterstatter-Besprechungen, in Gruppensitzungen wie auch in der Haushaltsausschußsitzung. Dabei sind wir zu diesem Ergebnis gekommen, das dem Verteidigungsminister nützt und das sich vor diesem Parlament sehen lassen kann.
Allerdings vermisse ich hier die Initiative der Opposition im Fachausschuß, im Verteidigungsausschuß, in dem solche Debatten sicherlich notwendig gewesen wären. Aber da hatte man offenbar anderes zu tun, als diese wirklich sack- und fachbezogenen Anträge zu stellen.
Nun, ich will damit zum Schluß kommen.
— Es ist immer erfreulich, auch einmal von dieser Seite Beifall zu bekommen.
Auch ohne daß der Antrag bisher begründet worden ist, bitte ich darum — nur um Zeit zu sparen —, den Änderungs-Antrag, der von der CDU/CSU-Fraktion eingebracht wurde, auf Umschichtung der Mittel, die in Einzelplan 60 eingestellt sind, in den Einzelplan 14 abzulehnen.
Denn hier geht es darum, daß Vorhalteposten und Vorhaltenotierungen im Haushalt sein müssen, weil auch in den kommenden Devisenausgleichsverhandlungen wahrscheinlich wieder Forderungen und möglicherweise einzusetzende Mittel auf uns zukommen, für die wir Buchungsstellen haben müssen. Systematisch sinnvoll ist es so, wie es bisher gemacht wurde.
Ich bitte rein aus diesen haushaltssystematischen Gründen, es bei der Vorlage des Haushaltsausschusses zu belassen und den Antrag der CDU/CSU-Fraktion abzulehnen.
Zu diesem Haushaltsplan liegt auf Drucksache 7/812 ein Änderungsantrag vor. Das Wort dazu hat der Herr Abgeordnete Haase .
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Erregung, Herr Kollege Bußmann, die zum Teil aus Ihren Formulierungen zu Anfang Ihrer Rede sprach, erscheint mir unbegründet. Darf ich Sie noch einmal herzlichst bitten, doch die Ausführungen unseres Kollegen Wörner zu studieren. Auch ich komme zu dem Schluß — sowohl was unsere Beiträge hier im Hause als auch in den Ausschüssen betrifft —: mehr kann eine Opposition zur Stützung der Regierungspolitik überhaupt nicht tun, wie wir es in Fragen der Landesverteidigung hier in diesem Hause bewirken.
Herr Kollege Dr. Bußmann, Sie werden uns doch noch zugestehen, daß wir hier und da partiell einige kritische Anmerkungen machen. Denn auch wir haben in Teilbereichen der Landesverteidigung unsere eigenen Vorstellungen.
Andererseits zielte die Rede des Kollegen Wörner im wesentlichen in eine Richtung, um diesem Hause noch einmal in aller Eindringlichkeit das Dilemma vor Augen zu führen, vor dem finanziell unsere Landesverteidigung steht. Wir haben doch mittlerweile alle in diesem Hause begriffen, daß die Kosten für den Unterhalt die Gelder, die wir für die Ausrüstung unserer Streitkräfte, für ihre Investitionen zur Verfügung stellen müssen, immer stärker beeinträchtigen. Das ist das große Dilemma, und das wird uns in den kommenden Jahren noch in starkem Umfange beschäftigen müssen. Wenn wir nicht bereit sind, unseren Bürgern mehr für die Landesverteidigung abzuverlangen, werden die Sicherheitsvorkehrungen dieser Republik notleidend werden. Es war das Ziel meines Kollegen Wörner heute abend, Ihnen das noch einmal deutlich vor Augen zu führen, und das ist lediglich im Rahmen unserer Bemühungen zu verstehen, die Vorkehrungen für die Landesverteidigung zu unterstützen.
Gestatten Sie mir jetzt einige Ausführungen im Zusammenhang mit unserem Änderungsantrag.
Herr Abgeordneter, einen Moment bitte.
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas Ruhe und bitte, Platz zu nehmen und Gespräche draußen zu führen. Der Redner kann sich kaum mehr durchsetzen.
Meine Damen und Herren, unser Änderungsantrag zielt darauf ab, Mittel aus dem Einzelplan 60 in den Einzelplan 14 zu transferieren. Warum, das will ich Ihnen kurz zu erläutern versuchen. Der Haushalt enthält in Einzelplan 14, also im Verteidigungsetat, einen Ansatz für die Beschaffung von Flugzeugen und Flugkörpern
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Haase
in der Größenordnung von etwa 1 Milliarde DM Darüber hinaus wird im Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — ein Ansatz für die Beschaffung des Kampfflugzeuges Phantom II von weiteren 400 Millionen DM ausgewiesen. Die tatsächlichen Ausgaben, die sich aus der Beschaffung der Phantom II ergeben, sollen allerdings nicht im Einzelplan 60, sondern ausschließlich im Einzelplan 14 beim Flugzeugtitel etatisiert werden, dem in der Haushaltsführung die Mittel aus dem Einzelplan 60 zugewiesen werden.Dasselbe gilt für die Hubschrauberbeschaffung im Rahmen der EDIP, wo im Einzelplan 60 150 Millionen DM veranschlagt werden, die jedoch im Flugzeugtitel des Einzelplans 14 ausgegeben werden.Ganz paradox aber, meine Damen und Herren, wird diese Veranschlagungsart bei den Kosten der auf NATO-Ebene gemeinsam durchgeführten Maßnahmen zum Schutz der Luftstreitkräfte, einmal in der Bundesrepublik und zum anderen in den übrigen am Programm beteiligten NATO-Staaten. Die dafür erforderlichen Mittel von jeweils 62 Millionen DM stehen ausschließlich im Einzelplan 60, sie werden aber ausschließlich im Einzelplan 14 ausgegeben und verbucht, wo im Haushaltsplan nur ein Strichtitel mit einem Jahresansatz von Null ausgewiesen ist.All diese Fälle zeigen typische unzulässige Doppelveranschlagungen; sie verstoßen gegen das Verbot des § 17 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung, wo es heißt: für den gleichen Zweck sollen Ausgaben nicht bei verschiedenen Titeln veranschlagt werden. Es handelt sich dabei sicher lediglich um eine SollVorschrift, die bei Vorliegen wichtiger sachlicher Gesichtspunkte in Ausnahmefällen durchbrochen werden kann. Solche wichtigen sachlichen Gesichtspunkte sind hier jedoch nicht zu erkennen. Das Gebot der Haushaltsklarheit läßt es unter allen Umständen zweckmäßig erscheinen, daß aus dem Zahlenwerk des Einzelplans 14 im einzelnen hervorgeht, welche Mittel beispielsweise für die Beschaffung neuer Militärflugzeuge, für die gemeinsam finanzierte Luftabwehr usw. vorgesehen sind.Mit Recht wird in einem Kommentar zur Bundeshaushaltsordnung bemerkt:Ein Haushaltsplan hat politisch soviel Wert, wie er noch leserlich und verständlich ist.Dieses Verständnis allerdings leidet großen Schaden, meine Damen und Herren, wenn man sich quer durch mehrere Einzelpläne lesen muß,
um festzustellen, welche Mittel dem Verteidigungsministerium insgesamt und auch für die genannten Zwecke zur Verfügung stehen. Der Einzelplan 60 ist seiner Natur nach ein Plan, der ausschließlich dafür bestimmt ist, die Finanzierungsausgaben aufzunehmen, für die in den Plänen der zuständigen Ministerien kein Platz ist, aus welchen Gründen auch immer. Man sollte dieses ohnehin bestehende Sammelsurium nicht noch mit weiteren Ausgaben belasten, die eindeutig einer bestimmten Ressortzuständigkeit — hier der militärischen Verteidigung — zuzuweisen sind.Es hat nun noch zwei Argumente gegeben, auf die ich kurz eingehen möchte. Das eine Argument ist, man sollte bestimmte Leistungen innerhalb der NATO oder auch gegenüber den Vereinigten Staaten gesondert ausweisen. Dieses Argument erscheint mir nicht stichhaltig. Denn, meine Damen und Herren, die an diesen deutschen Leistungen interessierten Kreise lassen sich durch Haushaltstricks weder beeindrucken noch hinters Licht führen.Ein weiteres Argument ist, man solle aus bestimmten innenpolitischen Gründen den Verteidigungshaushalt zumindest optisch nicht besonders ausweiten. Auch dies erscheint mir wenig sachgerecht. Angesichts der anhaltenden Rüstungsanstrengungen im Ostblock — die letzten Tage haben ja eine Fülle neuer Erkenntnisse geliefert; dankenswerterweise hat Herr Minister Leber auch diesbezüglich heute für neue Aufklärung gesorgt, die wir uns alle hinter die Ohren schreiben sollten — sollten sich Regierung und Parlament ihrer Ausgaben für die deutsche Landesverteidigung nicht schämen;
denn sie dienen der Sicherheit unseres Landes und unserer Bürger. Im Gegenteil — ich habe vorhin schon darauf hingewiesen —, wir werden unsere Bevölkerung noch mit dem Gedanken vertraut machen müssen, daß, wenn die Abwehrbereitschaft unserer Streitkräfte erhalten bleiben soll, künftig mehr Mittel, als bisher vorgesehen, für die Landverteidigung zur Verfügung gestellt werden müssen.Ich bitte, unserem Antrag Drucksache 7/812 zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 7/812 der CDU/CSU. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe. —
Meine Damen und Herren, ich bitte noch einmal alle, Platz zu nehmen. Wer dem Antrag Drucksache 7/812 zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das zweite war eindeutig die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 14 in der Ausschußfassung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt; der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wir stimmen über den Einzelplan 14 in der Ausschußfassung in namentlicher Abstimmung ab.
Meine Damen und Herren, haben alle Abgeordneten ihre Stimmkarten abgegeben? — Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit dem Zählen zu beginnen.
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Vizepräsident Frau FunckeMeine Herren und Damen, ich glaube, wir können während des Zählvorgangs noch die Einzelpläne aufrufen, die nach den interfraktionellen Feststellungen keine Debatte mehr hervorrufen. Sind Sie damit einverstanden? — Dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie Platz nehmen würden und wir diese Haushaltspläne noch zu Ende bringen könnten.Ich rufe auf:Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht— Drucksache 7/736 — Berichterstatter: Abgeordneter PicardIch danke dem Herrn Berichterstatter. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 20 Bundesrechnungshof— Drucksache 7/737 —Berichterstatter: Abgeordneter BlankIch danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 20 in zweiter Beratung die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen? — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe auf: Einzelplan 27Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen— Drucksache 7/740 —Berichterstatter:Abgeordneter Dr. Dübber Abgeordneter HoppeIch danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 27. Wer in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist nicht ganz klar. Wer dem Einzelplan 27 die Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Das erstere war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 33Versorgung— Drucksache 7/744 —Berichterstatter:Abgeordneter Möller
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 33. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe ,auf:Einzelplan 35Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte— Drucksache 7/745 —Berichterstatter: Abgeordneter SimonIch danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe noch auf:Einzelplan 36 Zivile Verteidigung— Drucksache 7/746 —Berichterstatter:Abgeordneter Möller
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir stimmen in zweiter Lesung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen — Einstimmig beschlossen.Meine Damen und Herren, es hat nach § 36 der Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ravens das Wort erbeten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Seiters hat auf den ihm erteilten Ordnungsruf der Frau Präsidentin in einer persönlich genannten Erklärung seine gerügten Äußerungen gegen den Bundeskanzler nicht zurückgenommen.Ich möchte in Erinnerung rufen, was der Bundeskanzler heute nachmittag festgestellt hat. Im un-korrigierten Protokoll heißt es:Fest steht nur, daß sieben der neun Fraktionswechsler dadurch ausgezeichnet worden sind, daß sie über Landeslisten der CDU/CSU in diesem Bundestag sitzen.Diese Feststellung des Herrn Bundeskanzlers entspricht den Tatsachen, die niemand leugnen kann.
Daraus folgt, daß für den Abgeordneten Seiters die Darstellung eines unbestreitbaren Tatbestandes, die Wahrheit also, so unerträglich ist, daß er sich in den unhaltbaren Vorwurf der Verleumdung flüchten muß.Ich weise die Unterstellung des Abgeordneten Seiters zurück.
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2556 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973
Meine Damen und Herren, wir warten jetzt noch auf das Abstimmungsergebnis. Ein weiterer Aufruf von Einzelplänen ist für heute abend nicht mehr vorgesehen.Meine Damen und Herren, das Ergebnis liegt vor. Es haben insgesamt abgestimmt 397 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 20 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben 388 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 20 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein niemand. 9 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten.
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 392 und 22 Berliner Abgeordnete;davonJa: 388 und 20 Berliner AbgeordneteNein: —Enthalten: 9Ja SPDAhlers Amling Anbuhl Dr. ApelArendt BaackBarche BahrDr. BardensBatzDr. BayerlBecker Dr. Beermann BehrendtBerkhanBiermannBlankDr. Böhme BörnerFrau von Bothmer BrandtBredlBrück BuchstallerBüchler
Dr. von Bülow BuschfortDr. BußmannColletFrau Däubler-Gmelin Dr. von Dohnanyi DürrEckerlandDr. EhmkeDr. EhrenbergFrau Eilers Dr. Emmerlich EngholmDr. EpplerEsters EwenDr. Farthmann FellermaierFiebigDr. FischerFrau Dr. Focke Franke FrehseeGansel GeigerGerstl GertzenGlombig GnädingerGrobeckerGrunenbergDr. Haack Haase
Haase HaehserDr. HaenschkeHalfmeier HauckDr. Hauff HenkeHermsdorfHerold Höhmann Hofmann Dr. Holtz HornFrau HuberHuonkerJahn
Jaschke Jaunich Dr. Jens Junghans KaffkaKernKonrad KratzDr. KreutzmannKulawig Lambinus LangeLattmann LeberLempLenders Löbbert LutzMahne MatthöferFrau MeermannDr. Meinecke Meinicke (Oberhausen) MetzgerMöhringDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Müller
Müller Müller (Schweinfurt)NagelNeumann Dr. NöllingDr.-Ing. Oetting Offergeld FreiherrOstmau von der Leye PenskyPolkehnRapp Rappe (Hildesheim) RavensFrau Renger ReuschenbachRohdeRosenthal Saxowski Dr. SchachtschabelDr. Schäfer SchefflerScheuFrau Schimschok Schirmer SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (Hamburg) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Wattenscheid) Dr. Schmude SchonhofenSchreiber Schulte SchwabeDr. SchweitzerSeibertSimonSimpfendörferDr. Slotta Dr. SperlingSpilleckeStaak
Stahl
SuckSundFrau Dr. TimmTönjesUrbaniak Vahlberg VitVogelsang WaltherDr. Weber WehnerWendtDr. WernitzWestphal Dr. WichertWienand Wilhelm WischnewskiDr. de WithWittmann WolfWolfram WredeWüster Wuttke Wuwer ZanderZebisch ZeitlerBerliner Abgeordnete Dr. Arndt BühlingDr. DübberEgertHeyen Löffler Mattick Dr. SchellenbergFrau. SchleiSchwedler SieglerschmidtWurcheCDU/CSUDr. Abeleinvon. Alten-NordheimDr. AlthammerDr. Arnold BaierDr. Becher
Dr. Becker
Frau BenedixBenzBergerBewerunge Biechele BiehleDr. von BismarckDr. Blümvon BockelbergBöhm
BraunBreidbach BremerBremmBurgerCarstens
Dr. Czaja Dammvan DeldenDr. DollingerDreyerEigenEilers EngelsbergerEntrupErhard ErnestiDr. Evers EyFerrangFreiherr von FircksFranke
Dr. Franz Dr. FrerichsDr. Früh Dr. Fuchs GeisenhoferGerlach
Gerster
GierensteinDr. Gölter Dr. GötzHaase
Dr. Häfele Härzschel Dr. HammansHandlos von HasselHauser Hauser (Krefeld)Dr. Hauser
Dr. Heck Höcherl HöslDr. HornhuesHorstmeierFrau HürlandDr. HupkaDr. JaegerJäger
Dr. JenningerDr. Jobst JostenKatzerKiepDr. h. c. KiesingerDr. Klein
Dr. Klein
Dr. Köhler KösterKrampeDr. Kraske
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2557
Dr. KreileKroll-SchlüterDr. Kunz LampersbachDr. Lenz LenzerLinkLöherDr. LudaLücker Dr. MarxMaucherDr. Mertes MickDr. MikatDr. MiltnerMilzMöller
Müller
Dr. Müller-Hermann Mursch Dr. NarjesFrau Dr. Neumeister NordlohneOrgaß PfeffermannPfeifer Picard Pieroth PohlmannDr. PrasslerRainer Rawe ReddemannFrau Dr. Riede Dr. Riedl (München)Dr. RitgenDr. Ritz Röhner RollmannRommerskirchenRoser Russe Sauer
Sauter
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinDr. SchäubleSchmidhuberSchmitt Schmitz (Baesweiler) SchmöleDr. SchneiderFrau Schroeder Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Lüneburg) Schröder (Wilhelminenhof) Schulte (SchwäbischGmünd)Seiters SickSolke Spilker SpringorumDr. SprungDr. StavenhagenStücklenSusset de TerraTillmannFrau TüblerDr. UnlandVeharFrau VerhülsdonkVogel
VogtVolmerDr. WaffenschmidtWagner
Dr. Wagner
Dr. WaigelDr. WallmannDi. Warnke WawrzikWeber WernerFrau Dr. WexFrau Will-Feld Windelen WissebachDr. Wittmann Dr. WörnerBaron von WrangelDr. Wulff Dr. Zeitel ZeyerZieglerDr. ZimmermannZinkZoglmannBerliner Abgeordnete AmrehnKunz
Müller
Frau PieserDr. Schulz Straßmeir WohlrabeFDPDr. BangemannBaumDr. Böger ChristEngelhard ErtlFlachFrau. FunckeGallusGeldner Genscher GraaffGroßGrünerDr. HirschHölscher HoffieJungKirstKleinert KrallDr. Graf Lambsdorff LogemannDr. Dr. h. c. Maihofer Mertes MischnickMöllemannMoersch Ollesch RonneburgerScheelSchmidt
Frau Schuchardt SpitzmüllerDr. WendigWurbsZywietzBerliner Abgeordneter HoppeEnthalten SPDConradi Coppik Hansen Krockert ReiserSchäfer SchinzelSchlaga WaltematheDamit ist der Einzelplan 14 mit großer Mehrheit angenommen.Das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Reddemann.
Frau Präsidentin!
Meine Damen! Meine Herren. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Ravens, hat soeben eine Erklärung des Herrn Bundeskanzlers aus dem Zusammenhang gerissen und versucht, damit den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/ CSU-Fraktion, Seiters, in ein schiefes Licht zu bringen.
Die Fraktion der CDU/CSU behält sich vor, über dieses Thema noch einmal zu sprechen, sobald das gedruckte Protokoll vorliegt und deutlich wird, daß der Zwischenruf des Herrn Kollegen Seiters an einer anderen Stelle und in einem anderen Zusammenhang entscheidend war.
Es liegt noch eine Wortmeldung vor. Bitte schön, Herr Abgeordneter Immer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da ich zu spät zur namentlichen Abstimmung gekommen bin und meine Stimme nicht mehr abgeben konnte, möchte ich erklären, daß ich diesem Haushaltsplan zugestimmt hätte.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Ravens.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Augeordnete Reddemann hat bezweifelt, daß die gerügten Äußerungen des Kollegen Seiters an der von mir zitierten Stelle gemacht worden sind. Mir liegt das Protokoll vor. Genau an dieser Stelle heißt es: Zwischenruf des Abg. Seiters: Sie sind ein Verleumder! Dies steht nach dem von mir verlesenen Satz.
Meine Damen und Herren, es ist angekündigt., daß die Fraktionen morgen auf die Angelegenheit zurückkommen. Ich glaube, wir sollten es dabei bewenden lassen. Ich schließe für heute die Sitzung.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Dienstag, den 19. Juni 1973, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.