Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich zur ersten Sitzung des Deutschen Bundestages
im neuen Jahr, die hoffentlich ihren Beitrag dazu leisten
wird, dass das Jahr 2009 deutlich besser wird als viel-
fach erwartet.
Ich habe diese Sitzung gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3
des Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 der
Geschäftsordnung des Bundestages auf Verlangen der
Bundeskanzlerin einberufen. Deswegen steht im Mittel-
punkt dieser Sitzung eine Regierungserklärung, die die
aktuellen wirtschaftlichen Perspektiven für das gerade
begonnene Jahr zum Thema haben wird.
Ich möchte einigen Kolleginnen und Kollegen zu ih-
ren runden Geburtstagen gratulieren, die sie über den
Jahreswechsel haben begehen können. Der Kollege
Joachim Poß hat am 27. Dezember seinen 60. Geburts-
tag gefeiert, und der Kollege Klaus Brandner ist ges-
tern ebenfalls 60 Jahre alt geworden.
Der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt hat am 31. De-
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zember seinen 65. Geburtstag begangen, und der Kol-
lege Norbert Geis ist gestern 70 Jahre alt geworden.
Ganz offenkundig kann ich im Namen des ganzen Hau-
ses allen Jubilaren noch einmal auf diesem Wege herz-
lich gratulieren und ihnen alles Gute für die Zukunft
wünschen.
Ich darf das Haus davon in Kenntnis setzen, dass der
Kollege Dr. Ditmar Staffelt mit Wirkung vom Montag
dieser Woche auf seine Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag verzichtet hat. Als Nachfolgerin begrüße ich
die Kollegin Dr. Eva Högl. Herzlich willkommen!
Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.
Bund, Länder und Kommunen werden ein Maßnah-menpaket auf den Weg bringen, das es in der Geschichteder Bundesrepublik Deutschland so noch nicht gegebenhat. Zusammen mit den schon im Herbst beschlossenenMaßnahmen werden wir über 80 Milliarden Euro einset-zen. Das ist ein Impuls von mehr als 3 Prozent des Brut-toinlandsprodukts, auf zwei Jahre gerechnet. Die Bun-desregierung verfolgt dabei ein großes, ja einüberragendes Ziel. Wir wollen die Krise nicht einfachüberstehen. Deutschland soll aus dieser Krise stärkerster herauskommen, als es hineingeht.e Krise als Chance nutzen. bei der CDU/CSU und der SPD)und zukunftsfeWir wollen dies
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Richtig ist: Deutschland kann sich vor den Verwer-fungen an den Finanzmärkten und auch vor dem welt-weiten Wachstumseinbruch nicht abschotten. Wir erle-ben die erste umfassende Krise der Weltwirtschaft in dermodernen Globalisierung. Diesmal sind nicht nur ein-zelne Regionen, Länder oder Branchen davon erfasst,nein, diese Krise geht rund um den Globus alle an.Was zuerst Möglichkeit war und dann Wahrschein-lichkeit wurde, das ist jetzt Gewissheit. Auch Deutsch-land befindet sich infolge der weltweiten Krise in derschwierigsten wirtschaftlichen Phase seit vielen Jahr-zehnten. Glücklicherweise spüren das noch nicht alle inunserem Land – ich hoffe, das bleibt auch so –, abermanche Branchen, manche Bereiche trifft es dramatisch.Gerade heute haben wir wieder gehört: Auftragseinbrü-che im Maschinenbau um 30 Prozent allein im Novem-ber 2008. Das sind Signale, die nicht übersehen werdendürfen und zum Handeln auffordern.
Weil das so ist, ist Nichtstun keine Alternative.
Weil das so ist, reichen die herkömmlichen Instrumentenicht aus. Die Selbstheilungskräfte des Marktes könnenewUnKmnigHDgddPPGesßLdVaWDgmwlsmdgpBuwJDIhKidBwdwL
enau deshalb werden wir für die Offenheit der Märkteintreten.Es ist sehr wichtig – das ist auch die Begründung un-eres Handelns –, sich klarzumachen: Dies ist eine au-ergewöhnliche Situation, für die die herkömmlichenehrbücher nicht ausreichen. Diese Einschätzung teiltie gesamte Bundesregierung, und nur sie erklärt unserorgehen. Deswegen greift die Bundesregierung ebenuch zu außergewöhnlichen Maßnahmen.Die Menschen in Deutschland können sicher sein:ir handeln gut überlegt, und wir sind entschlossen,eutschland mit aller Kraft gut durch die Krise zu brin-en und unser Land, wo immer es möglich ist, stärker zuachen. Dieses Ziel zu erreichen, das kann nur gelingen,enn wir gleichzeitig an den wichtigsten Schlüsselstel-en unserer Wirtschaft ansetzen. Die wichtigsten Schlüs-elstellen, das sind die Innovationskraft der Unterneh-en, die Kreativität und Ausbildung der Menschen undie Leistungsfähigkeit der öffentlichen Infrastruktur. Anenau diesen Schlüsselstellen setzt unser Maßnahmen-aket an.Erstens. Wir starten eine Investitionsoffensive vonund, Ländern und Kommunen im Bildungsbereichnd bei der Modernisierung der Infrastruktur. Der Bundird zusammen mit den Ländern in den nächsten zweiahren knapp 20 Milliarden Euro zusätzlich einsetzen.as wird ein richtiger und wichtiger Impuls für unserenfrastruktur sein. Dass wir dies auf den Weg gebrachtaben – zusammen mit den Ländern, zusammen mit denommunen –, das zeigt, dass unser Land handlungsfähigst, nicht nur in der Bankenkrise, sondern auch, wenn esarum geht, unser Land stärker zu machen. Dafür alleneteiligten herzlichen Dank.
Wir wissen, dass die Kreativität der Menschen unsereichtigste Produktivkraft ist. Deshalb steht der Bil-ungsbereich im Mittelpunkt der Investitionen; dafürerden zwei Drittel der Investitionen, die von Bund undändern gemeinsam getätigt werden, bereitgestellt. Da-
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelbei geht es auch um die Verbesserung der Situation inKindergärten, in Schulen, in Fachhochschulen undHochschulen. Ich glaube, das ist genau das, was wir mei-nen, wenn wir sagen: Wir wollen eine Bildungsrepubliksein. Wir setzen jetzt die notwendigen, zusätzlichen Im-pulse, um die Zukunft zu meistern.Seit gestern höre ich: Es ist ja schön, wenn man dieSchulen renoviert. Aber was hilft das, wenn nicht ausrei-chend Personal da ist? Deshalb füge ich gleich an dieserStelle hinzu: Der Bundesarbeitsminister hat dafür Sorgegetragen, dass im Bereich der Kleinkinderbetreuung– hier erhöhen wir gerade die Zahl der Betreuungsplätze,und hier entstehen neue Rahmenbedingungen – vorran-gig Qualifizierung betrieben wird, genauso wie auch imPflegebereich. Wir werden diese Dinge kombinieren.Aber es kann doch wohl nicht sein, dass wir die Schulennicht renovieren, weil vielleicht irgendwo noch ein Leh-rer fehlt.
Vielleicht kann dies dazu beitragen, dass mehr Lehrerund Betreuer eingestellt werden.Alles, was wir im Infrastrukturbereich machen, ver-binden wir auch mit zusätzlichen Impulsen für Klima-schutz und Energieeffizienz. Das bringt uns der Erfül-lung unserer Klimaschutzziele näher. Das ist einwichtiger Beitrag für die Zukunft.Um die Schwerpunkte schnell, effizient und sichtbarumzusetzen, werden die Finanzhilfen unter dem Ge-samtdach des kommunalen Investitionsprogramms zurVerfügung gestellt. Wir vereinfachen das Vergaberecht,damit Aufträge möglichst schnell vergeben werden kön-nen. Das sichert nicht nur kurzfristig Aufträge für dieWirtschaft und Arbeitsplätze, sondern es bringt fürDeutschland auch die Chance auf einen umfassendenModernisierungsschub. Ich sage: Das ist ein Qualitäts-sprung, der sonst viele Jahre gebraucht hätte. Bei denBesuchen, die ich gemacht habe, habe ich gespürt – daswird jedem so ergangen sein –, dass gerade die kommu-nalen Verantwortlichen sehr verantwortlich mitmachen
und dieses Programm sehr intensiv aufgreifen werden.
Zweitens handeln wir für eine gesicherte Kreditver-sorgung der Wirtschaft, damit Investitionen und Inno-vationen der Unternehmen trotz der Verwerfungen aufden Finanzmärkten möglich bleiben. Dazu wird die Bun-desregierung als Schwerpunkt ein besonderes Kredit-und Bürgschaftsprogramm einrichten. Über das schonheute laufende KfW-Sonderprogramm hinaus werdenwir mit einem Bürgschaftsvolumen von 100 MilliardenEuro sicherstellen, dass die Kreditversorgung durch dieBanken auch funktioniert. Wir brauchen heute zusätz-liche Absicherungen, damit die Banken ihrer Tätigkeitnachkommen können.Mithilfe der staatlichen Bürgschaften werden wir einVielfaches an privaten Investitionen auslösen. Ziel die-ses Bürgschaftsprogramms ist, dass keine gesunden,wndeSdbhsafpfsAdvhgWdgmwSDausvwbtkrnsmnsspwsfruag
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Das kann ein Beitrag sein, um zukünftigen Fachkräfte-mangel zu überwinden, und so entsteht wieder eineChance, aus der Krise herauszukommen.Wir wissen, dass die Qualifizierung nicht alleine vonden Betrieben geleistet werden kann. Deshalb kommtder Bundesagentur für Arbeit und ebenso den Trägernder Grundsicherung, bei denen Arbeitnehmer und Ar-beitsuchende aktiviert und qualifiziert werden, eine er-hebliche Bedeutung zu. Deshalb erweitern wir hier auchden Umfang der Stellen.Gerade an dieser Stelle zeigt sich, wie wertvoll es ist,dass die Bundesagentur für Arbeit mit den Reformen derletzten Jahre wirkungsvoll umorganisiert wurde undschlagkräftiger geworden ist. Sie wird eine sehr wichtigeSäule im Einsatz für Beschäftigung und Qualifizierungsein. Deshalb möchte ich von dieser Stelle aus den Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern in Nürnberg und auch inden Argen vor Ort ein ganz herzliches Dankeschön sa-gen. Von ihnen wird in den nächsten Monaten viel ab-hängen.
Viertens. Die Privathaushalte und auch die Personen-gesellschaften des Mittelstandes werden bei Steuernund Abgaben spürbar und dauerhaft entlastet. Insge-samt entlasten wir mit den gestrigen Beschlüssen dieBJmgv„sdns„tbnimItzudBKbUzDJBWgBVstdgeHlddEsudls
Die Entlastungen sind keine Einmalmaßnahme, son-ern wirken dauerhaft, genauso wie die Senkung dereiträge. Die paritätische Senkung der Beiträge zurrankenversicherung um 0,6 Punkte wird sowohl Ar-eitgeber als auch Arbeitnehmer noch einmal entlasten.m den Umfang einmal darzustellen: Eine Familie mitwei Kindern und einem Erwerbstätigen mit einemurchschnittseinkommen von etwa 30 000 Euro wird imahr 314 Euro mehr zur Verfügung haben. Das ist eineitrag, um Vertrauen zu schaffen.Ich will an dieser Stelle noch eines deutlich machen.ir gehen in verschiedenen Schritten vor. Auch das istestern kritisiert worden. Aber worum geht es bei dieseneitrags- und Steuersenkungen? Es geht darum, dass wirertrauen mit Blick auf den Konsum der Bevölkerungchaffen. Glücklicherweise befinden wir uns in einer Si-uation, in der die Inflationsrate und die Energiepreise iniesem Jahr niedriger sein werden. Es gibt die Entlastun-en für Familien ab 1. Januar. Es wird ab 1. Juli Renten-rhöhungen und Erhöhungen bei den Leistungen fürartz-IV-Empfänger geben. Es gibt die steuerlichen Ent-astungen und die Gesundheitskostenentlastungen, undann zum 1. Januar 2010 noch einmal mehr.Das heißt, die Menschen können darauf vertrauen,ass das ihnen zum Konsum zur Verfügung stehendeinkommen möglichst gleich oder höher sein wird. Dastärkt dann die Konjunktur. Das ist ein innerer Impuls,nd das ist unsere Philosophie: Nicht einmal, sondernauerhaft Hoffnung geben, damit sich die Dinge mög-ichst vernünftig entwickeln.
Wir tun das, weil uns wichtig ist, dass alle Bürgerpüren: Es ist eine gemeinsame Herausforderung, und
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkeldeshalb soll es auch eine gemeinsame Chance geben. Je-der wird gebraucht, und jeder soll gestärkt werden. Des-halb ist der Mix aus Lohnzusatzkostensenkung und Steu-ersenkung auch richtig, weil die unterschiedlichenBevölkerungsteile unterschiedlich betroffen sind. Es gibtauch viele, die keine Steuern zahlen.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, ja, es ist richtig: Wir nehmen viel Geld in dieHand. Wir nehmen sogar sehr viel Geld in die Hand.Aber wir haben auch darauf geachtet, dass wir den rich-tigen Zeitpunkt wählen. Wir sind bewusst nicht in einenÜberbietungswettbewerb auf europäischer Ebene einge-stiegen. Wir sind der Überzeugung: Jetzt ist der richtigeZeitpunkt. Wir brauchen mit unserer Antwort allerdingsden Vergleich mit den Initiativen anderer Länder wahr-lich nicht zu scheuen.
Ich erinnere daran: Die Europäische Union hat – sohaben wir es im Rat beschlossen – ein gemeinsames euro-päisches Programm mit einem Volumen von 200 Milliar-den Euro gefordert. Deutschland ist jetzt mit 80 Milliar-den Euro dabei. Wir leisten als größte Volkswirtschaftunseren Beitrag. Ich finde das richtig. Aber ich finde,wir alle können das auch selbstbewusst sagen.
Die volle Wirkung dessen, was wir hier zur Diskus-sion stellen, entfaltet sich im Übrigen erst im Zusam-menwirken aller Maßnahmen. Ich habe von den Schlüs-selstellen gesprochen, an denen wir ansetzen müssen.Sie erfordern verschiedene Maßnahmen. Wer nur auf dieeine oder andere Maßnahme setzt, der wird eine Halbie-rung der Wirkung erleben.
Wer auf alle Maßnahmen setzt, der wird erleben, dasssich die Wirkung vervielfacht. Das muss das Ziel sein;denn eindimensionale Antworten sind in der Globalisie-rung definitiv zum Scheitern verurteilt.
Gerade deswegen hat sich die Bundesregierung bewusstfür einen breiten und vernetzten Ansatz entschieden. Ge-rade weil es heute keine isolierten nationalen Maßnah-men mehr geben kann, möchte ich noch einmal betonen,dass dieser Pakt für Beschäftigung und Stabilität nur dieeine Seite der Medaille, der internationalen Situation ist.Die andere Seite der Medaille ist die aktive Gestaltungder internationalen Ordnung. Ich werde nicht locker-lassen – das gilt für die gesamte Bundesregierung –, biswir international eine neue Finanzmarktverfassung, ei-nen fairen Freihandel, eine bessere Beachtung von sozia-len Mindeststandards, einen Abbau der wirtschaftlichenUngleichgewichte und den Ausbau des internationalenKlimaschutzregimes geschafft haben.Die Gruppe der G-20-Länder wird – Großbritannienhat in diesem Jahr den Vorsitz – am 2. April wieder ta-gen. Ich habe die europäischen Teilnehmer dieser G-20-GzßDshDlbwgdftzfsgdwhAdsfdgwrgAsKvwswwsitsndsStaamEE
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In diesem Jahr wird die Bundesrepublik Deutschland60 Jahre alt. Ein Drittel dieser Zeit, nämlich fast20 Jahre, gehen Ost und West einen gemeinsamen Weg.Vor 20 Jahren, am 9. November, war der Fall der Berli-ner Mauer. Die beiden Daten, finde ich, zeigen uns, dassDeutschland schon ganz andere Herausforderungen ge-meistert hat. Das ist Grund zur Zuversicht; das ist Grund,auf Deutschlands Kraft und Stärke zu vertrauen. Das Al-lerwichtigste, so heftig der Wachstumseinbruch auchausfallen kann, ist: Dies ist keine Krise – das, finde ich,ist die wichtige Botschaft – der ökonomischen, sozialenoder finanziellen Grundstrukturen unserer Bundesrepu-blik Deutschland.
– Ich kann mir denken, dass Sie da lachen. Das ist ge-rade der Unterschied zwischen uns.
Unsere Wirtschaft ist stark. Unsere Produkte sindweltweit wettbewerbsfähig. Wir haben 1,5 Millionenneue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in denletzten drei Jahren geschaffen. Das soziale Netz ist sta-bil; es ist durch die Reformen der letzten Jahre gestärktworden. Wir hatten 2007 und 2008 einen ungefähr aus-geglichenen Haushalt. Heute sind die Zahlen gekom-men: Das Bruttoinlandsprodukt weist ein Wachstum vonminus 0,1 Prozent auf, die Verschuldung von Deutsch-lHMDwdnsbdDwMzsdwkKmSukndGjtipttsbuVVljihadwHK
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort demollegen Dr. Guido Westerwelle, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Das ist in der Tat eine ganz außergewöhnliche Sit-zung des Deutschen Bundestages und ein außergewöhn-licher Tag, schon deshalb, weil wir Deutsche noch sehrlange an dem abzahlen werden, was heute von der Re-gierung vorgeschlagen wird und durchgesetzt werdensoll. Die wenigsten, die hier sitzen, werden den Zeit-punkt erleben, an dem zurückgezahlt ist, was Sie heutebeschließen.
In Wahrheit ist das nicht das größte Konjunkturpaket inder Geschichte unseres Landes. Es ist bisher nichts ande-res als das größte Schuldenpaket in der Geschichte un-seres Landes.
Frau Bundeskanzlerin, Sie sagen: Nichtstun ist keineAlternative. Da haben Sie recht. Aber das Falsche zutun, ist auch keine Alternative, meine sehr geehrten Da-men und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Diese Regierung wird damit als eine Regierung der Re-korde in die Geschichte eingehen. Sie stehen damit fürdie größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bun-desrepublik Deutschland. Gleichzeitig werden Sie dieRegierung sein, die wie noch nie eine Regierung seitGründung der Republik Schulden gemacht hat.
Wir werfen Ihnen nicht vor, dass die Krise da ist. Wirhaben Ihnen nie vorgeworfen, dass die Krise der Welt-wirtschaft auch Deutschland trifft.
Was wir Ihnen vorwerfen, ist, dass Sie in guten Zeitennicht für die schlechten Zeiten vorgesorgt haben.
Hätten Sie in Zeiten des Aufschwungs etwas an Über-schüssen erwirtschaftet, wären Sie heute glaubwürdiger,wenn Sie sagen, dass Sie Schulden machen müssen.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, das sei keineZeit für die herkömmlichen Lehrbücher. Für die her-kömmlichen Lehrbücher mag es nicht die Stunde sein;aber für ein Lehrbuch wäre es die richtige Stunde, näm-lich für Ludwig Erhards Wohlstand für alle. Das wäredie richtige Lehre: sich auf die Kräfte der sozialenMarktwirtschaft nicht nur in Worten, sondern auch inTaten zu besinnen. Eine Lehre des Wirtschaftswunders,eine Lehre der sozialen Marktwirtschaft ist: Aufschwunggibt es nur, wenn sich Leistung für die Bürger lohnt.Deswegen brauchen wir vor allen Dingen eine Entlas-tmpMu–rglddSuenSdkDFKhwfeafzggTaodvantSmSsgfilgBWgsvS
Das, was Sie vorlegen, ist ein Sammelsurium. Es istin Paket, das nicht wirken kann, weil es ihm einerseitsn der Linie fehlt und weil es andererseits an dem Mutehlt, die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch-usetzen. Das, was Sie bisher an Entlastung für die Bür-erinnen und Bürger in dieser schweren Zeit vorschla-en, ist nichts anderes als eine Steuerentlastung aufaschengeldniveau. Damit kann man keine Wirtschaftnspringen lassen. Ob es 5 Euro Steuerentlastung sindder 15 Euro – wie Sie behaupten –, Deutschland wirdeswegen mit Sicherheit nicht in einen Konsumrauscherfallen. Das ist zu kurz gesprungen. Sie flickschustern,nstatt ein einfaches und gerechteres Steuersystem mitiedrigeren Tarifen zu beschließen. Das müsste der zen-rale Stein dieses Konjunkturpaketes sein; aber das tunie nicht.Wir wissen natürlich, was dahintersteckt. Meine Da-en und Herren, Sie sprechen viel von der Konjunktur,ie sprechen viel von der Wirtschaft, aber was bei die-em Paket in Wahrheit mitschwingt, sind vor allen Din-en Ihr innerparteilicher und Ihr innerkoalitionärer Kon-likt. In Wahrheit ging es um die Frage: Wie konnten Sien der Koalition noch einmal zueinanderfinden? Jederegte etwas auf den Tisch, damit am Schluss ein Paketeschnürt werden konnte – teuer, mit Schulden für dieürgerinnen und Bürger und mit wenig Wirkung. Inahrheit ist es ein Paket, dessen – wenige – Entlastun-en erst zur Mitte dieses Jahres wirken und in Kraft ge-etzt werden sollen, ein Zufall, dass das wenige Wochenor der Bundestagswahl ist. Mit diesem Paket kümmernie sich weniger um die Konjunktur als vielmehr um
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Dr. Guido WesterwelleIhre Wahlkampfinteressen, was man schon daran sieht,dass nach der Bundeskanzlerin und meiner Wenigkeitgleich der Kanzlerkandidat der SPD hier sprechen wird.Allein die Rednerliste zeigt, worum es mit diesem Paketin Wahrheit geht: viel Wahlkampf und wenig Zukunftfür Deutschland.
Das Schicksal ist: Es ist mutmaßlich der teuersteWahlkampf in der Geschichte der BundesrepublikDeutschland, der hier in diesem Hause beschlossen wer-den soll. Was ist zu tun? Aus unserer Sicht ist es notwen-dig, dass es eine echte Entlastung der Bürgerinnen undBürger gibt bei den Steuern, bei den Abgaben und aus-drücklich auch bei der Bürokratie.Ich will zum Punkt Steuern noch etwas im Detail sa-gen. In diesem Jahr wollen Sie die Bürgerinnen und Bür-ger bei den Steuern um 3 Milliarden Euro entlasten. Wirvergleichen das einmal mit dem, was in anderen Ländernerörtert wird. Es sind allein 300 Milliarden Dollar, dieder künftige Präsident Obama beim Thema „Entlastungder Bürgerinnen und Bürger“ auf den Tisch legt. Sie sa-gen, wir hätten für Steuersenkungen kein Geld. Werwie Sie in diesem Paket für alles Geld hat – bis hin zu ei-ner Abwrackprämie –, der kann nie wieder behaupten,wir hätten kein Geld für Steuersenkungen. Sie wollen esnicht. Sie können es nicht. Das sollen die Bürgerinnenund Bürger wissen.
Gleichzeitig erklären Sie, Sie würden die Beiträge zurKrankenversicherung senken. Das ist, mit Verlaub ge-sagt, nichts anderes als eine Veräppelung der Bürgerin-nen und Bürger in dieser Republik. Wann hat es das inDeutschland jemals gegeben, dass eine Gesundheits-reform zum 1. Januar eines Jahres in Kraft tritt und dassman bereits zwei Wochen später die Milliarden suchenmuss, um den gröbsten Schrott dieser Gesundheits-reform wieder einigermaßen wegzukehren? Es ist eineVeräppelung der Leute, wenn Sie ihnen per Gesundheits-reform erst höhere Beiträge verordnen, um ihnen danneine Brosame als Entlastung zurückzugeben. Das istkeine Entlastung. Was Sie hier beschließen, ist eineFrechheit.
2 500 Euro für alte Autos, 100 Euro fürs Kind, das istein Wettbewerb der Hilflosigkeit – übrigens mit einersehr aussagekräftigen Schieflage. Was ist denn mit IhrenReden über Familie, wenn Sie in diesem Paket eine sol-che Gewichtung vornehmen?
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Es ist richtig, dass Sie die Mittel für Investitionen inie Infrastruktur erhöhen. Allerdings sind in den ver-angenen zehn Jahren die Abgaben und Steuern für dieutofahrer und den Straßenverkehr von 37 auf 53 Mil-iarden Euro gestiegen. Sie haben in unglaublichemaße zugegriffen. Das Plus von 2 Milliarden Euro, dasetzt gewährt werden soll, haben die Autofahrer in denetzten Jahren bereits x-fach eingezahlt.
Schließlich fehlt aus unserer Sicht vor allen Dingener Ausstieg aus der ideologischen Energiepolitik. Al-ein wenn man die Energieinfrastruktur modernisierenürde, könnten sich private Investitionsmittel in einemolumen von 20 bis 40 Milliarden Euro bewegen lassen.as würde den Staat nichts kosten, und es hätte großeirkung.Meine Damen und Herren, dieses Paket ist nicht über-eugend. Es ist ein Sammelsurium. Das Schlimme aniesem Paket ist in Wahrheit, dass es schnell verpufft,ber die Schulden bleiben: für viele Jahrzehnte, für dieächsten Generationen. Es wird wenig bringen, unglaub-ich viel kosten. Ich sage Ihnen gleichwohl zu: Es wirdn diesem Haus und auch in der anderen Kammer natür-ich konstruktive Beratungen geben. Was in diesem Pa-et sinnvoll ist, werden wir mittragen. Aber Sie könnenicht erwarten, dass wir ein Paket unterstützen, mit demn Wahrheit die Steuern nicht gesenkt, die Schulden aberrhöht werden und bei dem für die Konjunktur herzlichenig herumkommt. Deutschland hat Besseres verdientls diese Flickschusterei der Großen Koalition.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Bundesminister des Auswär-igen, Frank-Walter Steinmeier.
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Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir leben in der Tat, Herr Westerwelle, in au-ßergewöhnlichen Zeiten. Die Weltwirtschaft ist in dieschwerste Krise seit 80 Jahren gerutscht, und – das istwichtig zu sagen – diese Krise wird um uns, wird auchum unser Land keinen Bogen machen. In dieser Situa-tion muss allen klar sein: Abwarten war und ist keineOption. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Krise gera-dezu wie ein Tsunami unsere industriellen Strukturenzerstört, dass wettbewerbsfähige Unternehmen schließenmüssen, dass Entlassungswellen unser Land erschüttern.Deswegen muss und musste die Bundesregierung han-deln, und zwar schnell und entschlossen. Genau das ha-ben wir getan.
Wer nach der Schuld fragt, liegt falsch. Es ist ja so:Weder die Ursachen der Finanzmarktkrise noch die Ur-sachen der Wirtschaftskrise kommen von hier oder sindhausgemacht. Wir können aber sehr wohl bei uns zuHause etwas gegen die Krise und vor allen Dingen gegendie Folgen dieser Krise tun. Deshalb und nur deshalbverstärken wir öffentliche Investitionen. Wir sichern da-durch Arbeitsplätze. Wir verhindern Entlassungen durchQualifizierung, durch Umschulung, durch Erweiterungund Erleichterung von Kurzarbeit. Wir entlasten Arbeit-nehmer und Arbeitgeber. Wir stärken private Nachfrage.Wir unterstützen Familien und Kinder. Das alles sindMaßnahmen, die sinnvoll und vernünftig sind, weil siedie Krisenfolgen abmildern, und das ist notwendig.
Wir mussten in diesen letzten drei Monaten ein umsandere Mal erleben, dass Märkte und noch mehr die Ak-teure und Claqueure auf diesen Märkten versagt haben.Wenn sie nicht weiterwussten und gar nichts mehr ging– das haben wir erlebt –, dann erscholl der Ruf nach demStaat. Ich sage Ihnen angesichts von Finanzkrise undWirtschaftskrise ganz ehrlich: Ich finde es sehr beruhi-gend, dass der Staat in Deutschland handlungsfähig istund dass sich die Politik auch in diesen schwierigen Zei-ten ihrer Verantwortung stellt, nicht ausweicht, sonderndas tut, was von ihr erwartet wird. Das ist gut fürDeutschland. Das ist gut für die Politik in Deutschland.
Wir legen Ihnen heute in der Tat das größte Konjunk-tur- und Stabilitätsprogramm in der Geschichte der Bun-desrepublik vor. Es ist kein Diskussionsbeitrag, kein Pa-laver, sondern ein in den letzten drei bis vier Wochen gutvorbereitetes Paket. Nur so vorzugehen, das ist der Situa-tion angemessen.Ich sage mit großem Ernst – das meine ich auch so –:In diesem Jahr muss sich Politik bewähren. Politik mussSubstanz liefern, muss Mut zur Verantwortung zeigen.Mit Show und Mätzchen werden wir in diesem Jahr ganzsicherlich nicht durchkommen.aIdImwrsIigVannmsdEsvdDkPdStjdKuhnilndtAdd
Herr Westerwelle, ich schätze Sie – Sie wissen das –ls politischen Gesprächspartner.
ch sage Ihnen aber ebenso deutlich: Mit Spötterei wer-en Sie hier nicht durchkommen.
ch habe die von Ihnen verwendeten Begriffe einmalitgeschrieben: Wahlkampfklingelei, Schrott, Wettbe-erb der Hilflosigkeit, Flickschusterei. Sie können dieseiesige Kraftanstrengung, die wir hier unternehmen, mitolchen Begriffen belegen. Helfen – das prophezeie ichhnen – wird Ihnen das politisch nicht. Deswegen sagech Ihnen, Herr Westerwelle: Die FDP ist an den wichti-en Weggabelungen dieser Republik immer den Weg derernunft gegangen. Ich hoffe und setze darauf, dass dasuch bei dieser Anstrengung so sein wird.
Ich bin froh, dass wir in den letzten Jahren – das waricht immer ganz einfach, wie sich sicherlich alle erin-ern können – den Weg gegangen sind, unser Land zuodernisieren. Die Früchte dieser Politik sind einetarke Wirtschaft, wie wir sie heute haben, Sozialkassen,ie wieder Reserven angesammelt haben – 17 Milliardenuro allein bei der Bundesagentur für Arbeit –, und kon-olidierte Haushalte. Nur diese Früchte unserer Politikersetzen uns jetzt in den Stand, entschlossen zu han-eln.
as zeigt wieder einmal: Politik muss auf Langfristig-eit angelegt sein. Das zahlt sich aus; nur dadurch wirdolitik handlungsfähig.
Meine Damen und Herren, 50 Milliarden Euro sind iner Tat eine gewaltige Summe. Aber nicht allein dieumme ist ein entscheidendes Merkmal dieses Konjunk-urprogramms. Vielmehr ist entscheidend, dass das Kon-unkturprogramm sinnvoll, wirksam und gründlichurchdacht ist. Wir reagieren eben nicht nur auf dierise, sondern wir nutzen sie ganz bewusst. Wir wollennser Land auch in dieser Krise moderner machen. Des-alb darf man bei diesem Konjunkturprogramm nichtur sehen, dass es mit 50 Milliarden Euro ausgestattetst, sondern man muss auch feststellen, dass es ein intel-igentes Konjunkturprogramm ist.
Wir legen mit diesem Programm einen Mix von Maß-ahmen vor, die sich gegenseitig verstärken und erst iner Kombination wirken. Wir investieren in Infrastruk-ur. Wir sichern und fördern Beschäftigung. Wir gebennreize für mehr Konsum. Wir gehen gezielt in die För-erung von Innovationen. Außerdem tun wir etwas fürie ökologische Erneuerung: durch die Umweltprämie
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierfür Altfahrzeuge, die Neuordnung der Kfz-Steuer, Maß-nahmen zur Energieeffizienz in den Gebäuden, die For-schungsprämie. Alle Maßnahmen zusammen dienendazu, dass unsere Wirtschaft beim nächsten Aufschwungin den Zukunftsmärkten wieder vorne liegt.
Nicht zuletzt ist dieses Programm auch ein klares Sig-nal an die Länder in Europa, nämlich das Signal: Wirnehmen unsere Verantwortung als stärkste Volkswirt-schaft in der Europäischen Union an. Wir nehmen Geldin die Hand, um diese schwierige Zeit durchstehen zukönnen, gemeinsam mit den anderen Europäern. Da-rüber reden wir in Europa.Europa ist wichtig; aber in dieser Situation, in der wirüber ein nationales Programm reden, ist es vielleichtnoch wichtiger, eine gemeinsame Kraftanstrengung inDeutschland, und zwar in der ganzen Gesellschaft, ein-zufordern. Politik kann diese Krise am Ende nicht alleinbewältigen. Aber Politik kann – das habe ich gestern ge-sagt – in einer solchen Situation Vorbild sein, und daswerden wir jetzt zeigen. Wie das geht, haben wir mit un-serem kommunalen Infrastrukturprogramm demons-triert. Das ist ein Bündnis mit Ländern und Kommunen,das für mich, auch im Sinne der Vorbildfunktion, einHerzstück des gesamten Konjunkturpakets ist.
Der Bund gibt 10 Milliarden Euro, um in den Kom-munen eine Welle von Aufträgen für Handwerker undBauwirtschaft auszulösen und Arbeitsplätze zu sichern.Wir betonen: Der Schwerpunkt soll darauf liegen, Kin-dergärten und Schulen zu verbessern. Denn da ist, wiewir alle wissen, noch viel zu tun. Noch nie in der Ge-schichte – das haben uns die Repräsentanten der Kom-munen gesagt – hat es einen solchen Schulterschluss vonBund, Ländern und Gemeinden wie in diesem Pro-gramm gegeben.Nachdem das gelungen ist, appelliere ich an alle, diejetzt an der Umsetzung arbeiten: Verzetteln wir uns bittenicht wieder in ein Gezerre um Zuständigkeiten! Han-deln wir gemeinsam, so wie die Menschen es von uns er-warten! Genau so – und nur so – schaffen wir Vertrauenin diesem Lande.
Ich bleibe auch dabei: Unser Programm hat zwei Be-standteile. Aus meiner Sicht sind es zwei Seiten dersel-ben Medaille. Wir geben jetzt einen kräftigen Impuls fürdie Konjunktur. Aber wir müssen mit Beginn des nächs-ten Aufschwungs genauso entschieden gegensteuern.Neuverschuldung und Tilgung gehören zusammen.Entsprechend zu handeln, sind wir uns und der nächstenGeneration schuldig. Deshalb müssen wir es schaffen.Herr Westerwelle, wenn ich das noch ergänzen darf:Ich habe die feste Absicht, das noch zu erleben.
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Ich sage noch etwas dazu, warum ich dieses Konjunk-urpaket wirklich für einen großen politischen Erfolgalte. Wir zeigen damit, dass sich wirtschaftliche Not-endigkeit und soziale Gerechtigkeit in diesem Paket er-änzen. Davon profitieren auch all die Menschen über-urchschnittlich, die in den letzten Jahren weniger zumuge gekommen sind: Menschen, die arbeiten gehen,amilien mit Kindern, 17 Millionen Rentner und auchie 6- bis 13-jährigen Kinder von Langzeitarbeitslosen.
Wir sind dafür eingetreten, dass vor allen Dingen dieenschen mit kleinen und mittleren Einkommen vonen Maßnahmen profitieren. Das erwartet man auch vonozialdemokraten. Darüber hinaus ist es auch unteronjunkturgesichtspunkten hochvernünftig. Warum?eil in einer Flaute nur die Maßnahmen wirksam sind,ei denen zusätzliches Geld tatsächlich im Konsum lan-et und eben nicht auf dem Sparbuch. Das ist der Grund,arum wir Bezieher kleiner Einkommen besonders be-ünstigen wollen. Sie wissen, am liebsten hätten wir esber eine Senkung der Abgaben gemacht. Aber wenn eschon über Steuerentlastungen erfolgen soll, dann sollies möglichst für die kleinen und mittleren Einkommenelten.Unter dem Strich kann man sagen: Gute Konjunktur-olitik und eine sozial gerechte Politik gehen zusammen;ie müssen kein Widerspruch sein. Das beweist unseraket. Deshalb kann ich dieses Paket nicht nur gut ver-reten, sondern bin hochzufrieden mit dem Gesamtergeb-is.
So wichtig dieses Konjunkturpaket auch ist, es kann,emessen an den politischen Aufgaben, die vor uns lie-en, nur ein Zwischenschritt sein. Die Menschen erwar-en von der Politik ganz sicherlich Maßnahmen zur Stüt-ung der Konjunktur. Wenn wir – wie auch vieleenschen im Lande – in dieser Situation von einer Zei-enwende sprechen, dann wollen sie wissen: Wie geht esarüber hinaus weiter? Wie stellen wir sicher, dass so et-as nicht noch einmal vorkommt? Wie sieht der politi-che Rahmen aus, mit dem wir wirksam dafür sorgen,ass der Ehrliche nicht der Dumme ist? Es geht um ei-en Rahmen, in dem wir die Stellschrauben so ausrich-en, dass Unternehmen wieder langfristig denken undangfristig investieren. Dafür zu arbeiten, dass ein sol-her Rahmen mit klaren Regeln und Maßgaben entsteht,as wird die große Aufgabe in diesem Jahr sein.
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Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierWir können und müssen uns dabei klarmachen: DieGründe für die Finanzkrise liegen ganz sicherlich in derübergroßen Risikobereitschaft und auch in der übergro-ßen Gier vieler Einzelner. Aber die Ursache ist natürlicheine andere: Dies war ein Finanzwirtschaftssystem, dasauf dieses Verhalten nicht ausgelegt war, das Tür undTor geöffnet und sogar Anreize für unverantwortlichesVerhalten geboten hat. Mit anderen Worten: Wer eineRendite von 25 Prozent erbringen muss, weil er anderen-falls seinen Job in der Finanzwelt verliert, handelt ebennicht so, wie das dem langfristigen Interesse der Unter-nehmen entspricht.
Darin liegt die Ursache der Krise. Da müssen wir heran.Diese Weltwirtschaftskrise konnte nur entstehen, weilin der internationalen Finanzwirtschaft ein Markt ohneRegeln mit zu wenig Aufsicht und zu wenigen Kontroll-mechanismen bestand, ein Markt, der sich seine Regelnsozusagen selber geschrieben hat. Sie wissen, nationalePolitik allein ist dagegen machtlos.
Auf der internationalen Ebene bestand über viele Jahrehinweg nicht nur Handlungsunfähigkeit, sondern, wennich es richtig in Erinnerung habe – der Finanzministerwird es bestätigen –, Handlungsunwilligkeit.Jetzt, da wir eine Phase haben, in der Einsichtherrscht, könnte darin eine historische Chance liegen,die wir nutzen müssen. Wir müssen jetzt mit aller Kraftan einer Weltwirtschaftsordnung arbeiten, die Krisendieses Ausmaßes in Zukunft verhindert.
Das geht nur international. Wer Markt und Gemeinwohlin eine neue Balance bringen will, muss noch viel stärkerals bisher international handeln. Er muss sich in den zen-tralen Feldern der Wirtschafts-, der Finanz-, der Sozial-und der Umweltpolitik enger abstimmen. Deshalb ist esgut, dass sich die G-20-Staaten zusammengefunden ha-ben. Es ist gut, dass wir uns auf der europäischen Ebenevorher abstimmen und dann möglichst mit einer Stimmesprechen.
Aber ich sage auch: Die Nachricht von der neuenZeit, die neue Antworten verlangt, muss auch in Brüsselbei den Institutionen der Europäischen Union ankom-men. Wenn die Europäische Union eine gute Zukunft ha-ben soll, dann dürfen die Kommissare und die leitendenAngestellten der Europäischen Union nicht mehr längernur allein – auch das muss natürlich sein – das Lied vomungehinderten Wettbewerb und vom freien Binnenmarktsingen, sondern müssen realisieren, dass etwas passiertist. Die Menschen erwarten mehr, und deshalb mussauch Europa mehr leisten.
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ir sollten in diesem Zusammenhang einen engen Dia-og nicht nur mit der Opposition hier im Hause, sondernuch mit der Zivilgesellschaft als Ganzes führen. Ich binir sicher, dass das geht.Diesen Appell möchte ich auch an die Verantwortli-hen in der Wirtschaft richten. Das, was diese Krise aus-acht, ist eine tiefgreifende Legitimationskrise der in-wischen globalisierten Marktwirtschaft. Eine solcherise kann die Politik nicht allein überwinden. In denielen Gesprächen, die ich in der letzten Zeit mit Wirt-chaftsvertretern führte, bemerkte ich, dass sie spüren,ass man hier etwas tut. Auch dort gibt es Bewegung,ewegung in den Köpfen. Auch dort suchen viele nacheuen Orientierungen. Es gibt Manager in der Leitungs-bene, die erkennen, dass der kurzfristige Renditedruckes Kapitalmarktes die Unternehmen nicht immer nachorne gebracht hat, und deshalb für eine Neuordnung derärkte offen sind. Ich finde es schade, dass sich bisherur wenige aus der Wirtschaft öffentlich an dieser Dis-ussion beteiligen. Ich bin mir sicher, dass wir eine sol-he Diskussion brauchen, insbesondere in einer solchenituation, in der deutlich wird, dass Fehler, die in derergangenheit gemacht wurden, die Legitimität desirtschaftssystems und vor allen Dingen die Legitimitätes politischen Rahmens, der dieses System trägt, be-ührt oder sogar beschädigt haben.Deshalb sage ich: Das Bekenntnis zur sozialen Markt-irtschaft ist notwendig – das fällt uns leicht –; aber dasekenntnis allein – da bin ich mir sicher – wird nichtusreichen.
enn wir den Vertrauensverlust wirklich aufarbeitenollen, dann müssen wir um Zustimmung und Akzep-anz werben. Ich bin überzeugt: Erfolgreich wird dieseserben nur dann sein – es gibt eine einzige Vorausset-ung –, wenn unser Handeln, auch unser Wirtschaftenen Maximen dieser sozialen Marktwirtschaft wirklich
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierentspricht, das heißt, wenn Rücksicht auf die Menschengenommen wird, auch und gerade in Zeiten der Krise.
Mich beeindruckt – damit komme ich zum Schluss –,dass einzelne Unternehmen – Siemens gehört dazu – ihreaus dem Unternehmen heraus verursachte Krise dazunutzen, sich neu zu erfinden und neue Regeln der Nach-haltigkeit und Transparenz aufstellen, dabei aber ebenauch – deshalb komme ich an dieser Stelle darauf zusprechen – Arbeitsplätze garantieren und auf betriebsbe-dingte Kündigungen verzichten. Das nenne ich Verant-wortung für das Gemeinwohl in der Krise. Ich würde da-von in der deutschen Wirtschaft gerne noch mehr sehen,damit die Menschen merken: Auch die Wirtschaft meintes in dieser Situation ernst.
Der Weg durch eine solche Krise ist nicht einfach. Erbedarf einer Richtung. Wir sind im Augenblick gemein-sam dabei, den Kompass neu zu justieren. Die Bundesre-gierung hat ihren Beitrag dazu geleistet. Ich finde, sie hateinen guten Beitrag geleistet.Herzlichen Dank.
Oskar Lafontaine ist der nächste Redner für die Frak-
tion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Die Bundesregierung stellt uns das nach ihren eige-nen Worten größte Konjunkturprogramm nach demKriege vor. Wenn die Öffentlichkeit diese Bemerkunghört, dann ist sie geneigt zu glauben, dass damit die ent-scheidende Antwort auf die Krise gegeben wird, der wiruns gegenübersehen.Dieses „größte Konjunkturprogramm nach demKriege“ – ich beziehe mich auf die Vorlage, um die esjetzt geht – umfasst pro Jahr – nur darüber kann man re-den, wenn man redlich argumentieren und die Öffent-lichkeit nicht täuschen will – 1 Prozent des Bruttosozial-produktes. Würde man das Konjunkturprogramm Ihinzunehmen, wären es 1,2 bis 1,3 Prozent. Darüber re-den wir hier. Die Frage ist, ob diese Antwort ausreichendist, um die Verwerfungen, die sich jetzt abzeichnen, auchnur teilweise abzumildern.Wenn man diese Größenordnung sieht, dann mussman sie mit zwei anderen Zahlen konfrontieren, die ichhier noch einmal in Erinnerung rufen will. Wir hatten inden letzten Jahren eine strukturelle Veränderung derStaatsausgaben in großem Umfang. Die strukturelleVeränderung hat die Bundesregierung selbst angegeben:Sie beträgt 118 Milliarden Euro pro Jahr. Das heißt, nachAzammwdLzgmWwdgjewdSGdHdDkudggfdBttjfdDlnWmtbg
Die Staatsausgaben werden im Vergleich zu anderenändern immer noch deutlich zu gering sein. Ich nennewei Zahlen. Würden wir so viel Geld für Bildung aus-eben wie der Durchschnitt der OECD-Staaten, dannüssten wir pro Jahr 25 Milliarden Euro mehr ausgeben.ürden wir für die Infrastruktur so viel Geld ausgebenie der Durchschnitt der Europäischen Gemeinschaft,ann müssten wir pro Jahr 25 Milliarden Euro mehr aus-eben. Das heißt, verglichen mit diesen Zahlen ist dasetzige Konjunkturprogramm völlig unzureichend, weils insbesondere in die öffentliche Infrastruktur viel zuenig investiert.
Zweiter Punkt. Das noch größere Ungleichgewicht,as sich aufgebaut hat und zu dem Sie keinen einzigenatz gesagt haben, ist die soziale Schieflage in deresellschaft. Allein bei den Löhnen gibt es ein Sinkener Lohnquote, das sich folgendermaßen umrechnet:ätten wir heute noch die Lohnquote des Jahres 2000,ann hätten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ineutschland 140 Milliarden Euro pro Jahr mehr Ein-ommen. Das setzt sich fort über die Renteneinkommennd natürlich auch über die sozialen Leistungen. Gegeniese Schieflage, gegen dieses große soziale Ungleich-ewicht unternehmen Sie mit Ihrem Konjunkturpro-ramm überhaupt nichts.
Der Treppenwitz ist, dass Sie es auch noch verschär-en. Das ist eine Dreistigkeit sondergleichen. Herr Bun-esaußenminister, Sie haben hier gesagt, dass Sie dieezieher der kleinen Einkommen mit diesem Konjunk-urprogramm stärken wollen. Sie tun doch das Gegen-eil; die Zahlen zeigen das eindeutig. Ich will Ihnen dasetzt hier vorlegen. Es war richtig, dass der Bundes-inanzminister – leider ist er ja umgefallen – immer wiederarauf hingewiesen hat, dass die Hälfte der Haushalte ineutschland keine Lohn- und Einkommensteuern zah-en. Das ist die Hälfte der Haushalte, die das Geld amötigsten brauchen. Seine Schlussfolgerung war richtig:enn man etwas zur Stärkung der Nachfrage tun will,uss man den Haushalten Geld geben, die es am nötigs-en brauchen, und nicht den Haushalten, die es nichtrauchen. Das ist der Fehler Ihres Konjunkturpro-ramms.
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Oskar Lafontaine
Nun kommen wir einmal zu den Zahlen. Man glaubtes kaum, wenn man es liest. Ich las heute in der Tages-zeitung Die Welt – das ist also keine bösartige Unterstel-lung der Fraktion Die Linke –: Für diejenigen mit17 500 Euro Jahresbrutto, die in Steuerklasse III sindund zwei Kinder haben, gibt es im Jahr eine Entlastungvon 26,25 Euro. Für jemanden, der in derselben Steuer-klasse ist und 110 000 Euro Jahresbrutto hat – das istetwa das, was ein Bundestagsabgeordneter an Einkom-men ausweisen kann –,
gibt es eine Entlastung von 379,33 Euro. Das heißt, Sieentlasten sich deutlich stärker, zehnfach stärker, als den-jenigen, der einen geringen Lohn hat. Das ist eine boden-lose Unverschämtheit.
Das heißt, Sie haben überhaupt nicht erkannt, dass esin der jetzigen konjunkturellen Situation notwendigwäre, die sozialen Ungleichgewichte in unserer Volks-wirtschaft anzugehen. Deshalb sagen wir hier für dieFraktion Die Linke noch einmal: Es wäre viel sinnvollergewesen, den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von8,71 Euro wie in Frankreich einzuführen. Das hätte ei-nen viel größeren Wirkungseffekt.
Es wäre viel sinnvoller gewesen, die Renten um4 Prozent anzuheben. Die Rentnerinnen und Rentner wa-ren in den letzten Jahren immer diejenigen, die auf Erhö-hungen verzichten mussten. Es wäre viel sinnvoller ge-wesen, den Hartz-IV-Satz auf 435 Euro anzuheben. Esist doch nicht mehr nachvollziehbar, dass Sie einer Ge-schäftsbank mal eben 18 Milliarden Euro zuschieben,aber für die Hartz-IV-Empfänger keine 7 MilliardenEuro übrig haben. Das alles, was Sie hier vorlegen, istdoch bodenlos.
Man kann nicht über das hinwegsehen, was sich jetztanbahnt. Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben gesagt,Deutschland muss stärker werden. Es ist immer wunder-bar, wenn Sie von Deutschland sprechen; denn dannstellt sich jedes Mal die Frage, wer eigentlich gemeintist. Deutschland sind doch die Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer – die hatten aber Reallohnverluste zu ver-zeichnen. Deutschland sind doch die Rentnerinnen undRentner – die hatten in den letzten Jahren aber eine im-mer geringere Kaufkraft. Deutschland sind doch die Be-zieher sozialer Leistungen – die hatten allerdings Kür-zungen zu verkraften. Jetzt wollen Sie denen, die inZeiten einer wachsenden Wirtschaft Verluste zu ver-zeichnen hatten, weismachen, sie würden gestärkt ausdieser Rezession hervorgehen. Frau Merkel, wollen SieddempdE6FSlWdbZbaSmzKlmMDRdtaAVVdk„swUrtltteb
So, wie Sie Ihre Steuerpolitik in den letzten Jahrenngelegt haben, werden Sie die Milliardenschulden, dieie jetzt auftürmen, nutzen, um Ihre Politik der brutalst-öglichen Umverteilung von unten nach oben fortzuset-en. Darauf muss die Linke hinweisen.
Wir müssen deshalb darauf hinweisen, weil Sie dieatze in dieser Woche Gott sei Dank aus dem Sack ge-assen haben. Da sagte ein Abgeordneter der CDU: Jetztüssen die Rentnerinnen und Rentner antreten, um dieseilliardenschulden zu bezahlen.
a sagte ein Abgeordneter der SPD: Jetzt müssen dieentnerinnen und Rentner antreten, um diese Milliar-enschulden zu bezahlen. Und da sagte ein Abgeordne-er der FDP: Jetzt müssen die Rentnerinnen und Rentnerntreten, um diese Milliardenschulden zu bezahlen. –uf der anderen Seite trauen Sie sich aber nicht, eineermögensteuer zu erheben, und das, obwohl in dieserolkswirtschaft riesengroße Ungleichgewichte entstan-en sind. Das ist ein Skandal erster Ordnung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Bundes-anzlerin hat in ihrer Rede ein einziges Mal das WortUngleichgewichte“ in den Mund genommen. An die-er Stelle wurde ich aufmerksam; denn ich war gespannt,as sie dazu sagt. Sie sagte, sie wolle die internationalenngleichgewichte beseitigen. Mich würde wirklich inte-essieren, was Sie damit eigentlich meinen. Meinen Sieatsächlich, dass Sie die Exportüberschüsse Deutsch-ands abbauen wollen, oder was haben Sie mit „interna-ionalen Ungleichgewichten“ gemeint? Bevor Sie die in-ernationalen Ungleichgewichte abbauen, müssen Sierst einmal die Ungleichgewichte im eigenen Land ab-auen:
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Oskar Lafontainedie sozialen Ungleichgewichte, die Ungleichgewichtebei den Einkommen und die Ungleichgewichte bei denVermögen.Ich kann die Bevölkerung nur warnen. Ihren eigenenJahreswirtschaftsberichten zufolge hat Ihre Politik derletzten Jahre zu folgender Entwicklung geführt – dieskann man der drittletzten Seite des Jahreswirtschaftsbe-richts entnehmen –: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer bekommen nichts dazu, die Rentnerinnen undRentner bekommen nichts dazu, und die Sozialhilfeemp-fänger bekommen ebenfalls nichts dazu. Zuwächse habennur die Bezieher von Vermögens- und Gewinneinkom-men zu verzeichnen, und zwar in einer Größenordnungvon 7 Prozent. Wer, wenn es um steuerpolitische Maß-nahmen geht, nicht in der Lage ist, den Reichen ans Geldzu gehen, der hat bei der Bewältigung dieser Krise schonjetzt in dramatischer Weise versagt.
Nächster Redner ist der Kollege Volker Kauder für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Es ist schon etwas Außergewöhnliches, wenn der Deut-sche Bundestag zu einer außerordentlichen Sitzung zu-sammenkommt und wenn er sich mit einem bestimmtenThema nicht im Rahmen der ganz normalen Plenarde-batten beschäftigt, sondern dafür eine Sondersitzungdurchführt.Der Anlass, aus dem wir uns heute zusammenfinden,rechtfertigt diese Sondersitzung auf jeden Fall. Es gehtnämlich um etwas Außergewöhnliches. Für den Fall,dass Sie von der Linken oder der eine oder andere Abge-ordnete der übrigen Oppositionsfraktionen es noch nichtmitbekommen haben sollte – als ich mir Ihre Reden an-gehört habe, habe ich diesen Eindruck zum Teil gewon-nen –, sage ich Ihnen: Jeden Tag erreichen uns erneutMeldungen darüber, was in der deutschen Wirtschaft losist. Ich kann über meinen Wahlkreis – es ist ein ländli-cher Wahlkreis – und die dort ansässigen Zulieferer zurAutomobilindustrie sprechen. Dort wird Kurzarbeit an-gemeldet. Es ist nicht so, dass wir es nur mit einer kon-junkturellen Delle zu tun haben. Wir haben es mit einerWirtschaftskrise zu tun, die ganz außergewöhnlicheMaßnahmen erfordert. Dem wird die Große Koalitiongerecht.
Man kann im Hinblick auf das, was heute von derBundesregierung vorgestellt worden ist, durchaus unter-schiedlicher Auffassung sein. Natürlich gehört es zu ei-ner parlamentarischen Diskussion dazu, sich darüberauseinanderzusetzen und zu diskutieren, welcher derrichtige Weg ist und ob die einzelnen Maßnahmen tat-sächlich greifen.ebtsvwgtusAwEfwsssdkkWwADssddewmswnJNtwwBfenhiW
Die Bundeskanzlerin hat zu Recht darauf hingewie-en, dass es natürlich auch darum geht, die Finanzmärkteieder in Ordnung zu bringen. Es sind nationale Maß-ahmen notwendig, und diese wurden im vergangenenahr im Rahmen des ersten Konjunkturpakets ergriffen.atürlich reicht dies aufgrund der weltweiten Verflech-ung nicht. Deshalb glaube ich, dass ein weiterer Hin-eis an die Vereinigten Staaten notwendig ist. Die Ent-icklung erreichte einen Höhepunkt, als man Lehmanrothers in den Konkurs gehen ließ. Jetzt muss man da-ür sorgen, dass im Finanzmarktbereich neues Vertrauenntsteht. Dabei hat auch Amerika die Aufgabe, sich nichtational abzuschotten. Ein Land, das ohne Finanzbezie-ungen zu China nicht in die Zukunft gehen kann, mussn dieser globalen Krise um seine Verantwortung in derelt wissen.
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Volker KauderDeshalb, Frau Bundeskanzlerin, bin ich Ihnen dankbar,dass Sie auch die internationale Dimension deutlich ge-macht haben.Warum lege ich so großen Wert darauf, dies noch ein-mal zu sagen? Es geht mir darum, deutlich zu machen,dass diese Krise mehr ist als nur eine konjunkturelle Irr-fahrt in den Nationalstaaten Europas. Der Hinweis, wasweltweit getan werden muss und was die Bundesregie-rung jetzt in den Diskussionen über die Weltwirtschaftanpackt, ist das eine. Das andere ist, auf die Herausfor-derung auch national so zu reagieren, wie es in unserenMöglichkeiten liegt.In diesen Tagen wird sehr viel darüber gesprochen, obeine Maßnahme marktwirtschaftlich oder ordnungspoli-tisch richtig ist und ob man dieses oder jenes machenmüsse. Ich glaube, in diesen Tagen muss zunächst ein-mal eine ganz einfache Frage gestellt und dann beant-wortet werden: Was erwarten die Menschen von unserersozialen Marktwirtschaft, unserer Demokratie und unse-rem Land?
– Herr Kuhn, Sie haben schon bessere Beiträge einge-worfen als jetzt. Daran merke ich, dass Sie noch nichtauf dem Niveau meiner Ausführungen angekommensind.
Ich glaube, die Antwort muss heißen: Die Menschenerwarten von ihrem Staat, von ihrem Land Sicherheit inexistenziellen Fragen, und zwar in der äußeren und inder inneren Sicherheit. Sie erwarten auch, dass dieserStaat das Richtige für eine Grundentscheidung tut, dieden Menschen Sicherheit gibt, nämlich den Erhalt dersozialen Marktwirtschaft auch in schwierigen Zeiten.Darum geht es jetzt.
Die soziale Marktwirtschaft hat nicht nur eine ord-nungspolitische Dimension, sondern sie hat auch gesell-schaftliche Implikationen und Bedeutung. So haben wirvon der Union jedenfalls soziale Marktwirtschaft immerverstanden. Das heißt in dieser konkreten Situationzweierlei – das wird mit dem Paket auch gemacht –: Wirtragen Verantwortung dafür, dass die Menschen in die-sem Land mit einer Perspektive durch diese schwierigeSituation kommen können. Dass sie eine Perspektive ha-ben, heißt: Wir müssen dafür sorgen, dass sie ihre Exis-tenzgrundlage – nämlich ihren Arbeitsplatz – erhaltenkönnen. Das ist das entscheidende Thema. Alles, waswir machen, dient dazu, den Menschen zu helfen, durchdiese Krise zu kommen und mit der nötigen Stabilität indie Zukunft schauen zu können. Das bedeutet, in unserernationalen Wirtschaft Arbeitsplätze zu erhalten. Genaudies wird gemacht.
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abei bleibt es auch: sozial und Markwirtschaft. Wennas entsprechend umgesetzt wird, führt dies zu den rich-igen Ergebnissen.In diesem Jahr können wir auf 60 Jahre Bundesrepu-lik Deutschland und auf bald 20 Jahre deutsche Einheiturückblicken. Wenn man einen Blick zurückwirft, wirdan feststellen: Das ist eine einzigartige Erfolgsge-chichte in diesem Land. An dieser Erfolgsgeschichteaben alle, die im Deutschen Bundestag vertreten sind,owohl in Oppositionszeiten als auch während der Re-
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Volker Kaudergierungsbeteiligung ihren Anteil, bis auf die ehemaligePDS und die Linke, und das war auch immer gut so.
Wenn man die heutige Rede von Oskar Lafontaine ge-hört hat, kann man nur sagen: Man kann und muss sichin der Opposition mit dem auseinandersetzen, was dieRegierungsfraktionen vorlegen. Aber Ihr heutiges Ni-veau, Herr Lafontaine, wird der konkreten Situationnicht gerecht und ist für mich erneut ein Beweis dafür:Sie dürfen in diesem Land keine Verantwortung tragen.Das wäre ein großer und entscheidender Fehler.
Ich habe gesagt, dass 60 Jahre Bundesrepublik Deutsch-land eine gemeinsame Erfolgsgeschichte darstellen, ander alle, bis auf diejenigen, die ganz links sitzen, beteiligtwaren. Wir sind nun wieder in einer besonderen Situationund stehen vor großen Herausforderungen. Ich bin si-cher: Wir schaffen das. Ich lade Sie, meine Damen undHerren von der Opposition, ein, erneut Ihren Beitragdazu zu leisten, dass die Erfolgsgeschichte auch im60. Jahr der Bundesrepublik Deutschland weitergehenkann. Ich bin deshalb dankbar, Herr Westerwelle, dassSie nicht gesagt haben: Wir lehnen im Bundesrat alleseinfach ab. – Der Bundesrat dient sicherlich der Vertre-tung der Interessen der Bundesländer. Aber ich kann Ih-nen nur sagen: Es gibt kaum ein anderes vom DeutschenBundestag beschlossenes Programm, das so viele Län-derinteressen berücksichtigt wie das jetzige. Werden Siealso in den Bundesländern, in denen Sie an der Regie-rung beteiligt sind, den Länderinteressen gerecht!
Ich erteile dem Kollegen Fritz Kuhn für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Frau Merkel, Ihr Versuch, in das Programm, dasheute vorliegt, mehr Sinn hineinzuinterpretieren, als drinist, hat uns bislang nicht überzeugt.
Ich will in aller Ruhe darstellen, woran das liegt.Vorweg muss ich eine Bemerkung zu dem 100-Mil-liarden-Euro-Schirm, den Sie jetzt für die Wirtschaftaufspannen wollen, machen. Die Begründung, die vonIhnen vorgebracht wurde, ist die Kreditklemme. Dasheißt, dass die Banken doch nicht Kredite für Investitio-nen in dem Umfang bereitstellen, wie es nötig wäre. Ichkann nur sagen: Diese Begründung kann doch jemanden,der die letzten Wochen politisch einigermaßen mitver-folgt hat, nicht überzeugen. Wir haben einen Finanz-marktschirm von 480 Milliarden Euro für die Bankenmit dem Ziel und der Aufgabe aufgelegt, dass diese derWirtschaft Kredite zur Verfügung stellen. Jetzt tun sie esnicht ausreichend. Und was machen Sie? Sie spannenessmEddczagdaCdMdrwEtWnkmwmFtdSv9abwRibwvhDzzSv
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Die Konjunkturwirkung Ihrer Maßnahmen ist sehrfragwürdig, Herr Kauder. Es ist nicht gesichert, dass dieSteuererleichterungen konjunkturell irgendetwas aus-lösen. Es kann sein, dass die Leute das Geld sparen. Ichsage Ihnen: Die Nachzahlungen zu den Heizkostenab-rechnungen 2008, die dieser Tage eingehen, sind einVielfaches von dem, was Sie an Steuererleichterungenvorschlagen. Den Leuten kommt es darauf an, was sie imGeldbeutel übrig haben. Deswegen sind wir skeptisch.
Eine viel bessere konjunkturelle Wirkung hätten Sieerzielen können, wenn Sie konzentriert denjenigen, diewenig haben, geholfen hätten, zum Beispiel durch eineArbeitslosengeld-II-Erhöhung, durch eine konsequenteHaltung beim Mindestlohn und vor allem, indem Sie dieLohnnebenkosten im Niedriglohnbereich gezielt senken.Denn dort kommt es an und wirkt konjunkturell.
Ich finde, Herr Kauder, was Sie im Bereich der Kran-kenversicherung machen, ist der reine Hohn. Derzeit er-höhen sich die Krankenversicherungsbeiträge man-cher Krankenkassen um über 2 Prozentpunkte, und am1. Juli sagen Sie den Leuten: Jetzt sinken sie wieder um0,6 Prozentpunkte. Das nenne ich Voodoo-Ökonomie.Sie müssen sich schon ungeheuer einen hinter die Bindegießen, damit Sie glauben, dass die Leute so blöd sind,deswegen dem Konsum zu verfallen, weil Sie eine sol-che Zaubernummer vorführen.
Ich komme zu den Investitionen. Gemessen an den50 Milliarden Euro finden wir den Investitionsanteil desBundes mit 14 Milliarden Euro zu gering. Er ist zu we-nig zielgerichtet und vor allem zu gering. Frau Merkel,auf eine Frage gehen Sie nicht ein, nämlich ob das Geldwirklich bei den Gemeinden ankommt. Das schieben Sieauf die Länder, die dafür Sorge tragen sollen. Aber wirwissen von der Kitafinanzierung, dass die Länder nichtatvLdnnadstdALhswDeSdnaMganmeednldMsdNv2snBhsfsjbdf
An einer Stelle in der Rede von Frau Merkel – sie hatich verdrückt – ging es um das Thema Bildung und Be-on. Wir sagen: Wer wirklich in die Zukunft investiert,er muss in Schulgebäude investieren. Das ist logisch.ber Bildung ist mehr als Beton. Bildung ist auch dieehre, die Ausbildung, die Betreuung und die Erzie-ung. Wer in diesem Bereich nichts tut, wie Sie mit die-em Programm, der kann nicht den Anspruch erheben, erürde in das Zukunftsfeld Bildung investieren.
eswegen sage ich Ihnen klar: Kommen Sie endlich zuinem vernünftigen Investitionsbegriff, der nicht nur diechulgebäude umfasst, sondern auch das Lehrpersonal,ie Hochschullehrer, die Kindergärtner und Kindergärt-erinnen und Erzieher. Wir haben dafür den Bildungssolils Finanzierungsquelle vorgeschlagen, weil wir dereinung sind, dass ohne neue Finanzierungsmittel dieanze Bildungsdiskussion, die Sie gelegentlich hier unduf Bildungsgipfeln pathetisch führen, keinen realöko-omischen Hintergrund hat.Jetzt möchte ich auf das Konjunkturpaket und die da-it verbundene Tilgung der Schulden eingehen. Erstinmal ist festzustellen, dass der Begriff Tilgungsfondsin Euphemismus ist. Tatsächlich nehmen Sie außerhalbes Haushalts neue Kredite auf, von denen Sie jetzt nochicht entschieden haben, ob und wie Sie sie tilgen wol-en. Außerdem ist die Tilgungssumme nicht 50 Milliar-en Euro, sondern nur 11,3 Milliarden Euro. Das ist eineogelpackung, die Sie im Zusammenhang mit der deut-chen Einheit zelebrieren. Bislang liegt kein Konzept aufem Tisch, wie Sie die Schulden wirklich tilgen wollen.ur für einen Teil der Schulden haben Sie das bisherersprochen.
Nun wollen Sie eine Schuldenbremse ab dem Jahr015 vereinbaren. Diese Schuldenbremse ist rein auschlechtem Gewissen entstanden. Warum sagen Sieicht in der Föderalismuskommission: Wir führen beimund die Schuldenbremse ab 2010 ein? Sie beginnt dannalt in einer Abschwungphase und nicht in einer Auf-chwungphase. Bei dem Konzept der Ausgleichskontenür die Schuldenbremse ist es völlig egal, ob Sie im Ab-chwung oder im Aufschwung starten. Nein, Sie gebenetzt das Geld aus und vereinbaren, dass eine Schulden-remse erst später eingeführt wird. Über die Länder re-en Sie nicht, weil Ihnen das Thema Altschuldenhilfeür die Länder unangenehm ist.
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Fritz KuhnIch ziehe ein Fazit: Sie handeln wie Alkoholabhän-gige, die weiter trinken wollen und sagen: Jetzt trinkenwir noch fünf Jahre kräftig weiter, und dann unterwerfenwir uns einem Trinkverbot. Herr Kauder, so einfach, wieSie es hier getan haben, kann man mit dem Geld künfti-ger Generationen nicht umgehen.
Ich komme zum Schluss. Sie, Herr Steinmeier, habennicht den großen, superintelligenten Mix auf den Tischgelegt – das haben Sie gestern in der Öffentlichkeit an-gekündigt –, sondern ein Sammelsurium aus Einzelinte-ressen der Koalitionsparteien vorgelegt, in das Sie jetztSinn hineinzuinterpretieren versuchen. Sie geben zu vielGeld für zu wenig Richtung, für zu wenig Konjunktur-effekte aus, und Sie schauen, dass Sie über den kalten Ja-nuar kommen. In den nächsten Monaten wird man se-hen, was daraus wird.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Ministerpräsident von Bran-denburg, Matthias Platzeck.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Man muss sich eigentlich ganz schön wundern. Die-ses unser Land ist in einer außergewöhnlichen Situation:Vor uns liegt vielleicht eines der kompliziertesten undschwierigsten Jahre der bundesdeutschen Geschichte,und die Bundesregierung macht das, was in solch einerSituation von den Menschen im Land zu Recht erwartetwird, nämlich zügig, entschlossen und klar zu handeln,ohne dass sie dabei sagen kann – wir betreten nämlichalle zusammen Neuland –, dass jede Maßnahme bis zumLetzten ausgelotet ist und wir genau wissen, wie waswirkt. Aber sie handelt! Und was hören wir von der ver-sammelten Opposition in diesem Hohen Hause? Besser-wisserei, Beckmesserei und Spötterei.
Das erwarten die Menschen in unserem Lande nicht,meine Damen und Herren, und das haben sie auch nichtverdient.Verehrter Kollege Westerwelle, die Bundesregierungmag ja an vielem schuld sein: An dieser Weltwirt-schaftskrise ist sie mit Sicherheit nicht schuld.
Schuld an dieser Weltwirtschaftskrise sind eher die, de-nen Sie immer gern das Feld geöffnet haben,dSrnuDtdnOzfaPAeSOdhssgsvsMddEMgcurEwE
ie Sie ohne Spielregeln agieren lassen wollten.
Sie haben einmal den Spruch geprägt: Auf jedemchiff, das dampft und segelt, braucht es einen, der allesegelt. Wenn ich Ihre Reden von vor einem Jahr mit de-en vergleiche, die Sie im letzten Herbst gehalten habennd die Sie jetzt wieder halten, dann muss ich sagen:as Schiff reißt das Ruder jedes Vierteljahr herum. Dasut diesem Land nicht gut.
Belastbare Umfragen im Osten Deutschlands ausen letzten Wochen zeitigen aus meiner Sicht Ergeb-isse, die uns Sorgen machen müssen. 52 Prozent derstdeutschen zwischen Rostock und Suhl sagen: Die so-iale Marktwirtschaft ist für sie nicht mehr eine zukunfts-ähige Organisationsform der Gesellschaft. 43 Prozent be-ntworten die Frage, ob sie die sozialistischelanwirtschaft wiederhaben wollen, mit Ja.
Ich glaube nicht, dass das wirklich so gemeint ist.ber es drückt etwas aus: Es drückt Sorgen und auchine gewisse Ratlosigkeit aus. Das haben wir aus meinericht hochgradig ernst zu nehmen. Viele Menschen instdeutschland haben sich erst in den letzten Jahren auser schwierigen Phase der Nachwende hochgearbeitet,aben eine Basis, ein Fundament geschaffen – nach ganzchwierigen Jahren. Sie haben natürlich Angst, dass die-es Fundament schon jetzt nicht mehr trägt.Deshalb bin ich dankbar – das sage ich der Bundesre-ierung ausdrücklich –, dass hier ganz klare Zeichen ge-etzt wurden. Wenn man sich in dieser schwierigen Zeiterschuldet, dann müssen Grundbedingungen erfülltein: die Grundbedingungen der Nachhaltigkeit. Dieaßnahmen müssen möglichst viele erreichen. Es mussas Thema Arbeitsplätze im Zentrum stehen. Ich findeas in diesem Programm wieder.
s gibt diese und jene Maßnahme, zu der auch ich sage:ein Gott! Aber in der Summe stimmt dieses Pro-ramm. Ich werde mich mühen – meine Kollegen mit Si-herheit auch –, dass wir es schnell und unbürokratischmsetzen.
Wenn ich eben einen Vorwurf an die Opposition ge-ichtet habe, dann deshalb – das sage ich mit vollemrnst –: Ein solches Programm in einer solch außerge-öhnlichen Situation hat mehrere Wirkmechanismen.iner ist mit Sicherheit die psychologische Ebene.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2009 21443
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Ministerpräsident Matthias Platzeck
Wir tun uns in Deutschland einen Tort an, wenn wir einso großes Programm auflegen, uns solch einen Rucksackmit Schulden aufsetzen und das Ganze sofort wieder zer-reden; denn dann ist dieser Wirkmechanismus zerstört,und da hat Opposition in diesem Land eine große Verant-wortung.
Wenn wir dabei sind, uns mit dieser Krise auseinan-derzusetzen und sie zu bekämpfen, wenn wir also in derPhase der Arbeit an den Folgen sind, dann sollten wirnicht die Ursachen vergessen. Wir neigen dazu – wirMenschen sind so gestrickt –, dass wir dann nur nachvorn und nicht mehr nach hinten schauen. Hier ist einegroße Blase geplatzt. Hier ist eine Ideologie baden ge-gangen, die des Neoliberalismus.
Ich sage ganz klar: Vor solchen Einflüssen war keinervöllig gefeit, auch wir nicht immer.
– Das sage ich ja ganz klar. Wer behauptet, er würde inJahrzehnten keine Fehler machen, der lügt per se.
Die Frage ist aber: Welche Schlussfolgerungen ziehenwir daraus? Unsere Schlussfolgerung muss sein, dassdieses Spielfeld nie mehr ohne Regeln betreten werdendarf. Darauf haben die Menschen in unserem Lande einAnrecht.
Diese Regeln müssen so beschaffen sein, dass einesklar ist: Wirtschaft hat eine einzige Funktion, Finanz-markt hat eine einzige Funktion, nämlich das Leben derMenschen zu ermöglichen und zu verbessern, und keineandere.
Wenn sie das nicht tut, hat sie ihr Ziel verfehlt. Dafür,dass sie diese Funktion erfüllt, haben wir zu sorgen. Ichbitte darum, dass das in Zukunft ganz klar im Blick ist.Danke.
Hermann Otto Solms ist der nächste Redner für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wenn man Ihnen, Herr Platzeck, folgt, ist an-sgnSSdInrdzwdeSvPdmTdpddUsLdJMgwszmnsjmnDwnwl
ie sind nun schon viele Jahre an der Regierung. Da sindie verantwortlich, genauso wie die Bundesregierung fürie Bundespolitik verantwortlich ist. Sie können sich aushrer Verantwortung nicht davonstehlen.
Wir erleben nach dem Steuererhöhungsrekord jetzt ei-en neuen Ausgabenrekord, der mit einem Schulden-ekord finanziert werden soll. Das Interessante daran ist,ass die Ausgaben, die Sie jetzt beschließen wollen, sousammengesetzt sind, dass sich jeder in der Koalitioniederfindet – jeder konnte seine Wünsche äußern –,ass also für viele vieles, aber in Wirklichkeit für keinentwas Richtiges getan wird. Es ist nicht alles falsch, wasie vorschlagen, aber von dem Falschen ist zu viel undon dem Richtigen ist zu wenig in diesem Paket.
Wer soll Ihnen glauben? Es ist doch immer dieselbeolitik. Sie verkünden jetzt, was populär ist und was beien Menschen vielleicht gut ankommt; die unangeneh-en Dinge verschieben Sie auf den Sankt-Nimmerleins-ag, 2015, übernächste Legislaturperiode. Das glaubtoch keiner.Was haben Sie denn am Anfang dieser Legislatur-eriode gemacht? Sie haben die größte Steuererhöhungurchgesetzt mit dem Versprechen an die Bürger, dassiese der Sanierung der öffentlichen Haushalte diene.nd was haben Sie erreicht? Sie waren trotz des Auf-chwungs, trotz der hohen Steuereinnahmen nicht in derage, die öffentlichen Haushalte, insbesondere den Bun-eshaushalt, zu sanieren; jedes Jahr weitere Schulden.etzt, da Sie gesehen haben, es reicht nicht, ist es mit deroral vorbei. Wenn man einmal das Falsche getan hat,laubt man, man kann es immer tun. Nun greifen Sieieder den Steuerzahlern voll in die Tasche und be-chließen diese Ausgaben, ohne zu sagen, wie das finan-iert werden soll.Seit drei Jahren reden Sie in der Föderalismuskom-ission von einer Schuldenbremse. Legen Sie doch ei-en Vorschlag auf den Tisch! Es würde zwingend zu die-em Paket gehören, dass man sagte, wie hoch wir unsetzt verschulden und wie wir die Schulden, die wir jetztachen, wieder tilgen werden. Auch dazu haben Sieicht den Mut.
eshalb ist es einfach nicht glaubwürdig, dass all diesirklich zielführend ist.Noch viel mehr verunsichert mich aber Ihr Verständ-is von der Aufgabe des Staates in der sozialen Markt-irtschaft. Ich sehe Sie auf direktem Weg in die kapita-istische Staatswirtschaft.
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Dr. Hermann Otto Solms
Sie trauen sich alles zu. Sie glauben, der Staat könne al-les. Die Bundesregierung suggeriert der Öffentlichkeiteine Allgewalt und Allzuständigkeit, die sie natürlichgar nicht hat. Der Staat hat in der sozialen Marktwirt-schaft anders als im sogenannten Turbokapitalismus einefundamentale Aufgabe. Er hat nämlich die Aufgabe,Spielregeln aufzustellen, damit fairer Wettbewerb mög-lich ist, damit es keine Machtentfaltung auf den Märktengibt. Er hat auch die Aufgabe, die Einhaltung dieser Re-geln zu überwachen.Jetzt schauen wir uns einmal an, was der Staat getanhat. Schauen wir es uns am Beispiel der Finanzkrise an.Ihr liegt in hohem Maße Staatsversagen zugrunde. Na-türlich haben auch Manager versagt. Aber der Staat hatihnen hierzu die Möglichkeit gegeben. Also Staatsversa-gen auf breiter Front. Die Regeln für die Finanzmärktehaben nicht mehr gestimmt. Die staatliche Bankenauf-sicht hat auf breiter Linie versagt.
Die Bundesregierung hat mitgemacht, als es darum ging,dass amerikanische Ratingagenturen Unternehmen be-werten dürfen, obwohl erkennbar war, dass es hierInteressenkonflikte gab. Die Bundesregierung hat mit-gemacht, als es darum ging, Bilanzierungsregeln durch-zusetzen, die gar nicht deutscher Tradition entsprechenund die Unternehmen zu kurzfristigem Denken verlei-ten. Sie sehen also, das, was da auf breiter Front gelau-fen ist, hat nicht gestimmt. Das muss korrigiert werden.Wir haben dem Schirm für die Finanzmärkte zuge-stimmt, weil es dabei darum ging, ein System, nämlichden Finanzmarkt, zu sichern bzw. den Zusammenbruchdes Finanzmarktes zu vermeiden. Uns ging es nicht da-rum, einzelne Banken zu schützen; nur, die Banken sindzu dem Zeitpunkt eben Teil des Finanzmarktes gewesen.Was die Bundesregierung jetzt macht, ist schon wie-der falsch. Sie versucht, sich in die Strukturen derBankenwelt einzumischen. Notwendig wäre das, HerrSteinbrück, bei den Landesbanken. Denen dürften Siekeinen einzigen Cent Staatsmittel zur Verfügung stellen,wenn es dort nicht zu Korrekturen kommt. Die Vorgängedort beweisen doch: Der Staat als Banker bzw. Unter-nehmer ist nicht fähig, solche Aufgaben zu erfüllen. Indiesem Bereich wurden die größten Fehler gemacht.
Dieses Feld muss man schon den Privatleuten überlas-sen. Der Staat muss nur dafür sorgen, dass der Marktrichtig funktioniert und dass es nicht zu solchen Formender Machtausübung und der Entartung, wie es sie dortgegeben hat, kommt. Hier hat der Staat versagt. Jetztgeht es darum, das zu korrigieren.Ich bin ja neugierig, wer bei dem Schutzschirm fürdie Wirtschaft, den Sie jetzt aufspannen wollen, darü-ber entscheidet, welche Firma wie viel Geld bekommt.Als ob die Amtsräte in den Ministerien, die häufig nochnUngmwklPuRdbnUkDszdCMwdbdeuSeut
iese Reformen werden mit der FDP nur zu machen
ein, wenn sie auf der Grundlage der Prinzipien der so-
ialen Marktwirtschaft erarbeitet und beschlossen wer-
en.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Kuhn,ie Sie sehen, hat sich die CSU noch nicht verabschie-et. In diesem Zusammenhang darf ich Sie herzlich vomayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer grüßen,
er nach den einführenden Reden nach Wildbad Kreuthilen musste, um dort kraftvoll Politik für Deutschlandnd Bayern zu machen.
Frau Präsidentin, es war gut, dass Sie den Kollegenolms haben ausreden lassen; denn am Ende wurde unsine viel differenziertere Betrachtungsweise dessen, wasns heute und in den nächsten Wochen beschäftigt, zu-eil.
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Dr. Peter RamsauerHerr Kollege Solms, ich stimme Ihnen in den beidenwesentlichen Punkten gegen Ende Ihrer Ausführungenvollkommen zu. Der erste Punkt ist, dass wir mit allerKraft und Konsequenz die richtigen Schlussfolgerungenaus dem, was uns beschäftigt, ziehen müssen, um kraft-voll aus der Krise zu kommen. Sie haben Beispiele ge-nannt: die Bankenaufsicht und die Rolle der Rating-agenturen, die genau betrachtet werden muss.Auch in dem zweiten Punkt stimme ich vollkommenmit Ihnen überein. Ich halte nichts davon, wenn sich derStaat an Unternehmen der Realwirtschaft beteiligt. We-der sind wir Politiker die besseren Manager, noch ist derStaat der bessere Unternehmer. Deswegen sollten wireine solche Beteiligung besser unterlassen.
Allerdings ist auch interessant, dass nicht wenige vondenen, deren allumfassendes Credo immer war, dass derStaat die Wirtschaft und die Unternehmen vollkommenin Ruhe lassen soll, jetzt diejenigen sind, die am lautes-ten nach staatlichen Hilfen schreien. Auch das passtnicht so recht zusammen.
Ich bin sehr für eine Politik des Maßes und der Mitte,des gesunden Menschenverstands mit einem Stück Pro-grammatik, aber ohne Dogmatik. Wenn heute so undmorgen entgegengesetzt geredet und gehandelt wird,passt das einfach nicht zusammen und steigert auch nichtdie Glaubwürdigkeit der Politik.Ich finde, wir handeln zur richtigen Zeit, wir handelnkraftvoll, und wir handeln besonnen. Dieser Dreiklangschafft Vertrauen. Wir können uns in dieser Krise auchetwas zutrauen. Wir dürfen nicht nur negativ reden. Viel-mehr sollten alle, die es angeht, mutig in die Zukunftschauen. Die Politik kann es aber nicht alleine richten.Alle sind aufgefordert, ihren Anteil zur Bewältigung derKrise zu leisten. Natürlich ist die Politik gefragt; abergenauso sind die Unternehmen, die Arbeitnehmer, dieBanken und die Verbraucher gefragt. Alle zusammenmüssen ihren Beitrag leisten.Deswegen hat es mich tatsächlich etwas geärgert, alsich heute aus einer der oberen Chefetagen – ich kann esruhig sagen: es war der DIHK – die Aussage lesenmusste, es werde überall nur ein bisschen gemacht, abernichts richtig. Solche defätistischen Äußerungen kannman sich wirklich sparen. Auch die Wirtschaft muss nunkonstruktiv nach vorne gehen. Das, was wir jetzt ma-chen, machen wir ja nicht für uns, sondern um die Wirt-schaft zu stärken, um ihr dort, wo es erforderlich ist, einKorsett zu geben. Darum möchte ich von dort, von de-nen, die es angeht – dass die Opposition anders spricht,ist klar –, eher positive Stimmen hören und nicht diesesBeckmesserische.
Das, was wir uns vorgenommen haben, ist in ganzEuropa vorbildlich. Von den 200 Milliarden Euro, diedie Kommission vor wenigen Wochen zur Stärkung derWirtschaft beschlossen hat, erbringen wir Deutsche wohldwbwEEvssnsgVkAhvtuDMvmEdStbgnwtJkslsddAnwfvnd0zaE
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Schauen Sie sich einmal die Familie eines Durch-schnittsverdieners mit ein, zwei oder drei Kindern an,wie sparsam es in solchen Familien oft zugeht und auchzugehen muss. Diesen Familien ist es eben nicht egal, obam Monatsende 30, 40 oder 50 Euro netto mehr oder we-niger in der Haushaltskasse sind.
Nun eine Bemerkung zum grundsätzlichen Ansatz.Neulich hat jemand gesagt, es sei unverantwortlich,wenn man dem Staat jetzt Geld in Form von Steuersen-kungen wegnehmen würde. Was ist denn das für ein Ver-ständnis vom Steuerstaat? Wer so etwas sagt, der meintwohl, alles Steuergeld gehöre erst einmal dem Staat undwerde dann in Form von Almosen oder Taschengeld andie Bürger verteilt. Wir haben ein umgekehrtes Ver-ständnis vom Steuerbürger und vom Steuerstaat: Alles,was erwirtschaftet wird, gehört zunächst einmal denSteuerbürgern. Diesen muss so viel bleiben, wie es nurirgendwie möglich ist.
– Hier klatscht die künftige Koalition.
– Erdung – jawohl, Frau Kollegin Scheel!Zum Stichwort „kalte Progression“. In den Jahren2006 bis 2009 wird die kalte Progression nach altemRecht den Steuerbürgern ein zusätzliches Volumen von18 Milliarden Euro weggenommen haben.
Ist das nicht eine gewaltige Größenordnung? Mit den ge-planten Steuersenkungen nehmen wir in einem erstenSchritt einen Teil davon zurück. Wir können mit Fug undRecht sagen: Der kalten Progression ist fürs Erste dieSchärfe genommen.
Wer es auf der einen Seite beklagt, dass wir in die kalteProgression hineinwachsen – und das tun wir –, mussauf der anderen Seite auch rühmen und loben, wenn wirdie Steuerbürger Stück für Stück und Schritt für Schrittaus der kalten Progression wieder herausführen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind aufdem richtigen Weg. Wir gehen die richtigen Schritte.Wer Zuversicht in die Konjunktur, wer Zuversicht in un-sAkdDBl–whDwVgKizassgGepBZWKZmllsSrmd
Für die Linke gebe ich das Wort dem Kollegen
r. Gregor Gysi.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieundeskanzlerin, die gerade wieder einmal den Saal ver-ässt
Frau Bundeskanzlerin, ich weiß, Sie kommen gleichieder; es wird auch höchste Zeit –, hat verkündet, dassier das größte Konjunkturprogramm in der Geschichteeutschlands verabschiedet wird. Dies stimmt nicht,eil das größte Konjunkturprogramm 1967 mit einemolumen von 3,1 Prozent des Bruttosozialproduktes auf-elegt wurde. Es geht nicht um 50 Milliarden Euro, Herruhn. Dieser Betrag bezieht sich auf zwei Jahre. Es sindn einem Jahr nur 25 Milliarden Euro. Dies ist nur 1 Pro-ent des Bruttosozialprodukts. Vergleicht man dies mitnderen Ländern – die USA geben 6 Prozent des Brutto-ozialproduktes aus, China sogar 25 Prozent des Brutto-ozialproduktes –, dann sieht man eines sofort: Ihr Pro-ramm ist kleinkariert und kann die Probleme dieseresellschaft mit Sicherheit nicht lösen.
Es kommt auch zu spät. Wir haben bereits im Oktoberinen Antrag gestellt, der ein vernünftiges Konjunktur-rogramm enthalten hat. Nehmen wir nur einmal dieildung. Die FDP macht immer wieder den Fehler, alleukunftsfragen an den Schulden abzuarbeiten. Herresterwelle, das ist ein schwerwiegender Irrtum. Dieinder und die Enkelkinder von heute haben dann keineukunft, wenn sie keine vernünftige Bildung bekom-en. Das ist das Entscheidende.
Deshalb haben wir verlangt, in diesem Jahr 15 Mil-iarden Euro zu investieren. Jetzt nehmen Sie 3,25 Mil-iarden Euro in die Hand. Wir brauchen aber nicht nuranierte Schulen, bessere Bibliotheken und bessereporthallen, Musikräume etc., sondern auch mehr Leh-erinnen und Lehrer sowie kleinere Klassen. Aufhörenuss die soziale Ausgrenzung der Kinder aufgrund desreigliedrigen Schulsystems.
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Dr. Gregor GysiNatürlich brauchen wir auch Investitionen in Kranken-häuser, in eine Energiewende.Ich hatte ja gehofft, dass sich die SPD einmal durch-setzt oder zumindest Ideen entwickelt, wie man damitbeginnen kann, die soziale Schieflage in Deutschland zuüberwinden. Aber davon kann nicht im Geringsten dieRede sein. Was ist denn während der Legislaturperiodepassiert? Sie haben zu Beginn des letzten Jahres die Kör-perschaftsteuer für die Deutsche Bank von 25 auf15 Prozent gesenkt. Das hat übrigens – das sollten Sieheute einräumen – die Finanzkrise nicht verhindert, ob-wohl Sie ja gepredigt haben, wie wichtig das wäre.
Aber Sie haben natürlich für die Bürgerinnen und Bürgerund die kleinen Unternehmen die Mehrwertsteuer um3 Prozentpunkte erhöht. Damit und ebenso mit der Sen-kung der Reallöhne und der Renten haben Sie die Kauf-kraft in Deutschland geschmälert.Herr Platzeck hält hier große Vorträge – auch er istnatürlich schon gegangen; denn er interessiert sich janicht wirklich für dieses Thema –,
dass wir die Anstrengungen der Regierung unterstützensollten, nachdem die Regierung diese Schieflage Schrittfür Schritt organisiert hat, und zwar unter SPD und Grü-nen genauso wie unter der Union und der SPD. Das istdie Wahrheit.
Unsere Vorschläge sahen natürlich anders aus. Wirhaben gesagt: Wir müssen die Kaufkraft wirklich stär-ken. Die Kaufkraft, Herr Westerwelle, kann man nichtbei den Reichen und Vermögenden stärken, weil die Rei-chen und Vermögenden nicht mehr kaufen, wenn siemehr Geld haben, sondern mit diesem Geld mehrspekulieren. Vielleicht sparen sie ein bisschen mehr;aber mehr machen sie ganz bestimmt nicht. Aber dieHartz-IV-Empfängerin, die Rentnerin, die Geringverdie-nerin und derjenige, der ein durchschnittliches Einkom-men hat – also, wenn Sie so wollen, auch die Mitte derGesellschaft –, kauft mehr, wenn sie mehr Geld haben.Bei denen setzen Sie aber nicht an, und das ist das Pro-blem.
Wir haben vorgeschlagen, die Rente um 4 Prozent zuerhöhen, den Sockelbeitrag für Hartz-IV-Empfängerin-nen und Hartz-IV-Empfänger vor der Überwindung vonHartz IV in einem ersten Schritt auf 435 Euro zu erhö-hen und den gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, wasOskar Lafontaine schon ausgeführt hat. Führten wir inDeutschland den gesetzlichen Mindestlohn ebenso wieFrankreich ein, dann käme es zu einer Kaufkraftsteige-rung. Die anderen Länder sind doch nicht bekloppt. Sietun immer so, als ob die anderen alle doof und Sie schlauwären. Nein, die Länder, die den gesetzlichen Mindest-laEweSdgWZv–sIegAnVtsgoAr1IBfddseeD–jKdDDg
in Mindestlohn würde eine positive konjunkturelle Ent-icklung in Deutschland auslösen. Das würde endlichinmal die Binnenwirtschaft stärken. Seit Jahren habenie nur Politik für den Export gemacht. Wir müssen aberie Binnenwirtschaft stärken, wenn wir die Krise eini-ermaßen überstehen und bewältigen wollen.
Jetzt komme ich zu Ihrer Kompetenz. Herresterwelle, Sie haben im Fernsehen gesagt, dass Ihreustimmung zum Schutzschirm für die Banken in Höheon 480 Milliarden Euro Ausdruck Ihrer Kompetenz sei Sie haben ihn gemeinsam mit Union und SPD be-chlossen –, und unser Nein dazu sei Ausdruck unserernkompetenz. Über diese Kompetenz würde ich gerneinmal reden. Sie stellen einen Schutzschirm auf, den sout wie niemand von denen, die ihn nutzen sollen, zurnwendung bringt. Das ganze Geld liegt bereit, aberiemand will es haben. Das ist bei einem kompetentenorschlag selten der Fall. Wissen Sie, was der Konstruk-ionsfehler ist? Wenn man einen solchen Schirm auf-tellt, muss man die Banken verpflichten, Kredite zu ver-eben. Das kann man nicht auf freiwilliger Basisrganisieren.
ndere Länder machen das. Da müssen Sie einmal hin-eisen.Was macht die Regierung jetzt? Sie nimmt weitere00 Milliarden Euro in die Hand. Sie sagt, die sind fürndustrie und Arbeitsplätze. Aber sie nimmt sie für dieanken. Sie sagt den Banken: Wenn ihr nun endlichreundlicherweise doch einmal einen Kredit gewährt,ann haften die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler füren Fall, dass ihr das Geld nicht zurückbekommt. Dafürchenken wir euch noch einmal 100 Milliarden Euro.
Dazu sagen wir: Wenn die Banken ihre Pflichten nichtrfüllen, müssen sie vergesellschaftet werden, damit wirndlich wieder ein funktionierendes Finanzsystem ineutschland haben.
Ich wusste, dass Sie schreien würden. Herr Ramsauer,etzt hätten Sie lieber nichts sagen sollen; denn Ihreanzlerin hat inzwischen volkseigene Betriebe gefor-ert. So weit gehen wir nicht.
ie frühere DBD, die Bauernpartei, und die CDU derDR haben sich bei Ihnen wohl durchgesetzt. Wir sa-en: Wir wollen nicht, dass Opel zum Teil staatliches Ei-
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Dr. Gregor Gysigentum wird, aber wir wollen, dass die Belegschaft biszu 49 Prozent Miteigentümer wird und mitzuentscheidenhat. Das wäre ein vernünftiger Weg.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen, dass es natürlichUnterschiede zwischen den vier anderen Fraktionen undunserer Fraktion gibt. Ein Kernunterschied besteht beider Umverteilungsfrage. Sie alle, die Sie Regierungs-verantwortung getragen haben und tragen, haben dafürgesorgt, dass von unten nach oben, von Arm zu Reichumverteilt wurde. Das ist die Wahrheit. Immer haben Siedafür gesorgt.
Herr Kollege Gysi!
Die Fraktion Die Linke ist die einzige im Bundestag
– das macht unseren Reiz aus –, die sagt: Wir wollen
Reichtum begrenzen, um Armut wirksam zu bekämpfen.
Das wollen Sie nicht, und das trauen Sie sich nicht. Das
ist Ihr Problem.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! HerrGysi, Sie brauchen sich hier überhaupt nicht so aufzu-spielen. Man muss sich nur anschauen, wie es dort war,wo Sie mitregiert haben. Sie waren ein Jahr lang Wirt-schaftssenator in Berlin. In dieser Zeit haben wir erlebt,wie Umverteilung von unten nach oben funktioniert. Dassieht man auch jetzt noch in den Regionen, in denen IhrePartei an der Regierung beteiligt ist.
Anspruch und Wirklichkeit liegen bei Ihnen so weit aus-einander wie Tag und Nacht.
Ich finde, es ist richtig, wenn von den Koalitionsfrak-tionen betont wird, dass wir jetzt in einer sehr schwieri-gen Situation leben, dass ein sehr schwieriges Jahr,eventuell auch ein paar schwierige Jahre auf uns zukom-men. Es sind Krisenzeiten. Frank-Walter Steinmeier hatgesagt: Krisenzeiten sind Gestaltungszeiten. Dazu sagenwir Ja. Aber das Problem ist, dass Sie nicht gestalten.Das ist die Kritik, die wir an diesem Programm haben.Hier wird nicht ausreichend in die Zukunft investiert,sondern es wird ein Sammelsurium von Maßnahmenaufgelegt. Dabei hat man den Eindruck, dass bei der Ent-sfsnDtPShNdb3gutEmadfpGdskgTsVkdzngkb2swjdkrnmd
ielmehr planen Sie hier Maßnahmen, die ziemlich ver-ehrt sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das wir uns inen letzten Tagen genauer angeschaut haben. Es ist dochiemlich verrückt – Frau Nahles, da brauchen Sie garicht „Wir tun das ja!“ dazwischenzurufen –, jetzt herzu-ehen und zu sagen: Wer einen Audi quattro 7 V10 TDIauft,
ekommt vom Staat insgesamt 5 500 Euro geschenkt:500 Euro Abwrackprämie und 1 500 Euro Steuerer-parnis pro Jahr für zwei Jahre. Dazu sagen wir: Hierird das falsche Signal gegeben. Vielmehr müssen wiretzt eine CO2-orientierte Kfz-Besteuerung schaffen,amit klar wird, was die Automobilindustrie für die Zu-unft tun muss, und damit auch die Bürger und Bürge-innen Planungssicherheit haben, wenn sie sich eineues Auto kaufen. Da braucht man keine Abwrackprä-ie, sondern ganz klare politische Rahmenbedingungen,ie von der Bevölkerung zu Recht erwartet werden.
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Christine ScheelDie Menschen verstehen auch dieses permanente Hüund Hott nicht. Sie haben die Steuern in den letzten Jah-ren massiv erhöht. Dadurch hatten wir bezogen auf denBundeshaushalt über drei Jahre insgesamt 140 Milliar-den Euro Steuermehreinnahmen. Es gab eine Anhebungder Sozialversicherungsbeiträge; zwischendurch wur-den sie wieder ein bisschen gesenkt. Wir haben einenGesundheitsfonds, den, wenn man sich die Interviewsanschaut, eigentlich niemand mehr will. Dieser Gesund-heitsfonds bewirkt, dass zum 1. Januar 2009 der Kran-kenversicherungsbeitrag auf 15,5 Prozent angehobenwird. Nun wird gesagt: Lieber Arbeiternehmer, liebe Ar-beitnehmerin, jetzt zahlst du 0,3 Prozent weniger Bei-träge. – Und das ist dann ein Konjunkturprogramm. Manversteht nicht, warum Sie die Beiträge erst auf 15,5 Pro-zent erhöhen und dann wieder um 0,6 Prozent senken,indem Sie Bundesmittel in das System geben wollen.Die Leute werden ja verrückt; sie verstehen doch über-haupt nicht mehr, was das soll.
Aus diesem Grund, denke ich, ist die Glaubwürdig-keit dieses gesamten Paketes bei der Bevölkerung äu-ßerst fragwürdig, und zwar zu Recht. Es ist nicht so, dassdie Leute den Eindruck haben, damit werde das, was fürdie Zukunft notwendig ist, eingeleitet, nämlich einStrukturwandel hin zu innovativen Produkten, zu emis-sionsfreien Kraftfahrzeugen, zu einer ausreichenden Ge-bäudesanierung und zu einer vernünftigen Bildungspoli-tik. Vielmehr hat man den Eindruck, es wird Geld in dieHand genommen, von dem jeder ein bisschen bekommt,damit in der Koalition Ruhe ist – sonst nichts.Danke.
Ich gebe das Wort der Kollegin Andrea Nahles, SPD-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Ich wollte meine Rede mit dem Satz begin-nen: Der Staat hat sich in der Krise als handlungsfähigerwiesen. Diesen Satz muss ich nach dieser Debatte lei-der korrigieren: Die Regierung hat sich in der Krise alshandlungsfähig erwiesen. Denn die Opposition lässt dienötige Verantwortungsbereitschaft leider vermissen.
Wie wir gehört haben, muss die Nachricht von der neuenZeit auch in Europa ankommen. Die Nachricht von derneuen Zeit muss vor allem in den Reihen der Oppositionankommen;
denn dort ist sie leider noch nicht angekommen.sngsgmahPswnv5aunhpaKaAMhUibbwdsdaeDnmJGEwwrstzW
ns geht es nämlich nicht nur um Steuerentlastungen.Denjenigen, die jetzt arbeitslos würden, zum Beispieln der Stahlbranche, können wir Kurzarbeitergeld an-ieten. Das ist zwar weniger, als sie bisher verdient ha-en – das ist richtig –; aber es nützt den Menschen mehr,enn sie ihren Job behalten, als wenn sie arbeitslos wer-en, einen höheren Hartz-IV-Satz erhalten und zu Hauseitzen. Es nützt den Menschen auch mehr, wenn sie iner Zeit der Kurzarbeit qualifiziert werden, als wenn wirllgemeine Diskussionen über die von Oskar Lafontainerwähnten Lohnquoten führen.
as sind nämlich Diskussionen, die den Menschenichts bringen.Ich kann Ihnen sagen: Ja, das Jahr 2009 wird ökono-isch kein gutes Jahr werden. Aber es kann ein gutesahr für Deutschland werden, wenn es uns gelingt, dierundlagen für den nächsten Aufschwung zu schaffen.s kann ein gutes Jahr für Deutschland werden, wennir das tun, was in diesem konjunkturellen Umfeldichtig ist. Wir müssen an den richtigen Stellen investie-en, nämlich dort, wo der größte Investitionsbedarf be-teht: in den Kommunen. An der richtigen Stelle inves-ieren, das bedeutet, dort zu investieren, wo wir dieukünftigen Facharbeiter ausbilden: im Bildungsbereich.ir müssen in die Menschen, die arbeitslos zu werden
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21450 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Januar 2009
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Andrea Nahlesdrohen, investieren, indem wir sie qualifizieren, statt siezu entlassen. Genau diese Weichenstellungen finden sichin diesem Konjunkturpaket.
Deswegen sage ich: Wenn wir jetzt die Weichen rich-tig stellen, kann es ein gutes Jahr für Deutschland wer-den. Wir müssen aber auch erkennen, dass wir aktiv et-was tun müssen, um Arbeitsplätze zu sichern. Da nimmtdie Abwrackprämie mit Verlaub eine Schlüsselpositionein, um eine Leitindustrie in diesem Land wieder flottzu-machen.
Die Abwrackprämie ist ein Beitrag zum Erhalt von Ar-beitsplätzen in diesem Land. Ich kann mir nicht vorstel-len, dass es nicht auch in Wahlkreisen, in denen Sie, dieGrünen, Verantwortung tragen, Zulieferer gibt, denendie Luft ausgeht und die in diesem Bereich dringend ei-nen Impuls brauchen.
Deshalb ist das, was wir an dieser Stelle machen, richtig.Wir tun sehr wohl etwas für die unteren Einkommen.Hier ist mehrfach behauptet worden, dieses Programmführe zu Entlastungen an der falschen Stelle. Was ist esdenn, wenn wir denen, die besonders viel Geld brau-chen, nämlich den Familien mit Kindern, einen Kinder-bonus geben? Dieses Geld führt zu einer kurzfristigwirksamen Entlastung der Familien; es wird unmittelbarin den Wirtschaftskreislauf zurückfließen. Deshalb istdiese Maßnahme nicht nur gerecht und sinnvoll, sondernsetzt auch an der richtigen Stelle einen konjunkturellenImpuls.
Dementsprechend ist es auch richtig, den 6- bis 13-jährigen Kindern von Arbeitslosengeld-II-Empfängernauf Dauer mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Wir neh-men hier mehr Geld in die Hand. Das ist wichtig, weilman beobachten kann, dass sich die Länder in den letz-ten Jahren immer mehr aus der Finanzierung der Lehr-mittelfreiheit zurückgezogen haben. Damit wurden ins-besondere diese Kinder in die Bredouille gebracht. Andieser Stelle beschreiten wir den richtigen Weg: kon-junkturell wirksam, aber auch gerecht, weil das Geld andie Richtigen geht.
Es geht auch darum, ein Paket für Arbeitsplätze zuverabschieden. Nachdem wir ein Paket zur Rettung derBanken verabschiedet haben, haben wir klar gesagt– Frank-Walter Steinmeier hat das schon vor Monatenangekündigt –: Wir brauchen auch einen Schutzschirmfür die Arbeitsplätze. Es geht uns aber nicht nur um Ar-beitsplätze und Jobs; wir wollen tatsächlich mehr: Wirwollen in dieser Krise gute Arbeit fördern. Ich bin froh,dass es uns im Rahmen der Verhandlungen gelungen ist,Mindestlöhne durchzusetzen: im Pflegebereich, für dieWach- und Sicherheitsleute, die sich die Beine in denBauch stehen müssen, weil sie so viele Stunden machenuBmEdghfsbslMvmDcrusnsbdSddvdSHvLVsddDthi
Rede von: Unbekanntinfo_outline
er Bund und die 16 Länder haben im Herbst einen Ret-ungsschirm für unser Bankensystem aufgespannt. Wirandeln gemeinsam für Deutschland, und die Menschenn diesem Land tragen auch gemeinsam die Lasten.
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Ministerpräsident Stanislaw Tillich
Der Bund und die 16 Länder schnüren nun ein bei-spielloses Konjunkturpaket, damit unsere Wirtschaft gutdurch diese Rezession kommt und Strukturen und Ar-beitsplätze erhalten bleiben. Unser Handeln ist ein ein-drucksvoller Beweis, dass der Föderalismus Deutsch-land stark macht.
– Doch, Herr Kuhn, wir wissen es. Wir Länder stehen ineiner besonderen Verantwortung. Denn es sind geradeEinrichtungen in den Ländern und den Kommunen, indie investiert werden soll: in Hörsäle, Klassenzimmer,Jugendhäuser oder Krankenhäuser. Länder und Kommu-nen kennen ihre Verantwortung, wenn es darum geht,nachhaltig zu investieren.Wir – die Länder und der Bund – haben uns einen Tagvor Weihnachten das erste Mal im Kanzleramt zusam-mengesetzt und analysiert, wo das Geld am besten wirkt.Wir haben bis zum 2. Januar Vorhaben identifiziert unddiese mit dem Bund besprochen. Jetzt – keine zwei Wo-chen später – ist das Paket in seinen wesentlichen Ele-menten geschnürt.Die Lage erfordert rasches Handeln, und wir, Bundund Länder, handeln gemeinsam und rasch. Alle Maß-nahmen haben ein Ziel, nämlich Deutschland weiter zu-kunftsfest zu machen. Wir Länder werden dafür Sorgetragen, dass jeder Euro schnell in die neuen Projektegeht und damit Aufträge für Handwerker und mittelstän-dische Unternehmen in den Regionen auslöst.
Wir tun das ohne Verschiebebahnhöfe. Wir nehmenals Länder frisches Geld in die Hand, das wir noch obendrauflegen. Noch einmal die Kasse aufzumachen, ist füruns, die Länder, genauso hart wie für den Bund, füreinige sogar schmerzhaft. Denn der Spielraum in den öf-fentlichen Haushalten ist extrem gering. Ich bin mirsicher, dass wir diese Zitrone nicht beliebig oft ausquet-schen können.Wir haben in den vergangen Jahren den Haushaltschon ein gutes Stück weit konsolidiert. Einige Länderhaben die Nettoneuverschuldung bereits auf null ge-senkt. Es soll keiner glauben, dass uns das leichtgefallenist. Als Sachse weiß ich, wovon ich rede. Es war einStück harter Arbeit. Dazu, dass sich aber Länder wieThüringen und Mecklenburg-Vorpommern dieses Zielgesteckt und erreicht haben, kann ich nur sagen: Hut ab!
Der Bund hat die gleichen Prinzipien wie wir Länder:den Haushalt zu konsolidieren. Aber in Zeiten wie die-sen darf man sich nicht zum Sklaven der eigenen Regelnmachen. Deshalb handeln Sie, Frau Bundeskanzlerin,und die gesamte Bundesregierung genau richtig. DieLänder und der Bund sind sich einig: Wir müssen dasKonjunkturpaket so schnell wie möglich auf den Wegbringen, damit es rasch wirken kann. Gerade wir LänderhBNwhrts–GwdDcSeDiiHnkwczsbgRdGRZnhSswprwkTwksp
Herr Westerwelle, das nimmt uns als Politiker in deresamtheit in die Pflicht. Wir brauchen endlich eineirksame Schuldenbremse, und zwar im Grundgesetz;orthin gehört sie.
as Schuldenmachen muss ein Ende haben. Sonst pa-ken wir unseren Kindern und Enkeln immer neueteine in den Rucksack, der schon heute auf sie wartet.Der Deutschlandfonds hilft Unternehmen und bautine Brücke. Damit kommen sie über die bevorstehendeurststrecke. Aber ich bin mir mit meinen Vorrednern,nsbesondere mit Ihnen, Herr Ramsauer, einig: Der Staatst nicht der bessere Unternehmer. Hier heißt es, auf derut zu sein. Wenn der Staat Unternehmen hilft, kann dasur ein einmaliger Impuls sein. Wenn ich einige höre,ann ich nur davor warnen, jetzt die Geister zu rufen, dieir später nicht mehr loswerden. Klarere Regeln sind si-herlich notwendig. Aber es ist auch eindeutig: Die so-iale Marktwirtschaft funktioniert, und wir können aufie vertrauen. Dass der Mindestlohn in Frankreich dazueitragen soll, dass die Krise um dieses Land einen Bo-en macht, war mir im Übrigen neu und hat allein dieeise hierher gelohnt.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist eine Herausfor-erung nicht nur für Deutschland, sondern für Europa inänze. Überall in der Europäischen Union arbeiten dieegierungen daran, ihre Länder gut durch die schwierigeeit zu steuern. Wir sollten die konjunkturelle Talfahrtutzen, um Schwung für den nächsten Aufschwung zuolen. Die EU muss dafür sorgen, dass die europäischenchlüsselindustrien fit für den weltweiten Wettbewerbind, wenn die Krise überwunden ist. Ebenso wichtigie die Lissabon-Ziele sind dabei die Regeln der euro-äischen Wettbewerbspolitik. Gegenwärtig ist die eu-opäische Wettbewerbspolitik zu stark auf einen Wettbe-erb im europäischen Binnenmarkt fixiert. Immer öfteronkurriert nur noch ein europäischer Standort oder eineechnologie im weltweiten Wettbewerb. Gerade dort,o Europa im Wettbewerb mit Asien und Amerika steht,önnen wir nur gewinnen, wenn wir bei den Quer-chnittstechnologien von strategischer Bedeutung euro-äisch denken.
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Ministerpräsident Stanislaw Tillich
Deshalb gilt es, in der Krise die Chancen zu nutzen undeuropäisch zu handeln. Dann wird Europa neue Kraft ge-winnen, und dann kann Europa diese Krise bestehen.Wir erleben im deutschen Mittelstand gerade einenGenerationenwechsel an der Spitze der Unternehmen.Eine neue Generation von Unternehmern übernimmtVerantwortung in einer sehr schweren Zeit. Ich bin mirsicher: Diese Generation wird die Feuertaufe bestehen,auch weil Bund und Länder geschlossen und entschlos-sen handeln und diese Unternehmen unterstützen.
Ich vertraue unseren Unternehmern deshalb, weil sie mitihrem ganzen Geschick, ihrem ganzen Mut, ihrer Ent-schlossenheit und ihrem Verantwortungsbewusstsein da-für kämpfen, das zu erhalten und fortzuführen, was Ge-nerationen vor ihnen in Deutschland aufgebaut haben.Deutschland ist stark. Deswegen bin ich überzeugt,dass wir auch diese Situation meistern werden.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:Vereinbarte DebatteAktuelle Lage im Nahen OstenDas Wort hat der Bundesaußenminister Frank-WalterSteinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Seit dem 27. Dezember wird in Gaza gekämpft.Seit 19 Tagen gibt es Krieg, große Zerstörung und Hun-ger. Verletzte und fast 1 000 Tote sind bislang zu bekla-gen. Das Kämpfen geht weiter, in den letzten Tagen sogarmit größerer Intensität als am Anfang der Auseinander-setzung. Die Gegenwehr ist durchaus heftig. Die Luftan-griffe werden fortgesetzt, begleitet von Operationen amBoden. Ich habe mir selber in Rafah ein Bild von derHeftigkeit der Kampfhandlungen machen können. Ichhabe eine Vorstellung, wie es den Menschen, die im Ga-zastreifen geblieben sind, geht. Die Zivilbevölkerung lei-det ganz ohne Zweifel, und aus der humanitären Krisekönnte eine humanitäre Katastrophe werden. Das kannuns nicht kaltlassen, und das lässt uns nicht kalt. Die lei-dende Zivilbevölkerung hat und braucht unser Mitgefühl.
Wir haben am vergangenen Wochenende intensiv mitden Hilfsorganisationen in der Region gesprochen, auchmit dem Internationalen Roten Kreuz. Noch sind ausrei-chend Medikamente vorhanden, noch arbeitet die Mehr-zdkdsKvwwuewzubrIdJkhanlzRfWdfSWsöflsbzAiwdwzgBwk
Ich sage, obwohl ich als Außenminister weiß, dassns die Fernsehbilder, die wir allabendlich sehen, sehrrschüttern und die Empörung sehr verständlich ist: Dasird nicht ausreichen. Ich kenne keine Auseinanderset-ung der jüngeren Zeit, die wir mit Presseerklärungennd Statements aus der Welt gebracht hätten. Es ist Ar-eit erforderlich, und die Arbeit verlangt auch, sich da-an zu erinnern, dass dieser Krieg, die Militäraktionensraels nicht vom Himmel gefallen sind. Sie wissen, dassem Krieg insbesondere in der zweiten Hälfte des letztenahres eine geradezu täglich zunehmende Zahl von Ra-etenangriffen aus dem Gazastreifen vorausging. Ichabe öffentlich gesagt und stehe dazu: Keine Regierung,uch und erst recht nicht die Regierung Israels, kann ei-er solchen Bedrohung der eigenen Bevölkerung taten-os zusehen. Es ist gerechtfertigt, sich dagegen zur Wehru setzen.
ichtig ist sicher auch, dass diejenigen, die durch einenaktischen Putsch die Loslösung des Gazastreifens vomestjordanland für einige Zeit durchgesetzt haben undafür die Verantwortung tragen, nicht die Verantwortungür die Menschen im Gazastreifen übernommen haben.ie tragen mit dafür Verantwortung, dass der jetzigeaffengang mit viel Leid für die Zivilbevölkerung zu-tande kam. Schuldfragen sind in einer solchen Situationffentlich gestellt worden, aber die Klärung von Schuld-ragen wird uns nicht zu der Einstellung der Kampfhand-ungen führen. Das wird nur der Fall sein, wenn wir un-eren Teil dazu beitragen, dass aus Initiativen wieeispielsweise der des ägyptischen Präsidenten Mubarakum Waffenstillstand ein Erfolg wird.
n diesem Punkt sind wir noch nicht. Meine Gesprächen Israel haben mir ganz klar gezeigt: Wir werden das,as wir erhoffen und worauf wir täglich warten, nämlichie Einstellung der Kampfhandlungen, nur erreichen,enn zwei Dinge gewährleistet sind: Erstens wenn Israelugesichert werden kann, dass es nach diesem Waffen-ang ein erhöhtes Maß an Sicherheit für die israelischeevölkerung geben wird – deshalb muss sichergestellterden, dass eine Neubewaffnung der Hamas nicht inürzester Zeit wieder möglich sein wird –, und zweitens
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier– ich bin mir sicher, dass das ein Element für die Einstel-lung der Kampfhandlungen ist, wenn die Einstellungdauerhaft sein soll –, dass wir eine Regelung zur Öff-nung der Grenzübergänge finden, die eine dauerhafteVersorgung der Zivilbevölkerung wieder sicherstellt.
Ich habe in den letzten Tagen viele hässliche Kom-mentare über das Tätigwerden der EU gelesen. Ich kannmit all denen übereinstimmen, die darauf aufmerksammachen, dass es schlecht ist, wenn die EU im Nahen Os-ten mit unterschiedlichen Stimmen und konkurrierendauftritt. Nur: Das ist nicht das Thema.Stellen Sie sich vor, die gegenwärtige tschechischeRatspräsidentschaft hätte sich nach dem Ausbruch derKampfhandlungen geweigert, in die Region zu fahren.Die Kritik wäre nicht minder groß, sondern vielleichtnoch schärfer ausgefallen. Ich finde, man kann denjeni-gen, die sich in einer damals – vor 10, 14 Tagen – nochfast aussichtslosen Situation um Frieden bemühten, nichtden Vorwurf machen, dass die Einstellung der Kampf-handlungen nicht schon nach dem ersten Besuch, demersten Gespräch stattfindet.Das Wichtige ist, dass ein Dialog aufgenommen wird.Den führen wir, und wir führen ihn unter den Europäernso eng wie möglich miteinander. Ich selbst habe in mei-nen Delegationen in Ägypten und Israel Mitglieder dertschechischen Präsidentschaft gehabt. Das, was wir anGesprächen in Ägypten, Israel und in der Gesamtregionführen, wird eng mit den französischen und britischenNachbarn abgestimmt.Wo stehen wir? Das Schlüsselland Ägypten, das hiergroße Verantwortung auf sich nimmt – auch mit Blickauf die komplizierte Lage in der Arabischen Liga, wodie Vermittlungsversuche Ägyptens auch nicht ohne Kri-tik bleiben –, verdient jede Unterstützung, in den Direkt-gesprächen mit Israel das zustande zu bringen, was wirbrauchen, nämlich die Voraussetzungen dafür, dass von-seiten der Hamas versichert wird, dass kein weiterer Ra-ketenbeschuss stattfindet, und Israel daraufhin dieKampfhandlungen einstellen kann. Das ist schwierig ge-nug.In einer solchen Situation, in der die erhoffte Verein-barung noch nicht zustande gekommen ist, habe ichmich mit den Partnern in der Region auf fünf Punkteverständigt: Wir brauchen einen Einstieg in einen Pro-zess. Wenn der konsentierte Waffenstillstand nicht sofortzu erhalten ist, dann müssen wir den Einstieg über einehumanitäre Waffenruhe für einige Tage, besser für eineWoche, noch besser für zwei Wochen hinbekommen.Wir müssen dann die Zeit nutzen, um in einer solchhumanitären Waffenpause einerseits die Versorgung derBevölkerung sicherzustellen. Andererseits müssen wirdie diplomatischen Möglichkeiten nutzen, um zu Verein-barungen zu vermehrter Sicherheit an der Grenze zwi-schen Ägypten und dem Gazastreifen zu kommen undauch um Maßnahmen zu vereinbaren, wie Waffen-swmmPvgdÄGfzergwnhndmdEzäVkaaLghmGAmslwBIzswad
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Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Werner Hoyer,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Bilder aus dem Gazastreifen, die wir jeden Abendauf unsere Fernsehschirme transportiert bekommen,können niemanden kaltlassen. Jedes unschuldige Opferin diesem furchtbaren Krieg ist eines zu viel.
Frieden, zumindest aber zunächst ein Schweigen derWaffen, ist also dringend erforderlich. Alle, die sich da-rum bemühen, verdienen Unterstützung. Es ist überhauptnicht im Sinne eines wechselseitigen Aufrechnens zuverstehen, wenn ich zugleich darauf hinweise, dass wirEuropäer uns manchmal kaum vorstellen können, was esfür Bürger großer Teile Israels bedeutet, seit Jahren unterder permanenten Bedrohung durch Qassam-Raketen– sie schlagen tagtäglich ein – leben zu müssen. Ange-sichts dessen erscheint es geradezu zynisch, dass dieseRaketen ob ihrer geringen technologischen Qualität inmanchen Medienberichten geradezu verniedlicht oderverharmlost werden.
Wir müssen uns in die Gefühlslage der betroffenenMenschen hineinversetzen. Dazu gehört das Gefühl derpermanenten Demütigung, unter dem die Menschennicht nur in Gaza, sondern in ganz Palästina leiden. Dazugehört eben auch – wenn man zum Beispiel Israel verste-hen will –, zu erfassen, welche Bedeutung für die Men-schen in Israel und für die Handlungsfähigkeit der israe-lischen Regierung das nach wie vor ungeklärte Schicksaldes verschleppten Soldaten Gilad Schalit besitzt. DieWaffen zum Schweigen zu bringen, lohnt also jede An-strengung; aber das allein ersetzt die Perspektive fürFrieden und Stabilität nicht. Ein Waffenstillstand mussauch genutzt werden können, um den politischen Pro-zess wieder in Gang zu bringen, und umgekehrt wird esohne die Perspektive eines politischen Prozesses keinentragfähigen Waffenstillstand geben.
Das setzt voraus, dass es gelingt, die Spirale vonHass, Gewalt und wechselseitiger Demütigung zu durch-brechen, die die Menschen zunehmend zur Verzweiflungund eben auch zu mancher Verzweiflungstat bringt. Mankann die Chancen, diesen Prozess wieder in Gang zubringen, natürlich nicht ermessen, wenn man nicht denKalender sieht, der für die jeweiligen Konfliktparteienund auch für diejenigen, die hilfreich sein könnten, we-sentlich ist. Zu den wichtigen Daten gehört natürlich derisraelische Wahltermin Anfang Februar. Es ist schon tra-gisch, dass gerade sehr moderate Politiker, die in dendirekten und diskreten Kontakten mit der palästinensi-schen Seite, aber auch zum Beispiel mit Syrien schonzngH2aßskrrdzDimglfsUlngsgmgugskssMRwDwfnfSswvsV
Es ist schon ziemlich erbärmlich, wenn die Außenmi-ister aus gegenwärtiger, vorangegangener und zukünfti-er Ratspräsidentschaft – übrigens ein Format, das eseit Beginn dieses Jahrtausends eigentlich gar nicht mehribt, die klassische Troika –, ergänzt um die Außenkom-issarin und den Generalsekretär des Rates, in der Re-ion um Termine und Medienaufmerksamkeit buhlennd der Nicht-mehr-Ratspräsident Nicolas Sarkozy zu-leich in Kairo Gespräche führt, von denen wiederumein eigener Außenminister als Teil der genannten Troi-a in Jerusalem zu diesem Zeitpunkt gar nichts weiß. Socheitert die Europäische Union an ihrem eigenen An-pruch in der Weltpolitik.Da stimmt es dann fast schon hoffnungsfroh, Herrinister, dass, wie Sie uns gestern versichert haben, Ihreeise nicht nur in der Europäischen Union abgestimmtar, sondern sogar in der Bundesregierung.
ie Zweifel bleiben, aber es ist ja schon beruhigend zuissen, dass die Bundeskanzlerin, wie ich jetzt docheststellen kann, über die Anstrengungen, die Sie unter-ommen haben, offenbar nicht nur über die Medien in-ormiert worden ist.Schon allein humanitäre Überlegungen machen einchweigen der Waffen so überaus dringlich. Ich unter-tütze Sie, Herr Minister, ausdrücklich, wenn Sie davorarnen, den erforderlichen politischen Prozess wiederon der Schuldfrage her aufrollen zu wollen. An wech-elseitiger Schuldzuweisung, am Aufrechnen ist in derergangenheit schon fast alles gescheitert, was zum
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Dr. Werner HoyerFrieden hätte führen können. Das Ergebnis eines mögli-chen Friedensprozesses scheint doch eigentlich auf derHand zu liegen oder – vielleicht muss man es heuteschon so sagen – schien auf der Hand zu liegen, zumin-dest dann, wenn alle Beteiligten die Vision des friedli-chen Zusammenlebens von Israelis und Palästinensern inzwei souveränen, zur Kooperation befähigten Staatennach wie vor teilen. Deswegen muss der Prozess vomErgebnis her definiert werden, nicht von den unüber-brückbaren Gegensätzen bei der Schuldzuweisung her.In den letzten Jahren ist bei den allermeisten Beteilig-ten, denke ich, durchaus die Erkenntnis gereift, dass ei-gentliche Stärke darin besteht, Kompromisse einzugehenund gegenüber den eigenen Leuten durchzusetzen.Oder ist die Zwei-Staaten-Lösung etwa schon ver-spielt? Hat sich die Lage in Gaza bereits so sehr von derauf der Westbank entfernt, dass die Zwei-Staaten-Lö-sung schon unrealistisch geworden ist? Man kann nurwarnen.Mancher fragt, warum denn das Zusammenlebennicht in einem Staat möglich sein soll. Das, meine Da-men und Herren, wäre das Ende von der Vorstellung desjüdischen Staates Israel. Für das Existenzrecht des jüdi-schen Staates Israel einzutreten – nicht für das Existenz-recht Israels als Staat, in dem die jüdischen Israelis mehrund mehr zur Minderheit im vermeintlich eigenen Staatwerden –, war und ist Staatsräson im Nachkriegs- undNach-Holocaust-Deutschland. Die Drei-Staaten-Lösungmit einem jüdischen Israel, einem kaum zusammenhän-genden Westbank-Territorium und einem aus eigenerKraft und als eigenes Staatsgebilde nicht lebensfähigen,eingemauerten Gaza, das ist ganz gewiss kein Konzeptfür Frieden und Stabilität im Nahen Osten.Wer an der Idee von der Zwei-Staaten-Lösung festhältund die Spirale von Demütigung und Gewalt durchbre-chen will, der muss also die Kraft aufbringen, der eige-nen Bevölkerung die Opfer abzuverlangen, die dannunausweichlich sind. Das bedeutet für Israel den schmerz-lichen, aber völlig unverzichtbaren Rückzug aus denSiedlungsgebieten auf der Westbank – eine Erkenntnisvon Ministerpräsident Olmert, die er leider erst jetzt ge-äußert hat, da sein Abgang nur noch eine Zeitfrage ist –,und das heißt für die Palästinenser: weitgehender Ver-zicht auf die vollständige oder auch nur überwiegendeRückkehr der Flüchtlinge in das Gebiet, das jetzt IsraelsKernland ist.Wer soll eigentlich in der Lage sein, der eigenen Be-völkerung solche unverzichtbaren Opfer mit der dafürnotwendigen Autorität abzuverlangen? Hoffen wir, dassdie israelischen Wähler im nächsten Monat die neueKnesset-Mehrheit in die Lage versetzen, dies zu tun, undhoffen wir, dass Gaza nicht der Todesstoß für die Regie-rung von Präsident Abbas ist.Jetzt schon scheint sich abzuzeichnen, dass das Kal-kül, eine harte Haltung gegenüber den Raketenterroris-ten der Hamas würde die Bevölkerung im Gazastreifenvon der Hamas-Führung entfremden, nicht aufgeht. ImGegenteil, ich fürchte, dass selbst diejenigen, für dieHamas nicht in erster Linie eine Terrororganisation ist–swrddzgbrigdewewldztüßkDTfsdfgkrsdLgnIaCgdsÜmm
Ich gebe das Wort dem Kollegen Eckart von Klaeden,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-en! Angesichts des Leids der Zivilbevölkerung auf bei-en Seiten sind wir alle entsetzt, in diesen Tagen insbe-ondere über das Leid auf der palästinensischen Seite:ber 900 Tote, davon ungefähr die Hälfte Zivilisten, undehrere Tausend Verletzte können, wie ich glaube, nie-anden hier im Hause unberührt lassen. Deswegen un-
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Eckart von Klaedenterstützen wir die UN-Resolution 1860, die dazu führensoll, dass es so schnell wie möglich zu einem dauerhaf-ten Waffenstillstand kommt.Bei allem Mitgefühl, das richtig und wichtig ist, kön-nen wir aber als Abgeordnete, als Politiker hier nicht ste-hen bleiben, sondern wir müssen die Frage nach der Ver-antwortung und die Frage nach Ursache und Wirkungstellen. Dazu gehören die Feststellungen, dass die Ha-mas am 19. Dezember einen Waffenstillstand aufgekün-digt hat, der durch Ägypten verhandelt war und denIsrael als unbegrenzt gültig angesehen hat, dass seitdemmehrere Hundert Raketen und Mörsergranaten in Israeleingeschlagen sind und dass seit dem Rückzug der israe-lischen Truppen aus Gaza im Jahr 2005 über 10 000 Ra-keten und Mörsergranaten im Süden Israels eingeschla-gen sind.Ich selber habe am 6. Januar dieses Jahres die StädteSderot und Beerscheba besuchen können, zwei Städte,die seit Jahren unter diesem Raketen- und Granaten-beschuss leiden. Bushaltestellen sind zu Betonunterstän-den umgebaut worden, und auch auf den Schulwegengibt es entsprechende Unterstände für die Schulkinder.Man verbindet damit die Hoffnung, dass sie innerhalbder durchschnittlichen Vorwarnzeit von 15 Sekundendiese Unterstände erreichen und vor einem möglichenRaketenbeschuss geschützt sind.Die von solchen Raketen zerstörten Klassenräume,die ich ebenfalls besichtigen konnte, zeigen allerdings,dass diese Vorsichtsmaßnahmen nicht immer erfolgreichsind. Eine durchschnittliche Vorwarnzeit von 15 Sekun-den bedeutet auch, dass sie manchmal länger undmanchmal kürzer ist. Als ich in Sderot war, sind alleindrei Raketen eingeschlagen, bei denen der Alarm erstnach dem Einschlag ausgelöst werden konnte.Ich habe bei den Menschen eine Mischung aus Verbit-terung und Enttäuschung einerseits und Entschlossenheitandererseits festgestellt. Verbitterung und Enttäuschungresultieren daraus, dass sie gehofft hatten, dass nach dermonatelangen Waffenruhe die Vereinbarung eines Waf-fenstillstandes in greifbare Nähe rückt. Die Entschlos-senheit zeigt sich darin, dass die Menschen dem Terrornicht weichen und der Hamas-Strategie widerstehenwollen, die darauf ausgerichtet ist, zunächst die Bevöl-kerung zu demoralisieren und dann nicht nur den SüdenIsraels, sondern ganz Israel durch Raketenbeschuss fürJuden unbewohnbar zu machen. Das erklärt auch dieEntschlossenheit, mit der die Israelis ihr Recht aufSelbstverteidigung wahrnehmen.Der Raketenbeschuss hat nicht nur quantitativ, son-dern auch qualitativ zugenommen. Es sind immer weni-ger die sogenannten Qassam-Raketen und immer mehrKatjuscha- und Grad-Raketen. Katjuscha-Raketen sindin Deutschland besser bekannt unter dem Namen Stalin-orgel. Grad-Raketen sind industriell hergestellte Rake-ten, die die Qassam-Raketen und die Katjuscha-Raketenin Bezug auf Reichweite, Zielgenauigkeit und Spreng-kraft bei weitem übertreffen. Die Waffenruhe der letztenMonate hat die Hamas intensiv genutzt, um im Gaza-streifen mit diesen Raketen aufzurüsten. Deswegen ist esfolgerichtig, dass es für die israelische Seite keine Rück-khwgmseIdcädswASkeAänmflsdeonunemziwbddmdeBnsHzmshhwnuss
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich ver-tehe – ich habe hier schon darüber gesprochen –, dasss im Umgang mit Israel Hemmungen und Beklemmun-en aller Art gibt. Das hängt mit den ungeheuerlichstenerbrechen der Deutschen an den Jüdinnen und Judenis 1945 zusammen. Nur helfen all diese Verkrampfun-en nicht, um einen wirksamen Beitrag zu leisten, denahostkonflikt zu lösen. Die Frau Bundeskanzlerineinte ja, zu Beginn des Krieges ernsthaft erklären zuüssen, dass die Verantwortung allein bei der palästi-ensischen Führung im Gazastreifen läge. Das ist einsei-ig und falsch,
bwohl diese Führung eine Mitverantwortung trägt.Es gab hier einmal eine Einigkeit, keine Waffen inriegsgebiete zu liefern. Sie aber exportieren trotz deserheerenden Krieges weiterhin Waffen nach Israel. Dasalte ich nun aber für indiskutabel. Ich hatte vergebensehofft, dass Sie, Herr Außenminister, hier erklären, dieaffenlieferungen zumindest während des Krieges aus-usetzen.
Natürlich ist es nicht hinnehmbar, wenn die palästi-ensische Führung im Gazastreifen die Anerkennungsraels ausschließt. Natürlich ist der Abschuss von Rake-en vom Gazastreifen aus nach Israel scharf zu verurtei-
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Dr. Gregor Gysilen, und jedes diesbezügliche Opfer beklagen wir. Natür-lich ist es falsch, dass die Gaza-Führung dasWaffenstillstandsabkommen am 19. Dezember 2008 auf-kündigte, weil dann die Frage entsteht, was sie denn stattdes Waffenstillstands wollte und will.
Entscheidende Fehler hat aber auch die israelischeRegierung begangen. Zu einem Frieden kommt mannicht, wenn man Gespräche mit der Führung im Gaza-streifen ablehnt. Es ist völkerrechtswidrig und falsch,den Gazastreifen so abriegeln zu wollen, dass die Bevöl-kerung in Kollektivhaft genommen wird – ohne medizi-nische Versorgung, ohne Lebensmittel.
Das Waffenstillstandsabkommen ist durch Israel verletztworden; denn Israel führte eine Militäraktion in einemVersorgungstunnel des Gazastreifens durch.
Dabei gab es mehrere Tote. Auch die Gaza-Führung ver-letzte das Abkommen.Aber völlig inakzeptabel und maßlos überzogen istdie Führung eines Krieges mit Bomben und Bodentrup-pen durch Israel – und nun auch noch unter der völker-rechtswidrigen Verwendung schrecklicher Phosphorwaf-fen.
Dabei hilft es der israelischen Regierung nicht, sich da-rauf zu berufen, dass auch westliche Länder solche Waf-fen verwenden; denn die Völkerrechtsverletzung einesStaates berechtigt einen anderen Staat nicht, eine eben-solche zu begehen. Der Krieg selbst ist völkerrechtswid-rig, weil jede überzogene Militäraktion das Völkerrechtverletzt. Ein völkerrechtswidriger Krieg ist ein Verbre-chen gegen den Frieden.Täglich wird die Lage im Gazastreifen für die Bevöl-kerung unerträglicher. Es gibt schon über 900 Tote, vondenen mindestens die Hälfte Zivilisten sind, darunterviele Frauen und fast 300 Kinder. Das Völkerrechtschreibt im Krieg den Schutz der Zivilbevölkerung vor.Natürlich weiß ich, dass der israelischen Regierungund anderen Regierungen die Führung im Gazastreifennicht behagt. Das darf man als nachvollziehbar empfin-den. Nur, nirgendwo im Völkerrecht ist geregelt, dassdies zu einem Krieg berechtigt, dass ein anderes Land ei-ner Bevölkerung vorschreiben darf, welche Führung siesich zu wählen hat oder welche Führung sie auch ohneWahlen haben darf. Man hat es einfach hinzunehmen.Man kann nicht übersehen, dass Israel diesen verhee-renden Krieg begonnen hat, bevor Barack Obama alsPräsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigtist. Mit dem Kriegstreiber Bush geht so etwas viel leich-ter. Aber das rechtfertigt diesen Krieg schon gar nicht.KnrgKuefdewRwgFesJVsfOIGdddRvrIagGssrsNrNd
Leider gibt es Menschen in Israel, die hoffen, mittelsrieg eine Führung im Gazastreifen etablieren zu kön-en, mit der dann leichter Verhandlungsergebnisse zu er-eichen wären. Das ist ein Denken in militärischer Lo-ik, das einem gravierenden Irrtum unterliegt. Dieserrieg erzeugt so viel Tod, so viele Verletzte, so viel Notnd Leid, dass daraus Hass in mehreren Generationenntstehen wird. Dieser Hass ist der schlechteste Partnerür einen Frieden. Mit diesem Krieg erreicht man alsoas Gegenteil von dem, was nicht wenige in Israel sichrhoffen. Frieden erfordert Aufbau, kulturellen undissenschaftlichen Austausch, gegenseitiges Interesse,espekt und Anerkennung, wie es zum Beispiel dereltberühmte Dirigent Daniel Barenboim in hervorra-ender Art und Weise organisiert.
rieden braucht also das völlige Gegenteil von dem, wasin Krieg hervorbringt.Wir brauchen nicht baldmöglichst einen Waffenstill-tand, sondern sofort.
ede weitere Stunde Krieg bedeutet weitere Tote underletzte, ist inakzeptabel, nicht hinnehmbar. Die israeli-chen Truppen müssen unverzüglich aus dem Gazastrei-en abgezogen werden.Aber wie kommen wir dahin? Wie kann im Nahensten endlich Frieden entstehen? Ich sage es hier klar:ch glaube nicht, dass die Führungen in Israel, imazastreifen und im Westjordanland in der Lage sind,iesen so schnell wie möglich selbstständig auszuhan-eln und zu gewährleisten. Ich glaube auch nicht, dassie bisherige Kommission mit Mitgliedern aus den USA,ussland und der EU dazu in der Lage ist; denn sie hatersagt.Es geht darum, drei Kernbeschlüsse der UNO zu Is-ael und Palästina umzusetzen:Erstens. Die UNO hat 1947 beschlossen, die Staatensrael und Palästina zu bilden. Es gibt einen Staat Israel,ber niemand weiß, in welchen Grenzen. Nach wie voribt es keinen Staat Palästina.Zweitens. Die UNO hat 1967 beschlossen, dass dierenzen von 1967 zwischen Israel und Palästina geltenollen.Drittens. Die UNO hat mehrfach zum Waffenstill-tand, zur Beendigung aller Kriege, zum Frieden aufge-ufen.Bundestag und Bundesregierung sollten nun die fünftändigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereintenationen, das heißt die Vereinigten Staaten von Ame-ika, das Vereinigte Königreich von Großbritannien undordirland, die Republik Frankreich, die Russische Fö-eration und die Volksrepublik China, auffordern, ihrer
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Dr. Gregor Gysidiesbezüglichen Verantwortung in jeder Hinsicht gerechtzu werden. Der Wechsel zum Präsidenten Barack Obamain den USA birgt die Chance für einen Neubeginn.Was wären die Aufgaben der fünf ständigen Mitglie-der des Sicherheitsrates?Erstens. Sie haben unter strikter Wahrung des Völker-rechts einen von ihnen garantierten Gewaltverzicht zwi-schen Israel und Palästina durchzusetzen. Eine inter-nationale Friedenstruppe, die sowohl in Israel als auch inPalästina zu stehen hat, muss die gegenseitige Gewaltlo-sigkeit gewährleisten. Eine Beteiligung deutscher Solda-ten kommt für uns schon aus historischen Gründen, ausden von mir anlässlich des Libanon-Krieges genanntenGründen, die ich hier nicht wiederholen werde, nicht inBetracht.Zweitens. Die fünf ständigen Sicherheitsratsmitglie-der müssen die Gründung eines lebensfähigen StaatesPalästina in den Grenzen von 1967 durchsetzen. Gebiets-austausche kommen nur bei gegenseitigem Einverneh-men von Israel und Palästina infrage.Drittens. Weltweit, auch unter Beteiligung Deutsch-lands, muss unverzüglich für Palästina eine Art Marshall-plan aufgelegt werden, damit der Aufbau beginnen kann.Die Menschen brauchen Bildung und Arbeit, sie brau-chen Brot, sie brauchen Ehre und eine Zukunft, die sieaktiv mitgestalten können, damit für sie Frieden undnicht Kampf oder Krieg attraktiv wird, damit alleAggressoren und Terroristen bei ihnen keine Chancemehr haben.Viertens. Unter Einbeziehung vor allem von Ägypten,Jordanien, Libanon und Syrien ist ein darüber hinausge-hender Frieden ebenfalls durchzusetzen.Fünftens. Dann können auch erfolgreiche Verhand-lungen mit dem Iran geführt werden, statt dass mit Krieggedroht wird – um zu entspannen und keine weiterenKonfliktzuspitzungen zuzulassen.Alle Menschen in Israel und alle Menschen in Paläs-tina haben jeweils ein Recht auf einen eigenen Staat inklaren Grenzen. Sie haben ein Recht auf Frieden, auf Le-ben, auf Gesundheit, auf Kultur und auf soziale Wohl-fahrt. Die internationale Gemeinschaft muss aufhörenmit sinnlosen Appellen und beginnen, dies ernsthaft um-zusetzen.Gelingt eine Lösung des Nahostkonflikts, gelingt dieHerstellung eines wirklichen Friedens, dann kann derHass im Nahen Osten Schritt für Schritt abgebaut wer-den, dann kann es eine gedeihliche Zusammenarbeitgeben. Dies wären ein großer Fortschritt für die Mensch-heit und ein wesentlicher Beitrag zur Abrüstung zwi-schen christlich, jüdisch und islamisch geprägten Län-dern, auch zwischen der sogenannten Ersten und dersogenannten Dritten Welt.
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it aller Klarheit: Keine Regierung der Welt kann so et-as akzeptieren. Jede Regierung ist verpflichtet, eineolche Bedrohung von der eigenen Bevölkerung abzu-enden. Es gibt angesichts dieser Situation ein Rechtuf Selbstverteidigung.
Ich sage das mit diesem Nachdruck; denn das festzu-tellen ist etwas anderes, als den Fehler zu begehen, denie Bundeskanzlerin gemacht hat. Sie meinte nämlich, inieser Frage Unschuldige und Schuldige benennen zuüssen, als sie festgestellt hat, dass die Verantwortungür die jüngste Entwicklung eindeutig und ausschließlichei der Hamas liege. Bei aller Schuld der Hamas, dieiemand in Abrede stellt: Diese einseitige Parteinahmeat nicht dazu beigetragen, diesen Konflikt möglichstchnell zu beenden, musste sie doch als ein Stück Bestä-igung der Entscheidung für die kriegerische Lösungerstanden werden. Ich sage das mit dieser Nachdenk-ichkeit, weil ich der festen Überzeugung bin, dass manachdrücklich und glaubwürdig für das Selbstverteidi-ungsrecht Israels eintreten und dennoch gegen denrieg im Gazastreifen sein kann.
Diese Differenzierung müssen wir uns an dieser Stellechon erlauben, nicht nur, weil dieser Krieg nicht dazueführt hat, dass keine Raketen mehr fliegen – vorges-
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Jürgen Trittintern sind 19, gestern sind 20 auf Israel niedergegangen –,sondern auch, weil wir uns ebenso der anderen Seite die-ses Krieges widmen müssen. Wenn man die Lagebe-richte des Auswärtigen Amtes als Grundlage nimmt, sohaben die 19 Tage dieses Krieges, der „Operation Blei-gießen“ heißt – das ist der offizielle Titel –, 976 Tote,darunter 311 Kinder, und 4 418 Verletzte zur Folge ge-habt. Man kann, darf und soll nicht Leben gegen Lebenaufrechnen. Aber mir fällt es angesichts dieser Zahlenschwer, mich mit dem Wort „unverhältnismäßig“ fürdiese Reaktion zu begnügen.
Deswegen brauchen wir einen sofortigen Waffenstill-stand.
Man kann, lieber Kollege Gysi, ganz lange darüberstreiten, was das Völkerrecht für die einen wie für dieanderen hergibt, und ob es eine so extrem unverhältnis-mäßige Reaktion rechtfertigt. Sicherlich wird niemandbestreiten, dass Angriffe auf UN-Konvois, dass At-tacken auf UN-Hilfswerksschulen, in die mittlerweile25 000 Menschen flüchten mussten, höchst fragwürdigsind.An dieser Stelle ist festzuhalten, dass es sich um einedoppelte Form der Geiselnahme der Bevölkerung imGazastreifen handelt: Die Hamas versteckt ihre Waffenvielfach in Krankenstationen oder in den Reihen der Zi-vilbevölkerung, und die Israelis gehen dagegen vor, waswiederum Opfer unter der Zivilbevölkerung zur Folgehat. Das große Elend der Menschen und vor allem derKinder im Gazastreifen ist der Grund, warum wir jetztsehr schnell einen Waffenstillstand brauchen.
Ich meine, seit dem Beschluss des Sicherheitsrates– es gibt ihn übrigens, lieber Kollege Gysi – ist die Sa-che klar: Alle weiteren Intensivierungen des Krieges undjede weitere Rakete sind mit diesem Beschluss des Si-cherheitsrates unvereinbar.Ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen, dass ichdie Stellungnahme der Bundeskanzlerin für falsch halte.Ich finde, dass der Bundesaußenminister nach dem De-saster auf EU-Ebene mit seiner Reise einen richtigenSchritt gemacht hat. Aber ganz im Ernst frage ich Sie:Wo ist in diesem Konflikt eigentlich das Nahost-Quartettgeblieben? Wer hat Tony Blair einmal vor Ort gesehen?
Was ist das für ein Vermittler, meine Damen und Herren,der in den anderthalb Jahren seiner Tätigkeit nicht eineinziges Mal im Gazastreifen war?
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uf dem Weg zu einem Waffenstillstand müssen aller-ings zwei Grundsätze beachtet werden: Der ersterundsatz ist, dass die legitimen Interessen aller Seitenewahrt werden müssen. Grundlage eines Waffenstill-tands muss sein, dass Israel nicht länger beschossenerden darf und dass der Waffenschmuggel beendeterden muss.
Der zweite Grundsatz ist das legitime Interesse deralästinenser, in ihrem Alltagsleben nicht länger einertrangulierenden und jede wirtschaftliche Entwicklungehindernden Blockade ausgesetzt zu sein, übrigens ei-er Blockade, die den Waffenschmuggel in all den Jah-en überhaupt nicht hat unterbinden können.
Die Wahrheit ist: Die Hamas ist im Gazastreifen mili-ärisch nicht zu besiegen. Ob sie tatsächlich die Mehrheiter Palästinenser repräsentiert oder nicht, das wird vielher durch die Lebensverhältnisse und durch die politi-che und wirtschaftliche Entwicklung in der Westbankntschieden. Was eine politische Lösung angeht, bin ichher pessimistisch.Herr Hoyer, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen,ass das Zeitfenster für eine Zwei-Staaten-Lösung im-er schmaler wird. Wo sind denn auf israelischer unduf palästinensischer Seite die Regierungen, die ihrerevölkerung die dafür notwendigen Kompromisse beier Besiedlung, bei der Rückkehr von Flüchtlingen,eim Gewaltverzicht und bei Gebietsaustauschen zumu-en können? Wir erleben, dass sich die israelische undie palästinensische Gesellschaft in dramatischer Artnd Weise spalten und polarisieren. Davon zeugen deralästinensische Bruderkampf und die militanten Aus-inandersetzungen an israelischen Universitäten zwi-chen arabischen und jüdischen Israelis. Daran wirdeutlich, dass das Zeitfenster für eine Zwei-Staaten-Lö-ung immer schmaler wird. Das bedeutet: Wir brauchen)
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Jürgen Trittinjetzt einen Waffenstillstand, sonst schließt sich das Zeit-fenster.Ich möchte eine Schlussbemerkung machen. Mir istes heute nicht leichtgefallen, hier zu reden. Zurzeit fin-den in diesem Lande Demonstrationen statt: Die einenzeigen Solidarität mit Israel, die anderen demonstrierengegen die Aggression Israels. Es ist zu skandalösen Vor-gängen bei der Entfernung einer israelischen Flagge inDuisburg gekommen.
Ich will ganz persönlich sagen: Ich gehöre zu einerGeneration, die in der Auseinandersetzung mit ihren Vä-tern über die Aufarbeitung des Holocaust durchgesetzthat, dass es in dieser Gesellschaft einen Grundkonsensüber die Solidarität mit und das Selbstbestimmungsrechtvon Israel gibt.
Die Bundeskanzlerin hat einmal gesagt, das sei Staatsrä-son. Ich möchte dieses Wort nicht verwenden. Ich wün-sche mir eine Gesellschaft, in der wir eine solche Räsonnicht einklagen müssen, sondern in der sie als selbstver-ständlicher Bestandteil der Gemeinschaft der Demokra-ten verstanden wird.
Das Tragische an den letzten Tagen ist doch, dass die-ser Krieg dabei ist, dieses Grundverständnis einer extre-men Belastungsprobe auszusetzen. Ja, wir müssen die-sen Krieg durch einen sofortigen Waffenstillstandbeenden, um das Elend zu beenden, das damit einher-geht.
Herr Kollege Trittin!
Das würde auch dem deutsch-israelischen Verhältnis
und unserer Gesellschaft ein Stück weit helfen.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hans-Ulrich Klose, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Trittin, es geht mir wie Ihnen: Ich finde dieDebatte sehr schwierig, und zwar, weil ich ehrlich gesagtnicht sicher bin, was man angesichts der Lage im Ga-zwtldnüsbZtWwztsKSwp1lswnstdRmpaiduZindbguuwHgnE
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Ich gebe das Wort der Kollegin Dorothee Bär, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Trittinat es bereits angesprochen – ich denke, das geht heuteedem so –: Es fällt nicht leicht, am heutigen Tag zu die-er Thematik an das Rednerpult zu treten. Die Situationm Nahen Osten hat sich seit Jahren zugespitzt. Im Sü-en Israels und besonders im Gazastreifen hat sich eineage entwickelt, die schließlich in die Tragödie mün-ete, die wir derzeit erleben. Ich glaube, es geht nichtur mir, sondern wahrscheinlich allen so, die in den letz-en Tagen – im Gegensatz zu Eckart von Klaeden oderu unserem Bundesaußenminister – nicht vor Ort waren,ass wir aufgrund der Bilder zwar einen sehr detaillier-en Eindruck haben, dass das aber nicht ersetzen kann,ich direkt vor Ort zu informieren.Das Leid, das wir sehen, ist groß. Das müssen wir ne-en möglichen Lösungen dauernd erwähnen. Es gibt un-erschiedliche Angaben über die Zahl der Opfer. Aberetztendlich ist es egal, wie viele Opfer es gibt. Jedespfer ist eines zu viel. So ist unter anderem von knapp000 Toten die Rede. Ich möchte dabei die Zahl vonber 300 Kindern hervorheben. Jedes Kind stellt ein Ein-elschicksal dar. Jede Familie, die betroffen ist, durch-ebt eine ganz furchtbare Zeit. Davor dürfen wir auf kei-en Fall die Augen verschließen, genauso wenig wie voren 4 000 Verletzten, den zerstörten Häusern und Schu-en sowie der mangelnden medizinischen Versorgung.an sitzt hilflos vor dem Fernseher und sieht Reporta-en, die zeigen, dass denjenigen, denen vielleicht nocheholfen werden könnte, oft nicht mehr rechtzeitig ge-olfen werden kann. Gerade unbeteiligte Zivilisten und
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Dorothee Bärdie vielen Helfer vor Ort sind oft die Leidtragenden die-ses Konflikts.Die Menschen leben – das wurde bereits angespro-chen – nicht erst seit einigen Monaten oder seit drei Wo-chen, sondern schon sehr viel länger mit dieser Bedro-hung. Wer miterlebt hat, dass Schüleraustausche, die seitJahren funktioniert haben, eingestellt wurden bzw. nurnoch einseitig stattgefunden haben, dass zum Beispielnur noch israelische Jugendliche zu uns in die Land-kreise kommen, aber keine deutschen Schüler mehr nachIsrael geschickt werden, hat gemerkt, was das bedeutet.Wir haben es bei der Hamas mit einer Terrororganisa-tion zu tun, die die eigene Bevölkerung sehr stark alsSchutzschild missbraucht. Herr Klose hat bereits ange-sprochen, was das bedeutet und was damit bezwecktwerden soll. Ein Gegner, der sich bewusst in Wohnhäu-sern verschanzt und in sozialen Einrichtungen verbarri-kadiert, nimmt nicht nur den Tod unschuldiger Men-schen bewusst in Kauf, sondern versucht auch, darauspolitisch Kapital zu schlagen.
Deshalb ist das Vorgehen der Hamas auf das Schärfstezu verurteilen.Die humanitäre Katastrophe und das Leiden der Zivil-bevölkerung lassen uns nicht kalt. Deswegen ist es amwichtigsten, zivile Opfer zu vermeiden und die humani-täre Versorgung sicherzustellen. Ohne Rücksicht aufVerluste versucht die Terrororganisation Hamas, mög-lichst viele palästinensische Opfer zu generieren, um da-mit den Kampf, vor allem den um die Medien, zu gewin-nen. Es wurden über 10 000 Raketen in den letzten achtJahren auf Israel gerichtet, und wir dürfen nicht dulden,dass die Hamas die eigene Bevölkerung zugrunde rich-tet, nur um Israels Ruf in der Weltöffentlichkeit zu rui-nieren.Nur mithilfe des vielfach angesprochenen Waffen-stillstands können die Versorgung der notleidenden Be-völkerung gewährleistet und weitere Todesopfer auf bei-den Seiten vermieden werden. Dieser Waffenstillstandist besonders wichtig als erster Schritt in einem Frie-densprozess, der endlich nachhaltig vollendet werdenmuss. Deswegen unterstütze auch ich die InitiativeÄgyptens, als Vermittler zwischen Israel und der Hamaszu fungieren. Ägypten kommt hier – das hat der Bundes-außenminister angesprochen – als arabischem Anrainer-staat eine besondere Verantwortung in diesem Konfliktzu.Die Angaben über die Zahl der Tunnel variieren. Mirist die Zahl von über 800 Tunneln unter der ägyptischenGrenze bekannt, über die der Gazastreifen mit Waffenversorgt wird. 500 davon wurden bereits zerstört. DieserWaffenschmuggel muss unbedingt unterbunden werden.Anderenfalls bringt ein weiterer Waffenstillstand keineBesserung. Die Aussetzung des Feuers würde von derHamas lediglich dazu genutzt werden, ihr Waffenarsenalüber die ägyptischen Tunnel wieder aufzustocken. AusdgSdiuzrwwdscAASUdticWdnmnnfEadmtscstkdaisddPmi
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Ein zweiter Aspekt, den ich gerne ansprechenmöchte, ist die Frage: Hilft es uns wirklich weiter,Schwarz-Weiß-Bilder zu malen? Hilft es uns wirklichweiter, über Schuld zu diskutieren? Oder müssen wirnicht einfach feststellen: „Diese Situation ist nichtschwarz-weiß, sondern leider grau. Sie hat ganz unter-schiedliche Facetten, Verantwortungen und Akteure“? –Deswegen hilft diese – das sage ich ganz bewusst – Ideo-logisierung der Außenpolitik nicht weiter. Hier solltenwir gerade in Deutschland aufpassen.
Wir stehen offensichtlich vor einer Zeitenwende, in derwir keine Ideologisierung der Außenpolitik von der an-deren Seite des Atlantiks mehr haben. Die designierteAußenministerin hat gestern im Senat ausgeführt, dasssie keine ideologische Außenpolitik mehr betreiben will,sondern der Diplomatie, der Politik eine Chance gebenwill. Deswegen bitte ich darum, die Schwarz-Weiß-Malerei zu unterlassen und zu überlegen, was wir mit di-plomatischen Mitteln und einem neuen Realismus errei-chen können.Ich richte mich deshalb ganz konkret an den Bundes-außenminister: Herzlichen Dank, dass Sie vor einigenTagen für die humanitäre Waffenruhe eingetreten sind,
dass Sie eine Reise in diese Region gemacht, dort kon-krete Angebote und Vorschläge für das Grenzmanage-ment unterbreitet haben und jetzt wieder dorthin reisenwollen.Der dritte Aspekt, den ich ansprechen möchte, ist fol-gender: Man kann immer wieder über die europäischeAußenpolitik schimpfen. Das tun wir auch; das ist keineFrage. Aber sollten wir nicht vielleicht lieber darüberdiskutieren, wer zurzeit nicht in der Region ist, werkeine Verantwortung übernimmt?
Ich bin in den 70er-Jahren mit Fernsehbildern groß ge-worden, auf denen, als Krieg im Nahen Osten herrschte,der amerikanische Präsident in den Hauptstädten vor Ortdie Gangway der Flugzeuge rauf- und runtergelaufen istund die ganze Zeit zu vermitteln versucht hat. Das habenwir in den letzten sieben Jahren nicht mehr erlebt. AberddaLnanOhpgbuwwdpSpulemsVhzFzsdigaawddmbhkSAeP
Zum Schluss – wenn ich dies noch sagen darf –: Icheiß, dass die Hamas ein gewaltbereiter Akteur ist. Lei-er herrscht in dieser Region immer Gewalt; nicht nurie Hamas hat Gewalt in diese Region getragen. Wirüssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Hamasei den letzten Wahlen eine politische Mehrheit gehabtat. Auch mit diesem Faktum müssen wir umgehen.Ich glaube, wir täten gut daran, zu versuchen, mit denonkreten Schritten, die Sie vorgeschlagen haben, Herrteinmeier, ein neues Verhältnis zu unterschiedlichenkteuren aufzubauen. Ich wünsche Ihnen auf jeden Falline gute Reise, und ich hoffe, Sie haben Erfolg.Ganz herzlichen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollegehilipp Mißfelder für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Bilder, die uns tagtäglich erreichen, schockieren uns
und tragen dazu bei, dass der Nahostkonflikt auch hier
auf der Tagesordnung steht und die Gemüter der Men-
schen in Deutschland sehr bewegt.
Ich glaube, dass in dieser Debatte sehr gut zum Aus-
druck gekommen ist, mit welchen Unterschieden die
einzelnen Fraktionen zu diesem Konflikt stehen. Ich be-
grüße – mit Ausnahme der Positionierung der Linkspar-
tei hier – alle Statements der Vorredner. Herr Dr. Gysi,
auch wenn Sie versucht haben, das in eine rhetorisch ge-
schickte Form zu kleiden – was keine seltene Eigen-
schaft von Ihnen ist –, muss ich wirklich sagen: Ich habe
von Ihnen heute deutlichere Worte zur Positionierung
der Linkspartei erwartet, auch was das Selbstverteidi-
gungsrecht Israels angeht. Ich habe mir schon ge-
wünscht, dass sich Ihre Partei abgrenzt und deutlich sagt,
wie sie zu den Demonstrationen in Deutschland steht, an
denen auch der eine oder andere von der Linkspartei teil-
nimmt. Ich hätte mir von Ihnen wesentlich härtere Aus-
sagen gewünscht.
Ursache und Wirkung dürfen bei diesem Krieg nicht
verwechselt werden; das hat die Bundeskanzlerin aus
meiner Sicht zu Recht gesagt. Wir erleben, dass die ein-
zige Demokratie im Nahen Osten, nämlich Israel, unter
Druck gerät und dass von der Hamas versucht wird, die
Zivilbevölkerung dauerhaft zu terrorisieren. Es ist von
Vorrednern schon gesagt worden: Es geht nicht nur um
die Gebiete, die jetzt beschossen werden; vielmehr
nimmt die Reichweite der Raketen teilweise zu. Es ist
das Ziel der Terroristen, ganz Israel unbewohnbar zu
machen. Das stimmt nicht mit unserer Staatsräson über-
ein. Wir bekennen uns ganz klar zum Existenzrecht Isra-
els und unterstützen dies; deshalb sind wir bereit, dort an
der Seite Israels Partei zu ergreifen.
Seit dem Abzug der israelischen Armee aus dem Ga-
zastreifen im Jahr 2005 haben Kämpfer der Hamas Israel
bis zum heutigen Tag mit Tausenden von Raketen be-
schossen. Allein im vergangenen Jahr sind 1 570 Raketen
und 1 500 Mörsergranaten abgefeuert worden. Dieser
Terror kann eine demokratische Gesellschaft beeinflus-
sen und in ihr selbst Erosionsprozesse lostreten. Genau
das ist das Ziel, das die Terroristen verfolgen. Teilweise
haben sie es auch erreicht: Heute stellt man fest, dass der
Entschluss, nach Israel zu ziehen, bei jungen Israelis, die
auch den Pass eines anderen Staates haben, gar nicht so
ausgeprägt ist. Vielmehr sagen viele: Ich bleibe lieber in
dem Land, in dem ich sicher bin. – Allein die Tatsache,
dass junge Leute heute ihrer eigenen Sicherheit zuliebe
nicht bereit sind, in Israel zu leben, ist für uns eine Ver-
pflichtung, uns für diesen Friedensprozess einzusetzen
und zu versuchen, ihn wieder auf den richtigen Weg zu
bringen.
Ich begrüße die Initiativen, die auf europäischer
Ebene ergriffen werden. Ich begrüße das, was unsere
Bundeskanzlerin mit dem französischen Staatspräsiden-
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Wir dürfen Ursache und Wirkung nicht verwechseln.
eshalb müssen wir immer auf die Geschichte der
amas blicken, die an vielen Stellen deutlich gemacht
at, wie sie sich politische Agitation vorstellt. In der
ründungscharta der Hamas – Herr Kollege Klose und
err Kollege von Klaeden haben sie bereits zitiert; ich
ill es auch tun – steht:
Friedensinitiativen und sogenannte Friedensideen
oder internationale Konferenzen widersprechen
dem Grundsatz der Islamischen Widerstandsbewe-
gung. ... Für das Palästina-Problem gibt es keine an-
dere Lösung als den Jihad.
olange das die Position der Hamas ist, gibt es keine
öglichkeit, in direkte Verhandlungen mit ihr zu treten.
nsere Fraktion ist der Meinung, dass ein Friedenspro-
ess in Gang zu bringen ist, aber dafür bestimmte Vo-
aussetzungen gegeben sein müssen. Die Voraussetzung
ann nicht sein, das politische Programm der Hamas zu
kzeptieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-rdnung.
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Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtIch berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf Mittwoch, den 21. Januar 2009, 13 Uhr,ein.Die Sitzung ist geschlossen.