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ID0704419500

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    Vokabeln: 6
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    6. Bundeskanzler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 Inhalt: Einreichung von Fragen während der Sommerpause 2453 A Überweisung eines Gesetzentwurfs an den Haushaltsausschuß . . . . . . . . 2453 B Wahl des Abg. Dr. Barzel als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates . . . . . . . . 2453 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 2453 C Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1973 (Haushaltsgesetz 1973) (Drucksachen 7/250, 7/599); Anträge und Berichte des Haushaltsausschusses — Zweite Beratung — . . . . . . . . 2453 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt (Drucksache 7/721) . . . . 2454 A Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksache 7/723) 2454 A Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes (Drucksache 7/724) Esters (SPD) . . . . . 2454 B, 2507 C Dr. Carstens (Fehmarn) (CDU/CSU) 2456 C Wehner (SPD) 2463 A Dr. h. c. Kiesinger (CDU/CSU) . . 2470 B Kirst (FDP) 2484 B Brandt, Bundeskanzler 2489 D Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) . 2497 B Flach (FDP) 2501 D Baier (CDU/CSU) 2504 A Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 2506 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . 2508 C Hermsdorf, Parl. Staatssekretär (BMF) 2508 D Namentliche Abstimmung . . . 2509 B, 2513 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksache 7/722) Wohlrabe (CDU/CSU) 2509 B Frau Renger (SPD) . . . . . . 2514 C Collet (SPD) 2516 B Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts (Drucksache 7/725) Picard (CDU/CSU) . . . 2517 C, 2526 D Dr. Bußmann (SPD) . . . . . . . 2519 C Dr. Bangemann (FDP) 2520 D Scheel, Bundesminister (AA) . . 2525 C Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksache 7/726) Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) . . 2527 B Frau Funcke, Vizepräsident . . . . 2530 C Möller (Lübeck) (CDU/CSU) . . 2530 C Seiters (CDU/CSU) (Erklärung nach § 36 GO) 2533 C Walther (SPD) . . . . . . . 2533 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz (Drucksache 7/727) 2535 D Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (Drucksache 7/731) Krampe (CDU/CSU) 2536 A Grobecker (SPD) 2538 A Geisenhofer (CDU/CSU) . . . 2539 D Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . 2542 D Arendt, Bundesminister (BMA) . 2543 B Maucher (CDU/CSU) 2544 C Glombig (SPD) 2545 A Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 7/733) 2546 D Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung (Drucksachen 7/734, 7/792) Leber, Bundesminister (BMVg) . . 2547 A Dr. Wörner (CDU/CSU) ... 2549 B Dr. Bußmann (SPD)... 2551 B Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 2553 C Namentliche Abstimmung . . . 2554 D, 2556 A Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 7/736) 2555 A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksache 7/737) 2555 A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen (Drucksache 7/740) 2555 B Einzelplan 33 Versorgung (Drucksache 7/744) 2555 B Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte (Drucksache 7/745) . . 2555 C Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksache 7/746) 2555 C Ravens (SPD) (Erklärungen nach § 36 GO) 2555 D, 2557 D Reddemann (CDU/CSU) (Erklärung nach § 36 GO) 2557 C Immer (SPD) (Erklärung nach § 59 GO) 2557 C Fragestunde (Drucksachen 7/769, 7/800) Frage 1 — Drucksache 7/800 — des Abg. von Alten-Nordheim (CDU/CSU) : Deckung des Kreditbedarfs für die Erntefinanzierung Ertl, Bundesminister (BML) . . . 2471 B, C von Alten-Nordheim (CDU/CSU) . 2471 B, C Frage 2 — Drucksache 7/800 — des Abg. von Alten-Nordheim (CDU/CSU) : Maßnahmen der Bundesregierung zur Verhinderung weiterer Wettbewerbsbenachteiligungen der Landwirtschaft durch erhöhte Erntefinanzierungskosten Ertl, Bundesminister (BML) . . . 2471 C, D, 2472 A, B, C, 2473 A, B von Alten-Nordheim (CDU/CSU) . . 2471 D, 2472 A Eigen (CDU/CSU) . . . . . . . 2472 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . . 2472 C Dr. Ritz (CDU/CSU) . . . . . . 2473 A Gallus (FDP) . . . . . . . . . 2473 B Frage A 14 — Drucksache 7/769 — des Abg. Peiter (SPD) : Zahl der einem Garantieverband nicht angeschlossenen Bankinstitute Hermsdorf, Parl. Staatssekretär (BMF) 2473 C Frage A 16 — Drucksache 7/769 — des Abg. Milz (CDU/CSU) : Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen nach § 7 b EStG für Fertighäuser Hermsdorf, Parl. Staatssekretär (BMF) 2474 A,C Milz (CDU/CSU) . . . . . . . . 2474 C Frage A 18 — Drucksache 7/769 — des Abg. Dr. Klein (Stolberg) — (CDU/CSU) : Vergrößerung des Abstandes zwischen den wirtschaftsschwachen und den wirtschaftsstarken Räumen durch die Maßnahmen der Bundesregierung zur Konjunkturdämpfung Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2474 D, 2475 A, B Dr. Klein (Stolberg) (CDU/CSU) . 2475 A Milz (CDU/CSU) 2475 B Frage A 19 — Drucksache 7/769 — des Abg. Dr. Klein (Stolberg) (CDU/CSU) : Aktionsprogramm ,,Nordeifel-Grenzraum Aachen" im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Grüner, Parl. Staatssekretär (BMWi) 2475 C, D, 2476 A, B Dr. Klein (Stolberg) (CDU/CSU) . 2475 D Milz (CDU/CSU) 2476 A Immer (SPD) 2476 B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 III Frage A 21 — Drucksache 7/769 — des Abg. Geldner (FDP) : Pressemeldungen über die Erlöse der Molkereien aus der Trinkmilch und anderen Milchprodukten Ertl, Bundesminister (BML) 2476 C, 2477 A Geldner (FDP) . . . . . . . . 2477 A Fragen A 23 und 24 — Drucksache 7/769 — des Abg. Immer (SPD) : Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Zunahme der Brachflächen und der einseitigen Aufforstung Ertl, Bundesminister (BML) . . . 2477 B, 2478 A, B Immer (SPD) . . . . . . . . 2478 A, B Frage A 25 — Drucksache 7/769 der Abg. Frau Dr. Riedel-Martiny (SPD) : Gutachten der Dornier-System-GmbH betr. die Schädigung der Umwelt durch die Landwirtschaft Ertl, Bundesminister (BML) . . . 2478 C, D Frau Dr. Riedel-Martiny (SPD) . . . 2478 D Fragen A 26 und 27 — Drucksache 7/769 -- des Abg. Hölscher (FDP) : Einsatzmöglichkeiten von Zivildienstleistenden im sozialen Bereich Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) 2479 A, B, C, D, 2480 A, B Hölscher (FDP) . . . . . . . 2479 C, D Engholm (SPD) 2480 A Damm (CDU/CSU) 2480 A Frage A 30 — Drucksache 7/769 — des Abg. Schreiber (SPD) : Einhaltung der Richtlinien für die Unterkünfte ausländischer Arbeitnehmer Rohde, Parl. Staatssekretär (BMA) 2480 C Frage A 31 — Drucksache 7/769 — des Abg. Reuschenbach (SPD) : Zurückstellung von Betriebsjugendvertretern und jugendlichen Betriebsräten vom Wehrdienst Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2480 D Fragen A 32, 34 und 35 — Drucksache 7/769 — der Abg. Dr. Marx, Damm und Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU) : Aufklärung der DDR-Soldaten über die Bundeswehr, Erziehung der NVA zum Haß gegenüber der Bundeswehr und Erklärung des „Feindbildes" für die DDR- Streitkräfte Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2481 A, D, 2482 B, C, D Dr. Marx (CDU/CSU) . . 2481 D, 2482 B Damm (CDU/CSU) . . . . . . 2482 B, C Fragen A 36 und 37 — Drucksache 7/769 — des Abg. Dr. Hirsch (FDP) : Feststellung empfängnisverhütender Hormone im Trinkwasser Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) 2483 B, C Dr. Hirsch (FDP) . . . . . . . 2483 C Frage A 38 — Drucksache 7/769 — des Abg. Rollmann (CDU/CSU) : Dynamisierung der Renten aus der Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) 2483 D, 2484 B Rollmann (CDU/CSU) . . . . . 2484 A Nächste Sitzung 2557 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2559* A Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 13 — Drucksache 7/769 — der Abg. Frau Funcke (FDP) betr. Anhebung des Höchstbetrages im Abschnitt über die Aushilfskräfte der Lohnsteuer-Richtlinien . . . . . . . 2559` C Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 15 — Drucksache 7/769 — des Abg. Höcherl (CDU/ CDU) betr. umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Verpächter landwirtschaftlicher Grundstücke, die einen Teil der Früchte als Naturalpacht erhalten und diese Erträge veräußern . . . . . . 2559* D Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Fragen A 28 und 29 — Drucksache 7/769 — des Abg. von Schoeler (FDP) betr. Einsatzmöglichkeiten von Zivildienstleistenden im sozialen Bereich 2560* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 2453 44. Sitzung Bonn, den 18. Juni 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 11.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 18. 6. Dr. Ahrens *** 23. 6. Alber *** 23. 6. Dr. Artzinger * 20. 6. Amrehn *** 23. 6. Dr. Bangemann * 20. 6. Dr. Barzel 22. 6. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 18. 6. Frau von Bothmer *** 23. 6. Büchner (Speyer) *** 23. 6. Dr. Burgbacher 18. 6. Coppik 20. 6. Dr. Corterier * 20. 6. Dr. Dregger *** 23. 6. Dr. Enders *** 23. 6. Freiwald 18. 6. Dr. Gel3ner *** 23. 6. Dr. Glotz 18. 6. Dr. Gölter *** 23. 6. Dr. Holtz *** 23. 6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 20. 6. Kahn-Ackermann *** 23. 6. Dr. Kempfler *** 23. 6. Kiechle 18. 6. Dr. Klepsch *** 23. 6. Dr. Kliesing *** 23. 6. Koblitz 20. 6. Krall * 18. 6. Lagershausen ** 18. 6. Leicht 20. 6. Lemmrich *** 23. 6. Lenzer *** 23. 6. Liedtke 20. 6. Dr. Lohmar 18. 6. Marquardt *** 23. 6. Dr. Martin 20. 6. Memmel ' 22. 6. Dr. Mende *** 23. 6. Dr. Müller (München) *** 23. 6. Opitz 20. 6. Frau Dr. Orth 20. 6. Pawelczyk *** 23. 6. Richter *** 23. 6. Schmidt (München) * 18. 6. Dr. Schöfberger 20. 6. Dr. Schwencke *** 23. 6. Seefeld * 18. 6. Sieglerschmidt *** 23. 6. Dr. Frhr. v. Spies 20. 6. Springorum * 18. 6. Dr. Stark (Nürtingen) 20. 6. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Strauß 20. 6. Dr. Vohrer *** 23. 6. Walkhoff * 20. 6. Frau Dr. Walz * 19. 6. Dr. von Weizsäcker 18. 6. Wende 20. 6. Wiefel 20. 6. Frau Dr. Wolf *** 23. 6. Würtz 20. 6. Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 18. Juni 1973 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (FDP) (Drucksache 7/769 Frage A 13) : Beabsichtigt die Bundesregierung, den Höchstbetrag gemäß Lohnsteuer-Richtlinien Abschnitt Aushilfskräfte anzuheben, um die Teilzeitbeschäftigung zu fördern? Vorschläge, die auf eine Erhöhung dieser für die Lohnsteuer-Pauschalierung maßgebenden Arbeitslohngrenzen abzielen, sind wiederholt an das Bundesministerium der Finanzen herangetragen und auch mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert worden. Bei diesen Erörterungen bestand aber stets Einvernehmen darüber, daß für die Höhe der maßgeblichen Arbeitslohngrenzen allgemeine wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Überlegungen nicht ausschlaggebend sein können. Die Pauschalierungsregelung ist vom Gesetzgeber nämlich nur als Vereinfachungsmaßnahme, keinesfalls aber als Steuervergünstigung gedacht. Die Begrenzung auf einen durchschnittlichen Tagesverdienst von 28 DM bzw. auf einen wöchentlichen Arbeitsverdienst von 80 DM sowie die generelle Begrenzung auf einen Stundenlohn von 8 DM muß vielmehr im Zusammenhang mit dem geltenden Lohnsteuertarif gesehen werden. Bei Anhebung einer oder mehrerer dieser Höchstbeträge würde eine Pauschalierung auch in Einkommensgruppen zulässig sein, in denen der Pauschsatz von 10 vom Hundert zu niedrig ist. In diesen Fällen ergeben sich nicht vertretbare Steuervergünstigungen. Die Bundesregierung kann daher im Augenblick eine Anhebung nicht in Aussicht stellen. Sie ist aber bereit, diese Frage im Zuge der nächsten Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien nochmals zu prüfen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 18. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Höcherl (CDU/CSU) (Drucksache 7/769 Frage A 15) : 2560* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Montag, den 18. Juni 1973 Werden Verpächter landwirtschaftlicher Grundstücke, die einen Teil der Früchte als Naturalpacht erhalten und diese Erträge veräußern, nach § 2 Abs. 1 UStG oder gemäß § 24 UStG behandelt? In dem vorgetragenen Fall richtet sich die umsatzsteuerliche Behandlung des Verpächters danach, wie er die Verpachtung der landwirtschaftlichen Grundstücke nach einkommensteuerlichen Grundsätzen handhabt. Verpachtet er die Grundstücke im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes, so kann er für die Veräußerung der als Pachtentgelt vereinnahmten Naturalien die Durchschnittsbesteuerung des § 24 des Umsatzsteuergesetzes anwenden. Das gleiche gilt falls es sich um eine Verpachtung des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes handeln sollte und der Verpächter gewillt ist, das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortzuführen. Hat der Verpächter dagegen dem Finanzamt erklärt, daß er die Verpachtung als Betriebsaufgabe behandeln will, ist die Veräußerung der Naturalien nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes zu versteuern. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vorn 18. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten von Schoeler (FDP) (Drucksache 7/769 Fragen A 28 und 29) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß, solange die Einsatzmöglichkeiten von Zivildienstleistenden im sozialen Bereich nicht voll ausgeschöpft sind, die Erschließung weiterer Tätigkeitsfelder nicht notwendig ist? Wieviel zivildienstplätze im sozialen Bereich werden nach Inkrafttreten des Zivildienstgesetzes zur Verfügung gestellt werden können? Der Deutsche Bundestag hat im Mai 1973 einstimmig eine Entschließung angenommen, über den sozialen Bereich hinaus in erforderlichem Umfang weitere Tätigkeitsfelder für den Zivildienst mit dem Ziel zu erschließen, jeden Wehrdienstverweigerer im Interesse der Dienstgerechtigkeit zum Zivildienst heranzuziehen. Diese Entschließung wird die Bundesregierung berücksichtigen. Allerdings will ich an dieser Stelle hinzufügen, daß auch weiterhin das Schwergewicht unserer Bemühungen darauf gerichtet ist, die Arbeitsmöglichkeiten im Sozialbereich voll auszuschöpfen. Das neue Gesetz über den Zivildienst erleichtert die Anerkennung von Einrichtungen im sozialen Bereich. So kann unter bestimmten Voraussetzungen in Zukunft auf den Kostenbeitrag verzichtet werden, der an sich für die Beschäftigung von Dienstleistenden an den Bund zu entrichten ist. Dadurch wird für wirtschaftlich schwache Beschäftigungsstellen ein Anreiz zur Beschäftigung von Zivildienstleistenden geschaffen. Wenn die neuen Vorschriften zur Änderung des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst in Kraft getreten sind, bestehen bessere Voraussetzungen, in Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege die Zahl der Arbeitsplätze im Sozialbereich zu erhöhen. Über die voraussichtliche Zahl der auf diese Weise entstehenden Plätze liegen zur Zeit allerdings nur unverbindliche Schätzungen vor. Deshalb bitte ich um Ihr Verständnis, daß zunächst Erfahrungen gesammelt werden müssen, bevor genaue Zahlen genannt werden können. Eine Ausweitung wird sich u. a. auch dadurch ergeben, daß in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit als ein neuer Tätigkeitsbereich die offene Sozialarbeit an Alten und Behinderten in Großstädten und Ballungszentren für den Zivildienst erschlossen werden soll. Hinzu kommt, daß der Unfallrettungs- und Krankentransportdienst im gesamten Bundesgebiet ungefähr 3000 zusätzliche Hilfskräfte benötigt. Auch in diesem Bereich können Zivildienstleistende tätig werden. In Hessen führt der Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes in Zusammenarbeit mit dem hessischen Sozialminister bereits mit Erfolg einen entsprechenden Versuch durch. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sollen für alle Bundesländer genutzt werden.
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    Rede von Victor Kirst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Ich würde hier weniger von einer Führungsfunktion als von der Notwendigkeit von Seelenmassage reden; denn zwingen können wir niemanden.

    (Abg. Dr. Jenninger: Seelenmassage ist doch keine Politik!)

    — Es ist sicherlich nur ein Hilfsmittel. Aber Sie müssen einmal die verfassungsmäßigen Verhältnisse sehen.

    (Abg. Dr. Jenninger: Ja, natürlich! Lesen Sie mal nach, was im Gesetz steht!)

    Herr Professor Carstens, Sie haben einen alten Hut aus der Wahlkampagne der Opposition wieder hervorgezaubert, nämlich die Behauptung — es ist nicht mehr als eine Behauptung , daß die D-Mark in den Jahren, in denen die CDU die Regierungschefs stellte, immer die stabilste Währung in der Welt gewesen sei. Dem ist leider nicht so. Richtig ist natürlich, daß weltweit die Geldentwertungsraten in den ersten 20, 25 Jahren nach dem zweiten Weltkrieg in den vergleichbaren Ländern, um die es ging und immer noch geht, niedriger waren als jetzt. Darüber kann kein Zweifel bestehen. Es gab einmal eine sehr gute Statistik; ich habe sie im Augenblick zwar nicht zur Hand; aber Sie werden mir wohl glauben, was ich sage. Man kann nur Vergleichbares miteinander vergleichen. Wir können die Bundesrepublik in dieser Frage nicht mit südamerikanischen Republiken vergleichen. Wir können sie auch nicht mit Entwicklungsländern oder mit sozialistischen Ländern, sondern nur mit vergleichbaren Ländern vergleichen. Dazu gehören die Partner in der EWG und darüber hinaus, dazu gehören ferner die USA und Japan. Es handelt sich um etwa 20 Länder.
    Wenn Sie deren Entwicklung von 1951 bis 1969 einmal nachlesen, werden Sie feststellen, daß die Bundesrepublik nur ein einziges Mal in diesen 20 Jahren das war in den Jahren 1966/67 — die niedrigste Geldentwertungsrate zu verzeichnen hatte, daß sie unter diesen 20 Ländern auch in den sicherlich goldenen Zeiten der Geldwertstabilität weltweit oder relativ bis auf den 13. Rang herabgesunken ist und daß sie in dieser Statistik in den Jahren 1970/71 — wie Sie wissen, fand der Regierungswechsel 1969 statt — in bezug auf die Erhaltung des Geldwertes sogar wieder nach vorn bzw. nach oben gerückt ist. Ich will nicht verschweigen, daß sie 1972 wieder etwas zurückgefallen ist. Ich will damit nur sagen: man sollte hier nicht falsche Behauptungen aufstellen, die nicht zu beweisen sind. Man sollte auch nicht die Augen vor den internationalen Verflechtungen verschließen, von denen wir uns nicht lösen können. Ich will mich aber nicht weiter in das Handwerk der Stabilitätspolitiker, die sicherlich noch in genügender Zahl das Wort ergreifen werden, einmischen.
    Nur noch eine letzte Bemerkung, Herr Kollege Carstens, zu den Stellen. Das, was Sie dazu gesagt haben, war auch nicht richtig. Sie bahen von 1 200 Stellen gesprochen und gesagt, 10 % davon seien für Peking und Ost-Berlin bestimmt. Dafür sind aber zusammen 180 Stellen vorgesehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)

    — Deshalb mein Zwischenruf! Ich gehe aber etwas weiter. Es gibt darunter noch andere, die ebenfalls unabweisbar sind, z. B. etwa 100 für die Bundeswehrhochschule. Wenn diese ab 1. Oktober ihren Betrieb aufnehmen soll, muß man auch diese Stellen bewilligen.
    Ich will damit aber jetzt keine Debatte provozieren oder einer Debatte darüber vorgreifen. Ich möchte jedoch im Anschluß an das, was ich vorhin gesagt habe, in der Generaldebatte noch eine Feststellung in diesem Zusammenhang treffen, weil mir dies erforderlich erscheint. Stabilität, worüber wir hier so viel reden, ist mehr als Geldwertstabilität. Geldwertstabilität ist viel, aber sie ist nicht alles, und sie ist kein isolierter Wert. Das müssen wir einmal sehr deutlich sehen. Denn zum Begriff der Stabilität gehört die politische, die soziale und die wirtschaftliche Stabilität. Die Geldwertstabilität ist, wie gesagt, eines der vier Ziele. Es kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß dieses Land mit der einen Ausnahme der Geldwertstabilität in allen Bereichen, die ich soeben kurz umrissen habe, eine sicherlich beneidenswerte und uns auch von anderen geneidete Stabilität besitzt. Das sollten wir bei allen berechtigten Debatten über den Mangel an Geldwertstabilität nicht vergessen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen — das war ein Mangel der vergangenen
    Legislaturperiode, das lassen Sie mich nun als Ge-



    Kirst
    nugtuung hinzufügen — haben wir ja dank des Votums der Wähler vorn 19. November 1972 auch stabile Mehrheitsverhältnisse hier in diesem Hause für diese Regierung,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    was der Entscheidung über diesen Einzelplan des Bundeskanzlers die Dramatik oder den Nervenkitzel nimmt, den wir in den letzten Jahren immer dabei empfinden mußten.
    Ein Wort noch zum Ergebnis der Ausschußberatungen. Der Saldo von 154 Millionen DM weniger — das ist ein gutes Promille des Haushaltsvolumens
    - mag für den, der die Dinge oberflächlich sehen muß, sehr enttäuschend sein. Ich sage das ganz betont, weil wiederholter Bestandteil aller Meldungen von gestern und heute in der Presse und im Rundfunk über die Haushaltsberatungen eben dieses so mager anmutende Ergebnis einer Kürzung von nur rund 100 Millionen DM gewesen ist. Aber man muß zunächst einmal sehen, daß dies ja nur der Saldo unserer vielmonatigen Bemühungen im Ausschuß gewesen ist, wenn Sie so wollen, die Spitze des Eisbergs der sehr vielfältigen Änderungen im Ausschuß. Aber daran müssen auch noch drei Bemerkungen geknüpft werden.
    Erstens. Bereits die Bundesregierung hatte im Prinzip strengste Maßstäbe bei der Aufstellung des Haushalts angelegt, und das beschränkte insofern die Möglichkeiten des Haushaltsausschusses. Zweitens. Die von der Verabschiedung des Haushalts im Kabinett bis jetzt etatreif gewordenen Risiken konnten bereits im Rahmen dieser Haushaltsausschußberatung abgedeckt werden. Ich darf ein Beispiel nennen: rund 200 Millionen DM für Kokskohle. Sicher wäre das Ergebnis stolzer gewesen, wenn wir gesagt hätten, das lassen wir einmal eben noch weg, wir tun so, als wüßten wir es nicht. Dann hätten wir heute nicht dauernd gehört, wir haben nur 100 Millionen DM gekürzt, dann hätten wir 300 Millionen DM gekürzt, aber das wäre nicht im Sinne der Haushaltswahrheit gewesen; deshalb haben wir dies also sozusagen gleich mit verarztet.
    Wir haben, glaube ich, bei diesen Beratungen auch wiederum die Grenzen der Beeinflußbarkeit des Haushalts überhaupt gesehen bzw. das Ausmaß der Zementierung. Es wird insbesondere deutlich und sichtbar, wenn man sich noch einmal die Zahlen für die drei Riesen unter den einzelnen Etats vor Augen stellt: 26,4 Milliarden DM für die Verteidigung. Wir wissen alle, daß daran nichts zu ändern ist, und wir wollen daran auch nichts ändern. Das werden die Verteidigungspolitiker besser, als wir es hier im Augenblick können, uns auch noch darlegen, aber man sollte es auch aus dieser Sicht einmal betonen. 22,6 Milliarden DM für Arbeit und Sozialordnung, insbesondere die gesetzlichen Verpflichtungen, und 16,5 Milliarden DM für Verkehr.
    Diese drei Etats zusammen geben mit 65,5 Milliarden DM schon fast 55 % des gesamten Haushaltsvolumens wieder. Unter dem, was dann kommt, ist, wenn ich vorn Einzelplan 60 absehe, kein Haushalt, der alleine größer wäre als 5 Milliarden DM. Hier und anderswo ist die Zementierung weitgehend — auch das sollten wir sehen — das Werk aller politischen Kräfte in der unterschiedlichen Wirkung, in ihrem unterschiedlichen Beitrag in den letzten 20, 25 Jahren ihrer Politik in diesem Haus und in diesem Lande.
    Diese Einengung des Spielraums wird natürlich auch immer gerne gesehen als die Einengung des Spielraums finanzwirksamer Reformen, aber, meine Damen und Herren, um es noch einmal zu betonen: das bedeutet nicht die Einengung der Reformpolitik überhaupt. Ich glaube, die These, die ich hier seit nunmehr drei Jahren vertreten habe, die sich gegen die fatale Gleichung wendet: Geldausgeben gleich Reform und Reform gleich Geldausgeben, hat sich gerade in der Praxis der letzten Wochen und Monate bestätigt. Wir haben drüben im Haushaltsausschuß finanzpolitische Beratungen durchgeführt, während hier in diesem Hause sehr viel an praktischer Reformarbeit -- sei es in zweiter und dritter Lesung vorige Woche im Kartellbereich, sei es in erster Lesung in anderen Bereichen — geschehen ist.
    Meine Damen und Herren, alle diese Feststellungen sollen nicht — auch uns selbst nicht — darüber hinwegtäuschen, daß es noch viele ungelöste Aufgaben für uns im Bereich der Politik zunächst für den Rest dieser Legislaturperiode und darüber hinaus gibt. Wir sind uns dabei als Freie Demokraten auch bewußt, daß in einigen wichtigen Fragen hier noch ein gewisses Maß an Übereinstimmung mit unserem Partner zu erzielen ist. Ich meine aber, daß diese mehr transitorische Betrachtung vielleicht besser bei der Dritten Lesung, die dann zum nächsten Haushalt überleitet, angestellt werden kann. Ich werde nach Möglichkeit auf diese Probleme dann dort zurückkommen.
    lch darf abschließend zu diesem Etat erklären, daß die Fraktion der FDP dem Haushalt des Bundeskanzlers zustimmt und diese Zustimmung als Ausdruck des Vertrauens in eine Politik betrachtet, für die sie selbst 1969 entscheidend die Weichen gestellt hat, eine Politik, die es ohne die FDP nicht gegeben hätte und nicht geben würde.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu einigen Themen Stellung nehmen, auf die sich gegenwärtig viel Interesse konzentriert. Aber zunächst ein paar Worte zum Haushalt selbst.
    Niemand — auch der neue Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU nicht — wird heute noch ernsthaft bestreiten wollen, daß der Bundeshaushalt solide finanziert ist. Da mag man behaupten, was man will!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Stoltenberg im Norden und Herr Strauß im Süden — gegenwärtig noch ein bißchen weiter südlich als sonst

    (Zuruf von der SPD: Schwarzafrika!)




    Bundeskanzler Brandt
    müßten sich eigentlich mit uns bei allem, was uns sonst trennt, darüber freuen, daß die von ihnen vorausgesagte Finanzkrise — sogar von Finanzchaos war die Rede — nicht eingetreten ist, und das ist gut, nicht nur für die Regierung, sondern für dieses Land, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Eines sollten wir hier alle miteinander wissen, und wir sollten es auch sagen: Herr Kollege Carstens, konstruktive Kritik kann beim Haushalt nicht darin bestehen, daß man einerseits das zu hohe Volumen beklagt und zum andern darüber jammert, daß die Ausgaben auf diesem oder jenem oder einem dritten Gebiet zu gering angesetzt seien. Heute hörten wir wieder, für Investitionen werde zuwenig ausgegeben. Wo sonst wollen Sie denn streichen, Herr Carstens? Das müssen Sie hier doch einmal sagen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Bei Ihnen! — Abg. Wohlrabe, Abg. Ravens und andere Abgeordnete der CDU/CSU: Propagandaetat! — Zurufe von der CDU/CSU: 100 Millionen! — Der hört doch nicht zu, der Mann! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Ich will in aller Offenheit hinzufügen: Die öffentlichen Haushalte müssen natürlich ihren Beitrag zur Konjunkturpolitik leisten, aber man sollte ihnen nicht mehr abverlangen, als sie zu geben vermögen, sonst würde daraus eine Haushaltspolitik gegen die Interessen der Bevölkerung. Darauf können wir uns nicht einlassen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Außerdem hat es gar keinen Sinn, von den für den Konjunkturablauf entscheidenderen Faktoren abzulenken; ich komme darauf gleich noch zu sprechen.
    Nun zu den aktuellen Themen, auf die sich nicht nur viel Interesse, sondern auch viel Polemik konzentriert. In diesen Tagen erreichten mich — und sicher nicht nur mich, sondern alle hier in diesem Hause — viele Fragen, was es mit den — man muß den Plural verwenden — Verfahren auf sich habe, die die bayerische Staatsregierung in Karlsruhe angestrengt hat. Das wird von dieser Stelle aus und in diesem Augenblick kaum zu beantworten sein. Jedenfalls durfte und darf man dem Bundesverfassungsgericht nicht anlasten, was andere zu verantworten haben. Im übrigen sind wir nach 15 Uhr etwas weiter, was unseren Informationsstand zu diesem wichtigen Gegenstand angeht.
    Die Bundesregierung hat in Karlsruhe dargelegt, daß sie eine Verzögerung des Grundlagenvertrags mit der DDR für abwegig und für abträglich hält. Dieser Vertrag — das hat übrigens vor wenigen Tagen auch die NATO-Konferenz in Kopenhagen hervorgehoben — und der Beitritt zu den Vereinten Nationen sind logische, konsequente Elemente jener Politik, die — so, wie wir es auffassen und immer wieder dargelegt haben — dem gesicherten Frieden dienen.

    (Abg. Stücklen: Das muß aber mit der Verfassung übereinstimmen!)

    — Das, was Sie geklärt haben wollen, Herr Kollege Stücklen, ist in Karlsruhe gut aufgehoben; das ist gar kein Zweifel.
    Niemand bei uns im Regierungslager täuscht sich, was die politische Seite der Sache angeht, über die Mühsal und über die Langwierigkeit des Prozesses der Entkrampfung im Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten. Aber ich sage hier auch mit allem Bedacht, meine Damen und Herren: Die Regelung der Beziehungen und damit der Grundlagenvertrag war und ist eine deutsche Chance, ob es Herrn Winzer in Ost-Berlin paßt oder nicht,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    eine Chance für die Bewahrung der nationalen Existenz — nein, der nationalen Substanz, muß man bescheidener ansetzen —, für die Begegnung der Menschen miteinander, für das Überwinden der in den 20 Jahren nach dem 17. Juni 1953 — gestern haben wir wieder dieses Tages gedacht — gewachsenen Entfremdung, wie wir doch zugeben müssen, für eine Ächtung der Friedlosigkeit auch und gerade auch auf deutschem Boden und damit für einen Zustand ohne die Gewaltsamkeit an der Grenze.
    Ich habe mich über das gewundert, was Herr Kollege Carstens in diesem Zusammenhang über Berlin und die Pflicht zur Mitvertretung Berlins gesagt hat.

    (Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)

    Herr Kollege Carstens, wir müssen uns doch die Frage stellen, und diese Frage stellen sich die Menschen draußen mit Recht: Steht es heute um den Zusammenhang zwischen West-Berlin und uns hier im deutschen Westen, steht es um den Zugang dorthin, steht es um die Entwicklungschancen der Berliner Industrie, steht es um die Besuchsmöglichkeiten von dort aus heute besser oder schlechter als damals, als andere regiert haben? Das ist doch die Lage!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es steht natürlich unvergleichlich viel besser als damals.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Wohlrabe.)

    Mit den Russen über Berlin reden — jawohl. Ich habe bei meinem ersten Besuch in Moskau mit Herrn Kossygin gesprochen und man hat mir gesagt: Jawohl, wenn wir zu einer solchen Art von Regelung unserer Beziehungen kommen, werden wir auch über Fragen reden können, über die bis dahin nicht geredet wurde. Wir konnten auch dann nicht — Herr Kollege Carstens, das wissen Sie besser als mancher in diesem Hause — über Fragen reden, die sich die drei Mächte aus Gründen vorbehalten haben, von denen auch Sie im Laufe der Jahre immer gesagt haben, es gebe dafür einen guten Grund und es liege somit in unserem Interesse. Es ist von anderen Bundeskanzlern unter sehr viel schwierigeren Umständen über Berlin gesprochen worden; ich mache



    Bundeskanzler Brandt
    ihnen daraus keinen Vorwurf. Ein Bundeskanzler hat im August 1961 — ich will jetzt nicht nachträglich Steine auf ihn werfen — mit dem damaligen sowjetischen Botschafter gesprochen. Und was haben wir darüber gelesen? Er habe darüber gesprochen, daß der Bau der Mauer das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion nicht trüben sollte. Mein Vorgänger im Amt des Bundeskanzlers hat mühsam reden müssen, damit sich nicht aus seinem Parteitag in Berlin Ende 1968 und damit nicht aus der Bundesversammlung Anfang 1969 sich schwerwiegende außenpolitische Komplikationen und solche für Berlin ergeben würden.

    (Abg. Müller [Berlin] : Der seinerzeitige Außenminister hat damals einige Bemerkungen gemacht! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Jetzt reizen Sie mich nicht! Denn sonst müßte ich sagen, was in diesen Unterhaltungen zu dem „nicht mehr hingehen" gesagt worden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Kollege Carstens, Sie haben sich aus gegebenem Anlaß — das muß ich zugestehen — auch zum 17. Juni geäußert. Ich habe auch dem hohen Pathos mit Respekt gelauscht,

    (Zurufe von der Mitte)

    zu dem Sie dieser Gedenktag angeregt hat. Meine Damen und Herren, ich muß auch nach dem, was Herr Kollege Kiesinger hier vor der Fragestunde gesägt hat, doch noch einmal daran erinnern: Es hat sich für mich überhaupt nichts an der Fragestellung geändert, ob es richtig ist, den Gedenktag, an dem zu rühren ich nicht die Absicht hatte und habe, beizubehalten. Wir haben darüber, worauf Herr Kollege Wehner hingewiesen hat, am Sonnabend im Präsidium des Kuratoriums Unteilbares Deutschland mit mehreren Ihrer Herren gesprochen. Wir haben gesagt: Das Gespräch wird weiter geführt, und keiner ist auf etwas festgelegt. Aber man hat doch niemand etwas unterstellt, wenn er dort noch einmal die Auffassung vertrat, die wir damals gemeinsam vertreten haben. Die Vorlage wurde am 3. April 1968 durch den Kollegen Höcherl unterzeichnet, nicht weil es sich etwa um eine Sache seines Ressorts gehandelt hätte, sondern weil er damals als dienstältester Minister für den Bundeskanzler unterzeichnet hat. Es war eine Vorlage zu der Frage, ob es nicht richtig sei, den Gedenktag bestehen zu lassen, aber den staatlichen Feiertag nicht an diesem, sondern möglicherweise an einem anderen, noch zu vereinbarenden Tag abzuhalten.
    Gerade wenn darüber früher und noch vor zwei Tagen so sachlich und leidenschaftslos gesprochen worden ist, dann sollten wir nicht hier im Plenum des Bundestages Fronten aufreißen, wo es bei allem, was umstritten ist, auch einmal möglich wäre, etwas gemeinsam zu erörtern.

    (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Sehr richtig, Herr Bundeskanzler! Daran appelliere ich! — Gegenruf von ,der SPD.)

    — Aber Sie haben eben leider nicht alles erfahren. Die Verbindung vom Sonnabend bis heute hat nicht geplappt, Herr Kollege Carstens; sonst hätte dieser Teil der Rode nicht so gehalten werden können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich war, wenn Sie diesen Hinweis auch noch erlauben, dem Geschehen in Berlin damals noch etwas näher als mancher andere. Ich bilde mir darauf gar nichts ein. Wir rücken jenen Tag nicht ins Zwielicht und erst recht nicht die Opfer jenes Tages. Wir sehen es in ,der Tat nicht im Zwielicht eines Pathos, das nichts kostet.
    Für uns heißt der Auftrag des 17. Juni: geduldig, hartnäckig das Mehr an Menschlichkeit zu schaffen und es anderen abzuringen, wo es geht, für das damals viele unserer Landsleute mit, wie ich zugebe, größeren Hoffnungen auf die Straße gegangen sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich fände, es wäre nicht schlecht, wenn wir uns — ich sage es noch einmal — bei allem, was sonst umstritten bleibt, auf den Respekt vor jener gemeinsamen Erklärung einigen könnten, die Vertreter unserer Parteien zum gestrigen 17. Juni vereinbart und herausgegeben haben. Was sind denn solche Texte sonst noch wert — will man uns damit hinters Licht führen? -- wenn am Tage danach diese ganz andere Sprache geführt wird, wie wir sie dazu gehört hatten?

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Eine zweite Gruppe von Fragen bezieht sich auf jene deprimierenden Gerüchte, Verleumdungen, Vermutungen, Anschuldigungen, die man die Affären aus der vorigen Legislaturperiode nennt.

    (Abg. Seiters: Sagen Sie ruhig „Wienand"!)

    Ich begrüße es sehr, daß ein Untersuchungsausschuß dieses Hauses so rasch und so energisch wie möglich die Tatsachen ans Licht bringt, was und wem immer sie über das längst Bekannte hinaus betreffen sollten.

    (Abg. Seiters: „Hier war Korruption im Spiel" !)

    Die Dinge können nicht in dieser Debatte, sondern nur im Untersuchungsausschuß erörtert werden. Jeder weiß, daß ich erklärt habe, gern dazu beizutragen, was ich beitragen kann.

    (Abg. Seiters: Sie hatten Ihre subjektive Überzeugung doch schon im letzten Jahr!)

    Allerdings warne ich davor, daß sich das Gespräch zwischen den Fraktionen dieses Hauses und den verantwortlichen demokratischen Kräften dieses Landes in ein böses Knäuel gegenseitiger Verdächtigungen verstrickt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat denn damit begonnen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Seiters und Abg. Wohlrabe melden sich zu Zwischenfragen.)




    Bundeskanzler Brandt
    -- Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfragen zu, sondern will meine Auffassung im Zusammenhang darlegen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/ CSU: Sie kneifen Herr Bundeskanzler! — Sie haben gesagt, Korruption sei im Spiel! — Abg. Dr. Marx: Sie verleumden! — Abg. Rawe: Dann haben Sie also von den Vorgängen gewußt, als Sie gesagt haben, es sei Korruption im Spiel?! — Abg. Seiters: Der Kanzler hat doch schon letztes Jahr verleumdet: „Korruption", Bielefeld, alles zusammen!)

    — Ach regen Sie sich ab, Herr Kollege!

    (Abg. Seiters: Der Kanzler hat doch schon letztes Jahr verleumdet!)

    Wo das Ansehen des Parlaments durch das Verhalten einzelner Schaden genommen hat, muß das durch volle Aufklärung und durch die geeigneten Maßnahmen wieder in Ordnung gebracht werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch der demokratische Staat — nein, gerade der demokratische Staat , der Autorität nur mit Zurückhaltung ausübt, braucht den Respekt seiner Bürger.

    (Abg. Haase [Kassel] : Das glaube ich auch! — Abg. Niegel: Mit Korruption an der Macht geblieben!)

    Nun möchte ich darauf hinweisen, daß dazu allerdings gehört,

    (Abg. Seiters: Daß man nicht von Korruption redet, wenn — — nämlich daß die politischen Grundtatbestände, mit denen man es in einer bestimmten Situation zu tun hat, nicht außer acht gelassen werden. Sie bestanden im vergangenen Jahr u. a. und im besonderen darin, daß die aus den Wahlen des Jahres 1969 hervorgegangene Koalition und Regierung mit Hilfe von Fraktionswechslern gestürzt werden sollte. Das war der Grundtatbestand. (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Niegel: Mit Korruption an der Macht geblieben! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

    Vermutungen über die Haltung einzelner bei der geheimen Wahl haben schon damals die Phantasie in Anspruch genommen.

    (Abg. Seiters: Ihre! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

    Fest steht nur, daß sieben der neun Fraktionswechsler dadurch ausgezeichnet worden sind, daß sie über Landeslisten der CDU/CSU in diesem Bundestag sitzen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wohlrabe: Das hat die SPD auch gemacht! -Abg. Seiters: Sie sind ein Verleumder! — Zuruf von der CDU/CSU: Korruptionskanzler! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Franke [Osnabrück] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Nein, ich fahre jetzt fort.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, ich möchte folgendes außerdem noch hinzufügen.

    (Abg. Seiters: Das ist eine Verleumdung!)

    Meiner Meinung nach dürfen einer gewissen Art von Hinterhofjournalismus nicht quasi staatsanwaltschaftliche Funktionen zugestanden werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Anhaltende Zurufe von der CDU/ CSU. — Abg. Franke [Osnabrück] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

    — Nein, ich antworte jetzt Herrn Kollegen Carstens.

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Franke [Osnabrück] : Erinnern Sie sich an den Parteiübertritt von Gustav Heinemann!)

    Herr Kollege Carstens, Sie haben den Geschmack gehabt,

    (Abg. Dr. Marx: Der redet von Geschmack! Nicht zu glauben!)

    davon zu sprechen, daß bei der geheimen Wahl im vergangenen Jahr ausländische Nachrichtendienste im Spiel gewesen seien.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wienand war im Spiel!)

    Nachdem Sie es für richtig gehalten haben, dies in die Debatte zu bringen, möchte ich dazu zweierlei feststellen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der Fachmann spricht!)

    Erstens. Wenn es so sein sollte, daß das Mitglied des vorigen Bundestages, an das Sie denken,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Herr Wienand!) im Dienst einer fremden Macht gestanden hat,


    (Abg. Haase [Kassel] : Der Wienand steht in Ihrem Dienst!)

    — das ist übrigens etwas, was anderen in diesem Hause auch schon passiert ist —, so ändert das trotzdem nichts daran, daß dieser Mann nicht durch uns, sondern durch die CDU in den vorigen Bundestag gebracht worden ist.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Marx: Wer hat denn den Frenzel hineingebracht? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Zweitens. Wenn Ihre Vermutungen über den Mann und das, was er sagt, zutreffen, wieso nehmen Sie ihn dann als Wahrheitszeugen für sich in Anspruch?

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Fortgesetzte Zurufe von der CDU/ CSU. Abg. Haase [Kassel] meldet sich zu einer Zwischenfrage. — Lachen bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, alle anderen Themen werden jedoch dies ist meine dritte Bemerkung



    Bundeskanzler Brandt
    zu diesem Komplex — von den Sorgen um die Preisentwicklung in den Schatten gestellt. Dies ist unsere bitterste Sorge.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Ich habe hier dem Führer der Opposition geantwortet und lasse mich von meiner systematischen Antwort nicht abbringen. Ich denke nicht daran, mich davon abbringen zu lassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU: Scheißautoritär!Abg. Seiters: Systematische Verleumdung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

    Dies ist — ich wiederhole es — auch die bitterste
    Sorge der Bundesregierung. Lassen Sie mich mit gleichem Nachdruck hinzufügen: Wir haben eine große Anstrengung unternommen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Zur Korruption!)

    um in den vor uns liegenden Monaten — vielleicht bis zum Jahresende, bis zur Jahreswende — eine Wende der Tendenz zu erzwingen. Die — wenn auch leider etwas verspätete — Verabschiedung des Stabilitätsprogramms läßt keinen Zweifel mehr daran zu, daß Bundesregierung und Bundestag einen scharfen Gegenkurs steuern. Ich gehen davon aus, daß wir diesen Kurs halten werden. Wenn die Opposition schon im Februar mitgezogen hätte, hätte sie sich noch verdienter gemacht, als es jetzt festgestellt werden kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daß der größere Teil des Stabilitätsprogramms erst im Mai nachgeschoben werden konnte, ergibt sich für jeden Kundigen aus der Notwendigkeit, in der Zeit zwischen Februar und Mai wichtige währungspolitische Vereinbarungen zu treffen, ohne die die Maßnahmen vom Mai ins Leere gegangen wären.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Anders der Bundesbankpräsident, Herr Bundeskanzler!)

    Über die Schwierigkeiten sollte sich niemand täuschen. Es ist für mich auch kein Trost, daß wir uns im Sog eines weltweiten Stromes befinden, der z. B. die Vereinigten Staaten von Amerika brutaler trifft als uns in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Vorsitz: Vizepräsident von Hassel.)

    Die Zusammenhänge sind allen deutlich. Sie wissen auch, daß wir uns von diesen Zusammenhängen nicht zu lösen vermögen. Dennoch ist es unsere Pflicht, die nationalen Möglichkeiten — da gibt es für mich keinen Gegensatz — der Konjunktursteuerung ganz zu nutzen, und genau das tun wir mit dem Stabilitätsprogramm, nachdem die währungspolitische Absicherung geschaffen wurde. Die Beschlüsse sind gefaßt; sie werden ihre Wirkungen zeigen. Sie haben allerdings einen gefährlichen Feind. Damit meine ich den Appell an die Angst; durch diesen Appell dürfen wir uns nicht beirren lassen.
    Unsere Bürger haben sich auch von gelegentlichen Wellen der Hysterie nicht anstecken lassen. Auf die
    Konjunkturlage komme ich gleich mit ein paar Sätzen zurück; aber ich möchte sehr darum bitten, daß es bei dieser im ganzen ruhigen und sachlichen Beurteilung der Lage durch unsere Mitbürger bleibt. Berechtigte Sorgen darf man nicht bagatellisieren; aber steriler Aufgeregtheit darf man auch nicht nachgeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wohlrabe: Was ist „sterile Aufgeregtheit"? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Pathos!)

    Nun möchte ich darauf hinweisen dürfen, daß ich auf den Tag genau vor fünf Monaten hier die Regierungserklärung nach der Neuwahl vorgelegt habe. Ein knappes halbes Jahr bietet kaum die Zäsur, an der man eine erste Bilanz aufmachen könnte; aber die Beratung des Haushalts ist doch der natürliche Anlaß, eine kurze Übersicht zu versuchen. Sie wird dann durch den schriftlichen Rechenschaftsbericht zu ergänzen sein, für den Herr Kollege Wehner angeregt hat, ihn im Herbst vorzulegen. Ich greife diese Anregung gern auf. Wenn man aber eine erste Zwischenübersicht gibt, dann kann nicht allein die Opposition die Themen dieser Zwischenübersicht bestimmen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    sondern dann muß die Mehrheit auch die Themen bestimmen können, und das will ich durch ein paar Beispiele tun.
    Schon jetzt läßt sich absehen, daß diese Legislaturperiode in starkem Maße durch solche Vorhaben geprägt sein wird, die darauf abzielen, das tägliche Leben unserer Bürger nicht zuletzt im Bereich des Berufslebens menschlicher zu machen. Hier geht es unmittelbarer, als es manchem bewußt ist, um mehr Qualität des Lebens.

    (Zuruf von der CDU/CSU: In Ihren Zeitungen! — Abg. Maucher: Um die Preise!)

    Die Vorlage für das Gesetz über Betriebsärzte und Sicherheits-Ingenieure — um ein Beispiel zu nennen — hat bei der ersten Lesung im Mai vorigen Jahres nicht allzu viele Mitglieder des Hauses in den Plenarsaal gelockt. Durch den Unfallverhütungsbericht, der im Mai dieses Jahres vorgelegt wurde und der zur Zeit zur Diskussion steht, gewinnt das soeben erwähnte Gesetz reale Bezüge, die jede Gleichgültigkeit verscheuchen sollten. Man rechnet mit etwa 2,5 Millionen Arbeitsunfällen pro Jahr, die etwa 7 000 Todesopfer fordern. Das ist eine schokkierende Zahl, denn sie hat katastrophenähnliche Dimensionen. Das gilt ebenso für die mehr als 19 000 Opfer von Verkehrsunfällen — eine bittere Zahl, die durch das verschärfte Verbot von Alkohol am Steuer hoffentlich drastisch gesenkt werden kann.
    Die materiellen Schäden der Arbeitsunfälle beliefen sich im vorletzten Jahr auf 5 Milliarden DM. Wir müssen aus menschlichen und materiellen Gründen große Anstrengungen unternehmen, um unsere Arbeitswelt sicherer werden zu lassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU.)




    Bundeskanzler Brandt
    — Ich habe soeben einen Zuruf gehört, auf den ich hier gern eingehen will, nämlich worüber hier geredet werde. Hier wird geredet über das Leben der Menschen in diesem Lande.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Für diejenigen, die es interessieren sollte, kann ich dem Hohen Hause auch Mitteilung davon machen, daß das Bundesverfassungsgericht den Bayern-Antrag abgelehnt hat.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, ich nenne ein anderes Beispiel aus dem Alltag der Berufswelt; denn wenigen dürfte deutlich gewesen sein, daß noch immer viele Tausende von Heimarbeitern unter sozialen Bedingungen gelebt haben, die dieser Zeit nicht mehr würdig sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Unser Gesetzentwurf zu diesem Problem sichert den Heimarbeitern das Recht auf Tarifverträge und das Recht auf eine Mindestregelung für den Urlaub.
    Ich sehe von hier hinüber ins Feld der Gesundheitssicherung. Der erste Erfahrungsbericht über die Früherkennung von Krankheiten wurde dem Bundestag Anfang April zugeleitet. Aus ihm geht hervor, daß die Gelegenheit für Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung von Krebs

    (Abg. Franke [Osnabrück] : Auf Antrag der CDU!)

    und der Vorsorgeuntersuchung von Kindern längst nicht in dem Maße genutzt wird, wie wir dies erwartet haben und wie es vernünftig und notwendig wäre. Die Scheu vor der Vorsorgeuntersuchung zeigt nicht nur einen Mangel an Information an, sondern verrät auch, wie sehr man es hier mit verborgenen Ängsten zu tun hat. Ich möchte eine eindringliche Mahnung, eine herzliche Bitte an unsere Bürger richten: Um ihrer selbst und um ihrer Familien willen sollten sie wirklich die Lebenschancen nutzen, für die ihnen die Gemeinschaft ihre Hilfe bietet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im Krankenhauswesen kann das Gesetz zur Verbesserung von Leistungen der Versicherung, das am 21. Mai von den Fraktionen der SPD und FDP eingebracht wurde, viele unserer Bürger von bitterer Sorge befreien. In diesen Zusammenhang gehört auch die Ergänzung des Gesetzes zur Krankenhausfinanzierung.
    Darüber hinaus erwähne ich unseren Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtengesetzes, der am 23. März neu eingebracht wurde. Ende des gleichen Monats, also ebenfalls im März, hat der Bundesarbeitsminister eine erste Zwischenbilanz des Aktionsprogramms zur Förderung der Rehabilitation behinderter Bürger vorgelegt.
    Das Gesetz — um dies eben abzurunden — über die 16. Rentenanpassung mit seinen Zusätzen ist am 8. Juni verkündet worden. Die Steigerung der Bezüge um 11,35 % für die betroffenen 10,5 Millionen
    Rentner — 9,1 % bei den Unfallrenten — ist besonder zu begrüßen.

    (Abg. Maucher: Und was geschieht mit den Kriegsopfern?!)

    — Ich komme darauf. — Eine Konjunkturdämpfung ist natürlich von dieser Seite her nicht zu erreichen. Ich sage dies, verehrter Kollege, um ohne alle Umschweife und ohne die auch hier mögliche Popularitätshascherei darauf hinzuweisen, daß auf weiteren Gebieten vorgezogene Verbesserungen leider jetzt nicht möglich sind.
    Wir haben dem Bundesrat deshalb am 25. Mai den Entwurf eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen aus dem Bundesversorgungsgesetz zugeleitet, der eine Anhebung der Renten um etwa 11,4 % vom 1. Januar an vorsieht.

    (Abg. Geisenhofer: Ein halbes Jahr zu spät!)

    Dieses und anderes sind nicht Leistungen eines abstrakten Staates oder gar eines abstrakten Phänomens, das man Staat nennt.
    Es ist notwendig, uns immer wieder daran zu erinnern — und die Bürger mit uns —, was heutzutage „Staat machen" heißt: nämlich daß sich die organisierte Gemeinschaft der Bürger für die vielen einzelnen in den Dienst nimmt. Mir ist es gleichgültig, meine Damen und Herren, ob die Worte vom „Dienst" modisch geschätzt werden oder nicht. Es braucht außerdem keine preußische Übertreibung, um zu begreifen, daß eine Bereitschaft zum Dienst — heute würden viele statt dessen lieber Solidarität sagen — weithin die Qualität einer Gesellschaft bestimmt.
    Wenn ich dies gesagt habe, dann füge ich in aller Offenheit hinzu: das, was sich eine kleine Gruppe von öffentlich Bediensteten in diesen Tagen und Wochen auf unseren Flugplätzen geleistet hat, ist das Gegenteil der Haltung, über die ich hier spreche.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich denke nicht daran, hier etwa alle Beteiligten aus einer Berufsgruppe in einen Sack zu stecken und sie zu verdammen, wo es sich vielmehr um eine kritische Auseinandersetzung mit denjenigen handelt, die sie in eine meiner Meinung nach unmögliche Situation hineingeführt haben. Aber ich stimme jenem Kommentator zu, der sagt, daß sich der demokratische Staat diese Art von kollektivem Größenwahn nicht gefallen lassen kann.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Franke [Osnabrück]:: Wie wollen Sie das abschaffen?!)

    Es wäre gut, Herr Kollege Carstens, wenn in solchen Fragen — bei all den Konsequenzen, die sich daraus ableiten — die Regierung auch auf die Unterstützung der Opposition zählen könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Althammer: Wir hatten den Fall schon einmal! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

    Um noch ein anderes Gebiet zu erwähnen: Bildung und Ausbildung und nicht zuletzt die Förderung der



    Bundeskanzler Brandt
    Berufsbildung sind Gemeinschaftsaufgaben ersten Ranges. Der Bericht über die Arbeitsförderung, den die Bundesregierung am 23. März den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet hat, zeigt erste Erfolge der Förderung, die wir durch den Bund eingeleitet haben. Dieser Bericht enthält auch alternative Modelle für die Finanzierung — kommentarlos, wie sie verlangt wurden.
    Am vergangenen Freitag hat nun die Kommission des Bundes und der Länder den Bildungsgesamtplan und das Bildungsbudget mit einem allseitigen Aufatmen, wie ich wohl hinzufügen darf, verabschiedet. Dabei ist bei allen Unzulänglichkeiten, die ich nicht übersehe, in der Tat ein zentrales Feld der Reformarbeit für einen langen Zeitraum, nämlich bis 1985, für Bund, Länder und Gemeinden wenigstens umrissen. Die Hauptverantwortung tragen die Länder in der Sache und finanziell. Es bedurfte hier aber einer zusammenfassenden organischen Mitwirkung des Bundes, nach der vorhin in anderem Zusammenhang gerufen wurde. Ich hoffe, daß Gesamtplan und Bildungsbudget bald gemeinsam mit den Regierungschefs der Länder beraten und gebilligt werden. Das ist nun keineswegs das Ende der gemeinsamen Anstrengungen, meine Damen und Herren, sondern erst ein Anfang. Zugleich geht es — da mache ich niemandem etwas vor — um den Befähigungsnachweis unseres bundesstaatlichen Systems auf diesem entscheidend wichtigen Gebiet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich versage es mir, auf weitere Gebiete einzugehen. Ich hätte gerne etwas darüber gesagt — ich spare es mir bis zu einer anderen Gelegenheit auf —, was in den fünf Monaten, auch auf das öffentliche Interesse bezogen, in bezug auf die Millionen ausländischer Arbeitnehmer in unserer Mitte geschehen ist, was sich an neuem Bewußtsein und an sachverständiger Vorbereitung entwickelt, wo es um das schwierige Problem unserer Energieversorgung geht. Dies sind zwei ganz zentrale Probleme unserer Ökonomie und unserer sozialen Struktur, ja, auch der außenpolitischen Behauptung.
    Ich will jedoch, wie ich es angekündigt hatte, zum Stabilitätsprogramm doch noch einige mir — auch nach dem, was heute früh gesagt wurde notwendig erscheinende Bemerkungen machen. Es wurde mit einem eindrucksvollen Maß an Nüchternheit und gutem Willen aufgenommen. Ich begrüße die gute Einsicht, mit der zumal die Führung der Gewerkschaften unseren Notwendigkeiten begegnet und ihnen entspricht, sowie — ich hebe auch das ganz besonders hervor — die klare Zustimmung durch den Präsidenten des Bundesverbandes der Industrie, Herrn Präsidenten Sohl. Ich darf Ihnen versichern, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, durch einen Lohn- und Preisstopp eine Art Kirchhofsfrieden zu schaffen, denn darum würde es sich handeln. Dieses Mittel taugt nichts oder wenig, wie wir an den gegebenen Beispielen beobachtet haben. Es ist eher eine Flucht aus den Realitäten, die uns doch wieder einholen würden. Nein, wir folgen hier keinen fragwürdigen Experimenten. Lassen Sie mich aber ohne Umschweife hinzufügen, wenn wir es jetzt an wirtschaftlicher Einsicht mangeln lassen, bezahlen wir unter Umständen später auch durch die Bedrohung von Arbeitsplätzen. Genau dies hat der Bundeswirtschaftsminister gesagt, und genau hierin stimmt die Bundesregierung überein. Der Hinweis auf die Gefahren ändert auf der anderen Seite überhaupt nichts daran, daß ein Manipulieren etwa mit der Sicherheit der Arbeitsplätze nicht zum Instrumentenkasten unserer Bundesregierung gehört.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rawe: Der arme Zauberlehrling!)

    Es muß nun überhängige Nachfrage reduziert werden. Dieses Wort richtet sich nicht nur an eine Adresse, sondern, und zwar über einen längeren Zeitraum hinweg, an alle.
    Herr Kollege Kirst hat vor mir zu Recht darauf hingewiesen, daß Reformen durchaus nicht nur eine Sache von Geldausgeben sind. Das schon zu Beginn dieser Legislaturperiode verabschiedete, obgleich über frühere Perioden hinweggeschleppte Kartellrecht, die Novelle zum Kartellgesetz, ist ein gutes Beispiel dafür, paßt aber auch zusätzlich in unsere stabilitätspolitischen Bemühungen hinein. Wenn ich das sage, gilt das natürlich als eine anerkennende Würdigung an die Adresses aller, denn die Novelle ist ja schließlich einstimmig von diesem Hause verabschiedet worden. Dieses Gesetz muß, kann jedenfalls zur Verschärfung der Konkurrenz beitragen und damit hoffentlich möglichst bald auch für eine vernünftige Konjunktursteuerung eingesetzt werden. Die vorbeugende Funktionskontrolle der Großunternehmen wird erst in langen Fristen wirksam, doch die verschärfte Mißbrauchsaufsicht kann einen unmittelbaren Effekt haben und durch die klarere Beschreibung der Kriterien gegen den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Macht einschreiten.
    Ich will aber auch, weil ich dazu viele besorgte Briefe bekommen habe, auf folgendes hinweisen. Der schärferen Kontrolle auf den ebengenannten Gebieten stehen Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen gegenüber. Das ist nicht nur gerecht, sondern dies dient vor allem einer gesunden inneren Balance unseres gesamtwirtschaftlichen Organismus. Dem Verbraucher sagen wir es einfacher: Jedem einzelnen Bürger sollte die Aufhebung der Preisbindung zweiter Hand spürbare Vorteile verschaffen. Diese Maßnahme kann mehr als jede andere einer genaueren Kalkulation dienen.
    Die Vorschriften über die Auszeichnung von Preisen wiederum sind ein unmittelbarer Appell an die Vernunft beim Einkaufen. Es gilt zu beweisen, daß wir auch insofern ein wirtschaftlich vernünftig denkendes Volk sind. Das gilt im kleinen, das gilt im großen.
    Wirtschaftliche Vernunft rät den Unternehmen, ihre Investitionsprogramme sorgsam zu prüfen. Es gibt lebhafte Zweifel an der Vernünftigkeit einer Entwicklung, die es zuließ, daß in einem permanenten Strom Arbeitskraft einseitig zum Kapital transportiert wurde statt auch das Kapital in größerem Maße zur Arbeitskraft.



    Bundeskanzler Brandt
    Der erste Weg, der seine Vorzüge hat, bedeutet die a
    Verpflanzung von Menschen, damit oft auch
    ihre Entwurzelung. Er bedeutet eine Belastung der Infrastruktur. Er kostet Geld durch den Ausbau von Arbeitsplätzen und die Notwendigkeiten der Ansiedlung, Geld, das wiederum Geld unter die Leute bringt.
    Der zweite Weg, der des Kapitalexports und der Kooperation, sollte verstärkt begangen werden. Unsere Lage würde für lange Frist günstiger, wenn die Unternehmen sich zu einem sorgsam bedachten Programm der Investitionen im Ausland entschließen würden.
    Konjunktursteuerung ist im übrigen nicht — darauf wurde eben hingewiesen, und ich unterstreiche, was Herr Kollege Kirst dazu sagte — durch eine einseitige Anstregung des Bundes möglich; sie verlangt das Zusammenwirken aller öffentlichen Hände.
    Ich will nicht ungerecht sein und verallgemeinern, aber es gibt Gemeinden und es gibt auch Länder, in denen sich die Grundgedanken eines gemeinsamen stabilitätspolitischen Vorgehens erst langsam, allzu langsam durchsetzen. Ich weiß es im übrigen zu würdigen, daß die Länder im Bundesrat nach einigem Hin und Her doch der Verantwortung gerecht wurden, die sie mittragen müssen. Auch hier geht es natürlich um das Funktionieren des bundesstaatlichen Systems.
    Zur auswärtigen Politik brauche ich heute wirklich nur wenige Sätze sagen nach dem, was Herr Kollege Carstens dazu angemerkt hat. Wir haben das Wort Kontinuität groß geschrieben und uns im übrigen genau an das gehalten, was wir in zwei Regierungsprogrammen vor aller Öffentlichkeit dargelegt haben.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der Bundesaußenminister und ich haben in diesen Monaten wichtige Reisen unternommen, und wir hatten willkommenen Besuch aus nah und fern.
    Zur Europäischen Gemeinschaft wurde heute nicht mehr wie in den vergangenen drei Monaten angemerkt, daß wir Abstinenz betrieben. Wir werden noch in dieser Woche den Besuch von Präsident Pompidou haben und dabei dasselbe sagen, was wir bei unserem jüngsten Gespräch mit Premierminister Heath und anderen gesagt haben, nämlich folgendes:
    Erstens. Der Übergang zur zweiten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion muß vorbereitet werden, auch wenn diese Phase mehr eine konsolidierende sein müßte, als man es zunächst geplant hatte.
    Zweitens. Die Beschlüsse der Pariser Gipfelkonferenz vom Oktober vergangenen Jahres müssen durchgeführt werden. Das gilt nicht zuletzt für koordinierte stabilitätspolitische Maßnahmen in den Ländern der Gemeinschaft, ein Gebiet, von dem keiner bestreiten kann, daß die Deutschen wieder einmal anderen vorangegangen sind. Das kann auch die Opposition nicht bestreiten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Drittens. In diesem Zusammenhang soll nirgends ein Zweifel bestehen können, daß diese Bundesrepublik und ihre Regierung jeden Tag wie bisher bereit sind, nationale Zuständigkeiten in die Hände gemeinsamer europäischer Organe übergehen zu lassen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich erwähnte schon: der Kollege Scheel und der Kollege Leber haben jeder in seinem Bereich wichtige und erfolgreiche Beratungen im Atlantischen Bündnis hinter sich. Nun steht die Abzeichnung des Vertrages mit der CSSR bevor. Der rumänische Staatschef Ceaucescu kommt in der nächsten Woche in die Bundesrepublik, um den Besuch Präsident Heinemanns zu erwidern und um mit uns über die Weiterentwicklung der trotz unterschiedlicher politischer Ordnungen erfolgreich begonnenen Zusammenarbeit zu beraten.
    Inzwischen steht fest, daß die Konferenz der Außenminister über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in der ersten Juli-Hälfte in Helsinki stattfinden wird. In Wien wird etwas später — und gewiß sehr viel länger über die Probleme möglicher ausgewogener Truppenreduktion beraten werden. Im übrigen zeigen die erneuten Beratungen zwischen Nixon und Breschnew und sich daran anschließend zwischen Breschnew und Pompidou, wie gut wir beraten waren, uns nicht in ein weltpolitisches Abseits zu begeben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Mattick: Sehr wahr!)

    Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir jetzt noch einige Bemerkungen zu jenem Israel-Besuch, von dem ich heute vor einer Woche zurückkehrte. Ich zögere nicht, hier zu wiederholen, daß ich diese Reise zu den entscheidenden Erfahrungen meines politischen Lebens zähle. Zur Bewertung möchte ich folgendes feststellen.
    Erstens. Die Tatsache, daß Israel den amtierenden Bundeskanzler empfangen hat, daß es ihn überdies in so freundlicher Weise aufnahm, drückte ein Vertrauen in die demokratische Staatlichkeit eines erneuerten Deutschland aus, das ich mit Ihnen über alle Parteigrenzen hinweg als eine ernste Pflicht betrachten möchte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Zweitens. Mir wurde durch die Begegnung mit der Realität Israels von neuem deutlich, daß unsere beiden Völker neben den weiterwirkenden Schatten leben müssen. Es wurde freilich mit gleicher Klarheit sichtbar, daß uns gerade die Ehrfurcht von der Macht der Geschichte erlaubt, einander in neuer Freiheit zu begegnen.
    Drittens. Diese Einsicht prägte die Formel von den normalen diplomatischen Beziehungen mit einem besonderen Charakter, und zwar einem solchen, der sich nicht vom Hintergrund der Geschichte lösen läßt. Diplomatische Beziehungen haben — wenn ich das so gefühllos sagen darf — normal zu sein. Zugleich läßt sich das Spezifische im Verhältnis zwischen — nein: im Verhältnis ,der Deutschen zu Israel und den Juden durch keine Macht der Welt auslöschen. Wenn die Premier-



    Bundeskanzler Brandt
    ministerin den bewundernswerten Mut hatte, unserem deutschen Volk auf diesem Hintergrund die Freundschaft Israels anzubieten, so hoffe ich, viele Mitglieder dieses Hauses empfinden mit mir, daß sich hier ein Ereignis von geistiger und moralischer Dramatik vollzogen hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Viertens. Zur ausgewogenen Nahostpolitik unserer Regierung gehört die Bereitschaft, zum Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn beizutragen. So hat es der Bundesaußenminister kürzlich in drei arabischen Hauptstädten dargelegt und erörtert. Aber wir können — ich sagte es wieder und wieder — nicht die Aufgaben eines Vermittlers übernehmen; denn wir überschätzten damit unsere Kraft. Aber unsere guten Dienste, zum Beispiel für die Methodik von Friedensbemühungen, zur Verfügung zu stellen, sofern dies gewünscht wird, daran braucht es nicht zu fehlen. Dies setzt voraus, daß wir zuhören können, daß wir jedes Wort ernst nehmen, das zum Frieden hinführen kann. Daß Israel den Frieden will und zu Kompromissen bereit ist, dies wurde uns mit großer Eindringlichkeit gesagt.
    Fünftens. Selbstverständlich gibt es Möglichkeiten, die guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten, über die ich spreche, auszubauen; dies gilt auch für die Europäische Gemeinschaft. Dort werden wir uns für eine gerechte und realistische Mittelmeerpolitik zu verwenden haben, weiterhin zu verwenden haben für eine Politik, die sich nicht in
    der Wiederholung substanzleerer Formeln erschöpft. Es darf nicht der kleinste gemeinsame Nenner sein, mit dem die Gemeinschaft der Friedlosigkeit in dieser Nachbarregion begegnet. Die Gemeinschaft muß fähig sein, ihre Interessen zu definieren, einen Willen zu bilden und nach ihm zu handeln.
    Schließlich bitte ich um Ihr Verständnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich diesen Augenblick nutze, um vor dem Deutschen Bundestag mit der Adresse an die Premierminister Golda Meir und ihren Außenminister Abba Eban zu sagen, wie dankbar ich für die Tage in Israel bin. Nichts von dem, was uns an Freundschaft begegnete, war selbstverständlich. Alles, was wir zu beeinflussen vermögen, soll die Lehren der Vergangenheit beherzigen und dem organisierten, dem gesicherten Frieden zugute kommen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)