Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ichbegrüße Sie alle herzlich und wünsche uns einen gutenTag und gute Beratungen.Wir treten sofort in unsere Tagesordnung ein.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und b sowieden Zusatzpunkt 8 auf:21 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten UweSchummer, Ilse Aigner, Michael Kretschmer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSU sowie der Abgeordneten WilliBrase, Nicolette Kressl, Jörg Tauss, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDJunge Menschen fördern – Ausbildungschaffen und Qualifizierung sichern– zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz
, Britta Haßelmann, Brigitte Pothmer,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENZdssdRedetPerspektiven schaffen – Angebot und Struk-tur der beruflichen Bildung verbessern– Drucksachen 16/5730, 16/5732, 16/7754 –Berichterstattung:Abgeordnete Uwe SchummerWilli BrasePatrick MeinhardtCornelia HirschPriska Hinz
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungAufstieg durch Bildung – Qualifizitiative der Bundesregierung– Drucksache 16/7750 –
Metadaten/Kopzeile:
14448 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Die Initiative „Haus der kleinen Forscher“ wird aus-gebaut. Bis 2010 sollen von dieser Initiative 10 000 Kin-dertagesstätten erreicht werden. Wer will, dass sich mehrJugendliche in Deutschland für Naturwissenschaften undTechnik entscheiden, muss früh ansetzen und dafür sor-gen, dass der Zugang zu Naturphänomenen und allem,was in dieser Phase möglich ist, offen ist.Bildungschancen stärken heißt Sorge dafür tragen,dass jeder einen Schulabschluss macht. Die Kultusmi-nisterkonferenz spricht von einer Halbierung der Zahlder Schulabbrecher. Wir haben bereits einen leichtenRückgang in den letzten Jahren erreicht. Nun ist einSchub notwendig. Dazu gibt es eine Reihe von Maßnah-men: flächendeckende Praxisklassen, Einrichtung vonAusbildungspaten, insgesamt 73 Projekte für rund 1 500sogenannte harte Schulverweigerer, stärkere Zusammen-arbeit, Erschließung des Potenzials überbetrieblicher Be-rufsbildungsstätten für die Arbeit in den Abgangsklassenvor allen Dingen an Hauptschulen. Ich finde, es ist einbildungspolitisch, gesellschaftspolitisch und jugendpoli-tlgsnAmdJitGvJndrndFwddab1nDdACfewrpbwuLdwhmzvz1Eb–
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14449
)
)
Metadaten/Kopzeile:
14450 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Olaf Scholz, Bundesminister für Arbeit und Sozia-es:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Bildung, Ausbildung und Qualifizierung sindchlüsselfragen im Hinblick auf die Chancen jedes Ein-elnen und die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft.eshalb ist die Qualifizierungsinitiative zu Recht einanz zentrales Vorhaben der Großen Koalition. Ich willier etwas zu den arbeitsmarktpolitischen Projekten die-er Initiative sagen. Dabei stehen die Ausbildungs- underufschancen junger Menschen natürlich im Mittel-unkt.Unsere Marktwirtschaft lebt davon, dass derjenige,er einen Beruf lernen will, das auch kann. Deshalb ists unsere zentrale Aufgabe, dass wir dieses Versprechenrfüllen.
ir müssen jungen Menschen helfen, denen eine feh-ende Ausbildung zum Stolperstein wird, obwohl sie mitller Macht eine Ausbildung wollen und sich intensivarum bemühen. Wir müssen auch diejenigen wieder aufas Gleis Richtung Arbeitswelt setzen, die einechlechte Schulbildung haben und denen der Wert derusbildung vielleicht erst vermittelt werden muss. Wirürfen uns nicht damit abfinden, dass es Jahr für Jahranze Hauptschulklassen gibt, deren Schüler allesamteine Lehrstelle finden. Wir sind schon daran gewöhnt,ass solche Hauptschulklassen am Ende der Ausbil-ungssaison in den Zeitungen abgebildet sind. Ichlaube, dass wir uns das nicht nur anschauen sollten;ielmehr muss es für uns ein Ansporn zum Handeln sein.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14451
)
)
Bundesminister Olaf ScholzWir dürfen uns nicht damit abfinden, dass viele Ju-gendliche beim ersten Kontakt mit dem Berufsleben nurAblehnung erfahren. Man muss sich auch die Reaktio-nen der jungen Leute vorstellen, wenn einige abstraktdavon reden, dass sie selbst nicht ausbildungsgeeignetseien. Alle brauchen eine Chance, wenn sie sich anstren-gen. Ich wiederhole: alle, auch schlechte Schüler undauch solche, die keinen Abschluss erreicht haben.
Wir wollen deshalb denen eine neue Perspektive ge-ben, die schon lange einen Ausbildungsplatz suchen.Wir werden die Berufswahlvorbereitung in den letztenJahren der Schule und den Übergang in Ausbildung bes-ser gestalten. Außerdem werden wir die Förderung undBegleitung während der Ausbildung verbessern. DenAnstoß dazu haben – Ehre, wem Ehre gebührt – im Som-mer die Koalitionsfraktionen gegeben.Klar: Betriebliche Berufsausbildung ist in allerersterLinie eine Aufgabe der Unternehmen. Sie müssen sichkümmern, übrigens schon aus wohlverstandenem Eigen-interesse. Denn indem Unternehmen jungen MenschenChancen eröffnen und die Fachkräfte von morgen aus-bilden, verbessern sie auch ihre eigenen Chancen im glo-balen Wettbewerb und die unserer ganzen Volkswirt-schaft.Es darf daher in erster Linie nicht darum gehen, obsich Ausbildung betriebswirtschaftlich rechnet. Das tutsie nicht immer. Trotzdem muss sie stattfinden.
Sie ist in jedem Falle volkswirtschaftlich der beste Weg,Fachkräftemangel zu vermeiden. Sie entscheidet mitdarüber, ob wir, als Nation, unsere volkswirtschaftlichenPotenziale nutzen können. Wer nicht ausbildet, soll überFachkräftemangel nicht klagen.
Die Politik hilft den Unternehmen dabei, ihre Verant-wortung wahrzunehmen. Wir haben gemeinsam mit denUnternehmensverbänden den Ausbildungspakt ins Le-ben gerufen, der jährlich 60 000 neue Ausbildungsplätzebringen soll.
Wir unterstützen jährlich 40 000 Plätze für betrieblicheEinstiegsqualifizierungen, aus denen zwei Drittel derTeilnehmer in einen betrieblichen Ausbildungsplatzwechseln – ein schöner Erfolg. Wir fördern Ausbildungund Qualifizierung mit den Mitteln der aktiven Arbeits-marktpolitik.Der Erfolg ist sichtbar. Der Ausbildungsmarkt ent-wickelt sich positiv. Die Zahl der neuen Ausbildungsver-träge stieg 2007 um 8,6 Prozent gegenüber 2006.625 900 Ausbildungsverträge wurden zum Stichtag30. September 2007 neu für das Ausbildungsjahr 2007/2008 abgeschlossen. Allein im Ausbildungspakt, vondlwWbAluntHiVDajmsca–esuwpAstAaiSieddiSfdszusJddve
Aber es gibt einen sehr großen Handlungsbedarf.ir brauchen noch mehr Ausbildungsplätze in Betrie-en, bei Freiberuflern und in Verwaltungen, um allenusbildungswilligen und -fähigen ein Angebot im dua-en System zu machen. Ganz besonders müssen wir unsm diejenigen kümmern, die seit längerem erfolglosach einem Ausbildungsplatz suchen.Vor acht Jahren suchten rund 40 Prozent der gemelde-en Bewerber seit längerem erfolglos eine Lehrstelle.eute sind es bereits über 52 Prozent. Diese Bugwellest bei den Berufsberatern beinahe schon sprichwörtlich.iele junge Menschen stecken in Ersatzmaßnahmen.iese sind, wie die Einstiegsqualifizierung, hilfreich,ber sie sind eben nur ein Ersatz und nicht das, was dieungen Menschen eigentlich anstreben.Ich will dazu ausdrücklich fragen: Was soll eigentlichit jungen Leuten geschehen, die die Schule abge-chlossen haben und nach einem Ausbildungsplatz su-hen? Es finden wichtige und gute Dinge für sie statt,ber nicht das, was sie eigentlich anstreben, nämlichum es mit einem klassischen Wort zu sagen – endlichine Lehre. Das müssen wir für unsere jungen Leute bes-er regeln.
Das Kernstück des Konzepts „Jugend – Ausbildungnd Arbeit“ ist deshalb ein Ausbildungsbonus, mit demir bis 2010 rund 100 000 zusätzliche Ausbildungs-lätze für Altbewerber schaffen wollen – gerade weil dieltbewerberproblematik so groß ist, wie ich sie eben be-chrieben habe. Darum haben wir auch großzügige Kri-erien ausgesucht. Der Ausbildungsbonus richtet sich anltbewerber, die maximal über einen Realschul-bschluss verfügen. Das Problem mit den Hauptschülernst bekannt; ich habe es schon beschrieben. Aber diechwierigkeit, eine Ausbildungsstelle zu finden, betrifftmmer mehr auch Realschüler. Wir haben uns bewusstntschieden, nicht zu sagen: Wir nehmen den Noten-urchschnitt: 3,5; wenn jemand schlechter ist, bekommtas Unternehmen eine Förderung, wenn jemand besserst, soll es sie nicht bekommen. Es würde auch absurdeituationen in den Abgangsklassen der Schulen schaf-en, wenn dann eventuell die Schüler mit ihren Lehrernarüber verhandeln, ob sie nicht doch einen etwaschlechteren Durchschnitt bekommen können.Darum haben wir beschlossen, die ganze Gruppe ein-ubeziehen und genügend andere Kriterien zu finden,m Missbrauch und Mitnahmeeffekte zu verhindern. Eroll sich an diejenigen richten, die bereits seit über zweiahren vergeblich auf der Suche nach einem Ausbil-ungsplatz sind, und natürlich an diejenigen, die indivi-uell benachteiligt sind – ein Kriterium, das die Arbeits-ermittlung schon lange kennt und das hier immer weiterine Rolle spielen muss.
Metadaten/Kopzeile:
14452 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Bundesminister Olaf ScholzWenn ein Arbeitgeber für einen jungen Menschen ausdieser Gruppe einen zusätzlichen Ausbildungsplatzschafft – dadurch ist die Mitnahme von Leistungen füretwas, das man sowieso geplant hat, weitgehend ausge-schlossen –, dann bekommt er dafür einen Bonus von4 000, 5 000 oder 6 000 Euro. Wir haben uns dabei ander Hälfte der Ausbildungsvergütung für ein Jahr orien-tiert. Es soll eine plakative Summe sein, damit der Auf-ruf an die Unternehmerinnen und Unternehmer in die-sem Land, zusätzliche Ausbildungsplätze für jungeLeute zu schaffen, die es schwer haben, einen Ausbil-dungsplatz zu finden, verstanden wird und damit er auchWirkung hat. Ich bin froh, dass das jetzt möglich gewor-den ist.
Wir unterstützen also diejenigen, die es in der Vergan-genheit besonders schwer hatten, einen Ausbildungs-platz zu finden.Aber der Ausbildungsbonus ist nicht das Einzige, waswir planen. Wir werden die Möglichkeiten der ausbil-dungsbegleitenden Hilfen, etwa die sozialpädagogischeUnterstützung, ausbauen. Wir wollen so Chancen fürlernbeeinträchtigte und benachteiligte Jugendliche aufeinen Berufsabschluss schaffen. Wir werden die erfolg-reichen Patenmodelle zum Anlass nehmen, den Einsatzvon Berufseinstiegsbegleitern besser und systematischerzu machen. So wollen wir erproben, wie leistungsschwä-chere Schüler beim Übergang in eine Ausbildung übereinen längeren Zeitraum individuell begleitet werdenkönnen. Beides – sozialpädagogische Begleitung undEinsatz von Paten – hilft einerseits den Betrieben, mitjungen Leuten klarzukommen, die etwas weniger gut aufden Betriebsalltag eingestellt sind, und andererseits denjungen Auszubildenden, sich in der nicht ganz demSchulalltag entsprechenden Realität des Arbeitslebenszurechtzufinden.
Das ist ein Stück Realität, das wir damit zur Kenntnisnehmen.Jenseits all der Diskussionen, die notwendig sind,versteht jeder von uns den Ausbilder, den Meister oderden Chef, der sagt: Ich würde ja gern, aber wenn ich mirall das anschaue, was ich da noch nebenbei machenmuss, komme ich zu dem Schluss, dass mich das über-fordert. – Diese Leute wollen wir unterstützen und ihnensagen: Traut euch! Wir helfen euch, damit das auchklappt. – Das ist ein gutes Bündnis, das Gesellschaft undBetriebe schließen können, um den jungen Leuten zuhelfen. Wir sollten diesen Versuch weiter ausbauen.
Meine Damen und Herren, wir wollen auch die Be-rufsberatung mit zusätzlichen Berufsberatern und Ver-mittlern weiter verstärken, weil wir es natürlich schaffenmüssen, dass die jungen Leute und die Ausbildungs-plätze zueinanderkommen.Letztlich geht es auch darum – meine KolleginSchavan hat darüber schon gesprochen –, die Ausbil-dchssWGHetgrBQdibsbddImdqmgrdbgAdjtsedva
Wenn Einsicht bis zu einem gewissen Grad da ist,uss man sich jetzt aber auf der anderen Seite überle-en, wie es um die Besserung bestellt ist. Eine Besse-ung ist nach wie vor nicht eingetreten. Das, was Sie iner Qualifizierungsinitiative zusammengeschrieben ha-en, stellt nichts weiter als ein mutloses Weiter-so dar,epaart mit minimalen Trippelschritten und zahlreichennkündigungen, denen, wie wir aus den Sonntagsredener Bundesregierung wissen, jegliche Grundlage undegliche Verbindlichkeit fehlen.
Die Linke sagt Nein zu so einer Qualifizierungsinitia-ive. Wir fordern eine Qualifizierungsinitiative, die die-en Namen auch wirklich verdient. Das würde zuerstinmal bedeuten, dass man die Qualifizierungsinitiative,ie Sie hier vorgelegt haben, in drei Bereichen auf eineollkommen andere Grundlage stellt.Auf eine andere Grundlage stellen heißt zum Ersten:uf eine andere finanzielle Grundlage. Frau Ministerin
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14453
)
)
Cornelia HirschSchavan, Sie haben in der Presse davon gesprochen, dassfür die Qualifizierungsinitiative in den nächsten drei Jah-ren 500 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Man ver-gleiche einmal diese 500 Millionen Euro mit den Gel-dern für andere bildungspolitische Programme wie zumBeispiel für das Ganztagsschulprogramm. Hierfür wur-den – selbst da sagen Expertinnen und Experten, dassdas noch zu wenig Geld ist – insgesamt 4 MilliardenEuro zur Verfügung gestellt. Auf diesem Weg ist es danngelungen, dass zumindest in Ansätzen ein bisschen et-was an den Schulen in Bewegung gekommen ist. Es istnun wirklich sehr interessant, wie Sie es schaffen wol-len, mit 500 Millionen Euro etwas Ähnliches – und dannauch noch bezogen auf das gesamte Bildungssystem – zuerreichen. Die Linke glaubt nicht, dass das klappen wird.
Wir haben andere Vorschläge vorgelegt. Wir forderneine grundsätzlich andere Steuerpolitik. Man könnte bei-spielsweise eine Börsenumsatzsteuer einführen. Auf die-sem Weg könnte es gelingen, eine nachhaltige, bessereBildung zu finanzieren.
– Der liegt schon seit Urzeiten vor, Herr Barth; den hät-ten Sie einmal lesen sollen, statt ihn, wie ich glaube, so-fort abzulehnen.
Auf eine andere Grundlage stellen heißt zum Zwei-ten: auf eine strukturell andere Grundlage. Frau Ministe-rin Schavan, wenn Sie in jedem Interview, das Sie ge-ben, das gegliederte Schulsystem lobpreisen, dann führtdas dazu, dass die Länder davon absehen, Schritte hin zueiner anderen Bildung einzuleiten. Eine andere Bildung,die Schluss macht mit einer Auslese, einer sozialen Se-lektion, und stattdessen auf individuelle Förderung setzt,dafür kämpft die Linke.
Auf eine andere Grundlage stellen heißt zum Dritten:auf eine politisch andere Grundlage. Ihr Ausgangspunktist, dass die Wirtschaft ruft, ihr fehlten gut ausgebildeteFachkräfte.
Die Linke sagt: Uns geht es um das Recht auf Bildung.Das ist ein großer Unterschied. Denn in Ihrer Logik kannes gut passieren, dass eine Absolventin das Pech hat, indem Jahr ihren Schulabschluss zu machen, in dem dieWirtschaft ebendiese Töne gerade einmal nicht von sichgibt. Dieser Absolventin wird von Ihnen dann gesagt: Estut uns leid; du wirst gerade nicht gebraucht. – Das kannnun wirklich nicht der Anspruch einer demokratischenGesellschaft sein. Deshalb fordert die Linke ein Rechtauf Bildung.
Wenn Sie die Qualifizierungsinitiative auf dieseWeise auf eine andere Grundlage gestellt hätten, dannhnikdmsVdlahfawwWzgcssrzblBAsRfzSdlevat
ie die Linke schon in mehreren Anträgen deutlich ge-acht hat. Zur frühkindlichen Bildung werde ich nichtprechen. Diesen Punkt wird nachher mein Kollegeolker Schneider aufgreifen.Erstens. Herr Minister Scholz, was soll dieser Ausbil-ungsbonus? Sie können doch nicht ernsthaft die jahre-ange Ausbildungsverweigerung der Unternehmen jetztuch noch mit weiteren Steuergeschenken belohnen. Sieaben vorhin gesagt: Wer nicht ausbildet, soll nicht überehlende Fachkräfte klagen. Das ist natürlich eine groß-rtige Ankündigung. Die Linke würde es besser finden,enn Sie wirklich Druck auf die Unternehmen ausübenürden. Die Linke sagt: Wer nicht ausbildet, soll zahlen.ir fordern eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage.
Zweitens. Frau Ministerin Schavan, Sie haben von so-ialer Durchlässigkeit gesprochen. Auch da könnten Sieanz konkrete Schritte gehen. Die Linke sagt: Wir brau-hen jetzt dringend ein bundesweites Hochschulzulas-ungsgesetz. Als wichtigster Punkt muss darin enthaltenein, dass Absolventinnen und Absolventen aus dem Be-eich der beruflichen Bildung das Recht auf Zulassungu Hochschulen haben. – Sie nicken. Es wäre aber nochesser, wenn ein entsprechender Antrag von Ihnen vor-iegen würde.
Drittens. Man kann nicht bei dieser unzureichendenAföG-Novelle stehen bleiben.
uch da brauchen wir weitere Schritte. Stichpunkteind: Ausbau des Schüler-BAföG und eine schrittweiseückführung des Darlehenszuschusses.Ich habe noch zwei weitere Punkte. Da meine Redezeitast zu Ende ist, nur kurz: Wir brauchen schon jetzt einenweiten Hochschulpakt, mit dem es wirklich gelingt, dietudienplatzkapazitäten auszubauen. Und Punkt 5: Manarf die Weiterbildung nicht mehr länger so stiefmütter-ich behandeln, wie Sie es tun, sondern man muss endlichin Bundesweiterbildungsgesetz auf den Weg bringen.
Das könnte dann ein bildungspolitischer Schub nachorne sein. Dafür kämpft die Linke; dafür werden wiruch weiter kämpfen. Ihre Qualifizierungsinitiative leis-et dazu leider nur herzlich wenig.Besten Dank.
Metadaten/Kopzeile:
14454 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Das Wort erhält nun der Kollege Kai Gehring für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Ministerin, es ist schon beeindruckend, mit wel-chem Engagement Sie sich für die Vermarktung Ihrer na-tionalen Qualifizierungsinitiative einsetzen.
Auf sämtlichen Kanälen wird da die Lösung fast allerProbleme verkauft: von Fachkräftemangel über Bil-dungsungerechtigkeit bis hin zur Jugendgewalt. Ich hättemich gefreut, wenn Sie sich mit dem gleichen Engage-ment um die Inhalte und um die Substanz Ihrer Initiativegekümmert hätten.
Wer sich Ihren Papierstapel einmal genauer ansieht,kommt schnell zu dem Ergebnis: Viel Lärm um herzlichwenig! Was Sie da zusammengetragen haben, ist einBauchladen an Modellversuchen, alten Pilotprojektenund Vorschlägen an die Adresse der Länder. Darunter istkaum eine strukturelle Reform. Das ist keine Brücke aufdem Weg zur Beseitigung des Fachkräftemangels. Einroter Faden fehlt völlig, ein grüner sowieso.
Dabei wäre eine wirksame Initiative für bessere Bil-dung und gerechtere Teilhabe nötiger denn je. Schließ-lich haben viel zu wenig junge Menschen Zugang zu gu-ter Bildung. Wir haben viel zu viele Schulabbrecher, zuviele Jugendliche in Warteschleifen und zu wenig Stu-dierende, sodass uns in Zukunft Hunderttausende Fach-kräfte fehlen. Dazu haben Sie mit Ihrer zögerlichen Poli-tik beigetragen.Aber schauen wir uns Ihr Ankündigungspotpourri imEinzelnen an. Sie haben vorhin beim Punkt frühkindli-che Bildung angekündigt, 80 000 Erzieherinnen und Er-zieher fortbilden zu wollen. Das ist wichtig; das klingtgut. Welche Maßnahmen stehen aber dahinter? Dahintersteht ein Internetportal, das Sie aufbauen wollen. Daswar’s. Das ist keine Qualifizierungsinitiative; das hatschon fast den Charakter einer Täuschungsinitiative.
Mit einer Qualifizierungsinitiative, die diesen Namenauch verdient, müssen Sie dafür sorgen, dass diejenigen,die sich professionell um unsere kleinsten Kinder küm-mern, endlich auf Hochschulniveau qualifiziert werden.Dazu ist von Ihnen aber nichts zu hören.Auch beim Hochschulzugang für beruflich Qualifi-zierte formulieren Sie nur halbherzige Ziele und wir-kungsarme Maßnahmen. Wir müssen den Weg zumCampus von Hindernissen befreien, gerade auch fürMenschen ohne Abitur. Was steht in Ihrem Papier? Siewollen gerade einmal 1 000 Erwachsenen mit einem be-ruflichen Ausbildungsabschluss ein Aufstiegsstipendiumzahlen.DdmvdmSlcsdudrKaDbDHmszdsHndpmwpmdeHejkJfaAAf
as ist viel zu kurz gedacht und zu wenig gemacht. Weren Aufstieg durch Bildung wirklich ermöglichen will,uss die Hochschulen endlich strukturell für möglichstiele öffnen, auch für diejenigen, die nur einen Ausbil-ungsabschluss erworben haben.
Strukturell öffnen heißt, dass man ein paar Dingeehr machen muss. Wir Grüne fordern das Ende dertudiengebühren, weil sie Studienberechtigte und natür-ich auch beruflich Qualifizierte vom Studium abschre-ken. Wir wollen das Meister-BAföG zu einem Erwach-enen-BAföG weiterentwickeln, das den zweiten undritten Bildungsweg wirklich öffnet. Wir brauchen klarend bundeseinheitlich geregelte Zugangswege zum Stu-ium ohne Abitur.
Eine Übersicht über die verschiedenen Studienvo-aussetzungen in den einzelnen Bundesländern – liebeolleginnen und Kollegen, schauen Sie sich das einmaln – umfasst derzeit mehr als 40 dichtgedruckte Seiten.as ist noch weniger Substanz auf noch mehr Seiten alsei Ihrer Qualifizierungsinitiative. Das ist aber vor alleningen eine Entmutigung für Bildungswillige, die an dieochschule kommen wollen. Anstatt das Hochschulrah-engesetz abzuschaffen, was Sie im Kabinett beschlos-en haben, und den deutschen Hochschulraum weiter zuerfleddern, sollten Sie zusammen mit den Ländern bun-eseinheitliche und attraktive Zugangswege in die Hör-äle ebnen. Das ist dringend erforderlich.
Sie wollen auch den Übergang von der Schule in dieochschule erleichtern. Das ist schön. Es ist noch schö-er, dass Sie nach anderthalb Jahren endlich unsere For-erung, eine Servicestelle für eine effiziente Studien-latzvergabe einzurichten, aufgreifen. Aber auch dieodernste Servicestelle kann letztlich nur Mangelver-altung sein, wenn in diesem Land massenhaft Studien-lätze fehlen. Eine wirksame Qualifizierungsinitiativeuss in allererster Linie mehr Geld in zusätzliche Stu-ienplätze investieren. Ihr „Hochschulpäktchen“ ist nurin erster Schritt. Wir wissen doch alle, dass dieserochschulpakt völlig unterfinanziert ist. Nehmen Siendlich mehr Geld in die Hand, sonst stehen noch mehrunge Menschen vor verschlossenen Hörsaaltüren oderommen nicht auf den Campus.
Natürlich haben Sie auch das freiwillige technischeahr in Ihr Sammelsurium aufgenommen. Zur Bekämp-ung des Fachkräftemangels trägt ein solches staatlichlimentiertes Langzeitpraktikum überhaupt nicht bei.
nstatt für weitere Warteschleifen zwischen Schule undusbildung 4 Millionen Euro zu verschwenden und da-ür das Markenzeichen des Freiwilligenjahres zu miss-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14455
)
)
Kai Gehringbrauchen, sollten Sie sich endlich wirksam gegen pre-käre und unfaire Praktika einsetzen. Auch diesbezüglichwarten wir seit zweieinhalb Jahren auf Initiativen vonIhnen.
Ganz am Ende Ihrer Vorlage zu einer Qualifizierungs-initiative findet man eine alte Bekannte aus dem BereichWeiterbildung: die Weiterbildungsprämie. Sie wird seitzweieinhalb Jahren von Ihnen angekündigt. Wir wartennoch immer auf eine Gesetzesinitiative. Wie sieht es mitder Umsetzung aus? Nach wie vor Fehlanzeige! Sie soll-ten endlich einmal in die Pötte kommen, Frau Schavan.
Wenn ich mir die Liste Ihrer unerfüllten Wünsche andie Länder anschaue, kann ich nur festhalten: Der Bundhat sich mit der schwarz-roten Föderalismusreform vielzu sehr aus der Bildungspolitik verabschiedet. Das warein großer Fehler. Wir werden die Ganztagsschulenkünftig nicht mehr fördern können. Die Förderung wirdauslaufen. Mit dem Ausbau ist es dann wahrscheinlichvorbei, wenn die Länder es nicht aufgreifen und forcie-ren.Frau Ministerin, Sie müssen beweisen, dass Sie nichtnur Chefin des größten Ankündigungsressorts sind. Siemüssen endlich einmal Taten folgen lassen und konkretzur Umsetzung kommen.
Das Wort erhält nun die Kollegin Ilse Aigner, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir debattieren heute über die Qualifizie-rungsinitiative unserer Bundesregierung, erstellt unterder Federführung unserer Ministerin Schavan zusammenmit den Ministern Scholz und Glos. Sie ist ein wichtigerBaustein für die Qualifizierung unserer jungen Men-schen, für die Zukunft, für die Weiterbildung in unseremLand und für die frühkindliche Bildung. Diese breite Pa-lette wurde von der Bundesregierung auf den Weg ge-bracht. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön!
Ein wichtiger Baustein der Qualifizierungsinitiativebasiert auf unserem gemeinsam entwickelten Antrag„Junge Menschen fördern – Ausbildung schaffen undQualifizierung sichern“. Hier geht es im Wesentlichenum die berufliche Qualifizierung. Das duale Ausbil-dungssystem ist eine der tragenden Säulen unseres Bil-dezLeEdsCAmhSwtlgSFwpbrmDshdAdSnAcDüSbmfalP
Für uns – natürlich auch für die jungen Menschenelbst – ist es wichtig, dass jeder junge Mensch einehance auf Ausbildung hat. Dazu muss einerseits dasngebot an Ausbildungsplätzen stimmen. Andererseitsüssen die Auszubildenden die Möglichkeit und die Fä-igkeit haben, eine Berufsausbildung aufzunehmen.Es wurde schon angesprochen: Natürlich liegt diechulausbildung in der Kompetenz der Länder. Deshalbird es im Herbst gemeinsam mit den Ländern eine Ini-iative geben, durch die die Schulabbrecherquote deut-ich gesenkt bzw. halbiert werden soll. Auch daseschieht unter der Federführung unserer Ministerinchavan.
Es wurde hier schon viel gesagt; alle möglichen altenorderungen wurden aufgewärmt. Ich will auf eines hin-eisen: Es gab vor zwei Jahren 550 000 Ausbildungs-lätze. Im aktuellen Ausbildungsjahr gibt es 626 000 Aus-ildungsplätze. Das ist ein Plus von 14 Prozent und eineiesige Leistung der Unternehmerinnen und Unterneh-er.
as zeigt, dass die wirtschaftliche Entwicklung die Ba-is für die Schaffung neuer Ausbildungsplätze ist. Des-alb sage ich ein herzliches Dankeschön an unsere Bun-eskanzlerin. Unter ihrer Führung ist ein wirtschaftlicherufschwung entstanden, der sich direkt auf den Ausbil-ungsstellenmarkt auswirkt. Ein herzliches Dankeschön!
Trotzdem ist durch die schlechte wirtschaftlicheituation zu Beginn dieses Jahrzehnts leider eine – es isticht anders zu beschreiben – Bugwelle an sogenanntenltbewerbern entstanden; dies wurde schon angespro-hen.
ie Zahl der Altbewerber lag im Jahr 2006 schon beiber der Hälfte aller Bewerber, die in diesem Jahr diechule beendet hatten, und ist letztendlich so hoch ge-lieben. Deshalb müssen wir eines der Hauptaugen-erke auf die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätzeür diejenigen richten, die schon länger als zwei Jahreuf einen Ausbildungsplatz warten und sonstige Vermitt-ungshindernisse aufweisen. Dies ist ein ganz wichtigerunkt.
Metadaten/Kopzeile:
14456 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Ilse AignerIch möchte dem Kollegen Uwe Schummer ganz herz-lich dafür danken, dass er bereits 2003 auf diesen Punkthingewiesen hat. Ich zitiere aus dem entsprechendenProtokoll:Es wäre sinnvoller, diese Gelder in eine direkte Un-terstützung von Ausbildungsbetrieben umzulenken.Lieber Uwe Schummer, ich glaube, das war schon 2003wegweisend.Wir haben dies jetzt in der Qualifizierungsinitiativeumgesetzt. Bis zum Jahr 2010 sollen 100 000 neue Aus-bildungsplätze für diese Jugendlichen geschaffen wer-den. Der Hintergrund des Ganzen ist: Es ist für einenAusbilder deutlich schwieriger, jemanden mit Ausbil-dungshemmnissen auszubilden. Er braucht ausbildungs-begleitende Hilfen; diese sind vorgesehen. Er bekommtauch in finanzieller Hinsicht eine Entlastung, um zusätz-liche Ausbildungsplätze zu schaffen. Wir glauben, dassdas Geld hier besser eingesetzt ist, als wenn die Betrof-fenen an einer Maßnahme nach der anderen teilnehmen;denn diese haben sie alle schon durchlaufen. Deshalb istdieses Vorhaben ein Kernstück der Qualifizierungsinitia-tive. Ich bedanke mich ganz herzlich, dass diese Rege-lung umgesetzt wird.
Eine weitere wichtige Maßnahme, die übrigens schoneine Rolle spielt – auch das muss man hervorheben –, istdie Einstiegsqualifizierung. Wir haben dieses Pro-gramm mittlerweile auf 40 000 Plätze aufgestockt. Auchhier zeigt sich: Von den jungen Menschen, die in die Be-triebe kommen und ihre Fähigkeiten dort zeigen können– vielleicht ist es für sie auch wichtig, dass sie von derSchulbank wegkommen –, erhalten sehr viele, nämlich60 bis 70 Prozent, anschließend eine Ausbildungsstelle.Diese hervorragende Maßnahme hat großen Erfolg.Auch das kann man, wie ich glaube, nicht oft genug sa-gen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Wirtschaftbraucht künftig noch mehr qualifiziertes Fachpersonal.Deshalb ist eine Ausbildung eine gute Investition in dieZukunft. Hierbei geht es um die Zukunftsfähigkeit unse-rer Wirtschaft. Wir werden in der nächsten Zeit wahr-scheinlich einen Fachkräftemangel zu verzeichnen ha-ben. Deshalb dürfen wir niemanden abschreiben,sondern müssen uns um jeden kümmern. Das hat sichdie Koalition zum Ziel gesetzt.
Das Wort hat nun der Kollege Patrick Meinhardt,
FDP-Fraktion.
K
n
s
d
b
t
w
i
w
d
t
d
w
v
1
w
m
d
u
l
d
z
m
e
r
c
D
A
d
d
A
s
b
e
d
D
d
ü
V
r
l
d
ondern wir beraten auch den besonders guten Antrager FDP-Fraktion mit dem Titel „Mehr Chancen durchessere Bildung und Qualifizierung“.
Dieser Antrag basiert auf einem gemeinsamen Posi-ionspapier des Zentralverbandes des Deutschen Hand-erks und der FDP-Bundestagsfraktion. Ich glaube, esst gut und richtig, dass man, wenn es um die Frage geht,ie eine gute Ausbildung und eine gute berufliche Bil-ung in Deutschland funktionieren, dorthin schaut, woatsächlich Erfolge zu verzeichnen sind. Immerhin hater Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland, ob-ohl das Handwerk in zwei Jahren 10 000 Arbeitsplätzeerloren hat, bei der Ausbildung einen Aufwuchs von0 Prozent hinbekommen. Das zeigt uns, wie verant-ortliche Ausbildungspolitik aussehen kann. Dafüruss man dem Mittelstand in Deutschland dankbar sein.
In unserem Positionspapier haben wir vor allem aufrei Bereiche abgehoben:Der erste Bereich, den ich ansprechen möchte, ist ausnserer Sicht in dem Konzept der Bundesregierung völ-ig unzureichend dargestellt. Wir haben kein Problemamit, die Begriffe „Elite“ und „Leistung“ in den Mundu nehmen. Wir brauchen leistungsfördernde Maßnah-en, und wir brauchen auch bei der beruflichen Bildungine Hochbegabtenförderung. Warum ruft die Bundes-egierung eigentlich keine Exzellenzinitiative „berufli-he Bildung“ ins Leben? Dies ist in der Bundesrepublikeutschland überfällig.
Zum Zweiten ist es enorm wichtig, dass wir bei denusbildungsberufen flexibel vorgehen, verstärkt in Mo-ulen denken und mehr zwei- und dreijährige Ausbil-ungsgänge anbieten. Durch die Flexibilisierung derusbildung können wir dafür sorgen, dass jungen Men-chen Alternativen, die sie im Augenblick noch nicht ha-en, angeboten werden und dass ihnen der Einstieg inine Ausbildung ermöglicht wird. Das brauchen wir iner Bundesrepublik Deutschland.Wenn wir das umsetzen wollen, dann muss es zumritten zu einer Stärkung der überbetrieblichen Ausbil-ung kommen. Hier verstehe ich die Bundesregierungberhaupt nicht. Bei den Mitteln für die Förderung dererbundausbildung hatten wir in den letzten sieben Jah-en eine Reduzierung von 69 Millionen Euro auf 29 Mil-ionen Euro zu verzeichnen. Gleichzeitig wissen wir,ass 88 Prozent der Betriebe in der Bundesrepublik
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14457
)
)
Patrick MeinhardtDeutschland, die ein bis neun Beschäftigte haben, imMoment nicht ausbilden, weil sie häufig keinen vollenAusbildungsplatz zur Verfügung stellen können. Wirmüssen in die Förderung der Verbundausbildung inves-tieren, um kleinen und Kleinstbetrieben die Möglichkeitzu geben, jungen Menschen aufgrund ihrer mittelständi-schen Erfahrung eine Perspektive zu eröffnen.
Die sogenannte Nationale Qualifizierungsinitiative,Herr Kollege Tauss, soll drei Schwerpunkte haben: Alt-bewerber, Weiterbildung, Schulabbrecherquote. FrauMinisterin, ich frage mich: Wo ist Ihr Konzept bei derSchulabbrecherquote? Ich erwarte von der Bundesregie-rung, dass sie mehr tut, als zu verhandeln, bis amSchluss irgendetwas herauskommt. Das Papier der Kul-tusministerkonferenz ist, mit Verlaub gesagt, wieder ein-mal reine Makulatur, reiner Prosatext. Die Bildungspoli-tiker verwundert es nicht, dass so etwas bei der KMKherauskommt; denn wer 60 Jahre für die Festlegung vonBildungsstandards beim Abitur braucht, der ist nicht aufder Höhe der Zeit. Solch einen trägen Bürokratiemolochkann sich die Bundesrepublik Deutschland schon langenicht mehr leisten.
Er sollte schnell durch eine flotte, schlanke Bildungs-konferenz ersetzt werden.
Zur Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzie-her. Die 80 000 Erzieherinnen und Erzieher sollen imRahmen einer Weiterbildungsoffensive die Möglichkeitbekommen, ihre berufliche Fortbildung zu intensivieren.Grundsätzlich ist das ein guter Ansatz. Ich habe mir ein-mal die Mühe gemacht, das mit Ihrer Weiterbildungsini-tiative zu vergleichen, für die für das Jahr 2008 geradeeinmal 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wer-den. Jetzt machen wir eine ganz einfache Rechnung:Wenn in diesem Zusammenhang für die Zahlung einerWeiterbildungsprämie für alle Betroffenen in der Bun-desrepublik Deutschland nur 15 Millionen Euro zur Ver-fügung stehen,
dann kommt, Herr Kollege Tauss, unter dem Strich he-raus, dass diese Mittel nur für die Erzieherinnen und Er-zieher reichen würden; dann könnte niemand anders vonder Weiterbildungsinitiative profitieren. Einen Antragder Bundesregierung, diese Mittel zu erhöhen, gibt esnicht. Doch ohne eine Erhöhung der Mittel ist die Wei-terbildungsinitiative Makulatur.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist dergroße Bereich der Altbewerber. Als Erstes möchte ichsagen: Wir von der FDP sind froh, dass es keinen grund-sätzlichen, mittelstandsfeindlichen, bürokratiefördern-den Ausbildungsbonus geben wird.DAS–DpbSvDSduvcbgwloTtWtFgAgwkgui
Das Wort erhält nun der Kollege Willi Brase, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-en! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin Frauigner dankbar, dass Sie auf den Schummer-Ansatz hin-ewiesen hat, der jetzt als Scholz-Bonus dafür sorgenird, dass 100 000 junge Leute in Deutschland eine Zu-unftsperspektive bekommen. Ich glaube, das ist eineute Sache.
Wir von der Koalition wollen vor dem Hintergrundnseres gemeinsamen Antrages mit der Qualifizierungs-nitiative Ausbildung organisieren. Wir wissen, dass wir
Metadaten/Kopzeile:
14458 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Willi Brasetrotz guter Zahlen – über 60 000 zusätzliche Ausbil-dungsplätze – noch weitere brauchen. Wenn das Jahr2007 komplett abgerechnet wird, wird sich herausstel-len, dass noch mehr Ausbildungsplätze geschaffen wur-den. Wir werden dem drohenden Facharbeitermangel be-gegnen und die Jugendarbeitslosigkeit weiter abbauen.Nicht umsonst wurde der Quali-Kombi mit aufgenom-men, der mit dafür sorgt, dass junge Leute unter25 Jahren, die arbeitslos sind, eine vernünftige Perspek-tive in unserem Lande erhalten.
Wir sollten nicht vergessen: Die Bundesregierung hatauch Vorschläge der Fachleute aufgegriffen. Im Haupt-ausschuss des Berufsbildungsinstituts ist die Forderung,zukünftig vor allen Dingen auch bei der Übergangs- undNachqualifizierung wesentlich stärker auf die betriebli-che Ausbildung und Qualifizierung zu setzen, deutlichdiskutiert und ihre Umsetzung empfohlen worden, weildies besser und der richtige Weg ist sowie den jungenLeuten eine vernünftige Perspektive gibt. Ich glaube,eine solche Umsetzung ist richtig. Das müssen wir ma-chen.
Wir als SPD-Fraktion sagen: Der Ausbildungsbonusist auch ein Angebot an die Unternehmen, also die Ar-beitgeber, sich ein Stück weit ihrer Verantwortung zustellen. Dieser Bonus wird durch ausbildungsbegleitendeund sozialpädagogische Hilfen unterstützt und begleitet.
Wenn die Unternehmen dieses Angebot in den nächs-ten drei Jahren nicht ausreichend wahrnehmen, dannmüssen sie sich darauf einstellen, dass die Debatte überdie berufliche Bildung in eine andere Richtung geht,nämlich in Richtung einer schulischen Ausbildung. Da-für sind dann aber nicht die Jugendlichen verantwortlich,sondern die Unternehmen, die keine Ausbildungsplätze– auch nicht, wenn sie mit staatlichem Geld unterstütztwerden – zur Verfügung stellen.
Bildung und Qualifizierung sind für die Zukunft un-seres Landes notwendig. Ich vermisse bei der Debatte et-was, was wir bei der Diskussion über PISA schon mehr-fach erwähnt haben. Ich will hier die SüddeutscheZeitung vom 3. Januar dieses Jahres zitieren – es gingum eine Studie über Bildungschancen –:Die Aussicht eines Arbeiterkindes, einen Hoch-schulabschluss zu erreichen, sei um das Zwölffacheschlechter als die eines Akademikerkindes. Um dieChancen benachteiligter Kinder zu verbessern,empfiehlt der Forscher eine gezielte Frühförderungsowie Ganztagsschulen.Ich will gar nicht auf das Letzte, sondern auf das Ersteeingehen. Ich erinnere mich an meine Kinderzeit. Da-mals war es häufig so: Wer einen bestimmten sozialenHindergrund, als Kind von Arbeitern, hatte, der ging–dSnPnWcmeRrfmWitinabQdgwÜgdnwsubGWnrzPiw2udstAs
Es wird Aufgabe dieser Koalition sein, auf diesemeg voranzugehen, um notwendige und bessere Chan-en für Kinder – egal vor welchem Hintergrund – zu er-öglichen.Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der auf deruropäischen Ebene und auch in der Debatte hier eineolle spielt. Wir werden den deutschen Qualifizierungs-ahmen entwickeln. Für die SPD will ich hier deutlichesthalten: Wir werden das nicht unterstützen, wenn da-it darauf abgezielt wird, das duale Prinzip – die imesentlichen drei- und dreieinhalbjährige Ausbildung –n ein- und halbjährige zertifizierte Module zu zersplit-ern, wie es manche von der BDA gefordert haben. Dannst das Berufsprinzip tot. Ich kann jeden nur davor war-en, dieses hohe Gut aufs Spiel zu setzen. Wir brauchenuch zukünftig das duale Prinzip in der beruflichen Aus-ildung.
Ein weiterer Punkt, der uns wichtig ist und der in derualifizierungsinitiative eine Rolle spielt, wird durchas Stichwort „Weniger ist mehr“ beschrieben. Ichlaube, es macht Sinn, sich endlich zu überlegen, wieir die Vielfalt der Programme vor allen Dingen imbergangsbereich ein Stück weit bündeln können. Esibt gute Beispiele vor Ort in den Regionen unseres Lan-es. Lassen Sie uns diese aufgreifen! Wir brauchen nichtoch fünf, sechs oder sieben Sonderprogramme, sondernir müssen sie, wie wir das im Koalitionsantrag be-chrieben haben, gemeinsam mit den Ländern bündeln,nd wir müssen die wesentlichen Standards festschrei-en, damit die Effektivität größer wird und wir mehreld für mehr Plätze haben. Das hilft den jungen Leuten.eniger ist mehr – das ist der richtige Weg.
Ein letzter Punkt. Das duale Ausbildungssystem in sei-er Gesamtheit muss sich in den nächsten Jahren bewäh-en. Die Ausbildungsbeteiligung der Unternehmen liegtwischen 24 und 25 Prozent. Ich glaube, es ist genügendotenzial vorhanden. Alle Untersuchungen des Bundes-nstituts für Berufsbildung belegen: Sowohl in den altenie auch in den neuen Ländern gibt es einen Bereich von5 bis 28 Prozent der Unternehmen, die fachlich, sachlichnd finanziell in der Lage sind, auszubilden. Es kommt inen Regionen vor Ort darauf an – Ausbildungsmärkteind regionale Märkte –, dafür zu sorgen, dass diese Un-ernehmen stärker ausbilden. Wir können sie mit demusbildungsbonus für die vom Arbeitsminister schon be-chriebenen Personen wunderbar unterstützen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14459
)
)
Willi BraseIch sage: Nutzen Sie diese Möglichkeiten! Das ist dasBeste für die berufliche Bildung.Vielen Dank.
Ich erteile dem Kollegen Volker Schneider, Fraktion
Die Linke, das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Die Qualifizierungsinitiative ist ausweislich derUnterrichtung der Bundesregierung auch eine Antwortauf den drohenden Fachkräftemangel. Mir persönlich istbereits seit mindestens zehn Jahren bekannt, dass be-dingt durch die Demografie im zweiten Jahrzehnt diesesJahrhunderts der Bedarf an Fachkräften in Deutschlandstark ansteigen wird.In der uns vorliegenden Unterrichtung wird dieserTrend wie folgt präzisiert:Bis zum Jahr 2013 werden 330 000 Akademikerin-nen und Akademiker im Bereich der gewerblichenWirtschaft – davon 70 000 Naturwissenschaftlerin-nen und Naturwissenschaftler sowie 85 000 Ingenieu-rinnen und Ingenieure – in den Ruhestand gehen. Inden nächsten Jahren werden in den Naturwissen-schaften nach Prognosen mindestens 30 Prozent je-des Absolventenjahrgangs fehlen.Ähnliche Entwicklungen sind im Übrigen auch aufder Ebene der Meister, der Techniker und bei einer Reihevon Facharbeitern zu erwarten.Wie bereits gesagt, ist dies alles lange bekannt unddaher alles andere als neu. Insoweit ist es mehr als er-staunlich, wie die Wirtschaft sehenden Auges und ohnefrühzeitig vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen aufdiesen Fachkräftemangel zugesteuert ist.
Wer sich nur noch am kurzfristigen Erfolg orientiert, wernur von Quartalsbericht zu Quartalsbericht denkt, fürden ist die Qualifikation von Mitarbeitern nur ein Kos-tenfaktor, der den Gewinn schmälert. Wer so kurzfristigdenkt, ist zu einer langfristigen und nachhaltigen Ent-wicklung von Unternehmen wahrlich nicht in der Lage.Das ist kein Qualitätsbeweis für einen zu großen Anteilder Führungskräfte in unserer Wirtschaft.Nun soll die Politik es wieder richten. Es ist erstaun-lich, was hier nun alles kurzfristig in Bewegung versetztwerden soll. Jetzt entdecken Sie, worauf wir als Linkegebetsmühlenartig hingewiesen haben – nämlich, dassunser Bildungssystem in hohem Maße sozial selektivwirkt und dass dies nicht nur eine Beeinträchtigung desRechts auf Bildung bedeutet, das sich für uns aus demRecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung ergibt, sondernauch eine nicht mehr nachvollziehbare Vergeudung vonRessourcen.atvrsPDgnBSShFZrsnSckbaAzwsWMt
Metadaten/Kopzeile:
14460 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Das Papier zur Qualifizierungsinitiative ist nicht dasschlechteste; es ist immerhin ein Einstieg in die Diskus-sion. Jetzt müssten Sie sich noch in den weiteren Bera-tungen bewegen. Optimistisch bin ich in diesem Punktnicht; meine Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigenleider etwas anderes.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Brigitte Pothmer,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichmöchte noch etwas zu dem Ausbildungsbonus sagen.Die Bundesregierung verspricht, in den nächsten dreiJahren 100 000 zusätzliche Ausbildungsplätze für Altbe-werber zu schaffen. Erreicht werden soll das, indem sol-che Ausbildungsplätze mit 4 000 bis 6 000 Euro geför-dert werden.Ich zitiere einmal, was die Bundesvereinigung derDeutschen Arbeitgeberverbände zu diesem Programmsagt: Dieser Ausbildungsbonus „schadet“ durch „Fehl-anreize und Mitnahmeeffekte“ der Ausbildung. –Schlechter kann ein Urteil des Nutznießers von ver-meintlichen Wohltaten einer Regierung wohl nicht aus-fallen.
– Herr Tauss, ich will das ein bisschen ausführen.KwpswBwsesiIubhGgidpAusbnsVjpsDnlaw–kEdde
Herr Tauss, wenn Sie das wollten, dann brauchten Sieeinen neuen Ausbildungsbonus.
rstens gibt es bereits eine ganze Reihe von ausbil-ungsunterstützenden Maßnahmen in den Ländern, dieurch Ihr Programm überflüssig würden. Auch das istine Form von Mitnahmeeffekten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14461
)
)
Brigitte PothmerZweitens gab es bisher die Möglichkeit, unter dem Ti-tel „Sonstige Maßnahmen“ im Rahmen des SGB II Aus-bildungsplätze zu fördern. Aber die rigide Auslegungdes Bundesarbeitsministeriums hat dazu geführt, dassdiese gezielten Maßnahmen nicht mehr möglich sind.Sie streichen diese sehr gezielten, konzentrierten Unter-stützungsmaßnahmen. Aber gleichzeitig schaffen Sie einProgramm, mit dem Sie im Grunde das Geld mit derGießkanne ausschütten, statt es für gezielte Förderungeinzusetzen. Das müssen Sie den Menschen erst einmalerklären.Lassen Sie mich den Unterschied deutlich machen. DerUnterschied besteht darin, dass die gezielten einzelfall-bezogenen Bonuszahlungen tatsächlich den benachtei-ligten Jugendlichen geholfen haben. Der breit angelegteAusbildungsbonus dagegen hilft der Bundesregierung.Das lässt sich zwar besser verkaufen. Aber das kanndoch nicht Sinn der Sache sein.
Alle Erfahrungen zeigen, dass ein Betrieb nur danneinen Auszubildenden oder eine Auszubildende einstellt,wenn er diese Person für geeignet hält. Sie glauben dochnicht allen Ernstes, dass eine Person, die ein Betrieb fürungeeignet hält, eingestellt wird, nur weil er eine Ein-malzahlung von 4 000 oder 6 000 Euro bekommt. Erstellt eine Person nur dann ein, wenn er sie für geeignethält, und dann nimmt er das Geld auch mit. Solche Mit-nahmeeffekte können wir nicht wollen.Insofern ist es nicht richtig, bei den Betrieben anzu-setzen, wenn Sie etwas für die Benachteiligten tun wol-len. Dann müssen Sie vielmehr bei den Benachteiligtenselber ansetzen und die ausbildungsbegleitenden Hilfendeutlich verbessern. Aber dazu finden sich in Ihrem Pro-gramm leider nur sehr vage Aussagen.
Frau Kollegin Pothmer, Sie müssen leider zum Ende
kommen.
Ich komme gleich zum Schluss.
Sofort.
Dann müssen Sie vor allen Dingen das Ausbildungs-
management für die kleineren Betriebe verbessern. Ge-
rade denen, die nicht viel Erfahrung mit Ausbildung ha-
ben, müssen Sie bei den bürokratischen Hürden helfen.
Mit diesem Programm werden Sie nicht in der Lage
sein, den Berg der Altbewerber abzubauen. Wenn Sie so
weitermachen, dann wird dieser Berg zu einer Wander-
düne. Dann können Sie Ihr Versprechen als Gipfelkreuz
obendrauf nageln.
Ich danke Ihnen.
C
l
t
n
z
E
S
b
s
e
d
F
A
d
S
H
n
H
h
–
e
g
D
o
A
d
g
s
i
a
w
d
j
i
r
d
s
w
H
w
h
n
e
Was wir mit dieser Qualifizierungsinitiative umset-en, ist in der Tat ein breit angelegtes Programm voninzelmaßnahmen für Menschen, die diesbezüglichchwierigkeiten haben, nämlich die knapp 400 000 Alt-ewerber. Das Programm ist mit denen abgestimmt, dieeit langem in diesem Bereich arbeiten. Deswegen wirds auch tatsächlich Wirkung zeigen.Es ist nicht nur das Recht, sondern auch die Aufgabeer Opposition, etwas zuzuspitzen und auf vermeintlicheehler hinzuweisen.
ber man sollte dabei so vorgehen, Herr Kollege Barth,ass diejenigen, die uns Sorgen machen, weil siechwierigkeiten und Probleme haben, und denen wirilfsangebote machen – die sie auch annehmen wollen –,icht den Mut verlieren und die Kraft finden, dieseilfsangebote anzunehmen. Aber die Art und Weise, wieier und an anderer Stelle die Diskussion geführt wirdauch von der FDP –, ist in vielen Fällen nicht dazu ge-ignet, sondern nimmt den Menschen den Mut.
Ziel unserer Politik muss sein, solche Rahmenbedin-ungen zu schaffen, dass tatsächlich jeder Jugendliche ineutschland einen Ausbildungsplatz, einen Studienplatzder zumindest die Möglichkeit einer weiterführendenusbildung bekommt. Unsere Möglichkeiten im Bun-estag dazu sind vielfältig. Wir haben zuerst die Auf-abe, das wirtschaftliche Umfeld zu organisieren. Wirehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ausbildungst eine Investition in die Zukunft der Jugendlichen, aberuch der Unternehmen. Jetzt, wo die Zeiten besser sind,o die Wirtschaft wieder wächst, steigt auch die Zahler Ausbildungsplätze, und zwar im Vergleich zum Vor-ahr um ungefähr 10 Prozent bzw. um über 50 000. Dasst eine gewaltige Leistung. Ich danke der Bundesregie-ung und der Koalition, dass sie durch eine kluge Politikies ermöglicht haben.
Damit komme ich zur Qualifizierungsinitiative. Wirchaffen Hilfsangebote für diejenigen, die ausgebildeterden wollen, aber auch für diejenigen, die ausbilden.ierzu ist eine ganze Reihe von Maßnahmen aufgezähltorden. Darauf will ich im Einzelnen nicht mehr einge-en, wohl aber auf die Kritik. Sie haben die Kriterien ge-annt und damit aus meiner Sicht deutlich gemacht, dasss sich um ein Programm handelt, das zielgerichtet auf
Metadaten/Kopzeile:
14462 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Michael Kretschmerdiejenigen wirkt, die es schwer haben. Wer seit mehrerenJahren einen Ausbildungsplatz sucht, ist dringend daraufangewiesen, weitergebildet zu werden, eine Lösung zubekommen. Daher ist es richtig, dass wir hier zusätzlichGeld in die Hand nehmen, obwohl es eigentlich die Auf-gabe der Unternehmen ist. Natürlich können solcheMaßnahmen nur eine Ausnahme sein. Es kann nichtrichtig sein, dass der Staat im Bereich der dualen Ausbil-dung den Unternehmen die Ausbildung in nennenswer-tem Umfang finanziert.Wir sind in diesem Bereich auf einem guten Weg.Aber wir haben noch eine ganze Reihe von Problemenzu lösen. Das Wesentliche ist, dass wir diejenigen, diedie Schule abschließen, in die Lage versetzen, sich denrichtigen Beruf auszusuchen. Hier habe ich in der Tatgroße Sorgen. Wenn ich mit den jungen Leuten an denSchulen in meinem Wahlkreis spreche, merke ich immerwieder, dass sie nicht wissen, welche Berufe es gibt undwas sich hinter den verschiedenen Berufen verbirgt.Deswegen ist ein wichtiger Baustein der Qualifizie-rungsinitiative, junge Leute schon in ihrer Schulzeit indie Unternehmen zu bringen, sodass sie einen Eindruckvon der Firma und vor allen Dingen von den Berufen be-kommen. Ich halte das für einen wichtigen Punkt.
– Herr Kollege Tauss, wir haben uns ja gemeinsam da-rum bemüht.In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinwei-sen, dass der Bund nicht für alles zuständig ist. Im We-sentlichen ist Bildungspolitik Länderpolitik.
Die Erfolge in den Bundesländern sind sehr unterschied-lich, wenn es um Schulabbrecher und Berufsorientierunggeht. Ich glaube, dass wir in Sachsen besser sind alsmanches andere Bundesland. Wir wollen uns unsere Er-folge nicht kaputtreden lassen.
Wir kommen auch nicht weiter, wenn wir versuchen, ei-nen Durchschnitt in Deutschland zu bilden. Vielmehr istes wichtig, das eine oder andere zu übernehmen – eingutes Beispiel ist Baden-Württemberg –
und es anderen vorzuschlagen; das ist gar kein Problem.Wir sollten die besten Beispiele aufgreifen und für eineentsprechende Umsetzung sorgen.
Die Stimmung in diesem Land hat sich verbessert.Das merken wir überall, Gott sei Dank auch auf demAusbildungsmarkt. Das ist ein gutes Zeichen für die jun-gen Leute. Wir hoffen, dass es so weitergeht.Vielen Dank.fDldHwbGrdLScBrSsgfnSmgusenrphsdpwgdHmfs
Der Kollege Dieter Grasedieck ist der nächste Redner
ür die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Unsere Bundesregierung geht wahr-ich mutige Schritte und bietet den Jugendlichen – auchen benachteiligten Jugendlichen – und den Studentenilfen an. Zusätzliche Ausbildungsplätze, Frau Pothmer,erden angeboten. Die Jugend braucht eine Chance, sieraucht mehr Unterstützung, Hoffnung und Perspektive.enau dies greifen wir als Koalition und als Bundes-egierung auf. Die Herausforderung unseres Jahrhun-erts, die Ausbildung einerseits und das lebenslangeernen andererseits, wird hier in den entscheidendenchritten angegangen.Das Wissen ändert sich täglich. Genau deshalb brau-hen wir eine breite Unterstützung. Neue Patente, neueerichte aus den einzelnen wissenschaftlichen Fachbe-eichen kommen täglich hinzu. Flugzeuge werden peratellit gelenkt. Das war in den letzten Jahren ein ent-cheidender Fortschritt. Wer hätte davon vor zehn Jahreneträumt? Die Stärke und die Geschwindigkeit der Tai-une können durch Satellitenbeobachtung vorherberech-et werden. Auch das ist ein entscheidender Fortschritt.Die Welt wird komplexer und komplizierter. Wennie die Fertigung etwa im Schweißbereich der Auto-obilindustrie von vor zehn Jahren und von heute ver-leichen, dann erkennen Sie, dass die Schweißqualitätnd die Fertigungsgeschwindigkeit besser gewordenind. Hier werden hochqualifizierte Industriemechanikeringesetzt. Heute arbeiten hochqualifizierte Zerspa-ungsmechaniker an CNC-Maschinen: Die Arbeit unse-er Facharbeiter ist theoretischer, komplexer und kom-lizierter geworden. Weil wir in Zukunft noch mehrochqualifizierte Facharbeiter benötigen, haben wir die-es Programm aufgelegt.
Wir brauchen mehr Qualifizierung in den verschie-ensten Bereichen. Wir brauchen mehr Ausbildungs-lätze in Deutschland, weil wir in der Zukunft Export-eltmeister bleiben wollen. Dazu wird jeder Jugendlicheebraucht. Das muss die Botschaft dieses Antrags undieser Initiative der Bundesregierung sein.
Auf diesem Gebiet, meine sehr verehrten Damen underren, arbeiten wir erfolgreich auch gegen Jugendkri-inalität. Da ist die Bundesregierung ganz sicherlich er-olgreich. Sie geht mutige Schritte; das muss ich schonagen, wenn ich mir die konkreten Maßnahmen unseres
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14463
)
)
Dieter GrasedieckMinisters Scholz einmal ansehe. Es gibt 100 000 zusätz-liche Ausbildungsplätze für Altbewerber – das ist er-wähnt worden –, 200 zusätzliche Berufsberater werdeneingestellt. Auch das ist wichtig.
Wir machen uns über das neue Patensystem Gedan-ken. Berufsbegleiter sind hier eingesetzt worden. In mei-nem Wahlkreis führe ich mit 14 Paten in Schulen ein Pa-tensystem durch. Dort erfolgt eine Berufsbegleitungdurch Experten, unter denen Elektriker genauso wie In-genieure, Maschinenbauer und Betriebswirte vertretensind. Wir überlegen uns gemeinsam, welcher Beruf fürden Schüler richtig ist. Dies wird mit den Jugendlichendiskutiert, und es werden Bewerbungen geschrieben undBewerbungsgespräche vorbereitet. Das ist wirklich Inte-grationsarbeit, meine Damen und Herren.
Deutschland braucht in der Zukunft kreative und in-novative Fachkräfte. Schon heute werden von der Indus-trie 50 000 Diplomingenieure gesucht; 85 000 werden esbis 2013 sein, wie vorhin in der Debatte schon erwähntworden ist. Erforderlich ist eine kontinuierliche Verbes-serung ihrer Qualifikation; denn auf der anderen Seitesind noch 20 000 Ingenieure arbeitslos, weil bei ihnenbestimmte Kenntnisse nicht vorhanden sind. Dies zeigt,dass hier noch etwas aufgearbeitet werden muss. Auchdies ist im Antrag festgelegt worden; wir brauchen in dernächsten Zeit eine kontinuierliche Weiterbildung.
Die Wissensexplosion, meine Damen und Herren, er-fordert lebenslanges Lernen und mehr Ausbildungs-plätze für junge Menschen. Eine schleichende Dequalifi-zierung bei älteren Fachkräften muss verhindert werden.Nur so können wir unseren Wissensvorsprung erhaltenund die Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern. Hiersind die Bundesregierung und die Koalition auf demrichtigen Wege.
Ich erteile dem Kollegen Uwe Schummer, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eswäre undenkbar, dass die arabischen Länder ihre Ölvor-räte im Wüstensand versickern lassen oder die Südafri-kaner ihre Goldnuggets in den Flussläufen belassen. DasPotenzial, das wir in unserer Volkswirtschaft haben, be-steht aus kreativen, motivierten und qualifizierten Men-schen. Es ist gut, dass der Antrag „Junge Menschen för-dern – Ausbildung schaffen und Qualifizierung sichern“und auch die Qualifizierungsinitiative mit dem alten,ewigen Kreislauf Schluss machen, nämlich: verheerendeAusbildungsplatzlücken Mitte des Jahres, in den Mona-ten Juni, Juli, August, dann der Reflex der einen Seite,dbdelwGsedM1eAhWgig23BsWvfwddÜejwAwvwbtdbGws
ber 60 Prozent der Schulabgänger entscheiden sich fürinen der 341 Ausbildungsberufe. Es sind 1,5 Millionenunge Menschen, die von 492 000 Betrieben qualifizierterden. Das ist nicht nur Wirtschaftskultur, das ist auchusbildungskultur in Deutschland.Der Ausbildungspakt ist ein Erfolgsmodell, aucheil er von der Großen Koalition im letzten Jahr zeitlicherlängert und qualitativ verbessert worden ist. Es warichtig, dass der drittstärkste Ausbilder, der Bundesver-and der Freien Berufe, in den Ausbildungspakt eingetre-en ist. Es ist ein Fehler – das sage ich als IG-Metaller –,ass sich die Gewerkschaften immer noch nicht am Aus-ildungspakt beteiligen.
ewerkschaften gehören nicht in die Meckerecke; Ge-erkschaften gehören an den Verhandlungstisch undonst nirgendwohin.
Metadaten/Kopzeile:
14464 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Uwe Schummer– Kehlkopf ersetzt noch keinen Nachdenkkopf. Welchepolitischen Pappnasen Sie sind, haben Sie am Mittwoch-nachmittag sinnbildlich hier im Plenum gezeigt.
Jeder zweite Ausbildungsvertrag ist mit einem Men-schen abgeschlossen worden, der vor mehr als zwölfMonaten aus der Schule entlassen wurde. Wir müssendeshalb neben den Schulabgängern auch die sogenann-ten Altbewerber mit im Blick behalten. Ein wichtigesKind des Ausbildungspaktes sind die Einstiegsprak-tika, die eine Weitervermittlungsquote von 74,7 Prozentzu verzeichnen haben, davon 65,5 Prozent in eine klassi-sche berufliche Ausbildung. Das zeigt den hohen Wertdieser EQJ-Programme, der Einstiegspraktika. Wenndiese jetzt mit Bausteinen der Ausbildung kombiniertwerden, dann bedeutet dies – kammerzertifiziert –, dassdiese Zeit auch verstärkt bei der Nachvermittlung aner-kannt wird und den jungen Menschen nicht mehr Le-benszeit verloren geht. Diese kann vielmehr effizient ge-nutzt werden.Der Qualifizierungskombilohn für langzeitarbeits-lose Jugendliche aus der Werkstatt des ArbeitsministersKarl-Josef Laumann ist ein weiteres wichtiges Instru-ment, um den 341 000 verbliebenen jungen Langzeitar-beitslosen eine Perspektive zu geben. Es wirkt unter-schwellig und kann eine Brücke in eine spätere beruflicheAusbildung sein.15 Prozent der Schulabgänger werden von den Kam-mern als nicht ausbildungsfähig bewertet. Ich kann nursagen: Auch da muss man vorsichtig sein. Ich habe er-lebt, dass sogenannte nicht ausbildungsfähige jungeMenschen ihren Führerschein gemacht haben. TausendFragen, Tausend Antworten – sie lesen motiviert und en-gagiert die Bücher und bestehen eine hochkomplexetheoretische Fahrprüfung. Sie sehen nämlich das Autovor der Tür und denken: Es lohnt sich. Ich habe ein Ziel;ich möchte die Führerscheinprüfung bestehen. – Auchdies ist eine Frage der Motivation. Es geht darum, obman sich um Menschen kümmert, ob man sie frühzeitigauf die richtige Schiene setzt und ob man sie begleitet,bis sie eine vernünftige Ausbildung durchlaufen haben.
Wir wollen die Abbrecherquote von 20 Prozent sen-ken, und zwar unter anderem dadurch, dass – finanziertdurch ein von Annette Schavan initiiertes 15-Millio-nen-Euro-Programm – zwei Jahre vor der Entlassung einSchnupperkursus in einer überbetrieblichen Ausbil-dungswerkstatt besucht werden kann. Wo sind denn un-ter einem Dach Holzwerkstatt, Metallwerkstatt, Haus-wirtschaft, Verwaltung und auch Gartenbau, sodass manin 14 Tagen alle Berufsbereiche kennenlernen kann?Wenn man diesen Kursus absolviert hat, kann man einProfiling für die nächsten zwei Jahre erstellen und klä-ren, welche weiteren Betriebspraktika bis zum Ausbil-dungsabschluss für eine zielgerichtete Berufsorientie-rung und Berufsberatung sinnvoll sind. Ein Patenmodellsoll diese jungen Menschen begleiten und unterstützen.Das heißt, nicht wenige Wochen, sondern zwei Jahre vorder Entlassung müssen zielgerichtete Angebote entwi-csstDuuDgKLwhaEMnisühmIrQuDmivwwaWdwnds
Rede von: Unbekanntinfo_outline
s ist übrigens kein neuer Begriff. Er stammt aus derakroökonomie und den Sozialwissenschaften. Da kön-en wir Ihr Wissen noch ein wenig beschleunigen; dasst nicht das Problem.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken,elbstverständlich ist Bildung ein Wert an sich; das istberhaupt keine Frage. Allerdings müssen wir dem dro-enden Fachkräftemangel entgegenwirken. Außerdemüssen wir die Bildungspolitik in den Mittelpunkt derntegrationspolitik stellen. Das sind die zentralen He-ausforderungen, die wir bewältigen müssen. Mit dieserualifizierungsinitiative haben diese Bundesregierungnd die Große Koalition richtige Antworten gegeben.
er Versuch, beide Ziele – Bekämpfung des Fachkräfte-angels und Förderung der Integration – zu erreichen,st die Grundlage dessen, was wir hier tun.Natürlich sind damit auch Risiken verbunden; das istöllig klar. Wir sind bei einem großen Teil dessen, wasir umsetzen müssen, auf die Länder angewiesen. Des-egen bin ich nicht beglückt, dass die Bundesratsbankusgerechnet während dieser Debatte sehr leer ist.
ir hoffen, dass dies kein Zeichen dafür ist, dass sichie Länder nicht im entsprechenden Maße an dem, wasir hier anbieten, beteiligen. Ich glaube – auch da kön-en wir optimistisch sein –, sie werden es tun; denn auchie Länder wissen, dass wir uns einen bildungspoliti-chen Stillstand bis zum Bildungsgipfel im Herbst nicht
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14465
)
)
Jörg Taussleisten können. Dieses Jahr, also 2008, muss ein weiteresJahr des Aufbruchs sein.
Man kann zu dieser Großen Koalition sagen, was manwill. Frau Schavan und ich konnten uns in vielen bil-dungspolitischen Fragen nie so richtig leiden. Wir habenuns aber zu Beginn dieser Koalition zusammengesetzt,um die Frage zu klären, was wir gemeinsam erreichenwollen: Wir wollen gemeinsam, dass diese Große Koali-tion am Ende ihrer Amtszeit dafür steht, dass Deutsch-land im Bereich „Bildung, Wissenschaft und Forschung“vorangebracht worden ist. Das ist unser gemeinsamesZiel, an dessen Erreichung wir trotz vieler unterschiedli-cher Auffassungen in der Sache arbeiten.
Liebe Frau Kollegin Pothmer – Sie haben michmenschlich richtig enttäuscht –, ich weise Ihre Kritik amAusbildungsbonus ganz entschieden zurück. Entschul-digung! Joschka Fischer würde sich politisch sozusagenim Grabe umdrehen. Ihr wart mal eine Partei der Sozial-bewegungen. Lesen Sie das einmal nach: Der Koopera-tionsverbund Jugendsozialarbeit begrüßt das aktuelleVorhaben, für jugendliche Altbewerber einen Ausbil-dungsbonus zu schaffen. Unterschrieben haben das Deut-sche Rote Kreuz, die Bundesarbeitsgemeinschaft Evan-gelische Jugend, die Bundesarbeitsgemeinschaft derregionalen Ausbildungsträger, der Paritätische Wohl-fahrtsverband, der Internationale Bund für Sozialarbeit,die Katholische Jugendsozialarbeit usw. Und die Grünenzitieren die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitge-berverbände! Ich bin ja völlig fertig, liebe Kolleginnenund Kollegen! Das kostet einen richtig Nerven.
Herr Kollege Tauss, wir wollen nicht hoffen, dass Sie
völlig fertig sind, zumal Sie noch fünf Minuten Redezeit
haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Fünf Minuten und 49 Sekunden, Herr Präsident.
Das wäre wirklich ein Jammer, zumal Ihnen die Kol-
legin Pothmer durch eine Zwischenfrage zu zusätzlicher
Redezeit verhelfen möchte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollegin Pothmer nimmt diese Kritik zurück; das
finde ich prima.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Tauss, ich möchte einen Versuch unternehmen, die per-
sönliche Enttäuschung, die ich Ihnen zugefügt habe, et-
was abzumildern.
p
k
–
t
d
s
s
d
a
e
h
I
q
d
b
P
e
r
a
d
b
u
s
s
ü
r
V
w
b
I
D
f
v
g
n
g
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kollegin Pothmer, jetzt bin ich menschlich einisschen beruhigt, weil ich merke, dass es Ihnen nichtm die Verlautbarung eines Verbandes aus der Wirt-chaft geht, sondern um die Sache. Dazu kann ich Ihnenagen: Damit rennen Sie offene Türen ein; denn genauber diesen Bereich, was die Frage des Anwendungsbe-eichs von § 16 und anderes anbelangt, haben wir in derergangenheit vielleicht zu wenig diskutiert. Das wollenir nun ändern. Genau das steht übrigens in dem Schrei-en; es liegt mir vor.
n dem Schreiben heißt es:Um dies … zu gewährleisten, bedarf es dringendrealitäts- und bedarfsorientierter Alternativen zurbisherigen Ausschreibungspraxis …
arüber haben wir mit der Bundesagentur bereits viel-ach geredet. Wir haben nicht nur geredet, sondern aucherbessert. – Ferner heißt es darin: Wir brauchen Aussa-en zur Absicherung der Förderinstrumente in der Be-achteiligtenförderung. – Auch dies ist in dem Pro-ramm vorgesehen.
Metadaten/Kopzeile:
14466 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Jörg TaussWeil Sie auf die Realschülerinnen und Realschülerabgehoben haben: Ich habe die Situation bei der Schaf-fung eines Ausbildungsplatzes erlebt. In meinem Bürohat sich eine junge Frau als Auszubildende beworben.Sie hat einen ganz ordentlichen Realschulabschluss,hatte aber trotzdem über mehrere Jahre hinweg keinenAusbildungsplatz bekommen. Sie war immer zweite Sie-gerin. Sie war gar nicht schlecht, aber ihr wurde keineChance gegeben. – Von daher ist es natürlich richtig,dass wir uns auch um Realschülerinnen und Realschülerkümmern.Klar ist dabei: Die Priorität muss natürlich bei denenliegen, die keinen Schulabschluss oder sonstige Defizitehaben. Aber man kann doch die einen nicht gegen dieanderen ausspielen. Man muss für alle etwas tun, die inden letzten Jahren nicht die Chance hatten, einen Ausbil-dungsplatz zu bekommen.
Wir werden im Arbeitsausschuss miteinander voran-kommen. Der Minister ist der Letzte, der dem im Wegesteht.
Wir haben eine Diskussion geführt. Die KolleginAigner war gar nicht zufrieden, als die SPD vom Scholz-Bonus geredet hat. Sie hat gesagt, das sollten wir nichttun. Das mache ich jetzt auch nicht,
auch wenn ich es nicht schlecht finde, dass man Namenmit Politik verbindet; Riester-Rente und wie auch im-mer.
Aber in der Tat – auch das ist heute schon angeklungen –:Es gibt viele Beteiligte. Wir könnten vom Schummer/Brase-Bonus reden.
Wir könnten vom Müntefering-Bonus reden. Wie gesagt,Scholz-Bonus gefällt mir ganz gut.
Wenn dieser Begriff, egal mit welchem Namen er verse-hen wird, dafür steht, dass für die Jugendlichen etwasgetan wurde und Hunderttausende Jugendliche, die bis-her keine Chance hatten, aus der Statistik der Altbewer-ber fallen und sich in betrieblichen Maßnahmen wieder-finden, dann wäre das ein großer Erfolg. Dass wir daranbeteiligt sind, erfüllt uns natürlich mit großem Stolz.
Wir wollen das Instrument der Ausbildungspaten,Frau Kollegin Pothmer, in den Mittelpunkt stellen. Hiergibt es eine ganze Reihe von Ansätzen. In diesem Zu-sammenhang möchte ich auch noch einmal auf die vonIhnen zitierten Arbeitgeberfreunde zurückkommen. DieVertreter der Arbeitgeber in der Bundesagentur für Ar-bdnfWAufdlhrsidzbwDdmknPAungDlisIm–JEbedCwkvmnsCew
ass dies nicht ausreicht, dass parallel dazu die Ausbil-ung der Erzieherinnen und Erzieher verbessert werdenuss, ist natürlich eine Tatsache, die jeder von unsennt; darüber mäkelt im Grunde genommen auch kei-er. Im Übrigen hat die Ministerin – auch das steht imrogramm – gesagt, dass geprüft werden soll, dasufstiegsfortbildungsförderungsgesetz für Sozialberufend damit auch für Erzieherinnen und Erzieher zu öff-en. Das finde ich prima. Die Ministerin hat gestern so-ar angekündigt, dass sie das konkret in 2008 tun wolle.a hat sie uns auf ihrer Seite. Die entsprechende Kritik,iebe Kolleginnen und Kollegen, geht also ein Stück weitns Leere.Wir müssen noch einen weiteren Aspekt, den ichchon kurz angedeutet habe, ansprechen, nämlich dientegration junger Menschen, insbesondere solcherit Migrationshintergrund. Eines müssen wir sehendas steht in dem Bericht auch schwarz auf weiß drin –:ugendliche mit Migrationshintergrund, also Kinder vonltern, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind, ha-en bei gleicher Leistung nur eine halb so große Chance,ine qualifizierte Berufsausbildung aufzunehmen, wieeutschstämmige Jugendliche. Eine halb so großehance! Das ist ein gesellschaftlicher Skandal; denn soerden Bildungschancen ungerecht verteilt.
Herr Kauder – leider sehe ich ihn gerade nicht –, wirönnten die aktuelle Diskussion über den Populismuson Koch in Hessen ein bisschen herunterholen und da-it auch einen Konfliktpunkt in unserer Koalition berei-igen, wenn einmal anerkannt würde, dass statt Weg-perren, Abschieben und Vergessen die Sicherung echterhancengleichheit in der beruflichen Bildung insgesamtin wichtiger Beitrag gegen Gewalt in diesem Landeäre.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14467
)
)
Jörg Tauss
Auch dies ist ein wichtiger Punkt, den wir mit unsererInitiative erreichen wollen. Das finde ich gut; denn fürmich ist das beste Erziehungscamp nicht besser als einguter Ausbildungsplatz. Gute Ausbildungsplätze erset-zen im Zweifel keine Erziehungsmaßnahmen,
aber wir brauchen möglichst viele davon, um Chancen-gleichheit herzustellen und damit auch Jugendkrimina-lität einzudämmen. All dies hängt nämlich logisch zu-sammen.
Im Übrigen ist es ja nicht nur eine soziale Tat, wennman Auszubildende einstellt. Ich habe vorhin von mei-ner Auszubildenden geredet. Ich habe in dieser Wocheauch wieder einen jungen Menschen eingestellt. Esmacht doch Spaß, mit jungen Leuten zusammenzuarbei-ten, die an der Schwelle zum Eintritt in das Berufslebensind, die neugierig und intelligent sind. Es geht dochnicht nur um die Sicherung des Fachkräftebedarfs, esgeht im besten Sinne des Wortes auch um Zukunfts-sicherung. Auch Leute meiner Generation, die mit die-sen jungen Leuten zusammenarbeiten, können etwas ler-nen und Spaß daran haben. Ausbildung stellt also nichtnur eine Belastung dar. Sie macht natürlich Arbeit undfordert einen heraus. Man sollte den Ausbildungsbetrie-ben sagen: Liebe Leute, macht etwas für die Auszubil-denden! – Ich habe den Eindruck – das hat auch der Aus-bildungspakt gezeigt –, dass sich diese Erkenntnis in denletzten Jahren in der Wirtschaft immer mehr durchge-setzt hat.Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, einen Punktmöchte ich noch gerne ansprechen: Die Bundeskanzle-rin, die ja heute Morgen hier freundlicherweise anwe-send war und damit gezeigt hat, wie wichtig sie selbstdieses Thema nimmt, wird zu einem Bildungsgipfel ein-laden. Ich begrüße dies ausdrücklich. Ich sage das mit ei-nem kleinen ironischen Nebenhieb, weil es noch garnicht so lange her ist, dass Frau Merkel im Rahmen derFöderalismusdebatte sagte: Wenn der Tauss Schulpolitikmachen will, soll er doch in den Landtag gehen. – Ichbin nicht in den Landtag gegangen und fühle mich hierunverändert sehr wohl. Dass ich immer noch über Schul-und Bildungspolitik reden kann und dass die Bundes-kanzlerin zu einem Bildungsgipfel einlädt, das zeigtdoch, wie weit wir im Laufe der Debatte gekommensind. Ich begrüße diese Entwicklung sehr.
Die Erfolgsgeschichte der Initiative für kleine For-scherinnen und Forscher ist schon angesprochen wor-den. Ich bedanke mich sehr bei den Wirtschaftseinrich-tungen und vor allem bei der Helmholtz-Gemeinschaft,die diese Initiative auf den Weg gebracht hat, um beiKindern sowie deren Erzieherinnen und Erziehern ihr In-tctkdgtWvsdnstnsaeASMzfSSddBdtdWfZdavda
regierungBericht der Bundesregierung zum Stand derBemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstungund Nichtverbreitung sowie über die Entwick-
Metadaten/Kopzeile:
14468 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Präsident Dr. Norbert Lammert
– Drucksache 16/5211 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
VerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
ordneten Paul Schäfer , Monika Knoche,Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneterund der Fraktion DIE LINKE zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungBericht der Bundesregierung zum Stand derBemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstungund Nichtverbreitung sowie über die Entwick-
– Drucksachen 16/1483, 16/2999, 16/4594 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zuGuttenbergUta ZapfHarald LeibrechtDr. Norman PaechJürgen Trittinc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Dr. Norman Paech, Alexander Ulrich, PaulSchäfer , weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKEAbzug der Atomwaffen aus Deutschland– Drucksachen 16/448, 16/4593 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zuGuttenbergDr. Rolf MützenichHarald LeibrechtDr. Norman PaechJürgen Trittind) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, MarieluiseBeck , weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAbrüstung der taktischen Atomwaffen voran-treiben – US-Atomwaffen aus Deutschlandund Europa vollständig abziehen– Drucksachen 16/819, 16/4592 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zuGuttenberg
richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus-schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten JürgenTrittin, Winfried Nachtwei, Volker Beck ,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENNuklearen Dammbruch verhindern – Indienan das Regime zur nuklearen Abrüstung, Rüs-tungskontrolle und Nichtweiterverbreitungheranführen– Drucksachen 16/834, 16/4591 –Berichterstattung:Abgeordnete Eckart von KlaedenDr. Rolf MützenichHarald LeibrechtDr. Norman PaechJürgen Trittinf) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Schäfer , Dr. Norman Paech, MonikaKnoche, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKEKeine Unterstützung für die indische Atom-rüstung– Drucksachen 16/1445, 16/4590 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zuGuttenbergUta ZapfDr. Werner HoyerDr. Norman PaechJürgen Tritting) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, VolkerBeck , weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENZivilbevölkerung wirksamer schützen – Streu-munition ächten– Drucksachen 16/2749, 16/4589 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zuGuttenbergUta ZapfHarald LeibrechtWolfgang GehrckeJürgen Trittinh) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14469
)
)
Präsident Dr. Norbert LammertSchäfer , Monika Knoche, Hüseyin-KenanAydin, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKEKeine neuen Raketen in Europa – stattdessenStärkung der globalen Sicherheit durch Rüs-tungskontrolle und Abrüstung– Drucksachen 16/5456, 16/7516 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zuGuttenbergDr. Rolf MützenichDr. Werner HoyerWolfgang GehrckeJürgen TrittinZum Jahresabrüstungsbericht 2006 der Bundesregie-rung liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion derFDP und der Fraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll auchdiese Aussprache eineinhalb Stunden dauern. – Dazuhöre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-sen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Dr. Rolf Mützenich für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abrüstungund Rüstungskontrolle sind lediglich Instrumente. Wennsie aber angewandt werden, können sie die Zusammen-arbeit und das friedliche Zusammenleben stärken. Des-wegen ist der politische Wille die Voraussetzung für Ab-rüstung und Rüstungskontrolle. Leider hat es in denvergangenen Jahren an diesem politischen Willen ge-mangelt. Ich bin daher der Bundesregierung dankbar,dass sie mit all ihren Kräften versucht, dafür einzutreten,dass Abrüstung und Rüstungskontrolle vorangebrachtwerden. Politische Initiativen sind notwendig. Diese ha-ben wir unternommen.
Auf der anderen Seite müssen wir natürlich feststel-len, dass wir in einer Krise sind; das ist gar keine Frage.Denn an diesem politischen Willen hat es immer wiedergemangelt. Wir sind konfrontiert mit dem Aussetzen,mit der Missachtung und auch mit der Kündigung vonVerträgen. Wir haben bei verschiedenen Gelegenheitenschon darüber diskutiert. Gleichzeitig sind wir mit einergroßen Aufrüstung konfrontiert. Allein im vergangenenJahr betrugen die entsprechenden Ausgaben 900 Milliar-den Euro. Daran hatten die USA einen Anteil von42 Prozent.Dennoch ist es gut, darauf hinzuweisen, dass – wieich gerade erwähnt habe – schon Initiativen unternom-men worden sind. Ich möchte an erster Stelle daran erin-nern, dass der Bundesaußenminister seit mehrerenMonaten versucht, zum Beispiel zum internationalenBrennstoffkreislauf Vorschläge vorzulegen und sie mitdatstDaeBDdsDRIngaDERdüDmGbgunfnwtdtAAidsDbnüRdtir
Metadaten/Kopzeile:
14470 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass wirhin und wieder widersprüchliche Hinweise geben. DieEU-Strategie gegen die Verbreitung von Massenvernich-tungswaffen ist wichtig gewesen. Sie hat natürlich etwasmit der Invasion im Irak zu tun, mit der Diskussion, diedie USA damals provoziert haben. Die Verbreitung vonKernwaffen ist aber nur die eine Seite der Medaille. Dieandere Seite der Medaille ist, dass die Kernwaffen-mächte weiter qualitativ aufrüsten und sich gleichzeitignicht an vorhandene Verträge halten. Auch das mussman ansprechen.
Ich glaube, wir müssen die Kernwaffenstaaten von hieraus auffordern, zu verhandeln, ihre Rüstungen zu be-grenzen und abzurüsten. Das wäre die richtige Antwort.
Ich möchte versuchen, an dieser Stelle auf einenzweiten Widerspruch in Europa aufmerksam zu machen.Ich sehe mit Verwunderung, dass der französische Präsi-dent bei seinen Besuchen im Nahen Osten immer wie-der händeringend versucht, Atomkraftwerke anzubieten.Das ist sein gutes Recht; das spreche ich ihm nicht ab.Ich wäre aber dankbar, wenn er bei diesen doch etwasaufdringlichen Verkaufstouren versuchen würde, auf dasProliferationsrisiko hinzuweisen.
Deswegen wäre es gut, wenn die Bundeskanzlerin, wennsie diese Risiken auch sieht, mit dem französischen Prä-sidenten darüber spräche. Eine gemeinsame europäischeInitiative an dieser Stelle wäre notwendig.Zum Schluss möchte ich auf die Frage der Raketen-abwehr aufmerksam machen. Gott sei Dank hat dieneue Regierung in Polen Gelassenheit gegenüber diesemThema an den Tag gelegt und versucht, alle Beteiligtenin diesen Prozess einzubinden. Ich glaube, die Bundesre-gierung tut gut daran, die polnische Regierung dabei zuunterstützen. Denn wir brauchen Vertrauensbildung. Da-für sind Abrüstung und Rüstungskontrolle notwendig.Dafür ist auch der Dialog mit allen Partnern in diesemVerhältnis wichtig. Ich denke, da sind wir auf einem gu-ten Weg.Vielen Dank.
FDumdtDirsrdvKKpdahd–SsbcgtMoidpzmAvggt
as sind Dokumentationen des Stillstandes. Wenn wirm nächsten Jahr über den Jahresabrüstungsbericht 2007eden, dann wird – das können wir jetzt, Anfang 2008,chon sagen – darin das Gleiche stehen wie in dem Be-icht für das Jahr 2006, über den wir heute debattieren.Seien wir ehrlich: Die letzten zehn Jahre waren fürie Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik weitgehenderlorene Jahre. Weder in den sieben Jahren rot-grüneroalition noch in den bisher zwei Jahren der Großenoalition hatte die Abrüstungs- und Nonproliferations-olitik Konjunktur. Ich freue mich, dass jetzt Signale,ass sich das ändern wird, zu sehen sind.Es ist ein Fanal und für uns Europäer und übrigensuch für die jüngere Generation von Außen- und Sicher-eitspolitikern fast beschämend, dass es die Altmeisterer amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik sindes handelt sich um William Perry, Henry Kissinger,am Nunn und andere –, die uns jetzt darauf aufmerk-am machen, dass wir hier einen riesigen Rückstand ha-en. Der Weckruf in The Wall Street Journal dieser Wo-he ist alarmierend. Ich zitiere:Wir stehen in der Frage der Verbreitung nuklearerWaffen und Technologien heute an einem entschei-denden Punkt. Wir sehen uns konfrontiert mit derganz realen Möglichkeit, dass die Verbreitung die-ser tödlichsten Waffen nicht mehr kontrollierbar ist.Und die Maßnahmen, die dem international entge-gengesetzt werden, sind eindeutig unzureichend.Es ist spannend und ermutigend, dass diese Debatteerade in den Vereinigten Staaten geführt wird. Wir soll-en uns da nicht wegducken. Denn es sind ja – Herrützenich hat zu Recht darauf hingewiesen – gerade dieffiziellen Atommächte, gerade auch die, die permanentm Weltsicherheitsrat sitzen, die sich an der Glaubwür-igkeit der globalen Abrüstungs- und Rüstungskontroll-olitik versündigen. Natürlich ist es richtig, darauf hin-uweisen, dass Länder wie der Iran den Nachweis führenüssen, weder im Haupt- noch im Nebenzweck ziviletomprogramme militärisch zu missbrauchen. Das istöllig richtig und notwendig. Aber wie viel glaubwürdi-er wären wir – gerade wir im Westen –, wenn sich dieroßen Atommächte nicht nur um die Abwehr der Ambi-ionen neuer Nuklearmächte kümmern würden, sondern
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14471
)
)
Dr. Werner Hoyerwenn sie Geist und Buchstaben der gültigen Rüstungs-kontrollabkommen auch tatsächlich gerecht werden wür-den?
Was ist mit Deutschland? Deutschland hat ohne Wennund Aber auf den Besitz von und die Verfügung überAtomwaffen verzichtet. Ich denke, das wird niemand än-dern wollen. Das ist ein Kapital für unsere Außen- undSicherheitspolitik. Aber warum verkaufen wir das nichtoffensiver? Warum ergreifen Sie, Herr MinisterSteinmeier, nicht gemeinsam mit anderen nichtnuklearenStaaten – starken Industrie- und Schwellenländern – dieInitiative, um gegenüber den Ländern der Dritten Weltund anderen Schwellenländern deutlich zu machen: Esgibt eine gute Perspektive in der Globalisierung, ohneAtommacht zu sein.Noch in den 90er-Jahren hat eine Reihe von Staatenauf den Besitz von Atomwaffen verzichtet. Gegenwär-tig entwickelt es sich in die andere Richtung. Die inter-nationalen Vertragswerke, die eigentlich die unkontrol-lierte Verbreitung verhindern sollten, scheinen zuerodieren. Es ist also höchste Zeit, dass etwas geschieht.Ich freue mich, dass die Bundesregierung jetzt offenbaraktiver werden will.Die Münchener Sicherheitskonferenz könnte einesehr gute Gelegenheit sein, auch von den Nuklearmäch-ten einschließlich der engsten Verbündeten eine ent-schlossene Abrüstungspolitik einzufordern. Herr Minis-ter, nutzen Sie diese Chance. Nutzen Sie endlich IhreMöglichkeiten, Abrüstung und Rüstungskontrolle amRatstisch in Brüssel wieder zu einem Thema zu machen,
zum Beispiel im Hinblick auf die Raketenabwehr unddie nukleare Roadshow, die der französische Staatspräsi-dent in Nordafrika und an anderer Stelle unternimmt.Nutzen Sie dieses Thema auch bei Ihren ernsthaften Ver-suchen, die Ratifizierung des angepassten Vertrages überkonventionelle Streitkräfte in Europa doch noch voran-zubringen. Ich glaube, dass wir uns hier in eine gewisseSackgasse begeben haben, aus der wir heraus müssen.
Meine Damen und Herren, an Papieren fehlt es nicht,auch nicht in Ihrer Partei, Herr Minister; der KollegeMützenich ist dafür ein sehr gutes Beispiel. Der Lack-mustest für die Glaubwürdigkeit der Abrüstungspolitikder Bundesregierung wird aber demnächst anstehen,wenn es um den amerikanisch-indischen Nukleardealgeht. Dass dieser amerikanisch-indische Nukleardealausgerechnet von Deutschland und unter deutschem Vor-sitz abgesegnet werden könnte, ist eine abenteuerlicheVorstellung.
llkghvIltdtdStdfAwtDCHe9assDwKbwsbttgädnHzuHj
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kolleger. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Kollege Dr. Hoyer, es ist tatsächlich einerfreuliche Entwicklung, dass ein Orchideenthema der0er-Jahre, das uns nach dem Ende des Kalten Krieges,ber auch noch um die Jahrtausendwende herum be-chäftigt hat, nun in den Mittelpunkt unserer Aufmerk-amkeit gerückt ist.
as zeigt letztlich aber auch die ganze Dramatik. Dassir dieses Thema heute nicht zum ersten Mal in derernzeit behandeln, ist genau der Fingerzeig, dessen esedarf. Inhaltlich müssen wir aber mit Sicherheit nocheiter fortschreiten. Die Stichworte Nordkorea und Iranind schon gefallen, und auch die Ereignisse, die wir ins-esondere im letzten Jahr in Russland beobachten muss-en, wurden bereits erwähnt.Herr Hoyer, Ihr genereller Eindruck von den Abrüs-ungsberichten der letzten Jahre, dass im Grunde eineewisse Stagnation festzustellen ist, ist nicht falsch. Dasndert aber nichts daran – das will ich an dieser Stelleeutlich machen –, dass wir gleichzeitig – wir wollenämlich niemandem den Mut nehmen – Ihren beidenäusern, meine Herren Minister, eine erstklassige Arbeitu attestieren haben, was die Erstellung dieser Berichtend die notwendigen Signale anbelangt, die aus Ihrenäusern kommen; gelegentlich darf man in diesen Tagena auch einmal loben. Unser Dank gilt den Damen und
Metadaten/Kopzeile:
14472 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu GuttenbergHerren, die sich auf dem Gebiet der Abrüstung engagie-ren. Das ist kein leichtes Brot.
Die Entwicklung im rüstungskontrollpolitischen undim abrüstungspolitischen Bereich wird in meinen Augenvon zwei wesentlichen Bewegungen bestimmt: von derWiederbelebung alter Konfliktmuster, die wir eigent-lich schon an den Rand gedrängt sahen, und davon, dassneue Bedrohungslagen entstehen, die in Teilen der Weltzu einer Modernisierung gewisser Waffenarsenale füh-ren. Diese neuen Bedrohungslagen haben unter anderemdazu geführt, dass die Staaten in ihrer Gesamtheit, vorallem aber die neuen, aufstrebenden Großmächte, nichtbereit sind – zumindest in großen Teilen nicht bereit sind –,auf die Erhaltung und den Aufbau ihrer Waffenarsenalein dem Maße zu verzichten, wie wir alle in diesemHause uns das wohl wünschen würden. Selbstverständ-lich wäre eine massenvernichtungswaffenfreie Welteine bessere Welt; darüber brauchen wir nicht zu spre-chen. Aber wir haben die Realität zu sehen. Eine inter-national optimierte Rüstungskontrolle ist in meinenAugen zielgerichteter, als sich in utopische Schwärmereizu begeben, romantischen Träumereien nachzuhängenund immer die Maximalforderung in den Raum zu stel-len, ohne dabei die Schritte im Blick zu behalten, die ge-macht werden müssen, um letztlich zu einem Ergebniszu kommen. Denn wir müssen ergebnisorientiert arbei-ten.
– Die Schwärmerei gilt nicht für die Fachleute, die wirhier haben; aber sie gilt für gewisse Bewegungen, die dieMaximalforderung immer wieder gerne aufgreifen.Es gab in den letzten Jahren bei aller Ernüchterung,Herr Hoyer, einige kleinere Fortschritte zu verzeichnen,gerade im Bereich der Rüstungskontrolle. So gingen ei-nige Initiativen von europäischem Boden aus. Ein Punkt,der in diesem Kontext gerne unterschätzt wird: VieleInitiativen sind aus den Bürgergesellschaften Europas,aus der Zivilgesellschaft heraus entstanden. Viele Ini-tiativen haben sich im Bereich von Nichtregierungs-organisationen entwickelt. Engagierte Bürger habenProblemlagen aufgegriffen und zum Beispiel den rüstungs-kontrollpolitischen Aspekt mit menschenrechtlichenGrundgedanken zu koppeln gesucht. Gerade in unseremLande gibt es hier einige Initiativen, die hervorzuhebensind. Ich will beispielhaft die Hamburger Erklärung nen-nen, deren Zielsetzung sich insbesondere auf den Schutzder Städte richtet, gekoppelt mit dem Anspruch, die Wir-kungen von Streubomben zu vermeiden. Solche Initiati-ven können durchaus Impulse setzen; das sollten wirnicht aus dem Blick verlieren. Es ist wichtig, dass wir soengagierte Menschen in unserem Lande haben. Dies seinur beispielhaft hierfür genannt.
sfAtiltwPübtNpsdlnfARmnfa–ahddtaEdPnzgiiaRKsercsnbdZ
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14473
)
)
Wir dürfen auch darauf hinweisen, dass von unseren rus-sischen Partnern hinsichtlich INF und START I, das imJahre 2009 einer Neubestimmung bedarf, ebenfalls koo-perative Schritte angebracht wären.Es bedarf in diesem Kontext aber auch des Hinweisesvon unserer Seite, dass wir insgesamt mit einer starkenund glaubwürdigen westlichen Stimme zu sprechen ha-ben. Mit diesem Anspruch haben auch unsere Partnerund Freunde in den USA immer wieder zu kämpfen. Wirdürfen das hier offen ansprechen und den Hinweis ge-ben, dass wir uns an dem einen oder anderen Punkt nochmehr Entgegenkommen und manchmal auch mehr Vor-bildwirkung wünschen, um weitere Schritte einzuleiten.Es ist richtig, dass es hier auch den einen oder ande-ren erfreulichen Schritt gab, zumal im vergangenen Jahr.Das hat in den Verhandlungen über INF und in einigenInitiativen, die mit Blick auf START I langsam und sehrschüchtern beginnen, seinen Niederschlag gefunden.Wir dürfen aber den Hinweis wagen, dass es gerade imBereich der Rüstungskontrolle und der Abrüstung einigeJahre gab, in denen die Vereinigten Staaten gelegentlicheinen unseligen Pfad des Unilateralismus gegangen sind.Von daher nehmen wir eher erfreut zur Kenntnis, dassder Weg wieder hin zu multilateralen Ansätzen führt, so-dass hier letztlich mit Ergebnissen gearbeitet werdenkann.Die Vereinigten Staaten stehen eben in besondererVerpflichtung, den Bestimmungen des Nichtverbrei-tungsvertrages noch engagierter als bisher nachzukom-men. Sie haben eine besondere Vorbildwirkung. Ich habedas bereits benannt. Diesen Ansatz dürfen wir von unse-rer Seite aus in aller Freundschaft immer wieder kund-tun.In diesem Kontext ist auch noch einmal der Abzugvon Atomwaffen aus Deutschland zu sehen. Daskommt in dieser Debatte immer wieder. Ich glaube, auchhier müssen wir realitätsnah handeln und agieren. Wirhaben immer wieder darin übereingestimmt, dass uns dieZielsetzung eint, wir aber hinsichtlich der notwendigenSchritte möglicherweise differieren. Ich glaube, dass wiruns hier immer wieder deutlich machen müssen, welchetatsächlichen Einflusssphären und Einflusspotenzialewdw–N2ZsVbdddsdBsgtC„VbneFlK
Ich gucke nicht nur die SPD an, sondern auch Sie, Herrachtwei. Es war auch Ihr Außenminister, der im Jahre005 gemeinsam mit dem Bundeskanzler Schröder dieielsetzung der nuklearen Teilhabe nicht infrage ge-tellt hat. Ich kann dabei also beide angucken.
Das gilt tatsächlich für alle – auch hinsichtlich dererantwortung, die daraus erwächst.
Das größte und virulenteste Thema in diesem Jahrleibt der Iran. Dies wurde bereits angesprochen. Aufiesem Feld werden wir mehr Kreativität brauchen alsas bisher Gegebene. Es bleibt richtig und wichtig, unterem Dach der Vereinten Nationen gemeinsam eine Lö-ung herbeizuführen. Deswegen halten wir auch eineritte Sanktionsrunde weiterhin für erforderlich, Herrundesaußenminister. Wir werden aber auch alles aus-chöpfen müssen, was uns an intellektuellen Impulsenegeben ist, um weiterhin einem doch durchschaubarenaktischen Spiel des Irans zu begegnen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Der
National Intelligence Estimate“ der Geheimdienste der
ereinigten Staaten hat eine gewisse Entwarnung gege-
en, was mögliche Reaktionen anbelangt. Eine Entwar-
ung in Bezug auf das iranische Nuklearprogramm gibt
s in meinen Augen nicht.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Paul Schäfer für die
raktion Die Linke.
Herr Kollege, Sie haben heute Geburtstag. Ich gratu-
iere Ihnen herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Wer die Abrüstungsberichte
Metadaten/Kopzeile:
14474 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Paul Schäfer
seit längerem verfolgt hat, kann sich des Eindrucks nichterwehren, das alles schon mal irgendwie gelesen zu ha-ben.Zu diesem Déjà-vu gehört: Die Bundesregierung gibtsich in ihrer Darstellung in allen Foren – A-Waffen,B-Waffen, C-Waffen – erdenkliche Mühe, um den stag-nierenden Rüstungskontrollprozess wieder in Gang zubringen – und sei es im Schneckentempo; die Bundesre-gierung bzw. die Bundesrepublik will ja, nur die anderennicht.Herr Außenminister, ich gestehe durchaus zu, dasssich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hausesdort erdenkliche Mühe geben. Das soll hier auch aus-drücklich gewürdigt werden.Zu diesem Déjà-vu gehört aber auch: Die Bundesre-gierung versucht krampfhaft, der Öffentlichkeit eineBettelsuppe als Bouillabaisse zu verkaufen. Es hilft docheinfach nicht weiter, den Schluss zu ziehen, es gebe beider Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik eine ge-mischte Bilanz. Es gibt keine gemischte Bilanz! Das istSchönfärberei; das ist Augenwischerei.
Die Tendenz ist eindeutig. Es wird wieder mehr Geldfür Waffen ausgegeben. Die Streitkräfte werden überallradikal modernisiert, und die Geschäfte mit Waffenver-käufen laufen weltweit wieder glänzend – egal in welcheRichtung wir schauen. Im Westen gehen die USA mit ih-ren Kriegshaushalten mit weitem Vorsprung voran, dieNATO im Schlepptau. Um uns herum folgt die Europäi-sche Union, die auch ein neues, militärisch gestütztesMachtzentrum werden will, diesem Rüstungstrend,wenn auch zögerlich. Im Osten steigert Russland seineMilitärausgaben. Im asiatisch-pazifischen Raum drohenneue Rüstungswettläufe. Und allgemein investierenalle die Staaten, die von dem Rohstoffboom der letztenJahre profitiert haben, nicht zuletzt in Rüstung.Zumindest für mich und für die Linke hängt dies un-verkennbar auch damit zusammen, dass die führendenMilitärmächte schon länger davon abgegangen sind,Streitkräfte für die Zwecke der Verteidigung oder derbloßen Abschreckung bereithalten zu wollen. Nein,heute geht es allenthalben um Einsatzarmeen, um Inter-ventionsstreitkräfte. Dafür muss in großem Stil umge-rüstet werden.Leider wird dieser Zusammenhang bei allen anderenKollegen in den übrigen Fraktionen systematisch ausge-blendet. Wenn wir heute über Abrüstung bzw. Aufrüs-tung reden wollen, ist dieser Zusammenhang aber zen-tral.Mit Abrüstung hat dieser Trend also gar nichts zu tun.
Das hat niemand anderes als der Bundesaußenminister inunserer letztjährigen Debatte hier gesagt, indem er wört-lich erklärt hat:Abrüstung erscheint wie ein Stichwort aus vergan-gener Zeit.wttAihusDadvrABwwAiwlgAfAgkftdnatmummhDuwMde
Ansonsten frage ich mich aber: Wo ist die gemischteilanz?Es ist gut, wenn sich Staaten Zentralasiens für atom-affenfrei erklären. Aber welche Bedeutung hat das,enn gleichzeitig die bestehenden Atommächte ihrersenale kräftig modernisieren und perfektionieren? Esst ein hoffnungsvolles Zeichen, wenn – das ist schon er-ähnt worden – eine bemerkenswerte Reihe von ehema-igen US-Außen- und -Verteidigungsministern ein kräfti-es Umdenken in der atomaren Rüstungsfrage anmahnt.ber wir wollen, dass sich endlich einmal im Amt be-indliche Außen- und Verteidigungsminister für nuklearebrüstung einsetzen.
In der Frage der Nuklearwaffen ist – das ist uns,laube ich, allen klar – ein kritischer Punkt erreicht. Wirönnen uns in 2010 kein erneutes Scheitern der Überprü-ungskonferenz leisten. Man muss über die Möglichkei-en der Bundesrepublik Deutschland, etwas zu verän-ern, reden. Lieber Herr Kollege Mützenich, da geht esicht um Innenpolitik. Wenn man konstatiert, dass wiruf diesem Feld die Situation einer umfassenden Stagna-ion haben, dann stellt sich doch die Frage: Wie kannan einen Ausweg finden? Was könnte ein Schritt sein,m überhaupt wieder eine Dynamik anzustoßen? Icheine, dass eine Bundesregierung da couragiert sein undehr unternehmen muss als so einen kläglichen und zag-aften Vorstoß wie Herr Fischer damals in der NATO.ie Bundesregierung muss deutlich machen, dass die beins in Büchel und Ramstein lagernden Atomwaffenegmüssen.
it dem Verzicht auf nukleare Teilhabe kann manann auch versuchen, die internationale Debatte zu be-influssen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14475
)
)
Paul Schäfer
Ich finde es gut, dass die Bundesregierung zusammenmit Norwegen jetzt eine Initiative gestartet hat. Dennohne eine gravierende Änderung der Sicherheitsphilo-sophie der NATO wird sich auch auf dem Feld der nuk-learen Abrüstung nichts tun. Solange die NATO Nukle-arwaffen für essenziell wichtig für unsere Sicherheithält, wird sich nichts bewegen.
Die Bundesregierung wird künftig, auch bei den nächs-ten NATO-Gipfelkonferenzen, daran gemessen werden,ob sie diesen Pfad wirklich verfolgt, ob sie nicht kleinbeigibt und ob sie, gestützt auf Nichtregierungsorganisa-tionen, auf die Middle-Power-Initiative und auf kritischeParlamentariergruppen, Druck ausübt, damit die NATO-Militärdoktrin an der Stelle geändert wird.
Wir müssen auch die Frage stellen: Wie sieht es beider konventionellen Rüstung aus? Mit welchen drama-tischen Veränderungen wir es seit dem Ende der bipola-ren Konfrontation zu tun haben, zeigt sich meines Erach-tens gerade an der Entwicklung der konventionellenRüstung im europäisch-transatlantischen Raum. DerAusgangspunkt des KSE-Vertrages war, Überraschungs-offensiven zu verhindern und deshalb schweres Gerätabzubauen. Das sollte in Richtung strukturelle Nicht-angriffsfähigkeit gehen. Das war die Idee. Wenn mansich die heutige Entwicklung genauer ansieht, erkenntman, dass sich das ins Gegenteil verkehrt hat. Heute gehtes um strukturelle Angriffsfähigkeit. Man will das nichtso nennen; aber was ist Interventionsfähigkeit anderes?
Es geht um die Fähigkeit zum offensiven Eingreifen,auch wenn es heute um andere Gegner geht, kleinereStaaten, nichtstaatliche Akteure, Terroristen. Aber imSinne dieser offensiven Fähigkeiten sollen die Streit-kräfte umgerüstet werden. Ich finde, dieser Entwicklungmuss man Einhalt gebieten.Nun sagt selbst die Bundesregierung, dass neu ver-handelt werden muss, dass eine neue Abrüstungsinitia-tive geschaffen werden muss. Das finde auch ich. Manmuss damit beginnen, den Prozess der Ratifizierung desKSE-Vertrages unverzüglich einzuleiten – sonst gehtnichts –, und man muss eine neue Abrüstungsidee prä-sentieren; denn sonst wird nicht einmal der Status quo zuhalten sein. Davon bin ich überzeugt.Der Kollege Mützenich hat im Dezember zu Rechtgesagt, dass wir ein KSE III brauchen. Ich finde, in die-ser Richtung müssen wir weitergehen. Wir machen inunserem Entschließungsantrag diesbezüglich konkreteVorschläge. Der erste Vorschlag ist, den Status quo in ei-nem ersten Schritt als vertragliche Obergrenze festzule-gen. Das dürfte doch völlig unkompliziert sein. Denn dietatsächlichen Bestände liegen weit unter den jetzigenObergrenzen. Aber das wäre zumindest ein ersterSchritt, um wieder Bewegung in die Sache zu bringenund deutlich zu machen, dass wir weiter vorangehenwollen.DuausfatvmbtüK1lmumagKcmgdtIpsgugRfSmtnsWabRwbd
Drittens. Wir brauchen in der Tat ein neues Koopera-ionsverhältnis zu Russland. Ich halte es für keine gutedee, wenn der NATO-Oberbefehlshaber mehr US-Trup-en in Mitteleuropa belassen will und das mit der Vor-orge gegenüber einem wiedererstarkten Russland be-ründet. Positives Denken heißt, die Interessen der EUnd Russlands in Übereinstimmung zu bringen. Dazuehören meines Erachtens die Neuverhandlungen überüstungsreduzierungen.Wie tief wir mittlerweile wieder in Rüstungswettläu-en stecken, zeigt sich auch daran, dass Russland dentatus seiner Atomwaffen wieder aufgewertet hat, weilan die drückende Überlegenheit der NATO im konven-ionellen Bereich kompensieren will. Das war früher ge-au umgekehrt. Wollen wir dieses Spiel endlos weiter-pielen?Auch das Beispiel Raketenabwehr zeigt, in welchereise die Russen reagieren: Sie wollen neue Raketenufstellen, die die beiden Staaten Tschechien und Polenedrohen. Das zeigt, dass wir uns wieder mitten in einemüstungswettlauf befinden.Wir brauchen eine echte und substanzielle Trend-ende. Das heißt, die NATO muss als großer Rüstungs-lock vorangehen. Wir brauchen eine Wiederbelebunges Konzepts der gemeinsamen Sicherheit, und wir
Metadaten/Kopzeile:
14476 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Paul Schäfer
brauchen eine neue kooperative Sicherheitsarchitektur inEuropa und damit die Revitalisierung der OSZE.
Für die Linke ist das eine prinzipielle Angelegenheit.Es geht nicht nur um die blutleeren Videosequenzen ei-nes vermeintlichen Hightech-Krieges; vielmehr geht esum Massenvernichtungswaffen, um Terrorwaffen, wiedie Gruppe um Hans Blix sie genannt hat. Es geht umAngst und Schrecken verbreitende Brandbomben, umStreumunition, die Zivilisten trifft, oder um mit abgerei-chertem Uran gehärtete Munition, die Menschen übermehrere Generationen schädigen kann.Es geht auch darum, dass Rüstung auch im Friedentötet. Mit den dafür verwendeten Mitteln könnte mansehr viele wichtige Aufgaben finanzieren. Abrüstung istein Gebot der Moral und der Vernunft.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Winfried Nachtwei
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Im Friedensgutachten 2007 schreibt Professor HaraldMüller von der Hessischen Stiftung Friedens- und Kon-fliktforschung – ich zitiere –: Rüstungskontrolle, Abrüs-tung und Nichtverbreitung liegen in einer beispiellosenAgonie. Die Hinrichtung der Rüstungskontrolle standauf der Agenda einer Koalition von Neokonservativenund militärgläubigen Nationalisten, die bis zu den Kon-gresswahlen 2006 maßgeblich die Richtung der amerika-nischen Sicherheitspolitik bestimmten. – Dass von derweltweiten Rüstungskontrolle wenigstens noch – ich zi-tiere weiter – Ruinen mit brauchbarer Substanz übrigge-blieben seien, sei dem Widerstand anderer westlicherStaaten wie Kanada, Schweden und Deutschland zu ver-danken.Im Jahresabrüstungsbericht wird deutlich, wie vielfäl-tig die Politik in dem Bereich ist, wie zäh und mühsamdie Bemühungen auf diesem Feld sind und wie massivund zum Teil fast deprimierend die Gegentrends sind.Deshalb finde ich es angebracht, gerade den Menschenzu danken, die in diesem Bereich konkret arbeiten. Dazugehören hier im Auswärtigen Amt Botschafter Lüdekingsowie diejenigen, die im Zentrum für Verifikationsauf-gaben der Bundeswehr und vor Ort in Projekten zur De-militarisierung, Demobilisierung und Reintegration tä-tig sind, und die sich in Nichtregierungsorganisationengegen Streumunition, Landminen und Atomwaffen ein-setzen.
Wir sind uns alle einig, dass der Vertrag über kon-ventionelle Streitkräfte in Europa ein Eckpfeiler derSrlERkgGrluwfdkViddnDdddhblevfdgEbvgfDgwVzssw–ßfwrAs
Im letzten Jahr wurde das Ottawa-Abkommen zumerbot von Antipersonenminen zehn Jahre alt. In der Tatst das Ottawa-Abkommen ein beispielloser Erfolg auser Zivilgesellschaft heraus. Das hat es zuvor noch nie iner Weltgeschichte gegeben. Inzwischen steht der huma-itäre Skandal um die Streumunition im Mittelpunkt.iese Munition wirkt unterschiedslos und trifft geradeie Zivilbevölkerung in Nachkriegsgebieten. Die Bun-esregierung tritt für ein Verbot von Streumunition ein;as ist gut so. Allerdings wird ihr Engagement ganz er-eblich dadurch geschmälert, dass seit einem Bundestags-eschluss, initiiert von der Großen Koalition – ich habe al-rdings eher den Eindruck, dass manche Formulierungenom Verteidigungsministerium kamen –, zwischen ge-ährlicher und ungefährlicher Streumunition unterschie-en wird. Ich sage ganz deutlich: Das ist humanitäre Au-enwischerei.
s geht darum, die Bewegung gegen die Streumunitionreit anzulegen und wirksam zu machen sowie für eineollständige Ächtung von Streumunition einzutreten.Zu Recht wird im Jahresabrüstungsbericht die Politikegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaf-en und für nukleare Abrüstung an erste Stelle gesetzt.ie Logik des Nichtsverbreitungsvertrages ist eigentlichanz einfach: Der Verzicht auf den Erwerb von Atom-affen ist nur möglich, wenn Atomwaffenstaaten ihrersprechen der nuklearen Abrüstung ernst nehmen undumindest schrittweise einlösen. Von Letzterem kanneit Jahren keine Rede mehr sein. Das Gegenteil findetogar statt. Der Prozess der Verbreitung von Nuklear-affen bzw. der dafür notwendigen Technologie drohtdarauf wurde schon mehrfach hingewiesen – völlig au-er Kontrolle zu geraten. Der von Präsident Kennedyormulierte Albtraum einer Welt mit Dutzenden Atom-affenstaaten droht allmählich Realität zu werden.Was kann Deutschland, was kann die Bundesregie-ung dagegen tun? Ich habe sicherlich kein Patentrezept.ber ich möchte zwei Aspekte ansprechen, die dabeiehr wichtig sind. Erstens. In der Bundesrepublik gibt es
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14477
)
Winfried Nachtwei– das wurde schon mehrfach angesprochen – einige Dut-zend amerikanische Atomwaffen. Verglichen mit den80er-Jahren ist das sicherlich nur ein Rest. Aber im Hin-blick auf die Nichtverbreitungspolitik der Bundesregie-rung sind diese Atomwaffen ein enormer Klotz am Beinder Glaubwürdigkeit unserer Politik.
Diese Atomwaffen müssen – sie waren ethisch sowiesonie verantwortbar und sind militärisch längst nicht mehrzu begründen – abgezogen werden. Bringen Sie bitte einbisschen Mut auf – das gilt auch für den Verteidigungs-minister, der erfreulicherweise an der Abrüstungsdebatteteilnimmt –, und sorgen Sie dafür, dass diese Waffen ab-gezogen werden, die nukleare Teilhabe aufgegeben wirdund alle taktischen Atomwaffen aus Europa verschwin-den!
Ein zweiter Aspekt ist das Abkommen zwischen denUSA und Indien über die Zusammenarbeit auf dem zivi-len Nuklearsektor. Manchmal wird gesagt, mit diesemAbkommen könne die Atomwaffenmacht Indien an dasSystem nuklearer Nichtverbreitung herangeführt wer-den. Das Motiv ist gut; aber die Tatsachen sind andere,und die Wirkung ist in völligem Gegensatz zu dem Mo-tiv eine fundamentale Schwächung dieses Systems. Nunkommt es in der Tat darauf an, wie sich die Bundesregie-rung in der Nuclear Suppliers Group, in der Entschei-dungen nur im Konsens möglich sind, hierzu verhält.Bitte nutzen Sie die Möglichkeit, diesen Schlag gegennukleare Nichtverbreitung zu verhindern. Tun Sie diesnicht, können Sie die ganze Glaubwürdigkeit Ihrer sonstehrlich gemeinten nuklearen Abrüstungspolitik in derPfeife rauchen. – Herr Minister, Sie haben jetzt direktdas Wort dazu.
Herr Kollege Nachtwei, die Worterteilung erfolgt im-mer noch durch den amtierenden Präsidenten. – Für dieBundesregierung hat nun Herr Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier das Wort.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abge-ordneten! Ich bedanke mich für die doppelte Wortertei-lung am heutigen Morgen. – Ich erwarte nicht, dass dieRegierung von der Opposition grenzenlos gelobt wird.WudaKzmHnDsenGhTddBahwmlSwsahavTivuisIhtgPBnwZdtBvamR
Metadaten/Kopzeile:
14478 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierJahr war: Wenn das neue Bedrohungen sind, die auchRussland betreffen, dann gibt es eigentlich gar keineNotwendigkeit, hier Entscheidungen über den russischenKopf hinweg zu treffen, sondern das bedeutet, mindes-tens den Versuch zu machen, Russland, das Objekt die-ser neuartigen Bedrohungen sein könnte, in die Gegen-wehr mit einzubeziehen.
Niemand, auch ich nicht, kann Ihnen sagen, ob dasam Ende gelingen wird. Aber in der abrüstungspoliti-schen Debatte, die wir heute Morgen führen, kann mandoch sagen, dass es immerhin ein Fortschritt gegenüberdem Zustand von vor zwölf Monaten ist, dass sich dieUSA und Russland jetzt in Gesprächen befinden, in de-nen Vorschläge ausgetauscht werden, wie man sich ge-meinsam gegen eine mögliche neuartige Bedrohung zurWehr setzt. Das ist ein Fortschritt gegenüber dem letztenJahr.
Diesen Fortschritt wünschte ich mir ausdrücklichauch beim KSE-Vertrag, Herr zu Guttenberg. Das istmir ein wirkliches Anliegen. Ich sehe das Risiko für unsEuropäer eigentlich darin liegen, dass es sein könnte,dass Teile der vertragschließenden Parteien – sowohl derUSA als auch Russlands – nicht mehr dasselbe Interessean der Erhaltung dieses Vertrages haben, wie das nochzum Abschluss der Fall war.Was bedeutet das für uns? Das heißt nicht, dass wiruns jetzt zerknirscht hinsetzen können und diesen Pro-zess beobachten können; vielmehr müssen wir daran er-innern, dass dieser KSE-Vertrag im Grunde genommendas Kernstück europäischer Abrüstungsarchitektur ist.
Wir dürfen für uns daraus ableiten, wenn die Bewertungrichtig ist, dass wir dieses Kernstück europäischer Ab-rüstungsarchitektur auch durch den Willen der beidenHauptstädte Moskau und Washington nicht in Gefahr ge-raten lassen dürfen. So ist es keine leichte Aufgabe, aberimmerhin haben wir uns dieser Aufgabe gestellt.Wir sind die Ersten gewesen, die im Oktober des ver-gangenen Jahres nach Bad Saarow eingeladen und er-staunlicherweise die Feststellung gemacht haben, dassall diejenigen, die sich bis dahin nicht zu Wort gemeldethatten, das gleiche Anliegen verfolgt haben, nämlich da-nach zu suchen, wie der KSE-Vertrag in seiner Grund-struktur erhalten bleiben kann und wie wir in einen Pro-zess eintreten, in dem möglicherweise die RatifizierungFortschritte macht. Nach Bad Saarow haben wir mittler-weile zwei Folgekonferenzen gehabt, eine in Paris undeine in Madrid. Wir haben von den Russen, denen wirvorwerfen müssen, dass sie den gegenwärtigen Zustand,in dem wir sind, provoziert haben, die Zusicherung, dasssie trotz des Inkrafttretens des Moratoriums bei diesenGesprächen weiterhin präsent sein werden und nach ei-ner Lösung suchen, die sich an den schon vorhin refe-rierten Kriterien orientieren muss.RtHketsIckvaagmsbgaftemAkvfwtkBwFILNbigsArdvk
nteressant ist auch – Sie alle, die Sie in den letzten Wo-hen in den USA unterwegs waren, haben das mitbe-ommen –, dass das nicht etwas ist, was isoliert für dieseier Personen steht. Das ist ein Thema, das sich in dermerikanischen Öffentlichkeit, auch auf den Titelseitenmerikanischer Tageszeitungen, breitmacht. Deshalb, solaube ich, dürfen wir durchaus hoffen, dass diese Stim-en gerade im Zuge der Vorbereitung auf die Präsident-chaftswahl zusätzlich Gehör finden.
Wenn wir bei Atomwaffen sind, dann sind wir auchei der Reform des Atomwaffensperrvertrags. Dieanze Thematik können wir jetzt hier nicht behandeln,ber ich bin einig mit denen, die vorhin hier am Mikro-on gesagt haben, dass wir es uns nicht noch einmal leis-en können, dass eine nächste Überprüfungsperiode sorgebnislos ausgeht wie die letzte.
Das setzt allerdings voraus, dass, erstens, die Atom-ächte bereit sind, an einer Reform, die das Regime destomwaffensperrvertrages nachhaltig sichert, mitzuwir-en, und dass, zweitens, wir, die wir auf Atomwaffenerzichtet haben, mit Ideen zur Seite stehen, um eine Re-orm möglich zu machen. Das ist der Grund dafür, dassir uns beteiligen, zum Beispiel mit Vorschlägen zur In-ernationalisierung des Brennstoffkreislaufes. Auch hierann ich Ihnen ankündigen: Wir werden Ende März inerlin eine Tagung veranstalten, auf der wir versuchenollen, in der internationalen Staatengemeinschaft beiragen wie dieser Mehrheiten zu bekommen.Herr Hoyer, ich bin – wenn ich das sagen darf – nichthrer Meinung, dass in der Nuklearfrage Indien/USA derackmustest nur dann bestanden wird, wenn wir in deruclear Suppliers Group bei einem schlichten Nein blei-en. Warum sage ich das? Die Lage ist komplex, und siest unbefriedigend. Sie ist aber nicht deshalb unbefriedi-end, weil wir dort eine Entscheidung zu treffen haben;ie ist vielmehr deswegen unbefriedigend, weil dertomwaffenstatus Indiens sich weit über den völker-echtlichen Rahmen hinaus entwickelt hat.Wir stehen jetzt vor der schwierigen Frage, wie wirarauf eigentlich reagieren. Völlig klar ist: Wir müssenon Indien gemeinsam verlangen, dass es Safeguard-Ab-ommen mit der EU trifft, dass es die internationale
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14479
)
)
Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierKontrolle sicherstellt und dass es sich auch zur nuklea-ren Abrüstung als Ziel bekennt. Das alles ist zwar völligrichtig, nur beantwortet es die Frage noch nicht.
Das gilt auch dann, wenn es sich im Augenblick eher an-ders verhält, wie Sie ganz richtig beschreiben.Wir müssen doch fragen: Wie reihen wir uns in dasSystem internationaler Kontrolle eigentlich ein? Daswar Gegenstand meiner Gespräche, die ich erst gesternVormittag in Wien mit al-Baradei geführt habe. Wirmüssen mit folgendem Sachverhalt verantwortungsvollumgehen: Wenn wir die Auffassung vertreten, dass wireine internationale Kontrolle unter dem Dach der Verein-ten Nationen, ausgeübt durch die Internationale Atom-energie-Organisation in Wien, brauchen, dann könnenwir die Interessen einer VN-Behörde bei unseren eige-nen Entscheidungen nicht ignorieren, auch nicht aus-nahmsweise. Damit sage ich nicht, dass unsere Entschei-dung vorprogrammiert ist. Ich sage nur: Wenn wir imÜbrigen dafür plädieren, den völkerrechtlichen Rahmenund die Arbeit der Vereinten Nationen zu achten, dannkönnen wir diesen Aspekt hier nicht einfach außen vorlassen. Damit sage ich nicht, dass die Entscheidung vor-programmiert ist. Ich sage nur: Wir sollten das berück-sichtigen.
Ich bedanke mich, dass Sie darauf hingewiesen ha-ben, dass Fragen der Streumunition, der Kleinwaffen,des Umgangs mit Landminen von dieser Bundesregie-rung durchaus erfolgreich aufgegriffen worden sind.Diese Fragen zu behandeln, bleibt eine Aufgabe für daslaufende Jahr. An all diesen Aufgaben wollen wir mitgroßer Hartnäckigkeit arbeiten.Ich komme zum Schluss. Abrüstungsarbeit bleibtwichtig. Sie wird immer Mühsal der Ebene bedeuten undnie schnelle Erfolge hervorbringen. Abrüstung wird ei-nen wichtigen Beitrag zu Frieden und Stabilität aber nurdann leisten können, wenn wir wieder lernen, stärker inden Kategorien von regionalen Sicherheitsstrukturenzu denken.
Deshalb plädiere ich dafür, dass sich unsere Diskussionnicht in Tagesfragen verliert. Regionaler Sicherheits-strukturen bedarf es in Asien, im Mittleren Osten undauch im Nahen Osten. Auch ich wünsche mir manchmal,dass die Welt einfacher wäre, als sie es tatsächlich ist. Esist nur leider nicht so.Vielen Dank.
Das Wort hat nun für die FDP-Fraktion die Kollegin
Elke Hoff.
L
W
w
u
h
d
u
G
t
k
d
s
w
b
n
r
a
m
r
r
A
U
i
H
A
g
U
d
W
d
f
v
n
S
S
a
g
s
K
b
j
N
s
J
v
s
r
M
m
d
k
f
Wir sind der Auffassung, dass die bilateralen Verein-arungen zwischen Washington und Neu Delhi in ihreretzigen Form die Normen und Prinzipien der nuklearenichtverbreitung unterminieren und dass sie im Wider-pruch zu dem stehen, was der Bundestag seit vielenahren und Jahrzehnten fordert. Durch Ihr Schweigenergeben Sie auch eine historische Chance, Indien tat-ächlich an das Nichtverbreitungsregime heranzufüh-en. Solche Fragen müssen im Vorfeld geklärt werden.an kann es nicht dem Prozess danach überlassen, dassan sich Schritt für Schritt auf den NPT zubewegt. Ichenke, es ist ein Gebot der Fairness und der Verlässlich-eit, im Vorfeld belastbare Signale und Reaktionen zuinden.
Metadaten/Kopzeile:
14480 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Elke HoffWenn so etwas wie nukleare Doppelstandards ent-stünden, die kaum zu erklären wären, wenn wir über dieSchwierigkeiten mit Iran diskutieren, würden wir uns ineine Position begeben, mit der wir die Funktion einesehrlichen Maklers im Bereich der Abrüstungspolitik ver-lassen würden. Wir sollten uns davor hüten, unser gutesund hohes Ansehen, das wir in der Welt auf diesem Ge-biet haben, aufs Spiel zu setzen, um vielleicht an der ei-nen oder anderen Stelle einer Vorstellung Nahrung zugeben, die wir dann nicht erfüllen können.Deutschland wird im Mai 2008 den Vorsitz haben.Wir erwarten von der Bundesregierung daher, dass sieden Vorsitz dazu nutzt, entsprechende abrüstungspoliti-sche Bedingungen einzufordern.
Die abrüstungspolitische Glaubwürdigkeit ist ein Kapi-tal, das Deutschland nicht aufs Spiel setzen darf. Wennrenommierte Außenpolitiker wie Henry Kissinger – ichdarf an dieser Stelle aber auch unseren ehemaligen Bun-desaußenminister Hans-Dietrich Genscher erwähnen –vor dem Zerfall der etablierten Nuklearordnung und vorder drohenden Gefahr einer neuen Phase der nuklearenAufrüstung warnen, sollte dies für uns alle Anlass genugsein, uns heute hier Gedanken darüber zu machen, wel-chen Beitrag wir dazu leisten können.Ich darf jetzt auf das Thema Iran noch kurz zu spre-chen kommen, auch angesichts der Redezeit. – Für einendauerhaften Erfolg beispielsweise der Entschärfung deriranischen Nuklearkrise werden die P 5 und Deutsch-land, die in der nächsten Woche wieder in Berlin zu Be-ratungen zusammenkommen werden, auch bereit seinmüssen, neue Wege und Anreize zu finden. Deswegenbin ich froh, dass hier heute erwähnt worden ist, dassüber neue Strategien oder überhaupt über eine Strategiediskutiert wird. Machen wir uns nichts vor! Die Signalevon Zerstrittenheit, die zurzeit gegenüber dem Iran aus-gesendet werden, sind alles andere als hilfreich, wenn esdarum geht, in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis zukommen.
Solange einige Akteure hinter den Kulissen den An-reicherungsstopp und einen potenziellen Regime-Changeimmer noch miteinander verknüpfen und solange be-schlossene Wirtschaftssanktionen in der Realität von vie-len unterlaufen werden, wird die bisherige Drohkulissegegenüber dem Iran langfristig wenig Wert haben. Wenndie eigene, die interne Glaubwürdigkeit dadurch infragegestellt wird, dann müssen wir uns doch nicht wundern,wenn Iran mit seinen vielfältigen internationalen Wirt-schaftsbeziehungen Möglichkeiten suchen wird, einenBypass zu finden. Das wird immer möglich sein; deshalbmuss über die Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen nach-gedacht werden, auch um die eigene Glaubwürdigkeit zuerhalten.Wir sind deshalb der Meinung, dass die Aufnahmevon bilateralen Verhandlungen zwischen Washingtonund Teheran spätestens nach den US-Präsidentschafts-wahlen zumindest in Erwägung gezogen werden muss,zumindest angedacht werden sollte. Einen Erfolg bilate-rmdnmwkPRlrwdesmnsfHwndaStbdaDHwwFzkßbbtergnubD„
Nächster Redner ist nun der Kollege Holger Haibach
ür die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns,ie ich glaube, in der Analyse einig, dass sich die inter-ationalen Abrüstungsbemühungen in einer Krise befin-en. Ich würde sagen, dass diese Krise Ausfluss einernderen Krise ist, nämlich der Krise der internationalentaatengemeinschaft insgesamt. Überall, wo in interna-ionalen Strukturen agiert wird, sehen wir große Pro-leme. Denken Sie nur an die Reform der UN oder an-ere Dinge. All das wirkt sich eben auch an dieser Stelleus.Natürlich ist es richtig, dass dann einem Land wieeutschland eine besondere Bedeutung zukommt. Herroyer hat darauf hingewiesen, dass wir dadurch, dassir uns – richtigerweise – entschlossen haben, Atom-affen zu entsagen, in einer besonderen Position sind.rau Hoff hat davon gesprochen, dass wir Deutsche so-usagen die Position des ehrlichen Maklers übernehmenönnen. Wir sollten uns aber davor hüten, deutsche Au-enpolitik mit Erwartungen aufzuladen, die sie beimesten Willen zu erfüllen nicht in der Lage ist. Wir ha-en eine wichtige Aufgabe; das ist keine Frage. Wir soll-n aber – das ist, wie ich glaube, auch wichtig, zu sehen –ealistisch mit unseren Chancen und Möglichkeiten um-ehen. Ich kann das gerne am Beispiel des amerika-isch-indischen Deals festmachen.Ich habe großes Vertrauen in diese Bundesregierungnd gehe davon aus, dass sie sich nach besten Kräftenemüht. Aber wenn der Bundesaußenminister nach Neu-elhi fliegt und seinem indischen Amtskollegen sagt:Begebt euch einmal schön unter den Hut der internatio-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14481
)
)
Holger Haibachnalen Gemeinschaft“, so wird das – das ist mein Ein-druck – wohl kaum dazu führen, dass das tatsächlich so-fort so geschieht. Insofern müssen wir immer schauen,welche Möglichkeiten wir haben, auch aufgrund derFührungsrolle, die wir in der Nuclear Suppliers Grouphaben, aber wir sollten uns nicht überschätzen.Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich dieseganze Debatte irgendwo zwischen Fatalismus und Idea-lismus abspielt. So müssen wir – es ist richtig, was derBundesaußenminister da gesagt hat – versuchen, dazwi-schen einen vernünftigen Weg zu finden. Die Politik derBundesregierung zeigt ja sehr deutlich, dass man sichstark bemüht: Es gibt – das will ich an dieser Stelle aucheinmal sagen – quasi keine internationale Krise undquasi keine internationale Vereinbarung, an der dieseBundesregierung nicht maßgeblich beteiligt gewesen ist,sei es der Nahostkonflikt, sei es der Atomstreit mitNordkorea, sei es die Krise der KSE.
– Nicht an der Krise, sondern an der Bewältigung dieserKrise. – Es gibt auch noch viele andere Bereiche, in de-nen diese Bundesregierung beteiligt ist. All diejenigen,die kritisieren, dass die Erfolge nicht so gewesen sind,wie sie es sich gewünscht hätten, die dürfen nie außerAcht lassen, dass wir nicht die einzig Beteiligten gewe-sen sind. Dass die Bundesregierung einen großen Anteilan der Beilegung von Konflikten gehabt hat, steht außerFrage. Das sollten wir auch deutlich machen.
Ich möchte einen zweiten Punkt erwähnen. Es wirddavon gesprochen, dass beispielsweise der amerika-nisch-indische Nukleardeal eine Herausforderung für dieetablierte Nuklearordnung sei. Das ist zweifelsohnerichtig. Um dieses Thema müssen wir uns ernsthaftkümmern. Es führt uns weiter zu der Frage, ob diese Nu-klearordnung eigentlich unserer heutigen Zeit noch ge-recht wird. Sie stammt aus einer Zeit, als es nur vierNuklearstaaten gab. Je nachdem, welchen Geheim-dienstberichten man glauben will, kann man sagen, dasses heute zehn, 15 oder 20 Staaten gibt, die in der Lagesind, spaltbares Material und vielleicht Bomben zu pro-duzieren. Da stellt sich die Frage, ob wir unser interna-tionales Instrumentarium nicht an dieser Tatsache aus-richten und weiterentwickeln müssen. Denn wir werdenkaum in der Lage sein, mit Instrumenten, die vor zehnoder 20 Jahren wirkungsvoll gewesen sind, die Heraus-forderungen der Zukunft zu meistern. Wir müssen viel-mehr zu Veränderungen bereit sein.
Das heißt aber nicht, dass wir von unserem Ziel ablas-sen, sondern dass wir die heutigen Gegebenheiten aner-kennen.
DdmvfdrtsnAwcdSDRngnHdggSdhcinndsHlATdreVKnfvswMhNP
Metadaten/Kopzeile:
14482 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Nächster Redner ist der Kollege Alexander Bonde für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Da das Außenbild der Koalition in Klima und Stil nicht
gerade von Abrüstung geprägt ist, ist es schön, dass zu-
mindest in dieser Debatte über große abrüstungspoliti-
sche Linien sowohl in der Koalition als auch im ganzen
Haus gewisse Gemeinsamkeiten festzustellen sind.
Der Jahresabrüstungsbericht 2006 liefert viel Interes-
santes. Es ist allerdings auch interessant, zu sehen, wie
wenig an der einen oder anderen Stelle steht, wo es dünn
wird, und festzustellen, wo die grundsätzlichen Linien,
über die wir uns einig sind, im konkreten Handeln mit
der einen oder anderen politischen Linie kollidieren. Das
eine oder andere Engagement ist wohl doch zu hinterfra-
gen. Der indische Nukleardeal ist angesprochen worden.
Wichtig ist aber auch die Frage der Streumunition.
Die Bundesregierung hat sich mit einem Trick, mit der
Aufteilung in gefährliche und ungefährliche Streumuni-
tion, aus der Bewegung herausgestohlen. Wenn man die-
sen Trick durchzieht, wird man bei der Streumunition
am Ende nur eine Modernisierung, aber keinen Ausstieg
aus der Nutzung dieser gefährlichen Munition erreichen.
Man muss bei dieser Koalition immer genau zwischen
den Zeilen lesen. Ich fürchte, dass Sie auf die Position
„Streumunition ist gefährlich – Punkt“ zurückgebracht
werden müssen.
Wenn die Bundesregierung unsere gemeinsame Posi-
tion ernst nimmt, muss sie mehr offensive Initiativen
vorlegen. Wir bedauern sehr, dass im Rahmen der G-8-
und der EU-Ratspräsidentschaft in diesem Zusammen-
hang von Deutschland wenig zu hören war.
Ein Aspekt, der uns besonders irritiert, taucht im Ab-
rüstungsbericht in einem Nebensatz auf. Es geht um die
Frage der Planung von US-Raketenabwehrsystemen in
Europa. Ich zitiere aus dem Bericht:
Neben dem Investitionsbedarf für aktuelle Einsätze
werden umfangreiche Ressourcen für Entwicklung
und Aufbau eines nationalen Raketenabwehrsys-
tems und die Erzielung von sog. space dominance
verwendet.
h
e
b
o
E
r
P
t
l
e
K
w
E
w
m
d
r
v
k
w
r
D
s
w
p
w
g
r
P
n
H
m
n
d
w
n
t
s
W
S
l
S
A
t
m 14. Januar dieses Jahres hat Barbados den Atom-eststoppvertrag ratifiziert.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14483
)
)
Uta Zapf
Das ist doch eine gute Nachricht. Aber vielleicht ist dasschon das Ende der guten Nachrichten. Ich denke, des-halb sind wir hier auch so engagiert. Ich bin ein bisschenerschrocken, Kollege zu Guttenberg, als Sie gesagt ha-ben, das sei ein Orchideenthema.
– Gut: gewesen. Das mag ja sein.Ich teile diese Meinung nicht. Denn womit haben wires hier zu tun? Mit ganz harten sicherheitspolitischenRealitäten. Wenn sich diese verschlechtern, wenn wirnicht handeln, dann kann es tatsächlich zu einer Kata-strophe kommen. Wenn Sie sagen, Visionen seien nichtso wichtig, sondern die Schritte, die dorthin führen, dannmöchte ich gerne die ehemalige Außenministerin vonGroßbritannien, Frau Beckett, zitieren, die sagt: Wirbrauchen Visionen, damit wir wissen, welche Schrittewir unternehmen müssen, um dort hinzukommen.
Ich glaube, das ist was, was wir hier tun, was unser Au-ßenminister tut und was wir in unseren Anträgen vor-schlagen.Wenn Shultz, Perry, Kissinger und Nunn in ihrem hierschon zitierten Aufruf in The Wall Street Journal schrei-ben, das das ganze System am Rande des Verderbens,auf der Kippe steht, dann müssen wir das, denke ich,sehr ernst nehmen. Wir müssen noch einmal ganz kon-kret die Diskussion darüber führen, was wir machenkönnen. Dazu möchte ich gern ein paar ganz konkreteVorschläge machen.Der erste betrifft die Frage, wie wir damit umgehen,dass bestehende Abrüstungsverträge entweder überhauptgar nicht umgesetzt werden, zum Beispiel START II, oderauf der Kippe stehen, zum Beispiel INF, also der Mittel-streckenvertrag, dass andere wie START I auslaufenoder dass andere ohne Verbindlichkeit sind, weil sieschnell widerrufbar, schnell kündbar, nicht irreversibelund nicht überprüfbar sind wie SORT. Es gibt einen Hin-weis: Die USA und Russland haben in Bezug auf INFeine Initiative zur Multilateralisierung dieses Vertragesangekündigt. Ich denke, das ist eine gute Initiative.
Denn das gesamte Problem beschränkt sich nicht aufdiese beiden Staaten, sondern hat mittlerweile wesent-lich größere Dimensionen erreicht. Wenn es gelingt,diese Diskussion anzustoßen, könnten wir einen Schrittweiterkommen. Für START I muss man mindestens eineVerlängerung erwirken oder versuchen, einen Nachfol-gevertrag auszuhandeln. Darauf sollten wir bei der Über-prüfungskonferenz Hinweise geben. Die Folgeverträgemüssen im Gegensatz zu SORT unumkehrbar und über-prüfbar sein.tstgsrvSkzhImNase–aNAAfvdmwdGgTwmLNvnbtdmekR
Ich glaube, wir müssen in der Nuclear Suppliersroup in Bezug auf dieses Abkommen folgende Bedin-ungen stellen: Indien muss den CTBT zeichnen, eineststoppmoratorium einhalten und die Produktion vonaffenfähigem Material verbindlich stoppen. Ich meine,an müsste von Indien auch verlangen, dass sich diesesand ähnlich wie andere Staaten zur Abrüstung seineruklearwaffen und nicht etwa zur weiteren Aufrüstungerpflichtet und sicherstellt, dass die vorhandenen Arse-ale nicht mithilfe aus der zivilen Nutzung abgezweigtenzw. umgeleiteten Materials aufgestockt werden können.
Das wäre ein Weg, Indien näher an das Nichtverbrei-ungsregime heranzuführen. Wenn das durchgesetzt wer-en könnte, dann würde ich mich sehr freuen. Nochehr würde ich mich freuen, wenn wir in diesem Hauseinen gemeinsamen Antrag in diesem Sinne beschließenönnten, weil das unserer Regierung ein Stück weit denücken stärken würde.Danke sehr.
Metadaten/Kopzeile:
14484 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Uta Zapf
Nun hat der Kollege Gert Winkelmeier das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Beim Studium der Jahresabrüstungsberichte kann mansich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die jeweili-gen Bundesregierungen darin stets kräftig auf die eigeneSchulter klopfen. Nicht dass ich etwas dagegen hätte;Klappern gehört bekanntlich zum Handwerk. Wenn Siedas aber machen, dann müssen Sie auch Substanziellesvorweisen können. Daran hapert es gewaltig.Die Bundesregierung betont immer wieder das seit Er-langung der vollen Souveränität gewachsene GewichtDeutschlands innerhalb der Staatengemeinschaft. Sieleitet daraus den Anspruch ab, in der Welt mehr als frühermitzureden und mehr Verantwortung zu übernehmen.Das ist an sich löblich. Doch eigenartigerweise hören wirdiese Begründungen meistens dann, wenn es darum geht,militärische Einsätze zu rechtfertigen oder einen ständi-gen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu fordern.Ich frage mich, wo die Bereitschaft zur Übernahmevon Verantwortung beim Thema „Abrüstung und Rüs-tungskontrolle“ bleibt. Hier könnte Deutschland interna-tional punkten und sein Ansehen durch rüstungskontroll-politische Initiativen weltweit signifikant verbessern,
wenn auch nicht bei jedem seiner Verbündeten; das willich gerne eingestehen.Exemplarisch für die Kluft zwischen dem Anspruchund dem realen Handeln der Bundesregierung ist fol-gender Vergleich: Auf Seite 4 des Jahresabrüstungsbe-richts 2006 steht, es bleibe das vorrangige Ziel der Bun-desregierung, „den internationalen Konsens … über die… Dringlichkeit der Bekämpfung der Verbreitung vonMassenvernichtungswaffen zu bewahren.“Doch diesem Ziel fehlt es am notwendigen Engagement.Auf Seite 23 lesen wir im Zusammenhang mit dem Bio-waffenübereinkommen:Wegen der weiterhin großen Sprengkraft des The-mas wurde die Einführung eines Verifikationsme-chanismus für das BWÜ nicht weiter verfolgt.Doch was nützt der Welt eines der umfassendstenWaffenverbote, solange ein entsprechendes Kontroll-system fehlt – und das seit über 30 Jahren! Wir wissenalle, wer hier der Hauptbremser ist. Sie rühmen sich, dieÜberprüfungskonferenz 2006 proaktiv vorbereitet zu ha-ben. Nur, wo bleibt dieses Proaktive gegenüber derNATO-Führungsmacht? Ist die Bundesregierung jemalsauf die Idee gekommen, die zynischen, menschenver-achtenden Hoffnungen des Paul Wolfowitz anzupran-gern, dass biologische Waffen eines Tages zu einem po-litisch nützlichen Mittel werden könnten? Nein. SolcheSätze stehen aber seit 2000 in einem offiziösen US-Stra-tzdmlanssepSZrdnkäsmDIgätmthBsmAVadsVsdinwwddvsb
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14485
)
)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich glaube, auch die heutige Debatte zeigt, dassDeutschland in Abrüstungsfragen ein wichtiger Schritt-macher und Impulsgeber ist. Wir müssen unser Lichtdurchaus nicht unter den Scheffel stellen.Herr Minister, ich bedanke mich bei Ihrem Hausesehr herzlich für die geleistete Arbeit. Es stimmt einfachnicht, wenn hier festgestellt wird, dass sich Deutschlandan der Fortschreibung dieser wichtigen Ideen nicht kon-sequent und nicht ausreichend beteilige. Das Gegenteilist der Fall. Wir können viele Beispiele dafür anfügen,nicht nur aus dem Bereich der Abrüstung und Nichtver-breitung; wir sind auch im Bereich der Kleinwaffen tä-tig. Mit dem International Code of Conduct unterstützenwir die Rüstungsexportkontrolle. Gerade an der Vernich-tung von Munition und überzähligen Waffen sind wirmit viel Geld und Engagement beteiligt, um beispiels-weise Reste aus den vergangenen Kriegen, insbesonderein Russland, zu beseitigen.Der Vorwurf, wir würden in praktischen Fragen zuwenig tun, trägt also mit Sicherheit nicht. Es ist natürlichimmer richtig, die Frage zu stellen. Wer keine Visionenhat, ist kein Realist. Wir sind aber visionär und betrach-ten die Dinge gleichzeitig realistisch. Das bedeutet na-türlich, dass wir uns darüber Gedanken machen, wie dieeinzelnen Probleme im sogenannten Krisenbogen zu se-hen sind. Wir nehmen uns jedes einzelne Land vor, vonIndien angefangen über den Iran bis hin zu Pakistan undanderen Ländern. Diese Themen sind uns geläufig undbekannt.Natürlich wissen wir, dass wir uns neu justieren müs-sen. Wir wissen auch, dass wir insgesamt eine Neube-wertung vorzunehmen haben, weil viele Instrumenta-rien, die in der Vergangenheit richtig waren, heutemöglicherweise neu zu bewerten und einzuordnen sind.Wir wissen, dass Verhandlungen und Dialog heute diewichtigsten Instrumente sind und zum Erfolg führen,dass Drohungen und Sanktionen nur selten wirksam sindund dass zur Problemlösung neben Sicherheitsgarantienauch Anreize gehören, die größer als die Furcht vorNachteilen sein müssen. Das ist ein ganz entscheidendesThema, das in dem Bereich Verhandlung und Dialog be-sonders dargestellt werden muss.Kofi Annan hat in seiner Abschlussrede als UN-Ge-neralsekretär festgestellt, dass Abrüstungsschritte imRahmen der bestehenden Verträge über atomare, biolo-gische und chemische Waffen sträflich vernachlässigtworden sind. Sein Nachfolger stellt auch fest, dass dieAnstrengungen verstärkt werden müssen. Vielleichtwäre es ja gut, wieder einmal den Vorschlag zu machen,im Rahmen der UNO eine weltweite Konferenz durch-zuführen, damit diesen wichtigen Themen wieder derSllNncvhthagawUmsrfng–ßTJnbalhnidzeSMnlhPizgKwB„aisW
Metadaten/Kopzeile:
14486 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Wenn wir aber Ausnahmen für alternative Munitionulassen wollen, dann geht das meines Erachtens nur,enn klare Bedingungen erfüllt werden. Ich will dreiennen: erstens eine nachgewiesene hohe technische Zu-erlässigkeit der alternativen Munition, zweitens dieachgewiesene Fähigkeit dieser Munition, militärischeiele tatsächlich punktgenau zu bekämpfen, und drittensine strikte Begrenzung der durch die Munition verstreu-en Sprengköpfe.Unsere Fraktion begrüßt einhellig den von der Bun-esregierung entwickelten Dreistufenplan für einen uni-ersellen Verzicht auf Streumunition. Er hat sich auchls nützliche Verhandlungsgrundlage herausgestellt. Erat zu einem Aufbrechen der Blockade der Genfer UN-erhandlungen im November 2007 beigetragen. Das warin großer Erfolg, besonders wenn man bedenkt, dass006 ein ähnliches Bemühen gescheitert ist.Darüber hinaus haben – das ist heute schon mehrfachngesprochen worden – zivilgesellschaftliche Organisa-ionen mit dazu beigetragen, dass wir im Rahmen des so-enannten Oslo-Prozesses im vergangenen Jahr ein gan-es Stück vorangekommen sind. Außerhalb des UN-ahmens haben sich mittlerweile 140 Staaten an Ver-andlungen über ein internationales Abkommen zurchtung von Streumunition beteiligt. Das ist ein ermuti-endes Zeichen, vor allen Dingen wenn man bedenkt,ass es ein Jahr zuvor nicht einmal 50 Staaten waren.Es ist wichtig, dass wir gemeinsam im Rahmen derN-Verhandlungen, aber auch zivilgesellschaftlich aniesem Thema arbeiten. Wir sollten im Rahmen desslo-Prozesses im Mai 2008 in Dublin zu positiven Ver-andlungsergebnissen kommen. Ich hoffe darauf, dass
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14487
)
)
Andreas Weigeldurch diese Ergebnisse, ähnlich wie im Ottawa-Prozess,ein Schneeballeffekt entsteht und dass wir in ZukunftStreumunition ächten und nicht mehr zum Einsatz brin-gen müssen.
Ich schließe die Aussprache.Zu Tagesordnungspunkt 22 a wird interfraktionell dieÜberweisung der Vorlage auf Drucksache 16/5211 an diein der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Die Entschließungsanträge auf den Drucksa-chen 16/7790 und 16/7791 sollen an dieselben Aus-schüsse überwiesen werden. Sind Sie damiteinverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-weisungen so beschlossen.Wir kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen.Tagesordnungspunkt 22 b. Beschlussempfehlung desAuswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantragder Fraktion Die Linke zum Jahresabrüstungsbericht2005 der Bundesregierung auf Drucksache 16/1483. DerAusschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 16/4594, den Entschließungsantrag derFraktion Die Linke auf Drucksache 16/2999 abzulehnen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer istdagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-nen, der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke.Tagesordnungspunkt 22 c. Beschlussempfehlung desAuswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der FraktionDie Linke mit dem Titel „Abzug der Atomwaffen ausDeutschland“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-schlussempfehlung auf Drucksache 16/4593, den Antragder Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/448 abzuleh-nen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werist dagegen? – Enthaltungen? – Auch diese Beschluss-empfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Ko-alitionsfraktionen, der FDP-Fraktion und der FraktionBündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FraktionDie Linke.Tagesordnungspunkt 22 d. Dabei geht es um die Be-schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zudem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mitdem Titel „Abrüstung der taktischen Atomwaffen voran-treiben – US-Atomwaffen aus Deutschland und Europavollständig abziehen“. Der Ausschuss empfiehlt in seinerBeschlussempfehlung auf Drucksache 16/4592, den An-trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-sache 16/819 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-schlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? –Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit denStimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen derFraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung derFraktion der FDP und der Fraktion Die Linke.Tagesordnungspunkt 22 e. Beschlussempfehlung desAuswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der FraktionBDlvsdDBgngbDADdBtzWftLFABrADnWdifDFmAdStnAalsmGB1)
raktion Bündnis 90/Die Grünen.Tagesordnungspunkt 22 g. Beschlussempfehlung desuswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Zivilbevölke-ung wirksamer schützen – Streumunition ächten“. Derusschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 16/4589, den Antrag der Fraktion Bünd-is 90/Die Grünen auf Drucksache 16/2749 abzulehnen.er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer istagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungst damit angenommen mit den Stimmen der Koalitions-raktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/ie Grünen bei Enthaltung der Fraktion der FDP und derraktion Die Linke.Tagesordnungspunkt 22 h. Wir kommen zur Abstim-ung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigenusschusses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mitem Titel „Keine neuen Raketen in Europa – stattdessentärkung der globalen Sicherheit durch Rüstungskon-rolle und Abrüstung“. Der Ausschuss empfiehlt in sei-er Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7516, denntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/5456bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-ung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-chlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stim-en der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion beiegenstimmen der Linken und Enthaltung der Fraktionündnis 90/ Die Grünen.Damit rufe ich den Zusatzpunkt 9 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten JörgRohde, Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPAnlage 2
Metadaten/Kopzeile:
14488 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtAltersvorsorge für Geringverdiener attraktivgestalten– Drucksache 16/7177 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ichhöre dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb von der FDP-Frak-tion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Gestern hatten wir Gelegenheit, über die Rentenfinanzensozusagen aus der Gesamtperspektive zu debattieren.Dabei wurde deutlich, dass sich die Liquidität der Ren-tenversicherung zwar insgesamt verbessert hat, dassdiese Verbesserung jedoch nicht auf die gute konjunktu-relle Entwicklung, sondern ausschließlich auf die Son-dereffekte des Vorziehens der Fälligkeit der Sozialversi-cherungsbeiträge und der Beitragssatzerhöhung Anfang2007 zurückzuführen ist. Ein Verdienst der Bundesregie-rung ist es also nicht.
Heute befassen wir uns nun mit dem Thema Alters-vorsorge aus der Perspektive des Einzelnen, und zwarunter besonderer Berücksichtigung der Frage: Lohnt sichdie private Vorsorge auch für diejenigen Versicherten,die vergleichsweise geringe Verdienste haben? Die Re-gierung und vor allem Vertreter der SPD-Fraktion habengestern bestritten, dass es bei der privaten Vorsorge vonGeringverdienern überhaupt ein Problem gibt, und ha-ben der Opposition vorgeworfen, die Menschen in un-verantwortlicher Weise zu verunsichern. Dem halte ichentgegen: Es gibt ein Problem bei der privaten Vorsorgevon Geringverdienern. Unverantwortlich ist alleine dasbeschönigende Gerede der Bundesregierung, vor allemder SPD.
Sie stecken den Kopf in den Sand. Sie betreiben eineVogel-Strauß-Politik. Die Dummen sind dabei wiedereinmal diejenigen, die sich trotz eines geringen Ver-dienstes nicht alleine auf den Staat verlassen wollen. Daskann und darf nicht sein.
Dabei hat der ehemalige BundesarbeitsministerWalter Riester selbst gestern in einem Interview mitSpiegel Online die Problematik grundsätzlich gut umris-sen:Wenn jemand in fortgeschrittenem Alter erkennensollte, dass er nach der Pensionierung ganz sicherauf die Grundsicherung von 660 Euro im Monat an-VMcsrnisDtnVAigbusdIHbesdfdDnwiDanprwnleihSm
ird es auch bei der Riester-Rente für Geringverdienern absehbarer Zeit Bewegung bei der Regierung geben.as ist auch gut so.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD,ller guten Dinge sind drei. Machen Sie es sich selbsticht zu schwer; der Kollege Peter Weiß, der als renten-olitischer Sprecher für diese Frage zuständig ist, hat be-eits signalisiert, dass er Handlungsbedarf sieht, auchenn sein Lösungsansatz jedenfalls für Geringverdienericht zielführend ist. Das Beste, was ich Ihnen empfeh-en kann, ist: Stimmen Sie dem FDP-Vorschlag zu; dennr ist ein Vorschlag mit Augenmaß. Im Folgenden werdech ihn noch näher erläutern.Zuvor muss ich allerdings klarstellen, dass die gesternier gemachte Aussage des Kollegen Schaaf von derPD – Herr Kollege, ich bitte Sie, zuzuhören –, manüsse nur Mindestlöhne einführen und dann sei das Pro-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14489
)
)
Dr. Heinrich L. Kolbblem gelöst, einfach nicht stimmt. Wir haben die Zahlenin unserem Antrag aufgeführt; Sie sehen sie in der Be-gründung. Ein Versicherter mit einem Monatsverdienstvon 1 850 Euro muss über 35 Jahre in die Rentenversi-cherung einzahlen, um Grundsicherungsniveau zu errei-chen. Bei 1 625 Euro Bruttomonatsverdienst sind es40 Jahre, und ein Versicherter mit 1 450 Euro Monats-verdienst muss 45 Jahre Beiträge einzahlen, um Grund-sicherungsniveau zu erreichen.
– Ja, eingezahlt haben.1 450 Euro brutto im Monat, Herr Schaaf, entspre-chen bei einer 38,5-Stunden-Woche – Urlaubsbezahlung,Feiertagsbezahlung, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld sindeingerechnet – einem Stundenlohn von etwa 7,80 Euro.Das liegt also deutlich über dem, was die SPD nach mei-ner Kenntnis an Mindestlohn fordert. Diese Ausredezieht jedenfalls nicht, Herr Schaaf.
Es zieht auch nicht der Hinweis auf eine angeblichnur geringe Zahl von Betroffenen. Dass heute nur2 Prozent der Menschen – etwa 370 000 – im Rentenal-ter Grundsicherung beziehen, ist nicht mehr als ein ers-tes Indiz. Dass der Kreis der künftig Betroffenen erheb-lich größer sein wird, ergibt sich schon daraus, dass mitdem von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenenRentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz das Renten-niveau bis zum Jahr 2030 um rund 20 Prozent abgesenktwird. Dazu kommt, dass mehr und mehr Erwerbsbiogra-fien längere Zeiten von Arbeitslosigkeit und insbeson-dere ALG-II-Bezug enthalten, in denen für die Alters-vorsorge so gut wie nichts getan wird.Als Drittes muss der Trend weg von der Vollzeitbe-schäftigung bedacht werden. Bereits ein Drittel allerBeschäftigten arbeitet heute nicht mehr Vollzeit, hat ent-sprechend niedrigere Bruttogehälter und wegen der Bei-tragsäquivalenz der gesetzlichen Rente auch eine ent-sprechend geringere Rentenerwartung.Herr Schaaf, Sie müssen also nicht nur einen Min-destlohn von 7,80 Euro fordern, sondern auch verlangen,dass es nur noch Vollzeitarbeitsverhältnisse gibt, um si-cherzustellen, dass das Problem, dass wir vortragen, inZukunft nicht mehr relevant wird.
Man muss auch wissen, dass von den 10 MillionenRiester-Sparern etwa 2,5 Millionen, also ein Viertel, ei-nen Bruttojahresverdienst von 12 000 Euro und wenigerhaben. Dieser Personenkreis ist aus heutiger Sicht ex-trem gefährdet, im Alter in die Grundsicherung zu gera-ten und damit der vollen Anrechnung nach heutiger Ge-setzeslage zu unterliegen. Damit ist klar, dass gehandeltwerden muss.Es muss heute gehandelt werden, weil RentenfragenVertrauensfragen sind und lange Übergangszeiträume er-forderlich sind. Wir müssen heute dafür sorgen, dassjzvdlsdjt–dwetcptdlDSpstbadcfatcDsrstnrrvFf
Das ist aus Sicht des Einzelnen irrational. Ihm vorzu-chlagen, Herr Schaaf, er solle sparen, obwohl er nichtsavon hat, ist doch einfach irrational. Dies entbehrt docheder Grundlage und widerspricht den Erfahrungen desäglichen Lebens. Ich werde den Verdacht nicht losHerr Schaaf, ich spreche Sie an, weil Sie sich hier inie Debatte einschalten –, dass diejenigen, die das frei-illige Sparen nicht attraktiv machen wollen, am Endetwas ganz anderes im Sinn haben, nämlich ein Obliga-orium, eine Riester-Pflicht. Dagegen allerdings spre-hen wir uns ganz entschieden aus.
Der Gedanke unseres Antrags ist auch: Derjenige, derrivat für sein Alter vorsorgt, der also einen Riester-Ver-rag abgeschlossen hat, muss mehr als derjenige haben,er nichts getan hat und sich alleine auf den Staat ver-ässt. Das ist eine Grundforderung der Gerechtigkeit.as widerspricht nicht dem Subsidiaritätsprinzip derozialhilfe; im Gegenteil, das ergänzt das Subsidiaritäts-rinzip in sinnvoller und gerechter Weise. Unser Vor-chlag lautet also: Wer privat oder betrieblich für das Al-er vorsorgt, der soll, wenn er Grundsicherung im Alterezieht, bis zu 100 Euro aus seiner Vorsorge monatlichls Freibetrag vorab behalten dürfen. Bei Beträgen, diearüber hinausgehen, sollen 80 Prozent auf die Grundsi-herung angerechnet werden. Das ist maßgeschneidertür die Bedürfnisse gerade von Geringverdienern, dieuch nach langer Riester-Sparzeit in der Regel über Be-räge von 100, 150 oder 200 Euro im Monat aus zusätzli-her privater Vorsorge nicht hinauskommen werden.eswegen wird das den Interessen gerade dieser Men-chen gerecht.Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, unse-em Antrag im Ausschuss und auch im Plenum zuzu-timmen, damit die private Altersvorsorge, die ein wich-iges Standbein der Alterssicherung in Deutschland ist,icht in Misskredit gerät und sich die Menschen in unse-em Lande, die sie gut gebrauchen können, weil sie ge-ing verdienen, nicht von ihr abwenden.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieDP legt uns heute einen Antrag vor, in dem sie uns auf-ordert, etwas zu beschließen, was schon Realität ist;
Metadaten/Kopzeile:
14490 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Dr. Ralf Brauksiepedenn der Antrag heißt „Altersvorsorge für Geringverdie-ner attraktiv gestalten“. Was ist denn attraktiv, wennnicht eine Förderung von bis zu 90 Prozent für jeman-den, der 5 Euro Eigenbeitrag im Monat leistet?
Das ist eine attraktive Förderung. Was ausgerechnet Sievon der FDP geritten hat, hier den ansonsten völligselbstverständlichen Nachrangigkeitsgrundsatz bei einersteuerfinanzierten Fürsorgeleistung aufzugeben, bleibtIhr Geheimnis.
Es zeigt sich jedenfalls: Ordnungspolitik ist bei uns gutaufgehoben und nicht bei Ihnen. Ihre Vorschläge habenmit Ordnungspolitik nichts zu tun.
Die Pressemitteilungen der letzten Tage waren in die-sem Zusammenhang wirklich sehr interessant. Ich willausdrücklich auf das verweisen, was das Bundesarbeits-ministerium in Reaktion auf einen Bericht öffentlich er-klärt hat.
Herr Kollege Brauksiepe, erlauben Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Kolb?
Bitte schön. Sie waren schon eine Minute lang nicht
dran. Daher habe ich Verständnis für die Zwischenfrage.
Herr Kollege Brauksiepe, nachdem Sie uns hier ge-
scholten und der ordnungspolitischen Nachlässigkeit ge-
ziehen haben, wollte ich fragen, wie Sie die Forderung
Ihres Fraktionskollegen Peter Weiß beurteilen, der doch
öffentlich gefordert hat, man solle die Hälfte der Riester-
Vorsorge bei der Anrechnung außen vor lassen. Das
müsste dann mindestens ebenso verwerflich sein. Wie
beurteilen Sie das?
Herr Kollege Kolb, ich spreche hier als Sprecher derCDU/CSU-Fraktion für den Bereich Arbeit und Sozia-les. Was ich Ihnen sage, entspricht der Meinung derCDU/CSU-Fraktion.
Ich komme auf das zurück, was das Arbeitsministe-rium zu einem Fernsehbericht, in dem von Recherchendie Rede war – die Recherchen bestanden in einem BlickiwIKIFwDtntdGbmJvdurwtdhlSshseDzzsuwsgbdGssc
Ich komme auf den Gesetzentwurf zurück, den die da-alige rot-grüne Regierung zu diesem Thema hier imahr 2000 eingebracht hat. Da hieß es ausdrücklich: Umerschämte Armut, insbesondere im Alter, zu verhin-ern, wird die Inanspruchnahme von Hilfe zum Lebens-nterhalt dadurch erleichtert, dass auf den Unterhalts-ückgriff gegenüber Kindern und Eltern verzichtetird. – Es ging um die Vermeidung von verschämter Al-ersarmut. Wir hatten damals unsere Bedenken wegener unklaren Finanzierungslasten für die Kommunen. Daaben wir leider recht behalten. Die Frage der Auftei-ung der Finanzen gibt bis heute Anlass zu permanentemtreit zwischen Bund und Kommunen.Aber es bestand doch Einigkeit darin: Arm ist insbe-ondere derjenige im Alter, der verbriefte Rechte, die erat, nicht in Anspruch nimmt, aus Scham, aus Unwis-enheit oder aus anderen Gründen. Wer diese Leistungenrhält, vermeidet, arm zu werden. Es ist falsch, in derebatte ständig den Umstand, dass jemand Transfers be-ieht, damit gleichzusetzen, dass er arm ist. Transferbe-ug ist kein Kennzeichen für Armut.
Es gibt erstaunliche Pressemitteilungen. In einer Pres-emitteilung der grünen Kolleginnen Christine Scheelnd Irmingard Schewe-Gerigk, die ich gelesen habe,ird erst einmal pflichtgemäß die Regierung be-chimpft, und zwar für gesetzliche Zustände, die die rot-rüne Bundesregierung herbeigeführt hat. Dann schrei-en Sie: Wir waren schon immer der Auffassung, dassie private Altersvorsorge nicht auf die gesetzlicherundsicherung angerechnet werden darf. – Das istchon erstaunlich. Sie haben in dem gemeinsamen Ge-etzentwurf aus guten Gründen festgelegt, dass eine sol-he Anrechnung erfolgt. In der Begründung steht:Soweit das Kapital seiner Zweckbestimmung ent-sprechend im Alter aufgelöst wird, werden die da-raus erzielten Einnahmen auf die Sozialhilfe ange-rechnet.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14491
)
)
Dr. Ralf BrauksiepeSie selbst haben das im Jahr 2001 beschlossen, undjetzt sagen Sie, Sie seien schon immer der Auffassunggewesen, die private Altersvorsorge dürfe nicht auf diegesetzliche Grundsicherung angerechnet werden. Fürwie dumm oder vergesslich halten Sie die Menschen ei-gentlich, meine Damen und Herren von den Grünen?
Herr Kollege Gysi, jetzt können Sie mit dem Klat-schen aufhören; jetzt komme ich nämlich zu Ihnen imZusammenhang mit der Frage: Für wie dumm oder ver-gesslich halten Sie die Leute eigentlich? Ihre Fraktionhat sofort erklärt: Riester-Betrug sofort stoppen! Ich binzugegebenermaßen kein Jurist, aber so viel weiß ich: Be-trug ist eine Straftat. Jemanden nur deswegen, weil eranderer Meinung in der Sache ist, als Straftäter zu be-zeichnen, ist eines Demokraten unwürdig.
Ich habe herausgesucht, wie eigentlich die rentenpoli-tische Bilanz dieser Partei, die sich zurzeit „Die Linke“nennt und die auch einmal anders hieß, aussieht. ImJahr 1989 hat der damalige SED-Chef, Erich Honecker,aus Anlass des 40. Jahrestages der DDR einmal kräftigetwas auf den Tisch gelegt
und hat kräftig die Mindestrente in der DDR auf330 Mark erhöht.
Ich wiederhole: sage und schreibe 330 Mark, natürlichDDR-Mark. Die D-Mark wurde ja erst ein Jahr später– gegen den ausdrücklichen Widerstand von OskarLafontaine – mit der Währungsunion eingeführt.330 DDR-Mark Mindestrente, das war Ihre Bilanz.
Das ist das, was Sie vorzuweisen haben. 480 MarkHöchstrente nach 45 Versicherungsjahren, das ist IhreRentenpolitik. Sie sind die Letzten, die einen Grund ha-ben, uns Betrug vorzuwerfen. Die deutsche Einheit warein Glücksfall für uns alle, und wir haben alle davon pro-fitiert. Die DDR-Rentner haben in besonderem Maßevon der deutschen Einheit profitiert. Das ist eine Tatsa-che.
Die Große Koalition muss nicht erst in Zukunft han-deln, weil wir in diesen Fragen schon in der Vergangen-heit gehandelt haben und es weiter tun. Wir stellen auchin diesem Jahr erhebliche Zuschüsse für sämtliche Säu-len der Alterssicherung zur Verfügung. Auch in diesemJahr sind im Bundeshaushalt fast 80 Milliarden Euro Zu-schuss zur gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehen.Wir haben schon im letzten Jahr beschlossen, zur Stär-kiEWp1nhlhgtbDkMaucmteDriIahRadasrdfwsmnmVbatnvtwud
Wir sind in der Großen Koalition selbstverständlichm Gespräch darüber, wie wir das sogenannte Riester-nstrumentarium noch verbessern können. Dabei geht esuch um die Förderung des Eigenheims im Zusammen-ang mit der Altersvorsorge.Wir erwarten für Ende März den dritten Armuts- undeichtumsbericht der Bundesregierung. Der Bundes-rbeitsminister hat ihn in dieser Woche im Ausschuss füriesen Termin angekündigt. Wir werden dann konkretektuelle Zahlen dazu haben, wie groß das Problem ist,odass wir wissen, über wie viele Menschen wir jeweilseden. Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die die Bun-esregierung uns mitteilt, werden selbstverständlich ein-ließen, wenn es darum geht, ob und gegebenenfalls anelchen Stellen wir die private Altersvorsorge über diechon heute bis zu 90-prozentige Bezuschussung hinausit staatlicher Förderung noch attraktiver machen kön-en.Völlig klar ist: Es ist richtig, dass man die Förder-öglichkeiten nutzt, die schon jetzt da sind. Auch dieerbraucherschützer sagen vor dem Hintergrund der De-atten in diesen Tagen völlig zu Recht: Niemand sollteuf die Zulagen verzichten, die er für seine private Al-ersvorsorge bekommt. Es ist richtig, sie in Anspruch zuehmen. Es ist politisch richtig, sie anzubieten. Es wäreöllig falsch, auf die umfangreichen Fördermöglichkei-en zu verzichten. Wir werden die Debatten fortsetzen,enn die neuen Erkenntnisse aus dem dritten Armuts-nd Reichtumsbericht vorliegen.Völlig klar ist schon heute auch: Die Warnungen vorem Abschluss eines Vertrages über eine Riester-Rente
Metadaten/Kopzeile:
14492 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Dr. Ralf Brauksiepesind völlig fehl am Platze. Das Gegenteil ist richtig.„Bitte weiter riestern!“, so hat das Handelsblatt gesterneinen Beitrag überschrieben. Diesen Appell teilen wir.Das ist genau der richtige Weg.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi von der
Fraktion Die Linke.
Davon abgesehen geht es heute um die Riester-Renteund damit um die Veränderungen in der Rentenpolitik,die allerdings von SPD und Grünen eingeleitet wordensind. Sie haben die Rentenformel der gesetzlichen Renteverändert. Sie haben gesagt: Die Rentenentwicklungwird nicht mehr an die Produktivität gekoppelt. Sie be-gründeten das mit der Demografie; aber ich sage Ihnen:Produktivität schlägt Demografie. Das war Ihr entschei-dender Fehler, und zwar ein Fehler, der auch zur Alters-armut führt.
1990 spiegelte die gesetzliche Rente 75 Prozent derdurchschnittlichen Löhne und Gehälter wider. Heutesind wir bei 51 Prozent, angestrebt werden 40 Prozent.Ergo haben Sie auch gewusst, dass Sie Altersarmut orga-nisieren. Das ist das eigentliche Problem.
Alle Veränderungen, die damit in Zusammenhang ste-hen, waren diesbezüglich durchdacht. Im Osten wird Al-tersarmut ganz verschärft auftreten, aber ebenso im Wes-ten. Auch das wissen Sie. Sie wird nicht bei denheutigen Rentnerinnen und Rentnern auftreten – bei de-nen ist es zum Teil schon schlimm genug –, sondern beidenen, die jetzt arbeiten und die dann nur Anspruch aufMinirenten haben.Warum? Sie von SPD und Grünen waren nicht bereit,die alte Formel aufrechtzuerhalten. Zu Beginn Ihrer Re-gdEFfeiFzddnhcAzrreArvgesfZvnRGwEswsk–h6Cn
in Jahr später hat sich Schröder aber bei Union undDP entschuldigt und die Kohl-Formel wieder einge-ührt. Das war damals die Wahrheit.Sie waren auch nicht bereit, zu sagen: Wir machenine Rentenreform und beziehen sämtliche Einkommenn die Rentenzahlungen ein, so wie es in der Schweiz derall ist.Sie waren nicht bereit, die Beitragsbemessungsgren-en anzuheben bzw. aufzuheben. Der große Vorteil wäreoch endlich einmal eine Entlastung der Mittelschicht;enn die durchschnittlich Verdienenden müssen doch ei-en höheren Prozentsatz bezahlen, weil Sie die Bezieheroher Einkommen nicht in die gesetzliche Rentenversi-herung einbeziehen. Kommen Sie mir ja nicht mit demrgument, dass das dann zu extrem hohen Rentenaus-ahlungen führen würde. Man kann die Rentensteige-ung abflachen. Das hat auch das Bundesverfassungsge-icht im Rahmen einer solidarischen Versicherungrlaubt. Es gäbe Lösungen. Sie aber sind den Weg derrmutsrente gegangen, und zwar zum Nachteil der Ge-ing- und Durchschnittsverdiener. Das ist das Problem.
Nun wussten Sie ja, dass damit eine geringere Renteerbunden ist. So sind Sie auf die Idee der Riester-Renteekommen. In diesem Zusammenhang haben Sie sichntschlossen, die Geringverdiener und andere zu unter-tützen, und deshalb die staatlichen Zuschüsse einge-ührt. Nun ist es ja zum Ersten so, dass die staatlichenuschüsse zunächst einmal der Allianz und anderen pri-aten Versicherungen zugute kommen. Das kann man jaicht leugnen. Zum Zweiten sparen Sie, sofern eineiester-Rente vorhanden ist, bei den Ausgaben für dierundsicherung, weil die Riester-Rente ja angerechnetird.
rgo: Die Zuschüsse, die Sie jetzt zahlen, sparen Siepäter, indem Sie weniger für die Grundsicherung auf-enden müssen. Man muss nur einmal darauf hinwei-en, damit diese Tatsachen auch der Bevölkerung be-annt werden.
Die Allianz Versicherung ist ja auch sehr dankbar. Ichabe Ihnen das schon einmal dargelegt. Sie hat an Sie0 001 Euro gespendet, an die Union 60 001 Euro, dieSU hat diese noch einmal extra bekommen. Die Grü-en haben 60 001 Euro bekommen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14493
)
)
Dr. Gregor GysiDie FDP hat sich daneben benommen und hat nur50 001 Euro bekommen.
Wir haben gar nichts bekommen. Ich halte es für wich-tig, dass es noch eine Partei im Bundestag gibt, die nichtvon der Allianz gesponsert wird. Das sage ich Ihnenauch ganz klar.
Nun kommen wir auf das Beispiel aus der SendungMonitor. Worum ging es da eigentlich? Machen wir eseinmal ganz deutlich: Es geht um zwei Verkäuferinnen,die beide ein Einkommen von 1 000 Euro haben. Beideerhalten einen Werbebrief, in dem die Riester-Rente alsganz toll dargestellt wird. Gerade weil sie so wenig ver-dienen, sollten beide sie abschließen. Die eine entschei-det sich dafür, die Riester-Rente abzuschließen und dieBeiträge zu zahlen. Die andere sagt, sie habe so wenig,sie brauche das Geld, was sie für die Beiträge aufwendenmüsste, für Lebensmittel und schließt keinen Riester-Vertrag ab. Beide bekommen später eine so geringeRente, dass sie davon gar nicht leben können. Ergo be-kommen sie die Grundsicherung.
– Dazu, als Sozialleistung. – Nun sagen Sie den beiden:In dem einen Fall wird die Riester-Rente angerechnet,dadurch fallen die Zahlungen zur Sicherstellung derGrundsicherung etwas geringer aus. In dem anderenFall, wo es keine Riester-Rente gibt, fallen die Zahlun-gen zur Sicherstellung der Grundsicherung höher aus.Beide bekommen aber am Schluss den gleichen Betrag.
Sie können doch nicht leugnen, dass die Verkäuferin, dieüber Jahre Beiträge zur Riester-Rente gezahlt hat, sicham Ende betrogen fühlt. Das ist doch einfach so.
Sie sagt sich nämlich: Hätte ich die Beiträge nicht be-zahlt, bekäme ich höhere staatliche Sozialleistungen undhätte früher Monat für Monat mehr ausgeben können.Das ist doch ganz einfach.Nun sagen Sie mir – das sagte auch schon HerrRiester –, das ist wie bei Sparguthaben bzw. höherer ge-setzlicher Rente. Das stimmt erstens bei höherer gesetz-licher Rente nicht. Hier ist es ja zunächst einmal so, dassman zu den Zahlungen verpflichtet ist; das ist ein großerUnterschied zur Riester-Rente, die noch freiwillig ist.Bei der gesetzlichen Rente muss ich zahlen, und mehr,als ich zahlen muss, darf ich auch gar nicht zahlen. Dasist hier der Unterschied. Zweitens stimmt es bei Spargut-haben nicht: Diese haben Sie auch gar nicht beworben.Aber Sie haben einen ungeheuren Werbefeldzug für dieRiester-Rente gestartet. Nirgendwo haben Sie geschrie-bagiemsokHvAtsdbsSwlEvawscsddwZdaWnezlDMrBn
Wie könnte man das Problem lösen? Das ist ja auchpannend. Jetzt wird die ganze Anrechnungsproblematikrdnungspolitisch diskutiert. Es versteht zwar draußeneiner; das Gleiche gilt ja auch für die Formeln, die Sie,err Brauksiepe, angeführt haben. Wer soll all das nach-ollziehen?
ber das ist ja egal. Wir diskutieren jetzt ordnungspoli-isch darüber. Da ist ja auch etwas dran; das alles ist jaehr kompliziert, und man stellt sich die Frage, warumas eine nicht angerechnet wird, aber das andere. Ergorauchen wir eine andere Herangehensweise: Sie müs-en die alte gesetzliche Rentenformel wieder einführen.ie müssen die Rentnerinnen und Rentner zukünftigieder an der gesellschaftlichen Produktivitätsentwick-ung beteiligen. Das ist das Entscheidende.
Ich sage noch einmal: Wir müssen als Nächstes alleinkommen zur Finanzierung der gesetzlichen Renten-ersicherung heranziehen. Wir müssen das Grundprinzipus der Schweiz übernehmen, wo man sagt: Es ist zwarahr, dass die Millionäre keine gesetzliche Rentenver-icherung benötigen, aber die gesetzliche Rentenversi-herung benötigt die Millionäre. Diesen Grundsatz müs-en wir durchsetzen.
Wir müssen darüber hinaus – ich habe es schon gesagt –ie Beitragsbemessungsgrenzen an- bzw. aufheben. Zuiesen mutigen Schritten sind Sie aber nicht bereit, ob-ohl sie für die Zukunft unserer Gesellschaft und für dieukunft der Rentnerinnen und Rentner dringend erfor-erlich wären. Neben diesen mutigen Schritten gäbe esber noch eine andere Möglichkeit. Sie könnten sagen:er später eine Grundsicherung bekommt und ergoichts von seinen Beiträgen hat, der bekommt Schaden-rsatz. Sie müssten dann die Beiträge mit Zinsen zurück-ahlen. Das wäre übrigens ein Weg, der bei Betrug üb-ich ist und deswegen nicht völlig aus der Welt ist.
iesen Weg werden Sie aber auch nicht gehen.Nun werden Anrechnungsmodelle ins Spiel gebracht.an könnte sie ausnahmsweise – nicht im Prinzip –echtfertigen, weil es eine Fehlinformation durch dieundesregierung gab. Aber eine Lösung bringt auch dasicht. Eine Lösung gibt es nur, wenn Sie den mutigen
Metadaten/Kopzeile:
14494 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Dr. Gregor GysiWeg gehen, die Rentnerinnen und Rentner wieder an derProduktivitätsentwicklung zu beteiligen, und den Abge-ordneten, Anwälten sowie den Ärztinnen und Ärzten sa-gen, dass sie künftig ebenfalls in die gesetzliche Renten-versicherung einzahlen müssen.Wir können die Beiträge sogar senken, wenn die hö-heren Einkommen herangezogen werden. Tun Sie alsoendlich etwas für die Geringverdienenden und für dieDurchschnittsverdiener und nicht nur für die Topverdie-ner, wie das bisher der Fall ist. Damit können wir den– so nenne ich es – Anlagebetrug beseitigen. Es ist einAnlagebetrug, weil Sie die Geringverdienenden ge-täuscht haben, indem Sie ihnen gesagt haben, dass es sowichtig ist, diese Rente abzuschließen. Jetzt sagen Sieaber: Ihr habt zwar einen Beitrag gegen Armut geleistet,aber er nutzt euch nichts. — Das ist nicht hinnehmbar.Danke.
Das Wort hat der Kollege Gregor Amann von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Dr. Gysi, dass Ihre Partei möglicherweise
keine Spende von der Allianz bekommen hat, scheint
eine dramatische Erfahrung für Sie zu sein.
Denn Sie haben darüber schon mehrfach im Parlament
gesprochen. Da ich aber weiß, dass Sie von dem nicht
geringen Vermögen der SED genügend Geld in die Bun-
desrepublik Deutschland herüberretten konnten, hält
sich mein Mitleid in engen Grenzen.
Zu den großen historischen Errungenschaften der
Bundesrepublik Deutschland gehört die Beseitigung der
Altersarmut. Das bedeutet nicht, dass es in Deutschland
keine alten Menschen gibt, die in Armut leben. Aber es
ist bei uns kein Massenphänomen, wie es in anderen
Ländern der Fall ist und wie es zu anderen Zeiten in
Deutschland der Fall war.
Nur knapp 3 Prozent der über 65-Jährigen leben heute
von der Grundsicherung im Alter. Das bedeutet umge-
kehrt, dass über 97 Prozent nicht auf staatliche Unter-
stützung zum Lebensunterhalt angewiesen sind. Andere
Bevölkerungsgruppen in der Bundesrepublik haben ein
deutlich höheres Armutsrisiko. Aber natürlich muss es
unser Bestreben sein, diesen Erfolg auch langfristig zu
sichern. Insofern ist das in der Überschrift des FDP-An-
trags formulierte Ziel in Ordnung. Wir sollten dabei al-
lerdings vermeiden – dabei schaue ich wieder nach links –,
A
S
h
D
g
i
s
s
d
g
K
s
z
W
s
r
s
R
G
d
b
I
n
f
c
w
R
u
b
a
d
g
l
b
b
R
c
Ich gebe zu, dass es bei der Riester-Rente keinen Ar-eitgeberanteil gibt.
ch habe nicht verstanden, worauf Sie mit Ihrer Frage hi-auswollen. Ich will daher mit meinen Ausführungenortfahren.Die Absenkung des Versorgungsniveaus der gesetzli-hen Rente – davon sprach ich gerade – ist deshalb not-endig, weil die Grundlage unseres umlagefinanziertenentensystems seit Jahren einem dramatischen Wandelnterworfen ist: auf der einen Seite die steigende Le-enserwartung – Stichwort: Rentenbezugsdauer – unduf der anderen Seite die sinkende Geburtenrate. Ohneie Reformen, die wir vollzogen haben, würde unsereesetzliche Rentenversicherung über kurz oder lang zah-ungsunfähig werden. Mit anderen Worten: Durch dasewusst herbeigeführte Absinken des Rentenniveaus ha-en wir überhaupt erst dafür gesorgt, dass zukünftigeentnergenerationen aus der gesetzlichen Rentenversi-herung eine Rente beziehen können.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14495
)
)
Gregor Amann
Das hat zu einem Paradigmenwechsel geführt. Die Al-tersversorgung wird zukünftig auf drei Säulen beruhenmüssen: auf der gesetzlichen Rente, der privaten und derbetrieblichen Altersvorsorge.Das zweite Problemfeld, mit dem wir uns natürlichbeschäftigen müssen, ist, dass die Zahl der Menschenmit geringem Einkommen zunimmt. Nach dem Äquiva-lenzprinzip bedeuten niedrige Löhne auch niedrige Ren-tenansprüche. Die Zahl der Menschen mit Brüchen inder Erwerbsbiografie nimmt zu, und die Zahl der Selbst-ständigen und Scheinselbstständigen ohne irgendeineAltersvorsorge steigt.
Herr Kollege Amann, ich möchte Sie noch einmal un-
terbrechen. Der Kollege Spieth möchte gerne eine Zwi-
schenfrage stellen.
Bitte.
Bitte schön.
Herr Kollege Amann, Sie sagten, dass die gesetzliche
Rentenversicherung angesichts der demografischen Ent-
wicklung und der Einkommensentwicklung zukünftig
nicht mehr in der Lage gewesen wäre, Rentenzahlungen
zu gewährleisten. Sind Sie wirklich so vermessen, zu be-
haupten, dass diejenigen, die auf der Grundlage von um-
fassenden Studien 1989, und zwar ausgerechnet am
9. November 1989, das Rentenreformgesetz verabschie-
det haben, genau darauf keine Rücksicht genommen ha-
ben? Mit Projektion auf das Jahr 2030 ist damals gesagt
worden: Wir machen eine Rentenreform – sie ist übri-
gens 1992 wirksam geworden –, damit wir in Zukunft ei-
nen Beitrag in Höhe von 28 Prozent fordern können,
aber paritätisch finanziert, von Arbeitgebern und Arbeit-
nehmern zu je 14 Prozent. In der Konsequenz sollte,
auch unter Berücksichtigung der demografischen Ent-
wicklung, eine lebensstandardsichernde Rente bezahlbar
sein. Das war damals der einheitliche Wille des Deut-
schen Bundestages. Das wurde am 9. November 1989
beschlossen.
Sind Sie nicht der Auffassung, dass durch die massi-
ven Veränderungen, die damals im Rentenrecht stattge-
funden haben, eine lebensstandardsichernde Rente hätte
gewährleistet werden können? Sind Sie nicht der Auffas-
sung, dass Sie mit der Einbeziehung der Riester-Rente
am Ende zwar auch einen Beitragssatz von 28 Prozent
erreichen werden, der Arbeitgeberbeitrag zur paritätisch
finanzierten Rente, die nicht mehr armutsfrei ist, aber
n
1
c
A
e
h
l
A
l
w
g
s
z
d
t
g
D
R
m
n
d
b
l
w
H
I
A
w
t
A
m
i
A
w
m
B
f
L
E
S
g
s
v
Es kann doch nicht sein, dass zukünftige Beitragszah-er quasi zu Sklaven zukünftiger Rentnergenerationenerden und deren Rente bezahlen müssen. Da es für dieöhe des Rentenversicherungssatzes Grenzen gibt, isthre Alternative kein gangbarer Weg.
Wir müssen sehr wohl darüber nachdenken, wie wirltersarmut in Zukunft verhindern können. Was ist not-endig? Aufgrund der Kopplung von Löhnen und Ren-en – diese Kopplung ist sehr sinnvoll, auch wenn derbgeordnete Lafontaine in der gestrigen Ausspracheeinte, diesen Zusammenhang ignorieren zu können; siest sinnvoll, weil Löhne und Renten die Einnahme- undusgabenseite desselben Systems darstellen – ist dieichtigste Maßnahme zur Verhinderung von Altersar-ut eine gute Wirtschaftspolitik, die für Wachstum undeschäftigung sorgt. Hier hat diese Regierung einige Er-olge vorzuweisen. Denn die daraus resultierendenohnsteigerungen führen auf der einen Seite zu mehrinnahmen der Rentenversicherung und auf der andereneite zu höheren individuellen Rentenansprüchen.Es ist nicht Aufgabe der Politik, in Tarifverhandlun-en einzugreifen. Dennoch wünsche ich den Gewerk-chaften von dieser Stelle aus viel Erfolg für ihre Tarif-erhandlungen in diesem Jahr. Angesichts des enormen
Metadaten/Kopzeile:
14496 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Gregor AmannAnstiegs der Unternehmensgewinne und der Manager-gehälter in der jüngsten Zeit ist sehr wohl ein finanziellerSpielraum vorhanden, um die Arbeitnehmer am Wirt-schaftsaufschwung zu beteiligen.Genauso wichtig, um Geringverdiener vor Altersar-mut zu schützen – um die geht es in dem Antrag –, istnatürlich – da hatte Kollege Anton Schaaf gestern voll-kommen recht, Herr Dr. Kolb – die Einführung eines flä-chendeckenden Mindestlohns.
Ich wiederhole: Höhere Löhne führen zu höheren Ren-tenansprüchen.
All das sucht man im Antrag der FDP vergebens.Stattdessen verstärken Sie die Verunsicherung der Men-schen, denen in unverantwortlichen und schlecht recher-chierten Medienberichten suggeriert wird, die privateAltersvorsorge in Form von Riester-Verträgen lohne sichnicht für Geringverdiener. Dabei ist die staatliche Förde-rung bei der Riester-Rente gerade für Geringverdienerbesonders attraktiv. Die Kombination von gesetzlicherRentenversicherung, Riester-Vertrag und einer betriebli-chen Altersvorsorge wird verhindern, dass Menschen inAltersarmut geraten.
Herr Kollege Amann, es droht eine dritte Zwischen-
frage. Herr Kollege Rohde möchte Ihnen diese stellen.
Ja, gerne.
Bitte schön.
Vielen Dank. – Herr Kollege Amann, Sie haben ge-
rade von schlecht recherchierten Medienberichten ge-
sprochen. Es gab mehrere Medienberichte, zum Beispiel
von Plusminus und Monitor.
Diese Kritik wurde von den Magazinen zurückgewiesen.
Davon einmal abgesehen, wir haben bereits zwei Mo-
nate vorher eine Anfrage an die Bundesregierung gerich-
tet und eindeutige Aussagen erhalten, dass hier ein Pro-
blem besteht.
Die Frage, die Herr Gysi aufgeworfen hat und die auf
unserem Antrag basiert, lautet: Soll es möglich sein, dass
jemand, der eine Riester-Rente abschließt, später ge-
nauso viel hat wie jemand, der keine Riester-Rente ab-
schließt? Das ist die Kernfrage. Die Abgeordneten der
S
t
D
s
n
–
d
E
g
r
D
d
s
s
a
G
G
D
h
a
w
–
H
l
n
g
s
f
t
s
g
N
K
f
v
q
g
ann müssen Sie, wenn Sie die Riester-Rente bei derinkommensanrechnung nicht berücksichtigen, auf-rund des Grundsatzes der Gleichbehandlung alle ande-en Sparformen konsequent genauso behandeln.
ann dürfen Sie private Sparkonten, die Betriebsrente,as Häuschen, das jemand hat, und die Aktien, die erich vielleicht im Laufe seines Lebens für die Altersvor-orge gekauft hat, nicht berücksichtigen. Wenn Sie daslles nicht berücksichtigen, dann verwandeln Sie dierundsicherung im Alter zu einer bedarfsunabhängigenrundrente.
as ist ein völlig anderes Konzept als das, das wir heuteaben. Das kann man wollen; aber dann sollten Sie dasuch sagen. Sie sollten den Menschen dann auch sagen,as das kostet. Das ist der falsche Weg.
Aus meiner Sicht schon.Die Grundsicherung ist keine allgemeine Grundrente,err Rohde, sondern eine bedarfsorientierte Transfer-eistung, die denen helfen soll, die es aus eigener Krafticht schaffen. Wir Sozialdemokraten stehen zu dieseresellschaftlichen Solidaritätsleistung. Ja, wir haben sieogar zusammen mit den Grünen im Jahr 2003 einge-ührt.Aber die Forderung in Ihrem Antrag, bei der Bedürf-igkeitsprüfung die private oder betriebliche Altersvor-orge nicht oder zumindest nur teilweise zu berücksichti-en, stellt – das habe ich gerade versucht zu sagen – dasachrangigkeitsprinzip unseres Sozialstaats auf denopf. Denn diese Forderung räumt der aus Steuermittelninanzierten Fürsorgeleistung Vorrang ein vor der Eigen-erantwortung des Einzelnen. Wenn man dies konse-uent zu Ende denkt, gibt es überhaupt keinen Grund, ei-enverantwortlich für seinen Lebensunterhalt zu sorgen,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14497
)
)
Gregor Amannsolange es die Möglichkeit des Bezugs von Transferleis-tungen gibt.Da sich die FDP in dieser entscheidenden Frage er-staunlicherweise mit der Linkspartei trifft und auf der-selben Linie denkt
– Sie haben die gleiche Gedankenwelt wie die Links-partei –,
erlauben Sie mir als Sozialdemokrat zum Abschluss ei-nen gut gemeinten Rat: Ich weiß, dass es in Ihrer Parteiderzeit eine für mich durchaus nachvollziehbare großeUnzufriedenheit mit dem derzeitigen ParteivorsitzendenGuido Westerwelle gibt.
Ich rate Ihnen dennoch, ihn nicht durch OskarLafontaine zu ersetzen.Danke.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Jörg Rohde von der FDP-Fraktion.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Als Erstes muss ich
den Vorwurf zurückweisen, dass wir mit Herrn
Westerwelle unzufrieden sind.
Ich möchte daran erinnern, dass wir gerade über einen
Antrag diskutieren, der von der FDP-Bundestagsfraktion
unter Führung von Guido Westerwelle erarbeitet worden
ist. Wir haben diesen Antrag im November letzten Jahres
gemeinsam verabschiedet. Das bedeutet, dass wir als
Gesamtfraktion hinter unserer Forderung stehen. Das
deckt sich nicht mit dem Populismus der Linksfraktion.
Vielmehr handelt es sich um einen sachorientierten Vor-
schlag, wie in einer speziellen Frage, deren Beantwor-
tung Sie eben ausgewichen sind, verfahren werden
könnte.
Ich möchte einen weiteren wesentlichen Unterschied
herausstellen: Bei der gesetzlichen Rentenversicherung
handelt es sich um eine Pflichtversicherung, während die
anderen Elemente, über die wir diskutieren, freiwilliger
Natur sind.
W
s
A
r
t
f
d
i
l
k
w
I
s
d
B
m
d
uf diese Fragen hätte ich von den Vertretern der Regie-
ungsparteien gerne Antworten gehört.
Vielen Dank.
Herr Amann, wollen Sie erwidern? – Bitte schön.
Einen nicht unbeträchtlichen Teil Ihrer Kurzinterven-
ion haben Sie dazu genutzt, uns klarzumachen, wie zu-
rieden Sie mit Guido Westerwelle sind;
as nehme ich zur Kenntnis. Da ja immer böse Berichte
n den Zeitungen stehen, scheint es Ihnen ein großes An-
iegen zu sein, uns das mitzuteilen.
Zum inhaltlichen Teil Ihrer Kurzintervention. Ich
önnte Ihnen meine Rede jetzt noch einmal vorlesen; ich
eiß nicht, ob der Herr Präsident das zulassen würde.
ch überlasse es meinen beiden Kollegen, die nach mir
prechen werden, Ihnen noch einmal zu erklären, warum
as, was Sie vorschlagen, nicht sinnvoll ist.
Jetzt hat das Wort die Kollegin Christine Scheel vom
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichöchte hervorheben,
ass wir die Einführung der Grundsicherung im Alter
Metadaten/Kopzeile:
14498 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Christine Scheel
deswegen massiv unterstützt haben, weil dadurch ver-schämte Altersarmut bekämpft werden kann. Menschen,die ins Rentenalter kommen, werden angeschrieben unddarauf aufmerksam gemacht, dass sie möglicherweiseeinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben. Daswar ein Riesenfortschritt, den wir in diesem Hause ge-meinsam beschlossen haben.
Der zweite Erfolg ist, dass heute jeder Einzelne im-mer wieder Mitteilungen bekommt, denen er entnehmenkann, wie hoch seine Versorgungsansprüche im Altersind, sodass er sich darauf einstellen kann, zusätzlichvorsorgen zu müssen; auch das ist ein Riesenfortschritt.Dadurch wird gewährleistet, dass im Alter keine großeÜberraschung in der Form auf einen zukommt, dass mandann denkt: Um Himmels willen, ich habe mit etwasganz anderem gerechnet! – Vielmehr wird man jetzt kon-tinuierlich unterrichtet und kann sich auf das, was einenerwartet, einstellen.Der dritte Punkt ist, dass bis auf die Linkspartei allewissen, dass wir aufgrund der demografischen Entwick-lung
und in Anbetracht der Frage, welche Beitragssätze in un-serer Marktwirtschaft zumutbar sind,
um die vorhandenen Arbeitsplätze erhalten zu können,gemeinsam eine Stärkung der privaten und der betriebli-chen Altersvorsorge beschlossen haben.
Frau Kollegin Scheel, Herr Spieth würde auch Ihnen
gerne eine Zwischenfrage stellen. – Sie wollen das
nicht?
Nein. Da ich diese Debatte aufmerksam verfolgthabe, habe ich gehört, was er vorhin gesagt hat. Ich ver-mute, dass er jetzt wieder darlegen will, wie die Situa-tion 1989 war. Dieses Argument kenne ich schon. Ausdiesem Grunde möchte ich gerne mit meinen Gedankenfortfahren.
Wichtig ist: Die private und die betriebliche Alters-vorsorge müssen stark sein. Sie müssen in Zukunft vorallem für junge Leute eine hohe Relevanz haben, damitsie sich im Alter einen bestimmten Lebensstandard leis-ten können und nicht nur auf die Leistungen der gesetz-lichen umlagefinanzierten Rentenversicherung angewie-sagsuuRstbtDmwDkWbSdnresssSdkwwsdwsssma
ie Altersvorsorge muss für Bürger und Bürgerinnenit kleinem Einkommen in der Tat attraktiver gemachterden; das ist überhaupt keine Frage.
er konkrete Vorschlag der FDP löst bei uns allerdingseine Begeisterung aus.
ir haben die komplizierten Hinzuverdienstregelungeneim Arbeitslosengeld II immer kritisiert. Jetzt wollenie diese komplizierten Hinzuverdienstregelungen aufie private Altersvorsorge übertragen. Das kann es auchicht sein. Deswegen trägt dieser Vorschlag zur Verwir-ung bei.
Wir Grünen haben uns immer für die Riester-Renteingesetzt. Damit wurde ein Kulturwandel, ein Bewusst-einswandel in der Bevölkerung ausgelöst. Mittlerweileind, wie gesagt, 10 Millionen Riester-Verträge abge-chlossen. Das ist auch gut so. Aber ich sage an diesertelle ganz bewusst auch: Ich verstehe die Empörung,ie durch die kritischen Fernsehsendungen in der Bevöl-erung ausgelöst wurde, verstehe, dass man sich darüberundert, dass man, obwohl man bereit ist, zusätzlich et-as für das Alter zu tun, später nichts mehr davon habenoll. Das ist das Problem, mit dem wir uns hier auseinan-ersetzen müssen.
Aus diesem Grund haben wir, wie Sie wissen, schonährend der rot-grünen Regierungszeit das Altersvor-orgekonto vorgeschlagen. Wir haben damals in den zu-tändigen Ausschüssen lange darüber diskutiert, wie einolches Altersvorsorgekonto funktionieren kann, auf dasan alle möglichen Verträge – die Riester-Rente, aberuch andere Produkte – übertragen kann und das dann
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14499
)
)
Christine Scheelbis zu einer bestimmten Größenordnung steuerfrei ge-stellt wird.
Als Größenordnung schwebten uns 3 000 Euro vor; dasliegt über dem heutigen Niveau. Wir haben vorgeschla-gen, dass das dann geschützt ist, weil es sich um einefreiwillige private Altersvorsorge handelt. Sie ist nichtverpflichtend.
Das ist die Idee, die wir hier eingebracht haben, weil wirsehen, dass wir angesichts des rasanten Wandels in derArbeitswelt immer unstetere und unsicherere Erwerbs-biografien haben.Die Vorsorgesparer fragen sich natürlich zu Recht, obes sich überhaupt lohnt, zusätzlich etwas zurückzulegen,wenn dies am Ende voll mit der Grundsicherung ver-rechnet wird; denn zusätzliche Vorsorge ist ja nicht zumNulltarif zu haben.
Die Stiftung Warentest hat letztens klassische Renten-versicherungen verglichen. Wer 25 Jahre lang jedes Jahrrund 1 000 Euro einzahlt, kann mit einer garantiertenRente von 120 Euro im Monat rechnen. Ich denke, wirsollten in den Ausschüssen durchaus überlegen, wie wirmit solchen Zusatzrenten umgehen.
Schwierig wird es für Bürger und Bürgerinnen mitkleinem Erwerbseinkommen; sie werden trotz zusätz-licher Altersvorsorge häufig kaum über das Niveau derGrundsicherung hinauskommen. Gerade für diese Bür-ger und Bürgerinnen haben wir die Riester-Rente einge-führt, bei der für die kleinen Einkommen übrigens För-derquoten von bis zu 90 Prozent vorgesehen sind – zuRecht.
Wir müssen den Leuten aber sagen, dass es sich auch beisehr niedrigen und unsteten Erwerbseinkommen durch-aus rechnet, ein paar Euros für das Alter beiseitezulegen.Das ist der Punkt. Man kann nicht sagen: Pech gehabt,selbst schuld! Deswegen haben wir das Altersvorsorge-konto vorgeschlagen.Klar ist aber auch, dass wir das Problem der Alters-armut nicht allein mit einer Begrenzung der Verrechnungder Altersvorsorge mit der Grundsicherung lösen können
uRgDksttWmragAm3hvsvdsaglKdsneeKBvkztd
arum brauchen wir eine Entlastung der Empfängerleiner Einkommen. Dazu haben wir die Einführung un-eres Progressivmodells – auch das hat etwas damit zuun – und gleichzeitig eine höhere Bewertung der Ren-enbeiträge von Geringverdienern gefordert.
ir fordern: Die umlagefinanzierte gesetzliche Renteuss sicherer werden. Das heißt, wir brauchen ein ande-es Bewertungssystem.
Mit der Halbierung der Rentenbeiträge für Langzeit-rbeitslose hat die Regierung im Übrigen dazu beigetra-en, dass zukünftig mehr Bürgerinnen und Bürger imlter Grundsicherung beziehen müssen. Sie haben dasit ausgelöst. In Zukunft werden also leider mehr alsMillionen Menschen Grundsicherung im Alter bezie-en. Ich finde, wer Altersarmut heute und in Zukunftermeiden will, muss heute die entsprechenden Weichentellen.Wir Grünen wollen die Rentenbeiträge von Gering-erdienern höher bewerten und gute und attraktive Be-ingungen für die betriebliche und private Altersvor-orge schaffen; denn die Bürgerinnen und Bürger – vorllem die jungen Leute – müssen bereits heute vorsor-en. Wer eine gute Altersvorsorge will, braucht einenangen Atem.Danke schön.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
ollegen Frank Spieth. Ich erkläre aber gleichzeitig,
ass ich danach wegen der fortgeschrittenen Zeit an die-
em Freitagnachmittag keine weiteren Kurzinterventio-
en mehr zulassen werde. – Herr Spieth.
Danke, Herr Präsident. – Frau Scheel, ich bedaueres, dass Sie mir nicht die Möglichkeit eingeräumt haben,ine Zwischenfrage zu stellen, sodass ich mich zu einerurzintervention melden musste; denn jetzt ist meineitrag etwas aus dem Zusammenhang gerissen.Sie haben vorhin in etwa Folgendes gesagt: Jeder, deron seinem Rentenversicherungsträger eine Rentenaus-unft erhält, kann anhand der Rentenauskunft nachvoll-iehen, welche Rente er auf der Grundlage seiner geleis-eten Beiträge im Rentenalter haben wird. – Bis dahin istas gut und richtig.
Metadaten/Kopzeile:
14500 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Frank SpiethSie haben dann aber behauptet, dass der Betroffenedaraus ableiten kann, ob er mit seinem späteren Einkom-men möglicherweise unterhalb der Grundsicherung lie-gen wird, weshalb er Grundsicherungsleistungen erhal-ten wird.
– Sie haben aber den Eindruck erweckt. – Mit Verlaub:Das ist aus der Rentenauskunft nicht zu erkennen.
Die zusätzlichen Einkommen, die möglicherweise nebenden aus den Beitragszahlungen resultierenden Renten-leistungen entstehen, sind aus der Rentenauskunft nichtzu ersehen. Insofern kann der oder die Betreffende ausder Rentenauskunft auch nicht erkennen, ob er oder sieergänzende Leistungen zur Grundsicherung erhaltenwird.Ich will nur dieser Aussage hier widersprechen, damitin der Öffentlichkeit, bei den Menschen draußen amBildschirm, kein falscher Eindruck entsteht.
Frau Kollegin Scheel, zur Erwiderung. – Bitte.
Herr Kollege Spieth, entweder haben Sie mich be-
wusst falsch verstehen wollen, oder Sie haben mir nicht
zugehört.
Ich habe gesagt, dass es gut ist, dass die Menschen
diese Auskunft bekommen. Sie haben jetzt ja auch bestä-
tigt, dass das eine gute Sache ist. Dann habe ich gesagt,
dass man aufgrund der Auskunft erkennen kann, wie die
eigene Situation ist. Es ist nicht Aufgabe der Rentenver-
sicherer, in diesem Stadium darauf hinzuweisen, ob je-
mand noch etwas tun soll oder nicht. Darum geht es
überhaupt nicht. Es geht darum, dass die Menschen ein-
schätzen können, welche Ansprüche sie aus der gesetzli-
chen Rentenversicherung bislang erworben haben –
nicht mehr und nicht weniger.
Das Wort hat jetzt der Kollege Max Straubinger von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Wir diskutieren in dieser Woche bereits das dritte Malüber die Altersvorsorge der Menschen in unserem Land.
DMwdRvGnpWGldksLeMzdsDJbctttdadndLbcahufAszdub
enn jemand besser gestellt wird, ist es immer gut.Trotzdem verweise ich darauf, dass wir an denrundfesten unseres Sozialstaates und den daraus abge-eiteten Prinzipien festhalten sollten;
enn nach unserer Meinung wird dies auch in die Zu-unft hinein tragen. Das Äquivalenzprinzip in der ge-etzlichen Rentenversicherung, das heute gerade von derinken wieder angezweifelt worden ist, ist aufrechtzu-rhalten. In Bezug auf die soziale Unterstützung derenschen ist auch das Nachrangigkeitsprinzip aufrecht-uerhalten. Schließlich ist dies eine Grundvoraussetzunges Sozialstaates.Die Menschen sollen selbst für ihr Leben im Alterorgen können. In diese Lage müssen wir sie versetzen.azu hat die Bundesregierung in den vergangenen zweiahren einen erheblichen Beitrag geleistet: mit dem Ab-au der Arbeitslosigkeit, der Stärkung der wirtschaftli-hen Entwicklung in Deutschland und den daraus erziel-en Chancen für die Menschen in Deutschland.
Die Begründung der FDP ist, hiermit möglicher Al-ersarmut vorzubeugen. Ich möchte den Faktor der Al-ersarmut nicht geringschätzen. Dass wir aber in einemer reichsten Länder der Welt permanent über Alters-rmut bzw. über Armutsgrenzen und dergleichen mehriskutieren, wird in vielen Teilen Europas garantierticht verstanden. Trotzdem ist es natürlich die Aufgabees Sozialstaates, die entsprechenden unterstützendeneistungen zu gewähren; Kollege Brauksiepe hat das jaereits dargestellt.Vor allen Dingen sollten wir nicht von Armut spre-hen, wenn es um die Grundleistungen für Menschen,lso die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfä-igkeit, geht. Wir geben den Menschen ein Gerüst, einenterste Auffanglinie, damit sie nicht in völlige Armutallen, sondern auch im Alter ein menschenwürdigesuskommen haben. Das ist das Prinzip unseres Sozial-taates. Dies ist meines Erachtens hier besonders hervor-uheben.Werte Damen und Herren, ich halte es auch für be-eutsam, darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierungnd die sie tragenden Fraktionen bereits einiges dazueigetragen haben:
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14501
)
)
Max Straubinger
durch die Stärkung der betrieblichen Altersversorgung,den Anreiz der Entgeltumwandlung – dies wird auchweiter fortgeführt – und natürlich durch die steuerlicheFörderung, die mit dem Riester-Sparen und der Rürup-Rente – sie wurde heute überhaupt noch nicht genannt –verbunden ist. Mit diesen drei Sicherungssystemen ist esden vielen Menschen in unserem Land, die jeden Taghart arbeiten, möglich, über die sogenannte Alters-armutsgrenze zu gelangen bzw. die Grundsicherungnicht in Anspruch zu nehmen.Frau Kollegin Scheel hat bereits deutlich gemacht,was private Rentenversicherungen zu leisten imstandesind. Sie hat nur vergessen, auch die zu erwartenden Ge-winne anzuführen; denn damit wird natürlich ein weithöheres Rentenniveau erzielt.
Wenn man bei den Riester-Sparverträgen die Gewinn-erwartung mit einrechnet, sieht man, dass ein Durch-schnittsverdiener, der in die gesetzliche Rentenversiche-rung einzahlt und zugleich einen Riester-Vertragabgeschlossen hat, bereits nach 20-jähriger Beitragszah-lung im Alter eine Anwartschaft erreichen wird, die überder sogenannten Grundsicherung liegt. Dabei sind nochnicht einmal die betriebliche Altersversorgung, privateSparvermögen und andere möglicherweise über dielange Lebensarbeitszeit hinweg erworbene Ansprüchemit berücksichtigt. Dies herauszustellen, ist sehr bedeut-sam. Von daher darf man nicht ständig von Armut reden.
Ich bin schon bestürzt über diese Auseinanderset-zung, insbesondere darüber, wie sie von den Linken ge-führt wird. So hat Herr Dr. Gysi heute in diesem Zusam-menhang wieder ausgeführt, dass Riester-VerträgeAnlagebetrug seien.
Das stimmt in keiner Weise. Im Gegenteil: Riester-Ver-träge werden so weit wie möglich gefördert, mit bis zuüber 90 Prozent Förderleistung durch Steuergelder. VieleVorrednerinnen und Vorredner haben das bereits zumAusdruck gebracht. Steuergelder werden nicht nur vonPrivatpersonen gezahlt, sondern auch von Unternehmen,Herr Dr. Gysi. Deshalb ist hier festzustellen, dass auchdie Wirtschaft mit ihren Steuerlasten einen enormen Bei-trag zur Förderung der Riester-Rente leistet.
Aber wenn hier schon von Betrug die Rede ist, dannmöchte ich auch anführen, dass die Betrogenen in unse-rem Land die Menschen in der ehemaligen DDR unterdem SED-Regime waren. Kollege Brauksiepe hat darge-legt, dass Honecker nach 40 Jahren Kommunismus dieMddnDhgmkrrtRafFSKFisdsidsGüDPdzgdgIdü
Metadaten/Kopzeile:
14502 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Lothar Binding
Das halte ich für ein gewisses Problem. Wenn man dasgenauer untersucht, findet man möglicherweise heraus,dass Sie langfristig doch auf dem Weg zum Bürgergeldsind und die sonstigen Risiken privatisieren wollen.
Das ist etwas, was wir natürlich nicht wollen.Niemand kann behaupten, wir hätten kein Demogra-fieproblem. Wir haben ein großes Demografieproblem,aber das ist nicht unser einziges Problem.
Was wir nicht haben, ist ein Wohlstandsproblem. ImDurchschnitt geht es allen wunderbar. Wir haben aller-dings ein Problem mit der Verteilung von Produktivität;das sehe auch ich so. Die Frage ist nur, ob man die Pro-duktivität über Rentenversicherungsbeiträge und einRentensystem so verteilen kann, dass es anschließendgerecht zugeht. Das zu glauben, ist verrückt; denn daswäre so etwas wie der Versuch, eine Länge in Kilo-gramm zu messen. Das führt in der Regel nicht zu gutenErgebnissen. Deshalb ist das der falsche Weg. Wir müs-sen die Verteilung der Produktivität auf eine andereGrundlage stellen: Sie muss auf der gerechten Verteilungvon Lohn und Arbeit basieren.Was Ihre Äußerung angeht, Herr Gysi, 28 ProzentRentenversicherungsbeiträge seien möglich, das sei keingroßes Problem, sehe ich eine große Gefahr. Das ist lei-der nicht ganz symmetrisch. Wenn die Lohnnebenkostenin der Weise angehoben werden, dann erzeugt das Ar-beitslosigkeit ohne Ende. Wenn dann später die Versi-cherungsbeiträge wieder gesenkt werden, dann schafftdas noch längst keine Arbeit.
Diese Asymmetrie birgt ein sehr großes Problem.Ihre zweite Idee zeigt, dass Sie möglicherweise bezo-gen auf die unterschiedliche Verantwortung in den Alters-kohorten die langfristigen Überlegungen aus dem Blickverloren haben. Wenn Sie jetzt die Versicherungspflicht-grenze anheben wollen,
um die Einnahmeseite zu stärken, dann sind Sie gezwun-gen, in Zukunft das Äquivalenzprinzip aufzugeben.Wenn man die Menschen heute verstärkt zur Kassebittet, dann muss man auch damit rechnen, dass sie künf-tig höhere Ansprüche haben. Denn eines ist klar: Wennes um die Rente geht, dann reden wir eigentlich nie überGeld. Denn das, was die gegenwärtige Generation erar-beitet, bekommt demnächst die Generation, die bisherihre Eltern finanziert hat, die jetzt nicht mehr arbeiten.Wb–sSsfzMFehkuedauwbawnlgR–dmkDld
Ja, von hinten durch die Brust ins Auge. Sie haben ge-agt, dass Sie sich um das Niveau kümmern wollen, aberie müssen auch angeben, von welchem Niveau Sieprechen. Man muss den Niveaubegriff definieren. Of-en gestanden habe ich lieber 60 Prozent von 200 Pro-ent als 70 Prozent von 100 Prozent.
an muss deutlich machen, worüber man redet. Bei derrage des zukünftigen Niveaus wird festgelegt, wie vielin Rentner bezogen auf die dann arbeitende Generationat. Deshalb ist es tausendmal wichtiger, sich darum zuümmern, dass die Menschen in Zukunft viel verdienennd dass das Einkommen gerecht verteilt ist. Dann wirds auch den Rentnern gut gehen. Vielleicht geht es ihnenann mit 30 Prozent besser als mit 50 Prozent bei einemnderen Rentenniveau.
Das Niveau ist eine entscheidende Frage. Deshalb istns die Frage der Grundsicherung sehr wichtig. Dennir wollen erreichen, dass keiner die Grundsicherungraucht. Das ist das eigentliche Ziel.
Was die Grundsicherung von etwa 680 Euro monatlichngeht – dieser Betrag steht derzeit zur Diskussion –,
äre es eine Ungerechtigkeit, jemandem, der Rentenein-ahmen, Ersparnisse oder eine Riester-Rente hat, zusätz-ich 680 Euro als Grundsicherung zu gewähren. Die vor-eschlagene Änderung hinsichtlich der Anrechnung deriester-Rente ist insofern schlecht.
Wie wird denn ein Freibetrag begründet? Worin liegter Unterschied zwischen meiner Riester-Rente undeinem Sparbuch hinsichtlich der Anrechnungsmöglich-eiten bei meiner künftigen Rente?
as wäre so unsystematisch, dass Sie damit ein Schlag-icht darauf werfen, wie viel Ihnen gewisse Prinzipienes Sozialstaats wert sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14503
)
)
Lothar Binding
– Darauf will ich kurz eingehen. Vielleicht wäre es sogargut. Wenn Sie sich mit Familien, denen es schlecht geht,
ein bisschen auskennen würden, dann wüssten Sie, dasseine solche Familie jeden Monat aufs Neue darauf ver-zichtet, etwas anzusparen, und dies verschiebt, weil dasGeld zu knapp ist.
– Du mit deinen Zwischenrufen! Du hast gestern einenZwischenruf formuliert. Der besagte etwas ganz Schlim-mes.
– Ja, das haben wir abgesprochen. Es gibt keine Debatte,in der der Kollege Niebel keinen unanständigen Zwi-schenruf formuliert.
Gestern hat der Kollege Riester etwas sehr Ernsthaftesgesagt:Man sollte nicht immer weitere Bereiche der Er-werbsarbeit aus der Versicherungspflicht heraus-nehmen.Dirk Niebel ist dazu der Zuruf „Zwangs-Riester!“ einge-fallen. Die Bild-Zeitung hat schon einmal den Gedankenmit derselben Überschrift kaputt gemacht.Dirk, wir kennen uns gut. Deshalb möchte ich einepersönliche Bemerkung machen: Dein Denken beruhtauf völlig anderen Grundsätzen.
Ich will das an drei Beispielen klarmachen. Du willst dieBundesagentur für Arbeit abschaffen.
Du hast den unanständigen Vergleich zwischen der Gro-ßen Koalition und der Nationalen Front gezogen. Duhattest auch keine Scheu, eine FDP-Zentrale im Arbeits-amt, bei deinem Arbeitgeber, aufzumachen. Wer in ei-nem solchen Korsett denkt und hier permanent solcheZurufe macht wie du, hat für mich unter sozialen Ge-sichtspunkten jede Glaubwürdigkeit verloren.
Ich möchte das gar nicht weiter vertiefen.Sie sollten beim Alterseinkommen nicht regeln, wasSie beim Arbeitseinkommen verweigern. Mit dieser For-mel lässt sich gut beschreiben, warum Sie eine Lösungfür ein Problem vorgeben, dessen Ursachen Sie nicht be-kämpfen wollen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Hennrich von
er CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren Kollegen! Ich darf heute zu demntrag der FDP mit dem Titel „Altersvorsorge für Ge-ingverdiener attraktiv gestalten“ sprechen. Ich habe inieser Woche gelesen, dass die Apotheker in Nordrhein-estfalen gegen die FDP Sturm laufen. Heute liegt unsun ein Antrag zu den Geringverdienern vor. Verkehrteelt!
ch freue mich aber, dass mittlerweile die sozialen Pro-leme in unserem Land auch bei der FDP angekommenind. Ich bedauere nur, dass in Ihrem Antrag nicht dieichtigen Relationen hergestellt wurden.Wenn wir über das Thema Grundsicherung im Alterprechen, sollten wir immer bedenken, dass es umProzent der Bevölkerung geht. 98 Prozent der Bevöl-erung beziehen keine Grundsicherung im Alter.
iese Leistung ist auf die gesetzliche Rente und Eigen-orsorge – die meisten haben die notwendigen Vorkeh-ungen bei der Altersvorsorge getroffen – zurückzufüh-en. Das war Ihnen in Ihrem Antrag leider keinerrwähnung wert. Es ist richtig, über das Thema Altersar-ut zu sprechen. Ich bin mir darüber im Klaren, dass wirns in Zukunft mehr Gedanken über das Rentenniveauachen müssen, als es momentan der Fall ist, weil sichie Erwerbsbiografien der Menschen dramatisch verän-ern. Aber wir sollten keine Schnellschüsse wagen. Sieind auf einen Zug aufgesprungen, der von Monitor undnderen Medien in Gang gesetzt wurde.
ber das ist keine seriöse Rentenpolitik.
hnen fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept.
Zuerst eine Bestandsaufnahme: Wir haben ein Alters-icherungssystem, das sich über Jahre und Jahrzehnteewährt hat. Das wird uns von der OECD ausdrücklichestätigt. Wir haben ein Drei-Säulen-System, einenreiklang aus gesetzlicher Rente sowie privater und be-rieblicher Altersvorsorge. Dieses System müssen wirermanent nachjustieren, das will ich überhaupt nicht in-rage stellen. Wir haben insbesondere in den letzten Jah-
Metadaten/Kopzeile:
14504 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Michael Hennrichren unser Augenmerk auf die Situation der Geringver-diener gerichtet. Ich möchte in diesem Zusammenhangdaran erinnern, dass im letzten Alterssicherungsberichtausdrücklich hervorgehoben wurde, dass das Rentenni-veau für den Durchschnittsverdiener gleichbleibt unddass es sich in den nächsten Jahren für den Geringver-diener deutlich erhöht. Vor diesem Hintergrund passt IhrAntrag nicht.Ich möchte an dieser Stelle deutlich hervorheben: Siewollen die Altersvorsorge für Geringverdiener attraktivgestalten. Vor vier Wochen haben wir im Parlament dieDauer der Förderung der betrieblichen Altersvorsorge,die Sozialversicherungsfreiheit der Entgeltumwand-lung, verlängert, und zwar unbefristet.
– Wir sind der Gesetzgeber. Dann haben wir es freiwilliggemacht.
Wir haben des Weiteren Verbesserungen bei derRiester-Rente vorgenommen. Deswegen können Sie unsnicht vorwerfen, dass wir nichts für Geringverdiener tun.Ich möchte an einem Punkt deutlich machen, wie ab-surd Ihr Antrag ist. Sie sagen, Geringverdiener, die in dieRiester-Rente oder in die betriebliche Altersvorsorgeeinzahlen und zum Teil zu 90 Prozent vom Staat geför-dert werden, sollten im Alter privilegiert werden.
– Stopp, Moment, Herr Kolb! Diejenigen, die privat mit-tels eines Sparbuchs sparen oder ohne staatliche Hilfeeine Immobilie bauen und vermieten, werden bei IhremVorschlag nicht berücksichtigt. Sie werden sogar nocheinmal bestraft, weil sie mit ihren Steuern die späterePrivilegierung mehr oder weniger fördern. Das ist dasAbsurde an ihrem Vorschlag.
Ein zweiter Aspekt. In Ihrem Antrag steht nichts zumThema Finanzierung, keine einzige Zahl dazu, was dasden Haushalt kostet.
– Natürlich kostet es etwas. Über finanzielle Auswirkun-gen steht nichts in Ihrem Antrag. Das müssen Sie einmalseriös vorrechnen.
Ein dritter Aspekt. Sie haben in Ihrem Antrag imGrunde genommen überhaupt nicht die Nachhaltigkeit,die Sicherheit für die Zukunft deutlich gemacht. WirmiremEbhdrwNDddStg–UstDgivieFSndsrHprm
er Kollege Max Straubinger hat schon ganz deutlicharauf hingewiesen. Wir haben den Grundsatz der Subsi-iarität in der Sozialhilfe. Warum sagen Sie dann, dassie im Bereich der Rentenversicherung den Subsidiari-ätsgrundsatz aushebeln wollen, und mit welcher Be-ründung wollen Sie ihn in der Sozialhilfe belassen?
Ja, aber beim Arbeitslosengeld II ist der fundamentalenterschied der, dass wir für die Menschen einen Anreizchaffen wollen, dass sie in Arbeit gehen. Diese Situa-ion haben wir bei der Rente nicht.
eswegen ist dies überhaupt nicht miteinander ver-leichbar. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie Ihren Antragn diesen vier Punkten überarbeiten. Dann können wirielleicht darüber diskutieren. Aber so, wie er vorliegt,st er vollkommen unausgereift.Herzlichen Dank.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
rteile ich dem Kollegen Rolf Stöckel von der SPD-
raktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Amchluss dieser Debatte hebe ich eines hervor: Dass in ei-igen Beiträgen die Systematik und die Prinzipien deseutschen Sozialstaatssystems, der sozialen Sicherungs-ysteme beleuchtet worden sind, ist ja nicht nur lehr-eich, sondern auch für diejenigen wichtig, die in derektik einer solchen Debatte und mit Blick auf Einzel-unkte den Überblick verlieren. Die deutschen Siche-ungssysteme waren und sind erfolgreich. Gleichwohlüssen sie weiterentwickelt werden. Dies haben wir
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14505
)
)
Rolf Stöckelnicht nur mit der rot-grünen Bundesregierung unterGerhard Schröder begonnen, sondern auch in der Gro-ßen Koalition mit den Kollegen der CDU/CSU sinnvollweitergeführt. Wir werden uns dieser Aufgabe in jedemJahr stellen müssen. Deswegen gibt es Evaluationen,Statistiken und Alterssicherungsberichte.Wir tun gut daran, dass unser Sozialstaat weiterhinauf drei Säulen ruht: auf einer beitragsfinanzierten undder Arbeitsleistung äquivalenten Sozialversicherung, aufdem, was Menschen privat durch Arbeit und Sparen vor-sorgen können, und auf einer steuerfinanzierten Grundsi-cherung, die das menschenwürdige Existenzminimumgewährleisten muss. Darüber kann man trefflich streiten,was wir auch tun. Daran werden wir auch in diesem Jahrweiter zu arbeiten haben.Aber dass diese steuerfinanzierte, bedarfsabhängigeGrundsicherung das Prinzip der Subsidiarität, der Be-darfsabhängigkeit – das sagt das Wort ja –, aber auch derHilfe zur Selbsthilfe und der Mitwirkungspflicht bein-haltet, ist konstitutiv dafür, dass diejenigen, die Steuernund Beiträge zahlen, also die Stärkeren, ihre Solidaritätmit den Schwächeren dokumentieren und diesen Sozial-staat seit Jahrzehnten mittragen. Seit 1961 gelten diesePrinzipien der Sozialhilfe.Wir haben mit der Grundsicherung im Alter einenGrundsatz der Subsidiarität verlassen. Bei der Unter-haltspflicht wird das Einkommen oder das Vermögen derKinder unterhalb eines Betrages von 100 000 Euro nichtangerechnet. Das begründet auch die Unterschiede zudem anderen Grundsicherungssystem für Erwerbsfähigeund dem System der Sozialhilfe. Diejenigen, die nichtunter diese beiden Systeme fallen, sind nur noch eine ge-ringe Anzahl. Ich glaube, dass wir deutlich machenmüssen, dass wir auf der einen Seite hier dem Subsidia-ritätsprinzip Rechnung tragen, auf der anderen Seite abernicht anfangen, an allen möglichen Stellen diesesGrundsicherungssystems das Subsidiaritätsprinzip ein-zuführen. Wir könnten auch über die Anrechnung vonKindergeld beim ALG II sprechen. Wir haben heuteschon über die Anrechnung diverser anderer Alterssiche-rungsarten gesprochen.Wenn Sie, Herr Kolb, sagen, das Bürgergeld wärenicht gut, dann kommen wir zum Kern der Sache.
Auch mit anderen Anträgen in diesem Hause werden dasPrinzip der Grundsicherung und das Prinzip der Subsi-diarität infrage gestellt, und zwar entweder mit Blick aufeine besonders gut verdienende Wählergruppe oder aufdie Parteiklientel oder auf die Älteren. Das soll schon inallen Fraktionen vorgekommen sein.
Das alles trägt dazu bei, nicht nur die Menschen zu ver-unsichern, sondern auch insgesamt die Solidarität diesesSystems zu untergraben. Letztendlich handelt es sich beidem ausreichenden, bedarfsunabhängigen Grundein-kommen bzw. dem Bürgergeld um Hirngespinste und so-zudcblkLeGSzVsnLvdwgkDwg1mddduGMundrsztdsdddzDkz
etztendlich steht der Versuch dahinter, mit der attrakti-en Vorstellung eines bedarfsunabhängigen Bürgergel-es oder eines Grundeinkommens, das nicht finanzierterden kann, jedenfalls nicht sozial gerecht, den Bür-ern Sand in die Augen zu streuen und alle anderen Risi-en, die dieser Sozialstaat zu tragen hat, zu privatisieren.as machen wir Sozialdemokraten nicht mit.
Wir machen uns jetzt auch keine Gedanken beispiels-eise darüber – Kollege Hennrich ist darauf eingegan-en –, wenn wir über die Risiken der Altersarmut in 10,5 oder 20 Jahren reden, welche Beträge bei einem Ver-ögen angerechnet werden. Wir setzen auf Aktivierung,en Abbau von Arbeitslosigkeit, auf Qualifizierung, Bil-ung und gute Arbeitsbedingungen auch für diejenigen,ie jetzt gering entlohnte Dienstleistungen verrichtennd für Hungerlöhne arbeiten müssen. Die SPD und dieewerkschaften fordern bessere Arbeitsbedingungen,indestarbeitsbedingungen, eine gerechte Entlohnungnd eine Teilhabe der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-ehmer am wirtschaftlichen Wachstum und an den Pro-uktivitätszuwächsen. Das bleibt die beste Alterssiche-ung. Das bleibt die beste Versicherung dafür, nicht dieteuerfinanzierte Grundsicherung in Anspruch nehmenu müssen.Dass ein Magazin in einem Sender, der mit GEZ-Mit-eln, also mit öffentlichen Gebühren, finanziert wird,iejenigen, die im Moment von der GEZ-Gebühr wahr-cheinlich befreit sind, die aber nicht ihr Leben lang voner GEZ-Gebühr befreit sein sollen, verunsichert undamit eine Kampagne fährt, die letztendlich etwas miter Landtagswahl in Hessen zu tun hat, finde ich schoniemlich abseitig.
as gefährdet die soziale Sicherung und die Armutsbe-ämpfung in Deutschland mehr als alles andere.Insofern bleiben wir dabei, dass bei der steuerfinan-ierten Grundsicherung das Nachrangigkeitsprinzip
Metadaten/Kopzeile:
14506 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Rolf Stöckelgrundsätzlich erhalten bleibt und dass wir durch einenaktivierenden und vorbeugenden Sozialstaat, gute Ar-beitsbedingungen und Mindestlöhne Vorsorge betreibenund die Menschen befähigen müssen, eigenständig, auseigener Kraft, zu leben. Da, wo das aufgrund von Krank-heit nicht möglich ist, haben diese Menschen weiterhinunsere Solidarität, und zwar in Form einer menschen-würdigen Grundsicherung.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/7177 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Waffengesetzes und weiterer Vor-
schriften
– Drucksache 16/7717 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-
derspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Reinhard Grindel von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DasWaffenrecht sorgt für einen verhältnismäßigen Aus-gleich zwischen den Interessen der legalen Waffenbesit-zer einerseits, also der Jäger, der Schützen, der Sammlerhistorischer Waffen, und dem Interesse am Schutz vonöffentlicher Sicherheit und Ordnung andererseits. DasWaffenrecht allein ist kein Instrument zur Eindämmungder wachsenden Gewaltkriminalität. Es muss aber zuseiner Bekämpfung beitragen.Insofern bewegen wir uns mit dem Gesetz zur Ände-rung des Waffengesetzes nicht im politisch luftleerenRaum, sondern wir müssen die aktuelle Debatte um dieJugendkriminalität sehr genau im Blick haben. Deshalbwill ich als einen Schwerpunkt des neuen Waffenrechtsdie Ächtung der sogenannten Anscheinswaffen hervor-heben, die wir mit dem neuen § 42 a des Waffengesetzesvornehmen.daUfHkdawtembssfwbfBsdtewsvwtgsNPhAgitkddgabddd
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14507
)
)
n der Tat gibt es wissenschaftliche Studien, die belegen,ass beim schießsportlichen Training nicht nur die Kon-entrationsfähigkeit gesteigert wird, sondern auch dererantwortungsvolle Umgang mit Waffen und der Re-pekt vor Waffen erlernt werden. Ich kann ebenfallsachvollziehen, dass der Deutsche Schützenbund auf dieedürfnisse der Nachwuchsarbeit hinweist und eineeilnahme an der Jugendolympiade des IOC frühes Trai-ing und Ausbildung voraussetzt.Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ichm Verständnis dafür, dass die Koalition diesen Vor-chlag zur Änderung des Waffengesetzes nicht aufgrei-en wird. Die Debatte über die Absenkung der Alters-renzen für den Erwerb großkalibriger Waffen imommer 2007 hat gezeigt, dass wir es hier mit einemusgesprochen sensiblen Thema zu tun haben, das vollererunglimpfungspotenziale steckt. Gerade im Umfelder Debatte über die Jugendgewalt halte ich es für ausge-chlossen, dass wir Innenpolitiker auch nur ansatzweiseie Chance hätten, der Öffentlichkeit gegenüber ver-tändlich zu kommunizieren, weshalb wir jetzt die Al-ersgrenze für das Schießen mit Druckluftwaffen senkenollen. Es besteht die Gefahr, dass wir hier falsche Si-nale aussenden. Das würde möglicherweise auch denchützenvereinen schaden. Deshalb muss es beim Schie-en mit Laserwaffen bleiben und bei den Ausnahmevor-chriften, die das Waffengesetz heute schon vorsieht.eine Erfahrung ist die – ich will das hier hervorheben –,ass in vielen Bereichen hiervon unbürokratisch und an-emessen Gebrauch gemacht wird. Insoweit halte ich esür vertretbar, es bei dieser Regelung so zu belassen.Gleichwohl will ich auch an dieser Stelle deutlich ma-hen, was ich schon bei der letzten Debatte zum Waffen-echt betont habe: Die Schützenvereine in Deutschlandeisten eine hervorragende Jugendarbeit, sie haben inielen Städten und Gemeinden eine große Bedeutung füren Zusammenhalt im Dorf und das kulturelle Leben vorrt. Sie haben es nicht verdient, unter eine Art General-erdacht gestellt zu werden. Auch das will ich hier aus-rücklich hervorheben.
Außerdem schaffen wir mit der Änderung des Waf-engesetzes die grundsätzlichen Voraussetzungen für diemsetzung des VN-Schusswaffenprotokolls. Durch ei-ige Übergangsregelungen werden aber bürokratischeürden für Jäger, die im Ausland jagen wollen, oderuch für das Waffengewerbe vermieden.Durch die Einführung entsprechender Blockiersys-eme sorgen wir für die notwendige Sicherheit auch beirbwaffen, was durch den Wegfall des Erbenprivilegsotwendig geworden ist. Wir wollen dabei – ich will daservorheben, Kollege Wolff, weil Sie das ansprechenerden – Sammler nicht unangemessen belasten. Dasill ich ausdrücklich betonen.
Metadaten/Kopzeile:
14508 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Reinhard GrindelWegen des Auslaufens des Erbenprivilegs müssen wirdas Änderungsgesetz zum Waffenrecht zügig im Aus-schuss beraten. Ich rufe dazu auf, dass wir das tun;selbstverständlich gehört dazu auch die Durchführungeiner Anhörung. Ich sehe hier aber kein Problem, weil esim Kern nicht um Ideologien geht, sondern darum, mehrSicherheit für unsere Bürger zu schaffen. Das wollen wirmit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreichen.Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Das Wort hat der Kollege Hartfrid Wolff von derFDP-Fraktion.
Hartfrid Wolff (FDP):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die aktu-elle Diskussion über das Waffenrecht erscheint mirschon etwas schräg. Wenn das bisherige Waffengesetzüberhaupt geändert werden muss, dann deshalb, weil dasgeltende Waffenrecht vereinfacht und verständlicherwerden muss. Daran hat sich leider auch durch die rot-grüne Waffenrechtsreform vom Jahre 2002 nichts geän-dert. Im Gegenteil: Von Vereinfachung, Rücknahme derRegelungsdichte, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit kannkeine Rede sein. Die vom Kollegen Grindel gerade ge-nannten Bereiche, in denen nachjustiert werden soll, las-sen vermuten, dass hier keine klare Linie verfolgt wird,sondern es nur um Änderungen an der einen oder ande-ren Stelle geht. Bei der nun vorliegenden Novelle hätteich deshalb mehr Anstrengungen zur Entbürokratisie-rung von der Bundesregierung erwartet.Die amtierende Koalition meint, dass die neue Vor-lage neben der Umsetzung internationalen Rechts denVollzug des Waffengesetzes erleichtern und Unklarhei-ten und Lücken beseitigen würde. Die FDP hat jedocherhebliche Zweifel, dass die Bundesregierung ihr selbstgestecktes Ziel erreicht. Der unübersichtliche Wust desdeutschen Waffenrechts wird nur bedingt geklärt undzum Teil sogar unsinniger und unübersichtlicher.So stellt sich mir schon die Frage, ob es sachlich wirk-lich erforderlich ist, die bislang vorgesehene Kontrolle beider Verbringung von Schusswaffen ins Ausland nun zuverdoppeln. Bringt es wirklich einen Sicherheitsgewinn,wenn sich zwei Behörden damit beschäftigen?
Das Gleiche gilt für die neuen Buchführungs-pflichten. Es ist geradezu possierlich, wie hübsch dieMinisterialbeamten im Gesetzentwurf jeden einzelnenbürokratischen Zusatzaufwand auf eine vermeintlich un-bedeutende Größe heruntergerechnet haben. Tatsächlichist hiermit aber eine zusätzliche Belastung für die knappkalkulierende mittelständische Wirtschaft verbunden.Ein solcher Umgang mit Händlern und Herstellern amSbMsdndiSggDdBfzddWsdabthhSWwmgIRalhFwB
an hat den Eindruck, dass hier der wirtschaftspoliti-che Sachverstand der Bundesregierung, insbesonderees Innenministeriums, auf der Strecke geblieben ist.Darüber hinaus ist die Erweiterung der Kennzeich-ungs- und Buchführungsregelungen eindeutig gegenie berechtigten Interessen der legalen Waffenbesitzer,nsbesondere der Jäger, der Sportschützen und derammler von antiquarischen Waffen, gerichtet. Als Ziel-ruppe werden nun auch die Erben genauer ins Visierenommen. Man muss einfach einmal darauf hinweisen:as Erbrecht ist eine grundrechtlich geschützte Position,ie nicht einfach über Bord geworfen werden darf. Dieegründungen für Einschränkungen, die ich hier viel-ach gehört habe, reichen mir nicht aus. Ich denke daum Beispiel an den Einsatz von Blockiersystemen.
Gerade bei historischen Waffen – ich freue mich, dasser Herr Grindel an der Stelle Einsicht gezeigt hat – isties doppelt absurd. Erstens wird der kulturhistorischeert solcher Waffen durch Blockiersysteme herabge-etzt oder gar völlig zerstört. Zweitens geht von vielenieser Waffen rein technisch schon keine Gefahr mehrus. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Kosten fürestimmte Sammlerstücke, bei denen die Blockiersys-eme nur individuell handgefertigt werden können, sooch sein dürften, dass sie an den Wert der Waffe selbsteranreichen. Welchen Sicherheitsgewinn versprechenie sich von solchen Regelungen bei antiquarischenaffen? Das verstehe ich nicht.Angesichts des höchst zweifelhaften Sicherheitsge-inns stellt sich nicht nur die Frage nach der Verhältnis-äßigkeit, sondern auch die nach dem Respekt vor Ei-entum und Freiheit.
ch muss Ihnen sagen, es wundert mich nicht, dass dieserespekt bei der SPD an der Stelle fehlt. Es freut michber, dass es bei der Union gewisse Einsichten gibt. Al-erdings würde ich mich freuen, wenn etwas mehr Frei-eit zugelassen werden würde.
Herr Wieland, ich will es ganz deutlich sagen: DieDP ist bereit, ernsthaft über dieses Thema zu reden,enn es darum geht, die Sicherheit der Bürgerinnen undürger zu gewährleisten und zu verbessern.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14509
)
)
Hartfrid Wolff
Waffengewalt muss wirksam bekämpft werden,
aber nicht mit dem Waffenrecht alleine.
Die Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktionhat gezeigt, dass nur 2 bis 3 Prozent aller im Zusammen-hang mit Straftaten sichergestellten Schusswaffen aus le-galem Besitz stammen. Angesichts der Tatsache, dass97 oder 98 Prozent der Schusswaffenstraftaten bereitsam Waffengesetz vorbei begangen werden, ist das He-rumdoktern am Waffengesetz nicht unbedingt eine wirk-same Variante, sondern purer Aktionismus.
Lieber Herr Wieland, Problemlösungen im Bereichder Kriminalität müssen deshalb nicht primär das Waf-fenrecht, sondern insbesondere den Zusammenhang vonStraftat und Strafe sowie den Täter ins Blickfeld nehmenund auch den Bereich der Kriminalprävention – schüt-teln Sie doch nicht den Kopf! – umfassen; denn die Kri-minalprävention ist an der Stelle einer der wesentlichenPunkte.
Dazu haben wir noch keine Vorschläge gehört.
Die FDP wird bei diesem Gesetzesvorhaben die wei-teren Beratungen sehr genau verfolgen und beobachten,welche Änderungsvorhaben wirklich der Sicherheit undder Klarstellung dienen
und welche insbesondere zur Vereinfachung beitragen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Gabriele Fograscher von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Das geltende Waffenrecht regelt detailliert und sehrrMgWSuvAnVgzSSaWSsDisvhmHnkRstnArSbufrbseuEovDv
Was tun wir in dem vorliegenden Entwurf? Wir über-ehmen die Regelungen des VN-Schusswaffenproto-olls und setzen die EU-Waffenrichtlinie in nationalesecht um. In § 24 des Waffengesetzes wird die vorge-chriebene Art der Kennzeichnung von Waffen erwei-ert, um Rückverfolgung und Herkunft der Waffen inter-ational zu erleichtern. Das ist eine wichtige Hilfe zurufklärung von Straftaten. Ich möchte noch einmal da-auf hinweisen, dass es eine Ausnahmeregelung fürammlerwaffen geben wird.
Waffen dürfen künftig nur noch ins EU-Ausland ver-racht werden, wenn zum einen eine Ausfuhrerlaubnisnd zum anderen eine Einfuhrgenehmigung des Emp-ängerstaates vorliegen.Wir werden das Waffenrecht um ein Verbot zum Füh-en von Anscheinswaffen ergänzen. Darunter fallen ne-en Kriegswaffennachbildungen auch Kurzwaffen. An-cheinswaffen sind nahezu echt aussehende Imitate vonchten Waffen. Von ihnen geht ein beträchtliches Droh-nd Gefährdungspotenzial aus, weil selbst die Polizei imrnstfall nicht erkennen kann, ob es sich um ein Imitatder eine echte Waffe handelt. Wir werden das Führenon Anscheinswaffen in der Öffentlichkeit verbieten.ie Auflage, nach der diese Waffen nur noch in einemerschlossenen Behältnis transportiert werden dürfen,
Metadaten/Kopzeile:
14510 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Gabriele Fograschersoll ein deutliches Signal setzen: Diese Waffen haben imöffentlichen Raum nichts zu suchen.
Ob das Führen von Anscheinswaffen in der Öffentlich-keit zusätzlich bußgeldbewehrt werden kann, wird imBMJ derzeit noch geprüft.Auch wenn das Verbot des Erwerbs und des Handelsmit diesen Waffenimitaten wünschenswert wäre, mussman hier die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und derVereinbarkeit mit EU-Recht stellen. Erst wenn sichzeigt, dass sich der jetzige Regelungsvorschlag in derPraxis nicht bewährt, muss man über weitere Schrittenachdenken.Ein weiterer Punkt, den wir nach Auslaufen der Über-gangsregelung im jetzigen Gesetz regeln wollen, ist dassogenannte Erbenprivileg. Kann der Erbe einer Schuss-waffe ein Bedürfnis nachweisen, ist er zuverlässig undpersönlich geeignet, so wird diese Waffe entsprechendjeder käuflich erworbenen behandelt. Kann der Erbe dasBedürfnis nicht nachweisen, muss er dafür sorgen, dassdie Waffe schussunfähig gemacht wird. Dazu wird dieWaffe in Zukunft nicht unumkehrbar zerstört werdenmüssen, sondern mithilfe eines Blockiersystems, das in-zwischen von der Industrie entwickelt wurde, schussun-fähig gemacht. Damit wird die Waffe nicht zerstört, ihrWert bleibt erhalten. Für etwa 80 Prozent aller Waffengibt es inzwischen diese Blockiersysteme. Für Waffen,für die es noch keine technische Lösung gibt, kann eineAusnahmegenehmigung beantragt werden. Ich denke,dass wir damit eine praktikable und dem Sicherheitsbe-dürfnis der Bevölkerung angemessene Regelung gefun-den haben.Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Ge-setzentwurf gefordert, dass mit der gelben Waffenbesitz-karte keine verbandsfremden Waffen mehr erworbenwerden dürfen. Dieser Empfehlung werden wir nicht fol-gen. Sie würde unserer Ansicht nach die gelbe Waffen-besitzkarte ad absurdum führen. Es bleibt dabei: Sport-schützen können maximal zwei Waffen pro Halbjahrerwerben, wenn sie Mitglied in einem anerkannten Ver-band sind, seit mindestens zwölf Monaten aktiv sind unddie persönlichen Voraussetzungen erfüllen. Die Waffen-behörde kann bei Auffälligkeiten, insbesondere bei An-haltspunkten für bloßes Waffenhorten, intervenieren.Fazit: Deutschland hat – und wird das auch in Zu-kunft haben – eines der strengsten und restriktivstenWaffengesetze weltweit, und das ist richtig und gut so.Legale Waffenbesitzer wie Schützen, Jäger und Sammlergehen verantwortungsvoll und zuverlässig mit ihrenWaffen um. Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatis-tik und des Periodischen Sicherheitsberichts zeigen, dasslegal erworbene Waffen und Sammlerwaffen eine unbe-deutende Deliktsrelevanz haben. Sorgen machen uns dieillegalen Waffen, deren Dunkelziffer extrem hoch ist unddie sich vorwiegend in Händen von Kriminellen befin-den. Dieses Problem kann ein noch so scharfes Waffen-recht nicht lösen.
BuBKfWgwlRnDKbszdvswDddBwgügWasd
nd versuchen, praktikable Lösungen zu finden. In dererliner Initiative geht es darum, Messer, die eigentlichampfmesser oder Militärmesser sind, als Waffen zu de-inieren und somit dem Waffenrecht zu unterwerfen.
ir wollen natürlich nicht, dass für Angler, Taucher, Jä-er und andere die Ausübung ihres Hobbys unmöglichird. Gefährliche Messer, die ursprünglich aus dem mi-itärischen Bereich kommen, haben aber im öffentlichenaum unserer Städte und Gemeinden nichts zu suchen.
Ich kann für meine Fraktion sagen, dass wir die Berli-er Initiative zum Messerverbot genau prüfen werden.
ie vorgeschlagenen Lösungen und die Definition nachlingenlänge und -form bringen allerdings enorme Pro-leme bei der Abgrenzung von Alltagsgegenständen mitich. Wir versuchen, eine Formulierung und Definitionu finden, die die gefährlichen Messer umfasst undurch die sich das Führen dieser in der Öffentlichkeiterbieten lässt.Ich freue mich auf konstruktive Beratungen im Aus-chuss und auf die Erkenntnisse durch die Anhörung, dieir noch durchführen werden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Pau von der Fraktion
ie Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inieser Debatte geht es um zwei Anträge. Beide betreffenas Waffenrecht. Durch den ersten, den sogenanntenerliner Entwurf, sollen Messer, Hieb-, Stich- und Stoß-affen klassifiziert werden, die bisher nicht als Waffenalten. Mit dem zweiten soll EU-Recht ins Binnenrechtbernommen werden. Die Linke steht beiden Anträgenrundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Ein schärferesaffenrecht ist zwar kein Garant für weniger Gewalt,ber ein lockeres Waffenrecht leistet mehr Gewalt Vor-chub. Das kann niemand wollen. Die Linke will es je-enfalls nicht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14511
)
)
Petra Pau
Im Berliner Entwurf gibt es zwei entscheidende Kri-terien: Hieb- und Stoßwaffen, Messer und Springmessermüssen erstens eine bestimmte Klingenlänge ausweisenund zweitens zugriffsbereit mitgeführt werden. Trifftbeides zu, so kann das geächtet werden. Dagegen gibt esKritik, zum Beispiel weil auch ein Messer, das einen hal-ben Zentimeter kürzer ist, als vorgeschlagen wird, zurWaffe werden kann. Andererseits kann man nicht jedenGegenstand, der zur Waffe taugt, als Waffe einstufen.Man müsste sonst sogar das Flaschenbier verbieten.Beim EU-Recht geht es darum, unerlaubten Handelmit Waffen und Munition zu verhindern. Im Visier die-ses Vorschlages ist zugleich die grenzüberschreitende or-ganisierte Kriminalität. Auch bei diesem Ansinnen dürf-ten die Fraktionen nicht grundsätzlich über Kreuz liegen.Außerdem sollen weitere Waffen verboten werden,zum Beispiel sogenannte Anscheinswaffen. Das sindWaffen, denen man nicht ansehen kann, ob sie echt undscharf, ob sie Sammelstücke oder Attrappen sind. EinerGeisel dürfte es übrigens egal sein, ob eine scharfe odereine Scheinwaffe auf sie zielt. Insofern ist das ein ver-nünftiger Vorschlag.Es gibt noch weitere Punkte, über die ich gern disku-tiert hätte, zum Beispiel das Waffenregister. Derzeit istes Ländersache, Waffen, deren Besitzer oder deren Her-kunft zu erfassen. Ausnahmsweise denkt an dieser Stelledie Linke – und nur in diesem Zusammenhang – über einbundesweites Zentralregister nach.
Es gibt noch weitere Vorschläge. Manche sind so sim-pel, dass man staunt. Auf dem Markt gibt es ein kleinesSicherheitsschloss. Eingesetzt, verhindert es, dass Unbe-fugte scharfe Waffen nutzen können, etwa Jagdgewehreoder Sportpistolen. Eine entsprechende Maßnahme oderVorschrift könnte mehr Sicherheit schaffen.Im Gesetzentwurf gibt es aber auch Formulierungen,bei denen ich sage: Achtung und Vorsicht. So soll be-straft werden können, wer beim Unterstützen von Vorbe-reitungshandlungen von Bestrebungen, die auf Gewaltgerichtet sind, ertappt wurde oder dessen verdächtigtwird. Wer diese Aussage von schlichter Schönheit nichtverstanden hat, braucht sich nicht zu grämen. Das ist ty-pisches Rechtskauderwelsch. Aber es zielt darauf, dassnicht ein Täter bestraft wird, sondern eine mögliche Un-terstützung einer möglichen Vorbereitung von einermöglichen Bestrebung einer Tat. Ich warne davor, na-mens des Waffenrechtes Elemente des politischen Straf-rechts auszuweiten. Es riecht förmlich nach § 129 Straf-gesetzbuch. Er ist ein Fremdkörper und wird obendreingern missbraucht; Generalbundesanwältin Harms hat dasmehrfach demonstriert.Kurzum: Die Linke wird die Gesetzesvorlage – wiestets – konstruktiv mitberaten und mit eigenen Vorschlä-gen bereichern; denn grundsätzlich gilt: Gewalt hat we-dwwhnGaJdüImskbTWwmDnMdSSmbvn–sWBDm
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach denufgeregten Debatten der vergangenen Tage zum Themaugendgewalt habe ich eigentlich erwartet, dass der Bun-esinnenminister mit der Reform des Waffenrechts einenberzeugenden Beitrag zur Gewaltprävention vorlegt.
m Gegenteil, das ist erneut der Beweis: CDU-Innen-inister reden gerne über innere Sicherheit. Dann, wennie konsequent handeln und real Verantwortung tragenönnten, handeln sie aber nicht konsequent.
Wir wollen uns nicht daran gewöhnen, dass das griff-ereite Messer in der Tasche zu einem ganz normaleneil unserer Alltagskultur wird.
ir sagen ganz klar: Das staatliche Gewaltmonopolird aufgeweicht, wenn der Rechtsstaat vor der zuneh-enden Bewaffnung im öffentlichen Raum kapituliert.eswegen unterstützen wir die Initiative des Berliner In-ensenators Körting, der das Mitführen gefährlicheresser im öffentlichen Raum verbieten will. Genauazu, Herr Grindel, steht im Gesetzentwurf von Herrnchäuble nichts. Genau dazu, Herr Grindel, haben auchie nichts gesagt.Ich habe sehr wohl zur Kenntnis genommen – das istein nächster Kritikpunkt –, dass Sie angekündigt ha-en, die Regelungen im Bereich der Anscheinswaffenerbessern zu wollen. Hier reicht es natürlich nicht aus,ur Imitate von Kriegswaffen zu berücksichtigen.
Herr Wolff, Ihnen von der FDP möchte ich sagen: Wirind für Freiheits- und Bürgerrechte. Das Tragen vonaffen im öffentlichen Raum ist aber kein Freiheits- undürgerrecht.
as, was Sie hier gemacht haben, ist dumpfer Populis-us.
Metadaten/Kopzeile:
14512 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Silke Stokar von NeufornDas war nichts anderes als Lobbyarbeit,
und zwar für Waffenhändler und Waffenbesitzer.
Die Zahlen, die Sie genannt haben, sind schon deswegenfalsch, weil ein Großteil der heute illegalen Waffen ein-mal legal erworben worden ist. Sie haben in dieser Fragenull Problembewusstsein. Sie sind ein Lobbyist für dieWaffenindustrie und sonst gar nichts.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf dasHamburger Beispiel der Reeperbahn eingehen, weil essehr deutlich zeigt, wie wenig es bringt, wenn wir nurbestimmte Räume als waffenfreie Zonen definieren. DieZahl der Messerattacken in Hamburg ist dadurch nichtzurückgegangen; denn schwere Körperverletzungen mitdem Instrument Messer finden überall im öffentlichenRaum statt: in der U-Bahn, in der Straßenbahn, vor Dis-kotheken, vor Schulen und auf den Straßen. Das ge-schieht nicht nur auf der Reeperbahn.Ich finde es absolut absurd – in dieser Diskussionmacht sich der Staat einfach lächerlich –, wenn die Poli-zei auf der Reeperbahn Waffen einzieht und der Ham-burger Senat dafür sorgt, dass genau diese Waffen we-nige Tage später bei der öffentlichen Onlineauktion desZolls, einer staatlichen Einrichtung, zu Dumpingpreisenwieder auf den Markt gebracht werden. Ich frage mich,ob die CDU-geführte Regierung in Hamburg wirklich sosehr am Ende ist, dass sie ihren Haushalt in Ordnungbringen muss, indem sie als öffentlicher Waffenhändlerauftritt. Angesichts dieser Beweise aus dem Umkreis derUnion stelle ich fest: So kann man mit den Themen Ju-gendgewalt, Bewaffnung und innere Sicherheit nichtumgehen.
– Ich will Ihnen einmal ganz deutlich sagen: Wer denBerliner Ansatz bzw. unseren Ansatz verfolgt,
der will selbstverständlich nicht – dass Sie das dennochbehaupten, gehört zu Ihrem Populismus – einem Pfad-finder sein Taschenmesser wegnehmen.
Wir wollen auch Anglern, Campern und Jägern nichtihre Messer wegnehmen.
WwSvsWacafFGzbrwspnDfvÜ
ir können täglich in der Zeitung lesen – ich kenne dasus Hannover –, wie häufig es vorkommt, dass Jugendli-he das Messer, das sie in der Tasche tragen, ziehen undndere Jugendliche damit verletzen, bis hin zur Todes-olge.
ür dieses reale Problem bieten Sie keine Lösung an.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Ich habe
ur Kenntnis genommen, dass die Koalitionsfraktionen
eim Gesetzentwurf des Ministers erheblichen Verbesse-
ungsbedarf sehen. Wir werden uns konstruktiv an den
eiteren Beratungen beteiligen. Wir sind der Auffas-
ung, dass wir eine Anhörung brauchen, weil die Kom-
etenz der Großen Koalition hier ganz offensichtlich
icht ausreichend ist.
Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 16/7717 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das scheint der Fall zu sein. Dann ist dieberweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Spieth, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEWiedereinführung der vollständigen Zuzah-lungsbefreiungen für Versicherte mit gerin-gem Einkommen im Wege der Härtefallrege-lung– Drucksachen 16/6033, 16/7435 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Carola Reimann
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14513
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-derspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be-schlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Christian Kleiminger von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ineinem sollten wir uns einig sein, nämlich dass fürKranke und Menschen mit niedrigem Einkommen keineZutrittsbarrieren zu notwendiger medizinischer Versor-gung errichtet werden dürfen.
In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen derLinken, behaupten Sie aber, dass ein Zusammenhang be-stehe zwischen den Zuzahlungen einerseits und dem Ge-sundheitszustand der sozial Schwächsten in unsererGesellschaft andererseits. Unbestritten gibt es eine Rela-tion zwischen Armut und Krankheit. Arbeitslosigkeit,schwierige Wohnsituationen, niedriges Bildungsniveau,all das sind Ursachen dafür. Darum versuchen wir ja,eine Politik zu machen, die genau an diesen Stellen an-setzt, auch durch Prävention und Information; daraufkomme ich noch zurück. Im Hinblick auf Ihren Antragstellt sich jedoch eine andere Frage, nämlich: Inwieweitbesteht der von Ihnen behauptete Zusammenhang zwi-schen einer Zuzahlungsbefreiung und dem Gesundheits-zustand der Betroffenen? Trägt das, was Sie fordern,wirklich dazu bei, dass es für Benachteiligte im Gesund-heitswesen mehr soziale Gerechtigkeit gibt?Zu diesem Themenfeld gibt es noch nicht besondersviele aussagekräftige Untersuchungen. Auch der Ge-sundheitsmonitor lässt keine belastbaren Schlüsse zu, obder Rückgang der Zahl der Arztkontakte mit der Vermei-dung wichtiger oder unwichtiger Arztbesuche zu erklä-ren ist. Man weiß nicht sicher, ob relevante Untersu-chungen vermieden worden sind oder nur sogenannteBagatelluntersuchungen. Daher halte ich es für wichtig,hierzu vermehrt Analysen durchzuführen.Erinnern wir uns: Der Ausgangspunkt für die Einfüh-rung von Zuzahlungen seinerzeit war doch, wie wir allewissen, die Erkenntnis, dass häufigere Arztbesuche nichtin jedem Fall gesünder machen, dass man nicht bei je-dem Husten gleich einen Doktor braucht. Dennoch wer-den die Ärzte hierzulande häufiger aufgesucht als in vie-len anderen europäischen Ländern. Bei der Einführungder Regelung standen daher die Steuerungswirkungenim Vordergrund. Das mag sehr technisch klingen; dochdie Absicht ist einfach: Die Versicherten – alle Ver-sicherten – sollten ein stärkeres Kostenbewusstsein ent-wickeln und von medizinischen Leistungen dem indi-viduellen Bedarf entsprechend Gebrauch machen.Nehmen wir das Beispiel Praxisgebühr: Mit ihrerHilfe sollte die Lotsenfunktion der Hausärzte gestärktwkcEtwAFg–bKVpAArmbifMGÄasEkdDdhfdZseVwgdZasmmb
as hätte ich schon erwartet, wenn Sie mehr Menschenie Zuzahlungen ersparen möchten. Eines will ich nochinzufügen: Während wir hier über eine Zuzahlungsbe-reiung diskutieren, hören wir in diesen Tagen Rufe ausem Süden der Republik, mit denen sogar noch höhereuzahlungen gefordert werden. Dem treten wir – dasollte klar sein – genauso entschieden wie Ihrem Antragntgegen.
Wenn wir in Zukunft die notwendige medizinischeersorgung für alle gewährleisten wollen, dann müssenir dafür sorgen, dass sich auch alle nach ihrer jeweili-en wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an den Kostenes Systems beteiligen.
u einer solidarischen Gesellschaft gehört umgekehrtuch, dass Benachteiligte gestützt werden. Das müssenie. Hören Sie einmal kurz zu: Meiner Meinung nachüssen wir das auch in unsere Überlegungen im Rah-en der Diskussion über eine Anhebung des Regelsatzeseim AGL II einfließen lassen.
Metadaten/Kopzeile:
14514 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Christian KleimingerStatt über weitere Zuzahlungsbefreiungen zu diskutie-ren, sollten wir uns lieber überlegen, wie wir im Bereichder Prävention auch Menschen mit niedrigem Einkom-men oder mit Migrationshintergrund erreichen.
Wir brauchen dringend mehr niedrigschwellige Ange-bote und breitere Informationen darüber. Es geht darum,die Menschen zu erreichen, die keine Infobroschüren le-sen und keine Infonummern wählen;
denn der soziale Status darf – da stimmen wir Ihnen ja zu –nicht der entscheidende Negativfaktor für den Gesund-heitszustand sein.
Deshalb sollen gerade durch das Präventionsgesetz,das wir vorbereiten, in dieser Hinsicht neue Wege geeb-net werden;
denn durch Prävention wird die Gesundheit geschützt.Diese vierte Säule im Gesundheitsweisen muss gestärktwerden. Meines Erachtens werden auf diese Weise dieexistierenden Unterschiede im Gesundheitsbereich vielstärker abgebaut. So schaffen wir besser als mit einerkurzfristigen Zuzahlungsbefreiung nachhaltig sozialeGerechtigkeit.
Das Wort hat nun Kollege Heinz Lanfermann, FDP-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Wir sprechen heute über die zum1. Januar 2004 entfallene Zuzahlungsbefreiung für Här-tefälle, wie sie in den §§ 61 und 62 des SGB V in der biszum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung vorgesehenwar.Eines gleich vorweg: Die FDP teilt dieses spezielleAnliegen, für GKV-Versicherte mit geringem Einkom-men wieder eine Härtefallregelung in das SGB V aufzu-nehmen, um zu verhindern, dass eine notwendige medi-zinische Versorgung wegen nicht aufbringbarerZuzahlungen unterbleibt.
Das haben wir übrigens – auch wenn Sie das viel-leicht erstaunt, Frau Kollegin Ferner – im Jahr 2004 mitunserem Antrag vom 14. Januar, Drucksache 15/2351,deutlich gemacht, der die Abschaffung der Praxisgebüh-ren forderte und sich auch mit der Arzneimittelzuzah-lung befasste. In diesem Antrag hieß es wörtlich:hdAsnusdcsneshzddkIbdlzSSgzdgstu
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14515
)
)
Heinz LanfermannIn dem angerichteten Trümmerhaufen ist die Zuzahlungs-befreiung für besondere Härtefälle nur ein weiterer unan-sehnlicher Stein.
Der deutsche Arzneimittelmarkt ist ohnehin hochgra-dig überreguliert. Arzneimittelrichtlinien, gesetzlicherAusschluss von Arzneimitteln, Festbeträge für Arznei-mittel und Nutzenbewertung sind nur einige Stichwörterfür die Regulierungswut. Preisfindung geschieht realschon längst nicht mehr am Markt, sondern auf denSchreibtischen des Gesundheitsministeriums.Diese Regelungen durchschaut kein Mensch mehrwirklich. Sie bauen Ihre Politik ja auch darauf auf, dassdie Menschen das nicht mehr verstehen und Sie ihnensuggerieren, es sei besonders sozial.Der Versicherte, der im Mittelpunkt allen Wirkensstehen sollte, ist dabei längst aus dem Blick geraten.Gerade deshalb wäre eine Diskussion darüber, ob dasangestrebte Ziel einer wirtschaftlich verantwortlichenArzneimittelversorgung nicht auch anders, nämlich ohnedie vielen regulatorischen Mittel, besser zu erreichen ist,so wichtig. Diese Debatte führt zumindest die Bundesre-gierung jedoch nicht.Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen:Da wir zwar einerseits der Forderung auf Wiedereinfüh-rung der Zuzahlungsbefreiung für Härtefälle zustimmenkönnten, Sie aber andererseits Ihren Antrag mit einerReihe von falschen Thesen untermauert haben, ist es nurfolgerichtig, dass sich meine Fraktion enthalten wird.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort nun Kollegen Jens Spahn, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichmöchte zum vorliegenden Antrag der Linken drei kurzeBemerkungen machen:Erstens. Zuzahlungen sind kein Selbstzweck, sondernals Steuerungsinstrument gedacht. Sie sollen signalisie-ren: Gesundheit ist etwas wert. Ebenso ist die Dienstleis-tung, die in dieser Republik 24 Stunden am Tag, siebenTage in der Woche, 365 Tage im Jahr flächendeckend,bis in den letzten Winkel, zur Verfügung steht, etwaswert. Auch sozial Schwache und chronisch Kranke sol-len und müssen verantwortungsbewusst mit diesen Res-sourcen umgehen.Deswegen ist es von Anfang an Ziel dieser Zuzah-lungsregelung gewesen, dazu zu animieren, zu überle-gen, etwa vor dem Hintergrund der Praxisgebühr, ob estatsächlich notwendig ist, den Arzt aufzusuchen. DerDurchschnittsdeutsche sucht etwa doppelt so oft einenArzt auf wie der Durchschnittsfranzose, der Durch-sDhhutzdE1adhVId–nIlmwlsebsAAÄüÜsrDKetdsdepdnmDofdL
on daher ist diese Regelung in sich sozial verträglich.m Übrigen ist sie mit Ausnahmen für Kinder versehen,ie keine Zuzahlungen zu leisten haben, darüber hinaus das ist wichtig; das ist nämlich in der Öffentlichkeitoch nicht überall angekommen – mit Ausnahmen fürmpfungen und Vorsorgeuntersuchungen. Von daheräuft der Vorwurf, den Sie in Ihrem Antrag machen undit dem Sie ihn begründen, ins Leere.Nichtsdestotrotz müssen wir uns natürlich immerieder fragen, ob das, was wir mit der Zuzahlungsrege-ung erreichen wollten, tatsächlich erreicht wird. Im Zu-ammenhang mit der Praxisgebühr kann ich mich daranrinnern, dass ich einmal am zweiten Tag eines Quartalseim Arzt war, wo ich am Tresen gefragt wurde, ob ichchon einmal die Überweisungen für den Hautarzt, denugenarzt und diverse andere Ärzte mitnehmen wolle.ls ich sagte, ich hätte eigentlich gar nicht vor, dieserzte anschließend aufzusuchen, sagte man mir, es seiblich, am Anfang des Quartals schon einmal die ganzenberweisungen mitzugeben, damit das für jeden erledigtei.Insofern muss man da genau schauen, ob die Steue-ungswirkung, die wir wollen, tatsächlich erreicht wird.ennoch ist das Ziel richtig, ein Bewusstsein für dieosten des Systems zu schaffen und eine Beteiligungntsprechend dem Einkommen vorzusehen.
Drittens. Der Antrag steht in einer bestimmten Tradi-ion von Anträgen, die Sie als Linkspartei regelmäßig zuen unterschiedlichsten Themen stellen. Einmal mehragen Sie im Grunde nichts zur Deckung der Kosten under Ausfälle, die damit verbunden wären. Es geht umtwa 500 Millionen Euro. Das sind 0,05 Beitragssatz-unkte. Das ist bemerkenswert angesichts der Tatsache,ass die Opposition uns im Anschluss an diese Debatteoch eine Debatte aufdrücken will aus Sorge um ver-eintliche oder tatsächliche Beitragssatzsteigerungen.iese 0,05 Beitragssatzpunkte schlagen Sie hier vor,hne mit einem Satz zu erwähnen, wie das anschließendinanziert werden soll. Von daher fällt dieser Antrag inie übliche Liste der Wünsch-dir-was-Anträge derinkspartei. Sie mögen zwar populär und populistisch
Metadaten/Kopzeile:
14516 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Jens Spahnsein, aber sie sind nicht fundiert; sie betrachten nicht dieRealität und schon gar nicht unsere Zielsetzung. Deswe-gen ist der Antrag von uns abzulehnen.
Nun hat Kollege Frank Spieth, Fraktion Die Linke,
das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich einige Anmerkun-
gen zu den einzelnen Beiträgen mache, noch einmal zum
grundsätzlichen Anliegen dieses Antrags. Der „Links-
sozialist und Revolutionär“ Norbert Blüm hat in den
90er-Jahren die Zuzahlungen in der gesetzlichen Kran-
kenversicherung eingeführt. Er hat damals festgestellt,
dass aus sozialer Rücksicht auf Menschen mit geringem
Einkommen eine Härtefallregelung notwendig sei, damit
diese Menschen vor Überforderung bei Zuzahlungen ge-
schützt würden.
Er ist ein wackerer Christdemokrat.
Die Sozialdemokratische Partei hat durch ihre dama-
ligen Vertreter gegen die Härtefallregelung argumentiert,
und zwar mit der Begründung, dass sie gar keine Zuzah-
lungen wolle. 15 Jahre später wird Ihre Einstellung deut-
lich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Was
schert mich mein Geschwätz von gestern? Was interes-
siert uns das, was wir als Partei der sozialen Gerechtig-
keit in Wahlkämpfen versprechen? In der Praxis wird
dann genau das Gegenteil gemacht, leider weitgehend
unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das ist sehr bemer-
kenswert.
Welches Anliegen verfolgen wir mit der Härtefallre-
gelung? Damit wollen wir das, was bis zum 31. De-
zember 2003 gegolten hat, wieder einführen. Übrigens
wollten Ihre Fraktion und Ihre Ministerin noch im Jahr
2003 die Härtefallregelung erhalten; sie wurde dann aber
auf dem Altar des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes
und bei den Nacht- und Nebelabsprachen mit Herrn
Seehofer, die das Gesetz ermöglichen sollten, geopfert.
Das ist die politische Realität.
Mit der Härtefallregelung sollten Menschen mit ge-
ringem Einkommen vor Überforderung geschützt wer-
den. Wenn davon die Rede ist, die alte Regelung wieder
einzuführen – also Versicherte mit einem Einkommen
bis zu 40 Prozent der Bezugsgröße wieder von den Zu-
zahlungen zu befreien –, dann bedeutet das in Zahlen:
Wer weniger als 994 Euro Einkommen bezieht – das be-
trifft die große Masse der Rentnerinnen und Rentner –,
wäre endlich wieder von Eintrittsgebühren beim Arzt,
Z
k
f
D
d
n
s
a
z
n
E
w
m
g
g
d
t
G
c
k
g
A
h
K
t
p
n
v
r
k
d
n
w
B
M
s
g
U
Sie scheinen die Lebensrealität der Menschen mit ge-
ingem Einkommen in diesem Lande nicht mehr im Fo-
us zu haben. Wir brauchen wieder Härtefallregelungen,
amit Menschen durch Armut und geringe Einkommen
icht von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen
erden. Das ist eine Tatsache.
Danke für Ihre Unaufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegen Harald Terpe, Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Vorab eine persönliche Ein-chätzung: Die Frage, ob sich mit Zuzahlungen mehr Ei-enverantwortung und ein verantwortungsbewussterermgang mit den Gesundheitsausgaben im erhofften
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14517
)
)
Dr. Harald TerpeMaße fördern lässt, lässt sich noch nicht sicher beant-worten. Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Ziel isttatsächlich gewesen, die Eigenverantwortung zu stärkenund eine Steuerung der Gesundheitskosten einzuführen.Insofern hat sich die Richtung unserer Diskussionenüber die Gesundheitspolitik in den letzten fünf Jahrenverändert. Das muss man zur Kenntnis nehmen.Wir haben die Verpflichtung, auf eine möglichst ge-rechte Ausgestaltung der Zuzahlungen zu achten. Hiergibt es sicherlich offene Fragen, beispielsweise ob nichtdie ohnehin durch Krankheit belasteten Patientinnen undPatienten auch die Hauptlast der Zuzahlungen tragen.Wir müssen darüber diskutieren und uns fragen, ob wirÄnderungen vornehmen müssen. Der Antrag der Linkenist aber nicht unbedingt geeignet, auf den aus unsererSicht unbestreitbaren Zusammenhang zwischen sozia-lem Status und Gesundheit angemessen zu reagieren. Erwirft neue Gerechtigkeits- und Diskriminierungsfragenauf genauso wie die Frage nach der Finanzierung; daraufwurde schon hingewiesen. Man muss konstatieren, dassdie Zuzahlungsregelungen nicht nur Nachteile, sondernauch Vorteile bringen. Danach müssen sich diejenigen,die chronisch krank sind und über geringe Mittel verfü-gen, nicht vorher einen Schein bei irgendeiner Behördebesorgen, um nachzuweisen, dass sie von der Zuzahlungbefreit sind.Wir sind uns wahrscheinlich weitgehend über dieFeststellung einig, dass es einen Zusammenhang von so-zialer Ungleichheit und unterschiedlich verteilten Ge-sundheitschancen gibt. Menschen mit einem schlechte-ren sozialen Status sind häufiger und anders krank alsMenschen mit hoher Bildung und einem höheren Ein-kommen. Darauf hat der Sachverständigenrat hingewie-sen. Das ist auch im Armuts- und Reichtumsbericht derBundesregierung an vielen Stellen nachzulesen. Aller-dings bleiben nach unserer Meinung zumindest aufseitender Regierungsbank die nötigen Konsequenzen aus. DieKoalition ist bislang praktische Antworten auf die Frage,was sie gegen sozial bedingte Ungleichheiten bei denGesundheitschancen zu tun gedenkt, schuldig geblieben.Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen. Ers-tes Beispiel. Wir wissen, dass gut gemachte Gesund-heitsförderung und Primärprävention vor allem bei Men-schen mit niedrigem sozialen Status ansetzen müssen.Seit Monaten wird in der Koalition ergebnislos über denEntwurf eines Präventionsgesetzes inhaltlich gestritten.Das ist keine wirksame Präventionspolitik. Ein Präven-tionsgesetz müsste über Marketingaktionen der Kran-kenkassen oder des Bundesgesundheitsministeriums hi-nausgehen.
Das zweite Beispiel ist der Regelsatz für Beziehervon ALG II und Sozialhilfe. In den monatlichen Regel-leistungen ist bekanntlich ein Anteil von 4 Prozent fürGesundheitsausgaben vorgesehen. Das sind monatlichknapp 14 Euro. Man kann sich leicht ausrechnen, dassdies bei einer Bevölkerungsgruppe, die ohnehin durcheinen schlechteren Gesundheitszustand gekennzeichnetist, in vielen Fällen nicht ausreichend ist. Unsere Ant-wdNlbKgkdowEsSrazcsmszeWsLggADasfgtFK
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-chusses für Gesundheit zum Antrag der Fraktion Dieinke mit dem Titel „Wiedereinführung der vollständi-en Zuzahlungsbefreiungen für Versicherte mit gerin-em Einkommen im Wege der Härtefallregelung“. Derusschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 16/7435, den Antrag der Fraktion Die Linkeuf Drucksache 16/6033 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wertimmt dagegen? – Enthaltungen? Die Beschlussemp-ehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPDegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthal-ung der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen undDP angenommen.Ich rufe den Zusatzpunkt 10 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion der FDPGesundheitsfonds stoppen – Beitragsautono-mie der Krankenkassen bewahrenIch eröffne die Aussprache und erteile das Wort demollegen Daniel Bahr, FDP-Fraktion.
Metadaten/Kopzeile:
14518 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Ich erinnere die schwarz-rote Koalition zunächst andas, was sie sich selbst für diese Legislaturperiode vor-genommen hat. Im Koalitionsvertrag vom 11. November2005, in dem sich CDU, CSU und SPD auf ihre Ziele fürdiese Legislaturperiode festgelegt haben, heißt es wört-lich:Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversiche-rung wird in 2006 ein umfassendes Zukunftskonzeptentwickelt, das auch darauf angelegt ist, die Beiträgezur gesetzlichen Krankenversicherung mindestensstabil zu halten und möglichst zu senken.Die schwarz-rote Koalition hat sich nach monatelan-gen Verhandlungen auf eine Gesundheitsreform geeinigt,die seit dem 1. April 2007 in Kraft ist. Die Beiträge zurgesetzlichen Krankenversicherung betrugen zu BeginnIhrer Amtszeit als Große Koalition 14,2 Prozent. Sie be-tragen mittlerweile aufgrund der Politik der schwarz-ro-ten Koalition 14,8 Prozent. Sie haben bisher mitnichtendazu beigetragen, dass die Beiträge zur gesetzlichenKrankenversicherung „mindestens stabil“ geblieben odersogar gesunken sind. Im Gegenteil, die Bürgerinnen undBürger müssen immer mehr zahlen; sie werden für einefalsche Politik von Schwarz und Rot immer mehr zurKasse gebeten.
In diesem Jahr muss die Bundesregierung erstmals ei-nen bundesweit einheitlichen Beitragssatz für den Ge-sundheitsfonds festlegen. Berechnungen des MünchenerInstituts für Gesundheitsökonomie gehen von einem Bei-tragssatz von 15,5 Prozent aus. Der SachverständigenratGesundheit und andere Institute wie das des Herrn Kolle-gen Lauterbach
erwarten einen Satz zwischen 15 und 15,4 Prozent. Ver-schiedene Krankenkassen haben einen Satz von bis zu15,5 Prozent berechnet. Fest steht damit, meine Damenund Herren, dass von Ihnen im Herbst dieses Jahres einBeitragssatz oberhalb von 15 Prozent beschlossen wer-den müsste, damit der Gesundheitsfonds in Kraft tretenkann und die Krankenkassen aus den Zuweisungen ausdem Gesundheitsfonds 100 Prozent ihrer Ausgaben de-cken können. Damit steht also fest, dass der Beitragssatzgegenüber 2005 erneut deutlich steigen wird. Für dieBürgerinnen und Bürger wird es immer teurer, aber mit-nichten besser.
Die schwarz-rote Bundesregierung geht mit dem Ge-sundheitsfonds den Weg in ein staatliches und zentralis-tisches Gesundheitswesen. Demnächst wird die Regie-rung Jahr für Jahr darüber entscheiden, wie viel Gelddem Gesundheitswesen zur Verfügung steht. Wenn Siein jedem Herbst festlegen müssen, wie hoch ein bundes-weit einheitlicher Beitragssatz ist, dann hat dies über-haupt nichts mit Wettbewerb zu tun.BzDeHdsAFimgdhmndmSdftwfndkbeKlwdeFhdDUstdr
isher entscheiden die Krankenkassen im Rahmen einesaghaften Wettbewerbs, wie hoch ihr Beitragssatz ist.iese Entscheidung nehmen Sie ihnen weg. Demnächstntscheiden Sie dann, Frau Schmidt. Jedes Jahr imerbst entscheidet die Bundesregierung, wie viel Geldem Gesundheitswesen im nächsten Jahr zur Verfügungtehen wird. Dies wird kein leichtes Spiel sein, wenn dieusgaben steigen, wie es jetzt absehbar ist. In diesemalle müssen Sie entscheiden, wie hoch der Beitragssatzst. Diese Entscheidung wird sich keine Regierung leichtachen, weil es um einen Anstieg der Lohnzusatzkosteneht, was eine weitere Belastung des Arbeitsmarkts be-eutet. Dann werden wir in jedem Jahr die Diskussionaben, auf die Sie gerade einen Vorgeschmack bekom-en,
ämlich den Streit darüber, wie wir kurzfristig verhin-ern können, dass der Beitragssatz angehoben werdenuss.
ie, Frau Schmidt, haben doch schon längst eingestan-en, dass der Beitragssatz weiter steigen muss; denn Sieahnden bereits nach Vorschlägen, wie man diesen Bei-ragssatzanstieg verhindern kann, indem Sie überlegen,ie zusätzliche Steuergelder in den Gesundheitsfondsließen oder wie Sie Arzneimittelsparpakete planen kön-en.Das heißt, das, was Sie jetzt machen, werden wir je-es Jahr erleben. Wir werden erleben, wie versucht wird,urzfristig mit Maßnahmen Kostendämpfungspolitik zuetreiben. Es werden Zuzahlungen erhöht,
s werden Leistungen gekürzt, es werden Sparopfer vonrankenhäusern, von Apothekern und von Ärzten ver-angt. Die Bürgerinnen und Bürger werden dann erleben,ie instabil und unsicher dieses Gesundheitswesenurch die Entscheidung für den Gesundheitsfonds undinen Einheitsbeitragssatz finanziert wird. Das macht dieinanzierung des Gesundheitswesens eben nicht nach-altiger – das aber haben Sie sich vorgenommen –, son-ern instabiler. Das ist der große Fehler dieser Reform.
emnächst sollen 50 bis 80 Krankheitsbilder bei dermverteilung des Geldes im Gesundheitsfonds berück-ichtigt werden. Das bedeutet einen enormen Dokumen-ationsaufwand und schafft Bürokratie bei der Zuteilunger Gelder an die Krankenkassen, was das Gutachten ge-ade deutlich gemacht hat. Das wird übrigens einen An-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14519
)
)
Daniel Bahr
reiz schaffen, dass die Krankenkassen möglichst vieleVersicherte in diese Krankheitsbilder eingruppieren, undDeutschland wird dabei wegen Ihrer Gesundheitsreformkränker.Ich komme zum Schluss. Der Gesundheitsfonds löstkein einziges der Probleme, vor dem wir im Gesund-heitswesen stehen. Er schafft nur neue. Die Beitragszahlermüssen für eine verkorkste schwarz-rote Gesundheits-reform teuer bezahlen. Stoppen Sie diesen Gesundheits-fonds, damit es für die Beitragszahler nicht immer teurerwird!Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Annette Widmann-Mauz, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Politik beginnt zunächst einmal mit dem Betrachten derRealität.
Das gelingt nicht mit dem Betrachten des Gutachtens,das im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirt-schaft präsentiert wurde.
Das neue Jahr begann mit einem gesundheitspolitischenSchnellschuss, einem wahren Neujahrsböller: Viel Lärmum nichts. Dieses Gutachten ist fachlich mangelhaft,
es ist spekulativ, es ist schlichtweg höchst unseriös.
Tatsachen werden einfach negiert, und es wird mit Spe-kulationen gearbeitet. Sie, Herr Bahr, wissen dochselbst: Die Entwicklung der beitragsrelevanten Einnah-men können Sie und wir im Moment überhaupt nicht ab-schätzen. Sie kennen nicht die Zahl der sozialversiche-rungspflichtig Beschäftigten in diesem Jahr, auch wirkennen sie nicht. Im Moment steigt sie, und das ist gut.Sie kennen nicht die Zahl der Arbeitslosen am Ende die-ses Jahres, auch wir kennen sie nicht. Im Moment sinktdie Zahl der Arbeitslosen durch die gute Politik der Bun-desregierung.
Sie kennen die Lohnentwicklung in diesem Jahr nicht.Ich höre, was die Gewerkschaften fordern, und deshalblassen Sie uns doch erst einmal abwarten, wie sich dieEinnahmen in diesem Jahr entwickeln.BsfrDizztPseSEwndsmdanwsuidnsrdnBsDdvdnsmdw
ass Sie schon heute den Mut haben, die Wirkungen,nsbesondere die finanziellen Wirkungen, für jede ein-elne Kasse und damit für jeden Versicherten abzuschät-en, finde ich erstaunlich. Dazu kann ich Ihnen nur gra-ulieren. Wir können das nicht. Wir machen seriöseolitik.Auch über die Ausgabenentwicklung wird kräftigpekuliert. Sie kennen die Ergebnisse der Honorarver-inbarungen nicht, auch ich kenne sie nicht. Wie könnenie schon jetzt genau sagen, wie viele Milliarden amnde dabei herauskommen? Herr Bahr, es geht schlicht-eg nicht, dass Sie morgens mit den Ärzten, seien es dieiedergelassenen Ärzte oder sei es der Marburger Bund,emonstrieren und sagen, dass die Ärzteschaft zuchlecht honoriert wird und die Arbeitsbedingungen zuies sind, und sich nachmittags hier ans Pult stellen undie Beitragssatzsteigerungen beklagen, die zum Beispielus solchen Lohnerhöhungen resultieren. So geht esicht.
Sie alle wissen, dass dieses Gutachten Dinge schlicht-eg übersehen hat, zum Beispiel dass der Steuerzu-chuss im nächsten Jahr 4 Milliarden Euro betragen wirdnd deshalb 1,5 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahrn den Fonds fließen werden. Niemand kann heute seriösen Beitragssatz vom 1. Januar nächsten Jahres benen-en. Der allgemeine Beitragssatz im nächsten Jahr ergibtich aus dem durchschnittlichen Beitragssatz dieses Jah-es. Wenn die Beiträge in diesem Jahr stabil bleiben,ann hat das Auswirkungen auf das Jahr 2009. Es ist ge-auso irrwitzig, eine Verknüpfung zwischen möglicheneitragssatzsteigerungen der gesetzlichen Krankenkas-en und dem neuen Finanzierungssystem herzustellen.as ist schlichtweg unlauter. Anders ausgedrückt: Wennie Beiträge steigen, dann tun sie dies unabhängig da-on, ob es einen Gesundheitsfonds gibt;
enn ihr Anstieg hat ganz andere Gründe, die Sie ken-en.
Ich will Ihnen ein Weiteres sagen. Sie tun hier immero – auch heute Nachmittag wieder –, als ob der allge-eine Beitragssatz der einzige Bestandteil des Beitragser Versicherten im nächsten Jahr und in der Zukunftäre. Sie tun so, als ob jeder Versicherte bei jeder Kasse
Metadaten/Kopzeile:
14520 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Annette Widmann-Mauzgleich viel bezahlen müsste. Aber das wird nicht der Fallsein. Das neue Finanzierungssystem besteht aus zweiTeilen, nämlich aus dem allgemeinen Beitragssatz, dereinen Durchschnittssatz aller Kassen abbildet, und ausder Notwendigkeit, einen Zusatzbeitrag zu verlangen,oder der Möglichkeit, den Versicherten einen Pauschal-betrag zurückzugeben. Wer also heute in einer Kasseversichert ist, die wirtschaftlich effizienter arbeitet, derwird auch in Zukunft – wenn diese Kasse weiterhin soarbeitet – von Rückzahlungen profitieren können.Das ist das neue System. Es bringt die Kassen dazu,dass sie sich jetzt auf diese Finanzierungsform vorberei-ten. Sie organisieren ihre Verwaltungsstrukturen um. Sieschließen Verträge. Das alles läuft an. Die Rabattver-träge, die geschlossen werden, bieten doch ein Einspar-potenzial. Aber das beklagen Sie wiederum, weil dasEinsparungen bringen könnte. Sie müssen sich entschei-den, ob Sie auf den Barrikaden bei denjenigen stehen,die im Grunde jede Veränderung verhindern wollen – siekämpfen an vielen Stellen dafür –, oder ob Sie dazu bei-tragen, dass diese wettbewerblichen Instrumente in un-serem System mit dafür sorgen, Beiträge stabil zu haltenund damit am Ende einen Fortschritt für die Versichertenzu erreichen.Unsere Maßnahmen führen auch dazu, dass Ausgabensteigen. Wir haben hier im Parlament übereinstimmendfestgestellt, dass wir zum Beispiel die Impfquote inDeutschland steigern wollen. Dann dürfen wir aber,wenn die Ärzte jetzt mehr impfen, nicht höhere Arznei-mittelausgaben beklagen.
Zum Beispiel werden in Berlin sehr viele HPV-Impfun-gen durchgeführt.Auch Sie wissen: Wir wollen ebenfalls, dass weiter-hin genügend Ärzte für die Versorgung in Deutschlandzur Verfügung stehen. Dazu brauchen wir ein gerechtesHonorierungssystem. Wenn wir also wollen, dass denVersicherten der medizinische Fortschritt in einer altern-den Gesellschaft zugutekommt, dann müssen wir es jetztschaffen, dafür das notwendige Geld zur Verfügung zustellen.Ich kann Ihnen von der FDP nur sagen: Sie habenheute wieder einmal demonstriert, dass Sie wissen, wasSie nicht wollen. Das ist nichts Neues. Das können Siegut. Wenn Sie uns heute gesagt hätten, was Sie außer derStreichung des Fonds konkret tun wollen, um die Bei-tragssätze in unserem Land stabil zu halten, dann wäredas wirklich eine Aktuelle Stunde wert gewesen. So ha-ben Sie wieder einmal mehr dazu beigetragen, die Men-schen mit Spekulationen und Halbwahrheiten zu verun-sichern, und Sie haben nur denen im Land wiederHoffnung gemacht, die sich immer schon gegen Verän-derungen, gegen mehr Transparenz und gegen mehrWettbewerb gewehrt haben.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
LKFhFznIbJdbDidvcd1DlzgifznwlsWrs–Hhh
ch meine, nein.Der Gesundheitsfonds ist nicht das Problem. Das Pro-lem ist vielmehr, dass die Koalition im vergangenenahr versäumt hat, eine grundlegende Neufinanzierunger gesetzlichen Krankenversicherung auf den Weg zuringen.
as heißt, dass wir Privilegien abschaffen, dass wir allen die gesetzliche Krankenversicherung einbeziehen undass wir von allen Einkommensarten einen Beitrag ab-erlangen. Das hätte zur Folge, dass man mit einer sol-hen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung – das wäreas nämlich – einen Beitrag von im Durchschnitt0 Prozent realisieren könnte. Das ist die Wirklichkeit.ass es dazu nicht gekommen ist, ist ein Problem deretzten „Gesundheitsreform“.Unter anderem die FDP schlägt jetzt aus nachvoll-iehbaren Gründen auf den Sack Gesundheitsfonds. Ei-entlich meint sie etwas ganz anderes: Der FDP geht esm Kern um die Stärkung von Privilegien – das ist meineeste Überzeugung – und nicht darum, etwas mehr so-iale Gerechtigkeit herzustellen.
In einem Punkt allerdings hat Herr Bahr recht. Es istach meiner Auffassung nicht zulässig, so zu tun, alsürden die Beiträge zu einem Gesundheitsfonds deut-ich unter den jetzigen Durchschnittsbeiträgen in der ge-etzlichen Krankenversicherung liegen.
ir haben aktuell in der gesetzlichen Krankenversiche-ung in Deutschland einen durchschnittlichen Beitrags-atz von roundabout 14 Prozent.
Ja, 13,8 Prozent waren es im vergangenen Jahr, 2007,err Dr. Faust; das wissen Sie genau. Am 1. Januar 2008aben 60 Krankenkassen die Beiträge erhöht, und des-alb sind wir jetzt bei 14 Prozent.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14521
)
Frank SpiethDas ist aber nicht die ganze Wahrheit. Tatsache istauch, dass den Versicherten ein Zusatzbeitrag von0,9 Prozent zugemutet wird. Das heißt, wir sind untermStrich bei einer Gesamtbelastung von 14,9 Prozent. DerSchätzerkreis, der vom Bundesversicherungsamt einge-setzt ist, die Kostenentwicklungen kalkuliert und darausbeitragsrelevante Schlussfolgerungen zieht, sagt: In die-sem Jahr werden die Ausgaben in der GKV und damitdie Beitragsleistungen in etwa um 0,3 Prozent steigen. –Dann sind wir schon bei 15,2 Prozent.
Das ist nicht ganz weit weg von dem, was von dem Insti-tut in München angenommen wurde.Ich finde, wir sollten ehrlich sein und ehrlich bleiben.Es war doch unmöglich, dass wir in Deutschland je nachWohnort einen Beitragssatz von 13,5 bis 18 Prozent hat-ten oder je nach Industriebranche oder Handwerk einenBeitragssatz von 11,3 bis 16 Prozent, inklusive allem.Das heißt, dass es bisher je nach Wohnort oder Betriebs-zugehörigkeit unterschiedlich hohe Beitragssätze gab.Die Leistungen in der gesetzlichen Krankenversiche-rung werden aber überall in Deutschland zu den gleichenBedingungen unabhängig von der Höhe des Beitragssat-zes bereitgestellt. Insofern ist es schlüssig, wenn amEnde ein einheitlicher, deutschlandweit gleicher Bei-tragssatz erhoben wird.
Das kann doch nicht anders sein als in der Renten- undin der Arbeitslosenversicherung.
Wir haben aber mit diesem Gesundheitsfonds einganz anderes Problem in der Tasche. Wenn denn imJahr 2009 die Krankenkassen ihre Mittel zu 100 Prozentaus dem Gesundheitsfonds erhalten – sofern das gelingt,auch mit dem neuen Risikostrukturausgleich –, wird esmöglicherweise einige Krankenkassen geben, die damitnicht auskommen. Auf die 0,9 Prozent, die schon jetztalle Versicherten zusätzlich zahlen müssen, wird dannnoch etwas draufkommen: Eine Pauschale von bis zu1 Prozent des Einkommens, die aber mindestens 8 Eurobeträgt. Aber auch das ist nur ein Teil der Wahrheit.Ein weiterer Teil der Wahrheit in diesem Gesetz wirdüberhaupt nicht diskutiert, nämlich dass die Bundes-regierung die Beitragssätze erst dann anpasst, wenn dieAusgaben der zukünftigen Versicherung nur noch zu95 Prozent durch die Einnahmen gedeckt sind.
– Das steht im Gesetz.
–hddKndfwdsdgtdsMdGWIlWsWwfDVSä
ie CDU/CSU wollte das ursprünglich auf 3 Prozent be-renzen. – In der Richtung liegt die Wahrheit.Es wird spätestens im Jahr 2011 eine deutliche Bei-ragssatzerhöhung oder erheblich höhere Eigenanteileer Versicherten geben. Das ist nach meiner Auffassungozial unhaltbar.Danke.
Das Wort hat nun Bundesministerin Ulla Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!an könnte der FDP dankbar sein,
ass sie uns mit dieser Aktuellen Stunde noch einmal dieelegenheit gibt, hier über die Vorzüge eines fairenettbewerbs im Gesundheitswesen zu reden.
ch gebe ja zu, dass den Zuhörern und denen, die schonänger hier sitzen, die Verbindung der Worte „fairerettbewerb“ und „FDP“
o wie die Verbindung der Worte „der Teufel“ und „daseihwasser“ vorkommen muss.
Immer dann, wenn die FDP nämlich für mehr Wettbe-erb eintrat, ging es ihr eigentlich nur darum, Vorteileür die eigene Klientel zu schaffen.
eswegen, Frau Kollegin Widmann-Mauz, passt daserhalten der FDP sehr gut zusammen: auf der eineneite für mehr Geld für die Pharmaindustrie, für Zahn-rzte, für Apotheker und andere streiten, aber anderer-)
Metadaten/Kopzeile:
14522 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Bundesministerin Ulla Schmidtseits im Parlament einen Antrag auf Grundversorgungfür alle Menschen einbringen. Das tragen dann die ar-men Menschen. Diejenigen dagegen, die Geld haben,könnten sich ihren Krankenversicherungsschutz selbererweitern.
Das ist FDP-Politik. Deshalb, Herr Kollege Bahr, wer-den wir in dieser Frage nie zusammenkommen und ge-meinsam etwas auf den Weg bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-rung will mit der Einführung des Gesundheitsfonds dieFinanzierungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversi-cherung neu gestalten. Wenn alle in diesem Land dengleichen Anspruch auf Leistungen haben, alle im Prinzipins gleiche Krankenhaus gehen, alle bei einer Krankheitdie gleichen Medikamente verordnet bekommen und alleden gleichen Anspruch auf Kuren und Rehabilitations-maßnahmen haben – von all dem halte ich sehr viel –,
dann macht es Sinn, dass auch alle Menschen den glei-chen Anteil ihres Einkommens für die Finanzierung die-ser Versorgung aufbringen.
Dass die gesetzliche Krankenversicherung eine Soli-dargemeinschaft ist, wird ja manchmal vergessen. Hierziehen wir nach und machen nun nichts anderes als beider Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Dorthaben ja auch alle Menschen die gleichen Rechtsansprü-che auf Leistungen,
und zwar egal, ob sie im Osten, im Westen, im Südenoder im Norden dieses Landes leben.
Wir werden nicht nur die Beiträge festsetzen, sondernwerden zusätzlich zu den Beiträgen der Versicherten imJahr 2009 4 Milliarden Euro aus Steuergeldern für diegesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die heute die Bei-tragszahlerinnen und -zahler alleine tragen, der GKV zu-kommen lassen. Dieser Betrag wird in den kommendenJahren um jeweils 1,5 Milliarden Euro erhöht, bis eineGesamtsumme in Höhe von 14 Milliarden Euro erreichtist. Dieser Betrag entspricht dann immerhin 10 Prozentder derzeitigen Ausgaben der gesetzlichen Krankenver-sicherung; so viel wird dann über Steuergelder finanziertwerden.
Der Fonds hat eine wichtige Funktion: Er soll dasGeld der Versicherten gerechter verteilen, als es heuteder Fall ist, und zwar erstens, indem unterschiedlicheEinkommensstrukturen bei den Versicherten ausgegli-cnighsssdggaVsWetWwWsgdnlklbftidadFmvbLmmebh
Zweitens haben wir mit dem Fonds die Möglichkeit,ie Gelder der Versicherten so zu verteilen, dass in Re-ionen, in denen es besonders viele kranke Menschenibt, mehr Geld für eine gute Krankenversorgung fließtls in Regionen, wo überwiegend junge und gesundeersicherte leben.Insofern schafft der Fonds mehr Gerechtigkeit undorgt dafür, dass die Unterschiede zwischen Ost undest, zwischen Stadt und Land aufgehoben werden undine gesamtdeutsche solidarische Finanzierung der Leis-ungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf deneg gebracht wird.
Nur auf der Grundlage fairer Verteilung ist Wettbe-erb möglich.
ir wollen Wettbewerb, um beste Qualität bei der Ver-orgung zu erreichen. Wir verstehen unter Qualität
ute Versorgungsangebote und zugleich auch ein nie en-endes Bemühen der Krankenkassen, der Vertragspart-er, jeden Euro der Versicherten so zielgenau wie mög-ich für eine gute Versorgung einzusetzen. Eines ist dochlar: In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschenänger leben und in der alle Versicherten die Chance ha-en sollen – diesen Anspruch wollen wir als Koalitions-raktionen garantieren –, am medizinischen Fortschritteilzuhaben, ist es eine immerwährende Aufgabe für allem Gesundheitswesen Tätigen, für rationellen Einsatzer Gelder und damit für kostengünstige, aber zugleichuch gute Versorgungsangebote mit hohen Qualitätsstan-ards zu streiten. Das ist mit Fonds und ohne Fonds derall. Aber der Fonds sorgt für mehr Gerechtigkeit.Die Kassen haben von uns die Möglichkeit bekommen,it einem Bündel von Instrumenten – neue Versorgungs-erträge, Rabattverträge, Preisverhandlungen, Ausschrei-ungen und Haushaltsverträge; ich kann die vollständigeiste gar nicht nennen – möglichst effektiv und effizientit dem Geld der Versicherten umzugehen. Wir werdenit dem Fonds dafür sorgen, dass die Kassen das Geldrhalten, das sie für die Versorgung ihrer Versichertenrauchen.An dieser Stelle fängt der Wettbewerb an. Die Mehr-eit der Kassen wird mit dem Geld auskommen. Es wird
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14523
)
)
Bundesministerin Ulla Schmidtsogar Kassen geben, die Beiträge zurückzahlen und zumBeispiel Boni einräumen. Es wird aber auch Kassen ge-ben, die einen Zusatzbeitrag erheben, der maximal1 Prozent des Einkommens ausmachen darf. Die Versi-cherten haben damit aber die Möglichkeit, genau zu se-hen, was mit ihrem Geld passiert. Es herrscht erstmalsTransparenz. Denn der Zusatzbeitrag wird nicht einfachautomatisch vom Gehaltskonto abgebucht.Die Versicherten können sich überlegen, ob sie mitden Angeboten ihrer Kasse zufrieden sind. Die Men-schen verhalten sich bei Beitragserhöhungen in der Re-gel solidarisch, wenn sie das Gefühl haben, dass sie beiihrer Kasse gut aufgehoben sind. Die Versicherten habenvon uns ein umfangreiches Wechselrecht bekommen, da-mit sie dann, wenn sie nicht Mitglied ihrer Kasse bleibenwollen, mit den Füßen abstimmen können. Das ist dieBasis für einen wirklichen Wettbewerb, weil die Men-schen viel mehr Wahlfreiheiten haben und damit mehrDruck auf die Kassen ausüben können, sich verstärkt umgute Versorgungsangebote zu kümmern.Ich sage Ihnen: Was in den ersten Monaten nach derGesundheitsreform passiert ist, ist ermutigend. Es gibtviele neue Angebote von Telefonhotlines bis hin zu Ver-trägen, mit denen die Versorgung am Wochenende si-chergestellt wird. Es gibt außerdem viele Qualitätsdebat-ten. Wir stehen hier zwar erst am Anfang. Aber dieEntwicklung zeigt, dass wir den richtigen Weg einge-schlagen haben. Denn das Bemühen um die Versichertenund um eine gute Versorgung ist wesentlich größer, alses in den Jahren zuvor der Fall war.Angesichts des Geredes im Zusammenhang mit derFrage, ob die Beiträge steigen oder nicht,
muss ich fragen: Warum sagt keiner etwas zu der Tatsa-che, dass viele ältere Menschen in Berlin heute um4 Prozentpunkte höhere Beiträge zahlen als diejenigen,die Mitglied einer anderen Krankenkasse sind oder in ei-ner anderen Region leben? Warum sagt keiner von de-nen, die da behaupten, dass der Fonds alles teurer ma-che, etwas zu der Tatsache, dass derzeit mancheVersicherte Beiträge von über 16 Prozent zahlen, wäh-rend andere nur 12 Prozent zahlen?
Diese Spreizung hat nichts, aber auch gar nichts mitder Wirtschaftlichkeit der Kassen zu tun, sondern sie hatetwas damit zu tun, dass wir eine ungerechte Verteilungvon Einkommen und Risiken haben. Das kann mandurch vermehrte Wirtschaftlichkeit nicht ausgleichen.
Wir bieten also auch denjenigen, die bisher sehr hoheBeiträge zahlen, eine neue Möglichkeit, entsprechend zureagieren.Der Fonds führt zu mehr Wettbewerb. Ich sage nocheinmal: Die Bundesregierung und auch die Koalitions-fraktionen haben überhaupt keinen Grund, dem Geschreider Lobbyisten in dieser Frage nachzugeben.gdnrhKdveedBFdbadfgWFwblVsszhJ
Ich erteile das Wort Kollegin Birgitt Bender, Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Ministerin Schmidt, es sollte Ihnen eigentlich zuenken geben, dass die Begeisterung für den Einheits-eitrag zu Ihrem Fonds bei der PDS-Fraktion besondersusgeprägt ist;
enn die steht bekanntlich nicht für Wettbewerb, sondernür die Einheitskasse. Ihre enthusiastischen Ausführun-en können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es inirklichkeit kein einziges gutes Argument für diesenonds gibt.
Gäbe es einen Preis für das seltsamste Argument,ürde ich ihn dem Minister für Landwirtschaft und Ver-raucherschutz, Herrn Seehofer, verleihen; er ist heuteeider nicht anwesend.
on Herrn Seehofer durften wir jüngst erfahren, der Ge-undheitsfonds sei wegen des steuerfinanzierten Zu-chusses notwendig, den man der GKV auf diese Weiseukommen lassen werde. Herr Seehofer war bei den Ver-andlungen zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz imahr 2003 dabei.
Metadaten/Kopzeile:
14524 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Birgitt BenderFrau Widmann-Mauz, Sie erinnern sich: Damals habenwir den Steuerzuschuss in nicht ganz so wunderbarenNächten beschlossen.
Seither hat es in der Großen Koalition viel Gezerre umdiesen Steuerzuschuss gegeben. Einmal wurde er gecan-celt, ein anderes Mal erhöht, dann wieder gekürzt usw.Dass irgendwer den Fonds im Zusammenhang mit demSteuerzuschuss vermisst hat, ist mir aber nicht aufgefal-len.In Wirklichkeit ist es doch so: Herr Seehofer weißsehr genau, dass dazu dieser Fonds nicht notwendig ist.Das zeigt doch nur, dass einem gestandenen Gesund-heitspolitiker, der heutzutage eine andere Funktion inne-hat, schlechterdings kein vernünftiges Argument für die-sen Fonds einfällt. Ich finde, das muss man sich einmalauf der Zunge zergehen lassen.Frau Ministerin Schmidt, liebe Kolleginnen und Kol-legen von der Großen Koalition, das, was Sie da schaf-fen, ist eine Geldsammelstelle, die nichts nützt. Sie löstdas Gerechtigkeitsproblem in der gesetzlichen Kranken-versicherung nicht, und sie löst das Finanzierungs-problem nicht. Es bleibt bei der einseitigen Anbindungder Beiträge an die Arbeitseinkommen, es bleibt bei derungerechtfertigten Privilegierung der Vermögensein-kommen, und es bleibt beim Auseinanderklaffen vonBeitragsbasis und Sozialprodukt. Stattdessen bekommenwir neue Probleme: Die Bundesregierung wird jedesJahr den Beitrag festsetzen müssen.
Jedes Jahr wird er zum Objekt politischen Gezerres wer-den. Derzeit kann man beobachten, wie das aussehenwird – die Kombattanten laufen sich schon mal warm –:Die CSU, Herr Zöller, beschließt, dieser Einheitsbeitragsolle möglichst niedrig sein, während die Gesundheits-ministerin verspricht, der Beitrag werde im Wahljahr sohoch sein, dass keine Kasse einen Zusatzbeitrag erhebenmüsse. Für die nachfolgenden Jahre verspricht sie daswohlgemerkt nicht. Jahr für Jahr werden Sie also zu ent-scheiden haben, wie hoch der Beitrag sein soll. Die einenwerden schreien: „Nicht zu hoch!“, die anderen werdenschreien: „Nicht zu niedrig!“ Wenn Sie zu viel festset-zen, bedeutet das Verschwendung. Setzen Sie zu wenigfest, fehlt nachher Geld.
Unter anderem dafür brauchen Sie eine milliarden-schwere Schwankungsreserve. Die müssen Sie aber ersteinmal aufbauen, was auch wieder Geld kostet. LiebeKollegin Widmann-Mauz, das ist ein Spezifikum desFonds, der in der Tat eine beitragstreibende Wirkung hat.Hinzu kommen die Steigerung der Arzneimittelausgabenund die Tatsache, dass Sie den Ärzten höhere Honorareversprochen haben.MBwdÜl5KuFfhmswfuSbisGeFLsmaAdzrblhPlD
it diesem Gesundheitsfonds wird es also zu höhereneiträgen kommen.
Es kommt ein weiteres Problem hinzu. An den Fondsird ein Finanzausgleich zwischen den Kassen angebun-en, der die Krankheiten berücksichtigt, den wir imbrigen auch brauchen: der Morbi-RSA. Die Union hatange dagegen gekämpft. Schließlich ist eine Liste von0 bis 80 Krankheiten entstanden, die uns jetzt vorliegt.ein Mensch weiß, warum es nur 50 bis 80 Krankheitennd nicht mehr sind. Darin spiegelt sich der Rest derundamentalstrategie der Union wider. Was stellen wirest? Der Vorschlag berücksichtigt etliche Volkskrank-eiten nicht. Asthma und koronare Herzkrankheit kom-en nicht vor. Gerade die Krankheiten, für die inzwi-chen spezielle Behandlungsprogramme entwickelturden, wurden nicht berücksichtigt. Mithin ist zu be-ürchten, dass sich die Behandlung verschlechtert.Also, was bringt uns der Gesundheitsfonds? Er bringtns keine nachhaltige Finanzierung. Er schwächt dieelbststeuerungsfähigkeit des Gesundheitswesens. Erringt uns höhere Beiträge und gefährdet die Fortschritten der Behandlung von chronischen Krankheiten. Ange-ichts dessen sind Durchhalteparolen hinsichtlich desesundheitsfonds völlig fehl am Platz. Schaffen Sie ihninfach wieder ab, und machen Sie eine echte Reform.Danke.
Das Wort hat nun Kollege Jens Spahn, CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iebe Kollegin Bender, ich bin seit fünf Jahren im Deut-chen Bundestag. Wenn ich die letzten Jahre betrachte,uss ich fragen: Ist es nicht so gewesen, dass wir hieruch ohne Fonds in regelmäßigen Abständen über dieusgabenentwicklung und die Beitragssatzentwicklunger gesetzlichen Krankenkassen beraten haben? Jetzt sou tun, als würde die Einrichtung eines Fonds dazu füh-en, dass wir hier im Deutschen Bundestag erstmalig De-atten darüber führen, wie sich die Ausgaben der gesetz-ichen Krankenversicherung entwickeln, ist etwasanebüchen.
olitik hat sich in der Vergangenheit mit der Entwick-ung der gesetzlichen Krankenversicherung beschäftigt.as wird auch in Zukunft so sein.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14525
)
)
Jens SpahnAls Zweites vorneweg: Bei aller persönlichen Wert-schätzung für die FDP muss ich sagen, dass es eine ge-wisse Paradoxie in der Argumentationslinie gibt, wennman einerseits sagt, man dürfe bei den Apothekern, beiden Krankenhäusern, bei den Ärzten und in all den ande-ren Bereichen nicht sparen, und andererseits sagt, dassBeiträge nicht steigen dürfen und idealerweise sinkensollten. Die heutige von Ihnen beantragte Debatte zumGesundheitsfonds hätte besser nicht stattgefunden.Zu der Debatte über den Wettbewerb und den Sinn undZweck des Fonds an sich: Wir wollen mit dem Fonds inZukunft vermeiden – das ist vorhin schon dargestellt wor-den –, dass es für die Kassen eine unterschiedliche Aus-gangssituation im Wettbewerb – je nach der Einkom-mensstruktur ihrer Versicherten – gibt. In Zukunft werdendie Kassen für jeden Versicherten die gleiche Grundpau-schale, und zwar alters-, risiko- und geschlechtsjustiert,erhalten und befinden sich dann sozusagen auf der glei-chen Startlinie, um im Wettbewerb um eine gute, abereben auch – das ist das Entscheidende – effiziente Versor-gung mit einer möglichst effizienten Verwaltung gegen-einander um die Kundschaft anzutreten.So wird dann am Ende – das wird oft vergessen, auchin der Argumentation des geschätzten Koalitionspart-ners – der Wettbewerb insbesondere über die Höhe desZusatzbeitrages stattfinden. Es wird einige Kassen ge-ben, in denen die Versicherten 5 oder 8 Euro zurücker-halten, weil die Kasse schon heute besonders gut arbei-tet.
Es wird andere Kassen geben, die am Ende zusätzlich 5,8 oder 12 Euro Beitrag erheben müssen. Das ist Wettbe-werb mit klarer Preissignalfunktion, die wir heute beiden prozentualen Beitragssätzen nicht haben. Das müsstedoch eigentlich die große Zustimmung der Freien Demo-kraten finden.
Ich kann Ihnen sagen: Der Fonds kommt zum 1. Janu-ar 2009, wenn drei bis vier Bedingungen erfüllt sind.
Eine Bedingung ist – wir arbeiten selber noch am Ge-setzgebungswerk – die Insolvenzfähigkeit der Kranken-kassen. Wir sind dabei, die entsprechenden Gesprächezu führen. Wir werden das Ganze – da bin ich zuver-sichtlich – im entsprechenden Zeitablauf schaffen. Es istwichtig, dass alle Kassen zum 31. Dezember dieses Jah-res schuldenfrei sind, um mit gleichen Bedingungen inden Fonds starten zu können.Eine zweite wichtige Voraussetzung ist, dass es einvernünftiges Konzept für einen Risikostrukturausgleichgibt, der gerade schon mehrfach angesprochen wurde.Ein entsprechendes Gutachten liegt vor. Darüber ist si-cherlich noch zu diskutieren. Wir müssen in den nächs-ten Wochen auch darüber reden, welche Krankheitenenthalten sind – man wundert sich ja, was alles Einganggefunden hat – und welche Krankheiten nicht enthaltensAZkwtdbSkblnnSbpEboscbTdDwutHWEugSc
er betreibt ein Stück weit politische Selbstaufgabe.enn eines kann ich Ihnen versichern: Wir wussten, wasir taten, als wir uns für den Fonds entschieden haben,nd wir werden ihn zum 1. Januar 2009 umsetzen.
Das Wort hat nun Kollege Konrad Schily, FDP-Frak-
ion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn icherrn Spahn die Grundsatzfrage stellen höre, weiß ich:ir reden über zwei völlig verschiedene Systematiken.s gibt eine Systematik der Planwirtschaft
nd eine Systematik der freien, dem Einzelnen entge-enkommenden Bedürfnisbefriedigung. Letztere ist dieystematik der FDP.
Lassen Sie mich noch ein paar Vorbemerkungen ma-hen. Mit Verlaub, Frau Schmidt – Sie sind mit uns nicht
Metadaten/Kopzeile:
14526 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Dr. Konrad Schilygerade zimperlich umgegangen –: Ihr einziges Themawar die Gleichheit.
Ich sage Ihnen: Da kann man auch Fünfjahrespläne ein-bringen.
Schauen wir uns den Vorgang doch einmal an. Siewollen alles gleichmachen, Sie wollen gleiche Bedin-gungen herstellen, und Sie wollen sozusagen jedem dasgleiche Brot geben. 70 Millionen Versicherte sind abernicht gleich. 70 Millionen Versicherte sind 70 Millioneneinzelne Menschen und einzelne Kranke.
– Ja. Sie haben auch unterschiedliche Bedürfnisse.Frau Widmann-Mauz, wenn Sie sich das Gutachtenfür die Auswahl der Krankheiten zur Berücksichtigungim morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich an-schauen – ich habe es gelesen –,
dann stellen Sie fest, dass man natürlich 70 oder80 Krankheiten berücksichtigen kann. Man kann aberüberhaupt nicht vorhersagen, ob eine Krankheit, die indiesem Rahmen erfasst ist, vor Ort nicht wesentlich billi-ger behandelt werden kann als eine Krankheit, die dortnicht erfasst ist.
Sie können nicht sagen, dass die Ausgabenvarianz,also die unterschiedliche Höhe der Ausgaben der Kran-kenkassen, durch den Risikostrukturausgleich abgebildetwird. Dadurch lassen sich etwa 25 Prozent der unter-schiedlichen Varianz erklären. Das ist für Sie das Mittelzur Schaffung der großen Gleichheit. Sie möchten etwasunternehmen, um gleiche Verhältnisse herzustellen. Da-für müssten Sie aber alle Menschen gleich alt, gleichgroß, gleich dick und am besten gleich krank machen.
Vielleicht sollten alle Menschen auch noch Mitgliedereiner Einheitskasse und einer Einheitspartei werden.Ich möchte einen Absatz aus dem Gutachten des Wis-senschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Risi-kostrukturausgleichs beim Bundesversicherungsamt zi-tieren:
Die Erhebung der Daten, die zur Anpassung und Ei-chung des Regressionsmodells für den morbiditäts-orientierten Risikostrukturausgleich benötigt wer-den, erfolgt auf Stichprobenbasis. Die StichprobeDbDvlcWK–neMeoDhdl
folgend, als Geburtstagsstichprobe realisiert.
Liegen diese Ausschöpfungsquoten außerhalb artspe-zifischer Toleranzbereiche, so führt das zum Aus-schluss der Daten der betreffenden Krankenkasseaus dem Datensatz.
as wird zu Bürokratie führen. Damit müssen wir unseschäftigen. Es wird ungeahnt kompliziert werden.
as Leben ist schließlich komplex.Frau Widmann-Mauz, da Sie uns Unbeweglichkeitorgeworfen haben, muss ich Ihnen sagen: Es ist unred-ich, hier noch von wettbewerblichen Systemen zu spre-hen.
ir können die Wirklichkeit nicht „verdaten“ oder sie inomma- und Zehntelkommastellen fassen.
Ja, der freie Markt, der Wettbewerb kann dem Einzel-en entgegenkommen; er kann dem Einzelnen nämlichin Produkt anbieten.
öchten Sie vielleicht, dass der Arzt sagt: „Ich habeine Einheitsminute für Sie“, wenn Sie zwanzig Minutender eine Stunde bräuchten?
er Arzt kann sich beim Kranken nicht nach einer Ein-eitsnorm richten, er muss variabel bleiben. Ich denke,ass auch Sie das wollen. Aber das Mittel, das Sie wäh-en, ist grundverkehrt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14527
)
)
Dr. Konrad SchilyDas Mittel ist pyramidal, es ist 19. Jahrhundert. DerGlaube an die Verdatung, das war der sozialistischeGlaube, und der ist faszinierend gescheitert.Vielen Dank.
Nun hat das Wort Kollegin Elke Ferner, SPD-Frak-
tion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichhabe bisher geglaubt, dass das Niveau und die Seriositätder Zeitung mit den großen Buchstaben, die ja heutewieder so einen tollen Bericht gebracht hat, oder der Ini-tiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“ nicht mehr zuunterbieten ist.
Die FDP hat allerdings gezeigt, dass das sehr wohlgeht. Die FDP möchte die Beiträge senken, habe icheben vernommen; Leistungskürzungen möchten Sie abernicht. Wie das funktionieren soll, haben Sie uns nichtverraten.
– Ach, Sie wollen Leistungskürzungen? Das nehme ichgerne zur Kenntnis.Es hat in den vergangenen Tagen leider auch Kran-kenkassen gegeben, die, obwohl sie es besser wissenmüssten, behauptet haben, dass, wenn der Gesundheits-fonds eingeführt wird, Beitragserhöhungen notwendigwürden. Ich sage Ihnen: Das ist grober Unfug.
Da ist es relativ egal, von welcher Seite so etwas be-hauptet wird.Die Beiträge müssen erhöht werden, wenn die Ausga-ben stärker steigen als die Einnahmen; es hat also auchetwas mit der Einnahmeseite zu tun. Mit der Einführungdes Fonds hat das dagegen nichts zu tun. Auch im jetzi-gen System mussten die Beiträge immer dann erhöhtwerden, wenn die Ausgaben stärker gestiegen sind alsdie Einnahmen.
Eben haben Sie, Herr Bahr, Frau Schmidt und ande-ren vorgeworfen, dass die Beiträge in der Vergangenheitgestiegen sind. Doch die Beiträge haben nicht wir fest-gesetzt, sondern, wie es Gesetz ist, die Selbstverwaltungder Krankenkassen. Und auch die können das nicht nachBelieben machen. Die Einnahmen sind nämlich so zugestalten, dass die Ausgaben, die im folgenden Jahr vo-rwddadwsArwsdhseDJnNiIVd1obAvwHAwgBWbB
ber ich würde es mir nicht zutrauen, zu prognostizie-en, wie die Lohnabschlüsse in diesem Jahr aussehenerden; wie sich die sozialversicherungspflichtige Be-chäftigung entwickeln wird; welche Einsparpotenziale,ie wir den Kassen mit der Gesundheitsreform gegebenaben, noch mobilisiert werden; wie das Ärztehonorar-ystem aussehen wird; wie sich die Arzneimittelkostenntwickeln werden. All das wissen wir nicht.
as werden Sachverständige, wie bisher, am Ende desahres für das folgende Jahr schätzen; daran ändert sichichts.Zum zweiten Punkt, über den ich sprechen möchte.atürlich müssen die Einnahmen des Fonds beim Startm Jahr 2009 die Ausgaben zu 100 Prozent decken.
ch fand es schon merkwürdig, muss ich sagen, dass derorsitzende der CSU-Landesgruppe der Auffassung ist,ass man ja, damit die Beiträge nicht steigen, unter den00 Prozent bleiben könne. Wir wissen doch gar nicht,b die Beiträge steigen müssen oder ob sie stabil blei-en.
ußerdem wäre so etwas gesetzeswidrig. Ich gehe da-on aus, dass sich die Bundesregierung nicht gesetzes-idrig verhalten wird. Die Bundesregierung wird imerbst dieses Jahres die Beiträge so festsetzen, dass dieusgaben des Jahres 2009 zu 100 Prozent abgedeckterden können.
Da ist es schon merkwürdig, wenn jetzt einige unions-eführte Länder nicht mehr wissen wollen, was sie imundesrat mit beschlossen haben.
ir haben den Gesundheitsfonds in Koalitionsrundeneschlossen, wir haben den Gesundheitsfonds hier imundestag verabschiedet, und auch der Bundesrat hat
Metadaten/Kopzeile:
14528 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Elke Fernerdem Gesundheitsfonds zugestimmt. Eine stärkere Steu-erfinanzierung, die zu Beitragssatzsenkungen genutztwerden könnte, hätten wir haben können, wenn HerrStoiber, Herr Koch und Herr Wulff dies nicht verhinderthätten.
Einer von den dreien ist schon weg, bei den anderen bei-den wird es nicht mehr lange dauern.
Insofern glaube ich, dass wir auch im Jahre 2009 wie-der eine Debatte darüber führen werden, wie wir dieFinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherunggerechter als bisher verteilen können. „Gerechter ver-teilen“ heißt, dass alle Einnahmen und nicht nur dieEinnahmen aufgrund sozialversicherungspflichtiger Be-schäftigung herangezogen werden, weil manche natür-lich stärkere Schultern als diejenigen haben, die heuteausschließlich sozialversicherungspflichtige Einnahmenerzielen.Das heißt, wir werden weiter an unserem Konzept derBürgerversicherung festhalten. Die Bevölkerung wirddann im Jahre 2009 Gelegenheit haben, auch darüber ab-zustimmen.Schönen Dank.
Kollege Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion, hat
jetzt das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! DieWahl des Titels der heutigen Aktuellen Stunde, die javon der FDP beantragt wurde, zeugt von einer gewissenUnseriosität, weil dadurch vermittelt wird, dass die Bei-träge angeblich wegen des Gesundheitsfonds steigen.Deshalb soll die Einführung des Gesundheitsfonds ver-schoben bzw. die Finanzautonomie der Krankenkassenbeibehalten werden. Das ist der Antrag der FDP-Bun-destagsfraktion.
Ich glaube, es wäre wichtiger und richtiger, uns innormalen Debatten über die Gesundheitspolitik auszu-tauschen, als dass die FDP immer dann eine AktuelleStunde beantragt, wenn irgendwo wieder ein Gutachtengefertigt wird oder sich irgendeine Stimme erhebt undKritik übt. Ich glaube nicht, dass uns das großartig erhel-len wird.
vbdwduKgahswduRds3EwidenfmsuKsdgenuatgskiHndF–
s liegt aber erst jetzt vor. Das zeigt sehr deutlich, dassir hier noch eine intensive Arbeit zu leisten haben.Gerade als Vertreter eines starken Freistaates verhehlech nicht – wir haben darum gekämpft, und auch unseramaliger Ministerpräsident hat sich sehr intensiv dafüringesetzt –, dass die Umsetzung der Konvergenzklauselatürlich ein entscheidender Gesichtspunkt für die Ein-ührung und den Start des Gesundheitsfonds ist. Diesuss aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungen un-eres Gesundheitssystems in den vergangenen Jahrennd Jahrzehnten und aufgrund der unterschiedlichenassenarten, für die wir stehen, weil wir der Meinungind, dass gerade auch unterschiedliche Kassenarten füren Wettbewerb wichtig sind, nachvollziehbar sein. Dasilt genauso für die private Krankenversicherung, diebenfalls für den Wettbewerb im Gesundheitswesen ei-en großen Stellenwert und eine große Bedeutung hatnd dementsprechend nicht für eine wie auch immer ge-rtete Bürgerversicherung geopfert werden sollte.Die Kollegin Bender hat heute hier einheitliche Bei-räge kritisiert. Man muss feststellen, dass auch die Bür-erversicherung hinterher einen einheitlichen Beitrags-atz zur Folge haben würde, was in dieser Hinsicht alsoeine Abkehr vom Gesundheitsfonds bedeuten würde.
Ich glaube, es ist auch entscheidend, dass die Kassennsolvenzfähig werden. Das ist ja Gesetzesgrundlage.ier sind aber natürlich noch sehr viele Fragen offen undicht geklärt. Natürlich haben die einzelnen Bundeslän-er unterschiedliche Interessenlagen, aber wenn dieinanzhoheit der Krankenkassen eingeschränkt wirdzumindest auf den 1-Prozent-Beitrag –, dann muss
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14529
)
)
Max Straubingerauch für die Pensionsrückstellungen irgendjemand ande-rer als jetzt die Länder Verantwortung übernehmen.Diese Frage ist nicht geklärt. Sie muss geklärt wer-den. Ich schicke hier voraus: Sie kann nicht dahin ge-hend geklärt werden, dass dann alle Kassen aufgerufensind, für eventuelle Pensionsverpflichtungen einzelnerKassen letztendlich die Verantwortung zu übernehmen,beispielsweise über einen Fonds. Das muss schon imVerantwortungsbereich der Krankenkassen liegen – dort,wo auch die Pensionsverpflichtungen angefallen sind.
Ein Letztes: Mitentscheidend ist – das ist heute auchschon andiskutiert worden – der künftige Beitragssatz.Ich bin nicht der Meinung, dass der Beitragssatz unbe-dingt steigen muss – schon gar nicht wegen des Fonds.Für diesen Beitragssatz ist aber mitentscheidend, dassdie Bundesregierung im Rahmen der Senkung der Lohn-nebenkosten eine erfolgreiche Politik betrieben hat. Da-rauf sind wir stolz. Wir haben hier große Erfolge vorzu-weisen. Der Abbau der Arbeitslosigkeit schreitet voranusw.
Das ist in einem solchen Prozess natürlich auch zu be-rücksichtigen. Insofern kann nicht argumentiert werden,es sei wichtig, dass der Beitragssatz hoch genug ist, da-mit kein Zusatzbeitrag erforderlich wird und viele Kran-kenkassen sogar noch eine Rückgewährung vornehmenkönnen; denn dies geht letztendlich zulasten der Wirt-schaftlichkeit der Betriebe in unserem Land, und damitwerden Arbeitsplätze vernichtet.Das ist zu beachten. Wir werden, gerade auch alsCSU-Fraktion und als Unionsfraktionen, hier natürlichauf diese Punkte Wert legen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun Kollege Peter Friedrich, SPD-Frak-
tion.
Mein Präsident! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Man ist versucht, schon zu Beginn allen nochAnwesenden ein schönes Wochenende zu wünschen;denn minütlich wird der Saal leerer. Das zeigt vielleichtauch die Bedeutung der Aktuellen Stunde, die wir mo-mentan hier gemeinsam verleben.
vhddhgggsDnGdnZssnijaazdlstnwwUvlnRmd
Das muss man Ihren Reden ganz offensichtlich ent-ehmen. Ihre Intention, dass Sie bei dieser Lösung aucheiterhin die Beitragsautonomie der Kassen beibehaltenollen, heißt doch nichts anderes, als dass Sie weiterhinnterschiede von den Risken her wollen. Der Beitragon Herrn Schily war in diesem Zusammenhang wirk-ich entlarvend. Seine Ausführungen bedeuten dochichts anderes, als dass die individuell unterschiedlichenisiken auch als Wettbewerbsvorteil von den Kassenitgenommen werden können – Wettbewerb zwischenen Kassen.
Metadaten/Kopzeile:
14530 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Peter FriedrichGenau dies wollen wir nicht. Deswegen wollen wireinen einheitlichen Beitragssatz. Daher gibt es denFonds, den Risikostrukturausgleich. Wir wollen, dassErfolge aufgrund der Fähigkeit des Managements derKasse in Bezug auf die Versorgung der Versichertenauch im Vertragswettbewerb weitergegeben werden unddass darüber Wettbewerbsvorteile und Wettbewerbs-unterschiede entstehen. Dort soll der Wettbewerb entste-hen, auf der Leistungsseite – aber nicht auf der Einnah-menseite.Herr Schily, bei allen Versuchen, das Ganze auf dergrundsätzlichen Ebene zu betrachten, müssen Sie eingrundsätzliches Argument akzeptieren. Gesundheit istkein frei handelbares Gut wie jedes andere. Das ist ebengenau nicht so.
In diese Richtung geht jegliche Ihrer Argumentationen.
– Ich höre Ihnen sehr genau zu. Ich wäre froh, Sie tätenes umgekehrt genauso. Lesen Sie vielleicht noch einmalnach, was Sie gesagt haben. Sie wollen, dass die indivi-duellen Unterschiede in der Versichertenschaft über denBeitragssatz weitergegeben werden. Das haben Sie vor-hin gesagt.Ich muss aber auch sagen, dass ich den Widerstandder Grünen gegen den einheitlichen Beitragssatz nichtganz nachvollziehen kann.
Wenn man auf der einen Seite mehr Steuerfinanzierungwill – dafür bin auch ich –, dann muss man doch auf deranderen Seite politisch darum kämpfen, dass endlicheine politische Waffengleichheit zwischen Beitragsfest-setzungen und Steuerfinanzierung hergestellt wird. Bis-her war es doch so, dass in diesem Hause nur die Steuernverantwortet werden mussten. Dann konnte sich die Re-gierung immer relativ bequem zurücklehnen und sagen:Entschuldigung, die Beitragssätze legen die Kassen fest;wir sind empört, das wollen wir nicht mitmachen. – Aberder Mut, sich stattdessen für eine Steuerfinanzierungeinzusetzen, war, je nach Zusammensetzung der Regie-rung, nicht immer in gleichem Maße vorhanden.Deswegen macht es sehr wohl Sinn, unsere Verant-wortung auf das gleiche Niveau zu heben. KolleginBender hat gesagt, wir bänden uns da etwas ans Bein.Ich fände es schön, wenn man die damit einhergehendeBereitschaft, hier darüber zu entscheiden, und den Mut,gemeinsam Verantwortung zu tragen, anerkennen würde.Ein letzter Hinweis. Heute wurde schon wieder be-schrieben, das sei das Ende des Wettbewerbs. Wenn Sie,liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, all denen,die in diesen Tagen zu uns kommen, genau zuhören,dann werden Sie feststellen – und ich wäre Ihnen dank-bar, wenn Sie das auch anerkennen würden –, dass hierein funktionierender Wettbewerb existiert. Der Wettbe-werb, der über Verträge, über Versorgungsstrukturen,ürsdddiafAbWFrMncn–ghsvtejp–lK–dKbm
Natürlich.Wie schon zu vermuten war, gründet sich die Aufre-ung der FDP auf die Expertise des Instituts für Gesund-eitsökonomik in München. 15,5 Prozent Krankenkas-enbeitrag wurden da vorhergesagt. Meine lieben Herrenon der FDP, der Gesundheitsfonds und die geweissag-en Beitragssatzerhöhungen haben herzlich wenig mit-inander zu tun. Der Preis eines Kleiderschranks hängta auch nicht davon ab, ob ich bar, mit Kreditkarte oderer Überweisung bezahle.
Man muss sich eben auf dieses Niveau begeben; das isteider so. Es gibt ja unterschiedliche Qualitäten vonleiderschränken.
Jetzt hängen Sie nicht die Türen aus! – Die Aussagenes Instituts zu den Ausgaben für Arzneimittel undrankenhäuser schreiben im Wesentlichen die Ausga-ensteigerung in den letzten Jahren linear fort. Das mussan bemerken, wenn man sich die einzelnen Positionen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14531
)
)
Dr. Hans Georg Faustanschaut. Sie berücksichtigen auch nicht die in deneinzelnen Jahren veränderten gesetzlichen Rahmenbe-dingungen. Zudem wird vergessen, dass es auch Ausga-benrückgänge im Jahresvergleich gegeben hat. Die Aus-gaben im Krankenhaussektor orientieren sich an derGrundlohnrate, zurzeit 0,64 Prozent. Niemand weiß, wasder neue ordnungspolitische Rahmen bringen wird. Dasist reine Spekulation. Die Schwankungsreserve kann ausmeiner Einschätzung nicht eingerechnet werden. Sie istschon im bisherigen System eingepreist gewesen. Sie lagin der Verantwortung der einzelnen Krankenkassen undwurde teilweise leider mit Schulden bedient. Dafür sindZinsen zu zahlen. Aber diese extra anzusetzen, ist ausmeiner Sicht nicht korrekt.Allerdings wird das, was wir den Ärzten mit demGKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz versprochen haben,ausgabenrelevant werden. Es ist aber im Interesse derärztlichen Versorgung in der Fläche notwendig und wirdsicher auch von den Kollegen der FDP nicht in Zweifelgezogen.
Auf der Einnahmenseite steht ein Plus von 1,5 Mil-liarden Euro, mit dem das Institut rechnet. Das kannmehr oder weniger sein. Vergessen wurden 1,5 Milliar-den Euro Steuermittel, die in dem Fonds zu verbuchensind.Alles in allem keine neuen Erkenntnisse, was denFonds betrifft. Wir können für die Zukunft nicht mehrsagen als das, dass eine älter werdende Bevölkerung undverbesserte Diagnose- und Therapiemöglichkeiten ten-denziell zu höheren Kosten im Gesundheitswesen führenwerden und wir uns gemeinsam überlegen müssen, wiedas zu verkraften ist.Ich denke, dass die Kritiker des Fonds immer nochnicht verstanden haben, dass zwar der Beitragssatz ein-heitlich festgelegt wird, der Wettbewerb aber über denLeistungskatalog und die einkommensunabhängigenRückerstattungen erfolgt.
Bisher konkurrieren die Kassen um die Höhe des Bei-tragssatzes. In Zukunft konkurrieren die Kassen um Zu-und Abschläge. Der Versicherte spürt jetzt unabhängigvon der Höhe seines Einkommens jede Einsparung derKasse in seinem Portemonnaie. Für die Kassen lohnt essich, günstigere Tarife mit abgestuften Leistungen anzu-bieten, und für die Versicherten lohnt es sich, über solcheAngebote nachzudenken.Allerdings weise ich an dieser Stelle darauf hin, dasszur Einführung des Fonds wesentliche Voraussetzungenerfüllt werden müssen: Die Kassen müssen entschuldetsein. Die Vereinbarungen zur Konvergenzphase müssenumgesetzt werden. Der Morbi-RSA muss stehen, und dieoffenen Fragen zum Kasseninsolvenzrecht müssen ge-klärt werden. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir dasbis zum Jahresende schaffen werden.–dkSddmDAtWrtguwügstFNbsDnGsEncHVns
Das Thema kann man nicht in fünf Minuten abhan-eln.Was die Forderung nach Beitragsautonomie der Kran-enkassen betrifft – auch das ist Thema dieser Aktuellentunde –, ist Autonomie in Zukunft deutlich mehr aufer Leistungs- und Vertragsseite gefordert. Die Union ister Auffassung, dass das der richtige Weg ist.Wenn schon Professor Neubauer und Herr Pfister ver-utlich keine guten Wahrsager sind, so ist mein Kollegeaniel Bahr erwiesenermaßen ein schlechter Prophet.m 27. Oktober 2006 sagte er hier für 2007 einen Bei-ragssatzanstieg der Allgemeinen Ortskrankenkassen imesten von 1,5 Prozent und im Osten von 2 Prozent vo-aus.Mein lieber Daniel, in Wirklichkeit ist der AOK-Bei-ragssatz im Westen von Januar 2007 bis Januar 2008leich geblieben
nd im Osten von 13,63 auf 13,55 Prozent gesunken.Es gibt alles in allem viel Lärm um nichts. Der Fondsird kommen, und ich bitte die Kollegen von der FDP,ber das Wochenende in sich zu gehen und sich zu fra-en, ob wir uns solche Aktuellen Stunden zumuten müs-en.
Das Wort hat nun Christian Kleiminger, SPD-Frak-
ion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ürwahr, pünktlich zum neuen Jahr hat uns die Initiativeeue Soziale Marktwirtschaft mit einer weiteren Studieeglückt. Sie schürt die Angst vor horrenden Beitrags-ätzen zur gesetzlichen Krankenversicherung ab 2009.amit wagen Sie, Herr Bahr und die anderen Kollegin-en und Kollegen von der FDP, nun den Sturm auf denesundheitsfonds oder besser gesagt den Sturm im Was-erglas.Der Gesundheitsfonds wird in 348 Tagen eingeführt.r ist als solcher kein Allheilmittel – das behauptet auchiemand –, sondern eher ein Kompromiss. Daraus ma-he ich persönlich auch keinen Hehl. Dennoch ist derandlungsbedarf viel zu groß, als dass man sich aus dererantwortung stehlen könnte. Nichts zu tun außer lautach einem Reformstopp zu rufen, ist auch keine Lö-ung.
Metadaten/Kopzeile:
14532 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008
)
)
Christian KleimingerDer Gesundheitsfonds pur, für sich allein, ist nicht dieIdee meiner Partei. Manche von uns hätten sich mutigereSchritte auf dem Weg zu einem solidarischen Gesund-heitssystem gewünscht. Auch das wird Ihnen nicht ge-fallen. Denn ich denke dabei an eine weiter gehende Ver-pflichtung der privaten Versicherungen oder an eineweitere Aufstockung der Bundeszuschüsse, um einenachhaltig gerechte Absicherung im Krankheitsfall zuschaffen. Aber das hätte einigen in diesem Hause auchnicht gepasst. Denn Ihre Vorschläge haben mit einem so-lidarischen Gesundheitssystem nichts zu tun.Vielleicht haben Sie, verehrte Kolleginnen und Kolle-gen von der FDP, bei Ihrem Sprung ins Wasserglas zumBeispiel vergessen, dass in Ostdeutschland immer nochmehr Menschen ohne Arbeit sind als in Westdeutsch-land. Es leben dort mehr ältere Menschen. Das Lohnni-veau und damit auch die Sozialversicherungsbeiträgesind niedriger, es sei denn, Sie schließen sich noch unse-rer Forderung nach Einführung eines Mindestlohns an;vielleicht ändert sich das dann.
Angesichts dieser Situation ist der Ansatz, den derFonds verfolgt – gekoppelt an den Morbi-RSA – nicht soleicht von der Hand zu weisen. Die notwendige solida-rische Verteilung der Mittel soll in den ostdeutschenLändern dem Erhalt der Struktur der gesetzlichen Kran-kenversicherung dienen. Gleichzeitig mit dem Gesund-heitsfonds soll auch der einheitliche Beitragssatz einge-führt werden.Die genannten Gutachter haben mit ihren Berechnun-gen Angst und Schrecken verbreitet. Wir wissen, wer daseine Interessen durchsetzen will. Natürlich sind dieFreunde der FDP und arbeitgebernahe Verbände gleichmit ins Wasser gesprungen, um hohe Wellen zu schla-gen. Dieses Getöse hat dann die vorhin erwähnte Zei-tung mit den vier Buchstaben gerne und ungemein fach-gerecht dokumentiert.Nicht interessengeleitete Fachleute – diese gibt esauch – halten sich jedoch mit konkreten Zahlen zurück,weil jede Vorhersage über den Beitragssatz zu diesemverfrühten Zeitpunkt einzig und allein zur Spekulationwird. Dass die angesprochene Expertise zudem inhalt-lich und methodisch jeder Grundlage entbehrt, wurdebereits hinlänglich erwähnt. Herr Bahr, meine eigeneVorhersage dagegen lautet – das meine ich rein spekula-tiv –: Sie und ich, wir werden immer älter. Das heißt, dieAusgaben im Gesundheitssystem werden steigen, mitoder ohne den Gesundheitsfonds. Warten Sie es ab!Der Beitragssatz wird im Spätherbst festgesetzt. Erwird vor diesem Hintergrund schwerlich unter die ak-tuelle Durchschnittsmarke sinken können. Aber ich sageIhnen eines: Er darf auch gar nicht zu niedrig angesetztwerden; denn umso mehr Kosten tragen dann die Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer allein in Form von Zu-satzbeiträgen. Ein niedriger Beitragssatz entlastet nur dieArbeitgeber. Korrigieren Sie mich, aber klingt das nichtallzu sehr nach einer kleinen Kopfpauschale? Mankönnte den Verdacht hegen, dass hier etwas durchgesetztwwswKrsvvieDwrwLkkKdöisSEglIne–ssdEukazraA
ie Reform ist gut angelaufen. 100 000 Menschen sindieder krankenversichert, die bisher keinen Versiche-ungsschutz hatten; darauf ist noch nicht hingewiesenorden. Die Versicherten kommen in den Genuss neuereistungen. Die Finanzentwicklung bei den Kranken-assen verläuft im Wesentlichen positiv. Ich finde, dasann sich sehen lassen.Das ist natürlich nicht ganz nach Ihrem Geschmack,ollegen von der FDP. Daher kam Ihnen im neuen Jahrie sogenannte Expertise des Instituts für Gesundheits-konomik gerade recht. Dass diese eklatante Fehler be-nhaltet und vermutlich sogar als Hausarbeit eines Ge-undheitsökonomikstudenten abgelehnt würde, scheintie nicht zu stören. Jedenfalls scheuen Sie sich nicht, diergebnisse dieser Expertise als Beleg für Ihre Forderun-en in Ihren Antrag zu schreiben. Ich denke, damit ist al-es zur fachlichen Basis gesagt. Trotz neuem Jahr enthälthr Antrag keine neuen Argumente und erst recht keineeuen Ideen und Vorschläge.
Nun geht es wieder um den Gesundheitsfonds. Dieserrregt immer wieder die Gemüter vorrangig derjenigendiesen Eindruck habe ich –, die ihn nicht komplett ver-tanden haben. Dabei ist er nichts weiter als ein techni-ches Instrument der Gesundheitsreform, mit dem Gel-er für die GKV eingezogen und verteilt werden. Dientwicklung des Beitragssatzes hängt deshalb auch nichtrsächlich vom Gesundheitsfonds ab; das ist heute sehrlar geworden. Sie haben für das Gegenteil keine Belegenführen können. Für die Entwicklung des Beitragssat-es sind vielmehr die Entwicklung der sozialversiche-ungspflichtigen Beschäftigung – diese steigt; das istusgesprochen positiv –, die Tarifabschlüsse und dieusgabenentwicklung mit all ihren Facetten – Ausgaben
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Januar 2008 14533
(C)
)
Dr. Carola Reimannfür Ärztehonorare, ArzneimTrotzdem meinen schon jetztige Höhe des Beitragssatzeganze zwölf Monate vor demVorhersagen sind dies nicht,diese hellseherischen Fähigke
Für uns Sozialdemokraten ist der entscheidende Fort-schritt dieser Reform die Verknüpfung des Gesundheits-fonds mit einem verbesserten morbiditätsorientiertenRisikostrukturausgleich, der hier bereits mehrfach ange-klungen ist. Mit dem bislang bestehenden Ausgleichkonnten weder die unterschiedlichen Einnahmen derMitglieder noch die unterschiedlichen Gesundheitszu-stände und Versorgungsbedarfe der Versicherten einerKasse hinreichend zielgenau ausgeglichen werden. Dieswird jetzt verbessert.Mit der Errichtung des Fonds wird es erstmals zu ei-nem wirklich hundertprozentigen Ausgleich der Einnah-men kommen. Das heißt, für eine Kasse spielt es dannüberhaupt keine Rolle mehr, ob sie eine gut verdienendefreiwillig versicherte Bundestagsabgeordnete oder eineRentnerin mit einem vergleichsweise geringen Einkom-tdmtwgvrbkdcutRgSdBerichtigu
Die Sitzung ist geschlossen.