Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Die heutige Tagesordnung soll erweitert werden um die folgenden Vorlagen:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für3) selbständige forstwirtschaftliche Tätigkeiten und eine Änderung des Allgemeinen Programms des Rats zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit .Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über Maßnahmen gegen die Einschleppung von Schadorganismen der Pflanzen in die Mitgliedstaaten (Drucksachen IV/3288, IV/3395).Das Haus ist damit einverstanden? — Dann ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 11. Mai 1965 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 und des Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Zuckergesetzes vom 9. August 1954 die Verordnung Z Nr. 2/65 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1965 und die Verordnung Z Nr. 3/65 zur Änderung der Verordnung Z Nr. 3/58 über Preise für Zucker dem Bundestag zur Kenntnis übermittelt. Sie liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Bundesminister des Innern hat unter dem 11. Mai 1965 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD — betr. Fortbildung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes — Drucksache IV/3206 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3404 verteilt.Zu der in der Fragestunde der 181. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Mai 1965 gestellten Frage des Abgeordneten Schmidt Nr. VIII/2 ist inzwischen die Schriftliche Antwort desStaatssekretärs Dr. Nahm vom 13. Mai 1965 eingegangen. Sie lautet:Die Anfrage bezieht sich offenbar auf die in der Zweiten Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz in der Fassung vom 16. Dezember 1964 (BGBl. I S. 946, 951) festgelegten Fristen.Unterschiedliche Endtermine für die Einreichung von Anträgen für Heimatvertriebene und für Sowjetzonenflüchtlinge sind dort jedoch nicht festgesetzt.Bei dem Endtermin 31. Dezember 1965 für Vertriebene in § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung handelt es sich nicht um einen Endtermin für die Einreichung von Anträgen, sondern um einen Stichtag für die Aufenthaltnahme im Bundesgebiet. Die Verordnung entspricht mit dieser Festlegung der Neufassung des § 301 Abs. 1 durch die 16. LAG-Novelle. Dieser Stichtag gilt tatsächlich nur für die Vertriebenen. Für die Sowjetzonenflüchtlinge ist ein entsprechender Stichtag nicht festgelegt, so daß auch nach dem 31. Dezember 1965 ins Bundesgebiet kommende Sowjetzonenflüchtlinge Härtefondsleistungen erhalten können.Antragsfristen gibt es im Rahmen des Lastenausgleichs derzeit nur für den Antrag auf Kriegsschadenrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Sie sind in § 265 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LAG festgelegt. § 7 Abs. 4 der Verordnung läßt diese gesetzliche Bestimmung für den Antrag auf Beihilfe zum Lebensunterhalt und auf besondere laufende Beihilfe wegen Erwerbsunfähigkeit entsprechend gelten. Diese Bestimmung gilt gleichermaßen für Vertriebene wie für Sowjetzonenflüchtlinge, hinsichtlich der besonderen laufenden Beihilfe allerdings nur für die letzteren, weil nur diese die Beihilfe erhalten können.Die Antragsfristen des § 265 Abs. 4 Sätze 2 und 3 LAG sind zum Teil bereits abgelaufen. Nachdem durch die Neufassung der Verordnung Vertriebene neu in die Härtefondsregelung einbezogen worden waren, mußte denjenigen Antragstellern, diedie Beihilfe zum Lebensunterhalt wegen Erwerbsunfähigkeit jetzt beantragen können, eine neue Antragsfrist eröffnet werden, wenn die im § 265 Abs. 4 des Gesetzes bestimmten Fristen bereits abgelaufen waren. Dies ist in § 9 Abs. 2 der Verordnung geschehen. Die Beihilfe kann noch bis zum 31. Mai 1965 beantragt werden.Die Bestimmungen über die besondere laufende Beihilfe in § 301 a Abs. 3 LAG und in der Verordnung machen es möglich, daß Sowjetzonenflüchtlinge, die bisher wegen Überschreitens des Einkommenshöchstbetrages keine Beihilfe zum Lebensunterhalt erhalten konnten, nunmehr die besondere laufende Beihilfe beziehen. Für einen Teil der Sowjetzonenflüchtlinge, die den Antrag auf Grund von Erwerbsunfähigkeit stellen können, war die Antragsfrist des § 265 Abs. 4 LAG gleichfalls bereits abgelaufen. Für diese Fälle wurde in § 9 Abs. 4 der Verordnung ebenfalls eine neue Antragsfrist eröffnet, die gleichfalls bis zum 31. Mai 1965 läuft.Es gibt in der 2 LeistungsDV-LA danach zwar unterschiedliche Antragsfristen, die Unterschiede bestimmen sich aber nicht danach, ob ein Antragsteller Vertriebener oder Sowjetzonenflüchtling ist, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten einheitlich für diese beiden Geschädigtengruppen.Wir beginnen dann mit Punkt 1 der Tagesordnung:1. Fragestunde .Ich rufe zunächst auf die Dringenden Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf der Drucksache IV/3408. Frage 1 — des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:Wieviel Anzeigen sollen in der Reihe „Mitbürger fragen — der Kanzler antwortet" bis zum Ende der Legislaturperiode noch veröffentlicht werden?
Metadaten/Kopzeile:
9156 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Vizepräsident Dr. DehlerSie wird beantwortet von dem Herrn Staatssekretär.
— Herr Abgeordneter Jahn übernimmt die Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Laufe dieses Jahres werden in der Reihe „Mitbürger fragen — der Kanzler antwortet" voraussichtlich noch etwa sechs bis acht Anzeigen veröffentlicht werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.
Herr Staatssekretär, können Sie den Zeitraum „im Laufe dieses Jahres" etwas näher umreißen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für diese sechs bis acht Anzeigen ist ein Zeitraum von etwa sechs bis sieben Wochen, von jetzt an gerechnet, vorgesehen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jahn.
Kann man also davon ausgehen, daß die Aktion rechtzeitig vor den Bundestagswahlen abgeschlossen sein wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vorerst ist beabsichtigt, diese Anzeigenaktion in dem von mir genannten Zeitraum zu Ende zu bringen.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden Sie diese Anzeigen in allen deutschen Presseorganen erscheinen lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Anzeigen sind in fast allen deutschen Tageszeitungen erschienen, nicht in den Wochenzeitungen. Sie werden auch von allen Zeitungen gebracht werden bis auf eine Ausnahme, die ich hier nicht nennen möchte. ln ein paar Zeitungen sind sie noch nicht gedruckt worden, werden aber im Laufe der nächsten Tage noch gedruckt werden. Es handelt sich insgesamt um etwa 500 Tageszeitungen.
Eine weitere Frage.
Ist beabsichtigt, das in der gleichen Form und in der gleichen Größenordnung zu bringen wie die erste Anzeige?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Voraussichtlich ja. Die bisherigen Erfahrungen sind gut.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie ist im Schoße der Bundesregierung geregelt worden, daß auch der Koalitionspartner FDP auf seine Kosten kommt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist gut und frühzeitig geregelt worden, Herr Abgeordneter. Die erste Anzeigenaktion im Inland ist für die Entwicklungspolitik mit einem Bild von Bundesminister Scheel und durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gelaufen.
Eine weitere Frage, Herr Dr. Mommer.
Werden die Mittel zwischen FDP und CDU/CSU streng nach d'Hondt aufgeteilt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit innerhalb des Presse- und Informationsamts. Der Leiter der Inlandsabteilung ist ein Mitglied der FDP.
D'Hondt setzt mehr als zwei voraus. Sonst kommt d'Hondt nicht zum Zuge.
Bitte, Herr Abgeordneter Sänger für eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie konnten Sie den guten Erfolg dieser ersten Anzeige feststellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einmal bringt die heutige Fragestunde einen zusätzlichen Erfolg dieser Anzeigenaktion und macht auf sie aufmerksam.
Zum zweiten haben wir sehr viele Zuschriften zu der Anzeigenaktion bekommen.
Eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, würden Sie auch mit in Erwägung ziehen, daß die Staatsbürger, die diese Anzeigen in den Zeitungen lesen, nicht nur den Erfolg sehen, sondern ihre eigene kritische Auffassung haben?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9157
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das nehme ich sicher an. Ich glaube, daß die Staatsbürger ähnlich handeln wie die Staatsbürger, die vor einigen Jahren Anzeigen der SPD-Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gelesen haben.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, finden Sie, daß die Persönlichkeit des Leiters der Inlandsabteilung Ihres Hauses als Vertreter der FDP eine ausreichende Sicherung und Garantie dafür bietet, daß die FDP an diesem Segen auch angemessen beteiligt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf mich noch einmal auf das beziehen, was ich für ein Ressort, das von der FDP verwaltet wird, zu der bereits gelaufenen ersten Anzeigenaktion gesagt habe. Im übrigen darf ich wiederholen, daß nicht nur die Persönlichkeit dieses Leiters, sondern auch die sonstige Zusammenarbeit innerhalb der Koalition die Besorgnisse, die aus Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, anklingen, nicht als berechtigt erscheinen lassen.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer weiteren Zusatzfrage.
Darf ich das so interpretieren, daß also zwischen den eigentlichen Partnern, den Herren Ministern und Parteiführern, Übereinstimmung darin 'besteht, daß die FDP an diesen Aufwendungen beteiligt wird — ausgehend von der Überlegung, daß auch sie kein Unrecht sehen kann, wenn sie nicht teil daran hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß der Bundeskanzler durch die Anzeigenaktion die Gesamtregierung repräsentiert, und ich glaube, daß gerade die Themen, die dort angesprochen worden sind, von den Koalitionspartnern gemeinsam getragen werden.
Herr Abgeordneter Zoglmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß die Opposition heute hier einen selten an den Tag gelegten Gerechtigkeitssinn zeigt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß sagen, daß ich dieses Eintreten der Opposition für die nach ihrer Ansicht zu kurz gekommene Koalitionspartei nicht erwartet hätte.
Ich rufe dann die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf — ebenfalls vertreten durch Herrn Kollegen Jahn:
Wie hoch sind die Kosten der Anzeigenaktion unter dem Titel „Mitbürger fragen — der Kanzler antwortet"?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Kosten der Anzeigenaktion sind außerordentlich wirtschaftlich. Unter verschiedenen Möglichkeiten ist die Informationsanzeige dasjenige Medium, das nach den Erfahrungen des Presse- und Informationsamtes und nach den Erfahrungen der Werbewirtschaft am wirtschaftlichsten ist und die höchste Anzahl von Kontakten zum geringsten Preis herstellt. Pro mutmaßlicher Leser 'beträgt der Preis etwa 0,4 bis 0,7 Pf.
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie würden Sie die Möglichkeit einer Abgrenzung zwischen Information und Wahlpropaganda sehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, die Frage stellt sich nicht. Wenn der Regierungschef seine Regierungspolitik vertritt, ist das nicht Wahlpropaganda, sondern ein gesetzlicher Auftrag, den das Presse- und Informationsamt hat. Ich darf mir erlauben, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Vorspruch aus meinem Haushaltsgesetz zu zitieren:
Das Presse- und Informationsamt ist die Hauptstelle der Bundesregierung für den Verkehr mit der Presse und allen sonstigen Nachrichtenträgern und hat dabei die Politik der Bundesregierung gegenüber den Organen des Nachrichtenwesens zu vertreten. Es hat weiterhin die deutsche Bevölkerung über die politischen Ziele und die Arbeit der Bundesregierung zu unterrichten.
Genau das hat das Presse- und Informationsamt getan, und es war seine Pflicht, dies zu tun.
— wenn ich auf den Zwischenruf antworten darf, so glaube ich, daß es unbestritten ist, daß die Anzeige eine optimale Form der Unterrichtung ist.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Jahn.
Ich würde die Anzeige eher für eine Meinungsäußerung halten, Herr Staatssekretär. Aber würden Sie mir nicht zustimmen, daß, nachdem Sie soeben hier dargestellt haben, daß es eine Besetzung im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung nach der Verhältniszahl gibt, damit praktisch doch Parteigesichtspunkten und weniger Regierungsgesichtspunkten Rechnung getragen wird?
Metadaten/Kopzeile:
9158 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, diese Sorge ist in Ihren Kreisen entstanden; wir haben diese Sorge nicht.
Ich wiederhole, es ist bei uns in dieser Hinsicht kein Proporzdenken, sondern ein gegenseitiges Vertrauen vorhanden.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Staatssekretär, welche Summe ergibt sich, wenn Sie die von Ihnen genannte Zahl von 0,4 Pf mit der Zahl der mutmaßlichen Leser multiplizieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage will ich gerne beantworten: Da noch nicht endgültig abzusehen ist, wie viele Anzeigen insgesamt erscheinen werden, und auch die Anzahl der Publikationsorgane noch nicht genau feststeht, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Auskunft über die Höhe der Gesamtkosten dieser Aktion gegeben werden. Die Kosten für die erste Anzeige — soweit ich es verbindlich übersehen kann — belaufen sich einschließlich der Kosten in den Blättern, in denen sie noch erscheinen wird, auf insgesamt etwa 200 000 DM.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht erkannt, daß Ihre vorherige Antwort, als Sie über die FDP sprachen, in Widerspruch steht mit der Antwort, die Sie soeben meinem Kollegen Jahn gegeben haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sehe darin keinen Widerspruch, Herr Abgeordneter; ich will es aber gerne noch einmal überprüfen.
Bitte, Herr Abgeordneter zu Guttenberg!
Welches Mittel, um die Politik der Regierung darzustellen, halten Sie für wirksamer: jenes, das der Regierende Bürgermeister von Berlin wöchentlich in einer Fernsehsendung verwendet, oder jenes der Darstellung der Politik durch Anzeigen in Zeitungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach den Ermittlungen der Werbewirtschaft ist, wie gesagt, die Anzeige hinsichtlich der möglichen Zahl der Kontaktpersonen das billigste Werbemittel. Leider wäre, wenn ich zu Ihrer Frage Stellung nähme, Herr Abgeordneter, die Antwort insofern Theorie,
als die Bundesregierung leider nicht über eine solche wöchentliche Rundfunkstunde verfügt, wie der Regierende Bürgermeister von Berlin. Die Bundesregierung ist leider auch nicht in der glücklichen Lage, eine Zeitung zu haben, wie etwa die Hessische Landesregierung.
Bitte, Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Staatssekretär, wie Sie vorhin ausgeführt haben, soll der Rechtfertigungsartikel des Herrn Bundeskanzlers keine Wahlpropaganda sein. Würden Sie dann das Presse- und Informationsamt veranlassen, der Oppositionspartei, die doch auch zum Volke und zum Parlament gehört, die Möglichkeit zu geben, Gründe 'berechtigter Kritik bekanntzugeben? -
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Presse- und Informationsamt ist, wie ich vorhin auch durch die Verlesung des Vorspruchs des Haushaltsgesetzes dargetan habe, dazu da, die Bevölkerung über die Regierung und das Regierungsprogramm zu unterrichten. Da die Oppositionspartei nicht zur Regierung gehört, sehe ich mich nicht in der Lage, das zu tun, Herr Abgeordneter. Aber ich darf vielleicht hier einfließen lassen, daß wir bei allen Gelegenheiten, wo wir glauben, daß durch breitestmögliche Zusammenarbeit der deutschen Sache gedient ist, auch die Opposition unterstützen. Ich darf hier die erheblichen Mittel erwähnen, die die Bundesregierung Berlin zur Verfügung stellt und mit denen der Herr Regierende Bürgermeister im Ausland für die deutsche Sache eintritt.
Zu einer Zusatzfrage bitte der Herr Abgeordnete Büttner!
Zunächst hat der Herr Abgeordnete Büttner das Wort zu einer Zusatzfrage.
— Der Gesamtdeutsche Minister ist im Augenblicknicht gefragt, sondern der Herr Abgeordnete Büttner stellt eine weitere Zusatzfrage. Darf ich bitten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9159
Herr Staatssekretär, abgesehen von Ihren Bemerkungen zu Berlin: wie vereinbaren Sie die Auskunft, die Sie mir gegeben haben — —
Darf ich bitten, dem Herrn Abgeordneten Büttner die Möglichkeit zu geben, seine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, ich darf wiederholen. Abgesehen von Ihren Bemerkungen zu Berlin, zu denen an anderer Stelle etwas zu sagen sein wird: wie vereinbaren Sie die Antwort an mich mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung, daß er die Opposition als in einem demokratischen Staate notwendig betrachte?
Finden Sie nicht, daß dann der Opposition die gleiche Chance gegeben werden muß wie den Regierungsparteien und ihrem Kanzler?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann nur wiederholen, daß nach dem Gesetz die Mittel, die dem Presse- und Informationsamt zur Verfügung stehen, zur Erläuterung des Regierungsprogramms gegenüber den Organen des Nachrichtenwesens und der Bevölkerung vorgesehen sind. Falls keine Änderung des Gesetzes erfolgt, sehe ich mich nicht in der Lage, die Opposition in dem von Ihnen offenbar gewünschten breitesten Sinne einzubeziehen.
Ich möchte zu meiner anderen Antwort, die unter Ihnen eine solche Erregung hervorgerufen hat, sagen, daß ich das selbstverständlich so meine, daß die Mittel, über die das Presse- und Informationsamt verfügt, überall dort, wo sie dem Gesamtinteresse dienen, also unter vielen, insbesondere außenpolitischen Gesichtspunkten, keineswegs nach parteipolitischen Gesichtspunkten engstirnig eingesetzt werden.
Herr Dr. Mommer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie leugnen, daß es zumindest eine moralische Beziehung gibt zwischen dem, was die Bundesregierung auf dem Gebiet der Propaganda — wie mit dieser Anzeigenaktion — tut, und dem, was durch ein Abkommen zwischen den Parteien hinsichtlich einer Begrenzung für die Wahlkampfzeit unternommen worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf zunächst sagen, daß ein
Abkommen zwischen den Parteien die Regierung, die einen gesetzlichen Auftrag zu dieser Information hat, nicht bindet und nicht binden kann. Sie haben aber gefragt, ob es eine moralische Beziehung gibt und nicht, ob es eine rechtliche Beziehung gibt. Außerdem habe ich unterstrichen, daß die jetzt geplante Aktion eine Laufzeit von etwa sechs bis sieben Wochen hat. Ich sehe keinerlei Konflikt mit dem Wahlabkommen zwischen den Parteien, einen rechtlichen Konflikt schon gar nicht, einen moralischen Konflikt auch nicht.
Herr Abgeordneter, ich darf darauf hinweisen, daß in der Anzeige gegen keine Partei polemisiert wird. Ich darf ebenso darauf hinweisen — wenn Sie den Wortlaut der Anzeige genau studieren, werden Sie das feststellen — , daß auch nicht für eine Partei polemisiert wird. Denn ich glaube, daß die Opposition doch genau so für die Stabilität der Währung eintritt wie die Regierung.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Staatssekretär, würden Sie bereit sein, dem Hause gegenüber Ihr Bedauern darüber auszusprechen, daß es Ihnen soeben unterlaufen ist, Berlin-Hilfe mit Hilfe für die SPD gleichzusetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe das schon getan, Herr Abgeordneter, indem ich versucht habe, zu der Erregung, die in Ihren Kreisen entstanden ist, Stellung zu nehmen. Selbstverständlich bin ich bereit, zu bedauern, wenn es so ausgelegt werden könnte, daß Berlin-Hilfe Hilfe für die SPD ist.
Herr Abgeordneter Börner zu einer Zusatzfrage.
Welche Themen werden die noch folgenden Anzeigen in den nächsten Wochen haben? Sind Sie bereit, heute zu erklären, daß der Herr Bundeskanzler vielleicht die Fortsetzung dieser Anzeigenserie auch dazu benutzen könnte, gewisse Probleme aufzuhellen, die es im Laufe des vergangenen Jahres im Schoße der Bundesregierung gegeben hat und die eine berechtigte Sorge in der Öffentlichkeit dahin gehend wachgerufen haben, das die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers manchmal nicht so klappt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, da es sich, wie ich schon auf einer Pressekonferenz erklärt habe, um einen offenen Titel handelt, hat dieser Titel auch eine ganz klare Bestimmung. Ich darf ihn verlesen:
Die Mittel sind für die Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung auf den Gebieten der
9160 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — .183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Staatssekretär von Hase
Sozialinvestitionen, insbesondere der Vermögensbildung, der Forschung und Bildung, des Familienlastenausgleichs und des Wohnungswesens bestimmt, um diesen Schwerpunkten der Regierungspolitik größtmögliche Resonanz zu verschaffen.
Selbstverständlich müssen wir uns an diese Bestimmung des Titels halten.
Um Ihre Frage zu beantworten: Die nächsten Themen werden sich in diesem Rahmen halten. Ich möchte die Spannung der Leser auf die nächsten Themen durch Vorwegbekanntgabe der Titel nicht unnötig auflockern.
Noch eine Zusatzfrage!
Dann darf ich also aus Ihrer Antwort schließen, daß der Herr Bundeskanzler sich im Rahmen dieser Anzeigenserie nicht dazu äußern wird, inwieweit die Meinungen über bestimmte wichtige außenpolitische Fakten in der Bundesregierung auseinandergehen oder auseinandergingen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, der Herr Bundeskanzler ist dafür bekannt, daß er auch heiße Eisen anpackt, wenn Mitbürger nach solchen Dingen fragen.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich bewußt, daß die Anzeigenaktion, diese mittelbare Parteipropaganda, dann endet, wenn die unmittelbare Propaganda nach dem Wahlkostenbegrenzungsabkommen beginnen darf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte mich hier nicht festlegen, Herr Abgeordneter. Aber ich glaube, daß nach dem Gesetz der Wirksamkeit — und wenn man berücksichtigt, daß in den letzten Monaten vor der Wahl sicher eine ganz besonders große, dafür gibt es das schöne Schlagwort: Reizüberflutung der Bevölkerung einsetzt — dann sozusagen eine Verdreifachung der Aktion sicherlich nicht sehr wirksam wäre.
Noch eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht bemerkt, daß Sie gar keine Antwort auf meine Frage gegeben haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe angedeutet, Herr Abgeordneter, daß ich es für ökonomischer halte, es jetzt zu machen, in einer
Zeit, wo die anderen Aktionen noch nicht eingesetzt haben, und auch aus dem Grunde, weil das Gesetz uns vorschreibt unsere Informationstätigkeit kontinuierlich zu gestalten.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ich darf Sie noch einmal fragen: Sie sagten: — wenn auch nicht wörtlich — die Anzeigen haben deswegen eine gute Wirkung, weil die anderen Aktionen nach dem Wahlkostenbegrenzungsabkommen erst später einsetzen? Vielen Dank!
Das war keine Frage, Herr Abgeordneter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf vielleicht zu dem zweiten Punkt, den Sie angeschnitten haben, noch einmal Stellung nehmen und darf hier darauf hinweisen, daß wir sehr gerne noch viel früher angefangen hätten. Wir haben aber die Mittel leider erst am 23. März 1965 bewilligt bekommen. Wir sind relativ stolz darauf, daß wir in so kurzer Zeit schon mit einer so breiten Aktion beginnen konnten.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, haben Sie mit mir den Eindruck, daß die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion diese Fragestunde als eine Art Lehrstunde für die neue Situation in Niedersachsen benutzen könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, diese Fragestunde läßt sich als Lehrstunde für sehr viele Bundesländer, insbesondere für das von mir schon in anderem Zusammenhang genannte benutzen.
— Ich darf klarstellen, Herr Abgeordneter, daß ich von der SPD-Regierung in Nordrhein-Westfalen gesprochen habe. Wenn es Sie interessiert, darf ich hier noch einmal auf die Anzeige der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, gezeichnet von Ministerpräsident Steinhoff, hinweisen.
Herr Abgeordneter Dr. Eppler zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wenn Sie die Aufgabe haben, die Regierungspolitik zu vertreten, und wenn es zur Regierungspolitik gehört,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9161
Dr. Epplerdaß diese Anzeigen mit Staatsgeldern finanziert werden, hätten Sie dann nicht auch die Aufgabe, dem Leser dieser Anzeigen klarzumachen, wer sie bezahlt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das habe ich bereits, ohne gefragt zu sein, in einer Pressekonferenz getan, und zwar — wenn Sie es genau nachlesen wollen — in der Pressekonferenz dieser Woche am 12. Mai 1965. Ich glaube, es gibt keine klarere und keine offenere Informationstätigkeit als diese, die sich jeder nach den bekannten Anzeigenpreisen selbst berechnen kann und die außerdem mit Bild und Unterschrift des Regierungschefs klar identifiziert ist Ich glaube, es ist eine Informationstätigkeit mit offenem Visier. Die Kosten können jederzeit nachgeprüft werden. Da es ein offener Titel ist, kann der Haushaltsausschuß auch alle Fragen dazu stellen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Wie hoch ist der Betrag, Herr Staatssekretär, den Sie bis jetzt unter dem Untertitel „Publikation" zur Verfügung haben? Wieviel haben Sie davon bis jetzt verbraucht, wenn Sie die Aufwendungen nicht einschließen, die erst jetzt begonnen haben und demnächst fortgesetzt werden
I sollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin auf diese einzelnen Zahlen im Augenblick nicht vorbereitet. Ich bin gern bereit, Ihnen die Antwort schriftlich nachzureichen. Ich möchte Ihnen nämlich keine auch nur in kleinen Einzelheiten abweichende Zahlen nennen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Staatssekretär, eine andere Frage, nachdem Sie vorhin Berlin und Hessen erwähnt haben: Welche Haltung nehmen Sie, wenn Sie hier Richter zu diesen Fragen spielen, zu der Anregung aus CDU-Kreisen ein, in Nordrhein-Westfalen demnächst ein Informationsministerium zu errichten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist Sache der Landesregierung. Ich möchte mich vom Bunde aus nicht in diese Kompetenzen einmischen.
Ich möchte außerdem die Behauptung zurückweisen, ich hätte mich als Richter aufgespielt. Ich habe lediglich Auskünfte erteilt.
Keine weitere Zusatzfrage zu dieser Angelegenheit.
— Der Sache ist genug Ehre angetan.
Ich rufe auf die Frage 3 — des Abgeordneten Hermsdorf —:
Hat die Bundesregierung die Absicht, die Anzeigenserie Mitbürger fragen — der Kanzler antwortet" bereits in der kommenden Woche fortzusetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat, wie ich eben schon dargelegt habe, die Absicht, die Anzeigenaktion schon Anfang nächster Woche fortzusetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Nach den bisherigen Ausführungen ist klar, daß diese Frage schon von vornherein beantwortet worden ist; ich erlaube mir aber trotzdem, eine Zusatzfrage persönlicher Art an den Herrn Staatssekretär zu stellen: Fühlen Sie sich in der Art, wie Sie die Sache hier zu verteidigen versuchen, als Beamter oder als Angestellter der CDU?
Das ist keine Frage.
Ich rufe auf die Frage 4 — des Herrn Abgeordneten Hermsdorf —:
Wie vereinbart es die Bundesregierung mit den haushaltsrechtlichen Bestimmungen, daß — wie Staatssekretär von Hase am 12. Mai 1965 vor der Presse mitteilte — die Mittel für die Anzeigenaktion „Mitbürger fragen — der Kanzler antwortet" aus dem Titel 314 in Kapitel 04 03 entnommen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann zusammenfassend wiederholen, was ich schon auf einer Pressekonferenz gesagt habe: Bei den jetzt vorbereiteten Anzeigen handelt es sich um Anzeigen aus dem Bereich der Sozialinvestitionen. Für diese Veröffentlichungen sind laut Haushaltsgesetz Mittel aus dem Kapitel 04 03 Titel 314 bereitgestellt. Der Titel trägt die Bezeichnung „Aufklärung und Unterrichtung der Bevölkerung". Ich darf darauf verzichten, die Zweckbestimmung nochmals vorzulesen. In anderem Zusammenhang habe ich sie bereits zitiert. Schon bei den Beratungen im Haushaltsausschuß über die Ausbringung von Mitteln zur Unterrichtung der Offentlichkeit über Sozialinvestitionen habe ich dargetan, daß eine direkte Unterrichtung der Bevölkerung insbesondere auch durch Anzeigen erfolgen solle. Die Anzeige ist nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für eine Regierung ein legitimes, besonders wirkungsvolles Mittel im Vergleich zu anderen Methoden des Öffentlichkeitsarbeit. Ich habe das an der Kostenaufteilung bereits nachgewiesen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Metadaten/Kopzeile:
9162 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Wenn es richtig ist, was Sie in der Pressekonferenz erklärt haben, daß Sie Mittel aus Titel 314 beziehen, muß ich darauf hinweisen, was Herr Gewandt bei der Beantragung von 5 Millionen DM für die Vermögensbildung gesagt hat:
daß dieser Titel, aus dem Sie jetzt die Kosten der Anzeigen bestreiten, nicht im mindesten etwas mit Sozialinvestitionen oder Vermögensbildung zu tun hat, sondern reine Propaganda finanziert.
Das ist doch keine Frage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe aus der Drucksache IV/3377 auf die Fragen VI „Geschäftsbereich ides Auswärtigen Amts". Zunächst Frage VI/1 —des Abgeordneten Dr. Mommer —:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen und Stellvertreters des Bundeskanzlers, daß die Hallstein-Doktrin „heute kein geeignetes außenpolititisches Instrument mehr ist, um den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland zu wahren und die Wege zu einer friedlichen und freiheitlichen Lösung der deutschen Frage offenzuhalten"?
Bitte, Herr Minister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Die Frage bezieht sich auf Ausführungen, die der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Freien Demokratischen Partei auf deren Parteitag gemacht hat. Die Bundesregierung nimmt daher in Übereinstimmung mit ihrer mehrfach geäußerten :grundsätzlichen Auffassung zu diesen Ausführungen nicht Stellung.
Zur Sache möchte ich bemerken, daß die Deutschlandpolitik der Bundesregierung auf dem Alleinvertretungsrecht der Bundesrepublik Deutschland beruht. Ich möchte in diesem Zusammenhang an meine Erklärungen in der Fragestunde vom 10. März dieses Jahres erinnern. Ich habe dort unter anderem gesagt, daß die Bundesregierung die Aufnahmediplomatischer Beziehungen zwischen der sogenannten DDR und dritten Staaten, mit denen sie .diplomatische Beziehungen unterhält, als einen unfreundlichen Akt betrachten und dementsprechend ihre Beziehungen zu dem betreffenden Staat einer Überprüfung unterziehen würde. Ich hatte hierzu erläuterndausgeführt, daß die Anwendung dieser Grundsätze nur mit dem Ziel erfolge, den höchstmöglichen Effekt zur Wahrung der deutschen Lebensinteressen zu erzielen. Es gehe in dieser Frage um den uns aufgegebenen Anspruch, ganz Deutschland allein zu vertreten. Das sei ein Grundsatz, der für uns selbstverständlich .sei und den wir auch weiterhin praktizieren würden. - Das ist der Inhalt meiner Ausführungen vom 10. März, die ich hier noch einmal wiedergebe.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer,
Herr Minister, hat der Herr Vizekanzler, der ja als Parteivorsitzender auf einem Parteitag auch ein politischer Mensch ist, den Versuch gemacht, eben, weil er ein politischer Mensch ist, das, was er für richtig hält, auch im Kabinett durchzusetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Über Diskussionen innerhalb des Kabinetts kann ich mit Rücksicht auf die Geschäftsordnung und die geübte Praxis keine Auskunft geben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Können Sie Auskunft darüber geben, ob die Hallstein-Doktrin und der Alleinvertretungsanspruch zu den Richtlinien der Politik gehören und ob dementsprechend der Bundeskanzler alle Minister auf eine entsprechende Richtlinie verpflichtet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte meinen, daß die Richtlinien unserer Deutschlandpolitik in der Regierungserklärung vom Oktober 1963 enthalten sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter zu Guttenberg.
Herr Minister, würde nicht ein Ersatz dieser sogenannten Hallstein-Doktrin durch das Prinzip, daß die Bundesrepublik überall vertreten sein müsse, eine Art Anwesenheitsdoktrin schaffen, mit der Tür und Tor dafür geöffnet würde, daß sich dieser sogenannte zweite deutsche Staat in der Welt neben der Bundesrepublik niederlassen könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte nicht alles, was Sie gesagt haben, unterschreiben. Ich glaube, daß die Formulierungen, die wir seit vielen Jahren, meines Wissens zum erstenmal 1955, 1956, gebraucht halben, brauchbar sind, nämlich daß wir die Begründung von Beziehungen anderer zur sogenannten DDR als einen unfreundlichen Akt uns gegenüber betrachten und dementsprechend unsere Beziehungen zu diesem Staat einer Überprüfung unterziehen werden. Das gibt Spielraum genug, sich zweckentsprechend und wirksam zu verhalten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter zu Guttenberg!
Habe ich Sie dann recht verstanden, Herr Minister, daß Sie sich nicht dafür aussprechen, daß — als erstes Prinzip dieser Deutschlandpolitik — die Bundesrepublik überall vertreten sein müsse?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9163
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sage noch einmal: die einzigen, wenn Sie so wollen, etwas theoretischen Sätze, die entwickelt worden sind, beziehen sich auf die Fälle, in denen die Bundesregierung Beziehungen zu Staaten hat, die ihrerseits keine Pankow-Beziehungen haben. Es geht nur um die Frage, welche Veränderungen hier möglich sind und wie wir auf solche Veränderungen reagieren.
Herr Abgeordneter Börner, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die öffentlichen Äußerungen eines so wichtigen Regierungsmitgliedes wie des Vizekanzlers in dieser Frage mit dem Tenor, der vom Herrn Kollegen Mommer in seiner Frage skizziert wurde, in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken könnten, die Bundesregierung stehe selbst nicht mehr hinter dieser Politik, die sie öffentlich verkündet hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat dies nicht als die Politik der Bundesregierung dargestellt. Eine Diskussion dieser Fragen in der Öffentlichkeit muß möglich sein.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Börner.
Würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß zumindest die öffentliche Diskussion mit den Akzenten, die Herr Bundesminister Mende gesetzt hat, zu dem Schluß verführen würde, daß die Bundesregierung in ihrer Politik keine einheitliche Auffassung zu dieser Frage hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das würde ich keineswegs tun. Die Auffassung der Bundesregierung als solche ist bekannt.
Herr Abgeordneter Wehner zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, wie sind die dieser Frage zugrundeliegenden Passagen der Rede des Herrn Bundesministers Dr. Mende, des Vorsitzenden der Freien Demokratischen Partei, im Lichte der weiteren Entwicklung der Nah-Ost-Krise und angesichts des Eingreifens des Herrn Bundeskanzlers persönlich Anfang März dieses Jahres mit den Folgeerscheinungen des Ganzen zu verstehen? Da Sie wahrscheinlich, weil Sie sagen, ,es handele sich um eine Rede eines Parteivorsitzenden, diese Rede hier nicht gleich parat haben, möchte ich darauf hinweisen, daß es um folgende Passagen geht:
Die Vorgänge bei der jüngsten Nah-Ost-Krise haben bewiesen, daß diese Doktrin
— von der hier die Rede ist —
zumindest heute kein geeignetes außenpolitisches Instrument mehr ist, um den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland zu wahren und die Wege zu einer friedlichen und freiheitlichen Lösung der deutschen Frage offenzuhalten. Wäre die Bundesregierung in den vergangenen Wochen
— das waren offenbar die vor dem Eingreifen des Herrn Bundeskanzlers —nicht der Auffassung der FDP gefolgt, sondern hätte sich scharfmacherischen Reden von Sozialdemokraten und dem Druck eines Teils der CDU gebeugt, stünde die Bundesrepublik heute vor der Gefahr, allmählich aus dem arabischen Raum hinausgedrängt zu werden, dann vielleicht auch noch Position um Position in Asien aufgeben zu müssen und damit Ulbricht einen billigen Triumph über das verhaßte Westdeutschland zu verschaffen.
Das sind die dieser Frage zugrundeliegenden Sätze aus der Rede des Herrn Ministers und Parteivorsitzenden. Ich möchte wissen, wie sie im Lichte der Ereignisse und der Entwicklung der Nah-Ost-Krise, einschließlich des Eingreifens des Herrn Bundeskanzlers und der Folgeerscheinungen, nun von Ihnen bewertet werden oder ob alles nur bloße Rhetorik ist.
Wir müssen die beschränkten Möglichkeiten einer Fragestellung bedenken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will gern darauf antworten, Herr Präsident. — Das zeigt, Herr Kollege Wehner, wie schwer es ist, eine politische Situation zu beurteilen, und wie schwer es war, die Entwicklung der sogenannten Nah-Ost-Krise richtig vorauszusagen. Das Problem um das es sich hier aber im engeren handelt, ist die Frage: Welche Folgerungen sind jeweils aus unserem Alleinvertretungsrecht zu ziehen? Die Frage stellt sich jetzt umgekehrt. Wir haben es jetzt damit zu tun, daß andere Staaten — ich möchte sagen, leider — die diplomatischen Beziehungen zu uns abgebrochen haben wegen eines Aktes, den wir gegenüber einem anderen Staat vorgenommen haben. Das ist ein Thema, mit dem sich damals der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen nicht beschäftigte.
Herr Abgeordneter Ritzel, eine Zusatzfrage.
Herr Bundesaußenminister, nach der vorangegangenen Debatte ist auf die Aufklärung und Information des deutschen Volkes großes Gewicht zu legen. Würden Sie bereit sein, dafür zu sorgen, daß an dem Tag, an dem einmal eine einheitliche Meinung über die Außenpolitik der Bundesregierung vorhanden sein sollte, die verfügbaren Mittel des Bundespresse- und Informationsamtes dazu verwendet werden, daß das Volk von dieser einheitlichen Meinung zur Außenpolitik der Bundesregierung Erhard etwas erfährt?
Metadaten/Kopzeile:
9164 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ritzel, ich bin der Auffassung, daß die Bundesregierung in der Tat, gestützt auf die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, eine einheitliche Außenpolitik hat. Daran ändert diese oder jene zur Diskussion gestellte These in meinen Augen nichts. Auch die Regierungsmitglieder müssen eine gewisse Freiheit der Meinungsäußerung behalten.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Würden Sie, Herr Außenminister, bereit sein, diese Feststellung, die Sie soeben getroffen haben, auch dem Herrn stellvertretenden Bundeskanzler mitzuteilen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der stellvertretende Bundeskanzler ist anwesend. Ich hoffe, er stimmt mit meinem Gedankengang überein.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Minister, Sie haben soeben in Ihren Ausführungen das Wort „leider" gebraucht. Sind Sie im Hinblick darauf, daß arabische Staaten die diplomatischen Beziehungen zu uns abgebrochen haben, nicht mit mir der Auffassung, daß die Ausführungen des Herrn Vizekanzlers Mende damit gerechtfertigt sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte nicht so weit gehen, in eine Beurteilung dieser Ausführungen einzutreten. Die Ausführungen gingen von einem etwas anderen Tatbestand aus. Deshalb kann man sie nicht ohne eine gewisse Gewaltanwendung auf diesen Tatbestand umsetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Minister, kann man nicht sagen, daß gewisse Bemühungen innerhalb der Bundesregierung vorhanden sind, um die in einem Brief des Herrn Bundeskanzlers vom Februar beispielsweise dem Präsidenten des Staates Tansania vorausgesagten Folgen des Schrittes der Errichtung eines Generalkonsulats in der Hauptstadt Tansanias — diese Dinge sind ja, so möchte ich sagen, eingeleitet worden — wieder rückgängig zu machen? Ist darin schon eine gewisse Folge der Erklärung des Herrn Vizekanzlers zu sehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie spielen auf die Maßnahmen an, die wir gegenüber dem Staat Tansania anläßlich der Errichtung eines Generalkonsulats der sogenannten DDR in Daressalam für richtig gehalten haben. Dort sind Maßnahmen ergriffen worden. Es gibt im übrigen jetzt noch keine ganz genaue Abgrenzung dieser Maßnahmen. Das erscheint mir auch nicht von
grundsätzlicher Bedeutung, sondern dabei handelt es sich nur um ein praktisches Problem. Unserem grundsätzlichen Anspruch ist dabei Rechnung getragen worden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß es eine zumindest nicht sehr vorteilhafte Politik wäre, von den in dem Brief des Herrn Bundeskanzlers angekündigten Maßnahmen abzuweichen, und daß das einen gewissen Schaden für diese Art von Politik hätte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ehrlich gesagt, Herr Kollege Kahn-Ackermann, habe ich den Brief nicht so ganz genau in Erinnerung. Wesentlich in dieser Sache ist, daß wir Maßnahmen angekündigt und Maßnahmen ergriffen haben. Ob man im Laufe der Zeit zu einer Modifizierung von Maßnahmen kommt, das ist eine praktische, aber keine grundsätzliche Frage.
Herr Abgeordneter Dr. Krümmer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie auch der Meinung, daß die Äußerungen des Vorsitzenden einer politischen Partei von der Gesamtsituation unserer außenpolitischen Interessen ausgehen müssen und daß sie dabei zu berücksichtigen haben, daß die Vielfalt eine Beweglichkeit in den politischen Mitteln erfordert, eine Beweglichkeit, wie sie in der ursprünglichen sogenannten HalisteinDoktrin ja dringelegen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es würde etwas zu weit führen, wenn ich diese Frage vollständig beantworten wollte. Ich möchte Ihnen aber eines sagen: Für nichts passen doktrinäre Sätze schlechter als für die auswärtige Politik.
Ich rufe die Frage VI/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer — auf :
Beabsichtigt die Bundesregierung, entsprechend den Vorschlägen des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen und Stellvertreters des Bundeskanzlers, „bald" volle diplomatische Beziehungen zu den ost- und südosteuropäischen Staaten aufzunehmen?
Zur Beantwortung der Herr Minister, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf diese Frage ist ziemlich kurz, Herr Präsident. Die Bundesregierung möchte von einer öffentlichen Erörterung dieses Themas im gegenwärtigen Augenblick absehen.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Minister, wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen bei -den nicht ge-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9165
Dr. Mommerbundenen Staaten, die eintreten würden, wenn die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen zu unseren östlichen, kommunistischen Nachbarstaaten aufnehmen würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Mommer, durch diese Frage wird in der Tat ein Problem aufgeworfen. Ich möchte auch dazu im derzeitigen Augenblick nicht gern öffentlich Stellung nehmen. Diese Folgen lassen sich nicht mit Sicherheit voraussehen. Deswegen bedarf gerade dieser Punkt einer sehr sorgfältigen Betrachtung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter zu Guttenberg.
Herr Minister, trifft es zu, daß die Bundesregierung bisher diplomatische Beziehungen zu den in Rede stehenden Staaten .deshalb nicht aufgenommen hat, weil die Regierungen dieser Staaten in Wort und Tat die Zwei-Deutschland-Politik der Sowjetunion unterstützt haben und weil durch eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen durch die Bundesrepublik in der Welt der Eindruck entstehen könnte, .als ob die Bundesregierung bereit sei, eine solche ZweiDeutschland-Politik ihrerseits hinzunehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zunächst zum zweiten Teil Ihrer Frage. Diese Folge ließe sich ja ausdrücklich ausschließen, genauso gut, wie sie gegenüber der Sowjetunion bei der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu ihr ausgeschlossen worden ist. Das Problem stellt sich ganz offensichtlich in einem etwas anderen Sinne als in den eingangs erörterten Fragen der Beziehungen von uns zu Staaten, die ihrerseits keine Beziehungen zu Pankow haben, also zu nichtkommunistischen Staaten, um das einmal ganz einfach auszudrücken. Ich würde hier nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß die von Ihnen befürchteten negativen Folgen, käme man zu einer solchen Aufnahmediplomatischer Beziehungen, eintreten würden, weil unser Alleinvertretungsanspruch auch gegenüber diesen Staaten immer eindeutig klargemacht worden ist.
Eine weitere Frage, Herr zu Guttenberg.
Glauben Sie, Herr Minister, daß diese von mir befürchtete Gefahr allein dadurch ausgeschlossen werden könnte, daß in einem solchen Fall eine einseitige Erklärung abgegeben wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun, Sie gehen davon aus, ob angenommen werden kann, daß wir durch solche Beziehungen einer Auffassung der anderen Seite zustimmen würden. Diese Gefahr läßt sich sicherlich durch einseitige Erklärungen von uns ausschließen.
Ich rufe dann die Frage VI/3 — des Herrn Abgeordneten Mattick — auf :
Beabsichtigt die Bundesregierung, nach den Worten des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen und Stellvertreters des Bundeskanzlers „im Auftrag der drei Westmächte und bei gleicher Haltung Moskaus gegenüber Ostberlin die Initiative zur Errichtung von gesamtdeutschen technischen Kommissionen in Berlin" zu ergreifen"?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Wehner übernommen. Bitte, Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Die Bundesregierung möchte dieses Thema zur Zeit nicht öffentlich diskutieren.
Herr Abgeordneter Wehner zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, nachdem diese Frage aber zum Gegenstand der sozusagen programmatischen Darlegungen einer der Regierungskoalition angehörenden Partei gemacht worden ist, muß ich Sie fragen, ob in der Tat das Memorandum der Bundesregierung vom — wie es hier heißt — 9. August 1963, mit dem ja dieser Vorschlag des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, des Stellvertreters des Bundeskanzlers und Vorsitzenden der FDP, belegt worden ist, eine solche Auslegung zuläßt, und ob es nicht gut wäre, den Bundestag mit dem Wortlaut dieses Memorandums vertraut zu machen, das er ja bis jetzt nicht kennt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Über dieses Memorandum vom August 1963 ist nach meiner Erinnerung in den zuständigen Ausschüssen ziemlich ausführlich gesprochen worden. Das Memorandum geht nicht von der Vorstellung aus, die hier in der Frage eine Rolle spielt.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Wehner.
. Ich habe in der Frageform nicht die Möglichkeit, Ihre Darstellungen zu bestreiten, wie es um die Information bestellt ist. Aber ich möchte Sie, Herr Bundesminister, fragen, ob denn Aussichten dafür bestehen, daß man bei einer solchen Auslegung vom Viermächtedach her einige Schritte im Sinne der Vorschläge, die da gemacht worden sind, weiterkommt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich befürchte — und das sage ich jetzt für mich und nicht für die Bundesregierung —, daß auf diesem Wege nicht weiterzukommen ist.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß es möglich sein muß, wichtige politische Fragen zu diskutieren, zu denen die Bundesregierung noch nicht Stellung nehmen will und Stellung nehmen kann?
Metadaten/Kopzeile:
9166 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich dachte, Herr Kollege Moersch, das vorhin schon als möglich bezeichnet zu haben.
Herr Abgeordneter Guttenberg zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, würden Sie mir darin zustimmen, daß mit der Einrichtung von gesamtdeutschen Kommissionen, die nicht unter einem klaren und präzisen Viermächteauftrag tätig würden, die Viermächteverantwortung in Frage gestellt werden könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie gesagt, ich möchte dies im gegenwärtigen Augenblick nicht gern weiter diskutieren. Daß die Bundesregierung einen anderen Vorschlag als diesen entwickelt hat, habe ich schon gesagt, und daß dieser Vorschlag auf Bedenken stößt, habe ich durchblicken lassen.
Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind solche Betrachtungen im Hinblick auf eine Weiterentwicklung der Hallstein-Doktrin nicht auch schon früher angestellt worden, beispielsweise im Herter-Plan?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich meine, bei dieser Frage der Kommissionen, Frau Kollegin, geht es darum, wie man zu solchen Kornmissionen kommen kann, ob man zu solchen Kornmissionen kommen kann, nachdem es eine Viermächteinstitution gibt, unter der sie sich entwickeln, oder ob es, wenn es nicht zu einer solchen offiziellen Viermächteinstitution kommt, möglich wäre, sozusagen ersatzweise in Übereinstimmung mit den Vier Mächten — zu etwas Ähnlichem zu kommen. Das ist die Problematik, die hier besteht. Ich möchte mich in dieser Frage nicht weiter festlegen, als ich es in meinen voraufgehenden Antworten getan habe.
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh.
Herr Minister, würden Sie es nicht begrüßen, wenn die zukünftige Entwicklung auch in breiteren Kreisen stärker diskutiert würde, als es bisher geschehen ist und wie es bereits durch den Herter-Plan eingeleitet wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, wenn ich die politische Situation und die politische Diskussion bei uns bewerten soll, bin ich eigentlich der Meinung, daß es keine wie immer gearteten Nuancen möglicher Deutschlandpolitik gibt oder geben könnte, die nicht bei uns öffentlich erörtert würden. Wir sind darin wirklich von einer außerordentlichen Liberalität.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, fürchten Sie nicht, daß die deutsche Position gegenüber den uneinigen drei Mächten noch schwächer wird, wenn drei wichtige Stellen der Bundesregierung, der gesamtdeutsche Minister, der Außenminister und der Kanzler, gegensätzliche Standpunkte in der Deutschlandfrage vertreten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Mommer, ich würde diesem Gedankengang so nicht folgen. Ich sehe, wie ich das soeben schon gesagt habe, in solchen Ausführungen, die den Vorschlag für eine Veränderung der Linie da und da machen, nichts weiter als den Ausfluß eines intensiven Bemühens darum, in der deutschen Frage weiterzukommen. Dabei mag man sich irren, dabei mag man andere nicht überzeugen können; aber ich weigere mich, von irgendetwas anderem auszugehen als vom guten Willen; und da, wo der gute Wille evident ist bei solchen Fragen, glaube ich nicht, daß daraus irgendein Schaden für die deutsche Sache entstehen kann.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, meinen Sie, daß es hier auf den — von niemand bestrittenen — guten Willen ankommt oder vielmehr darauf, daß wir die Möglichkeit vermeiden, daß die Gegner der Wiedervereinigung Deutschlands ,alle Gegensätzlichkeiten zwischen wichtigen Stellen, ob es sich um alliierte oder deutsche handelt, ausnutzen, um unsere Position zu schwächen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hier geht es doch ganz offensichtlich, Herr Kollege Mommer, nicht um wirklich grundsätzliche Veränderungen eines deutschen Standpunktes, sondern nur um die Frage, ob gewisse Randberührungen ohne Gefahr möglich sind. Das ist der Punkt, um den es hier geht; es geht nicht um die Frage einer grundlegenden Änderung der Deutschlandpolitik oder unserer Auffassung über die Voraussetzungen der Wiedervereinigung Deutschlands.
Herr Abgeordneter Dorn zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, gilt diese Auffassung, die Sie vorhin vertreten haben, nicht auch dann, wenn der Regierende Bürgermeister von Berlin in besonderem Auftrage, den er sich selbst gegeben hat, nach Amerika fährt und dort ohne Kenntnis der Bundesregierung Memoranden überreicht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dorn, wir haben diese Frage hier schon einmal behandelt. Ich gerate ungern in die Rolle von jemandem, der Zensuren erteilen soll,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9167
Bundesminister Dr. SchröderWir haben eine — ich habe es schon gesagt — sehr liberale Beurteilung politischer Aktivität, und wir freuen uns darüber, daß das bei uns möglich ist. Aber alle weiteren Schlußfolgerungen muß ich Ihnen selbst überlassen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Minister, darf ich dann darüber hinaus fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, da die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands lange Jahre von gesamtdeutschen Kommissionen in paritätischer Zusammensetzung zwischen Ost und West gesprochen haben und das auch in ihrem inzwischen begrabenen Deutschlandplan proklamiert haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich, Herr Kollege Dorn; diese Dokumente sind noch bekannt und sind für mich ein Beweis dafür, daß wir alle des Irrtums fähig sind.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die in der Frage des Abgeordneten Dr. Mommer offensichtlich kritisierte Meinungsfreiheit der Parteien und Parteitage in Wahrheit die deutsche Position stärkt und keinesfalls schwächen kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verzeihung: ob — —?
Ob die Meinungsfreiheit, die der Abgeordnete Dr. Mommer offensichtlich kritisiert hat, wenn sie bei Parteitagen und von Parteitagen ausgeübt wird, die deutsche Position eher stärken muß, als daß sie sie jemals schwächen könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin in der Tat der Überzeugung, daß Meinungsfreiheit eher eine Stärke unserer derzeitigen Position ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage VI/4 — des Herrn Abgeordneten Mattick —:
Wann hat der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen und Stellvertreter des Bundeskanzlers seine am 22. März d. J. in Frankfurt öffentlich geäußerten Auffassungen und Vorschläge über gesamtdeutsche technische Kommissionen, die Hallstein-Doktrin und die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den ost- und südosteuropäischen Staaten dem Kabinett vorgetragen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe diese Frage vorhin schon einmal in einer vorweggezogenen Zwischenfrage beantwortet. Die Kabinettssitzungen sind vertraulich, und ich kann daher zu meinem Bedauern Ihre Frage nicht beantworten.
Herr Abgeordneter Wehner zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, es berührt doch wohl nicht die Vertraulichkeit der Sitzungen im einzelnen und insgesamt, wenn zu einer so eminent politischen Frage gewünscht wird, daß festgestellt wird, ob sie nun oder ob sie überhaupt nicht das Kabinett beschäftigt hat. Das wollten wir doch mit unserer Frage wissen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Wehner, es gibt auch für den berechtigten Wissensdurst gewisse Grenzen an Geschäftsordnung und dergleichen, und auf diese möchte ich mich einmal berufen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner.
Wenn Herr Dr. Mende als Mitglied des Kabinetts also — annehmbar — im Kabinett die Frage nicht gestellt haben sollte: ist ein solcher Komplex wie der hier berührte nicht Anlaß für die Regierung oder den Chef der Regierung, dem Stellvertreter des Chefs der Regierung Gelegenheit zur Darlegung seiner Vorstellungen, die er öffentlich gemacht hat, zu geben, oder sind das alles in der Verfahrensweise des Kabinetts lediglich rhetorische Angelegenheiten zum Gebrauch vor der Offentlichkeit?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Wehner, über diesen gesamten Fragenkomplex gibt es, wie Sie sich auch ohne meine Antwort vorstellen können, eine dauernde Diskussion, ohne daß sich diese dauernde Diskussion ständig in den strengen Formen der Geschäftsordnung abspielt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zoglmann.
Herr Bundesminister, würden Sie bestätigen, daß der Gegenstand dieser Diskussion Inhalt verschiedener Memoranden war, die der Koalitionspartner dem Bundeskanzler unterbreitet hat, und daß diese Memoranden auch wiederholt im Rahmen der Koalition besprochen worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe gerade gesagt, es gibt eine dauernde Diskussion dieser Frage ohne Bindung an bestimmte geschäftsordnungsmäßige Regeln.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage.
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9168 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Herr Außenminister, hat sich die Bundesregierung mit den Darlegungen und Vorschlägen des Herrn Stellvertreters des Bundeskanzlers vor oder nach dem 22. März im Kabinett beschäftigt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ritzel, ich muß mich auf das beziehen, was ich vorhin gesagt habe. Ich bedauere, über Einzelheiten der Kabinettserörterungen keine Auskunft geben zu können. Dazu gehören auch die Daten der Erörterungen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel.
Herr Minister, ist daraus zu schließen, daß auch der Termin einer Beratung oder Nichtberatung als geheim zu bezeichnen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich würde nicht gerade sagen: als geheim. Ich habe wohl den Ausdruck „vertraulich" gebraucht. Aber sie werden Verständnis dafür haben, daß die Erörterungen innerhalb eines Kabinetts nicht öffentlich in aller Breite dargelegt werden können.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind die Ausführungen, die Herr Staatssekretär von Hase in der Woche nach dem 22. März auf die Frage, die hier gestellt ist, gemacht hat, zutreffend oder nicht zutreffend? Ich darf in Ihre Erinnerung rufen, daß er auf die Frage, ob der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers diese Vorschläge im Kabinett gemacht hat, geantwortet hat, davon sei bislang nichts bekannt. Waren diese Ausführungen richtig?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann hier nicht Erklärungen des Staatssekretärs von Hase kommentieren, bestätigen oder in Frage stellen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Minister, nach Ihren Erklärungen über Vertraulichkeit muß ich Sie fragen: Hat dann Herr Staatssekretär von Hase diese Vertraulichkeit gebrochen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin nicht in der Lage, seine Erklärungen zu kommentieren.
Ich rufe dann die Frage IV/5 — der Abgeordneten Frau Dr. Kiep-Altenloh — auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß der Vier-MächteStatus auch für den sowjetisch besetzten Sektor von Berlin streng gewahrt werden muß?
Bitte, Herr Minister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf diese Frage lautet: Ja. Die Viermächtevereinbarungen aus den Jahren 1944 und 1945, die den Viermächtestatus Berlins festgelegt haben, gelten für ganz Berlin. Hieraus folgt die Verpflichtung der Sowjetunion, auch im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin den Viermächtestatus zu wahren.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Dr. Kiep-Altenloh!
Herr Minister, sind Sie der Ansicht, daß die Paraden der Volksarmee in Ostberlin mit diesem Viermächtestatus vereinbar sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich nicht, Frau Kollegin. Das wollte ich in der Antwort auf Ihre nächste Frage — wenn Sie erlauben, Herr Präsident — darlegen.
Ich rufe dann die Frage IV/6 — ebenfalls der Abgeordneten Frau Dr. Kiep-Altenloh — auf:
Welche anhaltenden Verletzungen des Vier-Mächte-Status für Ostberlin sind bekanntgeworden?
Bitte Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sowjetunion hat unter Mißachtung ihrer Verpflichtungen aus den Viermächtevereinbarungen versucht, Ostberlin weitgehend zu einem Teil der SBZ zu machen. Sie hat den Viermächtestatus für Ostberlin insbesondere verletzt, indem sie in zahlreichen Einzelmaßnahmen die Arbeit der Viermächteorgane unmöglich machte — ich erwähne hier u. a. das Ausscheiden des sowjetischen Stadtkommandanten aus der Alliierten Kommandantur am 16. Juni 1948 und die Auflösung der sowjetischen Kommandantur am 22. August 1962 —, Ostberlin der kommunistischen Herrschaft in der SBZ unterstellte, die sogar militärische Veranstaltungen im Sowjetsektor, wie diese Maiparaden, abhielt, und schließlich den Sowjetsektor vom übrigen Berlin abriegelte.
Eine weitere Frage, Frau Dr. Kiep-Altenloh.
Sind Sie, Herr Bundesminister, nicht der Ansicht, daß sich diese dauernden Verletzungen des Vier-Mächte-Status in Ostberlin auch auf Berlin als die zukünftige Hauptstadt des gesamten Deutschlands nachteilig auswirken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sicherlich haben solche Verletzungen eine nachteilige Auswirkung. Vielleicht erlauben Sie mir, Herr Präsident, das in der Antwort auf die Frage 7 noch etwas dahin zu erläutern, was die Verbündeten der Bundesrepublik getan haben, um solche Verletzungen rückgängig zu machen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9169
Dann rufe ich auf Frage VI/7 — der Frau Abgeordneten Kiep-Altenloh —:
Was haben die Verbündeten der Bundesrepublik getan, um anhaltende Verletzungen des Vier-Mächte-Status von Berlin rückgängig zu machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unsere Verbündeten haben gegenüber diesen Verletzungen dies Vier-Mächte-Status wiederholt folgende Maßnahmen ergriffen.
Sie haben scharfe Proteste eingelegt, zuletzt am 8. Mai 1965 gegen die Parade der sowjetzonalen Streitkräfte zusammen mit Einheiten der sowjetischen Armee.
Sie haben ausdrücklich festgestellt, daß einseitige Schritte der Sowjetunion weder die alliierten Rechte beseitigen noch die sowjetische Verantwortung für die Aufrechterhaltung dies Vier-Mächte-Status mindern können.
Sie haben die Arbeit der alliierten Kommandantur auch nach Ausscheiden der Sowjets weitergeführt und den Vier-Mächte-Status soweit wie möglich aufrechterhalten;
Sie haben das Recht der Alliierten auf freie Bewegung zu Lande und in der Luft in ganz Berlin aufrechterhalten.
Eine weitere Frage, Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh.
Ist die Bundesregierung bei den Alliierten bei solchen Verletzungen vorstellig geworden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es versteht sich, Frau Kollegin, daß wir bei solchen Verletzungen immer vorstellig werden. Das trifft aber in aller Regel bereits mit einem eigenen Aktivwerden unserer Verbündeten zusammen.
Ich rufe auf die Fragen VI/8, VI/9 und VI/10 — des Herrn Abgeordneten Moersch —:
Entspricht es den Tatsachen, daß die kulturellen Beziehungen der Bundesrepublik zu Brasilien, insbesondere die Arbeit der Goethe-Institute und anderer deutscher Einrichtungen, deshalb erheblich beeinträchtigt sind, weil z. B. im Deutsch-Unterricht zusätzliche Staatsexamen notwendig werden, die wegfallen würden, sobald ein Kulturabkommen zwischen beiden Ländern unterzeichnet wäre?
Ist es richtig, daß die Verhandlungen über den Abschluß eines Kulturabkommens mit Brasilien bereits 1961 aufgenommen worden sind, Brasilien 1962 anläßlich des Besuchs seines Außenministers in Bonn und im November 1963 anläßlich des Besuchs seines Ministers für Handel und Industrie zur Unterzeichnung eines solchen Kulturabkommens bereit war?
Welche Maßnahmen sind von Seiten der Bundesregierung noch notwendig zum Abschluß des Kulturabkommens mit Brasilien?
Die Fragen können wohl zusammen beantwortet werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort auf diese Fragen lautet wie folgt.
Art. 9 des Abkommensentwurfes sieht die Anerkennung von Befähigungszeugnissen der GoetheInstitute zum Deutschunterricht an brasilianischen höheren Schulen sowie die Einrichtung von deutschen Privatschulen nach deutschem Lehrplan vor. Er lautet folgendermaßen:
Jede Vertragspartei wird bestrebt sein, die Zulassung von Studierenden, die die Staatsangehörigkeit der anderen Vertragspartei besitzen, zu ihren Bildungsanstalten nach Maßgabe der in jedem Lande geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu ermöglichen. In dieser Hinsicht wird jede Vertragspartei die etwaigen Möglichkeiten und Voraussetzungen für die gegenseitige Anerkennung von akademischen Graden, Diplomen und Hochschulzeugnissen zur Feststellung ihrer Gleichwertigkeit prüfen.
Zeugnisse des Goethe-Instituts in München über die Befähigung zur Erteilung deutschen Sprachunterrichts berechtigen deren Inhaber auch zur Erteilung des deutschen Sprachunterrichts an brasilianischen Lehranstalten. Die von den Philosophischen Fakultäten Brasiliens ausgestellten Zeugnisse über die erworbene Lizentiatur in Geisteswissenschaften berechtigen deren Inhaber auch zur Erteilung portugiesischen Sprachunterrichts an Lehranstalten der Bundesrepublik Deutschland.
Der Nichtabschluß des deutsch-brasilianischen Kulturabkommens beeinträchtigt die Arbeit des GoetheInstituts nicht. Die Wirkungsmöglichkeiten des Goethe-Instituts und die Verbreitung der deutschen Sprache in Brasilien werden jedoch erhöht, wenn die Absolventen des Goethe-Instituts berechtigt sein werden, Deutschunterricht an brasilianischen höheren Schulen zu erteilen.
Zu Frage 9: Die Verhandlungen über den Abschluß eines deutschbrasilianischen Kulturabkommens sind bereits vor dem Jahre 1961 aufgenommen worden. Außenminister San Tiago Dantas hat während seines Besuches in Bonn am 18. und 19. Mai 1962 Interesse am Fortgang der Verhandlungen bekundet. Von einer Unterzeichnung des Abkommens ist jedoch keine Rede gewesen, da sich beide Verhandlungspartner darüber im klaren waren, daß das Abkommen so bald nicht unterzeichnungsreif sein würde. Das gleiche gilt für den Besuch des brasilianischen Ministers für Handel und Industrie Michaelsen im November 1963.
Schließlich zu den Maßnahmen, die noch nötig sind: Der auf den neuesten Stand gebrachte Vertragsentwurf des Deutsch-Brasilianischen Kulturabkommens liegt zur Zeit der Ständigen Vertragskommission der Länder vor, die damit beschäftigt ist, gewisse Änderungen und Gegenvorschläge des Auswärtigen Amts zu prüfen. Die Vorschläge müssen dann dem brasilianischen Verhandlungspartner unterbreitet werden. Werden sie angenommen, so steht einem Abschluß des Kulturabkommens nichts mehr im Wege.
Ich danke Ihnen, Herr Minister. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten werden schriftlich beantwortet.
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9170 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Vizepräsident Dr. DehlerIch rufe auf den Tagesordnungspunkt 2.a) Große Anfrage der Fraktion der FDPbetr. Lage der Veredelungswirtschaft in derBundesrepublik und in der EuropäischenWirtschaftsgemeinschaft
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes (Drucksache IV/3209)c) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Marktstrukturfonds für die Land- und Ernährungswirtschaft Marktstrukturfondsgesetz)
d) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über staatliche Förderungen bei der Überleitung der deutschen Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt der EWG (Drucksache IV/3245)e) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines EWG-Anpassungsgesetzes
f) Erste Beratung des von den Abgeordneten Bauknecht, Dr. Schmidt , Dr. Effertz und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Saatgutgesetzes (Drucksache IV/3370)g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksache VI/3376)h) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rates über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Zucker (Drucksachen VI/2118, IV/3369)Berichterstatter: Abgeordneter Bewerunge.i) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette (Drucksachen IV/2826, IV/ 3355),Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frey .Ferner die beiden Zusatzpunktej) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige forstwirtschaftliche Tätigkeiten und eine Änderung des Allgemeinen Programms des Rats zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit (Drucksachen IV/3316, IV/3385),Berichterstatter: Abgeordneter Balkenhol.k) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats über Maßnahmen gegen die Einschleppung von Schadorganismen der Pflanzen in die Mitgliedstaaten (Drucksachen IV/3288, IV/3395),Berichterstatter: Abgeordneter Ertl.Wir werden so verfahren, daß zunächst die Große Anfrage begründet und beantwortet wird und sodann die Debatte insgesamt über alle aufgerufenen Punkte stattfindet.Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der FDP-Fraktion zur Lage in der Veredelungswirtschaft ist bedingt durch die EWG Beschlüsse zur Getreidepreisharmonisierung und der damit verbundenen Senkung der deutschen Getreidepreise. Mit diesen Beschlüssen vom 15. 12. 1964 erfolgte eine neue Weichenstellung in der deutschen Agrarpolitik mit entscheidenden Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Praxis, die in meiner Begründung einen besonderen Raum einnehmen sollen.Nach Auffassung meiner politischen Freunde sind konkrete Aussagen der Regierung zu den gestellten Fragen und damit zur künftigen Ausrichtung unserer landwirtschaftlichen Erzeugung erforderlich. Die EWG-Beschlüsse zur Angleichung der Getreidepreise, die Auswirkungen der deutschen Getreidepreissenkung wurden in den letzten Monaten viel diskutiert. Weniger stark beachtet wurden dagegen die Auswirkungen dieser EWG-Entscheidungen auf die Veredelungswirtschaft bei uns und in den Partnerländern. Bei diesen Auswirkungen handelt es sich erstens um direkte Auswirkungen durch Abschaffung der innergemeinschaftlichen Abschöpfung für Eier, Geflügel und Schweinefleisch und des innergemeinschaftlichen Einschleusungspreises statt 1970 schon zum 1. 7. 1967 und zweitens um die indirekten Auswirkungen der Getreidepreissenkung auf
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Logemanndie Erzeugerpreise solcher Veredelungsprodukte, die auf Getreidebasis erzeugt werden.Bisher wurde der Landwirtschalft immer wieder -besonders von wissenschaftlicher Seite, aus nichtlandwirtschaftlichen Kreisen und von einzelnen Abgeordneten der linken Seite des Hauses — empfohlen, bei der Senkung der Getreidepreise die dann günstigeren Chancen in der Veredelungswirtschaft zu nutzen. Wir haben diesen Rat seit Jahren abgelehnt und halten ihn nach genauer Prüfung der Dezember Beschlüsse von 1964 für bedenklicher denn je. Inzwischen sind auch die Verfechter der These „mehr Veredelung" vorsichtiger geworden und erkennen die Gefahr der Überproduktion, vor der wir seit langem warnen.Nun zur Bedeutung der Veredelungswirtschaft. Nach dem letzten Grünen Bericht entfielen im Wirtschaftsjahr 1963/64 rund 76% der Barerlöse der deutschen Landwirtschaft auf den tierischen Bereich der Veredelung und 23,6 % auf pflanzliche Erzeugnisse. Die Landwirtschaft der Bundesrepublik hat gegenüber anderen EWG-Partnern die höchsten Einnahmen aus der Veredelung. In Frankreich beträgt der Anteil des tierischen Sektors an den Barerlösen rund 58% und in den Niederlanden 64%. Dieser Zahlenvergleich zeigt die besondere Bedeutung der Veredelung bei den deutschen landwirtschaftlichen Einnahmen und in der EWG. Dabei ist die Bedarfsentwicklung für diese Erzeugnisse in der Zukunft günstig zu beurteilen. Optimisten schätzen, daß die Nachfrage nach hochwertigen, eiweißreichen Nahrungsmitteln in der EWG in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch um 20% ansteigen wird. Entscheidend für die Landwirtschaft ist, wo dieser Bedarf erzeugt wird. In der Bundesrepublik besteht nochals einzigem EWG-Land — eine Nahrungslücke von reichlich 30%. Die FDP hat dazu immer deutlich die Auffassung vertreten, daß sie zur Sicherung der Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrung agrarpolitische Maßnahmen für berechtigt hält, die einen hohen Anteil der Eigenerzeugung am Nahrungsbedarf gewährleisten. Unser Leitgedanke dabei: „Agrarpolitik ist Ernährungssicherungspolitik" gilt auch für die Versorgung mit Gütern der Veredelungswirtschaft im Gemeinsamen Markt.
Hinzu kommt das Problem einer gerechten Verteilung der Ausgleichsbeträge. Es erscheint mir besonders für die künftige Ausrichtung der Veredekung von Bedeutung. Die FDP ist (der Auffassung, daß die Ausgleichsbeträge individuell an diejenigen Betriebe zu zahlen sind, die durch die Getreidepreissenkung getroffen werden. Getroffen sind in erster Linie — ich glaube, darüber sind wir uns einig — die Getreide- und Kartoffelflächen. Wir möchten mit den Ausgleichsmitteln die Rentabilität des Getreidebaues und idamit der Bodenproduktion trotz der beschlossenen Preissenkung erhalten. Es liegt uns daran, zu verhindern, daß Getreide anbauende Betriebe durch Verlust der Rentabilität gezwungen werden, in die Veredelungswirtschaft auszuweichen. Daß die dem Getreidebetrieb entstehenden Verluste aus eigener Kraft nicht auszugleichen sind, zeigt folgende Betriebskalkulation.Durchgerechnet wurde ein Betrieb mit 70er Boden und optimaler Betriebsorganisation in Süd-Hannover. Bei Senkung des Getreidepreises um 15%, der Futtermittelpreise um 10 % und bei einer Steigerung der Löhne um 20 % bis zum Jahre 1970, sinkt in diesem Betrieb der Reinertrag um 100 DM je Hektar. Diese Berechnungen wurden besonders sorgfältig durchgeführt, das darf ich hinzufügen, und zwar mit Hilfe von Elektronenrechner und mit Hilfe der Universität in Göttingen. Dieses Ergebnis entspricht in etwa den Aussagen von Professor Woermann, Göttingen, der davon ausgeht, daß das deutsche Agrarpreisniveau bis 1970 um 7 bis 8 % niedriger sein wird und die Löhne bis 1970 um 20 % steigen werden. Deshalb ist esentscheidend, hier die Frage zu beantworten: welche Pläne bestehen für den Ausgleich der Einkommensverluste bei Getreide? Ich wäre dankbar, wenn die Bundesregierung heute auch dazu schon etwas sagen könnte. Die Beantwortung dieser Frage entscheidet mit das Schicksal der bäuerlichen Veredelungswirtschaft.Damit komme ich zum zweiten Grundpfeiler: der Sicherung der Rentabilität der Veredelungswirtschaft. Die bisher in Kraft befindlichen EWG-Marktordnungen für Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch sind — das zeigen die Erfahrungen — preislich unverbindlich. Abgesehen von der Präferenz gegenüber Drittländern, entwickeln sich die Preise aus dem Markt. Sie belasten den Erzeuger, der in der Veredelungswirtschaft gezwungen ist, mit hohem Kapitaleinsatz zu arbeiten, mit einem großen
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LogemannRentabilitätsrisiko. Wie groß dieses Risiko ist, zeigt seit einigen Monaten die ernste Situation der deutschen Geflügelmäster.Vorausberechnungen der Auswirkungen der Marktordnung sind schwierig, da die theoretisch zu errechnenden Preise dadurch in Frage gestellt sind, daß sie durch Angebot und Nachfrage außer Kraft gesetzt werden. Trotzdem ist die bei Berechnungen erkennbare Preistendenz in der Veredelungswirtschaft besorgniserregender als bei Getreide.Als Beispiel von Betriebsdurchrechnungen auf Grund der Marktordnungen: 1. Getreidebetrieb von 50 ha LN mit wenig Veredelung errechnet einen Verlust bei Inkrafttreten der EWG-Marktordnungen bis 1970 von 216 DM ja ha LN. Ein bäuerlicher Veredelungsbetrieb von 20 ha LN mit starker Veredelung kommt auf einen Verlust von 278 DM je ha LN.Alle Betriebsberechnungen, die zur Zeit vorliegen, stellen Verluste durch die EWG-Beschlüsse in einer Größenordnung zwischen 100 bis über 300 DM je ha LN feist. Diese Berechnungen machen deutlich, daß die deutsche Landwirtschaft auch bei größter Anstrengung die durch die EWG-Entscheidung eingeleitete Erzeugerpreisentwicklung nicht ohne Ausgleichszahlung verkraften kann. Sie zeigen aber auch, daß eine stärkere Veredelung keinen Ausgleich bringt. Deshalb sollte man nach unserer Auffassung den Getreide anbauenden Betrieb nicht erst hineindrängen.Zur Klärung dieser Situation für die Agrarpolitik und die Praxis hat meine Fraktion der Bundesregierung neun Fragen zur Beantwortung vorgelegt, die ich nachfolgend begründe.Mit der Frage 1 erbitten wir von der Bundesregierung ihre Auffassung zu den Auswirkungen der erwähnten Beschlüsse in den Partnerländern. Wir befürchten, daß durch die Senkung der Futtergetreidepreise in den betroffenen Partnerländern ein Sturm auf die Veredelungswirtschaft entfacht wird und es so schnell zu einer Überproduktion kommt. Für die deutschen Erzeuger entsteht zunächst der Vorteil, mit anderen Partnerländern zu gleichen Futtergetreidepreisen produzieren zu können. Dieser Vorteil wird auch bei uns, besonders im gewerblichen Bereich, einen Trend zur Mehrerzeugung auslösen. Als Nachteile bleiben die schon erwähnte vorzeitige Abschöpfungsbeseitigung und Abschaffung des inneren Einschleusungspreises. So entstehen uns folgende Gefahrenmomente: 1. schon kurzfristig ein verstärkter Angebotsdruck, vor allem aus Drittländern. 2. Der Bedarf der Bundesrepublik wird auch in Partnerländern Anreiz zur Mehrerzeugung sein. 3. Dazu kommen Angebotsvorteile in Partnerländern durch Markt- und Absatzorganisationen und Marktfonds. Wir legen Wert darauf, dazu die Vorstellungen der Bundesregierung zu hören.Mit der Frage 2 und 3 erwarten wir Antwort auf die für Erzeuger und Verbraucher wichtige Frage der Auswirkung der Beschlüsse auf die Erzeuger-und Verbraucherpreise; dazu zunächst ein Hinweis zu den Erzeugerpreisen. Bei den Erzeugern von Veredelungsprodukten gilt aus der Erfahrung die Regel, daß die Preise für Veredelungserzeugnisse den Preisen für Futtergetreide folgen. Eine Ausnahme bilden dabei zyklische Preisbewegungen, wie sie aus dem Auf und Ab der Schweinepreise bekannt sind. So ist damit zu rechnen, daß die Senkung der Getreidepreise auch zu niedrigen Preisen für Schweine, Eier und Geflügel führt. Trotzdem kann Staatssekretär Hütteibräuker recht behalten, der kürzlich erklärte, wegen erhöhter Nachfrage komme wahrscheinlich eine Preissenkung nicht zur Auswirkung.Der Marktwirtschaftler Dr. Bröckenhoff rechnet bei einem um 5 DM niedrigeren Futtergetreidepreis bei der Erzeugung eines 100 kg schweren Schlachtschweines mit 20 DM niedrigeren Futterkosten, von denen aber durch einen Rückgang der Veredelungspreise nur 5 DM verbleiben sollen. Andere Marktexperten beziffern, wie es auch aus den angeführten Beispielsrechnungen hervorgeht, die Verluste bei den Preisen für Veredelungserzeugnisse insgesamt höher als bei Getreide. Zur Klärung dieser unterschiedlichen Aussagen könnten konkrete Äußerungen der Bundesregierung, um die wir besonders bei dieser Frage bitten, beitragen.Zur Entwicklung der Verbraucherpreise! In der EWG ist die Bundesrepublik bekanntlich bei den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen mit geringen Ausnahmen „Hochpreisland". Trotzdem zeigen die Vergleiche bei Verbraucherpreisen, daß die Bundesrepublik — wiederum mit Ausnahmen — bei gleicher Qualität nicht ungünstig versorgt wird. Gegenüber Frankreich erscheinen die Vermarktungskosten bei uns relativ niedrig. Wir haben deshalb allen Grund, darauf zu achten, daß wir mit der Steuerharmonisierung, z. B. mit der Mehrwertsteuer oder mit der Einführung von Markt- und Absatzorganisationen, wie sie in Frankreich vorhanden sind, nicht die hohe französische Spanne zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen in die Bundesrepublik importieren. Mit Sorge stellen wir fest, daß, wie in allen Industrieländern, auch bei uns der Abstand zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen laufend größer wird. Die Regierung sollte mit einer entsprechenden Aufklärung der Bevölkerung bemüht sein, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Schon jetzt läßt sich voraussagen, daß bei vollständiger Herstellung des Gemeinsamen Marktes der deutsche Erzeuger niedrigere Erzeugerpreise erhält, der Verbraucher wahrscheinlich mehr zahlt, und das alles trotz höherer Ausgleichsbeträge und damit höherer Belastungen der deutschen Steuerzahler!Zur Frage 4: zur Anpassung der Veredelungsproduktion an den Bedarf! Wir fürchten, wie schon erwähnt wurde, daß die Getreidepreissenkung zu einer übersteigerten Veredelungsproduktion führt. Mein Kollege Dr. Starke weist seit Jahren auf diese Gefahr hin und auf die Tatsache, daß Überschüsse an Veredelungsprodukten viel gefährlicher sind als solche bei Getreide.
Sie verursachen hohe Vorratskosten und sind geeignet, wie wir es aus den Erfahrungen mit den französischen Überschüssen an Geflügelfleisch kennen, die Märkte der Partnerländer völlig durchein-
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Logemannanderzubringen. Aus diesen Gründen schlägt die FDP bei den einzelnen Erzeugnissen Vereinbarungen über nationale und regionale Produktionsziele und deren Koordinierung durch EWG-Gremien vor. Wir fragen dazu die Bundesregierung: Wie denkt sich die Bundesregierung die Anpassung der Erzeugung an den Bedarf, und welche Möglichkeiten sieht sie zur Steuerung der Erzeugung unter Berücksichtigung unserer gegebenen nationalen Marktchancen?Mit der Frage 5 fragen wir nach den Vorstellungen der Bundesregierung zur Finanzierung etwaiger Überschüsse und zu dem Problem einer gerechten Lastenverteilung. Ich möchte mich dazu nur kurz fassen. Nach den Ausführungen des französischen Staatspräsidenten in den letzten Wochen dringt Frankreich auf weitere Vergünstigungen. Dabei begünstigt — das möchte ich jetzt aus der Entwicklung heraus feststellen — der EWG-Agrarfonds schon eindeutig unseren französischen Nachbarn. Als Beispiel: Für die ersten drei Jahre gemeinsamer Marktpolitik zahlte Frankreich an Beiträgen 350 Millionen und erhielt an Leistungen 780 Millionen zurück. Die Niederlande zahlten an Beiträgen 130 Millionen und bekamen 164 Millionen zurück. Die Bundesrepublik zahlte an Beiträgen 380 Millionen und erhielt zurück ganze 42 Millionen. Der EWG-Agrarfonds wird — das zeigt die Entwicklung — für uns zum größten Verlustgeschäft.Nun konnten wir kürzlich mit Genugtuung lesen, daß sich Minister Schwarz in einer Rede mit Entschiedenheit gegen weitere Vorleistungen der Bundesrepublik in der EWG aussprach, eine Auffassung, die meine Fraktion seit Jahren zur EWG-Politik vertritt, die leider aber bei wichtigen Entscheidungen nicht berücksichtigt wurde.Unter Punkt 6 unserer Anfrage fragen wir nach Maßnahmen, welche die in der Veredelungswirtschaft gegebenen Möglichkeiten der bäuerlichen Familienbetriebe verwirklichen könnten. Ich komme damit zu einer Hauptforderung der Freien Demokraten, nämlich der zur Veredelungswirtschaft. Hier macht die EWG-Entwicklung jetzt eine Entscheidung darüber notwendig, ob die Chancen den bäuerlichen Familienbetrieben oder Veredelungsfabriken ohne „Ar und Halm" zugute kommen solsen. Die Bundesregierung nimmt, wenn ich an ihre Stellungnahme dazu im letzten Grünen Bericht erinnern darf, das Problem nicht ernst genug. Das zeigt auch die Tatsache, daß auf Anträge .der FDP und später der CSU zum gleichen Problem, die seit einem Jahr vorliegen, die Bundesregierung noch in keiner Weise reagiert hat. Das gleiche gilt für den Antrag des Ernährungsausschusses vom 24. Februar 1965.Die Gefahr der Verlagerung der Produktion in der Veredelungswirtschaft von den bäuerlichen Betrieben zu gewerblichen Großhaltungen besteht in allen EWG-Ländern. In der Bundesrepublik — um Beispiele zu nennen — ist eine Textilfabrik dabei, eine Legehennenhaltung mit zunächst 100 000 Hennen einzurichten; später sollen 200 000 Hennen gehalten werden. Aus Holland wird die Errichtung eines Schweinezuchtbetriebes mit 2000 Zuchtsauen gemeldet. Diese Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Von den Partnerländern hat bisher nur Frankreich mit einer Lizenzierung dieser Entwicklung einen Riegel vorgeschoben. Die Bundesregierung sollte, bevor es zu spät ist, schnellstens in Brüssel die Lizenzierung für alle Partnerländer verlangen. Ich hoffe, daß die Bundesregierung vor allem zu dem heute schon erwähnten Antrag des Ernährungsausschusses Stellung nimmt, der die Bundesregierung unter b ersucht, sich für eine Lizenzierung der bodenunabhängigen Veredelungsunternehmungen einzusetzen.Zu dieser Lizenz, die in letzter Zeit mehr und mehr von allen Berufsorganisationen in allen Partnerländern verlangt wird, muß nach unserer Meinung noch eine entsprechende steuerliche Vergünstigung der Viehhaltung zugunsten der kleineren Betriebe kommen. Wir sind sehr erfreut darüber, daß gestern der Ernährungsausschuß einstimmig eine Staffelung der Tierhaltung beschlossen hat, die kleinen Betrieben endlich ganz besondere Chancen einräumt. Wir sehen in diesen Manahmen die wirksamsten Mittel zur Förderung der bäuerlichen Veredelungswirtschaft und zur Verhütung der Überproduktion. Diese Gefahr — das sei nochmals ausdrücklich festgestellt — kommt nicht aus der Landwirtschaft, sondern aus den industriellen gewerblichen Haltungen.Die Entwicklung zu Großhaltungen ist bei Rindvieh so lange nicht bedenklich, als die Kühe noch am Sonnabend und am Sonntag gemolken werden müssen. Gefährlicher ist sie bei Schweinen, erst recht in der Geflügelmast und in der Legehennenhaltung.Wir bejahen — ich sage das, um nicht falsch verstanden zu werden — durchaus Entwicklungen zu rationellen Erzeugungsmethoden und zu einer gewissen Spezialisierung der Arbeit auf den Höfen. Wir wissen, daß wir beides dem Verbraucher schuldig sind, um ihn preisgünstig mit Nahrungsmitteln beliefern zu können. Wir streben bei unseren Forderungen keine Zwerghaltungen an. Wenn wir eine Bevorzugung der bäuerlichen Geflügel- und Schweinehaltung verlangen, so geht es uns darum, landwirtschaftlichen Betrieben, die über wenig landwirtschaftliche Nutzfläche verfügen, also den kleineren Betrieben, Möglichkeiten der inneren Betriebsaufstockung zu geben, um dadurch die Vollbeschäftigung nicht ausgelasteter Arbeitskräfte zu erreichen. Da kleinere Betriebe auf Spezialgebieten der Veredelung nicht teurer produzieren als größere Wirtschaften, ist diese Forderung durchaus berechtigt. Allerdings ist es notwendig, durch gute Marktorganisation kleinere Angebotsmengen zusammenzufassen und entsprechend den Marktansprüchen qualitätsmäßig herzurichten. Die Bundesregierung sollte hierzu sagen, welchen Weg sie der Landwirtschaft empfiehlt.Dazu abschließend eine Bitte: Zwingen Sie uns nicht zu Tierhaltungen auf den Höfen, die nur nach Tausenden berechnet sind. Ich frage: Soll der deutsche Bauer, sollen die Landwirte in der EWG Methoden amerikanischer Eierfabriken nachahmen und zur Käfig- und Batteriehaltung von Legehennen in großem Stile übergehen? Meine Damen und
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LogemannHerren, das wäre technisch auch für die deutschen Bauern durchaus kein Problem. Aber, bitte, denken wir dabei auch an unsere Tiere! Was ich jetzt sage, soll durchaus kein Vorwurf gegen irgendeinen Geflügelzuchtbetrieb sein, den ich gleich mit seinem Rat erwähnen werde, sondern ich möchte damit nur aufzeigen, wie sehr wir an sich schon in eine Entwicklung hineingedrängt werden und wie bedenklich die Folgerungen aus einer solchen Entwicklung sein können.In einem Prospekt eines deutschen Geflügelzuchtbetriebes fand ich vor einigen Tagen den Rat, für Käfighennen, also für Tiere, die in Batteriehaltungen legen sollen, nur Hennen zu verwenden, denen im Kükenalter, damit sie sich den Kamm nicht blutig scheuern, der Kamm abgeschnitten sei. Um ein gegenseitiges Auffressen in den Käfigen zu verhindern, müsse auch der Schnabel gekürzt werden; und um eine Vereiterung der Zehen zu vermeiden, seien die Zehennägel zu entfernen! Da fragt man sich doch wohl zu recht: Was bleibt dann noch vom Tier? Wird eines Tages nicht wieder mit gutem Recht vom deutschen Bauern verlangt werden „Zurück zur Natur" ?! Das Problem der Verlagerung der Eiererzeugung in gewerbliche Betriebe und die Gefahr einer Überproduktion durch Eierfabriken wäre gelöst, wenn in der EWG solche Methoden der Tierhaltung verhindert würden. Für die Verbraucher und für die Tiere selbst wäre eine natürliche Haltung nur vorteilhaft.Der Bundesverband der Deutschen Industrie vertrat gerade in diesen Tagen die Auffassung, daß gewerblichen Großhaltungen auch bei uns eine freie Entwicklungsmöglichkeit gewährleistet werden müsse. Meine Damen und Herren, wir wünschen den Vorrang in der Veredelung für den bäuerlichen Betrieb und meinen, daß diese Wirtschaften dazu besonders geeignet und berufen sind. Als Praktiker wünsche ich auch nicht — das möchte ich hinzufügen —, daß Tiere oder Eier statt auf dem Bauernhof wie Autos am Fließband produziert werden.Ich möchte nur noch eine Frage behandeln, und zwar die Preisschwankungen für Veredelungserzeugnisse, und die letzten Fragen zur Milchwirtschaft nicht mehr zusätzlich begründen. Die bisherigen Erfahrungen mit den EWG-Agrarmarktordnungen zeigen, daß das Auf und Ab der Preise im Gemeinsamen Markt eher größer als kleiner wird. Diese Tatsache wird durch den Schweinezyklus des letzten Jahres bestätigt. Preisschwankungen bringen den Erzeugern regelmäßig Nachteile und den Verbrauchern kaum Vorteile, da er selten in den Genuß gesenkter Erzeugerpreise kommt. Rückläufige Erzeugerpreise — das läßt sich immer wieder feststellen — vergrößern fast regelmäßig die Vermarktungsspannen. In der „Agrarwirtschaft" wird im Zusammenhang mit den niedrigen Erzeugerpreisen für Schweine im Vorjahr dazu folgendes geschrieben:Die Handels- und Verarbeitungsspanne für Schweinefleisch weitete sich Anfang 1964, als das Marktangebot seinen zyklischen Tiefpunkt überwunden hatte und die Viehmarktpreise sanken, ungewöhnlich stark aus. Im Durchschnittder drei letzten Quartale war sie um fast 40 v. H. höher als zur gleichen Zeit des Vorjahres.Es lohnt sich also, über Maßnahmen zur Verhütung von Marktschwankungen nachzudenken. Wir empfehlen dazu für Brüssel: 1. eine Verbesserung der Statistiken der Tierbestände in den Partnerländern, 2. verstärkte Hinweise auf die Marktlage für Erzeuger und Verbraucher, 3. Einwirkung auf das Marktangebot durch entsprechende Empfehlungen und Maßnahmen wie Frühablieferungsprämien oder die Lebendbevorratung, die sich bei Rindern hervorragend bewährt hat.Meine Damen und Herren, ich bin damit am Schluß meiner Begründung. Der deutschen Landwirtschaft bleiben bis zur vollen Herstellung des Gemeinsamen Marktes nur noch wenige Monate. Wir brauchen deshalb zur Ausrichtung der Erzeugung konkrete Aussagen der Bundesregierung.
Noch besteht die Möglichkeit, mit der Agrarpolitik die Entwicklung in der Veredlungswirtschaft so zu steuern, daß in der Bundesrepublik die bäuerliche Wirtschaft die Regel bleibt und sie nicht in einer Entwicklung, die in einzelnen westlichen Ländern schon zur industrialisierten Großhaltung führte, zur Ausnahme wird. Wir von der FDP entscheiden uns bei der politischen und agrarwirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik nachdrücklichst für den Familienbetrieb.
Die Große Anfrage der Fraktion der FDP ist begründet. Sie wird vom Herrn Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantwortet. Er hat das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Große Anfrage der Freien Demokratischen Partei im Auftrag der Bundesregierung wie folgt.Frage 1 lautet:Welche Auswirkungen haben die Beschlüsse des EWG-Ministerrats vom 15. Dezember 1964 zur Harmonisierung der Getreidepreise und die weiteren Beschlüsse des EWG-Ministerrats betr. Abschaffung der innergemeinschaftlichen Abschöpfungen für Schweinefleisch, Eier und Geflügel und des innergemeinschaftlichen Einschleusungspreises für Schweinefleisch zum 1. Juli 1967 auf die Entwicklung der Veredelungsproduktion in den EWG-Partnerländern?Die Antwort:Die Beschlüsse des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 15. Dezember 1964 zur Herstellung eines gemeinsamen Getreidepreisniveaus sind grundsätzlicher Art. Zu ihrer Anwendung muß der Rat bis zum 1. Juli 1967 eine Reihe von weiteren Beschlüssen über die Durchführung dieser Maß-
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Staatssekretär Hüttebräukernahmen fassen und die entsprechenden Verordnungen erlassen. Erst wenn die Gestaltung dieser Verordnungen im einzelnen zu übersehen ist, sind konkrete Angaben über die Auswirkungen der Beschlüsse vom 15. Dezember 1964 möglich.Die Harmonisierung der Getreidepreise und die Abschaffung der innergemeinschaftlichen Abschöpfungen für Schweinefleisch, Eier und Geflügel und des innergemeinschaftlichen Einschleusungspreises für Schweinefleisch sind nur zwei Faktoren aus einer Vielzahl von Bestimmungsgründen, die die Entwicklung der Veredelungsproduktion der Partnerländer der Gemeinschaft beeinflussen.Die Produktion von Schweinefleisch, Eiern und Geflügel wird unter anderem von folgenden weiteren Faktoren bestimmt werden: tendenziell zunehmende Nachfrage vor allem nach tierischen Veredelungsprodukten bei steigendem Einkommen im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Wachstums und zunehmender Bevölkerung in den Partnerländern, weitergehende Rationalisierung gerade bei diesen Erzeugnissen, Entwicklung der Spannen in der Be-und Verarbeitung und im Handel, Gestaltung des Außenschutzes, Entwicklung des Angebots der Drittländer.An sich wäre zu erwarten, daß zumindest kurzfristig in den Ländern, in denen die Getreidepreisangleichung nach oben erfolgen muß, eine bremsende Wirkung auf die Produktion getreideabhängiger Veredelungserzeugnisse ausgeübt wird. Diese Wirkung würde sich bei Angleichung der Getreidepreise in mehreren Stufen bis zum 1. Juli 1967 vermindern und eventuell durch die zuvor genannten expansiv wirkenden Faktoren überlagert werden. In Ländern wie der Bundesrepublik, wo die Preise sämtlicher Getreidearten nach unten angeglichen werden, wird die Produktion getreideabhängiger Veredelungserzeugnisse tendenziell steigen. Dabei dürfte die deutsche Veredelungsproduktion gegenüber denjenigen Partnerländern eine echte Wettbewerbschance haben, die heute noch niedrigere Futtergetreidepreise, aber höhere Spannen in der Be- und Verarbeitung und im Handel haben.Die verschiedenen Bestimmungsgründe üben also abschwächende und verstärkende Wirkungen auf die Veredelungsproduktion aus, ohne daß das Gewicht der einzelnen Faktoren heute auch nur annähernd abgeschätzt werden könnte. Es ist daher unmöglich, die Wirkung der beiden in der Frage angesprochenen Faktoren isoliert zu betrachten.
Frage 2 lautet:Wie werden sich diese Beschlüsse auf die Entwicklung ,der Erzeuger- und Verbraucherpreise für Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch in der Bundesrepublik auswirken?Die Antwort:Nach dem 1. Juli 1967 ist in der Bundesrepublik — von ,der Angebotsseite her gesehen — voraussichtlich ein gewisses Sinken der Erzeugerpreise fürSchweine, Eier und Geflügel zu erwarten. Auf der Nachfrageseite ist bei weiterem wirtschaftlichem Wachstum und bei weiterem Steigen der Einkommen .damit zu rechnen, daß der Verbrauch von Veredelungserzeugnissen weiterhin zunehmen wird. Von der relativen Entwicklung des Gesamtangebots aus der Erzeugung des Inlandes, der EWG-Partnerländer und der Drittländer und der Nachfrage sowie von der Entwicklung ,der tendenziell steigenden Spannen auf der Be- und Verarbeitungsstufe und im Handel wird es abhängen, inwieweit das Preisniveau auf der Erzeuger- und Verbraucherstufe sich verändern wird.Zu Frage 3:Wie hoch schätzt die Bundesregierung die ab 1. Juli 1967 bis zur vollständigen Herstellung des Gemeinsamen Marktes zu erwartenden Preiseinbußen für die deutschen Erzeuger bei Schweinefleisch, bei Eiern, beim Geflügelfleisch?Die Antwort lautet:Aus den in den Antworten zu den Fragen 1 und 2 genannten Gründen ist es der Bundesregierung nicht möglich abzuschätzen, in welcher Höhe Preiseinbußen für die deutschen Erzeuger von Schweinefleisch, Eiern und Geflügelfleisch vom 1. Juli 1967 bis zur vollständigen Herstellung des Gemeinsamen Marktes eintreten werden. Dabei ist zu beachten, daß .auf der Kostenseite Einsparungen beim Zukauffutter und durch die Rationalisierungseffekte eintreten werden. Eventuelle Preiseinbußen sagen daher noch nichts über die Einkommensentwicklung aus.Zu Frage 4:Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die Veredelungsproduktion in der EWG mit der Nachfrage in Übereinstimmung zu bringen?Die Antwort lautet:Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, Nachfrage und Erzeugung mit nationalstaatlichen Mitteln direkt in Einklang zu bringen. Die EWG-Kommission hat die Entwicklung von gemeinschaftlichen Maßnahmen im Auge, doch bisher keine konkreten Absichten verlauten lassen.Zu Frage 5:Welche Vorstellungen hat ,die Bundesregierung über die Finanzierung etwaiger Überschüsse, und nach welchen Grundsätzen will die Bundesregierung eine gerechte Lastenverteilung in der EWG erzielen?Die Antwort lautet:Die Finanzierung landwirtschaftlicher Überschüsse im Rahmen der EWG-Marktordnung ist in der Verordnung Nr. 25 über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik geregelt. Danach erstreckt sich die Finanzierung durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft auf die Kosten für Marktinterventionen und für Erstat-
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9176 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Staatssekretär Hüttebräukertungen bei Ausfuhren nach dritten Ländern. Dabei gelten in der Übergangszeit noch gewisse Einschränkungen; so vergütet der Fonds in dieser Zeit nur den sogenannten Nettoausfuhrländern die von ihnen gezahlten Erstattungen mit dem niedrigsten durchschnittlichen Erstattungsbetrag in der Gemeinschaft. In .der Endphase des Gemeinsamen Marktes hingegen hat der Fonds die Marktinterventionskosten und die Ausfuhrerstattungen aller Mitgliedstaaten in voller Höhe zu tragen.Eine gerechte finanzielle Lastenverteilung läßt sich u. a. dadurch erreichen, daß die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten auf bestimmte Höchstsätze begrenzt werden. So hat die Bundesregierung den deutschen Finanzbeitrag bis zum 30. Juni 1965 auf höchstens 31 % begrenzt. Für die weitere Zukunft ist die gerechte Lastenverteilung Gegenstand von Finanzverhandlungen, die ,gerade begonnen haben und über die sich im gegenwärtigen Zeitpunkt verständlicherweise noch nichts sagen läßt. Sollte dabei auch über die Übertragung der Abschöpfungseinnahmen von den Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft verhandelt werden, würde das Hohe Haus ohnehin zur gegebenen Zeit eingeschaltet werden, da eine solche Übertragung von Finanzhoheit nach Art. 201 des Vertrages der Ratifizierung bedarf.Zu Frage 6:Ist die Bundesregierung bereit, im EWG-Ministerrat Maßnahmen zu erwirken, mit denen diein der Veredelungsproduktion gegebenen Entwicklungsmöglichkeiten bevorzugt den bäuerlichen Familienbetrieben zugeführt werden können und dabei besonders die Lage der Futterbaubetriebe in den Grönlandgebieten berücksichtigt wird?Die Antwort lautet:Die Bundesregierung ist bereit, im EWG-Ministerrat nach Vorlage des in Aussicht gestellten Vorschlages der EWG-Kommission über eine Beeinflussung der Produktion von Veredelungserzeugnissen darauf hinzuwirken, daß die in der Veredelungsproduktion gegebenen Entwicklungsmöglichkeiten bevorzugt den bäuerlichen Familienbetrieben zugeführt werden. Diese Bereitschaft entspricht auch der Erklärung von Stresa, nach der das Leitbild der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik die Erhaltung und Förderung des bäuerlichen Familienbetriebes sein soll. § 39 a des Entwurfs des neuen Bewertungsgesetzes unterstreicht das Bestreben der Bundesregierung, die Veredelungsproduktion insbesondere in den bäuerlichen Familienbetrieben zu erhalten.Die Bemühungen der Bundesregierung schließen die bäuerlichen Familienbetriebe in Grönlandgebieten mit ein. Sie sind in den Grünen Plänen mit besonderen Maßnahmen bedacht worden; insbesondere kommen ihnen die Mittel für die von der Natur benachteiligten Gebiete zugute. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft die wirtschaftliche Lage der Grönlandbetriebe sorgfältig beobachten und den benachteiligten Gebieten Hilfen durch geeignete Maßnahmen zukommen lassen.Zu Frage 7:Welche Maßnahmen .stehen nach der Auffassung der Bundesregierung zur Verfügung, um größeren Preisschwankungen für Veredelungserzeugnisse, vor allein dem zu erwartenden verstärkten Schweine-Zyklus in den EWG-Partnerstaaten und in der Bundesrepublik, entgegenzuwirken?Die Antwort lautet:Auf die Abschwächung der zyklischen Bewegungen in den Preisen und der Produktion von Schweinen wurde schon seit Jahrzehnten ein besonderer Augenmerk gerichtet, ohne daß jedoch ein nachhaltiger Erfolg erzielt werden konnte. Das liegt an der großen Zahl der Anbieter von Schlachtschweinen, der dezentralisierten Haltung von Zuchtsauen und dem wechselnden Anfall von wirtschaftseigenem Futter auf Grund der Ernteschwankungen. Bei der Vielzahl von Betrieben ist ein marktkonformes Handeln der Beteiligten mit dem Ziel der Stabilisierung des Marktes kaum erreichbar. Interventionen auf den Märkten für tierische Veredelungserzeugnisse sind besonders kostspielig und in ihrer Wirkung begrenzt.Im wesentlichen bleibt daher nur der Weg, eine Beeinflussung des Marktverhaltens über eine laufende und eingehende Marktberichterstattung mit Hinweisen auf die zu erwartende Preisgestaltung zu erreichen. Dazu ist jedoch die Verbesserung der Markttransparenz in den EWG-Ländern von entscheidender Bedeutung, d. h. eine sehr viel bessere Kenntnis der Bewegung von Angebot, Nachfrage und Preisen. Anfänge sind gemacht; u. a. laufen zur Zeit Verhandlungen über eine einheitliche Erhebung der Schweinebestände in den EWG-Ländern. Bis allerdings ein greifbares Ergebnis in dem gewünschten Sinn vorliegen wird, dürften noch einige Jahre vergehen.Zu Frage 8:Ist die Bundesregierung bereit, das in der Bundesrepublik angewandte Augleichssystem am Milchmarkt auch in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Anwendung zu bringen?Die Antwort lautet:Mit dem deutschen Ausgleichssystem sind Möglichkeiten zur Verbesserung des Auszahlungspreises und zur Erreichung eines angemessenen Richtpreises gegeben. Dieses System steht im Zusammenhang mit Gebietsregelungen in der Milchwirtschaft. Die Bundesregierung hält es nicht für vertretbar, ein solches System, das erheblich kostensparend ist und in hohem Maße der Qualitätsförderung dient, bei einer gemeinsamen Trinkmilchmarktregelung aufzugeben. Es kann nicht der Sinn eines Gemeinsamen Marktes sein, daß Regelungen, die sich so eindeutig zum Wohle von Erzeuger und Verbraucher ausgewirkt haben, entfallen. Die Bundesregierung wird sich deshalb bei den Verhandlungen über die EWG-Trinkmilchmarktordnung dafür einsetzen, daß die deutsche Ausgleichsregelung in
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Staatssekretär Hüttebräukerihren wesentlichen Teilen innerhalb der EWG zur Anwendung kommt. Einige Mitgliedsländer sehen hierbei allerdings große Schwierigkeiten.Frage 9:Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für die Behandlung der produktgebundenen Beihilfen für Milch im Rahmen der EWG-Milchmarktordnung?Die Antwort:Die EWG-Verordnung Nr. 13/64 über Milch und Milcherzeugnisse geht davon aus, daß der Erzeugerrichtpreis aus den Markterlösen erwirtschaftet werden soll. Bei einem Fortfall der produktgebundenen Beihilfen für Milch würde dies in der Bundesrepublik bei der Höhe des jetzigen Richtpreises bedeuten, daß dieser nur über eine wesentliche Erhöhung der Verbraucherpreise zu erreichen wäre. Derartige Preisanhebungen würden z. B. bei Butter für den Verbraucher unzumutbar sein und erhebliche Absatzschwierigkeiten zur Folge haben. Die Gemeinschaft wird deshalb nicht umhin kommen, zur Erreichung eines angemessenen Richtpreises Beihilfen in der Gemeinschaft vorzusehen. Nach den vertraglichen Grundlagen der Gemeinschaft ist dieser Weg durchaus möglich.
Zu Punkt 2 b) hat das Wort zur Begründung Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Freien Demokraten darf ich den von uns vorgelegten Antrag Drucksache IV/3209 kurz begründen.
Wir Freien Demokraten glauben, daß wir mit dieser Vorlage unser Versprechen, das wir den Verbänden gegeben haben, einlösen.
— Ich weiß, daß die SPD sich ursprünglich bereiterklärt hat, ebenso mitzumachen. Darauf komme ich gerade. Der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Raiffeisenverband und nicht zuletzt die Verbände der Wirtschaft haben großen Wert darauf gelegt, daß alle Fraktionen gemeinsam in der Frage der Marktstruktur zu einer befriedigenden Lösung kommen. Wir haben wie die anderen Fraktionen entsprechende Zusagen gegeben und müssen zu unserem Bedauern feststellen, daß sich die beiden anderen Fraktionen an diese Zusagen nicht gehalten haben, indem sie eigene Gesetzentwürfe eingebracht haben. Wir glaubten unsere Zusage loyal wahrmachen zu müssen, und sehen in dem von uns vorgelegten Antrag einen wertvollen Diskussionsbeitrag. Nachdem nun drei Anträge vorliegen, wird sich ja in der Diskussion in den Ausschüssen erweisen, inwieweit es möglich ist, auf diesem sicherlich sehr wichtigen Sektor, nämlich der Förderung der Erzeugergemeinschaft und der Verbesserung der Marktstruktur, zu einer guten Lösung zu kommen. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, nachdem diese Legislaturperiode ja bald zu Ende geht, daß wir in dieser Frage zu einer interfraktionellen Einigung in der Form eines Mindestprogramms kommen sollten. Wir sind der Meinung, daß die deutsche Landwirtschaft von dieser Legislaturperiode wenigstens mit nach Hause nehmen soll, daß alle Fraktionen gewillt sind, die Erzeugung zu harmonisieren, den Absatz zu fördern, die Marktstruktur zu verbessern und somit die Konkurrenzfähigkeit im Hinblick auf die EWG zu verbessern. Das ist der Sinn unseres Antrages. Wir glauben, daß wir damit einen wertvollen Diskussionsbeitrag zu diesem sehr wichtigen Problem geleistet haben.
Die Punkte 2 c) und e) wird Herr Abgeordneter Struve gemeinsam begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mit Ihrer Zustimmung die Begründung für die Punkte 2 c) und 2 e) gemeinsam vornehmen.Die CDU/CSU-Fraktion sieht nach wie vor das Landwirtschaftsgesetz als die tragende Grundlage der deutschen Agrarpolitik auch innerhalb des Gemeinsamen Marktes an. Die auf der Grundlage dieses Gesetzes von diesem Hohen Hause und von der Bundesregierung durchgeführten Maßnahmen der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik, insbesondere der Agrarstruktur, der Steuer-, Kredit- und Sozialpolitik, werden auch in Zukunft eine vorrangige Bedeutung für die deutsche Agrarpolitik behalten. Mit Nachdruck bekennt sich die CDU/CSU-Fraktion zu diesen Maßnahmen und zu der von ihr vertretenen Agrarpolitik. Die Grünen Berichte, die die Bundesregierung diesem Hohen Hause vorgelegt hat, legen einen überzeugenden Beweis dafür ab, daß unsere Agrarpolitik die deutsche Landwirtschaft folgerichtig und auch mit Erfolg auf die Ziele des Gemeinsamen Marktes vorbereitet hat. Wir lehnen es mit Entschiedenheit ab, die Grundsätze dieser bewährten Agrarpolitik aufzugeben. Die Agrardebatten in diesem Hohen Hause haben übrigens gezeigt, daß auch die Opposition keine echte Alternative zu unserer Politik aufzeigen kann. Das gilt nicht zuletzt auch für die Agrarstruktur und für die Sozialpolitik.
Die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur sind in ihrem Ausmaß so umfassend von uns eingeleitet und vorangetrieben worden, daß die vorhandenen Kapazitäten der Wirtschaft, vor allem aber auch der Landeskulturbehörden bis zur optimalen Grenze ausgeschöpft sind.Auf dem Gebiet der Sozialpolitik hat meine Fraktion durch die organische Fortentwicklung des Altershilfegesetzes und durch die gezielte Verbesserung der Unfallversicherung für die in der Landwirtschaft tätigen Menschen wesentliche Schritte zur Angleichung der sozialen Sicherung auch der auf dem Lande lebenden Menschen eingeleitet.
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9178 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Staatssekretär HüttebräukerDie stetige Wandlung der Verhältnisse im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, insbesondere aber der fortschreitende Gemeinsame Markt machen es selbstverständlich notwendig, alle agrarpolitischen Maßnahmen den jeweiligen Verhältnissen anzupassen. Das gilt auch für die Grünen Pläne, die in Übereinstimmung mit den Grünen Berichten alljährlich auf die agrarpolitischen Notwendigkeiten ausgerichtet werden. Es ist für meine Fraktion andererseits aber undenkbar, daß wir eine 'so bewährte Einrichtung wie die Grünen Pläne etwa mit der Begründung in Frage stellen, daß die beschleunigte Anpassung der deutschen Landwirtschaft an den Gemeinsamen Markt völlig anders geartete Maßnahmen erfordere. Für unsere Fraktion — das möchte ich noch einmal betonen — sind die Grünen Pläne in ihrer bewährten Ausgestaltung auch im Gemeinsamen Markt nicht wegzudenkende Bestandteile der deutschen Agrarpolitik.Für die kommenden Jahre bleiben folgende Schwerpunkte bestehen.Die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse müssen verstärkt fortgesetzt werden und den steigenden Anforderungen des Gemeinsamen Marktes an die bäuerlichen Familienbetriebe Rechnung tragen. Dabei ist durch eine Ergänzung der Förderungsrichtlinien sicherzustellen, daß die nach Durchführung aller Strukturmaßnahmen für den einzelnen bäuerlichen Betrieb verbleibenden Hektarbelastungen in einem angemessenen Verhältnis zu der sich wandelnden Ertragslage im Gemeinsamen Markt stehen.Zur Verbesserung der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Bevölkerung müssen die globalen Hilfsmaßnahmen, insbesondere der Förderungszuschlag zum Auszahlungspreis für Milch, weiter gewährt und muß die Dieselkraftstoffverbilligung in verstärktem Umfange fortgesetzt werden. Das gilt auch für die Zuschüsse zur Verbilligung von Zinsen für Darlehen zur Förderung vordringlicher agrar-und ernährungswirtschaftlicher Maßnahmen einschließlich der Konsolidierung umschuldungsbedürftiger kurzfristiger Verbindlichkeiten. Die derzeitigen Spannungen am Kapitalmarkt mögen die Gesamtwirtschaft belasten; für die Landwirtschaft müssen die Zinszuschüsse erhöht werden, weil ein höherer Kapitaldienst nicht zu verkraften ist.Die Maßnahmen der sozialen Sicherung stellen den dritten Schwerpunkt der Grünen Pläne dar. Sie sind in konsequenter Fortsetzung so auszubauen, daß die Landwirtschaft gleichwertige soziale Sicherheiten erhält wie die übrige Bevölkerung. Neben der Verbesserung der Altershilfe und der Unfallversicherung bedarf es dazu eingehender Überlegungen für eine gesetzliche Regelung zur Sicherung der bäuerlichen Familie im Krankheitsfalle. Gerade hinsichtlich der letzten Frage ist bei den Beteiligten eine lebhafte Diskussion über den zweckmäßigen Weg im Gange. Wir werden über das Wie mit den landwirtschaftlichen Organisationen und denen der Ärzte engstens zusammenarbeiten mit dem Ziel einer schnellen und guten Lösung.Im Rahmen der Agrarpolitik bedarf es jedoch nunmehr weiterer gesetzlicher Regelungen. Einmal gilt das für die Verbesserung der Marktstruktur und die Anpassung an die Marktverhältnisse der Partnerländer. Zum anderen geht es darum, erhöhte öffentliche Mittel einzusetzen, damit sich die Eingliederung der deutschen Landwirtschaft in die EWG auch bei einer vorzeitigen Preisangleichung organisch vollzieht.Zur Verbesserung der Marktstruktur hat die CDU/CSU-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Errichtung eines Marktstrukturfonds eingebracht. Es ist eine der vorrangigsten Aufgaben der zukünftigen deutschen Agrarpolitik, die Marktstruktur der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft für den Gemeinsamen Markt wettbewerbsfähig zu machen. In der deutschen Landwirtschaft konnte die Arbeitsproduktivität in einem Umfang gesteigert werden, wie es nur in wenigen anderen Zweigen unserer Wirtschaft anzutreffen ist. Dennoch hält die Einkommensentwicklung der in der Landwirtschaft tätigen Menschen nicht mit der allgemeinen Einkommensentwicklung Schritt. Das hat auch der diesjährige Grüne Bericht trotz seiner an sich guten Ergebnisse erneut unter Beweis gestellt.Eine der Hauptursachen für diese Entwicklung liegt darin, daß die landwirtschaftlichen Absatzmärkte in allen hochindustrialisierten Staaten unter einer strukturellen Schwäche leiden. Auf der einen Seite sinkt die mengenmäßige Nachfrage nach Nahrungsgütern mit steigendem Einkommen. Andererseits steigt die landwirtschaftliche Produktion wegen der Anwendung verbesserter Anbau- und Erntemethoden und als Folge moderner wissenschaftlicher Forschungs-, Züchtungs- und Fütterungsergebnisse alljährlich.Diese generelle Entwicklung wird für die deutsche Landwirtschaft durch die starke Konzentration des Absatzes von Nahrungsmitteln wesentlich verschärft. Wir stellen auf den land- und ernährungswirtschaftlichen Absatzmärkten überall eine sehr schnell fortschreitende Rationalisierung des Vertriebs fest. Sie kommt augenscheinlich darin zum Ausdruck, daß sich die neuen Verkaufsformen der Supermärkte, der Einkaufsgenossenschaften des Einzelhandels und der Kettenläden auf etwa 94 % des gesamten Absatzmarktes erstreckt 'haben. Das ist die eine Seite des Problems.Die andere Seite wird durch die beschleunigte Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes für unsere land- und ernährungswirtschaftlichen Produkte gekennzeichnet. Für wesentliche Teile unserer Produktion werden wir ab Juli 1967 mit Sicherheit einen Gemeinsamen Markt haben. Möglicherweise werden zu diesem Zeitpunkt sogar sämtliche landwirtschaftlichen Produkte in die gemeinsame Marktregelung einbezogen sein. Damit steht die Land- und Ernährungswirtschaft vor einer völlig veränderten Markt- und Absatzsituation. Wir stehen deshalb vor der zwingenden Aufgabe, geeignete Maßnahmen einzuleiten, um der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft im Gemeinsamen Markt auch hinsichtlich des Absatzes ihrer Produktion gleiche
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StruveWettbewerbschancen zu sichern. Das gilt sowohl in organisatorischer als auch in materieller Hinsicht.Die in den Marktstrukturgesetzentwürfen der SPD und der FDP vorgesehenen Maßnahmen werden grundsätzlich auch in dem von meiner Fraktion eingebrachten Gesetzentwurf vorgeschlagen. Die beiden Entwürfe beschränken sich im Gegensatz zu dem Marktstrukturfondsgesetz im wesentlichen darauf, die Bildung von Erzeugergemeinschaften in Verbindung mit der Zahlung einer Strukturverbesserungsprämie zu fördern. Diese Maßnahmen sind jedoch allein nicht geeignet, um die Marktposition der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu behaupten.
Durch solche Erzeugergemeinschaften, wie sie die Gesetzesvorlagen vorsehen, soll die landwirtschaftliche Produktion von qualitativ hochwertigen Erzeugnissen in großen Mengen begünstigt werden. Keiner von uns verkennt — das möchte ich doch einmal betonen — diese Notwendigkeit. Die CDU/ CSU-Fraktion schätzt allerdings die Anreize zur starken Ausdehnung der Qualitätserzeugung durch die Strukturverbesserung nicht sehr hoch ein.
Sie werden bei keinem Produkt einen auch nur annähernd so großen Erfolg zeigen, wie ihn zum Beispiel die Milchförderungsprämie ausgelöst hat. Hinzu kommt, daß die verbleibende Übergangszeit bis zum Abbau der Strukturverbesserungsprämie sehr kurz ist. Diese Maßnahme ist in ihrer Wirkung auf die Übergangszeit beschränkt und soll vom zweiten Jahr an schon degressiv verringert werden, um dann nachher sehr schnell auszulaufen. Allein mit der Förderung von Erzeugergemeinschaften und der Schaffung einer Strukturverbesserungsprämie ist es also nicht zu schaffen. Sie sind vielmehr nur notwendige Voraussetzungen für das Bestehen im verschärften Wettbewerb.' Nun gilt es, gleiche Wettbewerbsverhältnisse im EWG-Raum herzustellen und daneben verstärkte Absatzmärkte von hochwertigen Veredelungsprodukten in Drittländern zu erschließen. Erst durch die Schaffung eines Marktstrukturfonds, so wie wir ihn vorgeschlagen haben, wird die deutsche Landwirtschaft in die Lage versetzt, im Gemeinsamen Markt unter gleichen Bedingungen in den vollen Wettbewerb mit den Partnerländern einzutreten. Seine Verwirklichung würde uns ein gleichwertiges Marktinstrument in die Hand geben, das die Bauern in den Partnerländern bereits heute besitzen.Gestatten Sie mir einen kurzen Vergleich der Markteinrichtungen in den Niederlanden und in Frankreich, unseren wichtigsten Konkurrenten auf den Agrarmärkten. Er wird deutlich zeigen, daß die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft stark benachteiligt sein wird, wenn sie nicht die von meiner Fraktion geforderte Einrichtung erhält.In den Niederlanden bestehen auf Grund des Gesetzes über die Organisation der gewerblichen Wirtschaft aus dem Jahre 1950 horizontale und vertikale Einrichtungen als Körperschaften des öffentlichenRechts. Sie sind mit Hilfe von Finanzfonds in der Lage, die Märkte für fast alle land- und ernährungswirtschaftlichen Produkte zu manipulieren. Die den Productschappen zur Verfügung stehenden rechtlichen Befugnisse versetzen die niederländische Landwirtschaft in die Lage, ihre inneren Märkte weitgehend zu stabilisieren. Sie bieten darüber hinaus auch die Möglichkeit, eine gezielte Absatzstrategie — vor allem in die Bundesrepublik — zu betreiben. Ich darf in diesem Zusammenhang nur auf die Entwicklung der niederländischen Ausfuhr beispielsweise von Kondensmilch und von Schlachtgeflügel als Beispiele aus jüngster Zeit verweisen. Es besteht darüber hinaus ein zentraler Ausgleichsfonds, der etwa zur Hälfte aus staatlichen Mitteln und zur Hälfte aus anfallenden Abschöpfungen gespeist wird.Frankreich ist zur Zeit dabei, seine nationalen Marktordnungen unter Verwertung holländischer Erfahrungen auf breiter Front auszubauen. Das wirksamste Element der französischen Marktpolitik ist wiederum der FORMA-Fonds. Er wurde im Jahre 1960 durch die Zusammenfassung der bestehenden Stützungsfonds für die Agrarmärkte gegründet. Der Fonds hat die Aufgabe, die Bildung von Erzeugungs-und Marktzusammenschlüssen zu fördern. Zum Zweck der Marktentlastung können Einlagerungen, Käufe und Exporte durchgeführt werden. Schließlich gewährt der Fonds Frachtzuschüsse und Ausfuhrrückerstattungen. Der Etat des FORMA-Fonds wird sehr stark aus Staatszuschüssen gespeist.Zusammenfassend stelle ich fest, daß wichtige Partnerländer der EWG auf dem Gebiet der Land-und Ernährungswirtschaft zusätzliche nationale Markteinrichtungen besitzen, die für die Bundesrepublik eine erhebliche Wettbewerbsbenachteiligung darstellen. Durch die Verordnung Nr. 26 des Ministerrats der EWG können die Mitgliedstaaten auch nach dem Erlaß der gemeinsamen Marktordnungen diese nationalen Regelungen aufrechterhalten.In der öffentlichen Diskussion über den Marktstruktur-Fonds hat die Frage eine große Rolle gespielt, ob es nicht richtiger sei, die von mir zitierten Einrichtungen in den Niederlanden und in Frankreich durch die Kommission aufheben zu lassen, anstatt in der Bundesrepublik eine von uns geforderte entsprechende Einrichtung neu aufzubauen. Der in der „Welt" vom 22. 4. 1965 veröffentlichte Brief von Professor Hallstein an den Herrn Bundeskanzler hat unsere Befürchtungen voll bestätigt, daß eine Beseitigung dieser Einrichtungen nicht erfolgen wird.
Professor Hallstein stellt vielmehr ausdrücklich fest, daß die nationalen Marktinstrumente in den Niederlanden und Frankreich in jeder Weise EWG-konform seien.
Wir wollen demgegenüber, das betone ich noch einmal sehr ausdrücklich, keinerlei Sonderrechte. Wirhaben aber als deutsche Land- und Ernährungswirt-
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Struveschaft das unbezweifelbare Recht, die gleichen Wettbewerbschancen zu erhalten,
und als Gesetzgeber — das ist der Standpunkt der CDU/CSU-Fraktion — haben wir die Pflicht, der Landwirtschaft zur Seite zu stehen.In den zurückliegenden Jahrzehnten gab es den aufnahmefähigen Binnenmarkt und die Forderung der Landwirtschaft auf eine begrenzte Einfuhr, abgestellt auf den echten Bedarf. Heute gilt es, Einrichtungen zu schaffen, die, nach einer Anlaufzeit, spätestens 1967 voll funktionsfähig sind. Der Gesetzantrag meiner Fraktion über die Errichtung des Marktstrukturfonds sieht die Bildung eines solchen Fonds als Anstalt des öffentlichen Rechtes vor. Diese Rechtsform ist von uns für die Durchführung der notwendigen Aufgaben gewählt worden, um über die Selbstverwaltungsorgane eine möglichst elastische Einsatzfähigkeit und um wirtschaftsnahe Entscheidungen zu sichern. Die wichtigste Aufgabe des Fonds ist zunächst einmal die Förderung des Absatzes von land- und ernährungswirtschaftlichen Erzeugnissen durch Beihilfen, Kredite und kreditverbilligende Maßnahmen. Diese Förderungsmöglichkeiten sollen sich auf den Ausbau eines leistungsfähigen land- und ernährungswirtschaftlichen Absatzes der deutschen Produktion im Gemeinsamen Markt richten. Darüber hinaus soll auch der Export land- und ernährungswirtschaftlicher Produkte in Drittländer gefördert werden. Hier hat z. B. die Arbeitsgemeinschaft „Agrarexport e. V." in Zusammenarbeit mit der gesamten beteiligten Wirtschaft schon wertvolle Vorarbeit geleistet. Diese Arbeit muß erheblich verstärkt und ausgeweitet werden.
Völlig falsch ist die mehrfach aufgestellte Behauptung, der von uns geplante Marktstrukturfonds würde ein EWG-Kampffonds sein, der den durch den gemeinsamen Agrarmarkt ausgelösten Wettbewerb beseitigen soll. Die Land- und Ernährungswirtschaft der Bundesrepublik wird im Gemeinsamen Markt in wesentlichen Bereichen ihrer Produkte Überschußmärkte vorfinden. Sie ist daher sehr bald — genau wie die deutsche Industrie — lebenswichtig auf den Ausbau eines Exportes in Drittländer angewiesen.
Dazu benötigt sie wie die Niederlande und Frankreich ein entsprechendes Marktinstrument. Es ist auch nur ein Marktstrukturfonds finanziell in der Lage, eine durchschlagende Werbung und Absatzförderung für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft zu betreiben. Es mag zwar grundsätzlich Angelegenheit der beteiligten Wirtschaftskreise sein, Mittel für Werbeaktionen, Messen, Ausstellungen usw. zur Verfügung zu stellen. In der Landwirtschaft sind diese Erfordernisse erkannt, und die praktische Durchführung wird bejaht. Die Vielzahl der kleinen landwirtschaftlichen Produzenten macht es jedoch erforderlich, den nötigen Anteil der erforderlichen Werbemittel durch ein zentrales Umlagesystem aufzubringen. Dies geschieht übrigens in allen Agrarexportländern innerhalb und außerhalb der EWG. Ein Blick auf die großen Nahrungsmittelschauen in ider Bundesrepublik anläßlich der Grünen Woche in Berlin, der ANUGA in Köln und der LEFA in Hamburg veranschaulichen, wie dringend notwendig es ist, auch der deutschen Landwirtschaft ausreichende Mittel für entsprechende Werbungen und für großzügig angelegte Aufklärungsaktionen für die Verbraucher zu beschaffen.Der Marktstrukturfonds hat weiterhin die Aufgabe, auf den Agrarmärkten geeignete Maßnahmen zur Herstellung gleicher Wettbewerbsverhältnisse mit den EWG-Partnern zu ergreifen. Unsere Gesetzesvorlage sieht insoweit vor, daß Interventions-und Lagerverträge mit den beteiligten Wirtschaftskreisen abgeschlossen werden können, um Preisschwankungen land- und ernährungswirtschaftlicher Erzeugnisse abzuschwächen und den Export mit Qualitätsprodukten zu ermöglichen.Grundsätzlich darf ich betonen, daß die zur Erfüllung dieser Aufgabe notwendigen Maßnahmen in ihrem Ausmaß und Umfang entscheidend durch die Tätigkeit der Marktfonds in den Partnerländern der Gemeinschaft und ihre Kontrolle durch ,die Kommission bestimmt werden. In der öffentlichen Diskussion ist gerade dieser letzte Punkt immer wieder scharf kritisiert worden. Ich meine, das ist zu Unrecht geschehen. Niemand von uns denkt daran, durch Interventionen das Preisniveau für unsere deutschen landwirtschaftlichen Erzeugnisse etwa über den durch die EWG-Marktordnungen festgesetzten Rahmen hinaus anzuheben. Niemand denkt daran, durch solche Interventionen ein Preisniveau zu stabilisieren, das mit der jeweiligen Marktsituation in der Bundesrepublik bzw. im Gemeinsamen Markt nicht in Einklang steht. Niemand wird aber auch bestreiten können, daß z. B. die Verteilung regionaler Überschüsse, die durch saisonale Angebotsschwankungen bedingt sind, eine sinnvolle Aufgabe im Interesse einer stabilen Marktstruktur der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft darstellt. Die Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstellen auf dem Buttermarkt wie auf den Vieh- und Fleischmärkten in der Bundesrepublik gibt eine Fülle solcher Beispiele, wie durch sinnvolle Interventionen Marktstörungen sowohl im Interesse der Verbraucher als auch im Interesse der Erzeuger abgeschwächt werden können. Bei einer solchen Handhabung von Interventionen wird die Befürchtung niemals eintreten können, daß Überschüsse aus anderen Teilen des Gemeinsamen Marktes auf diese Weise in die Bundesrepublik hineingezogen würden.Der Marktstrukturfonds soll andererseits aber auch geeignete Maßnahmen einleiten, um wettbewerbsverzerrende Tätigkeiten der Marktfonds und ihrer Einrichtungen in den Partnerländern auf den Märkten der Bundesrepublik möglichst weitgehend zu neutralisieren. Falls es der EWG-Kommission gelingt — keiner wünscht das mehr als die deutsche Landwirtschaft —, alle wettbewerbsverzerrende Einflüsse dieser Markteinrichtungen zu beseitigen, würde diese Aufgabe des Marktstrukturfonds sich von selbst erledigen.
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StruveDie Bildung eines Marktstrukturfonds als Anstalt des öffentlichen Rechts läßt es schließlich zweckmäßig erscheinen, dieser Selbstverwaltungskörperschaft auch die Förderung der Rationalisierung der landwirtschaftlichen Produktion und der Erzeugung landwirtschaftlicher Qualitätsprodukte zu übertragen. Das gilt einmal für die im Grünen Plan bereits vorhandenen Förderungsmaßnahmen für die vertikale und horizontale Verbundwirtschaft. Das gilt zum anderen aber auch für die Förderung von Erzeugergemeinschaften sowie für die Zahlung einer Strukturverbesserungsprämie. Die Übertragung dieser Aufgaben auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Selbstverwaltung würde viele verwaltungsrechtliche Schwierigkeiten lösen, die zwangsläufig auftreten, wenn die in den Entwürfen der SPD und der FDP zum Marktstrukturgesetz vorgesehene Übertragung dieser Aufgaben auf den Staat erfolgt.Die Finanzierung des von uns vorgeschlagenen Marktstrukturfonds soll gemeinsam aus Haushaltsmitteln des Bundes sowie aus Beiträgen der beteiligten Wirtschaftsgruppen erfolgen. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß im Rahmen der von der Bundesregierung ab 1966 zugesagten Anpassungshilfe von 1,1 Milliarden DM jährlich ein Betrag von etwa 200 Millionen DM für diesen Zweck ausdrücklich vorgesehen ist. Die Beiträge an den Marktstrukturfonds sollen je Einheit der von den land- und ernährungswirtschaftlichen Betrieben abgesetzten Erzeugnisse erhoben werden. Dabei soll der Betrag 1 % des Verkaufswerts der Erzeugnisse nicht überschreiten. Die Einzelheiten sollen in entsprechenden Beitragsnormen geregelt werden.Abschließend darf ich noch einmal betonen: Die CDU/CSU-Fraktion ist der Auffassung, daß die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft mehr braucht als Erzeugergemeinschaften und staatliche Förderungshilfen zur Verbesserung der Qualitätserzeugung. Sie braucht neben dieser Verbesserung der Marktstruktur einen Marktstrukturfonds, d. h. ein gleichwertiges Marktinstrument, wie es in den EWG-Partnerländern vorhanden ist. Ich wiederhole, niemand von uns will einen Kampffonds, um den Wettbewerb des Gemeinsamen Marktes zu stören. Niemand will durch einseitige Intervention eine nicht aus dem Marktgeschehen gerechtfertigte Preissteigerung für die deutsche Landwirtschaft erstreben. Wir wissen ganz genau, daß so etwas nicht praktikabel und finanziell überhaupt nicht möglich ist. Wir wollen aber die gleichen Chancen und Rechte, die der Land- und Ernährungswirtschaft in anderen Ländern des Gemeinsamen Markts zugebilligt sind. Nur so kann die deutsche Land- und die mit ihr verbundene Ernährungswirtschaft ihren Marktanteil im Gemeinsamen Markt und in den Drittländern erfolgreich behaupten und weiter ausbauen.Die beschleunigte Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes macht weiter nach Auffassung meiner Fraktion eine Ergänzung des Landwirtschaftsgesetzes durch ein EWG-Anpassungsgesetz erforderlich. Die CDU/CSU hat zu diesem Zweck den Entwurf eines EWG-Anpassungsgesetzes auf Drucksache IV/3387 eingebracht. Aufgabe dieses Gesetzes ist es, die deutsche Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, die Leistungsfähigkeit ihrer Betriebe durch eine umfassende Investitionsförderung auf den verschärften Wettbewerb und den vorzeitigen Preisangleich einzustellen. Wir sehen auch dieses Gesetz bewußt nur als eine Ergänzung des Landwirtschaftsgesetzes, nicht aber als einen Ersatz dafür an. Das EWG-Anpassungsgesetz sieht zunächst die gesetzliche Absicherung der vom Herrn Bundeskanzler der deutschen Landwirtschaft zugesicherten Anpassungshilfe in Höhe von 1,1 Milliarden DM jährlich auf die Dauer von zehn Jahren vor. Diese Anpassungshilfen sollen vorrangig für zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Agrar- und Betriebsstruktur, zur Finanzierung des Marktstruktur-fonds sowie zur beschleunigten Angleichung der sozialen Verhältnisse der in der Landwirtschaft tätigen Menschen verwendet werden.Ich möchte bei meiner nachfolgenden Begründung den für den sozialen Sektor vorgesehenen Teil dieser Anpassungshilfe in Höhe von 300 Millionen DM jährlich für die Altershilfe und für die Unfallversicherung nicht weiter erläutern; er ist dem Hohen Hause bekannt. Übrigens wird er in Kürze bei der Novelle zum Altershilfegesetz hier im Hohen Haus eingehend behandelt werden. Für den Marktstrukturfonds werden, wie ich schon ausführte, etwa 200 Millionen DM jährlich veranschlagt werden müssen.Eine wesentliche Hilfe für die beschleunigte Eingliederung unserer landwirtschaftlichen Betriebe stellt, wie gesagt, eine verstärkte Investitionsförderung dar. Ein erheblicher Teil der Anpassungshilfe ist deshalb für diesen Zweck bereitzustellen. Vorrangig ist nach unserer Auffassung eine Senkung der Lasten aus den bereits durchgeführten und noch einzuleitenden Maßnahmen zur Verbesserung der Landeskultur. Ich möchte dabei insbesondere die Förderung wasserwirtschaftlicher und kulturtechnischer Maßnahmen einschließlich der ländlichen Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung, die Flurbereinigung und den Ausbau der Wirtschaftswege hervorheben. Die Belastungen aus diesen Maßnahmen für die einzelnen Betriebe sind in weiten Gebieten der Bundesländer schon heute so hoch, daß sie mit den im Gemeinsamen Markt zu erwartenden Ertragsverhältnissen nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sind. Im Rahmen des Strukturwandels und unter dem Zwang der Rationalisierung müssen weitere Milliardenbeträge investiert werden. Träger solcher Maßnahmen sind bekanntlich Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Gemeinden, Wasser- und Bodenverbände, anderswo Deich- und Silverbände genannt, Wasserbeschaffungsverbände und Flurbereinigungsgemeinschaften. Viele Betriebe sind an jeder einzelnen öffentlich-rechtlichen Körperschaft finanziell beteiligt. Sie sind finanziell so vorbelastet, daß kein Raum mehr für weitere Investitionen verbleibt. Für Wege- und Wasserlasten sollte man daher die Bundesdarlehen in Zuschüsse umwandeln, im übrigen den Zinssatz der für diese Maßnahmen eingesetzten Mittel nach unserer Auffassung auf 1 % senken. Der Kapitaldienst ist auf höchstens 30 Jahre zu begrenzen. Zur Restfinanzierung sind dann in erhöhtem Maße ver-
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Struvelorene Zuschüsse einzusetzen. Entsprechende Grundsätze müssen auch für die Aufstockung, Aussiedlung und Althofsanierung, aber auch bei der Förderung der Seßhaftmachung verheirateter Landwirte angewandt werden. Insbesondere wird es bei der Aufstockung und Aussiedlung notwendig sein, zusätzlich verlorene Zuschüsse einzusetzen. Die Hektarbelastung bei diesen Betrieben ist sonst nicht mehr in vertretbaren Grenzen zu halten, nicht zuletzt bedingt durch die steigenden Baukosten.Die beschleunigte Eingliederung der deutschen Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt kann schließlich durch einen leistungsfähigen Agrarkredit in Verbindung mit staatlichen Investitionsbeihilfen gefördert werden. Die im Grünen Plan enthaltenen zinsverbilligten Mittel für Darlehen zur Förderung vordringlicher altrar- und ernährungswirtschaftlicher Maßnahmen müssen deshalb durch das EWG-Anpassungsgesetz entsprechend erweitert werden. Dabei sind die Kondition zur Besitzfestigung für Um-und Neubauten sowie zur Förderung der Binnenwasserwirtschaft einschließlich Drainagen besonders günstig zu stellen. Eine umfassende Investitionsförderung macht es darüber hinaus erforderlich, daß bei einzelnen Maßnahmen neben den zinsverbilligten Krediten Investitionsbeihilfen gewährt werden.Durch die Preisangleichung von Agrarprodukten im Rahmen einer Marktorganisation der EWG entstehen für die deutsche Landwirtschaft Ertragsverluste. Das EWG-Anpassungsgesetz muß nunmehr in Übereinstimmung mit dem Landwirtschaftsgesetz den von der CDU/CSU-Fraktion stets vertretenen und von der Bundesregierung auch stets anerkannten Einkommensausgleich für Ertragsverluste gesetzlich verankern. Das gilt insbesondere für die Einkommensausfälle, die infolge der Herabsetzung der Getreidepreise ab 1. Juli 1967 eintreten werden. Bekanntlich weichen die Vorausberechnungen über die Höhe dieser Einkommensverluste erheblich voneinander ab. Meine Fraktion hat deshalb eine Bestimmung in das EWG-Anpassungsgesetz aufgenommen, nach welcher die Bundesregierung in dem von ihr alljährlich nach § 4 des Landwirtschaftsgesetzes- zu erstattenden Grünen Bericht in einem besonderen Abschnitt genaue Feststellungen darüber zu treffen hat, ob und inwieweit die Einkommensminderung durch Preisangleichungen von Agrarprodukten im Rahmen der Marktorganisation der EWG entstanden sind. Wir vertreten den Standpunkt, daß diese Feststellungen nicht nur global für dais gesamte Bundesgebiet, sondern nach Betriebsgrößen, Betriebstypen und Betriebssystemen und nach Wirtschaftsgebieten aufzugliedern sind. Diese Aufgliederung wird Aufschlüsse darüber geben, in welchem Umfang sich die Getreidepreissenkung sowie noch mögliche andere Preisangleichungen auf die einzelnen Boden- und Veredelungsprodukte auswirken. Dasselbe gilt für die einzelnen Gebiete. Auf diese Weise wird das Hohe Haus einwandfreie Unterlagen über den Umfang und die Auswirkungen der Einkommensminderungen erhalten. Gestützt auf solche Unterlagen kann dann auch über die Verteilung der Einkommenserstattungen entschieden werden.Dem Hohen Hause ist bekannt — die Antwort auf die Große Anfrage hat es erneut bestätigt —, daß eine klare Bindung im Gesetz zur Zeit nicht möglich ist. Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung die Verteilung der Einkommenserstattung zu regeln. Wegen der grundsätzlichen agrarpolitischen Bedeutung dieser Maßnahme fordern wir jedoch, daß die Rechtsverordnung der Zustimmung des Deutschen Bundestages bedarf.Meine Damen und Herren, das Leitbild der deutschen und europäischen Agrarpolitik ist und bleibt nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion unverändert der bäuerliche Familienbetrieb. Wir haben deshalb auch die Förderung durch das von uns vorgelegte EWG-Anpassungsgesetz in Übereinstimmung mit dem Landwirtschaftsgesetz auf diesen bäuerlichen Familienbetrieb ausgerichtet. Neben den Betrieben, die unter das Altershilfegesetz fallen, wollen wir auch eine Berücksichtigung der zahlreichen kleineren Betriebe, die ihren Lebensunterhalt auch heute noch überwiegend aus der Landwirtschaft beziehen. Die globalen Hilfen, z. B. die Milchprämie, sollen auch in Zukunft allen Kuhhaltern zukommen.
Oder ein anderes Beispiel: wer unseren Boden mit dem Schlepper bearbeitet, hat Anspruch auf verbilligten Dieselkraftstoff.
Im Rahmen des EWG-Anpassungsgesetzes wollen wir verstärkt den kleineren Betrieben helfen, deren Inhaber Bauer im Hauptberuf bleiben will. Viele mühen sich, ihren Betrieb zu einem Vollerwerbsbetrieb auszubauen. Wir fördern deshalb mit allen Mitteln die Landaufstockung und die zwangsläufig damit verbundenen weiteren Investitionen. Wir wissen aber auch, daß eine rentable bäuerliche Familienwirtschaft in den kleineren Betrieben oft nur über eine verstärkte Veredelungswirtschaft möglich ist. Das Bekenntnis zu dem Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebes umfaßt deshalb eine klare Trennung zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Veredelungswirtschaft. Im Interesse der Erhaltung des bäuerlichen Familienbetriebes haben wir deshalb bewußt die gewerbliche Veredelungswirtschaft von der Förderung durch unser EWG-Anpassungsgesetz ausdrücklich ausgeschlossen.Meine sehr verehrten Damen und Herren. Durch die von mir erfolgte Begründung durfte ich dem Hohen Hause darstellen, auf welche Art und Weise die CDU/CSU-Fraktion den großen Wandlungsprozeß in der Landwirtschaft in Zukunft finanziell verstärkt unterstützen will. Wir alle wissen, daß für viele Bauern in der heutigen Zeit ihre Betriebe zu klein werden, um ihre Familien ganz daraus zu ernähren. Viele Betriebe werden auf diese Weise zu Nebenerwerbsbetrieben. Einige Bauern verpachten Ländereien, andere verkaufen Ländereien. Ohne Zweifel tauchen hier auch schwierige soziale Probleme auf; ich durfte sie kurz ansprechen. Wir werden entweder heute oder allenfalls bei der Behandlung der Altershilfenovelle auf diese Dinge ein-
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Struvegehen. Wir wissen aber auch, daß unsere junge Generation in der modernen Industriegesellschaft vielseitige Arbeitsplätze und auch guten Lohn findet. In starkem Maße bleibt sie — darüber sind wir beglückt — aber dem Land verbunden. Sie möchten dort weiter wohnen und oft auch durch Nebenerwerb das Einkommen verbessern. Uns allen ist bekannt, daß die Bundesregierung in Fünfjahresprogrammen alljährlich große Beträge bereitstellt — das Parlament ist diesen Vorschlägen immer einmütig gefolgt —, um auch bei Nebenerwerbsstellen, die neu errichtet werden, diese Landverbundenheit zu begünstigen. Wir meinen, daß dieses Programm durch einen besonders begünstigten Wohnungsbau auf dem Lande ergänzt werden soll für alle die Familien, die zwar nicht mehr alle in unmittelbarer Nähe einen Arbeitsplatz haben und finden, die aber ihren ländlichen Lebensraum erhalten wollen. Es lohnt sich, dafür besondere Mittel einzusetzen.
Das Wort zur Begründung der Vorlage Buchstabe d) hat der Abgeordnete Dr. Effertz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, mich kürzer zu fassen als mein Vorredner, um einer möglichen und wünschenswerten Diskussion über die vorliegenden Gesetzanträge auch noch etwas Raum zu lassen.
Wenn ich gewußt hätte, daß der Ältestenrat seinen Beschluß geändert hat und daß die Gesetzesvorlagen getrennt begründet würden, hätten wir bei der Begründung unserer Vorlage über das Marktstrukturgesetz selbstverständlich gleichzeitig auch unser EWG-Anpassungsgesetz begründet; denn unsere Vorlage ist etwas älter als die unseres Koalitionspartners.Nun zu meinem Auftrag! Ich habe den Auftrag, den Entwurf eines Gesetzes über staatliche Förderungen bei der Überleitung der deutschen Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt der EWG zu begründen. Was steht hier zur Debatte? Zur Debatte steht der Versuch, zu dem wir alle verpflichtet sind, im ,Sinne eines Beschlusses dieses Hohen Hauses vom 31. Januar 1962 eine gemeinsame agrarpolitische Konzeption zu entwikkeln, die der deutschen Landwirtschaft die Lebensfähigkeit auch im gemeinsamen europäischen Markt gewährleistet, die mit den Brüsseler Beschlüssen bzw. dem EWG-Vertrag vereinbar ist, die Interessen der Verbraucher wahrt und — dies sei besonders hervorgehoben — finanziell tragbar ist; ein Versuch also, die deutsche Agrargesetzgebung auf den Stand zu bringen, der nach unseren Verpflichtungen aus dem Vertrag von Rom und der aus der Verpflichtung gegenüber der deutschen Landwirtschaft notwendig ist.Nun wird man mit Recht draußen im Lande fragen: Warum ist denn das inzwischen, in dem Zeitraum vom Januar 1962 bis heute — wir schreiben doch das Jahr 1965 — nicht geschehen? Vielleicht liegt es daran, daß die Parteien aus übergeordneten, gesamtpolitischen Rücksichtnahmen geglaubt haben, sagen zu müssen: Um Gottes willen, rührt jetzt nicht an dieses damalige Versprechen, das hier im Bundestag einstimmig angenommen worden ist, in der Agrarpolitik eine gemeinsame Konzeption zu entwickeln; das könnte die Verhandlungen in Brüssel, das könnte die Vertiefung der Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland, die wir alle wollen, stören! — Inzwischen ist viel Wasser den Rhein hinuntergelaufen, und ich glaube, wir alle haben nach den jüngsten Vorgängen in Brüssel und nach dem Verhalten Frankreichs als Partner in der EWG erkannt, daß es reichlich spät geworden ist, womit ich nicht sagen will, daß es jetzt nicht mehr notwendig ist. Vielmehr ist es notwendiger denn je, das zu tun, was wir im Januar 1962 gemeinsam haben tun wollen.Anlaß für jenen Beschluß damals im Januar 1962 war die EWG-Debatte über das Ergebnis der Beratungen des Ministerrats in jenen zermürbend langen Beratungen um die Jahreswende 1961/1962. Damals wurden die Grundsatzentscheidungen für die künftigen gemeinsamen Marktordnungen und die Marschroute der EWG in Brüssel gefällt. Damals hätten wir postwendend — am besten schon vorher, zumindest aber sofort anschließend — in Ergänzung zum auch heute noch gültigen Landwirtschaftsgesetz das EWG-Anpassungsgesetz schaffen müssen. Meine Fraktion konnte damals in der Koalition und im Kabinett Leitsätze für die deutsche Delegation zur Geltung bringen, die bei voller Beachtung in Brüssel den inzwischen eingetretenen Schaden für die deutsche Landwirtschaft wenigstens zum Teil ferngehalten hätten. Aber die anderen wollten die deutsche Konzeption nicht akzeptieren. Insbesondere glaubte Frankreich ein moralisches Recht aus vorangegangenen Zusagen zu haben. Diese weitgehenden Zusagen hätten damals in den Marathonsitzungen Dezember/Januar 1961/62 nicht erfolgen dürfen. Ich darf an die Regierungserklärung des damaligen Bundeskanzlers Adenauer erinnern, in der gesagt wurde:Die Bundesregierung vertritt jedoch die Auffassung, daß dieser Eingliederungsprozeß der deutschen Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt organisch und behutsam vor sich gehen muß.— Statt dessen haben wir beschleunigt. —Sie ist weiter der Auffassung, daß .die deutsche Agrarpolitik sich nach wie vor nach den Zielen des deutschen Landwirtschaftsgesetzes auszurichten hat.— Was ist davon geblieben? —Die derzeitige Wirtschafts- und Einkommenslage der deutschen Landwirtschaft darf nicht verschlechtert, sie muß, wo sie unzureichend ist, verbessert werden.Weiter wurde zugesagt, daß, um ordnungsgemäß geführten Bauernbetrieben mit durchschnittlichen Produktionsbedingungen die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie zu gewährleisten,
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9184 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Dr. Effertzdas Landwirtschaftsgesetz, soweit erforderlich, entsprechend ergänzt werden soll.Das war im Herbst 1961. Und heute erst, im Mai 1965, vor fast leerem Hause, und nachdem vieles zu unserem Nachteil geschehen ist, unterhalten wir uns darüber, ob wir jetzt ein EWG-Anpassungsgesetz schaffen sollen.Damals unterstrich unser damaliger Fraktionsvorsitzender Dr. Mende in seiner Erwiderung zur Regierungserklärung — und das war ein besonderes Anliegen der FDP —, daß die Bemühungen um eine gemeinsame parlamentarische Aktion, die Änderung des Landwirtschaftsgesetzes, die Beseitigung bestehender Mängel und die Anpassung an die neue EWG-Situation dringend seien.Nun, meine Damen und Herren, auf was hat sich die ,deutsche Agrarpolitik bisher gestützt? Auf zweierlei, nämlich einmal auf das für den nationalen Bereich noch gültige Landwirtschaftsgesetz aus dem Jahre 1955 und zum anderen auf den EWG-Vertrag aus dem Jahre 1957. Schon damals, bei der Verabschiedung des EWG-Vertrages in diesem Hohen Hause, hätte man Überlegungen anstellen müssen, ob dieser EWG-Vertrag mit der Zielsetzung, der Formulierung und den angesprochenen Methoden und Maßnahmen im Landwirtschaftsgesetz noch vereinbar ist. Damals hätte man bereits erkennen müssen, daß das Landwirtschaftsgesetz novelliert, ergänzt werden muß. Spätestens aber war dieser Zeitpunkt im Dezember/Januar 1961/62 gekommen.Warum sage ich das? — Weil ich damit der Auffassung entgegentreten möchte, als ob wir jetzt ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt und die vielen noch unerledigten Gesetzesanträge in diesem Hohen Hause, ohne Rücksicht darauf, daß uns nur noch wenige Wochen zur Verfügung stehen, dieses unser Anliegen etwa nur aus wahltaktischen oder wahlpropagandistischen Gründen hier eingebracht und zur Behandlung gestellt hätten.
— Für diese Frage bin ich Ihnen dankbar; ich antworte Ihnen auch gern: Weil es mir leider in der Vergangenheit nicht gelungen ist, den größeren Partner davon zu überzeugen, daß ein EWG-Anpassungsprogramm nötig sei,
obwohl die CDU als Partei diese Forderung draußen im Lande schon seit langem gestellt hat.
Heute ist es möglich, heute wird es getan; leider sind es zwei getrennte Gesetzentwürfe.
— Na ja, ich soll ja offen reden. Wenn ich offen gefragt werde und deutlich gefragt werde, darf ich deutlich antworten.
- Leider Gottes, da waren alle drei Parteien im Wort. Wir wollten gemeinsam einen Entwurf zum Marktstrukturgesetz einbringen. Leider ist das nicht geschehen. Ich will nicht untersuchen, welche Partei zuerst diese Absprache durchbrochen hat.Meine Damen und Herren, wenn man sich das Landwirtschaftsgesetz heute im Text ansieht, insbesondere die Maßnahmen, die in der Klammer angesprochen sind, die wirklich zum Teil nicht mehr EWG-konform, vielmehr überholt sind, wenn man sich insbesondere den Art. 39 des EWG-Vertrages vergleichend damit ansieht, dann muß man feststellen, daß zwischen dem Text und der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes und dem Text und der Zielsetzung des EWG-Vertrages eine Lücke klafft, die ausgefüllt werden muß. Der Streit darüber, ob man nun sagen soll, das sei ein EWG-Überleitungsoder Anpassungsgesetz, ist müßig.Es fehlt also der wirkliche Verbund zwischen dem nationalen Landwirtschaftsgesetz und der in Brüssel praktizierten EWG-Politik. Es fehlt vor allem auch die gesetzliche Möglichkeit, um für die Angleichung der Förderung der deutschen Landwirtschaft an die weit vorauseilende Förderung in den anderen EWG-Ländern das notwendige gesetzliche Fundament zu schaffen. Eis ist doch nicht zu bestreiten, daß die Partnerländer, insbesondere Frankreich, stets betont haben und offen zugeben, daß sie ihre nationalen Interessen über das gemeinsame Anliegen stellen und daß sie für diese Politik sehr klare Konzeptionen mit nach Brüssel nehmen.Je länger dieser Zustand dauert und je fester sich die Vorstellung bei den anderen, die ich eben anführte, versteift, solange die Bundesrepublik also nach deren Vorstellungen als wichtigster Absatzmarkt immer nur nachzugeben hat, die anderen dagegen immer nur fordern dürfen, werden die Illusionen zerplatzen, die insbesondere die Verbraucher und die Steuerzahler in der Richtung gehegt haben, als ob durch den Gemeinsamen Markt im Angebot alles vielfältiger — das ist der Fall —, aber auch alles billiger würde. Die Brötchen sind inzwischen nicht billiger geworden; sie werden in Zukunft auch nicht billiger, sondern teurer. Der Verbraucher und der Steuerzahler wird erst dann aufschrecken und einen Schock bekommen, wenn er erkennt, welche Rechnungen uns für das Jahr 1967 für die gemeinsame Kasse in Brüssel, insbesondere zum Nutzen der französischen Agrarpolitik, aufgebürdet werden.Deshalb bin ich der Meinung, daß es nützlich wäre, wenn wir unserer Debatte über dieses EWG-Anpassungsgesetz einen anderen politischen Akzent gäben, wenn wir einmal aus der Enge der nur agrarpolitischen Betrachtung, aus der sogenannten Grünen-Front-Sicht herausträten und den deutschen Steuerzahler und Verbraucher ansprächen, um sich mit ihm darüber zu unterhalten, wie er sich die Beantwortung der Frage vorstellt, was ihn dieses Experiment, dieses einseitige Experiment der EWG in Brüssel in Zukunft zusätzlich zu allem Bisherigen kosten wird.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu dem Gesetzentwurf selbst noch einiges — und zwar kürzer als mein Vorredner - bemerken.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9185
Dr. EffertzIch darf betont darauf hinweisen, daß unser Gesetz als Rahmengesetz gedacht ist und sich deshalb in der Formulierung in straffer Zusammenfassung auf die wichtigsten Dinge beschränkt. Lassen Sie mich diese wichtigsten Dinge kurz erwähnen.Wichtig ist der § 3 in Verbindung mit dem § 1. Wir beziehen uns sowohl auf den EWG-Vertrag wie auf das Landwirtschaftsgesetz und wünschen — was leider im Landwirtschaftsgesetz damals nicht geschehen ist — eine zwingendere Verpflichtung für die jeweilige Regierung, zur Erreichung einer Zielsetzung im Gesetz bestimmte Maßnahmen zu ergreifen und anzuwenden.In § 4 ist die Verbesserung der Argarstruktur behandelt. Man hat mir entgegengehalten: „Was soll denn die Agrarstruktur in einem EWG-Anpassungsgesetz?" Nun, da es ein Rahmengesetz ist, glaubten wir in diesem Gesetz alle Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft auf allen Gebieten ansprechen zu sollen; aber speziell zur Agrarstrukturverbesserung glaubten wir mit der Erwähnung in § 4 darauf hinweisen zu sollen, daß auf die Dauer eine Verbesserung der Agrarstruktur im Bundesgebiet nur dann noch sinnvoll ist, wenn man in Mehrjahresplänen plant und Maßnahmen festlegt. Es hat nämlich bei der Dauer der langfristigen Planung keinen Sinn, immer nur von Jahr zu Jahr langwierige Prozesse einzuleiten; es hat nur Sinn — ähnlich wie beim Wohnungsbau und Straßenbau — über mehrere Jahre, am besten über fünf Jahre, eine Planung einzuleiten, damit ein anders zusammengesetztes Parlament nicht von heute auf morgen alles wieder umwerfen kann, ich sage das ganz offen, was dann auch die entsprechenden finanzpolitischen Konsequenzen zwingend nach sich zieht.Wir möchten aber auch mit der besonderen Erwähnung in einem Paragraphen dieses Anpassungsgesetzes ein altes Anliegen der FDP unterstreichen: daß wir endlich einmal bereit sein sollten, eine Flurbereinigung zwischen Grünem Plan und Etat des Ernährungsministeriums vorzunehmen und entweder alles aus dem Grünen Plan herauszunehmen, was nichts mit konjunkturpolitischen Dingen zu tun hat, so daß also im Grünen Plan nur der Strukturwandel übrigbleibt, oder umgekehrt zu verfahren. Das Durcheinander zwischen Grünem Plan und Haushalt des Ernährungsministeriums scheint uns auf die Dauer die Dinge nur zu verschleiern.In § 5 haben wir die Verbesserung der Betriebsstruktur angesprochen und all die Maßnahmen erwähnt, die im Zusammenhang damit zur Herstellung einer Wettbewerbsgleichheit auch im technischen Bereich der Produktion mit den anderen Partnerländern zu treffen sind. Dabei haben wir natürlich auch die alte Verschuldung — kurzfristiger und mittelfristiger Natur — angesprochen.In § 6 haben wir die Verbesserung der Marktstruktur angesprochen, und zwar sehr kurz und knapp, weil in Abs. 2 ein Marktstrukturgesetz als Ausführungs- oder Ausfüllungsgesetz zu der im Rahmengesetz festgelegten Grundsatzverpflichtung vorgesehen ist.Nun liegen dem Hohen Hause drei Entwürfe vor: ein Entwurf der SPD über ein Marktstrukturgesetz, ein Entwurf meiner Partei über ein Marktstrukturgesetz und ein Entwurf der CDU/CSU über ein Marktstrukturfondsgesetz, also mit einem anderen Namen. Ich will mich heute nicht darüber streiten, was am Ende bei den Beratungen im Ernährungsausschuß als bestes Ergebnis herauskommen wird. Ich bin der Meinung: wenn wir uns zu dem Standpunkt durchringen können, daß wir zunächst ein Rahmengesetz schaffen müssen, um dann zu den Ausführungsgesetzen Stellung zu nehmen, werden wir uns auch über das bestmögliche Marktgesetz — so will ich es einmal ganz knapp nennen — einigen können.
Wir haben dann in § 7 die Investitionshilfe angesprochen, und zwar erst in § 7, im Gegensatz zu unserem größeren Koalitionspartner, der diese Frage bereits im § 1 seines EWG-Anpassungsgesetzes angesprochen hat, was mich freut; denn hier wird wieder eine Einheit in den Auffassungen hergestellt, nämlich dahin, daß wir nicht nur bei Investitionshilfen langfristig planen müssen, sondern daß die Zusage des Herrn Bundeskanzlers für die sogenannte Vorfeldbereinigung tatsächlich für zehn Jahre gedacht ist in der Größenordnung von jährlich wenigstens 1,1 Milliarden DM.Wenn wir im Zusammenhang mit unserem Anpassungsgesetz in § 7 diese 1,1 Milliarden DM nicht angesprochen haben, dann hat das einen besonderen Grund: nicht etwa, weil wir diese Zusage des Bundeskanzlers nicht gekannt oder nicht mehr für Rechtens angesehen hätten, sondern weil wir davon ausgingen: wir wissen nicht, wann das Gesetz verabschiedet wird, wir wissen nicht, was in Brüssel noch alles an Vorleistungen unsererseits erfolgt; erst dann, wenn wir das im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes wissen, können wir die endgültige Summe für die Bereinigung des Vorfeldes einsetzen. Sie kann unter Umständen wesentlich höher als 1,1 Milliarden DM sein. — Diese meine Bemerkung ist als Warnung gedacht, insbesondere für die kommende Aussprache zwischen dem Bundeskanzler und Herrn de Gaulle, wenn es sich darum handelt, ähnlich wie in Rambouillet im Vertrauen auf die Zusage der anderen deutsche Vorleistungen zu erbringen, die nachher nicht honoriert werden.Meine Damen und Herren, wenn der Herr Präsident gestattet, möchte ich zur Beleuchtung der Dringlichkeit der zur Behandlung stehenden Fragen einige Zitate aus einer Zeitung bringen, und zwar aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von vorgestern. Ich tue das um so lieber, als sich die FAZ ja nicht genug tun konnte, uns noch in Zusammenhang mit der Getreidepreisdebatte in Brüssel im Dezember vorigen Jahres dringend zu raten, wir sollten doch endlich im Interesse höherer Prinzipien der politischen Einigung nachgeben; alles würde ja ausgeglichen, wenn nachgegeben würde, und so weiter. Was schreibt die FAZ heute, nachdem wir nüchterner geworden sind und nachdem uns Herr de Gaulle sein eigentliches Konzept, was er sich
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9186 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Dr. Effertzunter EWG vorstellt, in den letzten Wochen sehr brüskierend und schockierend immer wieder vorgesetzt hat?Die FAZ geht von einem Ausspruch de Gaulles in seiner großen Pressekonferenz aus: „Wie groß auch das Glas sein mag, das man uns von draußen reicht, wir trinken lieber aus unserem Glas und stoßen mit den anderen an." Die FAZ fährt dann fort:Was jedoch die landwirtschaftlichen Ambitionen Frankreichs in der EWG angeht, so bleibt der sichere Eindruck, daß hier de Gaulle ohne jede Gegenleistung ,aus den Gläsern der anderen trinken will. Nicht genug damit: Er nimmt die Glaser anderer, um mit Leuten außerhalb des Gemeinsamen Marktes, mit China und Rußland, anzustoßen. Frankreich macht politische Weizengeschäfte mit diesen beiden kommunistischen Ländern und läßt sie von den anderen fünf Partnern im Gemeinsamen Markt subventionieren.— Dieser Export nach China hat z. B. die Bundesrepublik nach meinen Informationen allein 110 Millionen DM gekostet. -
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9187
Aber die erste Vorlage zur Marktstrukturverbesserung kam von der SPD, und darum war sie für Sie tabu.Viertens. Am 17. Februar habe ich alle Agrarpolitiker dieses Hauses beschworen, sich unverzüglich über eine Dringlichkeitsliste für die Behandlung der anstehenden Gesetze und Anträge zu verständigen. In dieser Liste sollte die Verbesserung der Marktstruktur einschließlich der Absatzförderung an erster Stelle stehen. Wir bedauern außerordentlich, daß die beiden Regierungsfraktionen auf dieses Angebot nicht reagiert haben. Wir hätten in diesem Hause das tun können und sollen, worüber wir uns einig sind — und das ist doch eine ganze Menge. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben den Beginn der Beratungen über ein Marktstrukturgesetz mit dem Hinweis auf ihre eigenen Pläne hinausgezögert und Ihre Entwürfe so spät eingebracht, daß eine grundsätzliche Diskussion nicht mehr möglich ist. Wenn der wichtige Problemkreis der Marktstrukturverbesserungen nicht mehr ausreichend und richtig behandelt werden kann, trifft die Verantwortung dafür allein die Koalition. Es liegen nicht wenige Anzeichen dafür vor, daß ein solches Ergebnis von einem Teil der Koalitionsfraktionen und auch von der Bundesregierung beabsichtigt ist.Fünftens. Das gleiche gilt auch für die beiden EWG-Anpassungsgesetze, die in aller Eile mit der linken Hand zusammengebastelt worden sind und die in der vorliegenden Form überhaupt nicht praktiziert werden können, es sei denn, man mutet der Bundesregierung zu, sich über fundamentale Bestimmungen des Haushaltsrechts und der Römischen Verträge hinwegzusetzen. Im Grunde ist es eine unerhörte Zumutung für das Parlament, fünf Minuten vor zwölf derartige Anträge mit weitreichenden Konsequenzen einzubringen. Das ist einfach unseriös!
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9188 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Dr. Schmidt
Ich fühle mit Ihnen, Herr Kollege Struve, daß es grausam ist, wenn der Partner, Ihr Partner, immer so voreilig handelt.
Ihre im Agrarbrief — —
— Moment mal. Ich will Ihnen noch einmal etwas geben.
— Jetzt rede ich erst einmal Herrn Struve an. Ihre im Agrarbrief der CDU vom 14. 4. unter der Überschrift „Vorsicht" ausgesprochene Warnung vor dem Übereifer und mit der Versicherung, daß die FDP-Vorlage keine Chance habe, trifft erst recht für Ihren Gesetzentwurf zu, den wir erst am Mittwoch bekommen haben.
Wenn die Koalition zu einer ernsthaften Beratung bereit ist, werden wir uns trotzdem einer positiven Mitarbeit nicht verschließen.
— Hören Sie nur zu, Herr Kollege Reinhard!
— Beruhigen Sie sich nur, verschießen Sie Ihr Pulver nicht zu früh.Wir erwarten zunächst eine konkrete Stellungnahme der Bundesregierung, die es bisher strikt abgelehnt hat, gedrängt durch entsprechende Beschlüsse des Koalitionsausschusses, die Erklärung des Bundeskanzlers vom 30. 11. 1964 gesetzlich abzusichern. Der anwesende Staatssekretär Herr Hüttebräuker hat dies auf meine konkrete Anfrage in der Fragestunde vom 17. Dezember 1964 in aller Klarheit dargelegt, und daran hat sich inzwischen nichts, aber auch gar nichts geändert. Falls die Bundesregierung hier und heute — darauf lege ich Wert — nicht in der Lage sein sollte, eine präzise Erklärung zu dem Inhalt dieser beiden EWG-Anpassungsgesetzentwürfe abzugeben, sehen wir uns gezwungen, sie als das zu bezeichnen, was sie ja wohl auch sind, nämlich als Schaufensteranträge, mit denen der Wahlkampf von heute bis zum 19. September geführt werden soll.
Sie müssen, meine Damen und Herren von der Koalition, Ihre Position draußen auf dem Lande doch schon als so erschüttert ansehen,
daß Sie derartige Vorschläge jetzt in dieser Zeit noch notwendig haben. Sie müssen nicht zuviel Vertrauen in Ihre Arbeit der letzten vier Jahre haben, und Sie müssen wohl auch festgestellt haben, daß das Kanzlerwort bei den Bauern nicht mehr gefragt ist.
Sechstens: Im übrigen ist daran zu erinnern, daß diese beiden Anpassungsgesetze erst zu einem Zeitpunkt vorgelegt werden, wo nach der Verabschiedung des Haushaltes deutlich geworden war, daß die Bundesregierung einen Teil der für dieses Jahr gemachten Zusagen wieder zurückgenommen hatte. Diesen Wortbruch hat sich die Landwirtschaft natürlich gemerkt, und Präsident Rehwinkel hat nicht zu Unrecht von einer Brüskierung gesprochen. Demgegenüber darf ich auf die von Senator Schiller im Auftrage des Parteivorstandes der SPD abgegebene Erklärung über ,die Einlösung eingegangener Verpflichtungen hinweisen.Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß ich es mir kaum versagen kann, in der heutigen Debatte — vor allem nach ,den Ausführungen unseres Kollegen Struve — die 'agrarpolitische Situation von heute und ihre Hintergründe etwas näher zu beleuchten. Wenn man den in den letzten Wochen und Monaten dabei entwickelten propagandistischen Nebel wegscheucht, dann stößt man sofort auf die Tatsache, daß sich die agrarpolitische Konzeption, mit der die derzeitige Mehrheit im Jahre 1961 angetreten ist, in einen Scherbenhaufen verwandelt hat.
Diese Konzeption — ich will sie Ihnen vortragen, weil Sie sie nicht mehr wahrhaben wollen; es ist der Stand von 1961
war davon ausgegangen, daß —so las man es sinngemäß in der Regierungserklärung — die Harmonisierung der Agrarpreise im Gemeinsamen Markt und der verschärfte Wettbewerb weiter hinausgeschoben werden können und die gesamte EWG-Übergangszeit zur Verfügung stehen würde, um den Eingliederungsprozeß — ich zitiere wörtlich —„organisch und behutsam" vor sich gehen zu lassen.Wir haben immer wieder und leider vergeblich vor dieser Fehlspekulation gewarnt. Die bescheidensten Erwartungen sind nicht eingetroffen, die man auf Grund der überlauten Erklärungen der Bundesregierung ,an den Getreidepreisbeschluß vom 15. Dezember 1964 hätte knüpfen können. Von einem Durchbruch nach Europa kann heute wohl nicht mehr die Rede sein, eher von einem Durchfall!
— Wie Sie, Herr Kollege Ertl, mit all dem fertig werden, das ist Ihre Sache. — Aber Sie dürfen sicher sein, daß wir jeden Versuch zurückweisen werden, die ,SPD ,damit zu belasten. Natürlich ist es nicht einfach für Sie, Ihre jüngste agrarpolitische Vergangenheit zu 'bewältigen.
Ihre Spekulation ,auf die Vergeßlichkeit der Wähler erweist sich aber mit Sicherheit als Rohrkrepierer, wenn Sie derart plump vorgehen, wie es Ihr Kollege Richarts kürzlich auf einer Sitzung des Agrarausschusses in Rheinland-Pfalz getan hat, wo er erklärt haben soll, „nicht der Bundeswirtschafts-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9189
Dr. Schmidt
minister, sondern die SPD habe .den deutschen Getreidepreis verraten".
— Beruhigen Sie sich, Herr Bauknecht!Der CDU-Agrarbrief vom 14. April, dem ich diese Neuigkeit entnommen habe, vermerkt leider nicht, wie die Zuhörer auf diese Äußerungen des Herrn Richarts reagiert haben. Da ich mir kaum vorstellen kann, daß die Bauern in jenen Teilen von Rheinland-Pfalz, in denen Herr Richarts zu Hause ist, weder Tageszeitungen noch die landwirtschaftlichen Wochenblätter lesen, kann ich mir auch kaum vorstellen, daß er für dieses Märchen irgendwelchen Beifall hat einheimsen können. Im übrigen dürfte es in höchstem Maße bedenklich sein, die politischen Kenntnisse unserer Bauern so zu unterschätzen, daß man ihnen unterstellt, sie würden ohne Widerspruch die Behauptung hinnehmen, das, was die Regierung tue, geschehe im Auftrage der Opposition!
— Natürlich, Herr Struve, ich kenne sie doch.Um die Peinlichkeit zu vernebeln, daß die Bundesregierung am 15. Dezember genau das Gegenteil von dem getan hat, was die Koalition ihren Wählern versprochen hatte, und über die noch größere Peinlichkeit hinwegzutäuschen, daß die von der CDU und FDP getragene Bundesregierung an diesem entscheidenden Tage auch nicht den Ansatz eines neuen Agrarprogramms vorzuweisen hatte, ist man kurz vor Toresschluß darangegangen, einige Anträge, die gerade begründet worden sind, zu Papier zu bringen. Natürlich wird die SPD allein daran schuld sein, wenn diese nicht mehr verabschiedet werden können.Damit will man gleichzeitig die Erinnerung an jene Programme verwischen, mit denen die Koalition und vor allem die CDU/CSU vor vier Jahren angetreten sind und die sie in nahezu allen Punkten nicht erfüllt haben. Die wichtigsten agrarpolitischen Aufgaben wurden überhaupt nicht angepackt und sind weit hinter der Ankündigung zurückgeblieben.Am 6. Juli .1961 hatte Bundesernährungsminister Schwarz auf dem agrarpolitischen Kongreß der CDU in Bad Godesberg erklärt — ja, wir haben die Papiere alle noch; .wir heben sie alle gründlich auf; denn wir brauchen sie an einem solchen Tag —,
die Bundesregierung werde an dem Landwirtschaftsgesetz unbeirrt festhalten. Daß die in diesem Gesetz aufgeführten Mittel der allgemeinen Wirtschafts-und Agrarpolitik durch Entscheidungen des Ministerrats beschränkt worden sind, kann man der Regierung natürlich nicht anlasten. Aber es muß ihr vorgeworfen werden, daß sie die ihr verbliebenen Mittel nicht oder nur teilweise genutzt hat.Die Fortschritte in der Strukturverbesserung, die man zu Beginn der Legislaturperiode noch zu erkennen glaubte, sind von Jahr zu Jahr geringer geworden und werden vermutlich in diesem Jahr einen Tiefstand erreichen, weil man das Geld für andere Dinge braucht. Die Möglichkeiten einer Kostensenkung bei der Aussiedlung und der Althofsanierung durch Förderung der Fertigbauweise und die Aussetzung der Zölle für fertige Wohnhäuser wurden trotz ständiger Hinweise durch uns nicht genutzt. Die amtlichen Richtlinien für die Strukturmaßnahmen wurden hinausgezögert, damit Haushaltsreste für andere Zwecke übrigblieben. Die von Ihrem Landesminister Niermann in Oldenburg proklamierte Weiterführung der zielstrebigen Strukturpolitik erhält nur dann die rechte Beleuchtung, wenn man weiß, daß seit Bestehen dieser Maßnahmen die Regierung und die Koalitionsparteien zu jedem Fortschritt haben fast förmlich gepreßt werden müssen. Die von Herrn Niermann geforderte Gleichrangigkeit der Althofsanierung mit der Aussiedlung hat er uns ebenso abgeguckt wie die notwendige Vorfinanzierung der Flurbereinigung usw. usf.
— Das wissen Sie doch!
Die Raumordnung in den ländlichen Gebieten wurde vernachlässigt. Während es der französische Agrarminister Pisani durchgesetzt hat, daß ihm die Kompetenz für die Neuordnung der ländlichen Räume übertragen wurde, zeigte sich Minister Schwarz, der schon auf Grund der außerordentlichen Aktivität seines Vorgängers die Chance gehabt hätte, in der Bundesrepublik der deutsche Dorfminister zu werden, geradezu erleichtert, als er damit nichts mehr zu tun hatte.Die Möglichkeiten einer Senkung der Kosten der Landwirtschaft, auf die das Bundeswirtschaftsministerium auf Grund einer Großen Anfrage meiner Fraktion in einem umfangreichen Bericht hingewiesen hatte, wurden nicht genützt. Immerhin kann es meine Fraktion als Erfolg verbuchen, daß wenigstens bei Düngemitteln kleinere Preissenkungen erfolgt sind, die ohne unsere Initiative unterblieben wären.Ein anderer Gesichtspunkt: Wenn nach Landesminister Niermann die soziale Sicherung der ländlichen Bevölkerung nunmehr im Vordergrund Ihrer Bemühungen steht, dann darf ich Ihnen dazu gratulieren. Sie haben zehn Jahre gebraucht, von den Beratungen des Landwirtschaftsgesetzes 1955 bis heute, um das zu begreifen. Es ist kein Geheimnis, daß sich gerade Bundeskanzler Professor Erhard bisher immer mit aller Hartnäckigkeit gegen eine bessere soziale Sicherung des Landvolks ausgesprochen hat. Erst in Oldenburg mußte er sich angesichts des Wahltermins und der Vorgänge in unseren Nachbarländern für die Erweiterung der sozialen Maßnahmen aussprechen. Die Forderung der SPD nach einer Verbesserung der Altershilfe und der Unfallversicherung, die schließlich auch von der CDU unterstützt worden ist, wäre fast am Veto der Bundesregierung gescheitert, wenn nicht die Vorfeldbereinigung dazwischen gekommen wäre, wo
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9190 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965
Dr. Schmidt
Geld war. Und anscheinend hat Herr Niermann, als er in Oldenburg von der großen künftigen Bedeutung der Betriebshelfer und der Förderung durch den Bund sprach, auch gar nicht gewußt, daß diese Maßnahme sozialdemokratischer Initiative entsprungen ist. Daß die Förderung dieser Maßnahmen infolge der Streichung der Zuschüsse für die Unfallversicherung um 50 Millionen in Gefahr gerät, das gehört zu den vielen Widersprüchen zwischen den Erklärungen und der politischen Praxis, gerade in der Sozialpolitik der Bundesregierung.Auch von den im Landwirtschaftsgesetz angesprochenen Möglichkeiten der Kreditpolitik, die von der EWG bisher nicht beschnitten worden sind, hat die Bundesregierung einen mehr als bescheidenen Gebrauch gemacht. Gerade darauf hatte das Wahlprogramm der CDU/CSU im Jahre 1961 besonderen Wert gelegt. Unter Punkt 4 heißt es dort:Die Zinsverbilligungsaktionen müssen verstärkt und vereinheitlicht werden, um hinsichtlich der Verzinsungen und Laufzeit dem langfristigen Kapitalumschlag und der geringen Kapitalverzinsung in der Landwirtschaft zu entsprechen ... Durch die Zinsverbilligung müssena) die noch notwendigen Betriebsumstellungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ermöglicht werden,b) alle bisher zum Zwecke der Rationalisierung und Betriebsanpassung aufgenommenen kurzfristigen Kredite in mittel- bzw. langfristige Kredite umgewandelt und auf den genannten Zinssatz ermäßigt werden.Soweit das Zitat aus den Erklärungen vom Juli 1961. Genau die gleichen Formulierungen — fast wörtlich gleich — sind in dem vorgelegten Anpassungsgesetz aufgeführt. Das heißt mit anderen Worten, auch in diesem Punkt hat die CDU/CSU ihr vor vier Jahren gegebenes Wahlversprechen nicht gehalten. Nebenbei bemerkt: daß die Einführung der Grundsätze des Stufeninvestitionsplans über die Hintertreppe Ihres Anpassungsgesetzes erfolgen soll, ist ein weiterer Beweis dafür, daß Sie jetzt Forderungen verkünden, die wir seit Jahren erheben.
In Punkt 1 der Entschließung der CDU zur Agrarpolitik vom 6. Mai 1961 hat es geheißen — ich zitiere wörtlich —, die Handelspolitik müsse mehr als bisher auf den bevorzugten Absatz der Eigenproduktion Rücksicht nehmen.
- Herr Kollege, wenn Sie die Begründung von Herrn Kollegen Struve gehört hätten, bräuchten Sie diesen Zwischenruf nicht zu machen. Er hat ganz ausführlich am Anfang all die Vorzüge der bisherigen Politik unterstrichen und auch die Frage, die ich hier behandele.Daß die Konkurrenz auf dem Inlandsmarkt durch die Entscheidungen des Ministerrats schärfer wird, wird man der Regierung nicht ankreiden können. Eines der schwersten Versäumnisse ist aber, daß sie es bei keinem Marktordnungsprodukt fertiggebracht hat, den deutschen Erzeugern mit Hilfe EWG-konformer Erstattungen neue Märkte zu öffnen.Ich komme nun zur Marktstruktur. Die Marktchancen, die heute nicht sorgfältig untersucht, ausgebaut und gepflegt werden, werden morgen bestimmt nicht mehr vorhanden sein. Dann wird es dem deutschen Agrarexport so gehen wie im Märchen vom Hasen und vom Igel: Sosehr sich der Hase auch bemüht, die anderen sind immer schon längst da.Damit komme ich zu einem weiteren Punkt des Programms 1961, der auch im Zusammenhang mit Ihren Gesetzentwürfen steht und der genauso wenig erfüllt worden ist wie die anderen Punkte. Dort heißt es wörtlich:Die Wettbewerbsverzerrungen in der EWG und bei Drittländern, die ihren Grund in unterschiedlichen Produktionsverhältnissen, in Exporthilfen und in manipulierten Preisen haben, müssen beseitigt werden.
Aber wie sieht die Wirklichkeit nach vier Jahren aus? Tatsache ist zunächst, daß es die Bundesregierung 'bisher nicht für notwendig gehalten hat, von sich aus gründlich zu untersuchen, in welchen Fällen, bei welchen Erzeugnissen und mit welchen Mitteln der Wettbewerb eigentlich verzerrt wird. Diese Verhaltensweise hatte natürlich den Vorteil für die Bundesregierung, daß sie zu den ungezählten mündlichen und schriftlichen Anfragen, die in den letzten vier Jahren von uns und von den Koalitionsparteien zu einzelnen Wettbewerbsverzerrungen gestellt worden sind, immer wieder erklären konnte, ihr sei davon nichts bekannt; das haben wir auch vorhin wieder gehört.Über die Tätigkeit der ausländischen Marktfonds, die vom Herrn Kollegen Struve soeben in bewegten Worten geschildert worden ist, wissen wir auf Grund einiger privater Untersuchungen wenigstens einigermaßen Bescheid. Die Bundesregierung hat sie nicht im mindesten unterstützt. Was im Ausland geschieht, war und ist ihr völlig gleichgültig. Obwohl dafür Beweise vorliegen, daß eine Reihe von Maßnahmen des französischen FORMA nicht nur wettbewerbsverzerrend, sondern sogar vertragswidrig sind, hat sie dagegen bis jetzt keinen Einspruch erhoben. In einer Presseerklärung der EWG-Kommission vom 5. Mai 1965 heißt es wörtlich — ich zitiere —:Auch die Vertreter der Bundesrepublik haben in den dafür zuständigen Gemeinschaftsorganen bisher keinen konkreten Fall vorgebracht, der mit dem geltenden EWG-Recht unvereinbar ist. Die Bundesrepublik hat auch bisher keine formellen Beschwerden gegen die Tätigkeit der französischen und niederländischen Marktfonds vorgebracht.Wörtlich zitiert!
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9191
Dr. Schmidt
— Ich habe es gerade zitiert. Ich wiederhole es, damit Sie es begreifen, Herr Besold. Sie scheinen schwerhörig zu sein. Das können Sie in der Presseerklärung der EWG vom 5. Mai 1965 lesen.
— Wenn Sie so wenig wissen, tun Sie mir leid. Dann wollen Sie überhaupt noch in der EWG-Agrarpolitik mitreden? Damit können Sie nicht antanzen.Diesen richtigen Feststellungen der Kommission ist nichts hinzuzufügen. Sie zeigen ebenso wie die Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage über den Wettbewerb bei landwirtschaftlichen Produkten im Raume der EWG —Drucksache IV/3343 —, daß die CDU/CSU-Kollegen auf Sand gebaut haben, wenn sie glauben, die derzeitige Regierung sei gewillt, der deutschen Landwirtschaft gleiche Wettbewerbsbedingungen zu verschaffen.Welche Auffassungen — nun, Herr Kollege Struve, komme ich zu Ihnen speziell, hören Sie gut zu — die Minister Schwarz und Dahlgrün zu dem Marktfondsentwurf der CDU vertreten, das haben sie einer breiten Offentlichkeit bereits mitgeteilt. In den „Informationen für die Wirtschaftsberatung", herausgegeben vom AID, der bekanntlich dem Ernährungsminister untersteht, werden in der Ausgabe vom 17. April sämtliche Kerngedanken des CDU-Entwurfs in Bausch und Bogen abgelehnt.
Es heißt dort, für zusätzliche berufsständische Marktregulierung über nationale Fonds bleibe immer weniger Spielraum, und die Fonds in den Nachbarländern müßten ihre Tätigkeit einschränken. Weiter wird damit gedroht, die EWG-Kommission werde sich einschalten. Schließlich wird die Reichshaushaltsordnung ausgiebig zitiert, um zu beweisen, daß das ganze Projekt nicht durchführbar ist.
— Hören Sie, daß es sich dabei nicht etwa um eine Stellungnahme von untergeordneten Organen des Ministeriums handelt, geht schon daraus hervor, daß sich der AID ausdrücklich auf eine Weisung des Landwirtschafts- und des Finanzministers beruft.
Ich verstehe durchaus, — —
— Das habe ich doch gesagt. Sie scheinen von langer Leitung zu sein.
Herr Abgeordneter Schmidt, ich bitte, sich doch einer etwas liebenswürdigeren Tonart zu bedienen. Das scheint zu so später Stunde besonders angezeigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin liebenswürdig genug. Wenn ich erst einmal auspacke, was glauben Sie, dann fallen die alle um.
Ich verstehe durchaus — ich wiederhole Herr Kollege Struve —, daß die Erklärung Ihrer Minister bei Ihnen einiges Entsetzen hervorgerufen hat.
Aber es handelt sich — ich sage es nochmal — um den Standpunkt der zuständigen Ressorts Ihrer Bundesregierung.Es ist doch durchaus verständlich, daß das völlige Versagen der Bundesregierung in der Wettbewerbsfrage auch Ihnen von der CDU/CSU allmählich peinlich ist.
— In der Wettbewerbsfrage! Das ist schließlich der eigentliche Grund und der eigentliche Anlaß zu Ihrer Vorlage, wobei ich natürlich auch weiß, daß große Teile der CDU und vor allem der CSU wenig Freude daran haben.
— Ja, das wissen wir schon.Die beiden Sprecher der Koalition haben in der Begründung der Gesetzentwürfe erklärt, es gehe ihnen darum, die Marktposition der landwirtschaftlichen Betriebe zu verbessern.
— Herr Kollege, an solchen Debatten kann man sich nur beteiligen, wenn man etwas davon versteht. Sie haben es vergessen. Mit Ihnen kann man nur so reden, sonst begreifen Sie es nicht.
Schon in Punkt 6 des Wahlprogramms der CDU von 1961 heißt es wörtlich — ich zitiere —:Entsprechende Hilfsmaßnahmen zur Förderung von Einrichtungen für den Ausbau moderner Vermarktungsfonds für die pflanzliche und tierische Veredlungswirtschaft sollen ausgebaut bzw. neu in die Wege geleitet werden.Das war das Zitat.
Was ist nun tatsächlich in dieser Frage seit 1961 unternommen worden? Wenn die Aktivität der Bundesregierung wirklich so umfassend gewesen wäre, Herr Kollege Besold,
wie es die amtlich bezahlten Propagandisten gern darstellen, dann wären die Entwürfe der CDU und FDP völlig überflüssig oder sie wären vor Jahren als Regierungsvorlage hier in diesem Hause eingebracht worden.
Ich weiß, daß Sie landauf-landab verkünden werden,
daß die Vorlagen der SPD und die der Wirtschaftsverbände zur Marktstrukturverbesserung in organisatorischer und materieller Hinsicht nicht ausrei-
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Dr. Schmidt
chen — Herr Kollege Struve hat das eben bestätigt —, und daß der Fonds als Abwehrinstrument allein geeignet wäre, die Landwirtschaft vor Wettbewerbssorgen zu bewahren.
Sie nähren aber damit Illusionen, daß der Marktstrukturfonds die Wunderwaffe ist, mit der man verstopfte Märkte, Preiszusammenbrüche und ähnliche Schwierigkeiten wie mit einem Zauberstab verhindern könne.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe für den Redner.
Mit denen werde ich selber fertig!
Herr Kollege Schmidt , das ehrt Ihr Selbstbewußtsein.
Ich kenne die Kollegen teilweise schon seit 16 Jahren.
Das geht sicher ebenso ins Auge — dafür stehe ich heute schon gerade —, wie es Ihnen mit Ihren Illusionen über den Getreidepreis gegangen ist.
— Aber Sie haben es bewerkstelligt! Ihr Minister Schmücker
hat doch das entscheidende Wort gesprochen.
— Wenn Sie uns Herrn Kriedemann vorwerfen, dann wir Ihnen Herrn Lücker.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich allgemein weniger aufregen, kommen wir mit der Diskussion rascher zu Rande.
Lassen Sie mich zusammenfassend folgendes sagen.
Herr Abgeordneter Reinhard, ich darf auch Sie um etwas Ruhe bitten.
Am Ende dieser Legislaturperiode darf also festgestellt werden, daß die Bundesregierung auf allen wichtigen Gebieten der Agrarpolitik nicht das gehalten hat, was ihre Koalitionsparteien den Wählern 1961 versprochen hatten.
Wir stellen weiterhin fest, daß
mit dieser Koalition eine fortschrittliche, ehrliche und zukunftsreiche Agrarpolitik nicht möglich ist.
Wir können Ihre Agrarpolitik einfach nicht mehr ernst nehmen.
Im Wettstreit der Koalitionsparteien um die Gunst der Landwirte können Sie sicher sein, daß die Bauern es nicht vergessen haben, wie sie durch die Bundesregierung behandelt worden sind.
Der Agrarsprecher der CDU, Herr Landesminister Niermann, hat in Oldenburg geglaubt, der SPD in der Bundesagrarpolitik ein sehr schlechtes Zeugnis ausstellen zu müssen.
Er redete wider besseres Wissen.
Denn das ist doch Ihr ganzer Kummer, daß, wenn Sie objektiv urteilen, Sie sowohl an unserer fachlichen und politischen Beurteilung der Probleme als auch am festen Willen zur Lösung dieser Probleme nicht mehr zweifeln können. Sie wissen ganz genau, daß wir in vielen Fragen Schrittmacher waren und sind, und ich will hinzufügen: Wir werden der Schrittmacher bleiben.
Das vor drei Wochen der Öffentlichkeit übergebene Umstellungs- und Förderungsprogramm der SPD
ist ein Beweis dafür, daß wir der landwirtschaftlichen Offentlichkeit zu sagen bereit sind, was wir zu tun gedenken.
Wir müssen aus der defensiven Politik der letzten Jahre heraus. Wir hoffen, ja wir sind sicher, daß Sie uns auf diesem Wege auch in Zukunft folgen werden, meine Damen und Herren von der Koalition.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9193
Der Beifall ist lebhaft, aber die Zahl der Anwesenden nicht sonderlich groß.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Präsident hat schon festgestellt, daß wir sozusagen ein bißchen unter uns sind. Herr Kollege Schmidt, Sie sprachen soviel von ,der Notwendigkeit der Bildung gerade auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Was Sie jetzt hier geleistet haben, war kein Bildungsbeitrag; das möchte ich ausdrücklich feststellen.
Und wir Landwirte -.-
— Sind Sie auch Landwirt? Das ist mir ganz neu.
— Ausgezeichnet. Ich dachte, wir seien unter uns.
Ich lasse Sie jetzt mal erst ein bißchen ausschnaufen, Herr Kollege Schmidt; Sie kommen gleich nochmal dran. Zuerst will ich Herrn Kollegen Effertz ansprechen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege, sind Sie mit mir der Auffassung, daß der Kollege Schmidt wegen der Bildung gerade aus den aktuellen Erfahrungen in Niedersachsen mit der Schulpolitik gesprochen hat?
Das muß ja für das Problem sehr fördernd wirken.
Sehen Sie, Herr Kollege Schmidt, dazu sage ich nichts, sondern die Frage überlasse ich Ihrer Beantwortung.Aber, Herr Kollege Effertz, ich bin mit zwei Bemerkungen, die Sie gemacht haben, zwei wichtigen und geradezu, so möchte ich fast ,sagen, tragischen Bemerkungen, die Sie zur Gesamtpolitik gemacht haben, nicht einverstanden. Sie haben in der deutschen Öffentlichkeit und vor diesem Hause schlicht und einfach etwas gesagt, womit Sie ,sich eine Beurteilung des französischen Staatspräsidenten erlaubten. Sie haben gesagt: Wenn Staatspräsident de Gaulle „Europa" sagt, dann meint er den deutschen Markt. Herr Kollege Dr. Effertz, mit solchen Aussagen erweisen Sie weder der deutschen noch der französischen noch der europäischen Politik irgendeinen Dienst, erst recht nicht der deutschen Agrarpolitik. Das möchte ich einmal klar feststellen.
Zweitens sind wir von der Union, Herr Kollege Effertz, der Meinung, daß die deutsch-französische Aussöhnung Herrn de Gaulle und auch manchen Politiker bei uns in der Bundesrepublik überleben wird. Wir sind der Meinung: das ist keine Angelegenheit von Personen, sondern das ist Gott sei Dank in der Zwischenzeit die Sache des deutschen und des französischen Volkes und vor allen Dingen der deutschen und der französischen Jugend geworden.
Deshalb, Herr Effertz, ist mir diese Perspektive, diese Verbraucher/Erzeuger-Perspektive, von der Sie immer gesprochen haben, für die Beurteilung dieses, wie ich meine, weltgeschichtlichen Vorganges einfach etwas zu klein und zu niedrig gehängt. Das wollte ich Ihnen vorweg sagen.Aber nun, Herr Kollege Schmidt, darf ich auf Sie zurückkommen. Sie haben ja inzwischen Luft geholt. Sie müssen sich nun ein bißchen auf etwas einstellen. Ich werde das sehr freundschaftlich machen. Ich muß aber dafür sorgen, daß die Kollegen, die noch da sind — wir danken ihnen besonders herzlich für ihr Ausharren —, wenigstens auf ihre Rechnung kommen. Sie haben sich vor allem mit dem Kollegen Besold auseinandergesetzt, und dabei ist mir etwas eingefallen. Für weite Bereiche Ihrer Rede, die Sie gehalten haben, gibt es bei uns in Bayern ein köstliches Wort. Wissen Sie, was man dazu sagt? — Larifari.
Kennen Sie das? Das ist so: Wenn man sich stundenlang über etwas unterhält, wie Sie es getan haben, ohne etwas Genaues zu sagen. Dieser Eindruck war nicht nur bei den bayerischen Kollegen, sondern offensichtlich auch bei den übrigen Kollegen vorhanden. Das hat sich gezeigt, als Sie sagten: Jetzt fasse ich zusammen. Da hat ein Kollege den Zwischenrufe gemacht: Ja, was denn eigentlich? Da ist mein Eindruck bestärkt worden, daß es sich offensichtlich um Larifari gehandelt hat.
Das ist ein freundschaftliches und liebenswürdiges Wort, Herr Kollege Schmidt.
— Sehr richtig, es kommt aus dem Kasperlprogramm. Da wird von Larifari geredet. Ich hoffe, Herr Präsident, daß das, in dieser Form vorgetragen, ein parlamentarisch durchaus noch zulässiges, erlaubtes Wort ist, das ich hier angewandt habe.Herr Kollege Schmidt, Sie haben gesagt, die späte Vorlage dieser Gesetzentwürfe durch uns sei unseriös.
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Bauer
— Nun, Herr Kollege Schmidt, Sie halten das nach wie vor für richtig.
— Darf ich Sie freundlicherweise darauf aufmerksam machen, Herr Kollege, daß das, was wir jetzt hier in Gesetzesform zu erarbeiten und gewissermaßen zu krönen wünschen, eigentlich nichts anderes ist als das, was wir bisher weitgehend schon in den Grünen Plänen betrieben haben.
Es gib durchaus ernst zu nehmende Wirtschafts-und Agrarpolitiker, die sogar der Meinung sind, daß man diese Dinge weiterentwickeln und fördern könnte, und zwar auf dem Wege über Richtlinien im Rahmen des Grünen Plans. Es wird zu prüfen sein, ob dieser Weg, den wir jetzt vorschlagen, nämlich eine gesetzliche Fixierung, gewissermaßen die abschließende Krönung unserer bisherigen Arbeit darstellt oder nicht. Aber mit Unseriosität, lieber Herr Schmidt, hat das nichts zu tun. Das wissen Sie auch ganz genau.
— Sie haben von Unseriosität gesprochen. Ja nun, haben Sie denn wirklich die Sorge, Herr Kollege Schmidt, daß Sie zu Beginn der nächsten Legislaturperiode nicht mehr dabei sind? Für so groß habe ich Ihre Angst vor der nächsten Bundestagswahl nicht gehalten.
Ich nehme doch an, wir werden auch nachher weiter arbeiten können. Was wir schaffen und fertigbringen, das wollen wir in sehr sauberer, seriöser Arbeit gemeinsam machen.
— Vorsicht, Herr Schmidt, jetzt kommt etwas viel Schlimmeres. Ich bin ja gnädig gewesen; ich habe von Larifari gesprochen. Eigentlich müßte ich von Wahlkampf reden. Ja, das war eine Wahlkampfrede. Sie haben ein bißchen das falsche Konzept herausgezogen. Wahrscheinlich hatten Sie gestern oder haben Sie morgen eine Wahlrede zu halten; da sind Sie hineingekommen wie der Feuerwehrkommandant, der immer wieder, wenn er eine Rede hält, auf die Feuerwehr zu sprechen kommt. So ähnlich geht es Ihnen hier. Wenn Sie über Agrarpolitik reden wollen, kommen Sie immer wieder auf den Wahlkampf. Das ist schlecht. Wir waren gnädig und haben es nur als Larifari bezeichnet.Aber eine ernste Bemerkung: Sie meinten, die deutschen Bauern glaubten nicht an das Wort des Bundeskanzlers.
Nun, Sie können dieser Meinung sein. Aber ich stelle meine Meinung gegenüber. Sie wissen, ich komme aus Bayern. Wenn ich mir die Situation in Bayern anschaue und an die von Ihnen so oft angesprochene bayerischen Landsleute denke, dieals in der Landwirtschaft Tätige dort anscheinend auch die SPD wählen sollen, dann muß ich sagen: wenn die sich einmal umsehen, was Sie ihnen da als Spitzenkandidaten anzubieten haben, nämlich unsere verehrte Frau Kollegin Strobel, die hier und in Straßburg jahrelang nichts anderes zu tun hatte, als immer wieder von dem zu hohen deutschen Getreidepreis zu sprechen, und die solange geredet hat, bis 'sie dann schließlich unhaltbar geworden war, —
— Herr Kollege Schmidt, —
Meine Damen und Herren, zur Zeit hat das Wort der Abgeordnete Bauer und nicht die Herren, die links und rechts auf den Bänken sitzen.
Ich freue mich, daß es den Kollegen so viel Spaß macht. — Herr Kollege Schmidt, das ist die Alternative: Sie sprechen hier davon, daß das Kanzlerwort angezweifelt wird, und bei uns in Bayern, im größten Agrarland, da steht die Frau Strobel, die das — das möchte ich ausdrücklich sagen — mit verursacht hat, an der Spitze einer solchen Liste! Und da meinen Sie, daß sie bei uns in irgendeiner Form werde antreten können! Für diese Alternative, Herr Schmidt, werden Sie die Antwort bekommen; verlassen Sie sich drauf!
Eine weitere Bemerkung, Herr Dr. Schmidt! Sie haben davon gesprochen, daß wir zuwenig auf dem Gebiet der Sozialmaßnahmen täten, daß wir fortwährend von Ihnen gemahnt werden müßten.
Herr Kollege Schmidt, da sehen Sie wieder den Unterschied. Gott sei Dank besteht dieser Unterschied noch, so daß sich die Leute, die uns von draußen betrachten, darüber klar sind, wen sie vor sich haben. Sie meinen, daß die Sozialmaßnahmen das Allheilmittel der deutschen Agrarpolitik oder der EWG-Agrarpolitik seien.
Wir sind der Auffassung, daß Sozialmaßnahmen nur eines der möglichen Mittel für die Beseitigung einer ganzen Reihe von Härten in der deutschen Agrarpolitik darstellen.
Herr Kollege Schmidt, es ist heute nicht das erstemal, daß ich von dieser Stelle aus sage, daß wir es einfach für keine richtige Politik — auch Ihres Genossen Mansholt — halten, auf die Dauer fehlendes bäuerliches landwirtschaftliches Einkommen durch Sozialmaßnahmen ersetzen zu können. Wenn das
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Bauer
wirklich die erklärte Politik der EWG ist, dann, muß ich Ihnen sagen, ist sie von da her einfach falsch angelegt.
Das war sozusagen der Vorspruch, Herr Kollege Schmidt.
— Nein, nein! Ich habe nur Antwort geben müssen, Herr Dröscher, eine Teilantwort.
— Was hat Sie an dem gestört? Bitte, gehen Sie ans Mikrophon und sagen, was da nicht in Ordnung war! Bitte sagen Sie's mir einmal! Gehen Sie doch vor! Sind Sie der Meinung, daß man das alles so hinnehmen soll, was hier gesagt worden ist? Nein, nein; das tun wir nicht. Es ist zwar kaum jemand mehr in diesem Hause; aber ich bin der Meinung, wir sind sehr schön unter uns, und in dem Bereich sollte man sich untereinander aussprechen. — Bitte sehr, Herr Kollege Roesch.
Das Wort zu einer Zwischenfrage hat Herr Abgeordneter Dr. Roesch.
Darf ich Sie fragen, Herr Kollege Bauer: meinen Sie wirklich, daß das — wie Sie es soeben dargestellt haben — die einzige Maßnahme der Sozialdemokratischen Partei ist, die sozialen Verhältnisse in der Landwirtschaft zu heben? Es ist ein Teil des ganzen Programms, allerdings ein wichtiger Teil.
Herr Kollege Roesch, ich muß annehmen, Sie haben mich mißverstanden. Sie haben uns wieder einmal Vorwürfe gemacht und haben dabei die Sozialmaßnahmen erheblich überbetont und in den Vordergrund gestellt.
Ich habe gesagt: für uns stehen sie nicht im Vordergrund, sondern sind ein Teil der möglichen Maßnahmen und Hilfen, die wir anzuwenden haben.
— Nein, nein, nein, lieber Herr Roesch; so ist es leider nicht. In der EWG-Agrarpolitik gibt es in der Tat einen Trend, der so aussieht, als ob auf lange Sicht bisheriges echtes Markteinkommen durch sozialpolitische Maßnahmen ersetzt werden soll. Ich könnte Ihnen praktische Beispiele dafür sagen; aber da überfordere ich die Kollegen, wenn ich das tue.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher?
Bitte!
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Kollege Bauer, daß gerade die in den letzten Jahren von der SPD-Fraktion immer wieder geforderten Sozialmaßnahmen — denken Sie an die Altershilfe und den Druck, den wir in dieser Frage gemacht haben — Hunderttausenden von bäuerlichen Menschen auf dem Lande wirklich effektiv geholfen haben, und daß das eine großartige Sache war?
Darf ich einmal umgekehrt die Frage stellen, Herr Dröscher: möchten Sie nachträglich auch das Erstgeburtsrecht hierfür in Anspruch nehmen? Das ist unser verstorbener Kollege Klausner gewesen, der hier heroben stand und zum erstenmal den Gedanken der bäuerlichen Altershilfe dem Hause vorgetragen hat.
— Sie müssen auch noch einmal Protokolle fleißig nachlesen lernen, Herr Dröscher, dann wissen Sie genau — —
— Nein, nein! Bitte, jetzt wird es mir zu ernst. An den Verdiensten eines toten Kollegen möchte ich hier nicht rütteln lassen; das will ich Ihnen ganz offen sagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den vorgelegten Gesetzentwürfen, die ich für meine politischen Freunde durchaus begrüße, möchte ich doch sagen: Es handelt sich auf der einen Seite um die gesetzliche Fixierung bereits laufender Projekte; und damit meine ich das, was ich vorhin sagte: die gesetzliche Fixierung von Dingen, die wir zum Teil ja auf dem Weg der Richtlinien bereits betrieben haben, und zum anderen um die gesetzliche Fixierung von Zusagen, die aus dem Dezember des vorigen Jahres stammen.Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß wir zu diesen Gesetzen noch manche Überlegungen anzustellen und uns manche Gedanken zu machen haben. Es ist durchaus so — das ersehen Sie immerhin aus den vorliegenden drei bzw. zwei Entwürfen —, daß man sehr vielfältiger, sehr verschiedener Meinung sein kann.Eins möchte ich Ihnen gleich sagen: Wir sehen in diesen Gesetzen nichts anderes als eine logische und, fast möchte ich sagen, nahtlose Fortsetzung der bisherigen agrarpolitischen Gesetzgebung. Aber eins wollen wir auf keinen Fall: daß etwa durch diese neue Gesetzgebung irgendwo in der bisherigen bäuerlichen Lebensgemeinschaft — hier meine ich den Voll-, den Zu- und den Nebenerwerbsbetrieb gleichermaßen — ein neuer Bruch entsteht. Dazu könnte ich persönlich und könnten auch meine Freunde unsere Hand nicht geben. Wir sind vielmehr der Meinung, daß wir alles tun sollten, die heute zweifellos sowieso, aber durch andere Verhältnisse von außen her, oft gestörte Harmonie der
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Bauer
ländlichen Gemeinschaft durch solche Maßnahmen zu fördern, statt ihr neue Schwierigkeiten zu bereiten.Dasselbe gilt für uns übrigens auch für das Marktstrukturgesetz. Sie wissen, daß hier im Laufe der Vorüberlegungen viele Zweifel laut geworden sind. Ich möchte hier zunächst nur ganz global sagen: Es kann niemals das Ziel eines von uns mitvertretenen Marktstrukturgesetzes sein
— Marktstrukturfonds- oder Marktstrukturgesetz,
es gibt da ja zwei Bezeichnungen; Sie sagen „Marktfonds"; ich glaube, Sie haben mich schon verstanden, Herr Kollege Seither —, den einen oder anderen bewährten Marktpartner der Vergangenheit etwa zu benachteiligen oder auszuschalten. Das möchte ich einmal ganz klar und ernst sagen.Meine Damen und Herren, wir stehen in der Agrarpolitik — das wissen Sie — .gerade in dieser Woche vor neuen Entscheidungen. Wir wissen alle nicht, ob uns die zur Zeit im Gespräch befindlichen notwendigen Maßnahmen — ich meine die Finanzierung der EWG-Agrarpolitik und -Wirtschaftspolitik —, eine zusätzliche Beschleunigung oder aber eine Stagnation über gewisse Etappen, also eine Art Zwangspause, bringen werden. Wir sind der Auffassung, daß wir uns jedenfalls rein von der Haushaltsseite her nicht unter Druck setzen lassen sollten. Denn dafür besteht nach meiner Ansicht keine Veranlassung. .Es gibt keinen Termin — etwa den 30. Juni oder den 1. Juli —, bis zu dem diese Dinge fertiggestellt sein müßten. Ich bin auch der Meinung — das ist, glaube ich, schon angesprochen worden —, daß der Besuch und die Aussprache des französischen Staatspräsidenten hier in Bonn eine gute Gelegenheit sein wird, unsere eigene Einstellung zu der Weiterbehandlung dieser Dinge zu überprüfen und sie uns gründlich zu überlegen. Aber das sage ich Ihnen auch gleich klipp und klar: Nach meiner Auffassung kann es in diesen Fragen keine neue deutsche Vorleistung geben. Ich bin der Auffassung: was wir jetzt hier zu tun haben, wirkt über die kommenden Jahre hinaus vielleicht noch wesentlich weiter als alles, was wir in der Vergangenheit zu beschließen hatten. Denn, Herr Kollege Effertz, wenn die Sorge um die Märkte — Sie meinten: den interessanten deutschen Agrarmarkt für die Franzosen und den vielleicht nicht minder interessanten Gesamtmarkt für uns und den einen oder anderen —, wenn diese Frage überhaupt je eine Rolle gespielt hat, dann spielt sie jetzt bei der Entscheidung über die künftige Finanzierung eine ganz entscheidende Rolle, und zwar nicht nur aus agrarpolitischen, sondern aus einer Fülle von gesamtpolitischen und gesamtwirtschaftlichen Gründen. Wir sollten von links bis rechts darin einig sein, hier mit der äußersten Vorsicht voranzugehen, und ich bin sehr froh, daß wir wenigstens feststellen können, daß wir hier nicht unter Zeitdruck stehen.Ich hätte mir gern, Herr Kollege Schmidt, — es liegt so gar nicht in meiner Art — den ersten Teil erspart. Aber es gibt auch ein Sprichwort, das heißt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es aus ihm wieder heraus. Ich glaube fast, angesichts Ihrer Rede hätte es niemand mit mehr Liebenswürdigkeit machen können, als ich es getan habe und tue, indem ich noch einmal sage: Das war SPD-Larifari.
Das Wort hat der Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Kasperletheater gibt es nicht nur den Kasper Larifari, sondern auch das Krokodil, das ihn angreift. Ich hoffe, daß in Ihren Reihen auch manches Krokodil sitzt. Hoffentlich liegt es nicht zu lange in der Sonne und träumt. Das meine ich mit Schrittmachertempo, Herr Kollege Schmidt. Ich verfolge gern Sechstagerennen. Ich könnte mir aber vorstellen, daß die SPD für die deutsche Landwirtschaft ein sehr langsamer Schrittmacher wäre und daß wir dann sehr ins Hintertreffen geraten würden, während wir Freien Demokraten ein sehr schnelles Tempo bevorzugen, damit wir vorwärtskommen. Das haben wir in Niedersachsen erst vor kurzem bewiesen, wie Sie gesehen haben.
— Herr Kollege Roesch, Sie können dann gleich hier Ihre Jungfernrede halten.
Diese Debatte hier findet so unter uns statt. Das ist bedauerlich, weil wir zweifelsohne — das hat mein Vorredner mit anklingen lassen — vor wichtigen Entscheidungen stehen. Ich bedaure auch, daß die an der EWG-Politik mitbeteiligten Ressorts hier nicht vertreten sind. Denn es wäre vielleicht für manchen Vertreter der anderen Ressorts ganz interessant, die Meinungen der Fraktionen zu hören. Ich schäme mich nicht, hier meine eigene Führung etwas anzuklagen. Das ist nicht erfreulich. Denn dann kommt es hinterher immer zu solchen Bonmots, die man sich in Brüssel erzählt, daß die anderen begannen, ihren Schlüpfer — —
— Entschuldigen Sie, ich komme aus Bayern. — Die anderen begannen, ihren Binder aufzuknüpfen, während die deutsche Delegation — Herr Präsident, ich bitte um Ihre Verzeihung — so nackt dastand. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn manche Vertreter der Ressorts uns wenigstens anhörten, unsere Ratschläge anhörten, damit sie dann in bekleidetem Zustand die deutschen Interessen schlagkräftiger vertreten könnten. Daß das nicht der Fall ,ist, bedaure ich sehr.Ich darf noch bei einer anderen Sache bleiben. Es wurde hier de Gaulle zitiert. Die „Frankfurter Allgemeine" hat das überschrieben mit „Lieber aus dem eigenen Glase trinken". Das hat de Gaulle vor kurzem gesagt. Ich komme ja auch wie der Kollege Bauer aus Bayern. Ich würde sagen, das Glas, das
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9197
Ertlde Gaulle wünscht, kann nur ein bayrischer Maßkrug sein. Insoweit sind zwischen de Gaulle und unserem verehrten Herrn Kanzler sehr viel Gleichheiten. Beide werden in Zukunft vielleicht „Maß halten", hoffentlich zum beiderseitigen Nutzen. Das wünschen wir.Lieber, verehrter Kollege Bauer, damit komme ich zu einer Ihrer Bemerkungen, die auch nicht unwidersprochen bleiben kann. Sie haben uns Freie Demokraten und insbesondere meinen Kollegen Effertz gescholten, wir wollten hier die deutsch-französische Freundschaft nicht oder wollten sie in Mißkredit ziehen. Das muß ich entschieden zurückweisen. Auch wir betrachten es als ein Verdienst der Vergangenheit, daß dieser Graben zugeschüttet ist. Auch wir wollen eine deutschfranzösische Freundschaft. Aber wir glauben, Freundschaft heißt Partnerschaft mit gleichem Recht und zu gleichem Nutz und Frommen.
Freundschaft heißt nicht: Nur der eine zahlt, und andere kassieren. So verstehen wir Freundschaft. So ist es im Zivilleben, und so muß es unter den Völkern sein. Wenn wir so manche Kritik üben, so tun wir das zur Erhaltung unserer Landwirtschaft, zur Sicherung ihrer Existenz.Ich will nicht auf die Vergangenheit hinweisen. Aber ich darf, Herr Präsident, mit Ihrer gütigen Genehmigung den Herrn Präsidenten de Gaulle aus seiner Fernsehrede zitieren:Die gleichen Leute verlangten in der gleichen Absicht, daß unser Land, statt, wie es natürlich ist, an einer organisierten Zusammenarbeit der freien Nationen des Alten Kontinents teilzunehmen, sich in einem sogenannten „integrierten Europa" buchstäblich auflöse,— ich bedaure so sehr, daß der Herr Baron von Guttenberg nicht da ist und das nicht hört; denn das hat er anscheinend noch nicht zur Kenntnis genommen —das ohne die Triebfedern der Souveränität der Völker und der Verantwortung der Staaten automatisch dem Protektor von jenseits des Atlantik unterstehen würde.Das sind sehr klare Worte. So stellt sich der maßgebliche, veranwortliche Repräsentant des französischen Volkes die europäische Zusammenarbeit vor. Ich glaube, wir sollten das zur Kenntnis nehmen und im Sinne unserer Souveränität partnerschaftlich zusammenarbeiten, und dabei gilt: Gleiches Recht für alle!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß noch einmal zitieren — gestatten Sie, Herr Präsident! —; denn verschiedene Kollegen haben diesen sehr schönen Artikel „Lieber aus dem eigenen Glase trinken" nicht gelesen. Es wird dort ein agrarpolitischer Kollege aus Frankreich zitiert, und es ist wirklich sehr interessant für die deutsche Agrarpolitik, das einmal zu hören:Wir erwarten für unsere Bauern alles vom Gemeinsamen Markt.— So heißt es hier. — Wir waren bereit, mit der Liberalisierung unserer Einfuhr für Industrieerzeugnisse ganze Branchen zu opfern,— das meinte wohl der Kollege Süsterhenn zuvor —wir sehen umgekehrt in der Öffnung der europäischen Märkte für unsere Agrarprodukte die große Chance zur Lösung unserer agrarsozialen Probleme. Große Hoffnungen setzen wir dabei auf die Aufnahmefähigkeit des deutschen Marktes, auf die rasch wachsende Kaufkraft der deutschen Industriegesellschaft. Es geht darum, die steigende Agrarproduktion Frankreichs nicht zu niedrigen Weltmarktpreisen verschleudern zu müssen, sondern zu höheren, sozial kalkulierten europäischen Inlandspreisen auf einem Markt verkaufen zu können, der zu organisieren sein wird wie bisher die einzelnen nationalen Agrarmärkte. Soweit zur Ergänzung der Eigenproduktion noch Einfuhren nötig sind, werden diese zu niedrigen Weltmarktpreisen eingekauft . . .Ich könnte noch weiter zitieren und auf die Abschöpfungen, die aus der deutschen Kasse kommen, hinweisen.Ich nehme das dem Kollegen aus Frankreich nicht übel. Ich sage: A la bonheur — es ehrt ihn. Aber wir deutschen Agrarpolitiker haben dafür zu sorgen, daß unsere Interessen, unsere Produktion auch gesichert bleiben und daß unsere Produktion im selben Zuge in diesem Markt mit abgesetzt wird. Das ist die Aufgabe unserer Legislative und natürlich auch dieser Exekutive.Nun, Herr Kollege Schmidt, ich darf auf Ihre Ausführungen noch mit einigen Sätzen eingehen. Sie haben gesagt, es sei ja nichts konstruktiv gelöst worden. Ach, wissen Sie, Herr Schmidt, ich habe Ihnen ja schon das letztemal, wo Sie so schön Ersatzpastor gespielt haben, geantwortet — wahrscheinlich schon in Voraussicht, daß das Konkordat kommt, aber da müssen Sie dann doch zum katholischen Glauben konvertieren, damit Sie Pfarrer werden können.Ich möchte hier nur einmal feststellen: Wir Freien Demokraten haben uns in diesen vier Jahren redlich bemüht, unseren Teil zur Agrarpolitik beizutragen. Es begann mit unserem Antrag zur Verbesserung des Trinkmilchpreises - ich möchte feststellen, es war erfreulich, daß alle Fraktionen zugestimmt haben — und reicht bis zum Zuckerrübenpreis. Wir wären viel früher über die Bühne gekommen, Herr Kollege Schmidt, wenn man nicht auf gewisse Interessen Ihrer Fraktion hätte Rücksicht nehmen müssen. Wir haben den Mut, offen zu sagen: Der Verbraucher tut besser daran, dem Bauern einen gerechten Preis zu geben, als die Geschichte über Subventionen des Steuerzahlers mitzufinanzieren. Sie wagten es nicht. Wegen der 70 Pf hatten Sie ja Bedenken, mitzumachen.Ich möchte betonen - und ich sage es wiederholt —, wir sind glücklich und stolz darauf, daß wir dazu beigetragen haben, die Getreidepreissenkung noch weiter hinauszuschieben, und ich möchte beinahe sagen — da muß ich noch einmal auf die Be-
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Ertlschlüsse vom 15. Dezember zurückkommen —, wir haben doch recht gehabt. Es wurde doch nicht politisch honoriert. Der europäische Frühling ist — wir haben jetzt die Eisheiligen — weiß Gott nach wie vor bis zu den Eisheiligen eingefroren, und sowenig dieses Frühjahr in der Natur gekommen ist — wir müssen es beklagen —, ist der politische Frühling in Europa gekommen. Sehr verehrter Kollege Schmidt, Sie haben gesagt: Wir begrüßen das! Da können Sie sich nicht herausreden; in der Frage sind Sie mit im Boot. Wir haben die Beschlüsse nicht gewollt. Wir hatten nicht die absolute Mehrheit. Hätten wir sie gehabt, hätten wir politisch anders entschieden; das muß ich offen sagen. Hätten Sie uns unterstützt, so hätten wir wie in der Frage der Kriegsopfer sogar mit Ihnen gegen den Koalitionspartner gestimmt. Sie haben uns diese Chance nicht gegeben. Hier hätten Sie konstruktive Agrarpolitik treiben können, aber die Chancen haben Sie versäumt.
Sie haben uns ja auch vorgeworfen, wir hätten alles beschlossen. Nein, nein! Wir nicht!Mein Kollege Effertz hat bereits betont, daß die Anfrage nicht in allen Dingen befriedigt. Wir hätten uns manch Konkreteres gewünscht, und ich möchte hier noch wenige Punkte aufführen, die mir sehr wichtig erscheinen.1. Juli 1967. Es muß alles getan werden, um unsere Position, die wir innehaben, bis dahin zu festigen und auszubauen. Ich erinnere nur an die Nutzung der Revisionsklausel. Mit großem Interesse habe ich zur Kenntnis genommen — und ich unterstreiche das —, was Staatssekretär Hüttebräuker hier gesagt hat, daß nämlich ein Heraufsetzen der Getreidepreise in den Partnerländern uns vor der gefährlichsten Folge der EWG bewahren kann, nämlich vor dem Überlaufen des Veredelungstopfes. Daher kämpfen wir um unseren Getreidepreis! Nutzen wir die Revisionsklausel; denn dann bewahren wir die europäische Landwirtschaft vor einer Katastrophe auf dem Veredelungssektor. Sonst wäre das nicht nur das Ende der deutschen bäuerlichen Familienbetriebe, das wäre das Ende der europäischen Familienwirtschaft. Das ist eine Situation, die wir ausnutzen müssen. Hier ist doch was drin! Das gilt auch für die ganzen Verhandlungen auf dem Sektor der Finanzierung. De Gaulle sagt: Ich lasse mich nicht meiner Souveränität berauben, ich liefere die Zölle nicht ab! Wir sind auch der Meinung, daß dies ein rechtliches Problem ist, das vom Haushaltsrechtlichen her gelöst werden muß. Es wurde heute davon gesprochen, Leitbild sei der bäuerliche Familienbetrieb, die Kleinbauern würden wieder umworben. Wir haben dazu unsere Erklärung im vorigen Jahr abgegeben, als wir die Gestaltung der Agrarstruktur festlegten. Wir freuen uns, daß mancher Kollege inzwischen mit uns einer Auffassung ist. Wir brauchen ein langfristiges Strukturprogramm. Wir bejahen das bäuerliche Eigentum aus gesellschaftspolitischer Sicht und wir wiederholen es immer wieder, und zwar in jeder Form. Das muß allerdings nicht heißen — da müssen wir einmal offen und ehrlich miteinander sprechen — daß jeder, derbäuerliches Eigentum besitzt, im Hauptberuf von der Landwirtschaft lebt. Wer das den Kleinbauern dauernd erzählt und sie damit aufputscht, belügt sie.
Er sagt nicht die Wahrheit; das muß einmal deutlich gesagt werden.In diesem Zusammenhang gleich zurück zur EWG: Dann muß allerdings auch die Schrumpfungstheorie des Herrn Mansholt aus der Welt geschafft werden; dann muß auch die Theorie des Nahrungsmitteldefizits beseitigt werden. Denn wir brauchen, um unsere Volkswirtschaft gesund zu erhalten, um unsere Wirtschaft leistungsfähig zu erhalten, ein Loch, um die Handelsbeziehungen aufrechterhalten zu können. Das darf aber nicht auf die Schultern eines einzelnen Partners und nicht allein auf die Schulter der deutschen Landwirtschaft geladen werden.Daher möchte ich zum Schluß noch einmal zusammenfassen: wir sollten wirklich den Vorschlag des Kollegen Dr. Effertz aufgreifen und uns interfraktionell einigen, was wir noch in dieser Legislaturperiode beschließen können. Wir sollten die Sache wirklich ernsthaft anpacken. Ich denke dabei ganz besonders an das Problem der Veredelungswirtschaft. Wir werden hierzu noch einen Entschließungsantrag vorlegen.Mein Kollege Logemann hat die Frage der Milchwirtschaft nicht behandelt. Sie ist für die deutsche Landwirtschaft der Honig und der Lebensnerv, und wir müssen unsere Milchwirtschaft auch im Bereich der EWG erhalten. Sie ist eines der Kernprobleme unserer ganzen agrarpolitischen Situation, das wir zu lösen haben. Dabei geht es nicht nur darum, den Trinkmilch- und Werkmilchausgleich beizubehalten. Mit Freude haben wir heute aus dem Munde des Herrn Staatssekretärs gehört, daß er glaubt, daß dieser Ausgleich beibehalten wird. Ich habe gehört, es gebe bereits Pläne, die Prämien umzuwandeln. Dabei muß hier einmal festgestellt werden, die Prämie ist eine Verbrauchersubvention, keine Erzeugersubvention. Wir haben kein Interesse daran, daß der deutsche Verbraucher diese Zeche allein bezahlt. Wir haben das wiederholt betont. Mindestens ebenso wichtig ist im Zuge der EWG die Lösung des Eiweißproblems und die Lösung des Fettproblems im Zusammenhang mit der Milchwirtschaft.Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir Freien Demokraten bedauern auch die späte Einbringung des Gesetzes, aber, Herr Kollege Dr. Schmidt, wir haben es uns mit dem EWG-Anpassungsgesetz nicht leicht gemacht. Wir haben ein halbes Jahr diskutiert, gerungen und Fachleute herangezogen. Wir glauben aber, damit einen Diskussionsbeitrag und eine Grundlage für eine zukünftige agrarpolitische Gestaltung gelegt zu haben, die wir bereit sind mit unseren Partnern auch im nationalen Bereich durchzusetzen. Sie haben gesagt, manches wird die Kommission nicht einsegnen. Es ehrt Herrn Hallstein nicht, daß er den Segen für FORMA und Productschappen gibt und daß er sich hier bei uns ablehnend verhält. Dabei muß nicht unbedingt dieser Gedanke geboren werden. Wir haben auch die Einfuhr- und
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1965 9199
ErtlVorratsstellen. Wir werden auf diese Problematik noch zurückkommen. Wir haben uns deshalb, möchte ich sagen, im EWG-Anpassungsgesetz sehr flexibel verhalten, aber wir glauben, daß wir verpflichtet sind, noch in dieser Legislaturperiode der Landwirtschaft zu sagen, wie wir uns die Reise in die Zukunft vorstellen.
— Lesen Sie unseren Antrag und lesen Sie die Protokolle, dann wissen Sie, was wir getan haben und was für die Zukunft zu tun sein wird. Jeder Bauer weiß es besser als Sie, Herr Kollege Schmidt.
Das ist der Grund, warum wir uns zu diesem EWG-Anpassungsgesetz durchgerungen haben. Wir glauben, daß der Weg gangbar ist. Wir sind gern bereit, mit Ihnen um eine Verbesserung zu ringen. Wir wissen, wie schwer es heute ist, Agrarpolitik zu betreiben, im Inland wie im Ausland. Ich erinnere an die Integration in der industrialisierten Gesellschaft. Das wirft Probleme auf, die nicht nur sozialpolitischer Natur sind. Da geht es um Probleme der Umwandlung unserer Gesellschaft.Es wird immer unsere Aufgabe sein, eine lebensfähige, leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft in dieser Industriegesellschaft zu erhalten. Dazu muß die Landwirtschaft untereinander Partner werden; dazu braucht sie aber auch die Partnerschaft der Industrie, der gewerblichen Wirtschaft, und sie braucht das Verständnis und die Hilfe des ganzen Volkes.
Herr Abgeordneter Dr. Starke!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde Sie in dieser ,späten Stunde nicht sehr lange aufhalten. Als Mitglied des Europäischen Parlaments drängt es mich jedoch, mit wenigen Worten eine Verbindung herzustellen zwischen dem, was sich in Brüssel ereignet, und dem, was Sie hier besprechen. Ich habe mir die Ausführungen sehr aufmerksam langehört und möchte zunächst zwei Vorbemerkungen machen.Die erste Vorbemerkung betrifft ,den Herrn Kollegen Süsterhenn, dem ich sagen möchte: es kann gar keine Rede davon sein, daß hier etwas Unangemessenes über die EWG gesagt werden sollte. Vielmehr .geht es um folgendes. Wir haben in Deutschland relativ spät gemerkt, daß die EWG einen sehr wichtigen, großen agrarpolitischen Teil hat. Den haben wir in Deutschland relativ lange übersehen, insbesondere bei der Abfassung der Verträge. Dadurch sind wir natürlich in manche Verdrückung gekommen.Ein Zweites. Soweit es sich um den Staatspräsidenten unseres westlichen Nachbarlandes handelt, sollte nicht jeder Satz, der von ihm gesagt wird, einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Herr Kollege Bauer, wenn Sie hier ganz schlicht mit seinem Ableben rechnen, ,so ist das natürlich auch nicht viel vornehmer. Also da müssen wir vorsichtig sein.Nun zu Ihnen, Herr Kollege ,Schmidt. Ich habe mir Idas, was Sie gesagt haben, sehr aufmerksam angehört. Sie wissen, daß ich in vielem zustimme. Sie haben den Finger auf Wunden gelegt und von Problemen gesprochen, die nun einmalschwierig sind. Aber eines möchte ich Sie fragen: glauben Sie nicht doch, Herr Kollege Schmidt, ,daß Vertreter Ihrer Partei im Europäischen Parlament ,entscheidend zu den verhängnisvollen Schwierigkeiten beigetragen haben, vor denen wir im Dezember standen, so daß dann die Entscheidung gefällt werden mußte. Ich habe dort nur Worte gehört, die in diese Richtung gingen.
— Das ist keine Dolchstoßlegende.
— Ich will zugeben, daß „Dolchstoßlegende" ein sehr schönes Wort ist und sehr gut klingt. Aber die Tatsachen sind nun einmal so. Ich beobachte das seit Jahren. So schön Herr Kollege Schmidt auch aus dem Herzen — er meint es so — gesprochen hat, so wenig haben Ihre Kollegen dort in dem Sinne 'gehandelt. Darüber kann kein Zweifel sein.Warum spreche ich das an? Es geht hier um sehr, sehr wichtige Dinge. Ich meine, daß die Entwürfe hier sehr spät behandelt werden, und ich bin darüber besorgt, nicht in dem Sinne, wie der Herr Kollege Schmidt von ,der Opposition es sagt - das ist sein gutes Recht —, sondern von den Regierungsparteien her. Warum? Weil wir mit diesen Entwürfen etwas anfangen müssen. Sie müssen diesen Unterausschuß einsetzen. Sie müssen zu Ergebnissen kommen, die .so handfest sind, daß wir in Brüssel erreichen können, daß sie dort anerkannt werden. Warum? Weil uns im Juni dieses Jahres Ultimaten bedrohen. Bis dahin Agrarfinanzregelung, bis dahin die Preise!Meine Kollegen von den Regierungsparteien, glauben Sie 'denn, wir können noch hinterher etwas von dem in der EWG durchsetzen und anerkannt bekommen, wenn das alles von uns zugestanden ist? Das sind doch meistens Zugeständnisse von uns. Wir werden uns sehr darum sorgen müssen, daß im Juni kein Unglück geschieht. Der Dezember sollte uns warnen.
— Nun, Herr Kollege Bauer, sprechen Sie jetzt nicht wieder! Wenn ich jetzt etwas sage, sagen Sie, ich hätte mich sehr unangemessen geäußert. Aber Sie warten auf den Tod. Das ist also sehr schwierig. Vorläufig ist er da, und er hat gesagt: bis zum 30. Juni. Glauben Sie vielleicht, ich lasse mir jetzt wieder sagen — das wäre eine umgekehrte Dolchstoßlegende —, ich sei daran schuld, daß es ein Ultimatum geworden ist? Ich beobachte die Politik dieser Regierung unseres Nachbarn seit 1958, und ich weiß, was es bedeutet, wenn er Schranke für
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Dr. StarkeSchranke für den Fortschritt aufrichtet und dann ein rpaar kleine, unbedeutende Schranken wieder wegnimmt — damit die anderen glauben, nun gehe es vorwärts, und Zugeständnisse machen — und dann wieder alles blockiert.Im übrigen befinde ich mich hier — das muß in diesem Hause gesagt werden — in edler Gemeinschaft mit Herrn Schmücker, unserem verehrten Wirtschaftsminister. Lesen Sie einmal, was er in Brüssel gesagt hat! Nun füge ich an zu dem, was er dort gesagt hat, was alles auch geschehen müsse, wenn die Agrarfinanzverhandlungen abgeschlossen werden sollen — und das muß er nach seinen Dezember-Verhandlungen wissen —, nun ergänze ich also: Dort muß auch festgelegt werden, was wir für die Durchsetzung dieser Gesetzentwürfe, die Sie jetzt hier vorgelegt haben, brauchen. Wenn das nicht der Fall ist, dann werden Sie sehen, daß die geschichtliche Entwicklung, die wir alle in der EWG mit eingeleitet haben, über diese Wünsche hinweggeht.Nun ein Letztes! Ich bin allerdings der Meinung, Herr Kollege Bauer, daß das hier etwas mehr ist als nur die Fortsetzung der Grünen Pläne. Diese Gesetzentwürfe sind mehr, sie müssen ja mehr sein; denn währenddessen hat es ja einen Dezember gegeben, und im Dezember ist ja eine Entscheidung gefallen. Wir müssen sehen, wie wir mit dieser Entscheidung mit unserer deutschen Landwirtschaft weiterleben. Das ist unser aller Anliegen. Deshalb muß es mehr sein, und das steht in den Entwürfen.Das muß im Juni bei den Verhandlungen in Brüssel vorsorglich auf dem Tisch liegen. Liegt es dort nicht, dann wird der Vorwurf auf alle die fallen, die das nicht zustande gebracht haben. Wie soll denn unser Unterhändler dort — der Herr Staatssekretär spricht immer vom Einsegnenlassen durch die EWG — etwas einsegnen lassen, wenn er gar nicht weiß, was es sein wird?Deshalb empfehle ich Ihnen aus der europäischen Sicht, die ich hier einmal anführen wollte: Setzen Sie einen Unterausschuß ein! Behandeln Sie wenigstens dieses Rahmengesetz! Kommen Sie zu gewissen Grundsätzen; die gesetzestechnischen Formulierungen haben alle Zeit für später. Sonst wird unwiderbringlich die Zeit über uns weggehen und über das, was für die deutsche Landwirtschaft nach der Entscheidung vom Dezember notwendig sein wird. Es lag mir daran, das hier wenigstens mit anzubringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Meine Damen und Herren! Ich möchte wegen der Zeit nur einige Bemerkungen der Kollegen Ertl, Bauer und Dr. Starke richtigstellen.Herr Ertl zuerst! Sie sprachen vom Sechstagerennen. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie diese Bemerkung gemacht haben. Sie sind aber in diesem Rennen abgehängt worden. Da bleibt nicht viel übrig, dieses Rennen zu gewinnen.Zweitens. Ich warne Sie davor, Herr Kollege Ertl, in der Bevölkerung der Landwirtschaft die Illusion von der Wirkung der sogenannten Revisionsklausel zu nähren. Denn was auch Herr Staatssekretär Hüttebräuker und Ihr Minister, die ganze Regierung und auch Herr Struve und andere gesagt haben, diese Klausel ist keine Revisionsklausel, sie ist eine Diskussionsklausel. Mit ihr können Sie überhaupt nichts anfangen.
— Herr Besold, Sie kennen doch wirklich die Sache nicht.Nun eine weitere Bemerkung zu Herrn Ertl. Sie haben die Behauptung aufgestellt, wir hätten Sie daran gehindert, einige Beschlüsse zu fassen. Zumal auf dem Gebiet der Preispolitik haben Sie nur mit unserer Hilfe zwei Verbesserungen erreicht.
Wenn Sie z. B. beim Zuckerrübenpreis ein Jahr früher den von uns gemachten Vorschlägen zur Senkung der Zuckersteuer gefolgt wären, wäre das schon eher passiert.
Zweitens. Müssen Sie nicht feststellen, daß auch wir bewußt der Anhebung des Trinkmilch-Verbraucherpreises zugestimmt haben, und glauben Sie, ich halte den gegenwärtigen Preis für angemessen? Auch darüber müssen wir eines schönen Tages wieder einmal reden. Aber wir scheuen uns nicht, auch solche Fragen aufzugreifen.Herr Kollege Bauer, wir kennen uns beide gut, und wir vertragen uns gut. Nur in zwei Punkten eine Richtigstellung!Herr Kollege Bauer, ich habe doch Ihrer Fraktion und ihrer Partei zu der Erkenntnis gratuliert, daß die sozialpolitischen Maßnahmen jetzt gleichrangig mit den anderen zu behandeln sind. Das hat Herr Niermann als Ihr Sprecher zum ersten Male für die Gesamtpartei deutlich gemacht. Denken Sie an die Beratungen über das Landwirtschaftsgesetz, wo wir uns bemüht haben, die Sozialpolitik als ein gleichwertiges Mittel wie die Kredit-, Finanz- und Steuerpolitik einzubauen. Nur das wollte ich in den Vordergrund stellen. Wir haben immer — und ebenso meine Kollegen in Europa — die Gleichrangigkeit der Strukturpolitik, der Einkommenspolitik und der Sozialpolitik betont. Das will ich Ihnen nochmals auf den Weg geben. Wir haben hier nie ein Allheilmittel gesehen.
— Nein, wir mußten es nur so scharf betonen, damit es in die Gesetzentwürfe hineinkam. Jetzt haben Sie es 'begriffen und folgen uns ständig.Eine zweite Bemerkung, Herr Kollege Bauer . Ich hielt es für nicht ganz fair, vom „Genossen Mansholt" zu sprechen. Dann könnte ich erst recht von Ihrem CDU-Parteimitglied Hallstein sprechen, der ja der Präsident der Kommission ist. Sie verschieben ein wenig die Fronten; das sollten Sie nicht tun. Sie wissen ganz genau, daß Ihre Re-
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Dr. Schmidt
gierung allen Beschlüssen des Ministerrats in Brüssel zugestimmt hat.Zum Schluß zwei Richtigstellungen zu den Ausführungen von Herrn Dr. Starke. Sie überschätzen die Bedeutung des Europäischen Parlaments im Hinblick auf Wirkung und Einfluß auf den Ministerrat. Ich war selbst Mitglied dieses sogenannten Parlamentes. Es hat nichts zu sagen. Der Ministerrat hat bisher in kaum einem Punkte einem Beschluß des Parlaments Folge geleistet. Was im dortigen Parlament geredet wird, wäre nur dann ernst zu nehmen, wenn dieses Parlament echte Verantwortung hätte. Dann würden sich viele Parlamentarier dort auch anders verhalten.Eine letzte Bemerkung: Sie beklagen, daß es zu spät sei. Gewiß, es ist zu spät. Aber das ist nicht unsere Schuld. Wenn am 17. Februar anläßlich der Grünen Debatte ein wirklich ernstgemeinter Wille aller Agrarpolitiker bestanden hätte, sich in Anbetracht der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit zusammenzusetzen — wir hätten auf unseren vier Punkten nicht bestanden, sondern das Wichtigste, die Frage der Marktstruktur und der Verbesserung, herausgenommen —, dann wären wir heute schon ein Stück weiter und brauchten uns um diese Frage nicht mehr zu kümmern.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Sander.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es wäre gut, im gegenwärtigen Augenblick fotographische Aufnahmen vom Bundestag zu machen, um in den deutschen landwirtschaftlichen Zeitschriften zu zeigen, wie groß das Interesse des deutschen Parlaments an diesen so lebenswichtigen Fragen der deutschen Landwirtschaft ist. Das wäre wertvoll und würde dazu beitragen — —
— Doch, Herr Kollege Seither, ob Sie winken oder nicht.
Ein Wort zu Herrn Kollegen Bauer, den ich sonst außerordentlich schätze. Wenn Sie heute meinen Kollegen Dr. Effertz kritisiert haben in bezug auf das, was er über de Gaulle gesagt hat, so nehme ich Ihnen das einfach nicht ab.
— Ja, ich werde dann auch über die Zuckerrüben sprechen.
— Ich habe Sie nicht darauf aufmerksam gemacht, Herr Bauknecht, als Sie sprachen, wie spät es ist. Ich bitte Sie, auch mich so sprechen zu lassen, wie ich es hier im deutschen Parlament zu tun für richtig halte.
Herr Kollege Bauer, Sie dürfen von uns nun nicht erwarten, daß wir zu allem ja sagen, was Herr de Gaulle gerade der deutschen Landwirtschaft zugefügt hat, nachdem wir das große Opfer in der deutschen Getreidewirtschaft gebracht haben. Nur aus dieser Erkenntnis heraus wird Herr Kollege Effertz dies gesagt haben.Nun, meine Damen und Herren, zum eigentlichen Thema: Sie wissen ganz genau, daß die jetzt anstehenden Probleme der EWG-Zuckermarktordnung uns außerordentlich nachdenklich stimmen. Allein aus diesem Grunde haben wir auch diesen Änderungsantrag gestellt.Ganz zuletzt sind wir dazu noch durch die Ausführungen des sozialdemokratischen EWG-Vizepräsidenten Mansholt veranlaßt worden. Nun komme ich auf Sie, Herr Dr. Schmidt, der Sie Ihre Leistungen so groß herausgestellt haben. Sie haben uns letzten Endes mit dazu bewogen, jetzt auf die Ausführungen dessozialdemokratischen EWG-Vizepräsidenten Mansholt in München gerade zur deutschen Zuckermarktordnung einzugehen. Ich meine, Sie hätten am wenigsten Grund, gerade die Leistungen der deutschen Sozialdemokratie für die Agrarpolitik herauszustellen, vor allen Dingen nicht in der Form, wie Sie es heute getan haben. Da wir Sie aber alle kennen und ganz genau Wissen, daß Sie es nicht so meinen, wie Sie es hier sagen, aus dem Grunde nehmen wir es alb.
— Mein lieber Schmidt, wir wissen sehr gut, was Sie reden und was wir reden. Meinen Sie ja nicht, daß die deutschen Landwirte auf Grund solcher Reden, wie Sie sie heute geführt haben, glauben, daß die deutsche Sozialdemokratie bereit ist, ihnen zu helfen. Meine Freunde, lassen Sie das lieber unterwegs.Herr Mansholt hat in München sehr deutlich zum Ausdruck ,gebracht, daß er mit Frankreich, mit Belgien im Oktober unbedingt eine Entscheidung über den gemeinsamen Zuckerpreis herbeiführen will. Mansholt hat wörtlich gesagt:Wir werden es auch durchsetzen, wenn die Zukkermarktordnung noch nicht verabschiedet ist.Dies, meine Damen und Herren, einzig und allein im Hinblick auf die GATT-Verhandlungen, die, wie wir wissen, Anfang November in Genf fortgesetzt werden! Die deutsche Landwirtschaft muß in diesem Augenblick doch wirklich das Gefühl haben, daß sie nicht nur auf dem europäischen Markt, sondern jetzt auf dem großen Weltmarkt geopfert werden soll.Ich darf dann, Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung zitieren, was wir in der „Deutschen Bauernzeitung" nachlesen können:Ein solcher Beschluß, so meinte Mansholt, hätte an sich schon bis Mitte September erfolgen müssen und sei nur mit Rücksicht auf ein Mitgliedsland, das von Brüssel aus im Osten liegt und im September ein nicht unwichtiges Ereignis zu
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Sanderverzeichnen hat, auf den Oktober verlegt worden.Ich will hoffen, daß das jedem Landwirt bekanntgegeben wird, damit er weiß, warum man aus rein wahltaktischen Gründen den Zeitpunkt, wo man uns einen Schaden zufügen will, noch verschieben will. Nun, meine Damen und Herren, wissen wir ja ganz genau, daß unsere berechtigten Interessen nicht anerkannt werden sollen.Wir bedauern auch — das ist mit der Grund für diesen Änderungsantrag —, daß in den letzten Tagen der Bundesverband der deutschen Industrie, Herr Konsul Dietz vom Gesamtverband des deutschen Groß- und Außenhandels und wiederum viele andere meinen, ausgerechnet der deutschen Landwirtschaft sagen zu sollen, daß sie ihre Interessen zurückstellen solle, damit wir im Hinblick auf Europa vorankommen.
— Das macht doch nichts, ob Herr Kollege Ertl weggeht.
Ich bin so lange hiergeblieben, ob wir nun 30 oder 10 sind. Ich habe wir lange überlegt, ob ich noch sprechen soll. Ich habe es dann doch getan; denn nicht die Zahl ist entscheidend sondern entscheidend ist, daß wir schließlich das tun, was wir meinen, noch tun und retten zu können. Ich bin der Meinung, daß wir im Hinblick auf die Milch- und Fettmarktordnung und im Hinblick auf die Zuckermarktordnung nicht versäumen sollten, daß letzte zu tun, um von uns aus, vom nationalen Parlament aus unsere Stellungnahme abzugeben. Das ist der Grund, warum ich dazu spreche, nicht mehr und nicht anders.Nun, meine Damen und Herren, möchte ich Sie herzlich bitten, diesen Änderungsantrag, den wir vorgelegt haben, zur Kenntnis zu nehmen und anzunehmen.Ich glaube, zum Schluß sagen zu können, daß gerade wir bereit sind, im Hinblick auf Europa mit Frankreich bestens zusammenzuarbeiten, Herr Bauer. Aber wir wollen die gleichen Rechte haben. Wir wollen auch die gleichen Pflichten erfüllen. Wir wollen aber mit aller Bestimmtheit Herrn de Gaulle darauf aufmerksam machen, daß es nicht gut ist, wenn im Herzen Europas, an der Grenze gegenüber Moskau eine Landwirtschaft ist, die nicht mehr gesund ist und für die Zukunft für uns alle eine große Gefahr bedeuten kann.
Meine Damen und Herren, ist Rednerliste ist erschöpft.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe vor schwachbesetztem Haus die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.
Zur Großen Anfrage — das ist Buchstabe a — ist inzwischen ein Antrag der Abgeordneten Freiherr von Kühlmann-Stumm, Ertl, Dr. Effertz und Genossen auf Umdruck 634 *) verteilt worden. Fälschlicherweise heißt es Punkt 2 b. Es muß sich aber um Punkt 2 a handeln, wie aus dem Sachzusammenhang und der Verweisung auf die Drucksache zu ersehen ist. Zur geschäftsordnungmäßigen Behandlung dieses Antrags wünscht Herr Abgeordneter Bauknecht das Wort.
Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen sehr dankbar — ich habe auch mit den Antragstellern gesprochen —, wenn dieser Antrag an den Ausschuß überwiesen würde, weil wir gerade mitten in der Beratung dieser Materie sind.
Das Wort wird weiter zu diesem Punkt nicht gewünscht. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich komme zu b. Hier handelt es sich um die erste Beratung, ebenso wie bei c, d und e. Für diese vier zur ersten Beratung anstehenden Gesetzentwürfe schlage ich gemäß den Vereinbarungen im Ältestenrat vor die Überweisung — federführend — an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuß und an den Haushaltsausschuß, an letzteren auch im Hinblick auf § 96 der Geschäftsordnung. Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.Auch bei f handelt es sich um eine erste Beratung. Hier ist die Überweisung allein an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgesehen. — Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.Bei g ist ebenfalls nur die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgesehen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Damit komme ich zu h. Hier liegt ein längerer Antrag des Ausschusses vor sowie ein Ergänzungsantrag der Abgeordneten Sander, Dr. Effertz, Ertl, Mauk, Logemann, Peters , Wächter, Walter und Genossen auf Umdruck 633 **). Ich lasse zuerst über den Ausschußantrag abstimmen und dann über die Ergänzung des Ausschußantrages. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich komme. zum Änderungsantrag Umdruck 633 von zahlreichen Herren der Fraktion der Freien Demokraten. Ausschußüberweisung ist nicht beantragt? — Doch? — Herr Bauknecht!*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
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Herr Präsident, hier ergibt sich eine Schwierigkeit. Ich will beantragen, ,den Änderungsantrag dem Ausschuß zu überweisen,
weil die Materie schwierig ist. Es muß noch eingehend geprüft werden, ob der Wortlaut so bleiben kann, und zwar im richtig verstandenen deutschen Interesse bei den Verhandlungen über die Zuckermarktordnung in Brüssel. Nun haben wir aber vorhin bereits den Antrag .auf Drucksache IV/3369 angenommen. Es wäre klüger, wir würden die ganze Drucksache samt dem Änderungsantrag dem Ausschuß überweisen.
Sie möchten sowohl den Ausschußantrag als auch den Zusatzantrag dem Ausschuß überwiesen wissen. Das läßt sich gerade noch bewerkstelligen, wenn wir nämlich der Meinung sind, daß es sich bei dem Antrag des Ausschusses und dem Zusatzantrag um einen Antrag handelt, über den wir zum Schluß insgesamt abstimmen möchten.
— Darin besteht Einverständnis. Da wir diese Schlußabstimmung noch nicht vorgenommen haben, wird der Zusatzantrag sozusagen als § 2 des Gesamtantrages angesehen. Der Gesamtantrag, sowohl der tim Prinzip schon angenommene Ausschußantrag wie der Ergänzungsantrag, wird also dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen.
Damit komme ich zu i. Da liegt der Antrag des Ausschusses vor. Gegen die Annahme erhebt sich kein Widerspruch; ich darf 'ihn als beschlossen betrachten.
Zunächst danke ich den beiden Berichterstattern, dem Abgeordneten Balkenhol und dem Abgeordneten Ertl, für ihre Schriftlichen Berichte.
Die verschiedenen Bestimmungsgründe üben also um eine Kenntnisnahme. Dem wird bestimmt nicht widersprochen. — Der Bundestag nimmt Kenntnis.
Bei dem ersten Punkt handelt es sich lediglich längeren Antrag. Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig verabschiedet.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende einer Tagesordnung, die einen qualitativ besonders zu schätzenden Teil des Hauses hier lange vereint hat.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 19. Mai, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.